test und technik: maurice lacroix
Transcrição
test und technik: maurice lacroix
TEST UND TECHNIK Bahnbrecher Maurice Lacroix — Pontos Décentrique Phases de Lune Limited Edition chon das erste Exemplar – die Pontos Décentrique GMT – demonstriert bei ihrer Lancierung im Jahre 2006 Individualität und Einzigartigkeit. Sie zeigt zwei Zeitzonen jeweils außermittig an, dazu Tag und Nacht der zweiten Zeitzone. Für seinen gewagten Auftritt erhält der Zeitmesser ein Jahr später den begehrten »red dot design award«. 2010 zeigt Maurice Lacroix nun eine weitere Variante des ausgefallenen Zeitmessers – die Décentrique Phases de Lune in einer limitierten Edition von 500 Exemplaren und – wie es ihr Name sagt – mit Mondphasenanzeige. Dazu wird die Zeit – entsprechend des Gestaltungskonzeptes – dezentral angezeigt, aber nur die Minute über einen Zeiger. Für die Stunde dreht sich an gleicher Stelle eine Scheibe. Die zweite Zeitzone ist verschwunden. Dafür erscheint hier der Mond über der bereits vorhandenen Tag-Nacht-Anzeige. Er ist in Form von silberfarbenen metallischen Streifen auf eine Saphirglasscheibe gebracht, die sich unterhalb des Zifferblattes – etwa zwischen drei und fünf Uhr – durch einen großen Kreisausschnitt bewegt. Unter ihr rotiert eine weitere Saphirglasscheibe, nämlich die zur S Mit modernem Design und innovativer Uhrmacherei löst sie sich vom klassischen Bild der Zeitanzeige. Was dabei Programm ist, bringt ihr Name zum Ausdruck – exzentrische Darstellungen durch rotierende Zeiger oder auch Scheiben – wie bei einem der neuesten Modelle mit Mondphasen- und Tag-Nacht-Anzeige. Darstellung von Tag und Nacht. Für den Tag erstrahlt die Sonne auf hellem Grund, für die Nacht steht ein dunkler Sternenhimmel. Während die Tag-Nacht-Scheibe eine Umdrehung in 24 Stunden vollführt, dreht sich die Mondscheibe nur einmal in knapp zwei Monaten. Doch ihre Übereinanderbewegungen ergeben stets und ständig ein wechselndes Bild der Erscheinungen: Je nach Tageszeit und Stand der Gestirne kommunizieren die unterschiedlich langen Strahlen der Sonne mit der Mondscheibe. Oder der Erdtrabant rastert den Sternenhimmel auf. Manchmal steht die Sonne ganz alleine da, an einem anderen Tag verdeckt der Erdsatellit die Sonne ganz und gar. Am schönsten »scheint« der Mond um Mitternacht, wenn die Saphirglasscheibe der Tag-Nacht-Anzeige unter ihm einen dunklen Sternenhimmel projiziert. Am Tage, muss man ein bisschen genauer hinschauen, um die Mondphase zu erkennen, da der helle Teil der Tag-Nacht-Scheibe mit der Sonne Gang Maurice Lacroix dominiert – wie im wahren Leben Tragetest Mittlerer täglicher Gang Kein Testergebnis eben. Je nach Lichteinfall verändert sich die »Sonnenseite« der Zeitwaage bei Vollaufzug nach 24 Stunden Scheibe von Weiß nach Grau und Gang Amplitude Gang Amplitude • ZO + 3,1 s 338° + 2,1 s 327° der in Balken aufgebrachte Mond • ZU + 1,5 s 328° + 3,2 s 318° von Silber bis nach Schwarz. • 9H + 0,8 s 310° + 1,1 s 310° Bei genauem Hinsehen ent• 6H + 1,5 s 309° + 3,0 s 298° deckt man auf der Mondscheibe • 3H + 3,7 s 312° + 6,3 s 298° noch einen kleinen silbernen Punkt, den der Unwissende für ei•X + 2,1 s 319° + 3,1 s 310° nen dekorativen Stern hält. Weit •D 2,9 s 29° 5,2 s 29° gefehlt. Er dient der doch recht • DVH – 0,3 s + 0,8 s sinnvollen Anzeige des Mond• DI – 1,6 s + 0,9 s alters. Und so erklärt sich auch die feine Skalierung von 25 bis »Full Erklärung Gangergebnis Moon« an der Peripherie der Horizontale Lagen: ZO – Zifferblatt oben, ZU – Zifferblatt Mondphasenanzeige. Der silberne unten. Vertikale Lagen: 9H – neun Uhr oben (Krone unten), 6H – sechs Uhr oben (Krone links), 3H – drei Uhr oben Punkt verweist auf die Anzahl der (Krone oben). X – Durchschnitt der Werte (mittlerer tägTage, die noch bis zum nächsten licher Gang), D – Differenz zwischen dem größten und dem Vollmond vergehen müssen, und kleinsten Wert, DVH – Differenz zwischen dem Mittelwert der vertikalen und dem Mittelwert der horizontalen Lagen, auf null – dargestellt durch einen DI – Differenz zwischen 6H und ZO. silberfarbenen halbkugelförmigen 62 UHREN–MAGAZIN 3 / 2011 Index auf dem Zifferblatt –, wenn der Mond voll ist. Auf diese Weise lässt sich die Mondphase nicht nur genau ablesen, sondern auch genau einstellen – übrigens mithilfe eines Drückers, der sich am Gehäuse in der Zwei-Uhr-Position befindet. »Neben« der schönen Mondphasenund Tag-Nacht-Anzeige ist auch die eigenwillige Darstellung der Zeit ein Hingucker. Auf den ersten Blick denkt man vielleicht an eine springende Stunde oder eine Art von Regulatoranzeige – keines von beiden. Auf die Minute wird »ganz normal« mithilfe eines Zeigers verwiesen, der sich aus seiner außermittigen Position heraus dreht. Für die Stunden bewegt sich an gleicher Stelle kein Zeiger, son- Tag und Nacht: Man gewöhnt sich recht schnell an die spezielle Darstellung der Zeit, nachts muss man sie aber schätzen. WWW.WATCHTIME.NET TEST UND TECHNIK TEST UND TECHNIK dern eine Scheibe, und zwar unterhalb des Zifferblattes. Man sieht sie in einem lang gestreckten Fenster etwa zwischen acht und zwölf Uhr, wobei – und das ist zur Orientierung erforderlich – etwa drei Stunden zum Vorschein kommen. Da sich die Scheibe wie ein Zeiger im Uhrzeigersinn dreht, bewegt sich die vergehende Zeit nach oben. Eine Indexspitze bei zehn Uhr zeigt an, was die Stunde geschlagen hat. Es ist nach kurzer Eingewöhnungszeit kein Problem, diese wahrzunehmen. Schwieriger wird es in der Nacht. Die Stunde lässt sich mithilfe der Markierungsspitze einigermaßen schätzen, aber die Minute eigentlich gar nicht mehr ausmachen. Weil die Orientierung völlig fehlt – einerseits wegen der aus dem Rahmen fallenden Zeitanzeige und andererseits wegen fehlender Leuchtindices. Zudem stiftet der nur an seiner Spitze mit Superluminova C1 bestrichene Minutenzeiger Verwirrung, weil er in mancher Position wie ein Index anmutet. Da bringt leider auch sein schönes blaues Licht nur wenig Orientierung. Bleibt noch das Datum zu erwähnen, das relativ groß bei sechs Uhr angezeigt wird. Mit ihm beginnt die Modifikation des SellitaSW-200-Werkes zum ML-Kaliber 122, bestehend aus dem SellitaBasiswerk und einem bei Maurice Lacroix entwickelten Modul. Wie gesagt, der Umbau fängt an der Basis an. Die gewünschte vergrößerte Datumsanzeige erfordert eine feinere Verzahnung der Schaltung. Benötigt eine gewöhnliche Datumsschaltung einen Zahn pro Tag, so sind es beim Kaliber ML 122 deren sechs. Diese befinden sich nun nicht an einem Datumskranz im Basiswerk, sondern an einem neuen im Modul, womit die Datumsschaltung teilweise vom Basiskaliber in den Aufbau gehoben wird. Diese Art der Datumsanzeige ist mit dem Modul zum Patent angemeldet. Über das Modul werden auch die extravagante Zeitanzeige mit Stunde und Minute, die Darstellung von Tag und Nacht und die Mondscheibe gesteuert. Der Antrieb kommt selbstverständlich aus dem Basiskaliber. Die Kraftübertragung erfolgt über das Minutenrad. Zwei Zwischenräder und -triebe sorgen dafür, dass die Zeitanzeige in eine exzentrische Position gelangt. An dieser übernimmt dann ein komplettes Zeigerwerk mit Minuten-, Wechsel- und Stundenrad die 64 UHREN–MAGAZIN 3 / 2011 Kurz vor Mitternacht: Abnehmender Mond über dem Sternenhimmel. Der Punkt oben zeigt an – in 18 Tagen ist wieder Vollmond. Mittagszeit: Die Sonne dominiert die Anzeige, aber auch der Mond ist nicht zu übersehen. Am Rand die Darstellung des Mondalters. Anzeige der Minuten über einen Zeiger und die der Stunden über eine Scheibe. Eine Sekundenanzeige fehlt übrigens, womit die Uhr denn auch nicht sekundengenau einstell- und ablesbar ist. Das hat zur Folge, dass wir in unserem Test kein Gangergebnis aus einem Tragetest vorlegen können. Aber wir gehen davon aus, dass die Décentrique auch am Handgelenk ordentlich läuft, da sie auf der Zeitwaage eine gute Figur macht und sowohl bei Vollaufzug als auch nach 24 Stunden Gangdauer stabil zwischen zwei und drei Sekunden im Plus läuft. Auffällig sind lediglich die recht hohen Amplituden. Ausgehend von der Stunden-Scheibe erfolgt die Tag-Nacht-Anzeige, und zwar durch eine direkte Übersetzung innerhalb des Moduls. Während die Stundenscheibe – genau wie ein Zeiger – zwei Umdrehungen am Tag vollführt, bewegt sich die für Tag und Nacht nur einmal in 24 Stunden um sich selbst. Diese beiden Anzeigen lassen sich nicht voneinander entkoppeln. Anders ist das bei der Mondphase. Diese ist über einen Drücker korrigierbar. Andererseits sorgt ein Getriebe zwischen Stunden- und Mondscheibe dafür, dass die Mondscheibe bei laufender Uhr einmal am Tag weitergeschaltet wird. Der Drücker zur Korrektur der Mondphase befindet sich am Ende einer ausgearbeiteten Gehäuseflanke bei zwei Uhr. Diese umschließt in ihrem mittleren Bereich auch die Krone, welche sich durch eine strahlenförmige Riffelung gut bedienen lässt. Der Handaufzug geht geschmeidig vonstatten. In die mittlere Position zur Datumsschnellschaltung lässt sie sich gefällig und in die äußere zur Zeigerstellung mit etwas Nachdruck ziehen. Das Drücker-Kronen-Ensemble gehört zu einem mehrteiligen Titangehäuse mit rauer, sandgestrahlter Oberfläche. Sie ist gehärtet und so behandelt, dass man nicht gleich jeden Fingerabdruck sieht. WWW.WATCHTIME.NET TEST UND TECHNIK Den Saphirglasboden schließen acht geschwärzte Schrauben. Er verweist auf die Referenz und die Limitierung (035/500) sowie auf das Gehäusematerial und die Druckfestigkeit von »5 ATM«. Oben unterstützt ein beidseitig entspiegeltes Saphirglas die gute Sicht auf das exzentrisch gestaltete Zifferblatt. Während die Gesamtöffnung des Gehäuses etwa 39 Millimeter ausmacht, misst das Zifferblatt der Zeitanzeige etwa 27 Millimeter im Durchmesser und der Radius des Kreisausschnittes für die Mondphasen- und Tag-Nacht-Anzeige etwa acht Millimeter. Somit verhalten sich die Kreissegmente im weitesten Sinne nach den Regeln des Goldenen Schnittes zueinander, woraus wohl die Harmonie entspringt, welche man beim Blick auf die Anzeigen, die auf mehreren Ebenen stattfinden, empfindet: Oben der Minutenzeiger, darunter die Stundenscheibe. Etwas tiefer liegen Mond- und Tag-Nacht-Scheibe und unter diesen dreht die Datumsscheibe. Ein ins Zifferblatt integriertes Saphirglas mit Metallbeschichtung hebt das aktuelle Datum besonders heraus. Mit dem diamantgeschliffenen und facettierten Minutenzeiger korrespondieren die Fassungen der Hilfszifferblätter ebenso wie die applizierten Stundenindices, die sich in ihren unregelmäßigen Formen, Längen und Ausrichtungen nur schwer beschreiben lassen. Diese metallisch glänzenden Teile stehen im Kontrast zum matt-schwarzen, mehrstufigen Zifferblatt, das in Warmformtechnologie aus einem Stück gefertigt ist und mit seiner samtigen Textur einen soliden Auftritt hat. Sehr gut passt das hochwertige Alligatorlederband dazu, das in weit nach unten führende Bandanstöße eingreift. Einerseits sitzt dadurch die Uhr gut am Handgelenk, andererseits stehen aber auch die Anstöße mit ihren relativ spitzen Ausläufern weit ab. 45 Millimeter Durchmesser wollen eben erst einmal gebändigt sein. Ein ähnliches Problem hat die Titanschließe. Ihr Vorteil: Man kann das Lederband stufenlos in ihr fixieren. Ihr Nachteil: Ist die Schließe geschlossen, steht das obere Teil recht weit und unschön ab und man bleibt leicht damit hängen. Komfortabel: Die seitlichen Drücker zum Wiederöffnen. Die Pontos Décentrique Phases de Lune ist zweifellos ein Designerstück, an dessen Art der Anzeigen man sich gewöhnen muss. Mancher Lapsus sei damit entschuldigt, aber nicht jeder. Text: Martina Richter/Fotos: Zuckerfabrik Fotodesign Daten Uhr Maurice Lacroix Hersteller Maurice Lacroix SA Modell Pontos Décentrique Phases de Lune Limited Edition Referenznummer PT6218-TT031-330 Funktionen Stunde, Minute, Datum, TagNacht-Anzeige, Mondphase Gehäuse • Durchmesser • Höhe • Gläser • Wasserdichtheit Titan 44,81 mm 15,08 mm Saphir, entspiegelt/Saphir 50 Meter/5 bar nach DIN Band • Anstoßbreite • Schließe Alligatorleder/Futter: Kalbsleder 22 mm Faltschließe Gesamtgewicht 107,0 g Modellvarianten Edelstahl (Basel-Neuheit 2011) Fehler am Testmodell keine Daten Werk ML 122 Basis-Kaliber Sellita SW 200, Automatik produziert seit 2010 (als ML 122) Durchmesser 34,0 mm (mit Modul) Höhe 12,0 mm (mit Modul) Steine 28 Rubine Gangreserve 38 Stunden Unruh • Frequenz • Form • Spirale • Spiralform • Stoßsicherung • Feinregulierung Nickel 28 800 A/h = 4 Hz Reif, geschlossen Nivarox flach Incabloc Rücker (Etachron) Zierschliffe Perlagen, Streifen, Satinierungen Kanten angliert nein Skelettiert ja (Rotor) Schrauben gebläut/poliert nein/nein Modulaufbau ja (Maurice Lacroix) Chronometer-Prüfung nein Qualitätssiegel nein Preiskategorie bis 10 000 Euro Preis der Testuhr 5 450 Euro Bewertung ••••••[4,98] Pro Manufaktur-Modulaufbau Eigenständiges Designkonzept Gangwerte/Gangverhalten Wertige Materialien Bedienkomfort Limitierte Edition Contra Keine Sekundenanzeige Nachtablesbarkeit Schließe steht ab Spitze Bandanstöße ML-Kaliber 122: Die Rückseite verrät wenig über den modularen Umbau des Uhrwerks, der die speziellen Darstellungsarten von Zeit, Tag, Nacht, Datum und Mondphase möglich macht.