Viele kleine Kosmetiker
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Viele kleine Kosmetiker
Helfensteiner Land 8 Viele kleine Kosmetiker Kangal-Fische sorgen durch sanftes Knabbern für zarte Haut Patrick Schümann und Sula Ebinger sind auf den Fisch gekommen. In der Geislinger Massage- und Wellnesspraxis Body-Well sind 130 Garra-Rufa als kleine Kosmetiker im Einsatz. JUTTA HELL Geislingen. Wer bisher die Räume bei Body-Well in der Geislinger Karlstraße betreten hat, war wegen Verspannungen oder Rückenschmerzen auf der Suche nach therapeutischer Hilfe oder hatte das Bedürfnis nach einer Hot-Stone-Massage. Jetzt besteht dort zudem die Möglichkeit, völlig entspannt ein Bad zu nehmen. Ganz alleine ist man in dem Be- cken allerdings nicht. Das teilt man mit exakt 100 weiteren Lebewesen. Und die tun etwas leidenschaftlich gerne: Knabbern! Die Badepartner heißen Kangal-Fische oder lateinisch Garra-Rufa. Die drei Zentimeter großen Tierchen haben ihren Ursprung in Anatolien nahe Kangal. Weil dort im warmen Quellwasser Plankton Mangelware und damit auch die Nahrungsquelle knapp war, stellten sich die Fische im Lauf der Zeit auf Eiweiß um. Um das zu bekommen, knabberten sie die abgestorbenen Hautschüppchen von den Körpern der Badegäste. Das hat sich positiv auf deren Hautbild ausgewirkt und die Tiere als „Doktorfische“ bekannt gemacht. Entdeckt hat Patrick Schümann die Tiere in einem „Fisch-Spa“ in Griechenland und sich eine Fußpflege mit den kleinen Schwarmfischen genehmigt. Das hat den zertifizierten Manualtherapeuten und Masseur so begeistert, dass er sich unmittelbar nach seiner Rückkehr über Haltung und Einsatzmöglichkeiten der Kangal-Fische erkundigte. Der Weg zu Michael Geier ins Weiler Zoofachgeschäft MG Helfen- Patrick Schümann und Sula Ebinger mit ihren „Mitarbeitern“. stein war da noch relativ einfach. Weil es aber hier um das Wohl von Mensch und Tier geht, sind Gesundheits- und Veterinäramt mit im Boot. FACH MANN FÜ R K ANGAL- FISC HE Michael Geier vom Zoofachgeschäft MG Helfenstein in Weiler züchtet Kangal-Fische. Bei Body-Well in Geislingen sorgt er für die von Gesundheits- und Veterinäramt geforderte „fachkundige Betreuung der dort zur Behandlung eingesetzten Fische.“ Dabei kümmert er sich sowohl um die Tiere als auch um Wasser- und Filtertechnik. Außerdem nimmt er die GarraRufa nach den Behandlungen in die erforderliche Quarantäne. Dass die Tiere bei Neurodermitis und Schuppenflechte hilfreich sind, das, findet Michael Geier, sei nicht zu leugnen. Er weiß, dass durch das Wegknabbern der Hautschuppen auf der sehr empfindlichen, oft verletzten Haut bei Neurodermitispatienten der Juckreiz gelindert wird. Der Tierexperte weist auf eine Studie hin, die bereits vor einigen Jahren an der Uni in Wien durchgeführt wurde. Demnach haben die Doktorfische den Ruf, die Beschwerden bei Neurodermitis und Schuppenflechte zu lindern oder die Patienten gar für eine Weile davon zu befreien. Eine dauerhafte Heilung gibt es allerdings nicht. Mit 67 Patienten, die die Therapie in Verbindung mit kurzzeitiger UVA-Bestrahlung bekamen, ist die Zahl der Behandelten allerdings so gering, dass die Untersuchung nur als begrenzt aussagefähig gilt. Trotzdem, so Geier, müsse man sehen, dass kein Patient dabei war, dem die Therapie nichts gebracht hat. In ein Sitzbecken sollten mindestens 100 Fische eingesetzt werden, damit ein Behandlungserfolg gewährleistet ist, empfiehlt Geier. Und da gab es gleich die nächsten Hürden zu überwinden. Für Anwendungen mit Knabberfischen gibt es bisher schlicht keine konkrete Regelung. Die musste, gemeinsam mit den Behörden, erst erarbeitet werden. Das wiederum erwies sich mitunter als recht schwierig. Fest stand: Fische sind Wirbeltiere, das heißt das gewerbliche Halten der Tiere bedarf der behördlichen Aufsicht. Das Wasser soll – laut Gesundheitsamt – Trinkwasserqualität haben. Das Becken wiederum muss regelmäßig gereinigt werden, wobei das verwendete Desinfektionsmittel zwar die Keime, aber nicht die Fische töten soll. Gar nicht so einfach, hier das für Mensch und Tier passende Mittel zu finden, weiß Schümann. Vom Institut für Laboratoriumsmedizin in der Klinik am Eichert werden jetzt in regelmäßigen Abständen Wasserproben genommen. Ein Zertifikat bestätigt jeweils, dass sich Mensch und Tiere bedenkenlos im Becken tummeln können. Die gesetzlichen Parameter, die hier gemeinsam erarbeitet wurden, könnten Bodywell zum Vorzeige-Modell im Kreis Göppingen machen. Inzwischen gibt es bei Body-Well sowohl Behandlungen in einem Ganzkörperbecken mit 100 Fischen als auch in einem Fußbecken mit 30 Fischen. Von dem ganzen Behördenmarathon bekommen die Wellness-Suchenden zum Glück nichts mit. Die dürfen sich ganz entspannt und unter optimalen Hygienebedingungen in dem 31 Grad warmen Wasser sanft von den Fischen beknab- bern lassen und sich dann über ihre Pfirsichhaut freuen. Info Body-Well, Karlstraße 28, Geislingen, 콯 (0176) 70474531; Mail: [email protected]; www.body-well.net