Ansprache zur Konfirmation am 17. April 2016: Die Spinne

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Ansprache zur Konfirmation am 17. April 2016: Die Spinne
Ansprache zur Konfirmation am 17. April 2016: Die Spinne
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Endlich ist es so weit: Eurer Konfirmandenjahr kommt heute an seinen Höhepunkt und gleichzeitig an sein Ende. 10 Monate lang habt
ihr auf diesen Tag zugelebt, habt euch vorbereitet, seid mehr oder
weniger gern Mittwochs zum Konfis gedappelt, habt ihn genossen
oder halt abgesessen. Vielleicht denkt ihr jetzt: Endlich rum! Möglicherweise aber kommen auch Gefühle in euch hoch wie: Schade,
schon vorbei ...
Beiden Gedanken kann und muss ich entgegnen: Nein, es ist noch
nicht vorbei, im Gegenteil! Vielleicht beginnt jetzt erst die ganz große
Sache mit Gott in euch zu wachsen, zu reifen, sich in eurem Leben
festzusetzen. Oder – manche von euch waren letzten Sonntag
schon da – sich in eurem Leben zu „verankern“. Deshalb habe ich
den Anker des letzten Sonntags nochmal mitgebracht.
Ein knappes Jahr lang haben wir miteinander versucht, die Sache zu
entdecken, die man „Glaube“ nennt. Wir haben uns über Gott und
die Welt unterhalten, haben nach der Bedeutung von Jesus gefragt,
auch das Ende des Lebens nicht ausgespart. Oder nach dem Sinn
der Taufe, des Abendmahls und der 10 Gebote geforscht. Kurz: Ihr
Jugendlichen habt euch, mit dem Begleiter-Team und mir zusammen, schon ganz erwachsen mit einer wichtigen Seite des Lebens
beschäftigt. Ich hoffe, dass bei der Einen oder dem Anderen etwas
davon hängen geblieben ist, das euch immer wieder helfen kann,
sinnvoll und gut zu leben!
Denn eins wird immer klarer: Ihr müsst zunehmend Verantwortung
für euer Tun und Leben übernehmen! Eure körperliche und geistige
Entwicklung zeigt täglich: Ihr steckt mitten im Umbruch. Stück für
Stück verlasst ihr die unbeschwerte Kinderzeit. Ihr werdet nicht nur
älter, sondern auch reifer – und damit auch verantwortlicher. Ganz
so einfach wie bisher könnt ihr Dummheiten und Fehler nicht mehr
auf andere abschieben. Mit dem einen Finger, der auf andere zeigt,
zeigen gleichzeitig drei auf euch selbst zurück ...
Und so wächst eure Verantwortung auch, was den Glauben anbelangt. Die Konfirmandenzeit mit der heutigen Konfirmation will euch
helfen, auch in Glaubensfragen eigene Entscheidungen zu treffen.
Ihr habt euren Kopf zum Denken und nicht nur zum Haarewaschen.
Deshalb stelle ich euch heute die sogenannte „Gretchenfrage“: Wie
wollt ihr es zukünftig mit der Religion halten? Darf Gott in eurem Leben mitmischen, oder ist es ab sofort wurscht, was der Pfarrer und
sonstige Heilige oder Scheinheilige von sich geben?
Ich habe heute zum Abschluss unseres gemeinsamen Jahres eine
kleine Geschichte mitgebracht, mit der ich euch zeigen will, wie
wichtig ich die Beziehung zu Gott halte:
Es war einmal eine Spinne, die hatte ihr Netz zwischen den Zweigen
eines Strauches festgemacht, mitten in der Flugbahn vieler Insekten.
Das war eine vortreffliche Position, und sie lebte darin hervorragend.
Alles ging gut, bis eines Tages ein Heuschreck auf einem Blatt über
ihr landete. „Was gibt’s Neues?“ fragte die Spinne, weil Heuschrecken ja normalerweise weiter herumkommen als Spinnen. „Neues
gibt es mehr als genug“, sagte der Heuschreck von oben herab. „Die
Welt ist anders geworden, ganz anders.“ „Das weiß ich auch“,
brummte die Spinne, „ich bin ja nicht von gestern!“ „So, meinst du?“
schnarrte der Heuschreck und beäugte sie missbilligend. „Du siehst
nämlich ganz so aus, als seist du von vorgestern mit deinen umständlichen hunderttausend Fäden! Ich wette, du hast noch nie was
von ‘Rationalisierung’ gehört! Überholtes aufgeben, alte Zöpfe abschneiden, mit der Zeit gehen - darum geht es! Aber der eine kapiert’s, und die andere spinnt halt weiter ...“ Sprach’s und verschwand mit einem eleganten Weitsprung aus ihrem Gesichtsfeld.
Eigentlich war die Spinne ja die Ruhe in Person. Aber dieser Vorwurf
der Rückständigkeit machte sie nervös. Umgehend inspizierte sie
ihren ganzen Betrieb. Doch da war kein Faden überflüssig, kein einziger! Völlig verzweifelt und vor Aufregung einem Herzinfarkt nahe
fand sie schließlich einen Faden, der senkrecht nach oben lief. Ja,
das war’s! Jetzt hatte sie ihn. Dieser Faden hatte ihr noch nie eine
Fliege eingebracht. Er hatte niemals irgend einen Nutzen gezeigt.
Dieser Faden war wirklich überflüssig. „Also fort mit dem Schaden!“
dachte die Spinne und biss den Faden im Handumdrehen ab.
Aber o Schreck: Im selben Moment, in dem der Faden fiel, fiel auch
das Netz in sich zusammen und trieb haltlos im Wind. Die Spinne
hatte nämlich den Faden gekappt, an dem das ganze Netz aufgehängt war. An diesem einzigen, scheinbar nutzlosen Faden nach
oben hatte alles gehangen.
Vielleicht leuchtet euch nicht ganz ein, weshalb ausgerechnet der
Glaube an Gott dieser Faden sein soll, an dem euer ganzes Leben
hängt. Wenn ihr euch umschaut, entdeckt ihr sicher viele Leute, die
ohne Glauben ganz gut leben, vielleicht sogar besser als mit. Es
stimmt ja auch: Manchmal kann die Orientierung an dem Willen Gottes unserem Leben ganz schön im Weg stehen. Wer sich an keine
religiösen Maßstäbe halten muss, braucht weder im Geschäftsleben
noch im privaten Bereich groß zu fragen, ob alles gut ist, was abgeht. Dann muss man auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn
man ohne Rücksicht auf andere den eigenen Vorteil wahrnimmt.
Doch ich bin überzeugt: Viele Missstände unserer Zeit wären nicht
so groß, wenn mehr Menschen glauben würden. Wer sein Denken
an dem orientiert, was Jesus gesagt hat, wird auch danach handeln
oder es zumindest versuchen. Das hat was zu tun mit „glaubwürdig
sein“ – würdig sein des Glaubens also, den man in sich trägt. Es
passt nicht, zu sagen: „Ich bin Christ“, sich im Alltag aber zu verhalten, als wäre genau das Gegenteil der Fall.
Ihr werdet nachher gesegnet, jede und jeder ganz persönlich. Darin
wird – wie in eurer Taufe – sichtbar: Gott möchte an allen Tagen
eures Lebens mit euch gehen, euch begleiten, euch zu einem bewussten und glaub-würdigen Leben verhelfen. Dazu bekommt ihr
einen „Denkspruch“. Dieser Bibelvers soll euch euer Leben lang an
eure Konfirmation – und an Gott erinnern. Daran, dass ihr zu einer
Kirche gehört, in der Gottes Wille wichtig ist. Lernt euren Denkspruch auswendig, damit ihr ihn nie mehr vergesst! Ihr könnt ja heute nachmittag mal eure Eltern fragen, ob die ihren noch wissen ?
Ich wünsche euch, dass der Segen und der Denkspruch, die ihr heute mitbekommt, für euch zu einem lebenswichtigen „Faden nach
oben“ werden! Dass ihr euch von diesem Faden gehalten wisst.
Denn er ist Gottes Versprechen, dass er in guten wie in weniger guten Lebenszeiten bei euch ist. An diesem Faden seid ihr nicht gefesselt, sondern bestens angebunden. Der Glaube an Gott will euch
nicht einsperren. Er hält das Netz, in dem ihr leben könnt.
Geht so in jeden neuen Lebenstag: voller Vertrauen auf Gott, der
euch segnet und festhält und immer bei euch bleibt! Amen.

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