Nachholung der Korrektur eines unrichtigen

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Nachholung der Korrektur eines unrichtigen
FG Nürnberg, Urteil v. 17.02.2016 – 3 K 683/14
Titel:
Nachholung der Korrektur eines unrichtigen Bilanzansatzes
Normenketten:
EStG § 4 Abs. 2
EStR R 212 Abs. 1
Leitsätze:
Ist die Korrektur eines unrichtigen Bilanzansatzes in derjenigen Schlussbilanz, in der er erstmals
aufgetreten ist, nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Veranlagungsbescheide
bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, so ist nach dem
Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten
Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist.
Die Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 ist nach dem Wortlaut als
Vereinfachungsregelung (Typisierungsvorschrift) zu verstehen und weder nach Wortlaut noch nach
Funktion eine Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO 1977.
Schlagworte:
Waldwertminderung, Nachholung, Korrektur, Bilanzansatz, Schlussbilanz, Vereinfachungsregelung
Tatbestand
Strittig ist die im Rahmen einer Außenprüfung durchgeführte gewinnerhöhende Bilanzberichtigung
(Kapitalanpassung).
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Kapitalvermögen,
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus Leibrenten. Die Klägerin hat ein
forstwirtschaftliches Unternehmen und ermittelt dessen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4
Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG. Das Geschäftsjahr ist mit dem Kalenderjahr identisch.
Im Rahmen der Gewinnermittlungen der Jahre 1999 bis 2006 machte die Klägerin Abschreibung auf Wald
geltend. Die Entwicklung des Anlagevermögens Wald (Bestockung) wurde in der Bilanz wie folgt dargestellt:
Buchwert
1999
2000
2001
Stand 01.01
2.657.063 DM
2.498.092 DM
2.339.121 DM
Abgang:
Stand 31.12
linear Absch. 3,0
158.971 DM 2.498.092 DM
158.971 DM 2.339.121 DM
159.739 DM 2.281.725 DM
+ 102.343 DM
2002
2003
2004
2005
2006
Zugang
1.166.627 €
1.083.597 €
1.000.568 €
917.540 €
834.512 €
83.030 €
83.029 €
83.028 €
83.028 €
83.028 €
1.083.597 €
1.000.568 €
917.540 €
834.512 €
751.484 €
Das Finanzamt legte entsprechend der Steuererklärung und der eingereichten Bilanz Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft in den Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 30.05.2001 i.H.v. - 67.230 DM, für
2000 vom 06.11.2002 i.H.v. - 5.102 DM, für 2001 vom 28.08.2003 i.H.v. - 120.654 DM, für 2002 vom
20.09.2004 i.H.v. - 76.664 €, für 2003 vom 23.06.2005 i.H.v. - 43.920 €, für 2004 vom 23.06.2006 i.H.v.
6.277 € und für 2005 vom 23.07.2007 i.H.v. - 62.449 € zugrunde.
Mit Steuererklärung und eingereichter Bilanz für 2006 machte die Klägerin einen Verlust aus LuF i.H.v.
18.006 € geltend. Das Finanzamt wies mit Schreiben vom 17.02.2009 den steuerlichen Vertreter der
Klägerin darauf hin, dass in der Gewinnermittlung eine Abschreibung für den Wald (Bestockung) in Höhe
von 3 % der Anschaffungskosten (83.028 €) vorgenommen worden sei. Die Wald Bestockung gehöre zu
den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Eine Absetzung für Abnutzung sei daher
nicht vorzunehmen. Dies wurde in Telefongesprächen mit der Klägerin weiter erörtert.
Das Finanzamt erhöhte die erklärten Einkünfte um den Betrag von 83.028 € und setzte mit
Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 18.05.2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 65.022 € an.
In der Zeit vom 16.05.2011 bis zum 21.12.2011 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre
2006 bis 2008 durchgeführt.
Mit Prüfungsbericht vom 21.12.2011 vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass für die Jahre 1999 bis
2005 ein Bilanzierungsfehler vorliege, der in der ersten noch offenen Bilanz zum 01.01.2006 zu berichtigen
sei. Diese Kapitalanpassung ergebe sich aus einer in den Jahren 1999 bis 2005 vorgenommenen
"Waldwertminderung" auf Waldbestände i.H.v. 3 % gem. R 212 Abs. 1 EStR 1996. Die entsprechende
Regelung "Waldwertminderung" sei jedoch zum 31.12.1998 entfallen und könnte daher für die Jahre ab
1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden.
Es wurde eine gewinnerhöhende Bilanzberichtigung (Kapitalanpassung) i.H.v. 576.136 € im Jahr 2006
vorgenommen.
Das Finanzamt erließ am 20.01.2012 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid
für 2006, dem die Ergebnisse der durchgeführten Außenprüfung zugrunde liegen. Der Vorbehalt der
Nachprüfung wurde aufgehoben.
Mit Einspruch mit Schreiben vom 16.02.2012 wandte sich die Klägerin gegen die gewinnerhöhende
Bilanzberichtigung zum 01.01.2006 und beantragte, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um
576.136 € zu mindern.
Die Klägerin führte an, dass die Anwendung der Waldwertminderung im Rahmen der Einreichung der
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2005 jeweils ein für das Finanzamt erkennbarer
Billigkeitsantrag nach § 163 AO gewesen sei. Das Finanzamt habe mit der endgültigen Veranlagung der
Steuerbescheide auch über den Antrag auf Anwendung der Billigkeitsmaßnahmen entschieden. In
Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass über die Steuerfestsetzung und den Antrag auf
Billigkeitsmaßnahme - auch wenn es 2 Verfahren seien - in einem einheitlichen Steuerbescheid entschieden
werden könne (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl. II 2004, 927; Loose in
Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rz. 20). Demnach würde es sich somit bei den mit Hilfe einer
Billigkeitsmaßnahme gebildeten Bilanzansätzen für Wald auch nicht um einen Bilanzierungsfehler handeln.
Eine gewinnerhöhende Bilanzberichtigung sei somit nicht möglich.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.05.2014 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den
Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 20.01.2012 als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass die sog. pauschalierte Waldwertminderung nach Abschn.
212 Abs. 1 EStR, eine Vereinfachungsregelung, für Wirtschaftsjahre, die ab dem 01.01.1999 beginnen,
ersatzlos gestrichen worden sei. Die pauschalierte Waldwertminderung sei zwar einer Billigkeitsmaßnahme
nach § 163 AO gleichgestellt. Im Streitfall sei der Bilanzposten "Wald" in den Jahren 1999 - 2005 aber mit 3
% abgeschrieben worden.
Mit den eingereichten Erklärungen sei nicht "offen und für das Finanzamt auch erkennbar weiterhin die
Anwendung der Waldwertminderung beantragt worden". Aus den Erklärungen oder Erläuterungen gehe
nicht hervor, dass eine derartige Billigkeitsmaßnahme beantragt worden wäre. Nähere Erläuterungen seien
den Abschreibungstabellen nicht beigefügt gewesen. Vielmehr sei ohne nähere Erläuterung eine 3 % ige
Abschreibung bei dem Bilanzposten "Wald" vorgenommen worden. Allein aus diesen Angaben sei ein
Antrag auf Billigkeitsmaßnahme objektiv eben nicht erkennbar. Zumal ein derartiger Billigkeitsantrag für die
betroffenen Jahre im Gesetz gar nicht mehr vorgesehen war.
Somit sei der Wert "Wald" in den Jahren 1999 - 2005 in den Bilanzen falsch ausgewiesen. Eine
Abschreibung im Billigkeitswege sei nicht vorgenommen worden. Eine andere Abschreibung sei nicht
möglich, da es sich bei dem Wirtschaftsgut "Wald" um ein nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut
handelt. Es liege daher ein Bilanzierungsfehler vor, der zu einer Bilanzberichtigung führt. Fehlerhaft sei ein
Bilanzansatz, wenn er gegen zwingende Vorschriften des Einkommensteuergesetzes verstößt und der
Steuerpflichtige diese Rechtsverletzung nach den Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der
Bilanzaufstellung erkennen konnte. Die Bilanzen seien von einem fachkundigen Steuerberater erstellt
worden.
Der Klägervertreter beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 20.01.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 07.05.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft i.H.v. 576.163 € niedriger angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend niedriger
festgesetzt wird.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Beim Wirtschaftsgut Wald handele es sich um ein nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut.
Rechtsgrundlage der pauschalierten Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 EStR sei nicht die
Anwendung einer Bilanzierungsvorschrift, sondern eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO. Mit der
unveränderten Geltendmachung der Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 EStR ab 1999 sei die
Klägerin nicht zu einer normalen Abschreibung auf das Wirtschaftsgut "Wald" übergegangen, sondern habe
weiterhin von der Billigkeitsregelung Gebrauch machen wollen. Dies sei für das Amt auch erkennbar
gewesen, denn die Geltendmachung ab 1999 unterscheide sich in nichts von der Geltendmachung in den
früheren Jahren. Auch wenn der Antrag auf Waldwertminderung als Billigkeitsregelung nicht mehr
genehmigungsfähig war, ändere dies nichts daran, dass eine Billigkeitsregelung und keine normale
Abschreibung beantragt war.
Eine einmal rechtskräftig gewährte Billigkeitsmaßnahme könne aber nicht im Wege einer
Bilanzberichtigung, sondern nur unter bestimmten hier nicht vorliegenden Umständen des Widerrufs eines
begünstigenden Verwaltungsakts zurückgenommen werden. So sei eine Änderung der Bescheide der Jahre
1999 bis 2005 wegen des Eintritts der Bestandskraft nicht mehr möglich. Das Rechtsinstitut der
Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO überlagere die Bilanzierungsvorschriften. Letztlich versuche das
Finanzamt mit dem Rechtsinstitut der Bilanzberichtigung die Bestandskraft von Steuerbescheiden
auszuhebeln.
Zudem sei es durch die Zusammenballung der Beträge der Rückführung der Waldwertminderung
progressionsbedingt zu einer höheren Ertragsteuer Belastung gekommen als bei einer jährlichen
Veranlagung ohne Waldwertminderung.
Das Finanzamt beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung
Klageabweisung.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den Inhalt der Akten sowie auf
die Niederschrift verwiesen.
Dem Gericht liegen die vom Finanzamt vorgelegten zwei Bände Einkommensteuerakten, zwei Bände
Bilanzakten jeweils für die Jahre 2000 bis 2007, eine Akte über die Betriebsprüfung sowie eine
Rechtsbehelfsakte vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Finanzamt hat zutreffend den Buchwert des Anlagevermögens Wald zum
01.01.2006 korrigiert.
1. Die Bilanzansätze sind bezogen auf die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG auf ihre objektive
Richtigkeit nach der am Bilanzstichtag geltenden Rechtslage zu prüfen (BFH-Urteil vom 05. Juni 2014 IV R
29/11, BFH/NV 2014, 1538).
Ein unrichtiger Bilanzansatz ist grundsätzlich in derjenigen Schlussbilanz zu korrigieren, in der er erstmals
aufgetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen zwar Bilanzen für Zwecke der
Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt
werden. Ist eine solche Berichtigung aber nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder
Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift,
so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs die Korrektur in der Schlussbilanz des
ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist (BFH-Beschluss vom 31.
Januar 2013 GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl. II 2013, 317; BFH-Urteile vom 05. Juni 2014 IV R 29/11,
BFH/NV 2014, 1538; vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl. II 1998, 443; vom 29. Oktober
1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl. II 1992, 512, 516; Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Auflage, § 4 Rz.
689f, 706).
2. Es liegt ein unrichtiger Bilanzansatz zum Buchwert des Anlagevermögens Wald vor. Das stehende Holz
ist ein vom Grund und Boden getrennt zu bewertendes Wirtschaftsgut des nicht abnutzbaren
Anlagevermögens (BFH-Urteile vom 05. Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl. II 2008, 960; vom 17.
Mai 1960 I 35/57 S, BFHE 71, 151, BStBl. III 1960, 306; Blümich/Nacke, § 13 EStG Rz 287, 290; Felsmann,
Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, B Rz 731, 777). Da sich der Holzzuwachs je nach
Baumart über einen Zeitraum von 60 bis 200 Jahren erstreckt, tritt der Produktionsfaktor derart in den
Vordergrund, dass eine Zurechnung des stehenden Holzes zum Anlagevermögen bis zum Zeitpunkt des
Einschlags geboten ist. Erst mit der Trennung des Holzes von der Wurzel wechselt dieses in das
Umlaufvermögen (BFH a.a.O. in BStBl. II 2008, 960; Blümich/Nacke, § 13 EStG Rz 290). Hierbei ist der
einzelne Baum eines Waldes nicht als Wirtschaftsgut zu beurteilen, sondern es wird der in einem
einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehende Baumbestand zu einem Wirtschaftsgut
zusammengefasst.
Die Klägerin kann ab dem 01.01.1999 nicht mehr für den Bestandsvergleich des stehenden Holzes die
Fortführung der pauschalierten Waldwertminderung nach R 212 Abs. 1 Sätze 4 und 5 EStR 1998 geltend
machen. Der von der Finanzverwaltung früher zugelassene Pauschalabschlag ist für Wirtschaftsjahre, die
ab dem 01.01.1999 beginnen, nicht mehr anzuwenden. Eine Rechtsgrundlage für die Wiedereinführung
dieser Vereinfachungsregelung ist nicht ersichtlich (BFH-Urteil vom 05. Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222,
265, BStBl. II 2008, 960; Schmidt/Kulosa, EStG, 34. Auflage, § 13 Rz. 9).
Auf Grund der Regelung in Abschn. 212 Abs. 1 Satz 7 EStR 1963 bis 1996 konnten die Anschaffungs- bzw.
Herstellungskosten des stehenden Holzes bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG um jährlich 3 %
gemindert werden. Die Regelung wurde im Rahmen der Neufassung der EStR 1962 eingeführt (BStBl. I
1964, 67). Sie erfolgte als Reaktion auf das Urteil des BFH in BFHE 77, 107, BStBl. III 1963, 357. In dieser
Entscheidung hatte der BFH in Abkehr von der früheren Rechtsprechung entschieden, dass neben den
Waldanschaffungskosten auch die Erstaufforstungskosten aktivierungspflichtig sind. Unter Verweis auf
frühere Urteile des Reichsfinanzhofs (Urteile vom 11. Dezember 1929 VI A 1510/29, VI A 1712/28, RStBl
1930, 214 und 217) hat der Richtliniengeber sodann ausgeführt, dass ein Abzug der aktivierten
Anschaffungskosten als Betriebsausgaben jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn wesentliche Teile des
Waldes eingeschlagen werden. Wegen der Schwierigkeiten bei der Durchführung und Überwachung der
Minderung des Aktivums nach Maßgabe der Holzabgänge könnten aus Vereinfachungsgründen die
aktivierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten jährlich um 3 % gemindert werden. Die sog.
pauschalierte Waldwertminderung ist seit 1981 auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
zugelassen worden (Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981). In den EStR 1998 vom 15. Dezember 1998
(BStBl. I 1998, 1518) ist der pauschalierte Abzug von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für
Wirtschaftsjahre, die ab dem 1. Januar 1999 beginnen, ersatzlos gestrichen worden (BFH-Urteil vom 05.
Juni 2008 IV R 67/05, BFHE 222, 265, BStBl. II 2008, 960).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob diese frühere Regelung auf einer sachgerechten Typisierung eines
steuerlichen Abzugstatbestandes basierte und mithin einer gerichtlichen Prüfung überhaupt hätte
standhalten können. Denn jedenfalls lässt sich dem Gesetz keine anspruchsbegründende Norm
entnehmen, auf die die Klägerin ihren Anspruch auf den Erlass oder die Beibehaltung einer
Typisierungsvorschrift stützen könnte.
3. Die vom Finanzamt vorgenommene Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2006 im Wege einer
Bilanzberichtigung scheitert auch nicht daran, dass mit den Einkommensteuerbescheiden für 1999 bis 2005
rechtskräftige Billigkeitsmaßnahmen gewährt worden wären, die nicht durch eine Bilanzberichtigung,
sondern nur unter bestimmten hier nicht vorliegenden Umständen des Widerrufs eines begünstigenden
Verwaltungsakts zurückgenommen werden könnten. Zum einen ist die Waldwertminderung nach Abschn.
212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 eine Typisierungsvorschrift und keine Billigkeitsregelung. Zum anderen war
keine Billigkeitsregelung beantragt und sind die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2005
auch im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren und nicht im Billigkeitsverfahren ergangen.
a) Die Waldwertminderung nach Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR 1981 ist nach dem insoweit eindeutigen
Wortlaut als Vereinfachungsregelung (Typisierungsvorschrift) zu verstehen gewesen. Man sprach von einer
typisierenden Verwaltungsvorschrift (Typisierungsvorschrift "sog. pauschalierte Waldwertminderung") im
Rahmen der Aktivierung von stehendem Holz. Für die Verwaltungsvorschrift gab es keine Rechtsgrundlage,
gleich ob man sie als AfA, pauschale Ausbuchung (von Waldeinschlag), vereinfachte Teilwertbewertung,
Schätzung oder ähnliches wertete. Sie wurde aus Vereinfachungsgründen eingeführt. Sie diente erkennbar
dem Zweck, die Finanzverwaltung im Einzelfall von der Aufklärung des dem Betriebsausgabenabzug zu
Grunde liegenden Sachverhalts zu entbinden. Es handelt sich weder nach Wortlaut noch nach Funktion um
eine Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO 1977 (ebenso Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 02.
Februar 1983 V 197/78, EFG 1983, 403). Zudem war die AO 1977 zum Zeitpunkt der Einführung des
Abschn. 212 Abs. 1 Satz 8 EStR im Jahr 1963 noch gar nicht erlassen.
b) Die Steuerfestsetzung nach §§ 155 ff. AO und die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen
nach § 163 AO sind auch bei ihrer äußerlichen Verbindung zwei verschiedene Streitgegenstände, über die
in verschiedenen Verfahren entschieden wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2004
VIII R 33/02, BFHE 205, 270,BStBl. II 2004, 927 mw.N.; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Rz. 20;
Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 163 AO Rz. 2). Die Billigkeitsmaßnahme ist Grundlagenbescheid für die
Einkommensteuerfestsetzung und damit für diese verbindlich (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 33/02,
BFHE 205, 270, BStBl. II 2004, 927).
c) Im Streitfall wird mit den eingereichten Bilanzen und Erklärungen nicht "offen und für das Finanzamt auch
erkennbar weiterhin die Anwendung der Waldwertminderung beantragt". Auch aus den Erklärungen oder
Erläuterungen geht nicht hervor, dass eine derartige Billigkeitsmaßnahme beantragt wird. Nähere
Erläuterungen sind den Tabellen zur Entwicklung des Anlagevermögens nicht beigefügt gewesen. Vielmehr
wird ohne nähere Erläuterung eine 3 %ige Abschreibung bei dem Bilanzposten "Wald (Bestockung)"
vorgenommen, d.h. sie erfolgte innerhalb und nicht außerhalb der Bilanz. Auch den
Einkommensteuerbescheiden lässt sich nicht entnehmen, dass das FA eine Entscheidung im
Billigkeitsverfahren getroffen hat. Dies gilt ausweislich des Einkommensteuerbescheids für 1998 vom
20.06.2000 und des Änderungsbescheids für 1998 vom 06.06.2001 für den Zeitraum der Geltung der
Pauschalierungsrichtlinie. Es gilt aber auch für den Zeitraum danach, denn den
Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 30.05.2001, für 2000 vom 06.11.2002, für 2001 vom
28.08.2003, für 2002 vom 20.09.2004, für 2003 vom 23.06.2005, für 2004 vom 23.06.2006 und für 2005
vom 23.07.2007 lässt sich kein Hinweis für eine Entscheidung im Billigkeitsverfahren entnehmen. Auch
wenn das FA über Steuerfestsetzung und den Antrag auf Billigkeitsmaßnahme in einem einheitlichen
Steuerbescheid entscheiden kann, so sind es doch 2 Verfahren und es bedarf eines ausdrücklichen
Hinweises im Einkommensteuerbescheid, wenn das FA eine Entscheidung im Billigkeitsverfahren trifft. Eine
Entscheidung des FA im Billigkeitsverfahren ist im Streitfall in den genannten Einkommensteuerbescheiden
nicht ersichtlich.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Klägervertreter angeführten Billigkeitsvorschrift des R
14 Abs. 2 EStR und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Zwar hat der BFH entschieden, dass der
Verzicht auf die Bewertung des Feldinventars als Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO zu sehen ist (BFHUrteil vom 18. März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654). Dem Verzicht auf die Aktivierung
des Feldinventars liegen jedoch landwirtschaftliche Besonderheiten zu Grunde. Das landwirtschaftliche
Normalwirtschaftsjahr, das den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni umfasst (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG),
beginnt im Ackerbau mit der Ernte, an die sich die Feldbestellung anschließt; es endet, bevor die Ernte der
angebauten Feldfrüchte beginnt. Der sofortige Betriebsausgabenabzug bewirkt daher, dass neben den
Erlösen aus der Ernte auch der Aufwand für die Feldbestellung in demselben Wirtschaftsjahr berücksichtigt
werden kann, in dem er angefallen ist. Damit wird die oft schwierige Bewertung des Feldinventars
vermieden. Die Regelung führt auch nicht zu nennenswerten Gewinnverlagerungen, weil die Werte zu
Beginn und am Ende des Wirtschaftsjahrs in normalen Jahren annähernd gleich bleiben (BFH-Urteil vom 18.
März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654). Diese Regelung ist als Billigkeitsmaßnahme
nach § 163 AO anzusehen, da eine Umstellung auf die Aktivierung des Feldinventars für die betroffenen
Betriebe dazu führen würde, dass sie im Übergangszeitraum die Erlöse aus der Ernte zu versteuern hätten,
ohne in diesem Wirtschaftsjahr den Aufwand aus der Feldbestellung abziehen zu können. Betroffen wären
alle Betriebe, die zuvor von der Möglichkeit der Nichtaktivierung Gebrauch gemacht haben. Dazu gehören
vor allem die in der Land- und Forstwirtschaft besonders häufig anzutreffenden Familienbetriebe, sofern sie
bilanzieren. Die Möglichkeit, weiterhin auf eine Aktivierung des Feldinventars zu verzichten, stellt sich daher
als Billigkeitsregelung dar (BFH-Urteil vom 18. März 2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl. II 2011, 654).
Diese Regelung des R 14 Abs. 2 EStR zur ansonsten schwierigen Bewertung des Feldinventars als
Umlaufvermögen, die allenfalls zu Gewinnverschiebungen führen kann, und landwirtschaftliche
Besonderheiten betrifft, ist mit dem Sachverhalt des Streitfalles jedoch nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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