Swing low, sweet chariot - gospel-chor

Transcrição

Swing low, sweet chariot - gospel-chor
Swing low, sweet chariot
Vor meinem inneren Auge sehe ich einen
schwarzen Knaben
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etwa zwölfjährig
er pflückt Baumwolle auf einer endlos weiten Baumwollplantage in einem der Südstaaten
Amerikas…
spindeldürr, ausgehungert… traurige, leere Augen… seine Hände sind vom Pflücken zerstochen und bluten
Namen hat man ihm keinen gegeben: Sklaven gelten nicht als Menschen
im Sachinventar werden sie als Ware aufgelistet
es ist mörderisch heiss und staubig
er hat Durst, aber es ist nicht schon wieder Zeit zum Trinken, es muss gearbeitet werden!
sein Gesicht ist nass vor Schweiss… zudem kugeln immer wieder dicke Tränen über seine
Wangen herunter
zusammen mit seinem Vater und drei älteren Brüdern wurde er aus Afrika verschleppt
- ein gegnerischer Nachbarstamm hat den Weissen dabei „hilfreiche“ Dienste geleistet an der Sklavenküste wurden sie eingeschifft und über den Atlantik nach Amerika gebracht
zwei seiner Brüder überlebten die Schifffahrt nicht
sie wurden achtlos als Fischfutter über Bord geworfen
auf dem Sklavenmarkt war er für die reichen Händler noch zu „bring“
so wurden sein Bruder und der Vater nicht vom gleichen Händler ersteigert wie er
sie verloren sich aus den Augen und sahen sich seither nie wieder…
nun sieht er, wie der Sklaventreiber mit der Lederpeitsche in der Hand auf seinem Stuhl
eingenickt ist
das erleichtert ihn ein wenig und er beginnt leise vor sich hinzusingen
mit seiner noch ungebrochenen, schönen Knabenstimme
zitternd, geschwächt, aber rein wie eine Glocke
„swing low, sweet chariot“, sein Lieblingslied
er hat es an den Begräbnissen seiner schwarzen „Brüder“ kennen gelernt
Beerdigungen gibt es viele: ¼ der Sklaven sterben innerhalb des ersten Jahres nach Ankunft in der Fremde, sozial entwurzelt, keine Immunabwehr gegen Krankheiten im neuen
Land
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und Beerdigungen sind wichtig: sie sind für Sklaven die einzige Möglichkeit sich zu treffen
alle anderen Versammlungen sind verboten
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ihm wurde gesagt, das Lied erinnere an einen Mann aus Israel, Elia hätte er geheissen, der
am Ende seines Lebens nahe am Jordan mit feurigen Wagen und feurigen Rossen heim in
den Himmel getragen worden sei
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er singt „swing low, sweet chariot“ und die anderen stimmen ein
schwingen mit und wiederholen ununterbrochen „swing low, sweet chariot“
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und plötzlich gehen sie ganz auf in ihrem Lied und
tanzen virtuos und swingend auf der Tonleiter
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nun hebt der Knabe zum ersten Vers an
ist er halb verzückt oder schon gezeichnet vom tödlichen Gelbfieber?
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mit seinem inneren Auge schaut er über den Jordan
Engel nahen sich ihm und umgeben ihn mit himmlischer Musik
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und die schwarzen Pflücker wiederholen immer wieder „swing low“ und „coming for to carry
me home“
ist es Wunsch oder Gewissheit? eine Bitte oder geglaubte Wirklichkeit?
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und bei „home“ wird ihnen warm ums Herz
sie sind in ihrer Heimat, bei ihrer Familie, ihrem Stamm – oder bereits im Himmel?
und fühlen sich für einen Augenblick „zu Hause“, geborgen…
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und mit langsamem Tempo fordern sie am Schluss immer wieder, fast ultimativ:
„coming for to carry me home“, komm bitte jetzt und hole uns!!!
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dann erhebt ein gestandener, kräftiger Schwarzer seine Stimme zum
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für ihn ist der Feuer-Wagen bis jetzt noch nicht gekommen, aber für viele seiner Freunde
von jedem musste er sich verabschieden, schmerzlich trennen
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aber seinen Freunden die Botschaft mit auf den Weg zu geben „ich werde auch kommen“,
tröstete ihn jeweils
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und dann steht plötzlich der weisshaarige, weise Alte in ihrer Mitte
und berichtet ihnen im dritten Vers ungeschminkt von seinen vielen Auf und Ab
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aber bestimmt, entschlossen und mit unerschütterlicher Standhaftigkeit bekundet er:
„wie es mir auch immer ergehen wird…“, „was man mit mir auch immer machen wird…“
„meine Seele bleibt dem Himmel verpflichtet, der Friedensbotschaft meines Herrn“
nicht: „Auge um Auge, Zahn um Zahn…“, sondern: „Vater, vergib ihnen…“
„wir müssen unsere Feinde mit unserem Leben überzeugen, nicht mit Gegengewalt“
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und gemeinsam singen sie aus voller Kehle den letzten Refrain
immer wieder, immer wieder, immer wied…
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bis plötzlich der Aufseher über diesem irdisch-himmlischen Gesang erwacht
und diese Nichtsnutze ins Diesseits zurückpeitscht
zweiten Vers
Walter G
Hinweise
Plantagen: zuerst Zuckerrohr in der Karibik, später Reisfelder (am härtesten) Tabak, Baumwolle
Südstaaten: Zahl der Sklaven in Bezug auf die Gesamtbevölkerung 1770  South Carolina und Georgia mehr als 60%, Virginia 4060%
Häufigste Todesursachen: Gelbfieber, Brustfell- oder Lungenentzündung
Sklaven billig, deshalb keine Sorgfalt
Sklaven praktisch rechtlos: Sklavengesetz gewährte den Sklavenhaltern fast unumschränkte Macht. Sklaven wurden gehalten wie
Gefangene: sie durften sich nicht versammeln oder das Anwesen des Halters verlassen (nur mit einem Pass). Sie hatten weniger arbeitsfreie Zeit als Diener
Brutale Gewalt der Aufseher: auspeitschen, Brandzeichnung, Verstümmelung, Galgen

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