Oktober - BMW Online

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Oktober - BMW Online
Oktober
2014
I
Ich muss mal wieder verzweifeln. Der
einzige Gepäckraum an meiner Sportster ist unter dem linken Seitendeckel.
Und da passt gerade mal eine zünftige
Käsestulle rein. Was nun? Es ist Sommer, die
Piepmätze brüllen sich die kleine Vogelseele
aus dem gefiederten Leib, der Asphalt flirrt
vor sich hin und in 120 Kilometer Entfernung wartet ein bezaubernder Ostseestrand
mit Parkplatz auf mich und meine Flasche
Wein. Früher, als ich noch meine stolze
XS 750 fuhr, schnallte ich meinen HarroElefantenboy auf den Tank, das Zelt hinten
drauf und ab die Post …
Angekommen im
Tankrucksack-Himmelreich:
Vor Freude tanzt Reuter des Nachts ums
Lagerfeuer ... GLÜÜCKKLICHHHH!
Mammut statt Elefantenboy
Den Harro gibt es schon lange nicht mehr.
Gebraucht kostet er über Internetauktionen
zwischen 130 und 180 Euro. Und mein
Sportstertank ist für solche Sachen sowieso
zu klein. Aber es gibt mal wieder Rettung:
Mein Schraubermalte hat mir einen schönen Sportster-Custom-Tank angedreht. Der
bietet nämlich schon mal reichlich Auflagefläche. Und dann zeigt er mir klugscheißerlich im Internet die Seite von Wunderlich.
Mit erstaunten Augen sehe ich dort, dass
die Lümmels den Harro-Elefantenboy fast
eins zu eins nachbauen. Für schlappe 250
Euronen! Wie es denn immer so ist: Zwei
Tage später kommt das Teil mit UPS bei mir
an, die Vöglein piepen noch lauter, die Straßen sind noch heißer und der kleine Martin
macht sich mit Kindereifer daran, das Ding
an die Sportster zu zurren. Mann, Leute, so
ein klassischer Tankrucksack ist schon was
Feines! Klar: Die Chopperfraktion kotzt
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jetzt ab, aber alle Klassik-Piloten mögen
aufhorchen. Der Tankrucksack – nun in
»Mammut« umbenannt – fasst beinahe 25
Liter, wenn er stramm gepackt wird. Dazu
muss er auch ebenso stramm an Tank und
Lenkkopf verzurrt sein, damit er bei 120
nicht wackelt wie ein Lämmerschwanz.
Ins untere, feste Fach kommt die kleine
Kamera, Werkzeug und anderer Kleinkram,
sogar die Weinflasche geht rein. Oben kommen Stullen, Wasserflasche und Klamotten
rein. Auf der Deckeltasche befindet sich
das transparente Kartenfach. Wenn man
mal ohne das Oberteil fahren will, nimmt
man es einfach ab, es wird von einem
umlaufenden Reißverschluss gehalten. Das
untere Fach hat deswegen auch noch ein
eigenes Kartentäschchen. Das von Wunderlich verwendete Material ist sehr fest
und stabil und mutet etwas moderner und
stabiler an als das meines damaligen Harros.
Der obere Teil lässt sich, falls nix drin ist,
schön zusammenlegen. Die Deckelklappe
kann man dann ebenfalls im vorderen
Bereich falten, die Faltung wird von zwei
Cabrioverschlüssen zusammengehalten.
Diese Lösung finde ich sogar besser als beim
Elefantenboy. Wenn man tanken will, muss
man die vordere Schnalle lösen und den
gesamten Sack nach hinten klappen. Das
ist etwas umständlich, geht aber. Bei Harro
hatte man für diesen Fall eine Bodenplatte,
in die sich der Fahrer ein Tankloch schneiden konnte. Der Reißverschluss der
Unterplatte wurde komplett geöffnet,
der Sack nach hinten auf die Sitzbank
geklappt und man konnte seelenruhig
tanken. Dieser konstruktive Aufwand
kostet jedoch Geld und hätte den
Mammut sicher 60 bis 80 Euro teurer gemacht. Die Wunderlichs haben dem Rucksack auch eine Unterplatte spendiert, die
jedoch mit Klett am Tankrucksack gehalten
wird. Diese Unterplatte hat an der Unterseite eine gummierte Polsterung, die wie
Affenscheiße am Tank haftet und jegliches
Verrutschen unmöglich macht. Falls man
eine Tankbelüftung über den Tankdeckel
hat, oder auch nur einen etwas ausladenden
Tankdeckel, kann man in diese Unterplatte
ein Tankloch schneiden. So wird die Platte
als Abstandshalter genutzt, die gleichzeitig
genügend Luft an den Deckel lässt.
Links und rechts befinden sich am Unterfach noch zwei Ösen, an denen man den
gesamten Oberbau mit einem Gepäckgummi stabilisieren kann. Ob ihr’s glaubt oder
nicht: Obwohl meine Sportster jetzt einen
leichten Hauch von Bauernmotorrad verströmt, das Reisen mit so einem Tankrucksack ist astrein! Die zwei Befestigungsriemen
sind blitzschnell gelöst und man kann den
ganzen Rucksack mit ins Zelt nehmen.
Dieses Packutensil aus der Gründerzeit des
Motorradreisens ist nicht nur mordspraktisch, sondern an Motorrädern wie einer W
650 oder Triumph Bonneville sogar recht
kleidsam und unterstreicht deren klassische
Linie enorm. Das Teil ist wirklich jeden
Pfennig wert und macht das Reisen auf
einem Tourenmotorrad zum Vergnügen.
Mittlerweile bin ich mit dem Ding auch
im Regen unterwegs gewesen und musste
höchst erstaunt feststellen, dass im Sack
nichts nass geworden ist. Ich hatte meine
Klamotten ohnehin in Plastiktüten eingewickelt, aber selbst meine ungeschützte
Kamera im Unterfach war furztrocken. Die
widerlich fleischfarbenen Befestigungsriemen werden übrigens nach dem ersten Einfetten und einer Regenfahrt schnell schön
naturbraun und nehmen eine fröhliche
Patina an. Seht euch das Ding ruhig mal
auf der Wunderlich-Homepage an. Ich hab
meinen Tankrucksack direkt da bestellt. Die
250 Euro sind ein Witz, wenn man bedenkt,
dass ein dermaßen qualitativ hochwertiges
Teil sicherlich 15 bis 20 Jahre hält. Für mich
eine der Entdeckungen des Jahres.
Schuhkleber
Was war noch? In der letzten Ausgabe habe
ich euch diese Profilsohlen vorgestellt, die
man sich unter seine Badelatschen kleben
kann. Einigen von euch stellte sich die
Frage: Womit kleben? Nun, die ganz alten
Stammleser erinnern sich
vielleicht: Für Leder- und
Gummiverklebungen gibt
es als ultimatives Mittel
den »Kövulfix Schuhkleber«. Hatte ich
vor Jahren schon mal
angepriesen. Diesen
Kleber verwendet auch
der Schuhmacher und
mit ihm ist es definitiv auch euch möglich,
eine neue Sohle an einen
alten Stiefel zu kleben. Wenn
ihr dann noch ein wenig davon in
einen Gefrierbeutel gebt und einige tiefe
Züge nehmt, habt ihr sogar die sonst
üblichen vier Halben gespart, die
ihr euch allabendlich hinter die
Binde kippt. Das Zeugs knallt
richtig schön rein und macht
dauerhaft blöde. Vielleicht
ist an der Krim-Halbinsel mal
eine Containerladung davon
angespült worden – das würde
einiges erklären. Mustang-Jeans
Teste ich eigentlich nur tolle Sachen? Wenn es geht, ja. Im Falle
meiner Mustang-Jeans ist der
Test jedoch in die Hose gegangen. Grundsätzlich haben die Jeans von Mustang
ein recht dünnes Gewebe,
was ich in der warmen Jahreszeit zu schätzen weiß. Das
muss allerdings nicht zwangsläufig bedeuten, dass sich eine
solche Hose nach wenigen Monaten Tragzeit (im Wechsel mit
anderen Jeans!) praktisch in Luft
auflöst. Meine Frau und ich hatten
zeitgleich eine solche Jeans gekauft,
und bei uns beiden zeigen sich erste
Ermüdungserscheinugen: Der Stoff reißt
stellenweise auf, im Gegenlicht kann ich in
der Arschregion bereits fast durch den Stoff
schauen. Was soll das denn, bitte? Wenn ich
mit schrittoffenen Klamotten à la »Village
People« durch die Gegend laufen will, bediene ich mich im Erotik-Fachhandel. Aber
nicht im Jeansmarkt. Unsere Jeans sind das
Modell »Tramper«. Das Zeug taugt nichts.
Jede Levis hält drei- bis viermal länger.
Eine Pike Brothers-Jeans wirkt dagegen wie
eine Ritterrüstung. Mit etwas Glück kann
ich das Beinkleid noch als Putzlappen verwenden. Es wurde mal
behauptet, Mustangs würden in
Deutschland gefertigt, das ist aber
Mumpitz, ich habe läuten hören,
dass auch Mustang in BilliglohnLändern herstellen lässt.
Mein Tipp: Finger
weg. Oder nur zu
feinen Anlässen wie
Beschneidungszeremonien und Erntedankfesten
tragen.
Ausgießhilfe
Ganz am Schluss möchte ich euch
etwas zeigen, was ich toll finde, aber
gar nicht so recht einordnen kann.
Sowas kommt selten genug vor. Es
handelt sich um die Nigrin-Ausgießhilfe. Was für ein Name. Hätte
meinem Urologen auch einfallen
können. Laut Nigrin passt das Teil
»an alle gängigen Kanister mit 1 bis
5 Liter«. Eine gewagte Behauptung,
die ich nicht untermauern konnte,
weil sich in meiner gesamten
Werkstatt kein solcher Kanister findet. Ich habs aber
schon aufgrund der Farbe
und des Preises von 1,49 Euro
einfach mitnehmen müssen.
Wenn ich in den nächsten Monaten tatsächlich einen passenden
Behälter gefunden habe, lasse ich
es euch wissen. In der Zeit könnt
ihr mal für mich rausfinden, ob es
auf dieser Welt eine ANSTÄNDIGE
Ausgießtülle für Benzinkanister gibt,
wie sie früher hergestellt wurden. Also mit
Tülle UND Überwurfmutter, so dass sich die
Tülle nicht beim Festziehen zwangsläufig
verdreht. Alle modernen Kanister haben
nämlich das Gewinde direkt an der Tülle,
was ich komplett dämlich finde. Könnt
ihr das mal für mich übernehmen? Ich bin
nämlich jetzt im Urlaub. Mit Tankrucksack,
Flasche Obstler, Tüte Klebstoff und einem
Sack voll Falschgeld. Ach, das Leben kann
so herrlich sein.
Ich wünsche
euch einen
berauschenden
Restsommer.
Euer Martin
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