MDE Bewertungen bei psychischen Störungen/Dr. med. Andreas

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MDE Bewertungen bei psychischen Störungen/Dr. med. Andreas
Präsentationsfolien zum Vortrag
MDE Bewertungen bei psychischen Störungen
Referent: Dr. med. Andreas Stefan Gonschorek
MdE-Bewertungen bei
psychischen Störungen in
der gesetzlichen Unfallversicherung
Dr. A.S. Gonschorek
Neurotraumatologisches Zentrum (NTZ) am
Unfallkrankenhaus Hamburg
Gliederung
Einführung
Diagnostik
Begutachtung
Fallbeispiele
Diskussion
Entstehung der MdE-Grade
1884
Gesundheitliche
Störung
MdE-Grad in %
Verlust Auge
25 %
Schultersteife
30 %
Epileptische Anfälle
50 %
Depression
?
2014
MdE-Werte
Regel-, Normal-, oder Erfahrungssätze
Allgemeine Anerkennung und ständige Übung
„Zauberformel oder Bauchgefühl ?“
MdE bei Fingerverletzungen
aus Schönberger, Mehrtens
und Valentin, 2010
Gliederung
Einführung
Diagnostik
Begutachtung
Fallbeispiele
Diskussion
Welche Störungsbilder ?
• Phobische Störungen (F40)
• Angststörungen (F41)
• Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43),
insbesondere PTSD
• Dissoziative Störungen
• Depression
• Somatoforme Störungen
Diagnostik
Klassifikationssysteme des
ICD 10 oder
DSM – IV (deskriptiv)
Längsschnittbefund (Verlauf)
Diagnostik




Vorgeschichte
Abgrenzung normaler seelischer Begleitreaktionen von
tatsächlich krankhaften psychischen Störungen
Zuordnung des Symptomkomplexes zu einer oder
mehrerer psychiatrischer Diagnosen
Bestimmung des Schweregrades
Problem der Objektivierung
„Prozess der Validierung subjektiver
Erlebnisschilderung des zu Begutachtenden auf
einem Wahrscheinlichkeitsniveau, welches
demjenigen objektiver Befunde entspricht und
damit die Überzeugungskraft eines
Vollbeweises besitzt.“
Objektivierungsprozess
Indizienlisten
Plausibilitätsprüfung
Glaubwürdigkeitsbeurteilung
Konsistenzprüfung
Konsistenzkriterien
Entscheidend für die Begutachtung schwer objektivierbarer Beschwerden ist,
ob sich der Gutachter vom Vorhandensein und Ausmaß der geklagten
Beschwerden zu überzeugen vermag.
Vollbeweis
„In der Psychiatrie gebe es anerkanntermaßen keine an Sicherheit
grenzende Wahrscheinlichkeit, im naturwissenschaftlichen Sinne sei
von einer Trefferquote von 80 bis 90 % auszugehen. Ein größeres Maß
an Sicherheit ist in der Psychiatrie überhaupt nicht erreichbar…“
OLG Saarbrücken, r + s 2006
nicht ausreichend: Verdachtsbefunde, pauschale Symptombeschreibungen, reine Beschwerdeschilderungen
Gliederung
Einführung
Diagnostik
Begutachtung
Fallbeispiele
Diskussion
Kausale Beurteilung
„Der Unfallzug“ modifiziert nach Erlinghagen
Unterschiede von psychischen zu organisch
bedingten Gesundheitsstörungen
• sehr vom Kontext abhängig
• nicht statisch, sondern Ausdruck eines im Verlauf
wechselnden Anpassungsprozesses
• keine abgegrenzten Krankheitsentitäten
• Nachweis einer Besserung/Verschlimmerung ist
schwerer zu führen
• Subjektivität und Erfahrungen des Gutachters fallen
stärker ins Gewicht
Das psychiatrische Gutachten im Rentenverfahren –
wie reliabel ? J.R.M.Dieckmann, A. Brooks 2007
• gutachterliche Auswertung einer Kasuistik (psychiatrische Anamnese,
neurologischer und psychiatrischer Befund, Entlassungsdiagnosen der
psychiatrischen Fachklinik, Behandlungsdiagnosen des Hausarztes und Psychiaters
sowie Video-Interview der Patientin auf DVD)
• Gutachter waren im Durchschnitt 13 Jahre Facharzt, 10 Jahre Gutachter, 11 Gutachten/Monat
• alle 22 Gutachter erkannten das depressive Syndrom,
6 stellten die richtige Diagnose, in der sozialmedizinischen Beurteilung
bescheinigte die Hälfte ein vollschichtiges, die andere Hälfte ein teilweises
oder ganz aufgehobenes Leistungsbild
Schriftliche Anamnese und Videointerview ersetzen nicht die
persönliche Exploration !
Faktoren der MdE-Einschätzung
Verbliebenes
Leistungsvermögen im
Erwerbsleben
Psychisch-emotionale
Beeinträchtigung
z.B. Ängste, Zwänge,
Freudlosigkeit
Sozial-kommunikative
Beeinträchtigungen
z.B. Rückzugsverhalten
Gereiztheit, Misstrauen
Körperlich-funktionelle
Beeinträchtigungen z.B.
psychogene Schmerzen,
Konzentrations- und
Aufmerksamkeitsstörungen
Verminderter Antrieb
Foerster et al., 2007
Gliederung
Einführung
Diagnostik
Begutachtung
Fallbeispiele
Diskussion
Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)
Unvollständig ausgeprägtes Störungsbild (Teil- oder
Restsymptomatik MdE bis 20 v. H.
Üblicherweise zu beobachtendes Störungsbild, geprägt
durch starke emotional und durch Ängste bestimmte
Verhaltensweisen, Einschränkungen der Erlebnis- und
Gestaltungsfähigkeit, sowie sozial-kommunikative
Beeinträchtigungen MdE bis 30 v. H.
Schwerer Fall, massive Schlafstörungen mit Albträumen,
häufige Erinnerungseinbrüche, Angstzustände,
ausgeprägtes Vermeidungsverhalten MdE bis 50 v. H.
Foerster et al 2007
Fallbeispiel
•
Frau K., 58 J., Friseurin, 09/08 auf dem Weg zur Arbeit auf dem Gelände einer
psychiatrischen Klinik, auf dem Parkplatz von einem blutüberströmten psychisch
gestörten Mann aus dem Auto gerissen worden. Dieser setzte sich in Ihr Auto, raste
gegen den nächsten Baum und verstarb.
•
11-12/08 und 02-04/09 stationäre psychiatrische Behandlung, Diagnose: PTBS,
mittelgradige depressive Episode
•
Begutachtung 02/10: Ängste vor Dunkelheit, das ihr jemand etwas antue, 3-4/Woche
Intrusionen, Schlafstörungen, Vermeidung von Situationen die an Unfall erinnern,
Antriebsminderung, Freudlosigkeit, Übererregung, sozialer Rückzug
•
Diagnose: PTBS, mittelgradige depressive Episode, MdE 30 %
•
5 wöchige Behandlung im NTZ 04/10, psychische Stabilisierung, Auflösung der
intrusiven Symptomatik
•
erneute Begutachtung 08/10: erhöhte Stressanfälligkeit, Schreckhaftigkeit und
Ängstlichkeit MdE 10 %, unfallunabhängig leichte depressive Störung
Anpassungsstörung (F43.2)
Stärkergradige sozial-kommunikative Beeinträchtigungen,
zusätzlich zur psychisch-emotionalen Störung, wie
Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität und
Rückzug, MdE bis 20 v. H.
Stark ausgeprägtes Störungsbild, MdE bis 30 v. H.
Zeitliche Begrenzung der MdE bis längstens 2 Jahre, nur
in Ausnahmefällen dauerhaft
Foerster et al 2007
Fallbeispiel
• Frau H., 49 J., Friseurmeisterin, 03/09 mit der Hose am Frisierstuhl hängengeblieben
und gestürzt, Diagnose: Schenkelhalsbruch; Vorerkrankung: Atheritis
• Komplikationsreicher Verlauf mit Infektion der implantierten Hüftendoprothese, starke
Schmerzen, mehrfache OP mündeten in Girdelstonsituation, Einstellung auf FentanylNasenspray und Entwicklung eines Schmerzmittelabusus
• Zwischenzeitliche psychologische Berichte über Stimmungseinbrüche, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Freudlosigkeit, massive Ängste bezüglich Bewegungs- und
Gehfähigkeit, „leide unter Wegfall sinngebender Tätigkeiten, Schuldgefühle gegenüber
Ehemann“ – ambulante Psychotherapie ab Mai 2011
• Aufdeckung Schmerzmittelabusus durch Apotheker, qualifizierter Entzug in
psychiatrischer Klinik 08-09/2012 Diagnose: schwere depressive Episode chronische
Schmerzen nach „Polytrauma“ DD somatoforme Schmerzstörung, Entgiftung konnte
nicht abgeschlossen werden, da Verlegung in Chirurgie wegen Durchblutungsstörungen
• Begutachtung 11/12: ausgeprägte Hüftbeschwerden, leichte depressive Verstimmung,
Minderung Selbstwertgefühl, keine Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen, Hoffnungen
ihr Leben wieder aufzunehmen, Geschenk des Ehemanns „Therapiehund“
• Diagnose: leichte Anpassungsstörung, MdE 10 %
Depressive Episode (F32 und F33)
Verstimmung, die nicht den Schweregrad einer leichten
depressiven Episode erreicht, MdE bis 10 v. H.
Leichte depressive Episode, bis 20 v. H.
Mittelgradige depressive Episode bis 40 v. H.
Schwere depressive Episode, auch mit psychotischen
Symptomen, bis 80-100 v. H.
Anhaltende affektive Störung mit psychisch-emotionaler
Beeinträchtigung in leichter Ausprägung, MdE bis 10 v. H.
Foerster et al 2007
Fallbeispiel
• Frau W., 49 J., Heilerziehungspflegerin, 08/12 von einem geistig behinderten
Heimbewohner angegriffen und geschlagen worden, bis auf diverse Prellungen keine
körperlichen Verletzungen
• 10 Tage nach Ereignis psychischer Befund: depressive und ängstliche Affekte, Minderung
Konzentration und Merkfähigkeit, angespannt, nicht belastbar, Diagnose: PTBS
Monatliche Nachuntersuchungen mir unverändertem Befund und Diagnose (+ Depression)
• 11/12 Versuch berufliche Wiedereingliederung, scheitert im März
• Ambulante Psychotherapie: hochgradige emotionale Labilität und vegetative Symptome,
Diagnose : PTBS, Angst und depressive Störung gemischt
• 06-07/13 stationäre Behandlung NTZ : ausgeprägte depressive Symptome, Ängste und
Vermeidungsverhalten, kindliche Verhaltensweisen, Stimmungsschwankungen, in
Vorgeschichte mit schwerer Kindheit und Jugend, z. T. traumatischen Erlebnissen von Gewalt
und Missbrauch, Besserung der Stimmung, weiterhin AU
• Begutachtung 07/13: traurige Grundstimmung, Interessenverlust, verminderte Konzentration
und Aufmerksamkeit, Schlafstörungen, anhaltende Ängste mit Vermeidung
• Diagnose: leichte depressive Episode und leichte generalisierte Angststörung
• MdE: 20 % für 6 Monate, unfallbedingt Empfehlung weiterer Psychotherapie und LTA
Fallbeispiel
• Herr Z., 57 J., freiberuflicher Erlebnispädagoge, 07/08 als Fahrradfahrer von einem Auto angefahren worden, Schulterprellung und SLAP-Läsion, fortbestehende Belastungsbeschwerden
• Kanu und Klettertouren, Kletterlehrer, 1 Woche vor Unfall Abschluss Ausbildung Industriekletterer, nach Unfall erheblich eingeschränkte Berufstätigkeit
• 2009 operative Behandlung linke Schulter – leichte Teilbesserung
• 2010 erheblicher Stimmungseinbruch, Zukunftssorgen, verschiedene orthopädische
Behandlungen ohne Erfolg, EFL-Test: Einschränkungen als Kletterlehrer
• 2011 unfallchirurgische Begutachtung, MdE 10 %, zunächst Widerspruch, dann Rückzug
Widerspruch und Antrag auf LTA, Ablehnung durch BGW
• 02-04/12 stationäre psychotherapeutische Behandlung in Oberstdorf zu Lasten TK, Diagnose:
rezidivierende depressive Störung, mittelgradig, anhaltende somatoforme Störung,
kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzistischen, emotional instabilen Anteilen
• Begutachtung 08/13 im NTZ: Druck und Brennschmerzen der Schulter, Zukunftssorgen,
depressive Verstimmung, keine Antriebsstörung
• Diagnose: Dysthemia, unfallunabhängig: kombinierte Persönlichkeitsstörung
MdE 10 % , LTA werden als begründet angesehen, Vermeidung extremer körperlicher
Beanspruchungen
Generalisierte Angststörung F45.1
Leicht bis mäßiggradige körperlich-funktionelle
Einschränkungen und psychisch emotionaler
Beeinträchtigungen, MdE bis 20 v. H.
Stärkergradige Ausprägung der Einschränkung und
Beeinträchtigung, MdE bis 30 v. H.
Schwerwiegende Ausprägung der Einschränkung und
Beeinträchtigung, MdE bis 50 v. H.
Spezifische Phobie F40.0-2
Phobien mit leichtgradiger körperlich-funktioneller
Einschränkung und psychisch emotionaler
Beeinträchtigungen, MdE bis 10 v. H.
Stärkergradige Einschränkungen und Beeinträchtigungen mit
ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, MdE bis 30 v. H.
Foerster et al 2007
Fallbeispiel
• Herr P., 58 J., Heilerzieher, 11/05 von einem Besucher einer Wohngruppe von hinten mit
Faustschlägen attackiert worden, Brille kaputt, betriebsärztliche Untersuchung
• Seit 05/06 AU, Aufgabe berufliche Tätigkeit 2008, Angstzustände bei Menschenansammlungen, besonders wenn sich Menschen hinter ihm befinden, Panikattacken,
Schlafstörungen, EU-Rentenantrag wurde abgelehnt, angeblich schon mehrere Übergriffe
während beruflicher Tätigkeit seit 1980
• Hausärztin (12/05) : Herr P. sei von Jugendlichen mit Messer angegriffen worden, kann sich
nur kurz in geschlossenen Räumen aufhalten, leide unter Panikattacken und
Schweißausbrüchen
• 05/08 Diagnose rezidivierende depressive Episode, Agoraphobie durch behandelnden
Nervenarzt, multiple körperliche Beschwerden (Rückenschmerzen, Allergien)
• 07/07 Gutachten für Deutsche Rentenversicherung: somatoforme Störung
• 2008 Gutachten für Sozialgericht Lübeck: rezidivierende depressive Episode, Neurasthenie
und Agoraphobie
• 12/09 Begutachtung im NTZ: Ängste beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel,
Menschenansammlungen und Kaufhäuser, wenn Menschen hinter ihm stehen, schnelle
Erschöpfung und Ermüdung
• Diagnose: unfallabhängig Agoraphobie, unfallunabhängig Neurasthenie, MdE 10 %
Fazit:
• derzeit existieren für die MdE Bewertung psychischer Störungen keine „allgemeinen
Erfahrungswerte“, sondern jediglich „Einzelmeinungen“
• Die MdE - Einschätzung ist weniger von der Diagnose, sondern vom psychosozialen
Funktionsniveau und den tatsächlichen Beeinträchtigungen abhängig
• Anpassungsstörungen sind von normalen seelischen Begleitreaktionen abzugrenzen und
bedingen in den meisten Fallen eine zeitlich begrenzte MdE von 10-20 v. H.
•
PTBS sind als Monotraumatisierungen in der Regel gut behandelbar, die Auswirkungen
der psychischen Beeinträchtigungen auf das Leistungsvermögen im Erwerbsleben variabel
•
Depressionen und Angststörungen können die Erwerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigen
•
Eine MdE Bewertung > 50 v. H. ist nur in seltenen Fällen begründet
• Begutachtungen psychischer Störungen weisen eine geringe Reabilität auf, eine stärkere
Graduierung der MdE und regelmäßige Gutachter-Schulungen zur Konsensbildung
sind erforderlich
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Fallbeispiel Bonus
•
Frau H., 30jährige Rettungsassistentin und Medizinstudentin war während eines
Rettungseinsatzes in einen Verkehrsunfall verwickelt mit tödlichen Verletzungen
einer Mutter und ihrer 2 jährigen Tochter (Mai 2010)
•
Entwicklung Vollbild einer PTBS, insbesondere mit Übererregung und Dissoziationen
•
8 Monate ambulante Psychotherapie einschließlich EMDR, anschließen 6 Wochen
stationäre Behandlung in Diana-Klinik Bad Bevensen (Juli 2011)
•
Zusammenhangsbegutachtung im NTZ in 12/2011 (weiterhin ausgeprägte PTBS)
´
MdE 50%
•
6 monatige Behandlung im Bereich Psychotraumatologie NTZ
•
Medizin Studium aufgenommen, Wiedereingliederung in Rettungsdienst an anderer
Stelle
•
Erneute Begutachtung 08/12: Restsymptome PTBS mit leichter Übererregbarkeit,
Schlaf- und Konzentrationsstörungen, MdE 10 %
Zusammenfassung zum Vortrag
MDE Bewertungen bei psychischen Störungen
Referent: Dr. Andreas Stefan Gonschorek
MdE-Bewertungen bei psychischen Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung
(Seminar 22.01.2014 in Berchtesgaden)
Psychische Störungen nach Unfällen und traumatisierenden Ereignissen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit werden zunehmend in der gesetzlichen Unfallversicherung geltend gemacht. In der Regel handelt es sich dabei um psychische Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen einschl. der sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung. Auch Angst- und depressive Störungen gehören zum Erkrankungsspektrum. Ein nach
objektiven Kriterien relativ geringfügiges Unfallereignis schließt die Anerkennung psychischer
Unfallfolgen nicht aus, es bestehen jedoch hohe Anforderungen an den Nachweis einer außergewöhnlichen seelischen Beeindruckung durch das Unfallereignis. Wesentlich erscheint
in der Begutachtung die genaue diagnostische Einordnung des vorliegenden psychiatrischen
Störungsbildes unter Berücksichtigung der Vorgeschichte, die Abgrenzung normaler seelischer Begleitreaktionen von tatsächlich krankhaften psychischen Störungen und die Einschätzung des Symptomkomplexes anhand der derzeit gängigen Klassifikationssysteme des
ICD-10 oder DSM IV.
Psychiatrische Gutachten unterliegen dabei naturgemäß einer höheren Beurteilungsvarianz
und Reliabilitätsproblemen, hier ist die Berücksichtigung der Kausalitätskriterien der gesetzlichen Unfallversicherung einschl. einer sorgfältigen Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung von
erheblicher Bedeutung. Die Erfassung des Schweregrades psychischer Störungen darf sich
nicht nur an den vorgetragenen Beschwerden orientieren, sondern muss sich nach den tatsächlichen Teilhabestörungen des zu Begutachtenden richten. Hierbei kann das verbliebene
Leistungsvermögen im Erwerbsleben nach psychisch-emotionalen, sozial-kommunikativen
und körperlich-funktionellen Beeinträchtigungen unterschieden werden. In der gesetzlichen
Unfallversicherung gibt es derzeit keine differenzierten allgemein erkannten Regel –und Erfahrungswerte für die Beurteilung der MdE. Die derzeitigen Vorschläge zur Bewertung der
MdE wurden anhand von Fallbeispielen aus der gutachterlichen Praxis des Neurotraumatologischen Zentrums am Unfallkrankenhaus Hamburg erläutert. Bei der MdE-Einschätzung ist
die Dynamik psychischer Störungen zu beachten, welche sich ggf. in einer zeitlichen Befristung auswirken sollten. Regelmäßige Fallkonferenzen oder Schulungen der für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger tätigen Gutachter können zu einer weiteren Konsensbildung
bei der MdE-Einschätzung psychischer Störungen beitragen.

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