Arbeitsbefreiung
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Arbeitsbefreiung
Rechtshandbuch A–Z 1 Mai 2009 Arbeitsbefreiung Zusammenfassung Ansprüche auf bezahlte oder unbezahlte Arbeitsbefreiung können sich aus Sonderregelungen im Gesetz sowie in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag, sowie aus §§ 275, 616 BGB oder auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Die bekanntesten und bedeutendsten Ausnahmen vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ sind der bezahlte Erholungsurlaub, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Entgeltfortzahlung nach den Mutterschutzvorschriften. Hierzu wird auf die entsprechenden Stichwörter „Urlaub“, „Entgeltfortzahlung“ und „Mutterschutz“ verwiesen. Spezielle Regelungen Spezielle Regelungen zum Anlass und/oder Umfang der Arbeitsbefreiung finden sich insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Berufsbildungsgesetz (BBiG), Arbeitsplatzschutzgesetz ArbPlSchG), Sozialgesetzbuch, Pflegezeitgesetz, Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in Landesgesetzen. Betriebsverfassungsgesetz Im Betriebsverfassungsgesetz finden sich Freistellungsregelungen insbesondere in den §§ 37 und 44, und zwar für die Betriebsrattätigkeit sowie für Betriebsversammlungen. Entsprechende Regelungen Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung, Vertrauensleute der schwerbehinderten Arbeitnehmer, und Personalvertretungen bestehen vergleichbare Regelungen in §§ 65, 71 BetrVG, 95, 96 SGB IX sowie in den Personalvertretungsgesetzen. Jugendarbeitsschutzgesetz Das Jugendarbeitsschutzgesetz enthält Regelungen zu bezahlten Freistellungen insbesondere im Hinblick auf den Berufsschulbesuch, auf Prüfungen sowie auf die im Gesetz genannten ärztlichen Untersuchungen, §§ 9, 10 und 32 2 Arbeitsbefreiung Zusammenfassung Rechtshandbuch A–Z JArbSchG. Unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen unter 18 Jährige, § 1 JArbSchG. Berufsbildungsgesetz Dem Jugendarbeitsschutzgesetz ähnliche Bestimmungen zur Freistellung enthält das Berufsbildungsgesetz. Auch hiernach ist der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht sowie an Prüfungen unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, §§ 15, 19 BBiG. Verhinderungsfälle Darüber hinaus sieht das Gesetz in § 19 eine Fortzahlungsverpflichtung bis zur Dauer von sechs Wochen vor, wenn die Auszubildenden ❑ ❑ sich zur Berufsausbildung bereithalten, diese aber ausfällt oder aus einem sonstigen persönlichen Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichte aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Arbeitsplatzschutzgesetz Nach § 1 ArbPlSchG ruht das Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitnehmer zum Grundwehrdienst oder einer Wehrübung einberufen wurde. Es ruht auch wenn der Arbeitnehmer an freiwilligen Wehrübungen teilnimmt und diese innerhalb eines Kalenderjahrs nicht länger als sechs Wochen dauern, § 10 ArbPlSchG. Öffentlicher Dienst Einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer einer Wehrübung haben nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitnehmer, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, § 1 Abs. 2 ArbPlSchG. Musterung Für alle Arbeitgeber gilt, dass sie dem Arbeitnehmer, der aufgrund der Wehrpflicht von der Erfassungsbehörde oder einer Wehrersatzbehörde aufgefordert wird, sich persönlich zu melden oder vorzustellen, für die ausgefallene Arbeitszeit das Arbeitsentgelt weiter zahlen müssen, § 14 ArbPlSchG. Sozialgesetzbuch Nach § 45 SGB V hat jeder Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen unabdingbaren Anspruch auf unbezahlte Freistellung, wenn ❑ es nach ärztlichem Attest erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer wegen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des Kindes der Arbeit fern bleibt Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Zusammenfassung ❑ Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 ❑ Umfang Der Anspruch besteht für beide Elternteile für jedes Kind pro Kalenderjahr maximal 10 Tage (insgesamt höchstens 25 Tage). Für Alleinerziehende verdoppelt sich der Anspruch auf längstens 20 Tage bzw. insgesamt 50 Tage. Bei sterbenskranken Kindern ist der zeitliche Umfang jedoch nicht eingeschränkt. Pflegezeitgesetz Nach dem Pflegezeitgesetz können Beschäftigte zur Pflege ihrer nahen pflegebedürftigen Angehörigen für jeweils bis zu sechs Monate der Arbeit fern bleiben. Darüber hinaus in Akutfällen bis zu 10 Arbeitstage. Bildungsurlaub in Landesgesetzen Nach manchen Landesgesetzen haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für einen Bildungsurlaub. Bürgerliches Gesetzbuch Spezielle Regelungen zur bezahlten Arbeitsbefreiung finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch insbesondere für die Fälle, dass der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, § 615 BGB oder der Arbeitnehmer auf Stellensuche ist, § 629 BGB. Darüber hinaus enthält das Bürgerliche Gesetzbuch allgemeine Regelungen zur Freistellung. Vorübergehende Verhinderung In § 616 BGB ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigten das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, soweit sich nichts anderes aus speziellen Regelungen ergibt. Hiernach behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn er ❑ ❑ ❑ WEKA MEDIA GmbH & Co. KG eine andere im Haushalt lebende Person diese Aufgabe nicht übernehmen kann das Kind weniger als 12 Jahre alt oder behindert und hilfebedürftig ist aus persönlichen Gründen (z.B. Hochzeit, Tod eines nahen Angehörigen) für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Abdingbarkeit In Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder auch in den einzelnen Arbeitsverträgen können die Bestimmungen des 3 4 Arbeitsbefreiung Zusammenfassung Rechtshandbuch A–Z § 616 BGB eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen werden. Leistungsverweigerungsrecht Gemäß § 275 Abs. 3 BGB kann ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung seiner Interessen mit denen des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Landesgesetze Zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit sehen manche Landesgesetze vor, dass Jugendleiter für ihre – in den Gesetzen umrissenen – Tätigkeiten wie z.B. Leitungen von Jugendfreizeiten von der Arbeit freizustellen sind. Die Arbeitgeber müssen für diese Zeiten das Arbeitsentgelt jedoch zumeist nicht weiterzahlen. Rechtshandbuch A–Z 1 WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 Problemstellung Fall aus der Praxis 1 (kein klarer Gedanke mehr) Die Sozialarbeiterin hält es kaum noch aus, so sehr puckert ein Zahn. Obwohl sie eine höllische Angst vor dem Zahnarzt hat, entschließt sie sich, noch während ihrer Arbeitszeit zum Zahnarzt zu gehen – einen klaren Gedanken kann sie ohnehin nicht mehr fassen. Muss die Einrichtung ihr die durch den Arztbesuch ausgefallene Arbeitszeit vergüten? Fall aus der Praxis 2 (Vorsorgeuntersuchung) Schon bevor der Dienstplan für diese Zeit erstellt ist, teilt die Mitarbeiterin der Pflegedienstleitung mit, dass sie an einem bestimmten Tag einen Arzttermin zu einer Vorsorgeuntersuchung hat. Die Pflegedienstleiterin vergisst dies in dem ganzen Trubel und teilt die Mitarbeiterin just für den Tag und die Zeit des vorgesehenen Arztbesuchs zur Arbeit ein. Muss die Mitarbeiterin den Arzttermin verschieben (und dann wieder ein paar Wochen auf den neuen Termin warten) oder muss sie gegebenenfalls die versäumte Arbeitszeit nachholen? Fall aus der Praxis 3 (Arztwechsel) Die Ärztin der Sekretärin ist Mutter kleiner Kinder und betreibt ihre Praxis nur vormittags. Als die Sekretärin ihrem Arbeitgeber mitteilt, dass sie am Donnerstag in der Folgewoche wegen eines Arztbesuchs erst später zur Arbeit erscheinen werde, reagiert dieser gereizt und faucht seine Mitarbeiterin an: „Sehen Sie sich doch nach einem anderen Arzt mit Sprechzeiten außerhalb Ihrer Arbeitszeit um!“ Kann der Arbeitgeber das verlangen? Fall aus der Praxis 4 (Urlaubsgutschrift?) Während des Osterurlaubs der Altenpflegerin vom 01.10.2009 bis zum 14.10.2009 ist deren Vater gestorben. Die Beerdigung fand am 8.10.2009 statt. Kann die Altenpflegerin verlangen, dass ihr für diesen Tag ein Tag Erholungsurlaub gutgeschrieben wird? Fall aus der Praxis 5 (Urlaubsgutschrift!) Schon seit langem ist der Hausmeister ehrenamtlich für das Technische Hilfswerk (THW) tätig.1 Während seines letzten Erholungsurlaubs wurde er wegen einer Überschwemmung kurzfristig zu einem zweitägigen Einsatz einberufen. Ohne den Urlaub (und ohne die Überschwemmung) hätte der 1. Der Fall ist einer Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 10.05.2005 – AZ 9 AZR 251/04 – nachgebildet. 2 Arbeitsbefreiung Problemstellung Rechtshandbuch A–Z Hausmeister an diesen beiden Tagen in der Einrichtung gearbeitet. Der Hausmeister verlangt nun, dass ihm die zwei Tage des Einsatzes an Erholungsurlaub nachgewährt werden. Die Einrichtung hält ihm entgegen, dass Urlaubsstörungen in seinem Risikobereich liegen und sie somit zur Nachgewährung der Urlaubstage auch nicht verpflichtet sei. Stimmt das? Fall aus der Praxis 6 (Das hat sie nun davon) Die Altenpflegerin hat ihre Eheschließung Wochen im Voraus angekündigt. Die standesamtliche Trauung soll Freitag, den 19. Juni 2009 sein und die kirchliche Trauung tags darauf. Die Pflegedienstleitung, die sich schon öfter über die ungewöhnlich häufigen „Kurzerkrankungen“ der Altenpflegerin geärgert hat, gestaltet den Dienstplan so, dass die Altenpflegerin am 19. und 20. Juni 2009 ohnehin frei hat. Die Frage einer Freistellung wegen der Eheschließung stellt sich damit für sie nicht. Ist die Vorgehensweise der Pflegedienstleiterin korrekt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Altenpflegerin ohne die langfristige Ankündigung ihrer Hochzeit zumindest an einem der beiden Tage zum Dienst eingeteilt worden wäre? Fall aus der Praxis 7 (Spanische Hochzeit) Die Hochzeit des langjährigen Mitarbeiters findet im Geburtsland seiner Frau, in Spanien, statt. Der Mitarbeiter beansprucht hierfür Arbeitsbefreiung für die Dauer von vier Arbeitstagen. Muss der Arbeitgeber ihm diese gewähren? Fall aus der Praxis 8 (Tank leer) Der Mitarbeiter verspätet sich, weil er vergessen hatte, rechtzeitig zu tanken. Kann ihm die ausgefallene Arbeitszeit vom Gehalt abgezogen werden? Fall aus der Praxis 9 (Totalschaden) Der Pfleger kommt erst Stunden nach seinem regulären Dienstbeginn in die Einrichtung. Auf dem Weg zur Arbeit hat er unverschuldet einen Verkehrsunfall erlitten. Zum Glück ist ihm nichts passiert, allerdings hat sein Wagen einen Totalschaden erlitten und musste abgeschleppt werden. Muss dem Pfleger die ausgefallene Zeit als Arbeitszeit gutgeschrieben werden? Fall aus der Praxis 10 (Verkehrschaos) Die Mitarbeiterin kommt völlig außer Puste in die Einrichtung. Sie hat sich um 1 1/2 Stunden verspätet! Die Ampelanlagen waren in der gesamten Stadt ausgefallen, was zu einem kleinen Verkehrschaos führte. Na ja, jedenfalls kann sie nichts für ihre Verspätung. Gleichwohl will ihr die Pflegedienstleitung die Stunden nicht als Arbeitszeit anrechnen. Wieso das denn nicht? WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Problemstellung Fall aus der Praxis 11 (Fortbildungsveranstaltung) Die Einrichtung schickt die Mitarbeiterin zu einer zweiwöchigen Fortbildung. Muss die Mitarbeiterin die Arbeitszeit, die sie wegen der Fortbildung nicht an ihrem angestammten Arbeitsplatz wahrnehmen kann, nacharbeiten? Fall aus der Praxis 12 (Bildung) Die Pflegekraft möchte an einer Bildungsveranstaltung, die den Erfordernissen des entsprechenden Landesgesetzes entspricht, teilnehmen. Es geht um einen einwöchigen Lehrgang mit dem Thema „Kultureller Hintergrund und Wertvorstellungen unserer türkischen Mitmenschen“. Muss die Einrichtung die Pflegekraft hierfür freistellen? Fall aus der Praxis 13 (Whistleblower?) Schon seit einiger Zeit bestehen in der Einrichtung Überlegungen, wie der Pflegekraft wirksam gekündigt werden kann.1 Trägt diese doch angebliche Missstände nach außen! Zum Glück hat sie jetzt selbst gekündigt. Kann die Einrichtung die Pflegekraft bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch gegen deren Willen von der Arbeit freistellen? Fall aus der Praxis 14 (Däumchendreher) Die kleine Einrichtung unternimmt mit sämtlichen Bewohnern einen dreitägigen Ausflug. Das Küchenpersonal hat die Küche schon nach dem ersten Tag von oben bis unten geschrubbt und mögliche Vorbereitungen erledigt. Jetzt ist so gut wie nichts mehr zu erledigen. Muss die Einrichtung die Küchenkräfte auch für die Zeit bezahlen, in der sie gar nicht arbeiten? Fall aus der Praxis 15 (Gleitzeit) Die Mitarbeiterin aus der Personalabteilung ist ehrenamtliche Richterin.2 Auf ihr Arbeitsverhältnis ist der TVöD anwendbar. Für ihre Arbeit an Donnerstagen gilt vereinbarungsgemäß eine Normalarbeitszeit von 7:30 bis 15:30 Uhr und eine Kernarbeitszeit von vier Stunden in der Zeit zwischen 9 Uhr und 14 Uhr. Letzten Donnerstag nahm die Mitarbeiterin als ehrenamtliche Richterin in der Zeit von 8:30 bis 15:00 Uhr an einer Sitzung bei Gericht teil. Hierfür wurden ihrem Arbeitszeitkonto entsprechend der Kernarbeitszeit vier Stunden gutgeschrieben. Die Mitarbeiterin verlangt nun von der Einrichtung eine Gutschrift von weiteren 2 1/2 Stunden. Zu Recht? 1. Ein „Whistleblower“ bringt Missstände, von denen er im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit Kenntnis erlangt, an die Öffentlichkeit. 2. Fall nach Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 22.01.2009 – AZ 6 AZR 78/ 08 3 4 Arbeitsbefreiung Problemstellung Fall aus der Praxis 16 (Kurzzeiturlaub) Rechtshandbuch A–Z Die Sekretärin ist total stolz auf ihren neuen kleinen Flitzer. Allerdings muss der Wagen noch angemeldet werden. Dies ist nur während ihrer Arbeitszeit möglich. Sie beantragt daher die Bewilligung von Erholungsurlaub für einen halben Tag. Muss der Arbeitgeber ihr diesen gewähren? Rechtshandbuch A–Z 1 Mai 2009 Rechtslage Erholungsurlaub, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Grundwehr(ersatz)dienst, Mutterschutzzeiten, Elternzeit und neuerdings auch Pflegezeit führen zu Ansprüchen des Arbeitnehmers, der Arbeit fern zu bleiben. Die Pflicht zur Arbeitsleistung kann jedoch aufgrund besonderer Umstände auch aus anderen Gründen ausgeschlossen sein. Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Regelungen Ansprüche auf bezahlte oder unbezahlte Arbeitsbefreiung können sich aus Sonderregelungen im Gesetz sowie in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag, sowie aus §§ 275, 616 BGB oder auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Im Übrigen geht die Rechtsprechung wohl auch dahin, dass ein Arbeitnehmer wegen eines bestimmten Ereignisses zwar von der Arbeit freizustellen ist, er die „verlorene“ Arbeitszeit jedoch teilweise nachholen muss. 1. Bezahlte Freistellung Die bekanntesten und bedeutendsten Ausnahmen vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ sind der bezahlte Erholungsurlaub, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Entgeltfortzahlung nach den Mutterschutzvorschriften. Hierzu wird auf die entsprechenden Stichwörter „Urlaub“, „Entgeltfortzahlung“ und „Mutterschutz“ verwiesen. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Gesetzliche Bestimmungen Spezielle Regelungen zum Anlass und/oder Umfang der Arbeitsbefreiung finden sich insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Berufsbildungsgesetz (BBiG), Arbeitsplatzschutzgesetz ArbPlSchG), Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in Landesgesetzen. 2 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z Betriebsverfassungsgesetz Das Betriebsverfassungsgesetz enthält Freistellungsregelungen zu Betriebsratstätigkeiten im engeren und weiteren Sinne. Betriebsratstätigkeiten Betriebsratmitglieder sind für ihre Betriebsratstätigkeiten im erforderlichen Umfang von ihrer Arbeit freizustellen. Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt bleibt ihnen ungemindert erhalten, § 37 BetrVG. Schulungs- und Bildungsveranstaltung Nicht nur für die eigentliche Betriebsratstätigkeit besteht ein Freistellungsanspruch. Vielmehr besteht auch ein Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind, § 37 Abs. 6 BetrVG. Betriebsversammlungen Die Arbeitnehmer sind für die Teilnahme an gesetzlich vorgeschriebenen oder auf Wunsch des Arbeitgebers einberufenen Betriebsversammlungen unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeit freizustellen, § 44 BetrVG. Hierbei hat der Arbeitgeber zudem eventuelle zusätzliche Wegezeiten wie Arbeitszeit zu vergüten und für die entsprechenden Fahrtkosten aufzukommen. Entsprechende Regelungen Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung, Vertrauensleute der schwerbehinderten Arbeitnehmer, und Personalvertretungen bestehen vergleichbare Regelungen in §§ 65, 71 BetrVG, 95, 96 SGB IX sowie in den Personalvertretungsgesetzen. Stichwort „Betriebsverfassungsrecht“ Einzelheiten rund um das Thema „Betriebsrat“ finden sich unter dem Stichwort „Betriebsverfassungsrecht“. Jugendarbeitsschutzgesetz Im Jugendarbeitsschutzgesetz finden sich Regelungen zur bezahlten Freistellungen insbesondere im Hinblick auf den Berufsschulbesuch, auf Prüfungen sowie auf die im Gesetz genannten ärztlichen Untersuchungen. Unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fallen unter 18 Jährige, § 1 JArbSchG. Berufsschulunterricht Nach § 9 JArbSchG hat der Arbeitgeber für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen; hierdurch darf ein Entgeltausfall nicht eintreten. Rechtshandbuch A–Z Prüfungen In § 10 JArbSchG ist geregelt, dass der Arbeitgeber den Jugendlichen für die Teilnahme an Prüfungen und bestimmten außerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen unter Fortzahlung des Entgelts freizustellen hat. Darüber hinaus hat der Jugendliche einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für den Tag, der seiner Abschlussprüfung vorangeht. Ärztliche Untersuchungen Das Gesetz schreibt in § 32 vor, dass ein Jugendlicher, der in das Berufsleben eintritt, nur beschäftigt werden darf, wenn er seinem Arbeitgeber nachweist, dass er innerhalb der letzten 14 Monate von einem Arzt untersucht worden ist. Darüber hinaus kommen weitere, im Gesetz im Einzelnen aufgeführte Untersuchungen in Betracht. Für all diese Untersuchungen hat der Arbeitgeber den Jugendlichen unter Fortzahlung des Entgelts freizustellen. Mai 2009 Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Arbeitsbefreiung Rechtslage Berufsbildungsgesetz Dem Jugendarbeitsschutzgesetz ähnliche Bestimmungen zur Freistellung enthält das Berufsbildungsgesetz. Auch hiernach ist der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht sowie an Prüfungen – allerdings nicht am Vortag der Abschlussprüfung – unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, §§ 15,19 BBiG. Verhinderungsfälle Darüber hinaus sieht das Gesetz in § 19 eine Fortzahlungsverpflichtung bis zur Dauer von sechs Wochen vor, wenn die Auszubildenden ❑ ❑ sich zur Berufsausbildung bereithalten, diese aber ausfällt oder aus einem sonstigen persönlichen Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichte aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Arbeitsplatzschutzgesetz Einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer einer Wehrübung haben nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz nur Arbeitnehmer, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, § 1 Abs.2 ArbPlSchG. Für die Zeit von Wehrübungen, zu denen solche Arbeitnehmer einberufen sind, ist ihnen Entgeltfortzahlung wie bei einem Erholungsurlaub – jedoch 3 4 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z ohne Urlaubsgeld – zu zahlen. Bei freiwilligen Wehrübungen gilt die Entgeltfortzahlungspflicht nur, soweit die Wehrübungen insgesamt nicht länger als sechs Wochen im Kalenderjahr dauern, § 10 ArbPlSchG. Musterung Für alle Arbeitgeber gilt, dass sie dem Arbeitnehmer, der aufgrund der Wehrpflicht von der Erfassungsbehörde oder einer Wehrersatzbehörde aufgefordert wird, sich persönlich zu melden oder vorzustellen, für die ausgefallene Arbeitszeit das Arbeitsentgelt weiter zahlen müssen, § 14 ArbPlSchG. Pflegezeitgesetz Das Pflegezeitgesetz enthält keine speziellen Regelungen zur Entgeltfortzahlung. Zur Vergütungspflicht verweist das Gesetz in § 2 für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung lediglich pauschal auf andere gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen. Bildungsurlaub in Landesgesetzen Nach manchen Landesgesetzen haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für einen Bildungsurlaub. Bundesländer So ist in den Landesgesetzen von Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ein entsprechender Anspruch unter den dort jeweils geregelten Voraussetzungen vorgesehen. Bürgerliches Gesetzbuch Spezielle Regelungen zur bezahlten Arbeitsbefreiung finden sich insbesondere für die Fälle, dass der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät oder der Arbeitnehmer auf Stellensuche ist. Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Rechtslage Annahmeverzug Mai 2009 Der Annahmeverzug ist in § 615 BGB geregelt. Nach dieser Bestimmung kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er die vom Arbeitnehmer ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, mit der Folge, dass er dem Arbeitnehmer zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet ist. Bei länger andauerndem Annahmeverzug muss sich der Arbeitnehmer jedoch um eine anderweitige Erwerbstätigkeit bemühen und diese gegebenenfalls ausüben. Der Arbeitgeber hat dann nur noch eine eventuelle Verdienstdifferenz auszugleichen. Die Frage des Annahmeverzugs spielt insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen während des Laufs eines Kündigungsschutzprozesses eine Rolle. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Betriebsrisiko Kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer aus Gründen, die in seinem Risikobereich liegen, nicht beschäftigen, darf er die Vergütung ebenfalls nicht einbehalten; der Arbeitnehmer hat sich auch in diesem Fall das anrechnen zu lassen, was er durch den Arbeitsausfall erspart hat oder durch anderweitige Beschäftigung verdient bzw. verdienen könnte. Stellensuche Arbeitnehmer in gekündigten Arbeitsverhältnissen haben nach § 629 BGB einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung in angemessenem Umfang zur Stellensuche, soweit die entsprechenden Handlungen nur während der Arbeitszeit vorgenommen werden können. Dieser Anspruch ist unabdingbar, er kann also vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Befristete Arbeitsverträge und Aufhebungsverträge Über den Wortlaut des Gesetzes steht dieser Anspruch nach überwiegender Meinung auch den Arbeitnehmern, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, zum Ablauf der Befristung zu. Ab wann dieses Recht besteht, wird unterschiedlich beurteilt. Ein Anhaltspunkt kann der Kündigungsfrist gesehen werden, die für die Dauer des konkreten Arbeitsverhältnisses maßgeblich wäre. Entsprechendes gilt für Aufhebungsverträge. Umfang Zur Stellensuche gehören nicht nur Vorstellungsgespräche bei potentiellen Arbeitgebern nebst An- und Rückfahrten. Vielmehr ist der betroffene Arbeitnehmer auch für notwen- 5 6 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z dige Gespräche in der Arbeitsagentur sowie für Eignungstests etc. von der Arbeit freizustellen. Bezahlung? Aus § 629 BGB ergibt sich kein Anspruch auf bezahlte Freistellung. Eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers kann sich für die Stellensuche jedoch aus § 616 BGB ergeben, auf den nachstehend eingegangen wird. Vorübergehende Verhinderung In § 616 BGB ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigten das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, soweit sich dies nicht aus speziellen Regelungen ergibt. Hiernach behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn er ❑ ❑ ❑ aus persönlichen Gründen für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Persönliche Gründe Die Verhinderungsgründe müssen aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers resultieren. Sie liegen dann vor, wenn dem Mitarbeiter nicht zugemutet werden kann, seine vertraglich an sich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Beispiele Als klassische Beispiele anerkannter Verhinderungsgründe – auf die teilweise noch näher eingegangen wird – werden häufig genannt: ❑ ❑ Familiäre Ereignisse wie – eigene Hochzeit – goldene Hochzeit der (Groß)Eltern – Geburt eines Kindes – religiöse Feste wie Erstkommunion oder Konfirmation – Beerdigung Unglücksfälle wie – Wohnungsbrand – Einbruch Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Rechtslage ❑ Mai 2009 ❑ ❑ ❑ ❑ – eigener (unverschuldeter) Verkehrsunfall Arztbesuche, soweit sie nicht zumutbarer Weise in der Freizeit erledigt werden können Pflege erkrankter naher Angehöriger Kurzzeitige Arbeitsverhinderung im Sinne des Pflegezeitgesetzes Ehrenamtliche Tätigkeiten, soweit diese im öffentlichen Interesse ausgeübt werden Umzug. Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Werden mehrere Arbeitnehmer wegen desselben Ereignisses daran gehindert, ihrer Arbeit nachzukommen oder kann dem Arbeitnehmer zugemutet werden, seine Angelegenheiten in seiner Freizeit zu erledigen, liegt kein persönlicher Hinderungsgrund vor. Als persönlicher Grund werden beispielsweise folgende Ereignisse nicht anerkannt: Beispiele ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ Nichterreichbarkeit des Betriebs wegen – Glatteises – eines Verkehrsunfalls, an dem der Arbeitnehmer nicht beteiligt ist – Streiks der Bahn eigener Geburtstag des Arbeitnehmers Wahrnehmung von Aufgaben für einen privaten Verein Teilnahme an einem Streik Arztbesuche, die auch während der Freizeit des Beschäftigten erfolgen können WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Wie sich die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ermittelt, ist streitig. Die Rechtsprechung setzt hierzu bislang im Wesentlichen die Dauer der (voraussichtlichen) Betriebsangehörigkeit zur Dauer der Verhinderung ins Verhältnis. Demgegenüber machen sich zunehmend Stimmen stark, die fordern, dass auch die Umstände des Einzelfalls zumindest mit zu berücksichtigen sind. Nur unter Berücksichtigung solcher Umstände im Einzelfall kann die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.02.20071 verstanden werden: In dieser Entscheidung führt das Gericht aus, dass bei einer Dienstverpflichtung von sechs Tagen ein Verhinderungstag als eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit er- 1. Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 07.02.2007 – AZ 5 AZR 270/06 7 8 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z scheint. Die Verhinderung beruhte in diesem Fall auf einer Erkrankung. Es ist schwerlich vorstellbar, dass das Gericht diese Verhältnismäßigkeit auch bei einer Verhinderung des Klägers wegen seiner Eheschließung bejaht hätte. Zeitlicher Gesamtumfang maßgeblich für Entgeltfortzahlung Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung nur dann verpflichtet ist, wenn sich die Verhinderung insgesamt über eine nicht erhebliche Zeit erstreckt. Abdingbarkeit In Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder auch in den einzelnen Arbeitsverträgen können die Bestimmungen des § 616 BGB eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen werden. In Tarifverträgen greifen die Einschränkung oder der Ausschluss allerdings nur im Rahmen einer abschließenden Regelung. TVöD In § 29 Abs. 1 TVöD wird ausgeführt, welche Anlässe als Fälle nach § 616 BGB gelten. Ähnliche Regelungen sind auch in anderen Tarifverträgen oder in Arbeitsvertragsrichtlinien enthalten. Formulararbeitsverträge Einschränkungen des § 616 BGB oder sein Ausschluss in einem Formulararbeitsvertrag müssen den Anforderungen der §§ 305ff BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) standhalten. Sie dürfen sich insbesondere nicht als überraschende Klausel erweisen; andernfalls wären sie unwirksam. Unbezahlte Freistellung Spezielle gesetzliche Regelungen zur unbezahlten Freistellung enthalten das Sozialgesetzbuch, das Pflegezeitgesetz sowie einige Gesetze in den Landesgesetzen Sozialgesetzbuch Von den Freistellungsansprüchen, die im Sozialgesetzbuch geregelt sind, spielen in der Praxis insbesondere die Regelungen zur Pflege eines erkrankten Kinds eine Rolle. Nach § 45 SGB V hat jeder Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeit- Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Rechtslage geber einen unabdingbaren Anspruch auf unbezahlte Freistellung, wenn Mai 2009 ❑ ❑ ❑ Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Umfang es nach ärztlichem Attest erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer wegen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des Kindes der Arbeit fern bleibt eine andere im Haushalt lebende Person diese Aufgabe nicht übernehmen kann das Kind weniger als 12 Jahre alt oder behindert und hilfebedürftig ist Der Anspruch besteht für beide Elternteile für jedes Kind pro Kalenderjahr maximal 10 Tage (insgesamt höchstens 25 Tage). Für Alleinerziehende verdoppelt sich der Anspruch auf längstens 20 Tage bzw. insgesamt 50 Tage. Bei sterbenskranken Kindern ist der zeitliche Umfang jedoch nicht eingeschränkt. Den betroffenen Arbeitnehmern steht in diesen Fällen ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf Krankengeld zu. Bezahlte Freistellung vorrangig Der Anspruch auf Krankengeld – und damit auch der Anspruch auf unbezahlte Freistellung – besteht jedoch nur, soweit ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nicht gegeben ist. Anrechnung auf einen später entstehenden Freistellungsanspruch Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Voraussetzungen auf unbezahlte Freistellung nicht vorlagen, ist der Arbeitgeber berechtigt, die insoweit bereits gewährte Freistellung auf einen späteren entsprechenden Anspruch anzurechnen. Pflegezeitgesetz WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Nach dem Pflegezeitgesetz können Beschäftigte zur Pflege ihrer nahen pflegebedürftigen Angehörigen für jeweils bis zu sechs Monate der Arbeit fern Bleiben. Stichwort „Pflegezeitgesetz“ Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Pflegezeitgesetz“ verwiesen 9 10 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z Arbeitsplatzschutzgesetz Die Freistellungsansprüche eines Wehrdienstleistenden ergeben sich insbesondere aus dem Arbeitsplatzschutzgesetz. Nach § 1 ArbPlSchG ruht das Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitnehmer zum Grundwehrdienst oder einer Wehrübung einberufen wurde. Es ruht auch wenn der Arbeitnehmer an freiwilligen Wehrübungen teilnimmt und diese innerhalb eines Kalenderjahrs nicht länger als sechs Wochen dauern, § 10 ArbPlSchG. Landesgesetze Zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit sehen manche Landesgesetze vor, dass Jugendleiter für ihre – in den Gesetzen umrissenen – Tätigkeiten wie z.B. Leitungen von Jugendfreizeiten von der Arbeit freizustellen sind. Die Arbeitgeber müssen für diese Zeiten das Arbeitsentgelt jedoch zumeist nicht weiterzahlen. Bürgerliches Gesetzbuch Schließlich ist noch auf die Regelung des § 275 Abs. 3 BGB hinzuweisen. Wie oben unter dem Abschnitt „Bezahlte Freistellung“ bereits ausgeführt, kann die vom Gesetz an sich vorgesehene Entgeltfortzahlung in vielen Fällen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dies heißt nun aber nicht, dass damit auch die Arbeitsbefreiung als solche hinfällig wird. Vielmehr bleibt dem Arbeitnehmer vielfach über die Bestimmung in § 275 Abs. 3 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht. Gemäß dieser Regelung kann ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung seiner Interessen mit denen des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Das Leistungsverweigerungsrecht wird in Fällen, die nach der Rechtsprechung als „persönliche Verhinderungsgründe“ im Sinne des § 616 BGB anerkannt sind, in der Regel ausgeübt werden dürfen. Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 Einzelfälle Arztbesuche Zwischen den Mitarbeitern und ihrem Arbeitgeber kommt es häufig zu Missstimmigkeiten, weil nicht bekannt ist, unter welchen Voraussetzungen die Arbeitnehmer zu Arztbesuchen von der Arbeit freizustellen sind. Entgegen weit verbreiteter Meinung in Arbeitnehmerkreisen muss der Arbeitgeber dies nicht in jedem Fall. Ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht hierzu nur, wenn der Arztbesuch nicht außerhalb der Arbeitszeit erfolgen kann. Der Arbeitnehmer darf nicht jeden seitens des Arztes vorgeschlagenen Termin, der sich mit seiner Arbeitszeit überlappt, einfach so hinnehmen. Vielmehr muss er auf einen Termin hinwirken, der nicht mit seiner Arbeitszeit kollidiert. Gleitzeit Auch soweit Gleitzeitregelungen bestehen, müssen die Mitarbeiter zusehen, dass eine Arbeitsbefreiung nicht erforderlich wird. Da Arbeitsverhinderungen, die innerhalb der Gleitzeit bestehen, so anzusehen sind, als seien sie außerhalb der Arbeitszeit erfolgt, muss die Erledigung – z.B. ein notwendiger Behördenbesuch – möglichst innerhalb der Gleitzeit bewerkstelligt werden. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Kündigung In manchen Einrichtungen ist es üblich, Mitarbeiter, die gekündigt haben oder denen gekündigt wurde, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses – mithin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – von der Arbeit freizustellen. Diesen Mitarbeitern wird von vornherein unterstellt, dass sie ihre Arbeit ohnehin nur noch unmotiviert fortführen und zur Störung des Betriebsfriedens beitragen würden. Ob solche unternehmerischen Entscheidungen – die oftmals dazu führen, dass die Kolleginnen und Kollegen die Arbeit der freigestellten Mitarbeiter mit übernehmen müssen – sinnvoll sind, mag hier dahinstehen. Jedenfalls kann der Arbeitgeber den betroffenen Mitarbeiter gegen dessen Willen nach überwiegender Meinung grundsätzlich nur dann freistellen, 11 12 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z wenn hieran ein berechtigtes Interesse – z.B. bei Verdacht einer Straftat – besteht. Dies gilt auch, wenn die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung für diese Zeit weitergezahlt wird. Auswirkungen auf den Sozialversicherungsschutz? Gegen eine unwiderrufliche Freistellung bestanden bis vor kurzem zudem sozialversicherungsrechtliche Bedenken: Nach Ansicht der Sozialversicherungsträger konnte ein Arbeitnehmer, der – auch einvernehmlich – unwiderruflich von der Arbeit freigestellt war, seinen Sozialversicherungsschutz verlieren, was insbesondere hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes zu gravierenden Folgen hätte führen können. Durch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 24.9.20081 dürfte nunmehr klargestellt sein, dass der Sozialversicherungsschutz während der bezahlten Freistellungsphase erhalten bleibt. Pflege eines Kindes Für die Voraussetzungen und den Umfang des Rechts, der Arbeit wegen Pflege eines Kindes der Arbeit fernzubleiben, ist zwischen vorübergehender Erkrankung des Kindes und einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit zu unterscheiden. Erkrankung Bei Erkrankung des Kindes besteht ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, soweit das Kind betreut werden muss und anderweitig nicht versorgt werden kann oder eine anderweitige Betreuung unzumutbar ist. Theoretisch besteht dieser Anspruch auf unbegrenzte Zeit, soweit die Interessen des Arbeitgebers an der Arbeitsleistung nicht überwiegen. Eine Fortzahlung der Arbeitsvergütung kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann beanspruchen, wenn seine Auszeit wegen der Erkrankung des Kindes nicht mehr als fünf Arbeitstage beträgt. Pflegebedürftigkeit Ist das Kind hingegen pflegebedürftig im Sinne des Pflegezeitgesetzes, kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Pflege des Kindes auch durch andere Personen durchgeführt werden könnte. Die Arbeitnehmer können zur Pflege ihres Kindes die bis zu sechsmonatige Pflegezeit auch bei objektiv überwiegendem Interesse ihres Arbeitgebers in 1. Bundessozialgericht: Urteile vom 24.09.2008 unter den AZ B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R Mai 2009 Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Rechtslage Anspruch nehmen. In Akutfällen können sie darüber hinaus „von jetzt auf gleich“ die Pflege ihres Kindes bis zur Höchstdauer von zwei Wochen übernehmen. Für diese Zeit besteht nach wohl noch überwiegender Meinung ebenfalls ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur, wenn die Arbeitsverhinderung einen Zeitraum von mehr als fünf Arbeitstagen nicht übersteigt. Erholungsurlaub Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Für Anlässe, die einen Arbeitnehmer an der Arbeit hindern, darf dieser grundsätzlich nicht auf die Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubs oder eines Teils hiervon verwiesen werden. Etwas anderes kann gelten, wenn es um Tage geht, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen und hierfür vertragliche Regelungen bestehen. Zusammenfallen von Erholungsurlaub oder Dienstfrei mit besonderen Anlässen Fällt ein besonderer Anlass, der an sich zur Arbeitsverweigerung berechtigt oder nach § 616 BGB zu vergüten wäre, in Zeiten, die der Arbeitnehmer aus anderen Gründen ohnehin nicht arbeiten muss, führt dieser Anlass nicht zu einer Arbeitsverhinderung. Daher besteht in solchen Fällen grundsätzlich weder ein Anspruch auf Nachgewährung von Freizeit noch auf eine entsprechende Vergütung. Ergibt sich allerdings aus einem Gesetz, dass Arbeitnehmern bei der Ausübung des Ehrenamts keine Nachteile im Arbeitsverhältnis erwachsen dürfen, ist der Erholungsurlaub nachzugewähren.1 WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Mitbestimmung Sollen in der Einrichtung Formulare eingeführt werden, die im Zusammenhang mit der Arbeitsbefreiung stehen und sich auf die Ordnung des Betriebs oder das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb auswirken, bedarf dies der Mitbestimmung des Betriebsrats, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ver1. Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 10.05.2005 – AZ 9 AZR 251/04 13 14 Arbeitsbefreiung Rechtslage Rechtshandbuch A–Z gleichbare Regelungen gelten für die Beteiligung der Mitarbeitervertretungen und Personalvertretungen. Rechtshandbuch A–Z 1 WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 Handlungsanleitung In Bezug auf die Arbeitsbefreiung kommen in vielen Arbeitsverhältnissen (tarif-)vertragliche Regelungen zur Anwendung. Oftmals sind dort die gesetzlichen Bestimmungen konkretisiert. Sie können jedoch teilweise von den gesetzlichen Vorschriften abweichen, und zwar sowohl zugunsten der Arbeitnehmer als auch zu deren Ungunsten. Die nachstehenden Lösungen beziehen sich – soweit nicht anders dargestellt – auf die gesetzlichen Regelungen. Zum Fall aus der Praxis 1 (kein klarer Gedanke mehr) Ja, die Einrichtung darf das Gehalt der Sozialarbeiterin nicht kürzen. In Akutfällen sind die Mitarbeiter berechtigt, auch während der Arbeitzeit einen Arzt aufzusuchen. Schreibt der Zahnarzt sie für den Rest des Tages krank, ergibt sich der Vergütungsanspruch aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz, andernfalls aus § 616 BGB. Die Einrichtung kann verlangen, dass die Mitarbeiterin eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der der Umfang der Arbeitsverhinderung hervorgeht. Zum Fall aus der Praxis 2 (Vorsorgeuntersuchung) Wohl weder das eine, noch das andere. Zwar sind Termine für Vorsorgeuntersuchungen an sich so zu legen, dass diese nicht mit der Arbeitszeit kollidieren. Die Mitarbeiterin hat jedoch ihren Beitrag dazu geleistet, dass es unschwer möglich gewesen wäre, sie außerhalb der Zeit des vereinbarten Arzttermins zur Arbeit einzuteilen. Sie muss daher für den Arztbesuch unter Fortzahlung der Vergütung ohne Wenn und Aber freigestellt werden. Zum Fall aus der Praxis 3 (Arztwechsel) Nein, soweit geht es nun doch nicht. Zwar müssen die Arbeitnehmer ihre Arzttermine grundsätzlich so legen, dass eine Überschneidung mit der Arbeitszeit vermieden wird. Der Arbeitgeber kann von seinen Mitarbeitern jedoch nicht verlangen, dass sie dafür ihren Arzt wechseln. Zum Fall aus der Praxis 4 (Urlaubsgutschrift?) Nein. Der Arbeitgeber muss der Altenpflegerin keinen Urlaubstag gutschreiben. Da die Altenpflegerin am Beerdigungstag wegen des bereits erteilten Urlaubs ohnehin schon von der Arbeit befreit war, konnte er sie für diesen Tag nicht mehr (bezahlt) freistellen. Das Risiko urlaubsstörender Ereignisse trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer. Dem- 2 Arbeitsbefreiung Handlungsanleitung Rechtshandbuch A–Z entsprechend muss die Einrichtung ihr den Tag der Beerdigung auch nicht als Urlaubstag gutschreiben. Zum Fall aus der Praxis 5 (Urlaubsgutschrift!) Wie aus dem vorangegangenen Fall ersichtlich, ist es grundsätzlich schon so, dass urlaubsstörende Ereignisse in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers fallen. Wenn sich allerdings aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, dass den Arbeitnehmern wegen der Teilnahme an bestimmten Einsätzen in ihrem jeweiligen Arbeitsverhältnis kein Nachteil entstehen darf, muss der Urlaub nachgewährt werden. Ein solcher Nachteil kann darin gesehen werden, dass der betroffene Arbeitnehmer seinen Urlaub wegen des Einsatzes nicht selbstbestimmt nutzen kann. Da § 3 THWHelferrechtsgesetz eine Benachteiligung von Arbeitnehmern, die an Einsätzen des THW teilnehmen, verbietet, müssen dem Hausmeister die entsprechenden Urlaubstage nachgewährt werden. Zum Fall aus der Praxis 6 (Das hat sie nun davon) Die Vorgehensweise der Pflegedienstleitung ist verständlich, aber nicht korrekt. Ausgehend davon, dass sie den Dienstplan anders gestaltet hätte, wenn es sich nicht um diese „spezielle“ Altenpflegerin gehandelt hätte, hat sie hierdurch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Den Verdacht, dass die Altenpflegerin häufiger krankfeiert, muss sie anderweitig abklären bzw. über den Arbeitgeber abklären lassen (s. z.B. unter dem Stichwort Entgeltfortzahlung – Rechtslage 3.2.6). Zum Fall aus der Praxis 7 (Spanische Hochzeit) Das wird er wohl müssen. In kürzerer Zeit sind Anfahrt, Eheschließung, Hochzeitsfeier und Rückreise kaum zu schaffen. Immerhin soll der Mitarbeiter ja auch nicht gänzlich abgehetzt zur Arbeit zurückkehren. Ob der Arbeitgeber die Tage des Arbeitsausfalls auch bezahlen muss, erscheint grenzwertig. Bei Hochzeiten wird zur Aufrechterhaltung des Entgeltfortzahlungsanspruchs üblicherweise eine Arbeitsverhinderung von maximal zwei Tagen als angemessen angesehen. Dies auch nur dann, wenn die standesamtliche Trauung und die kirchliche Trauung an verschiedenen Tagen stattfinden. In Anbetracht der besonderen Umstände des Falls dürften allerdings auch die vier Arbeitstage als vorübergehende Verhinderung im Sinne des § 616 BGB zu werten und damit zu bezahlen sein. Zum Fall aus der Praxis 8 (Tank leer) Ja. Die Verspätung des Mitarbeiters beruht zwar auf einem persönlichen Verhinderungsgrund, diesen hat der Mitarbei- Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Handlungsanleitung WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 ter jedoch selbst verschuldet, womit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt. Zum Fall aus der Praxis 9 (Totalschaden) Da das Zuspätkommen auf einem unverschuldeten persönlichen Hinderungsgrund beruhte muss dem Pfleger die ausgefallene Arbeitszeit dann gutgeschrieben werden, wenn er sich um eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ verspätet hat. Überzogen? Hierbei spielt auch eine Rolle, ob die Stunden der Verspätung ausschließlich mit dem Verkehrsunfall zusammen hängen. Wenn sich der Pfleger im Anschluss an den Unfall nach dem Motto „ich komme ja ohnehin zu spät“ z.B. erst einmal in Ruhe in ein Cafe gesetzt hat, wird die Verhältnismäßigkeit nicht bestehen. Der Pfleger hat dann keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, und zwar auch nicht in dem Umfang, der an sich als verhältnismäßige Arbeitsverhinderung anzusehen gewesen wäre. Zum Fall aus der Praxis 10 (Verkehrschaos) Auch wenn die Mitarbeiterin an der Verspätung keine Schuld trifft: Das Wegerisiko hat sie zu tragen. Es liegt hier kein Fall der „persönlichen“ Verhinderung vor. Von dem Verkehrschaos waren auch andere Menschen außerhalb des persönlichen Umfelds der Mitarbeiterin betroffen. Sie kann daher nicht verlangen, dass ihr die ausgefallene Arbeitszeit gutgeschrieben wird. Zum Fall aus der Praxis 11 (Fortbildungsveranstaltung) Ausgehend davon, dass die Fortbildung im dienstlichen Interesse liegt, handelt es sich bei der Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung nicht um einen Fall der Arbeitsbefreiung. Vielmehr zählt diese Zeit als Beschäftigungszeit, mit der Folge, dass der Anspruch auf das Arbeitsentgelt bestehen bleibt und eine Nacharbeit nicht verlangt werden kann. Zum Fall aus der Praxis 12 (Bildung) Ob die Einrichtung den Urlaub gewähren muss, hängt davon ab, was in dem einschlägigen Landesgesetz zum Bildungsurlaub geregelt ist. Sind in der Einrichtung auch Patienten türkischer Herkunft, spricht einiges dafür, dass die Bildungsveranstaltung auch als arbeitplatzbezogen – was noch nicht einmal nach allen Gesetzen erforderlich ist – angesehen werden kann. Damit wäre der Pflegekraft die Arbeitsbefreiung zu gewähren. 3 4 Arbeitsbefreiung Handlungsanleitung Rechtshandbuch A–Z Zum Fall aus der Praxis 13 (Whistleblower?) Die Einrichtung sollte sich sorgfältig überlegen, ob sie die Pflegekraft gegen deren Willen freistellt. Gegebenenfalls sollte Rechtsrat für den konkreten Fall eingeholt werden. Bedenken gegen eine (einseitige) Freistellung bestehen deswegen, weil Arbeitnehmer grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch haben. Nur bei überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers kann dieser einen Arbeitnehmer gegen seinen Willen freistellen. Ein solches Interesse könnte hier zwar vorliegen, da die Pflegekraft angebliche Missstände in der Einrichtung an die Öffentlichkeit bringt. So ganz sicher scheint sich die Einrichtung jedoch nicht zu sein, dass sie der Pflegekraft dies auch nachweisen kann, anderenfalls hätte sie ihr ja bereits ihrerseits gekündigt. Zum Fall aus der Praxis 14 (Däumchendreher) Ja, denn der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug. Die zur Arbeit bereiten Küchenkräfte dürfen keinen Verdienstausfall deswegen erleiden, weil ihr Arbeitgeber ihnen keine Arbeit zuweist. Zum Fall aus der Praxis 15 (Gleitzeit) Nein, die Mitarbeiterin kann keine Gutschrift von weiteren 21/2 Stunden beanspruchen. Die Gleitzeit gilt insoweit nicht als Arbeitszeit. Eine Gutschrift dieser Stunden würde beinhalten, dass auch diese Stunden zu bezahlen wären, ohne dass eine Verpflichtung zur Nacharbeit besteht. Diese Verpflichtung schließt § 29 Abs. 2 TVöD für den Fall aus, dass der Beschäftigte mit Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten Ansprüche auf Ersatz des Verdienstes geltend machen kann, was unter den gegebenen Umständen wohl der Fall ist. Zum Fall aus der Praxis 16 (Kurzzeiturlaub) Der Arbeitgeber muss der Sekretärin den Urlaub nicht gewähren; er darf dies möglicherweise noch nichteinmal. Der Erholungszweck kann mit einem Urlaub von ein paar Stunden nicht erreicht werden. Die Mitarbeiterin sollte ihren Arbeitgeber um unbezahlte Arbeitsbefreiung bitten. Diese kann der Arbeitgeber nur versagen, wenn erhebliche betriebliche Belange den Wünschen der Sekretärin gegenüberstehen. Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Handlungsanleitung WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Mai 2009 Hinweis Das Bundesurlaubsgesetz gibt den Arbeitnehmern zu ihrer Erholung einen Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. In den Arbeitsverträgen sind häufig längere Zeiten vereinbart. Werden nun die Tage, die über den Mindesturlaub hinausgehen, im Arbeitsvertrag nicht als Erholungsurlaub ausgewiesen, sondern als bezahlte Tage zur freien Verfügung, stellt sich für diese Tage die Frage zum Erholungszweck nicht. 5 6 Arbeitsbefreiung Handlungsanleitung Rechtshandbuch A–Z Rechtshandbuch A–Z Arbeitsbefreiung Mai 2009 Arbeitshilfen Diese Arbeitshilfen finden Sie auf der CD-ROM und online: ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ Checkliste: Bezahlte oder unbezahlte Arbeitsbefreiung? Checkliste: Bezahlte Arbeitsbefreiung aus persönlichen Gründen Muster: Schreiben an den Mitarbeiter … Mustervereinbarung über unbezahlten Sonderurlaub Musterklausel wegen Ausschlusses des § 616 BGB WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen Arbeitshilfen Arbeitsbefreiung 1 2 Arbeitsbefreiung Arbeitshilfen Rechtshandbuch A–Z