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JAN WE I LER
M E I N L E B E N ALS MENSCH
Europa aus dem Kopf (7)
Slowenien, Rumänien, Italien, Zypern
und Deutschland
Mit einer Illustration von Larissa Bertonasco
Der siebte und letzte Teil
unserer kleinen Sommerserie.
Was fällt einem ganz spontan
in zwanzig Sekunden zu den
Mitgliedsstaaten der EU ein?
Slowenien ist eine Art
Blinddarm und hängt Österreich aus dem Bauch. Die Slowenen sind ausgezeichnete Skifahrer. Das Land konnte der EU beitreten, weil es von den Mitgliedern der darüber entscheidenden Gremien mit der Slowakei
verwechselt wurde. Inzwischen ist jedermann ganz begeistert
von Slowenien und man kann dort sogar Urlaub machen.
Die Bürger von Rumänien haben mit ihrem Diktator Nicolae
Ceausescu ganz kurzen Prozess gemacht und ihn an Weihnachten 1989 nebst Gattin erschossen. Die Rumänen sind engagierte
Tischtennisspieler und stellen einen Großteil des Personals
weltweit populärer Gruselgeschichten. Neben dem schon erwähnten Ceausescu sind diverse Werwölfe zu nennen und der
berühmte Vlad Draculea aus Transsylvanien, der das Vorbild für
Bram Stokers Dracula abgab und seine Gegner mit Vorliebe
pfählen ließ. Rumänische Männer sind tüchtig behaart, wie
man bei Sportveranstaltungen sehen kann. Hauptexportschlager Rumäniens ist Kleinkriminalität. Peter Maffay kommt aus
Siebenbürgen, wohnt aber schon lange im oberbayerischen Tutzing. Er knattert manchmal mit düsterer Miene auf seinem Motorrad durchs Dorf wie Vlad Draculae durch die Karpaten.
Die Italiener erfreuen sich in Deutschland einer Beliebtheit
wie Schweinebraten, Sylt und Klaus Wowereit zusammen. Die
Deutschen sind ganz wild auf Italien und alles, was damit in irgendeiner Form zusammenhängt. Die Italiener hassen die Korruption in ihrem Land. Sie schimpfen auf die Politik und auf die
schmutzigen Gehwege. Und während sie dies alles tun, schmieren sie die Frau vom Bauamt, wählen die falsche Partei und
schmeißen mit Bonbon-Papierchen um sich. Diese Lässigkeit
fehlt uns. Italiener sind oft zu laut, wirken unkonzentriert und
auf kindliche Art genusssüchtig. Selbst dies löst bei uns Deutschen und bei den meisten anderen Weltbewohnern überhaupt
keine Ablehnung aus, sondern allenthalben Bewunderung und
Neid. Die Italiener spielen mit
ganz weitem Abstand den
langweiligsten Fußball des
Weltalls, dies jedoch bis vor
kurzem mit Erfolg. Sie bauen
Autos, die nicht fahren und
Parkhäuser mit zu niedrigen
Decken. Sie reden durcheinander und wohnen bis zu ihrem 35.
Lebensjahr bei ihren Eltern. Aber sie leben nun einmal auf dem
Stiefel, diesem Hotspot der guten Laune, diesem Zentrum der
Nudeligkeit. Durch die Verschiebung der Landmassen im Laufe
der Zeiten wird Italien in wenigen Millionen Jahren verschwunden sein. Afrika nähert sich Europa, das Mittelmeer verschwindet und Italien wird zerrieben wie ein riesiger Brocken Parmesan. Freuen wir uns an Italien, solange es noch da ist und stellen
wir nicht allzu viele kritischen Fragen. Machen die Italiener ja
auch nicht.
Zypern kennt man nur wegen des andauernden Zanks der
griechischen und der türkischen Zyprioten um dieses Inselchen,
welches meines Wissens bereits in Asien liegt. Zypern wirbt ausdauernd um Feriengäste. Ansonsten besticht der Staat durch
seine Randlage im Alphabet, die durch den zweiten Buchstaben
„y“ geradezu zementiert wird.
Bleibt nur noch: Deutschland. Das Hessen Europas, denn
kein Land hat so viele Nachbarn wie wir. Die Deutschen sind in
letzter Zeit sehr beliebt, was sie zu einem guten Teil ihren sportlich begabten Migrantenkindern verdanken. Die Deutschen geben sich viel Mühe, von den anderen Europäern gemocht zu
werden, deshalb gibt es bei uns auch keine PKW-Maut. Die Deutschen führen fast gar keine Kriege, bauen keine Atomwaffen
und versuchen sich an einer fortschrittlichen Umweltpolitik. Ihr
Bildungssystem ist zwar Schrott und ein Teil des Landes verelendet, aber dafür haben sie viel mehr touristische Attraktionen und Gastfreundschaft zu bieten, als man jenseits unserer
Grenzen glaubt. Die Deutschen geben sogar Mitleid heischend
zu, dass sämtliche Vorurteile über Deutschland stimmen. Ist
nicht gerade diese Unzulänglichkeit wahnsinnig sympathisch?
Muss man uns nicht bitteschön wenigstens dafür mögen?
13 . SEPTEMBER 2010