SZ vom 24.März 2011 Seite 47 Deutschland (GSID
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SZ vom 24.März 2011 Seite 47 Deutschland (GSID
Donnerstag, 24. März 2011 Die Erinnerung ist wieder da Von Christian Zaschke Ganz so wichtig waren Pete Sampras seine Trophäen nicht. Es waren einfach zu viele, allein 14 GrandSlam-Turniere hat er in seiner Karriere als Tennisprofi gewonnen, insgesamt holte er 64 Titel. Dazu hatte er unzählige Zeitungsartikel archiviert und Medaillen sowie allerlei Auszeichnungen gesammelt, als Spieler des Jahres, als Nummer eins, immer so weiter. Als er im vergangenen Dezember mit seiner Frau umziehen wollte, ließ er den ganzen Kram in einen Container packen, der zusammen mit einigen Möbeln in einer Lagerhalle abgestellt wurde. Später stellte Sampras schockiert fest, dass es in der Lagerhalle keine Überwachungskameras gab. Später, das heißt: als Diebe den Container gestohlen hatten. Alles weg, die fassbaren Erinnerungen an eine der größten Karrieren, die es im Tennis bisher gab. Mit 19 gewann Sampras sein erstes Grand-SlamTurnier, die US Open, im Finale besiegte er Andre Agassi. Mit 31 gewann er im letzten Spiel seiner Karriere den letzen Titel, die US Open, im Finale besiegte er Andre Agassi. Es endete, wie es begann, und von diesen Siegen und den Jahren dazwischen erzählte der Inhalt des Containers. Als sie weg waren, erkannte Sampras, wie wichtig all die Pokale, Medaillen und Zeitungsartikel ihm waren. „Meine Kinder haben mich nie live spielen sehen, sie sollen aber wenigstens meine Trophäen sehen können“, sagte er. Die meisten Stücke sind nun wieder aufgetaucht; Sampras’ Anwalt erhielt einen Anruf: An einem Krankenhaus nahe Los Angeles sei das Diebesgut abgestellt worden, man erwarte, dass die Ermittlungen eingestellt würden. Die Hintergründe bleiben diffus, ob Sampras bezahlt hat oder die Diebe plötzlich vom schlechten Gewissen übermannt wurden – es wird wohl nie geklärt werden. Tom Waits singt: „Ich habe die Ostküste nie gesehen, bis ich nach Westen zog.“ Ebenso wusste Sampras nicht, was er an seinen Trophäen hat, bis er sie verlor. Nun, da er sie wieder in Besitz nimmt, wird er hoffentlich das Archiv der Zeitungsartikel um all die Texte erweitern, die von Verlust und Wiederkehr der Sammlung handeln. Denn damit rundet sich die Geschichte auf ähnlich unglaubliche Weise wie Sampras’ Karriere auf dem Tennisplatz. Gestohlene Trophäen gefunden Sampras erleichtert Los Angeles (sid/SZ) – Pete Sampras, Gewinner von 14 Grand-Slam-Titeln, kann seine bei einem Diebstahl im Dezember entwendeten Trophäen bald wieder in Besitz nehmen. Anthony Salerno, der Anwalt des einst weltbesten Tennisspielers, bestätigte der Los Angeles Times, dass die meisten der aus einem Lagerhaus in Los Angeles gestohlenen Pokale, Medaillen, Magazine und Zeitungsartikel bei einem Krankenhaus in Marina del Rey bei Los Angeles gefunden wurden. Salerno habe einen Anruf erhalten, wo das Diebesgut zu finden sei. Das Los Angeles Police Department hat die Erinnerungsstücke für eine erste Inventur an sich genommen. Sampras hatte sich seinerzeit geschockt über den Diebstahl gezeigt. SPORT Süddeutsche Zeitung Nr. 69 / Seite 47 Jeder Spruch ein Treffer Nach abgesagter Eiskunstlauf-WM Offerte an Japan für 2012 Titelverteidiger Sebastian Vettel geht geschmeidig mit den Herausforderungen der neuen Formel-1-Saison um Melbourne – Nein, äußerlich hat er sich nicht verändert. Sebastian Vettel trägt immer noch gerne kurze Hosen, auch wenn das manchmal etwas unpraktisch ist. Beim Schafe scheren zum Beispiel, was an diesem sonnigen Mittwoch auf dem Programm steht. Und weil Vettel als jüngster Weltmeister der Formel-1-Geschichte jetzt jemand ist, dessen Worte Gewicht haben, haben sich Reporter aus vielen Ländern eine Stunde in einen schaukelnden Bus gesetzt und sind zu einem ziemlich alten Schuppen ziemlich weit außerhalb von Melbourne gegondelt, um den 23-Jährigen bei der Farmarbeit zu beobachten. Die läuft ziemlich reibungslos. Nach einem Hosenwechsel und einer kurzen Anweisung hat Vettel den Dreh raus und die dicke Wolle gleitet fast in einem Stück von dem etwas verdutzt dreinblickenden Tier. Schöne Bilder sind das, und die passenden Worte dazu liegen auch nahe: Wem wird in der am Sonntag beginnenden Saison wohl das Fell über die Ohren gezogen? Der Titelverteidiger gibt sich selbstbewusst: „Wir sollten mehr oder weniger vorne dabei sein“, sagt er über sich und sein Team und verspricht, von Freitag an, wenn das Training beginnt, etwas unerschrockener zu agieren als mit dem Rasierer am Schaf. „Dann werde ich nicht mehr so schüchtern sein“, sagt Vettel, „dann weiß ich ja, was ich tue.“ Der Winter als Weltmeister war anstrengend. Erst über Weihnachten fand er Ruhe, den Last-Minute-Erfolg Mitte Nebel-Problem in Sotschi Flughafen geschlossen Moskau (dpa) – Neue Probleme vor Olympia 2014: Der erst vor kurzem modernisierte Flughafen der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi ist wegen Nebels für Tage gesperrt worden. „Damit haben wir nicht gerechnet, und das kann natürlich auch im Februar in drei Jahren passieren“, räumte Vizeregierungschef Dmitri Kosak ein. Als Alternative müssten die Veranstalter nun eine 170 Kilometer lange Schnellbahnstrecke bis zum Flughafen in der Regionshauptstadt Krasnodar ausbauen. „Sportler und Zuschauer würden dann per Zug nach Sotschi gebracht“, sagte der für die Winterspiele zuständige Moskauer Politiker nach Angaben der Agentur Interfax. Kosak wies zugleich Korruptionsvorwürfe gegen den staatlichen Sportanlagen-Bauer Olimpstroi zurück. Russlands Staatschef Dmitri Medwedew hatte zuletzt eine Prüfung der explodierenden Olympia-Baukosten angeordnet. Die geplanten Baukosten für Anlagen und Infrastruktur von zwölf Milliarden US-Dollar (ca. 8,5 Milliarden Euro) haben sich Berichten zufolge bereits vervielfacht. Der Winter als Weltmeister war anstrengend: Nur an Weihnachten fand er Ruhe. November beim Saisonfinale in Abu Dhabi sacken zu lassen; nach dem Trainingscamp zum Fitnessaufbau im Januar begannen schon schnell wieder die Testfahrten mit dem neuen Auto, an deren Ende Vettel seinen ohnehin noch bis 2012 datierten Vertrag mit Red Bull um zwei Jahre verlängerte. Das Treuebekenntnis sollte Ruhe bringen. Dem Team. Aber ihm auch. Seit dem Meisterstück war er recht umworben. „Für mich kam das nicht überraschend“, sagt er über die Laufzeit-Verlängerung, „ich habe im Moment keine anderen Pläne als Red Bull.“ Ob es irgendetwas geben könnte, das ihn möglicherweise doch zum Vertragsbruch verleiten würde? Antwort Vettel: „Wenn ich keinen Rennwagen mehr fahren kann.“ Das klingt fast ein wenig nach „bis dass der Tod euch scheidet“. Sebastian Vettel hat schnell gelernt, nicht nur, wie er mit seinem Rennwagen umzugehen hat. Was er sagt, sitzt. Fernseh-Schaffende haben bei ihm ziemlich wenig zu schneiden. Ob er, nach Schafschur und Schafe hüten, noch schnell einen Hut aufziehen könnte, wie Crocodile Dundee ihn trug, die australische Filmfigur? Kein Problem. Und der passende Spruch kommt ihm auch schnell über die Lippen, ganz ohne Script: „Drücken Sie mir die Daumen! Ich gebe mein Bestes hier in Australien. Und mein Messer habe ich auch immer dabei . . .“ Die Geschmeidigkeit, mit der Vettel auf solche Herausforderungen reagiert, ist ein Unterschied zu seinem Vor-VorVor-Vor-Vorgänger Michael Schumacher, der bei solchen Anlässen oft ein wenig hölzern wirkt – und ein Grund, weshalb Vettel so beliebt ist und in den vergangenen Monaten von einer Sportlerwahl zur nächsten gereicht wurde. Im Köln/Paris (sid) – Nach der Absage der Eiskunstlauf-WM in Tokio hat der kommende Gastgeber Frankreich dem japanischen Eislauf-Verband die Ausrichtung der Wettkämpfe im Jahr 2012 angeboten. „Wir alle haben ein Herz und stehen solidarisch zu Japan, dem japanischen Volk und dem japanischen Verband“, sagte der Präsident des französischen EissportVerbandes (FFSG), Didier Gailhaguet. Bislang sind Nizza oder Montpellier als Austragungsort der WM 2012 vorgesehen. „Der Vorschlag, den wir dem Eislauf-Weltverband unterbreiten werden, gibt Japan genug Zeit zur Vorbereitung und eine Möglichkeit, sich von den schrecklichen Ereignissen zu erholen“, sagte Gailhaguet. Der Weltverband ISU hatte die vom 21. bis 27. März geplanten Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Tokio wegen der Naturkatastrophe und der anhaltenden atomaren Bedrohung abgesagt. Als Ersatz-Ausrichter hatte sich zuletzt Russland ins Gespräch gebracht. Auch Kanada, Italien, Finnland und die USA haben Interesse bekundet. Mit einer Entscheidung wird in den kommenden Tagen gerechnet. Tischtennisturnier in Guangzhou Boll und Wu im Finale Wem wird in der am Sonntag beginnenden Formel-1-Saison wohl das Fell über die Ohren gezogen? Sebastian Vettel übte das Scheren in diesen Tagen schon mal an einem australischen Schaf. Foto: Reuters Überschwang ließ er so gut wie keine Ehrung aus. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich das künftig vielleicht ändert. Sein neuer Vertrag soll schon weniger Auftritte mit Schafen oder anderen possierlichen Tieren vorsehen, auch wenn Vettel wacker versichert: „Ich mag Tiere, das Ländliche.“ Mehr als 6125 Testkilometer haben Vettel und sein Teamkollege Mark Webber im Winter absolviert. Das sind mehr als Mercedes (5778), aber weniger als Fer- rari (6980). „Wir wissen, was wir getan haben. Wir sollten in guter Form sein“, sagt Vettel, „das war unser bisher bester Winter.“ Wen er sonst noch an der Spitze erwartet? Ferrari. Mercedes. Irgendwann wohl auch McLaren und Renault. Das sind keine besonders gewagten Tipps. Sein Ziel? „Den Titel zu verteidigen.“ Damit er das nicht vergisst, hat er den WM-Pokal in seinem Heim in der Schweiz nicht gleich aufgeräumt, sondern ihn erst einmal auf einem Platz ge- parkt, an dem er nicht zu übersehen ist: auf dem Küchentisch. Die Startnummer 1, die der Titelverteidiger führen darf, bedeutet Vettel viel. Als Last will er sie nicht sehen: „Alle starten bei null Punkten. Wer hier am Sonntag gewinnt, hat dann 25 und ist der Gejagte.“ So redet er den Druck klein. Dass es nicht ganz so ist, lässt sich an der Liste der PR-Termine aller Piloten ablesen: Kein anderer tritt so weit von der Rennstrecke entfernt auf. René Hofmann Guangzhou (dpa) – Der deutsche Tischtennis-Profi Timo Boll und die frühere Europameisterin Jiaduo Wu aus Kroppach stehen bei dem mit 250 000 Dollar dotierten Turnier im chinesischen Guangzhou im Finale. Der Weltranglisten-Erste von Borussia Düsseldorf unterstrich seine starke Form mit Siegen gegen Tang Peng (Hongkong/4:1) und Jun Mizutani (Japan/4:2). An diesem Donnerstag steht Boll im Endspiel gegen den Olympiazweiten Wang Hao (China) . „Ich war richtig geschockt, wie aggressiv Jun zu Beginn gespielt hat“, sagte Boll über den SechsSatz-Sieg gegen Mizutani. Der Japaner ging 2:0 in Führung, ehe der 30-jährige Düsseldorfer den 14. Sieg im 15. Duell mit Mizutani verbuchte. „Ich glaube, das war großartiges Tischtennis“, sagte Boll. Im Frauen-Wettbewerb überraschte Wu mit ihren Siegen gegen die Südkoreanerin Kim Kyung Ah (4:3) und gegen Europas Nummer eins, Li Jiao (Niederlande/4:2). Im Endspiel gilt Wu gegen die Chinesin Li Xiaoxia als Außenseiterin. Mit offenem Visier Gefälschte Unterschriften, eingeschüchterte Konkurrenten: In Europas Football-Verband tobt eine Schlammschlacht um den umstrittenen Präsidenten Robert Huber München – Das ungarische Parlament in Budapest ist ein prächtiges Gebäude, fast protzig liegt es am Ufer der Donau. Robert Huber hat es als Treffpunkt ausgesucht für die Generalversammlung des Europäischen Verbandes für American Football (EFAF). Seit 2001 ist Huber nicht einfach nur Präsident dieses Verbandes. Er ist der Verband. Das soll sich am Sonntag ändern, und ohne es zu ahnen hat Huber die perfekte Kulisse dafür gewählt. Im American Football tobt ein Kampf um Machterhalt oder Neubeginn, und es wird mit Mitteln gekämpft, als ginge es um eines der prestigeträchtigsten Ehrenämter des Sports. Der Anwalt Christian Keidel sitzt in diesen Tagen noch in seiner Kanzlei in München, wenn es schon dunkel ist, und reibt sich die Augen. Er verwaltet den papierenen Teil einer Revolte gegen Huber: Der dänische Footballverband hat für die Sitzung in Budapest einen Misstrauensantrag gestellt. Die Dänen stehen an Als Huber gewählt wurde, stand sein Gegenkandidat draußen vor der Tür. der Spitze einer Anti-Huber-Koalition, zahlreiche weitere Verbände haben sich angeschlossen. Entweder es wird trotzdem wieder eine Mehrheit geben für den 41-jährigen Anwalt aus Hessen – oder er wird abgewählt. Das wären in so einem Fall die Spielregeln. Aber die VerbandsDemokratie wird bis zur Belastbarkeitsgrenze ausgereizt in dieser Geschichte. Es begann schon mit der Frage, ob das Misstrauensvotum überhaupt zustande kommt. Zwei Monate vor der Versammlung muss der Antrag eingehen, die Dänen schickten ihn am 26. Januar abends per Mail, einen Tag später per Fax. „Fristversäumnis“, urteilte der EFAF-Vorstand, die Mail sei außerhalb der Bürozeiten angekommen. Erst Keidels Einspruch beim Amtsgericht Frankfurt brachte das Misstrauensvotum doch noch auf die Tagesordnung. Um den American Football selbst, der in den USA ein Milliardengeschäft ist, in Europa aber kaum Fuß gefasst hat, geht es nur noch am Rande. Es geht immer mehr um juristische Spitzfindigkeiten. Vor einer Woche ging ein Schreiben des EFAF-Vorstands an Norwegens Football-Verband: Der war kürzlich unter anderem mit Baseball und Frisbee zum Verband für amerikanische Sportarten fusioniert. Eine Organisation mit verschiedenen Disziplinen akzeptiere die Satzung der EFAF aber nicht, heißt es in dem Schreiben, weshalb es den Norwegern „nicht möglich sein wird, an der Generalversammlung der EFAF teilzunehmen“. Kein Norweger auf der Versammlung – für Huber wäre das eine mögliche Gegenstimme weniger. Der Präsident des dänischen Verbandes, Jens Jordahn, wiederum erhielt gerade eine Vorladung: Er soll sich in Budapest für die Vorwürfe rechtfertigen, mit denen er seinen Misstrauensantrag gegen Huber begründet hat. Vor einem EFAFDisziplinarkomitee. Insider vermuten hinter der Vorladung das Ziel, auch die Dänen auszuschließen – noch eine mögliche Gegenstimme weniger. Vielen kommt das inzwischen bekannt vor, war doch bereits 2010 unter mysteriösen Umständen der Versuch gescheitert, Huber loszuwerden. Der damalige Schatzmeister des niederländischen Verbandes, Henri van den Boogaard, war als Gegenkandidat vorgeschlagen worden. Zur Abstimmung kam es aber nicht. Zwei Wochen vor der Versammlung kam in der EFAF-Zentrale in Frankfurt an- SZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München SZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund exklusiv über www.diz-muenchen.de Jegliche nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de geblich ein Schreiben an, in dem der niederländische Verband seinen Austritt aus dem Europa-Verband erklärte. Van den Boogaard beteuert aber: „Es gab nie ein Schreiben unseres Verbandes mit dem Wunsch, aus der EFAF auszutreten.“ Er selbst erfuhr beim Frühstück am Wahltag von seinem angeblichen Austritt. Den Zugang zur Sitzung soll ihm dann ein Vertrauter Hubers verwehrt haben – wegen angeblichen Hausfriedensbruchs drohte der sogar mit der Polizei. Ein Blick auf die Unterlagen lässt den Vorgang in noch trüberem Licht erscheinen: Van Boogards angebliche Unterschrift auf dem Austrittsschreiben weist nicht mal eine Ähnlichkeit mit seiner Originalunterschrift auf. Wer den Brief abgeschickt hat und mit welchem Motiv, ist unklar. Genützt hat er Huber. Der wurde – offiziell einstimmig bei zwei Enthaltun- gen – wiedergewählt, während sein Gegenkandidat vor der Tür stand. Unter Druck gesetzte Mitglieder, angebliche Fristversäumnisse, seltsame Briefe, unnötige Bürokratie – solche Geschichten haben viele über Huber zu erzählen. Für ihn, der auch Präsident des deutschen Football-Verbandes AFVD ist, steht am Sonntag ein lukratives Ehrenamt auf dem Spiel: 48 000 Euro erhält er laut SZ-Informationen jährlich für die Beratung des AFVD. Möglich ist das, weil der deutsche Verband durch die enge organisatorische Verflechtung mit der EFAF über Zusatz-Einnahmen verfügt. Der Streit, der nun um seine Person entbrannt ist, steht beispielhaft dafür, welche Blüten in der Parallelwelt des Sports immer wieder gedeihen. Huber, darin sind sich sogar seine Gegner einig, hat in den beiden Verbänden, denen er vorsitzt, Deutschland ist Europameister – und EFAFPräsident Robert Huber (links) übergibt den Pokal. Auftritte wie beim Finale der Football-EM 2010 in Frankfurt gehören zu den schönen Pflichten jedes Sportfunktionärs. Foto: Imago Kontinuität und Struktur geschaffen, der American Football in Europa hat ihm einiges zu verdanken. Der anerkennende Tonfall weicht aber, wenn von Hubers Regentschaft in den vergangenen Jahren die Rede ist. Sogar Tommy Wiking, der Präsident des American-Football-Weltverbands, stellt sich inzwischen erstaunlich offen gegen Huber: „Ich ertrage Menschen nicht, die sich nicht um den Sport scheren, den sie eigentlich vertreten sollten, und die stattdessen nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind“, sagt er. Die Widerstände reichen inzwischen bis hinab in regionale Verästelungen: So ist etwa Heike Haslbeck 2010 als stellvertretende Vorsitzende des Footballverbandes in Bayern zurückgetreten – als Grund nennt sie den enormen Druck, den Huber auf sie ausgeübt habe. Hintergrund war ein Streit über Haslbecks Engagement in einem Cheerleading-Verband. Aus dem AFVD war sie daraufhin „auf Lebenszeit“ ausgeschlossen worden, wegen „nicht verbandsloyalem Verhalten“. Robert Huber selbst weist, von der SZ mit den Anschuldigungen konfrontiert, alle Vorwürfe zurück. „Ich habe den deutschen Verband mit 70 000 Mark Schulden und einem Umsatz von 40 000 Mark übernommen “, sagt er. 2010 machte der Verband einen Umsatz von knapp 850 000 Euro und ist schuldenfrei. Die Vorgänge der letzten Wochen nennt Huber eine „orchestrische Schmutzkampagne, um mich gezielt zu diskreditieren“. Der EFAF-Vorstand handele jederzeit satzungsgemäß. Und auch den Eklat mit den Niederländern im Vorjahr kann er aus seiner Sicht erklären: Die hätten „schon im Dezember davor mit Austritt gedroht“, sagt Huber. Also sei das Austrittsschreiben für ihn und das EFAFPräsidium nicht verwunderlich gewesen. „Man wird doch nicht zehn Jahre lang einstimmig gewählt, weil man Leute manipuliert, bei der Kasse betrügt und schlechte Arbeit macht“, so sieht Huber das. Und Weltverbandschef Wiking habe ein „persönliches Problem“ mit ihm. Der Schwede Wiking war es schließlich, der einen Gegenkandidaten ins Gespräch brachte: Ulrich Kramer, geboren in Göttingen, zurzeit im schwedischen Verband aktiv. Ursprünglich wollten weder Wiking noch Kramer vor der Entscheidung ihre Namen in der Zeitung lesen. Nach den Streitigkeiten der letzten All die bösen Vorwürfe? „Eine Schmutzkampagne, um mich zu diskreditieren.“ Wochen hat sich ihre Einstellung geändert: „Der Wahlkampf findet jetzt mit offen Visier statt“, sagt Kramer. Er ahnt nicht, wie recht er hat. Huber setzte sich prompt mit mehreren Vereinen in Verbindung, in denen Kramer bisher aktiv gewesen ist, um der SZ lange Gedächtnisprotokolle und Aussagen zur Verfügung zu stellen, in denen Kramer von ehemaligen Weggefährten illoyaler Führungsstil und Misswirtschaft vorgeworfen werden. Bewiesen ist davon nichts. Es klingt aber auch nicht so, als würde demnächst Ruhe einkehren in die kleine Welt dieses amerikanischen Sports in Europa. Es klingt, als ob sie in eine Schlacht zögen. „Und wenn auch nur einer von uns in Budapest nicht zur Versammlung gelassen wird“, sagt Ulrich Kramer, „machen wir eine Sitzung auf der Straße und gründen einen zweiten Verband.“ Womöglich geht die Verbandshuberei am Sonntag dort zu Ende, wo Revolutionen oft ihren Anfang nehmen: auf staubigem Asphalt. Anja Perkuhn / Felix Scheidl PerkuhnA SZ20110324S1384366