Bauen in Stahl - Stahlbau Zentrum Schweiz

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Bauen in Stahl - Stahlbau Zentrum Schweiz
Bauen in Stahl
Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz
03/04
steeldoc
Wohnen im
Stahlhaus
Inhalt
Editorial
3
Wohnlicher Stahlbau - eine Spurensuche
Essay von Alois Diethelm
4
Haus Sobek, Stuttgart
Radikale Transparenz
8
Maison Expo, Paris
Ideenkiste
14
Wohnhaus, Pomponne
Grünes Gartenhaus
18
Haus Steeman, Epe
Spielerische Raumerweiterung
22
Picture Window House, Japan
Leben wie im Landschaftsbild
26
Impressum
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Kompetenz im Stahlbau
Das Stahlbau Zentrum Schweiz ist das Schweizer Kompetenz-Forum für den Stahlbau. Als Fachorganisation
vereint das SZS die wichtigsten stahlverarbeitenden Betriebe, Zulieferfirmen und Planungsbüros der Schweiz und
erreicht mit seinen Aktionen mehr als 8'000 Architektinnen, Bauplaner, Entscheidungsträger und Institutionen.
Das SZS informiert das Fachpublikum, fördert die Forschung, Entwicklung und Zusammenarbeit im Stahlbau,
pflegt internationale Verbindungen und unterstützt
die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten. Seine Mitglieder profitieren von einem breiten Leistungsangebot zu
günstigen Konditionen.
www.szs.ch
Stahlbau Zentrum Schweiz
Centre suisse de la construction métallique
Centrale svizzera per le costruzioni in acciaio
Editorial
Das Wohnen im Stahlhaus hat schon in den 20er Jahren die
Konventionen der bürgerlichen Traditionen gesprengt. Damals
war der Stahlbau gerade mal für den Industriebau entdeckt
und akzeptiert worden – darin wohnen, das wollten nur
ein paar schillernde Exponenten der Moderne. Sie galten als
Puristen, Minimalisten oder Technokraten – auf jeden
Fall als äusserst abgehoben von den Normen der üblichen
Wohnvorstellungen.
Dass Wohnen im Stahlhaus auch «wohnlich» sein kann, musste
erst bewiesen werden. Viele der wegweisenden Wohnhäuser
aus Stahl entstanden in den 50er und 60er Jahren. In dieser
Zeit entwickelte auch der Schweizer Architekt Fritz Haller ein
vorfabriziertes, modulares Konstruktionssystem für den
Hausgebrauch. Anders als sein USM-Möbelsystem setzte sich
dieses jedoch nicht bei der breiten Bevölkerung als Standard
für den Hausbau durch. Auch heute noch sind Wohnhäuser aus
Stahl in der Häuserlandschaft der Schweiz eher selten anzutreffen. Nicht nur, dass gute, moderne Architektur generell selten vorkommt, Stahl im Wohnumfeld gilt bei den meisten
Bauherrschaften als unterkühlt und deshalb als «unwohnlich».
Die vorliegende Ausgabe von Steeldoc setzt sich mit der Frage
auseinander, was das Wohnen im Stahlhaus wohnlich macht
und natürlich auch, welche Konstruktionssysteme dabei
zum Tragen kommen. Die Einfachheit der Konstruktion tritt
beim Wohnhaus noch deutlicher zutage als bei jeder anderen
Bauaufgabe. Denn ein Wohnhaus steht meist alleine und
muss sich nur den klimatischen Gegebenheiten und allenfalls
denjenigen des Grundstückes anpassen. Das Volumen ist
überschaubar und eignet sich für die möglichst reine Anwendung eines Konstruktionsprinzips. Auch konstruktive Details stellen für Architekten eine gestalterische Herausforderung
dar, weil sie unmittelbar sichtbar und für die äussere Erscheinung prägend sind.
Obwohl Stahl für den Hausbau nur eine relativ geringe Rolle
im Markt spielt, so steht er doch exemplarisch für die Vorteile
der Stahlbauweise. Zwar sind kaum grosse Spannweiten
zu überbrücken, doch umso deutlicher treten Standardisierung,
Schnelligkeit, Einfachheit der Konstruktion und Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Letztere widerspiegelt sich in einer
energieeffizienten, leichten und flexiblen Bauweise und der
vollständigen Rezyklierbarkeit des Materials. Wer nun auch die
Wohnqualitäten im Stahlhaus für sich entdeckt, kommt dem
nachhaltigen Lebensglück ein gutes Stück näher. Wir wünschen
viel Vergnügen beim Studium und der Lektüre der nachfolgenden Seiten.
Evelyn C. Frisch
3
Essay
Wohnlicher Stahlbau – eine Spurensuche
Alois Diethelm
Im Gegensatz zum Holzhaus sind Bilder vom gemütlichen Wohnen im Stahlhaus
bei den meisten Leuten kaum greifbar. Denkt man an Stahlbau, so weckt
dieser vor allem Assoziationen zu kühler Sachlichkeit oder konstruktiver Kühnheit. Dabei hält die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts Ikonen
bereit, die als Schlüsselwerke des modernen Wohnens gelten und in denen sich
durchaus komfortabel und anregend leben lässt – gestern wie heute.
Royal Pavilion, Brighton (GB),
1818-1821, von John Nash:
Das wohl erste Beispiel für
eine Gusseisensäule im Wohnraum. Reich verziert, fügt
sie sich nahtlos in die opulente Innenausstattung ein.
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Tatsächlich wird Stahl zuerst mit allen anderen Bauaufgaben in Verbindung gebracht, ehe man das
Material als Konstruktions- und Gestaltmittel im Wohnungsbau in Betracht zieht. Als Produkt der industriellen Revolution haftet ihm etwas Technisches an,
das weder gemütlich noch repräsentativ sein kann.
Als besonders mutig muss deshalb der britische Prinz
und spätere König George IV erscheinen. Beim Umbau und der Erweiterung vom Royal Pavilion in
Brighton (1818-1821) liess er es zu, dass sein Architekt
John Nash nicht nur in der Küche gusseiserne Säulen
verwendete, sondern auch in den Gesellschaftsräumen. Farbig bemalt und ausgestattet mit reich verzierten Kapitellen und Basen, rückt die Materialität –
aus heutiger Sicht – allerdings in den Hintergrund.
Die Säulen fügen sich nahtlos in den Formenkanon
der opulenten Innenausstattung ein. Als 70 Jahre
später in Brüssel das Haus Tassel (1893) von Victor
Horta, einem der Gründerväter des Jugendstils, erstellt
wurde, waren Gusseisensäulen im Wohnungsbau
aber noch immer revolutionär. Bezugnehmend auf
den «Royal Pavilion» schrieb Sigfried Giedion in
Raum, Zeit, Architektur (1964, englische Erstausgabe
1941): «Niemand hatte vor Horta gewagt, diesem
Beispiel zu folgen und die Konstruktion sichtbar in
die Intimität des Wohnhauses eindringen zu lassen.»
Horta wird deshalb häufig als derjenige genannt,
der als Erster Eisen im Wohnungsbau einsetzte.
Jugendstil – Veredelung eines Industrieproduktes
Die Verwendung von Eisenstützen ermöglichte Horta
transparentere und flexiblere Grundrisse. Oder wie es
Paolo Portoghesi in seiner mit Franco Borsi verfassten Horta-Biografie (1970) nannte: «Das Eisen half
Platz zu gewinnen, es ermöglichte, ein und denselben
Raum zu verschiedenen Zwecken zu verwenden,
machte leicht und durchsichtig, was bei der traditionellen Bauweise undurchsichtig und massiv war.»
Neben räumlichen Veränderungen ebnete Eisen
wegen seiner einfachen Formbarkeit auch einer neuen Architektursprache den Weg. Losgelöst von
historischen Stilen prägten im Werk Hortas und anderen Exponenten des Jugendstils gekurvte, der Natur
nachempfundene Linien die Räume. Das Motiv des
«Peitschenschlages», wie die Linien auch genannt wer-
den, ist aber nicht allein in den Eisenarbeiten anzutreffen; die Malereien an den Wänden und Decken
und die Mosaikbeläge am Boden weisen es genauso
auf. Die Integration des neuen Materials erfolgte bei
Horta also nicht allein über die kunsthandwerkliche
Bearbeitung des Industrieproduktes, sondern auch
motivisch. Anders als Nash, dessen Säulen mit den
ausgeprägten Kapitellen an Bäume oder Schirme
erinnern, verfolgte Horta eine Veredelung des Eisens
ohne dieses zu Verfremden: Setzen sich die Stützen,
wie beim Haus van Eetvelde (1895), aus verschiedenen Profilen zusammen, bleiben die Nieten sichtbar
und der Querschnitt verändert sich erst am Stützenkopf, wo ein Metallbündel ein Kapitell formt, das
dann aber doch noch eine Verschleierung der tektonischen Verhältnisse evoziert.
Neben dem Ausweg aus dem im 19. Jahrhundert
vorherrschenden Dilemma, in welchem Stil man bauen solle und der zentralen Errungenschaft dessen,
was Le Corbusier später den «plan libre» nennen
und für sich in Anspruch nehmen wird, ortet Portoghesi in Hortas Anwendung von Eisen einen dritten,
gesellschaftlichen Aspekt: «Indem Horta die Charakteristika der Industrie- und Schiffsbauten in die Zimmer
der Häuser des Grossbürgertums übertrug und umgekehrt am Maison du Peuple bestimmte sprachliche
Lösungen wieder verwendete, die beim Bau von
privaten Stadthäusern ausprobiert worden waren,
drückte er die reformistischen politischen Bestrebungen der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts am
klarsten aus.»
Zwischen Wohnmaschine und Industrieromantik
Zurück zur Frage, wie sich Stahl im Wohnraum zeigt,
glaubt man, mit der Maison de Verre (1928-1932) von
Pierre Chareau ein Beispiel vor Augen zu haben, dessen Stahlkonstruktion ungekünstelter nicht sein
könnte. In einem Pariser Innenhof gelegen, ist das
Wohnhaus mit Praxis das Resultat eines Umbaus, bei
dem das oberste Geschoss nicht angetastet werden
konnte, da es sich nicht im Besitz des Bauherrn befand.
Bei den nunmehr sichtbaren Stützen handelt es sich
aber nicht um partiell eingeführte Tragelemente, die
wie beim Royal Pavilion durch den Abbruch einzelner Wände erforderlich wurden, sondern sie fungieren
als einzige Stützkonstruktion des obersten Geschosses.
Vollständig ausgehöhlt – sogar die Fassaden wurden
abgebrochen –, entstand auf den ehemals zwei Geschossen eine dreigeschossige Wohnung, deren Aussenwände ausschliesslich aus Glasbausteinen bestehen.
Orchestriert von einem Innenausbau, der sich durch
technische Raffinesse und feinmechanische Präzision
auszeichnet – Chareau war bis dahin vor allem als
Möbeldesigner und Innenarchitekt hervorgetreten –,
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wirken die vernieteten und verschraubten Stützen geradezu brachial. Nur der rote Anstrich auf den Verbindungsstellen scheint von der Logik des einfachsten
Weges abzuweichen und lässt auch hier die gestaltende Hand des Architekten erahnen. Tatsächlich
verhält es sich mit der Zweifarbigkeit aber genau umgekehrt. Beim Rot handelt es sich um Mennige, ein
gängiger Rostschutzanstrich aus Bleioxid, während
sich die schwarzen «Flansche» als eine Aufdoppelung
aus Schiefer (!) entpuppen.
Nun wurde in der jüngeren Rezeption die Stahlkonstruktion der Maison de Verre vor allem wegen der
veralteten Schraub- und Niettechnik gerügt und dabei
auf Le Corbusiers gleichzeitig entstandene «Immeuble
Clarté» in Genf verwiesen, wo die Stützen elektrisch
geschweisst wurden. Von einem ‹art-décohaften Industrie-Interieur› war die Rede (Christian Sumi) und
von einem Verfahren, dessen Geist dem «heroischen
Zeitalter der Metro» näher liege, als der «Realisation
eines rationalen, modernen Raumes» (Bernard Bauchet/Marc Vellay). Beiderorts wurde aber auf die
Schieferbekleidung nicht näher eingegangen; dabei
wäre es interessant zu wissen, wo diese eigentümliche
Kombination ihren Ursprung hat. Bezweckte Chareau
damit eine Veredelung des Stahls, oder strebte er eine
optische Beruhigung an? Zusammengesetzt aus einem
Stegblech, an das beidseitig zwei Winkelprofile anschliessen, entstehen Flansche, die auf der Aussenseite zwei (unschöne) Fugen aufweisen– vom Schiefer
werden sie kaschiert. Oder ist der Auslöser jene Stütze
im Wohnzimmer, die in Abweichung zum beschriebenen Aufbau über Flanschbleche verfügt, welche mit
den Winkelprofilen vernietet sind und deshalb, um
nicht als Ausnahme zu erscheinen, bei allen Stützen
nach Abdeckungen verlangte?
Zwischen Poesie und Rationalität pendelnd, entzieht
sich die Maison de Verre einer klaren Einordnung. Sie
wirkt widersprüchlich im Nebeneinander von neuartigen und überholten Techniken, industrieller und
kunsthandwerklicher Bearbeitung. Und doch repräsentiert sie wie kaum ein anderes Haus jener Zeit den
Typus der Wohnmaschine und gilt als Schlüsselwerk
für die englische Hightech-Bewegung um Richard
Rogers, der das Haus 1955 als Student besuchte.
Authentische Verkleidung
Was dem Mauerwerk der Verputz ist, ist der Stahlstütze der Blechmantel. Ein Gedanke, der sich beim
Studium von Mies van der Rohes Stahlstützen am
Barcelona-Pavillon (1929) und beim Haus Tugendhat
in Brünn (1930) einstellt. Denn so wie der Verputz
nicht nur eine schützende Funktion hat, sondern auch
verschiedene Untergründe vereint – man denke an
das Nebeneinander von Stein und Mörtel in der Massivbauweise –, umschliesst der Chrommantel bei
Mies ein vielgliedriges Konstrukt aus Winkelprofilen
und Nieten. Zwar gehen dabei die Spuren handwerklicher Arbeit verloren, die Materialauthentizität aber
bleibt. Damit ist einerseits die Oberfläche gemeint, die
kostbarer wird, aber weiterhin aus Metall besteht,
und andererseits die Form. Wenig grösser als der tragende Kern, sind die Stützen nämlich noch immer
so schlank, dass sie mit keinem anderen Material hergesellt werden könnten. War es daher Absicht oder
Unwissenheit, wenn Henry-Russell Hitchcock und
Philip Johnson in Der Internationale Stil (1932) ausgerechnet im Kapitel «Vermeidung aufgesetzter Dekoration» auf das Haus Tugendhat verweisen und
schreiben: «Wo die Brandschutzbestimmungen keine
vollständige Ummantelung verlangen, wirkt die sichtbare Stahlstütze unübertrefflich leicht und elegant»?
Haus van Eetvelde, Brüssel (B),
1895, von Victor Horta:
Herkömmliche Profile mit sichtbaren Nieten. Erst am Stützenkopf vermengen sich statisch
erforderliche und dekorative
Elemente.
Maison de Verre, Paris (F),
1928-1930, von Pierre Chareau:
Vielgliedrigkeit durch die
Spuren der Herstellung. Bei
den schwarzen «Flanschen»
handelt es sich allerdings um
Aufdoppelungen aus Schiefer.
Haus Tugendhat, Brünn (CZ),
1930, von Mies van der Rohe:
Ebenholz, Onyx und Chrom.
Kostbare Oberflächen vereinen
Elemente mit unterschiedlichster Form und Funktion.
5
Essay
Eames House, Pacific Palisade
(USA), 1949, von Ray und
Charles Eames:
Hier wird gelebt! Im kreativen
Durcheinander treten das sichtbare Stahlskelett und die
Blechdecke in den Hintergrund.
Der Blechmantel erweist sich zudem als anpassungsfähig, besteht er doch im Wohnraum aus Chromstahl,
während er auf der Terrasse nur galvanisiert ist. Diese graduelle Unterscheidung ermöglichte Mies, Bauteile ungeachtet ihrer Form und Funktion in unterschiedliche Raumstimmungen einzubinden. Die halbkreisförmige Wand aus Makassar-Ebenholz, die
gerade Wandscheibe aus Onyx oder die Punkte der
Chromstützen: Elemente im Wohnzimmer, von denen
einzelne tragen und andere nur trennen – eingespannt zwischen zwei weissen Flächen aus Linoleum
und Gips, vereint sie eine kostbare Materialität. Die
Integration des Stahls im Wohnraum erfolgt beim
Haus Tugendhat aber auch noch von anderer Seite.
Aus Stahlrohren und Bandstahl gefertigt, weisen die
Stühle und Sessel ebenfalls Oberflächen aus Chrom
auf. Das erinnert daran, dass heute die Akzeptanz von
Metall im Wohnraum eigentlich längst gegeben ist.
Ob Breuers Freischwinger, die Ständerleuchte von
IKEA oder die Möbelbausysteme von USM-Haller, Möbel aus Metall finden sich fast in jeder Stube.
Mit dem Haus Tugendhat dürfte überdies das erste
Beispiel für die Anwendung von Stahl im Wohnungsbau vorliegen, das weder historische Vorbilder in
Metall übersetzt (Gusseisensäule bei Nash), noch vorrangig aus dem Herstellungsprozess die Ästhetik
ableitet (vernietete Stützen bei Horta und Chareau).
Die verkleidete Stahlstütze wird in der weiteren
Entwicklung für die meisten mehrgeschossigen Anwendungen (ausserhalb des Einfamilienhausbaus)
zur Normalität werden - allerdings nie mehr mit der
Schlankheit von Brünn oder Barcelona. Die Verkleidungen weisen Abmessungen auf, die so gross sind,
dass sie nicht nur Platz für eine allfällige Branschutzbeschichtung bieten, sondern auch noch Leitungen
aufnehmen können. Längst die gleichen Dimensionen
wie eine Betonstütze aufweisend, unterscheidet sich
die verkleidete Stahlstütze nur noch durch die gewährleistete Austauschbarkeit der Leitungen.
«Viktorianisches Durcheinander»
1945 lancierte John Entenza, der Herausgeber der
Zeitschrift Arts & Architecture, ein Programm zur Förderung des Baus von preiswerten und modernen
Wohnhäusern im Grossraum Los Angeles. An dem
Projekt zu den sogenannten «Case Study Houses» waren zahlreiche bekannte Architekturbüros beteiligt.
Die grösste Aufmerksamkeit genossen aber Charles
und Ray Eames mit dem Haus Nr. 8, ihrem Eigenheim
in Pacific Palisade. Das 1949 fertiggestellte Wohnund Atelierhaus wies nämlich eine Tragstruktur aus
standardisierten Stahlprofilen auf, und die Fassade
war mit Glas- und Blechpanelen ausgefacht, die ebenfalls aus industrieller Produktion stammt. Wie in
Marilyn und John Neuharts Monografie Eames House
(1994) nachzulesen ist, sollen ehemalige Mitarbeiter
aber erzählt haben, dass gerade im Zusammenhang
mit den Fensterelementen viel Handarbeit erforderlich
war. So sollen die Fenster ins Eames Office geliefert
worden sein, wo ein Mitarbeiter «über zweihundert
verschiedene Schweissungen an den fabrikmässig gefertigten Fensterrahmen vornahm», ehe sie montiert
werden konnten. Im Innern wurde die Konstruktion
teilweise mit Holz verkleidet, die offen verstrebten
Deckenträger aus Stahl und die darüber liegenden
Ferroboard-Stahlplanken jedoch blieben sichtbar.
Mit den Stahlplanken (dünnwandige Kassetten, die
in Funktion und Aussehen mit Trapezblech vergleichbar sind), den Fachwerkträgern und den gewalzten
Breitflanschprofilen fanden Produkte Verwendung, die
eine Technologie und Formensprache verkörpern,
die noch heute Gültigkeit haben und für den zeitgenössischen Stahlbau – zumindest bei kleineren
Bauten – durchaus repräsentativ sind. Es mehren sich
allerdings die Anzeichen, dass bei Ein- und Mehr-
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familienhäusern verstärkt Systeme mit verzinkten
Stahlleichtprofilen zur Anwendung kommen werden.
Wie bei den inneren Trennwänden in der Trockenbauweise (Gipsständerwände), werden die Metallprofile
aber hinter einer Beplankung verschwinden und
zu einem «entmaterialisierten Stahlbau» führen. Mit
dem Eames House scheint zudem der Punkt erreicht
worden zu sein, an dem das Stahlskelett auch im
Wohnraum vollständig gezeigt werden konnte. Vorbei
die Zeit, als höchstens Stützen oder Abschnitte derselben zu sehen waren. Auch blieben ästhetisch
motivierte Veränderungen an den Profilen aus; Wohnlichkeit – wenn sie überhaupt mit den Profilen in
Zusammenhang steht –, stellte sich ganz anders ein:
In Die Welt von Charles und Ray Eames (1997)
erinnert sich Robert Venturi, einst mit grossem Vergnügen geschrieben zu haben, dass die Eames in
ihrem Haus «das gute alte viktorianische Durcheinander wieder eingeführt haben. Die Architektur der
Moderne wollte immer alles so ordentlich und sauber
haben, und die beiden kamen daher und verteilten
ihre eklektischen Assemblagen über das gesamte
Interieur».
Daraus liesse sich der Schluss ziehen, dass das Stahlhaus so gemütlich ist, wie es die Bewohner zulassen.
Vermutlich dürfte aber erst die Vielgliedrigkeit der
sichtbaren Konstruktion eine derart üppige Bespielung
ermöglicht haben: Das Haus gleicht einem Setzkasten.
Die Farbe von Stahl
Davon ausgehend, dass sich Stahl beim Eames
House in einer Form zeigt, die auch 50 Jahre später
als für das Material sinnbildlich erachtet wird,
stellt sich die Frage, wie die Adaption an wechselnde
architektonische Tendenzen erfolgte (allerdings darf
man nicht vergessen, dass längst nicht alle Bewegungen das gleiche Interesse an sichtbar belassenen
Konstruktionen aufbrachten). Interessant ist der
Blick auf die englische High-Tech-Architektur der
70er Jahre, beziehen sich doch ihre Exponenten nicht
nur auf Chareaus Maison de Verre (1928-1932), sondern bezeichnen gleichermassen das Eames House
als für ihr Schaffen vorbildlich. Augenfällig ist der
veränderte Gebrauch von Farbe. Beschränkt sich
beim Eames House die Skala für das Skelett auf verschiedene Grautöne von schwarz bis weiss, und
kamen bunte Farben nur in den äusseren Paneelen
zur Anwendung, ist bei Bauten wie dem Eigenheim
von Michael Hopkins in Hampstead (1975-1976) auch
die Primärstruktur bunt. Das kräftige Blau rückt ins
Bewusstsein, dass sich Stahl praktisch nie mit seiner
Eigenfarbe zeigt. Um welche Farbe würde es sich
denn handeln: um das produktionsfrische bläuliche
Grau, oder um das rötliche Braun nach der ersten
Oxidation? Mit Cortenstahl wurde der Versuch unternommen, die rostrote Schicht als Korrosionsschutz
zu etablieren – leider mit unterschiedlichem Erfolg.
Eigenfarbe würde auch bedeuten, dass sich die Oberfläche der Kontrolle des Architekten entzieht. In
diesem Sinne dürfte die Feuerverzinkung der Vorstellung einer unverfremdeten Materialität am nächsten
kommen: Je nach Stahl-Zusammensetzung ist die
Dichte und Anordnung der Kristalle unterschiedlich,
und es ist eine Behandlung, die einen Alterungsprozess durchläuft, ohne zwangsläufig mit einem Qualitätsverlust einherzugehen; es entsteht Patina.
Angefangen bei der Gusseisensäule, die im Wohnraum mehr Baum als Stütze sein durfte, und bis hin
zu den verschiedenen Methoden der Veredelung,
wurde mit feuerverzinkten Konstruktionen eine Form
erreicht, die frei von gestalterischen Ansprüchen ist.
Der einzige ästhetische Entscheid liegt darin, damit
bauen zu wollen. Beispielhaft für diese Haltung sind
die Arbeiten des französischen Architektenpaares
Lacaton & Vassal. In einem Pinienwald an der Atlantikküste bei Cap Ferret bauten sie 1998 ein Ferienhaus
mit feuerverzinktem Stahlskelett und ebensolchem
Trapezblech, der abtaloschierte Beton der Verbunddecke fungiert als Bodenbelag und die Geländer bestehen aus Maschendraht. Damit wird der Begriff des
wohnlichen Stahlbaus zum Schluss vielleicht etwas
strapaziert, denn es ist nicht zu leugnen, dass der
Innenraum eher industriell und ungeschliffen wirkt.
Aber erlebt Stahl im Wohnraum mit den unzähligen
Fabriken, die zu Lofts umgebaut werden, nicht gerade
in einem industriellen Umfeld ein Revival? Ganz
abgesehen vom malerischen Wert, welcher der einst
verpönten Gusseisensäule heute attestiert wird,
werden ganz einfach die Strukturen geschätzt, die Anpassungen an die unterschiedlichsten Bedürfnisse
und Wohnformen erlauben. Und wem das nicht
reicht: eine Prise «viktorianischen Durcheinanders»
wirkt manchmal Wunder.
Hopkins House, Hampstead
(GB), 1975-1976, von Michael
Hopkins:
Der Stahlbau wird bunt. Das
kräftige Blau rückt ins Bewusstsein, dass sich Stahl praktisch
nie mit seiner Eigenfarbe zeigt.
Ferienhaus in Cap Ferret (F),
1998, von Lacaton & Vassal:
Produkte, wie sie die Bauindustrie zur Verfügung stellt.
Unregelmässig und ausserhalb der Kontrolle durch die
Architekten, wird die Feuerverzinkung sozusagen zum
Äquivalent einer unverfremdeten Materialität.
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Haus Sobek, Stuttgart D
Radikale Transparenz
Bauherrschaft
Ursula und Werner Sobek
Architekten
Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart
Baujahr
2001
Ergreifende Schlichtheit, radikale Transparenz und konzessionslose Anwendung
neuester Technik – das sind die Merkmale dieses Glaswürfels, den Werner
Sobek für sich und seine Familie wie einen Adlerhorst in die grünen Hänge über
Stuttgart gebaut hat: Ein Null-Energie-Haus grösster Klarheit und Eleganz.
Inmitten von dickem Busch- und Baumwerk, auf
einer Lichtung an den Hängen über Stuttgart steht das
Haus des Architekten und Ingenieurs Werner Sobek.
Rundherum ist nur Natur und irgendwo zu Füssen
breitet sich wie ein Lichterteppich die Stadt aus. Vor
wem soll man sich hier verstecken? Die unmittelbare
Intimität des Ortes und die Unnahbarkeit des Stadt-
8
körpers lassen eine aussergewöhnliche Offenheit und
Transparenz zu. Trotzdem ist dieser Glaskubus ein
Manifest eines ganz persönlichen Lebensstils: des
Drangs, bis an die Grenzen des Grenzenlosen und
Machbaren zu gehen.
Das Haus braucht keine Wände, keine Vorhänge,
keinen Lichtschutz und keine Fremdenergie. Die Fenster lassen sich automatisch schliessen und öffnen,
das Licht kann von jedem Ort des Hauses aus ein- und
ausgeschaltet werden, auch per Internet vom Büro
aus. Die Möbel sind auf Mass gefertigt und mobil, in-
steeldoc 03/04
klusive die Badewanne, die auf Rollen an verschiedene
Orte verschoben werden kann. Betreten wird das Haus
zuerst von oben über eine Passerelle, parallel dazu
wird auch das Ver- und Entsorgungstrasse geführt. Im
oberen Geschoss sind Küche und Esszimmer, über eine
durch das ganze Haus laufende Stahltreppe gelangt
man in den zweigeschossigen Salon und in die Bibliothek, dann kommt die Etage der Eltern mit einem Sanitärkern und im Erdgeschoss das Kinderzimmer und
ein Wasserreservoir von 12 m3 als Energiespeicher.
Der Gedanke der Nachhaltigkeit wurde hier maximal
ausgereizt. Das Haus ist energetisch autark. Nach
seinem Ableben kann es restlos abgebaut, wiederverwendet oder rezykliert werden. Gewählt wurden
keine Verbundwerkstoffe, sondern Stahl, Holz und
Glas. Das Stahlskelett besteht aus verschraubten und
gesteckten Quadratrohrstützen und IPE-ProfilTrägern. Die Aussteifung wurde mit Kreuzungen und
Zugdiagonalen der Verbände erreicht. Die Decken
wurden mit Massivholzelementen ausgefacht und mit
Epoxydharz beschichtet; die untere Deckenverkleidung aus Aluminiumblech dient der Strom- und Luftzufuhr. Die rahmenlose, abgehängte Glassfassade
ist dreifach isoliert und reflektiert über 80% der Infrarotstrahlen. Die Fensteröffnungen lassen sich je
nach Witterung und Jahreszeit per Infrarotsensor und
manuell über Touchscreens regulieren. Kühle Luft
kommt im Sommer zudem über ein Lüftungssystem,
das unter der Bodenplatte des Hauses durchläuft.
Strom liefern Photovoltaikelemente auf dem Dach,
welche auch den Grossteil der Wärmeenergie für
die Wintermonate produzieren. Ein isolierter Wassertank mit Salzlösung speichert das ganze Jahr über
Energie, welche in der Nacht und im Winter zusätzlich zum Heizen genutzt wird. Die Isolierfähigkeit
dieses Tankes ist so hoch, dass das Wasser im Sommer kühler ist als im Winter und so eine ausgleichende Klimatisierung über Wasserrohre in den Decken
erreicht wird. Dazu dient ein Wärmeaustauscher
für einen Zwei-Wege-Wasserkreislauf.
Mit seinem Haus ist es Werner Sobek gelungen, das
Bild des Null-Energiehauses radikal zu erneuern.
Diese hochentwickelte Wohnmaschine bietet alle
erdenklichen technischen und elektronischen Innovationen bei maximalem Bedienungskomfort – unsichtbar und lautlos. Die Räume strahlen die Poesie der
Schlichtheit aus. Im Winter bilden sich auf der
Aussenseite der Fassade Eisblumen – auf der Innenseite ist das Glas handwarm. Das Gefühl, unmittelbar
in der Natur zu leben, sei in jeder Jahreszeit präsent,
sagen die Bauherren. Das Leben in dieser Transparenz gereiche ihnen zu innerem Reichtum und
Lebensfreude. (ef)
9
Haus Sobek, Stuttgart D
4. Ebene
3. Ebene
2. Ebene
Grundrisse Schnitt, Massstab 1: 200
10
1. Ebene
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Projekt Haus Sobek
Bauherrschaft Ursula und Werner Sobek
Architekten Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart
Klimaingenieure Transsolar Energietechnik
Versorgungstechnik Ingenieurbüro Frank Müller
Automatikingenieure Baumgartner
Fernbedienung Jochen Köhnlein
Konstruktion Stahlskelett aus Quadratrohrstützen und IPEDeckenträgern; Aussteifung durch Zugstäbe an drei Fassaden und
in den Decken; rahmenlose abgehängte Glasfassaden mit DreifachIsolierverglasung, U-Wert: 0,45 W/m 2 K; Zwischendecken: in die
Stahlkonstruktion eingelegte Fichtenholz-Dreischichtplatten (Massivholz), 60 mm, Epoxydharz-beschichtet
Wohnfläche 250 m 2
Gewicht 38 t
Planungszeit 10 Monate
Bauzeit 2 Monate
Baujahr 2001
11
Haus Sobek, Stuttgart D
3
1
2
3
Detail Fassadenanschluss
Massstab 1:10
1 Deckenträger IPE 200
2 Konsole für Fassadenaufhängung
3 Abdeckblech Aluminium
4 Zugstange für Fassadenaufhängung
5 Dreifach-Isolierglas mit
innenliegender Konvektionsfolie
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4
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1
1
2
3
3
4
2
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5
6
7
4
8
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Knoten
1 Stahlstütze Quadrathohlprofil 100/100/4
2 Deckenträger IPE 200
3 Zugstange Vertikalaussteifung
4 Zugstange Horizontalaussteifung
10
12
13
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Konstruktionsschnitt
Massstab 1:20
1 Fotovoltaikelement
2 Wärmedämmung
3 Horizontalaussteifung
4 Heizkühlregister
5 Abgehängte Decke, Aluminium
6 Einbauleuchte
7 Aufklappbarer Installationskanal
8 Massivholz-Deckenelement
9 Fensterelement, dreifach verglast
10 Fensterelement, dreifach verglast, aufklappbar
11 Öffnungsantrieb für Fenster
12 Stahlstützen Quadrathohlprofil 100/100/4
13 Deckenträger IPE 200
14 Konsole für Fassadenaufhängung
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Maison Expo, Parc de la Villette, Paris F
Ideenreiche Kiste
Bauherrschaft
Association 1.2.3 architecte / réseau Rénov
Architekten
Gaëlle Hamonic und Jean-Christophe Masson
Stahlbau
Profil du Futur, Arcelor
Baujahr
2003
Im Parc de la Villette in Paris stehen zwei exemplarische Wohnkisten, welche
ursprünglich für die «Journées de la maison contemporaine» errichtet wurden. Der
Erfolg der Ausstellungsarchitektur veranlasste die Organisatoren, die zwei
Modellhäuser für das Publikum weiterhin zugänglich zu halten. Gezeigt wird ein
«Art de Vivre» in einem auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Wohnumfeld –
einmal in Stahl, einmal in Holz.
Das Architektenteam für das Modellhaus in Stahl wurde aus dem Kreise junger erfolgreicher Architekturbüros ausgewählt. Das Raumprogramm und der Entwurfsgedanke entspringen nicht den Wünschen einer
tatsächlichen Klientel, sondern haben Modellcharakter. Das Stahlhaus basiert auf einem quadratischen
Grundraster von 13 Metern Seitenlänge. Der Wohnraum wird durch eine sorgfältig gestaltete Grünzone
optisch erweitert. Die Dialektik der zwei Wohnebenen
für die Eltern und die Kinder zeigt sich in einer Serie
kontrastierender Elemente wie beispielsweise transparenter und opaker Glasflächen, rauer oder polierter
Flächen. Der umlaufend verglaste Innenhof gliedert
die Raumfunktionen im Erdgeschoss für Küche,
Essen und Wohnen, ohne sie sichtbar voneinander zu
trennen. Nur der Schlafbereich der Eltern ist durch
eine Trennwand abgegrenzt. Die Verglasung lässt sich
seitlich verschieben und auch über Eck öffnen, so
dass bei guter Witterung der Innenraum ganz mit
dem Patio und dem Gartenraum verschmilzt.
Die Nachhaltigkeit bezieht sich auf eine umweltschonende Leichtbauweise und auf die energieeffiziente
Nutzbarkeit der Wohnräume. Die Einfachheit der
Raumteilung wiederspiegelt sich auch im konstruktiven Konzept. Das Stahlskelett wird durch die leichte
Anpassung des Standard-Systems Styltech gebildet,
welches grösstmögliche Freiheit der Raumeinteilung
und Fassadengestaltung zulässt. Das Grundquadrat
unterteilt sich in drei Felder, wobei das Mittelfeld
schmaler ausgebildet ist. Die Vertikalstützen lassen
sich relativ frei anordnen - zugunsten der Transparenz
wurde im Erdgeschoss auf die Eckpfeiler verzichtet.
Die vorgefertigten Stahlprofile wurden auf der Baustelle ohne Einsatz von Maschinen montiert. Die Fassadenelemente aus lackiertem Stahlblech und innenliegender Isolation sind ebenfalls standardisiert, glatt
auf der Aussenseite und gewellt zum Innenhof hin.
Einzelne runde Perforationen im Fassadenbild spielen
mit dem Lichteinfall in den Innenhof und auf die
Terrasse im Obergeschoss. Auf kleinstem Raum und
mit minimalen Mitteln wurde hier eine grosszügige
und nuancierte Wohnlandschaft zum Wohlfühlen geschaffen, die zum Nachbauen anregt. (ef)
14
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15
Maison Expo, Parc de la Villette, Paris F
OG
EG
16
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1
Axonometrie
Profil du Futur – Styltech
Projekt Maison expo métal
Ort Parc de la Villette, Paris
Bauherr Association 1.2.3 architecte / Rénov
Architekten Gaëlle Hamonic + Jean-Christophe Masson
Gartengestaltung Daphné Mandel-Bouvard und Claire Gilot
Tragstruktur Profil du Futur – Styltech, Arcelor
Fassade Haironville, Mecachim, Ugine &ALZ mit alu Flandria
und Glaverbel
Bauweise feuerverzinktes Stahlprofilskelett Styltech verschraubt,
Wandverkleidung innen Gips, aussen Sandwich-Elemente aus
nichtrostendem Stahlblech
Volumen 5/13/13 Meter
Baujahr 2003
17
Wohnhaus in Pomponne F
Grünes Gartenhaus
Bauherrschaft
Branca Rodriguez, Martin Xavier,
Lagny sur Marne
Architekten
Marin-Trottin Architectes –
Groupe Périphériques, Paris
Baujahr
2003
Zwischen Apfelbäumen an einem Südhang mit Blick auf das Marne-Tal liegt
dieses kleine grüne Wohnhaus. Die drei Raumkuben schieben sich nacheinander
und leicht versetzt in den Hang, so dass für jeden Raum neue Licht- und Sichtverhältnisse entstehen. Es bietet erstaunlich viel Wohnraum, der sich eng mit
dem Garten und der Landschaft verknüpft.
18
steeldoc 03/04
Schnitte Grundrisse
Massstab 1: 200
1
2
3
4
5
6
7
Pomponne ist ein ganz kleiner Ort östlich von Paris.
Das Flüsschen Marne windet sich durch ein sattgrünes Tal, doch zeigt sich die Nähe zur Metropole
bereits deutlich an den Zubringerstrassen und einer
relativ dichten Besiedelung der Landschaft. Das
Wohnhaus liegt abgeschieden und ruhig in einem
ehemaligen Obstgarten zwischen alten Apfelbäumen.
Die grünen Fassadenpaneele spiegeln die Farben der
Umgebung wider und verleihen dem Baukörper auch
in den Wintermonaten Leichtigkeit und Frische.
1. Obergeschoss
1
Das langgestreckte Haus ist aus drei unterschiedlich
hohen Kuben zusammengesetzt und passt sich so
der Hangneigung an. Linear aufgereiht, erstrecken
sich die Innenräume vom Treppenhaus im Norden bis
zum Wohnzimmer mit Glasfront zur Südseite. Die
Raumkuben sind halbgeschossig zueinander versetzt,
um den Austritt in den Garten an mehreren Stellen
zu ermöglichen und mehr Licht in die Räume zu
bringen. Das Haus bietet einen grosszügigen Wohnund Essbereich sowie fünf separate Zimmer auf
insgesamt drei Ebenen. Auf der unteren Ebene gehen
die Raumvolumina fliessend ineinander über und
schaffen so Sichtverbindungen zwischen oberem und
unterem Gartenbereich. Raumhohe Festverglasungen
beziehen den Garten in die Innenräume ein. Als
Lüftungsflügel dienen schmale, nach aussen öffnende
Klappen, die in die Fassadenpaneele integriert sind.
Die Stahlkonstruktion des Hauses ist mit verzinkten
Trapezblechen als Wand- und Deckenelemente
ausgefacht. An den Deckenunterseiten ist das Trapezblech sichtbar, was in den Innenräumen eine helle,
Licht reflektierende Fläche schafft. Zudem entsteht
ein spannungsvoller Kontrast zwischen den industriell «spröden» Stahloberflächen und den weichen
Konturen des umgebenden Grüns. Die äussere Fassadenschicht besteht aus gestrichenen Faserzementplatten. Die Geschosse und Dachkanten sind durch
umlaufende Zinkblechverkleidungen akzentuiert. (ef)
Zimmer
Alkoven
Bad
Arbeitsbereich
Küche
Essbereich
Wohnzimmer
2
Zwischengeschoss
2
1
3
4
Erdgeschoss
B A
D
1
1
5
6
7
C
19
Wohnhaus in Pomponne F
1
3
2
5
4
6
5
7
2
Schnitte Massstab 1:10
1 Zinkblech 1 mm
2 Stahlprofil UNP 260
3 Dachaufbau:
Abdichtung Bitumenbahn
Wärmedämmung 60-220 mm
Trapezblech 58/59/2 mm
4 Wandaufbau:
Faserzementplatte gestrichen 12 mm
Hutprofil Stahl verzinkt 40 mm
Trapezblech 22/38,5/2 mm
Wärmedämmung Steinwolle 60/100 mm
Luftzwischenraum 25 mm
Wärmedämmung Steinwolle 40 mm
Gipskarton 10 mm
5 Stahlprofil 80/80/2 mm
6 Stahlprofil IPE 180
7 Beton-Trapezblech-Verbunddecke 110 mm,
Oberfläche mit Quarzsandeinstreuung, geglättet
8 Stahlprofil HEB 160
9 Rahmen Stahlprofil 70/50 mm
10 Isolierverglasung ESG 5 mm +
SZR 10 mm + VSG 2x 5 mm
11 Stahlbeton 160 mm,
Oberfläche mit Quarzsandeinstreuung, geglättet
Wärmedämmung Polystyrol 50 mm
12 Öffnungsflügel Stahlblechpaneel
mit Wärmedämmung 50 mm
13 Faserzementplatte gestrichen 12 mm
14 Stahlprofil HEB 180
9
8
10
8
12
13
11
B
A
8
13
9
4
12
10
4
C
D
14
20
steeldoc 03/04
Ort Pomponne, F
Bauherrschaft Branca Rodriguez, Martin Xavier, Lagny sur Marne
Architekten Marin-Trottin Architectes –
Groupe Périphériques, Paris
Metallskelett M2V, Montfermeil
Konstruktion Stahlskelett mit Trapezblechausfachung,
Beton-Trapezblech-Verbunddecken, Zementfaserplatten
gestrichen, Zinkblech
Baujahr 2003
21
Wohnhaus Steeman, Epe NL
Spielerische Raumerweiterung
Bauherr
J. Steeman, Epe
Architekten
Borren Staalenhoef Architekten, Leeuwarden
Baujahr
2002
Auf einem bewaldeten Grundstück von Epe in Holland steht diese abstrakte
Wohnschachtel für einen Kunstsammler. Die Erweiterung in Stahlskelettbauweise
kontrastiert mit dem Mauerwerk des ursprünglichen Wohnhauses aus den
70er Jahren. Trotzdem ist die Verwandtschaft zwischen der Erweiterung und dem
bestehenden Bau so stark, dass beides zu einem neuen Ganzen verschmilzt.
Im Jahre 1978 erbaute der Architekt J.A.F. Staalenhoef
das ursprüngliche Wohnhaus für die Familie Steeman
in Massivbauweise. Gut proportioniert und eingebettet in die natürliche Umgebung, war das Haus jedoch
klein und nur spartanisch ausgestattet: ein wirkliches
Bad fehlte und die Eltern schliefen in einem Teil
des Wohnraumes. Nun sollte das Haus den neuen Umständen und Bedürfnissen angepasst werden.
Grundriss Massstab 1:400
Linke Grundrisshälfte:
bestehender Teil
Zur Erweiterung des Wohnhauses gehören zwei
zusätzliche Schlafzimmer mit Bad, ein Raum für die
graphische Sammlung mit Nordlicht, eine Doppelgarage, allgemein mehr Stauraum sowie der Einbezug des Gartenraumes mittels Zwischenzonen und
einer offenen Skelett-Struktur. Als Architekt für die
Erweiterung wurde der Sohn des Architekten Staalenhoef beigezogen, der selbst ein Planungsbüro führt.
Ein Materialbruch schien eine adäquate Lösung
für den Zeitsprung von etwa 30 Jahren zu sein. Trotzdem sollte die Fortsetzung der Raumsequenzen
selbstverständlich und harmonisch wirken. Die Einfachheit der äusseren Erscheinung täuscht – hinter
den glatten Flächen verbirgt sich eine ausgeklügelte Konstruktion. Sie basiert auf einem einfachen
Stahlskelett aus HEA- und IPE-Profilen, welche
jedoch das Achsmass des Altbaus wieder aufnehmen.
Bei allen klimatisierten Räumen ist die Fassadenverkleidung von der Tragstruktur sichtbar getrennt,
das heisst, die Fassade läuft als Vorhang in einem
gewissen Abstand vor den Stützen. Während sich das
Haus gegen Süden und Westen mit transparenten
oder opaken Glasfassaden praktisch ganz öffnet, sind
die Wände im Norden und Osten eher geschlossen.
Nur bei den unklimatisierten Räumen liegt die
Aussenverkleidung zwischen den Stahlprofilen. Auch
die Dachhaut hebt sich zirka 30 cm von der Tragstruktur ab. So kann im neuen Teil mehr Raumhöhe
gewonnen werden, ohne dass sich das Konstruktionsraster verändert. Die Stahlprofile wurden im Werk
vorfabriziert und auf der Baustelle in kürzester Zeit
montiert, die Stahlverbindungen geschraubt.
Durchdachtes Lüftungskonzept
Eine Leichtbauweise mit viel Glas kann sich im Sommer leicht aufheizen, obwohl hier diese Gefahr
dank der vielen schattenspendenden Bäume kleiner
war. Um Temperaturschwankungen auszugleichen,
wurde ein massiver Boden mit Plattenbelag gewählt,
in dem auch eine Bodenheizung integriert ist. Die
Bodenkonstruktion wird mittels eines umlaufenden
Gitterrostes von unten belüftet, so dass der Boden
nachts auskühlen kann.
Heute ist der ursprüngliche Bau vom Neubau kaum
mehr zu unterscheiden. Beide sind zu einem neuen
Ganzen zusammengewachsen. Das Haus hat seinen
Charakter bewahrt, verfügt jedoch über wesentlich
mehr Komfort und räumliche Bezüge. Die Verbindung
zum Aussenraum ist von jedem Zimmer aus spürbar.
Zwischenzonen mit Holzterrassen und einer angedeuteten Erweiterung der Stahlstruktur unterstreichen
das spielerische Verhältnis mit der Natur. (ef)
23
Wohnhaus Steeman, Epe NL
1
2
3
4
5
6
10
7
11
8
12
Detail Fassadengrundriss
Massstab 1:20
1 HEA 120 (Stütze)
bestehend
2 Stahl-Einfassung
3 Zwischenwand
(Gipskarton)
4 Ausfachung, Wärmedämmung, Dampfbremse,
Multiplex d=10mm
5 Stahlblech, feuerverzinkt
6 Hartglas-Drehtüre
7 Abdeckblech
8 Hohlprofil-Stütze
100/100/5, feuerverzinkt
9 Gitterrost feuerverzinkt
10 Isolierverglasung
2
13
3
9
1
4
5
5
Detail Fassadenschnitt
Massstab 1:20
1 Dachrandprofil,
Dichtungsband
2 U-Profil (Kaltprofil)
65/165/65,
feuerverzinkt
3 Stahlhohlprofil
100/100/4
4 Emailliertes Glas
Ausfachung
Wärmedämmung
Dampfbremse
Multiplex d=15mm
5 Emailliertes Glas
Ausfachung
Türe
6 Stahlhohlprofil
100/100/4
7 Kittfuge
8 Vorfabrizierte
Beplankung 50x30
9 Offene Stehfuge
10 Fertigboden
11 Wärmegedämmte
Systemdecke
12 Belüftung mit
Gitterrost
13 Polyäthylenfolie
6
7
8
9
24
10
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Süd
Nord
West
Ost
Ort Larkinsweg 9, Epe NL
Bauherr J. Steeman, Epe
Architekten Borren Staalenhoef Architekten,
Leeuwarden
Konstruktiver Entwurf Stoel Partners, Zwolle
Stahlbau Horst Stahlbau, Epe
Gesamte Wohnfläche 180 m 2
Erweiterung 120 m 2
Konstruktion Stahlskelett aus
Vierkant-Hohlprofilen, feuerverzinkt, verschraubt;
Glasfassade
Kosten 226'000 Euro
Baujahr 2002
25
Picture Window House in Izu, Japan
Leben wie im Landschaftsbild
Architekt
Shigeru Ban, Tokio
Tragwerksplaner
Hoshino Architect & Engineer, Tokio
Baujahr
2001-2002
Werden Häuser wie Brücken konstruiert, liegen für gewöhnlich Hindernisse vor.
Mal gilt es, ein Gewässer oder eine Strasse zu überqueren, das andere
Mal verlangen topografische oder geologische Verhältnisse nach einer stützenfreien Lösung. Die Szenerien entbehren selten einer gewissen Dramatik,
die Räume unter den «Brücken» bleiben für das Wohnen jedoch meist bedeutungslos. Beim Picture Window House des japanischen Architekten Shigeru Ban
verhält es sich umgekehrt – der Bauplatz birgt keine Hindernisse und unter der
Brücke öffnet sich der Living-Room der Grenzenlosigkeit der Landschaft.
26
steeldoc 03/04
Spätestens seit der Expo 2000 in Hannover ist Shigeru
Ban auch in Europa kein Unbekannter mehr. Der
japanische Pavillon, den Ban mit der Unterstützung
von Frei Otto entwarf, wies eine viel beachtete Konstruktion auf. Wie schon bei seinen Notunterkünften
für die Erdbebenopfer von Kobe (1995), bestand das
Tragwerk hauptsächlich aus Karton. In Kobe zu
Wänden gefügt, formten die gleichen Kartonröhren in
Hannover ein gewölbtes Flächentragwerk. Verschiedene Pavillons, ein Einfamilienhaus und sogar eine
Kirche liess Ban aus Kartonröhren fertigen; und beim
Nemunoki Art Museum (1999) setzte er für die tragende Rippendecke des Daches Wabenkarton ein. Vor
dem Hintergrund seines ausgeprägten Interesses
an konstruktiven Fragen überrascht es wenig, dass
der Architekt beim Picture Window House Stahl nicht
bloss als in Japan gängigen Baustoff einsetzt. Bans
Interpretation des Ortes verlangte nach einem stützenfreien Erdgeschoss - ein 20 m langer Fachwerkträger bot die statische Lösung dafür. Dieser fast 3 Meter
hohe Träger sollte möglichst schlank sein, flankiert er
doch die Zimmerfenster im Obergeschoss.
Innen- oder Aussenraum?
Das Haus für einen Witwer befindet sich auf der IzuHalbinsel, einem beliebten Zweitwohnsitz für die
wohlhabenden Städter aus dem 90 Kilometer entfernt
liegenden Tokio – das Picture Window House wird
allerdings das ganze Jahr bewohnt. Das Grundstück
nahe des höchsten Punktes eines Hügels bietet eine
wunderbare Sicht auf den Pazifik und ist zu Bans
eigenem Erstaunen «frei von jeglichen unansehnlichen
Ablenkungen». Er habe diese Aussicht rahmen wollen;
das Haus sollte zum Fenster werden. Dass die 20 Me-
ter lange und 2.50 Meter hohe Öffnung nicht nur auf
der Aussichtseite vorkommt, zeugt von der Absicht,
die Kontinuität des natürlichen Geländeflusses vom
Meer bis zur Hügelspitze zu wahren. Das Haus wurde
somit nicht als Brücke gebaut, um ein Hindernis zu
überwinden, sondern um selber eine kleinere Barriere
darzustellen. Ein Ansinnen, das man als eingelöst bestätigen kann – zumindest solange, wie die Schiebefenster zurückgestossen sind. Die Verwischung der
Grenze zwischen innen und aussen ist dann evident.
Keine zaghafte Raumerweiterung, bei der im besten
Fall die vorgelagerte Terrasse zu einem Teil des Wohnzimmers wird, sondern das Gegenteil trifft zu: der
Innenraum wird zu einem überdachten Bereich des
Aussenraumes. Vermutlich sind diese Schiebefenster,
die im geöffneten Zustand vor den Pfeilern ganze Pakete bilden und auch dort kaum wahrgenommen werden, die eigentliche «Erfindung». Denn so kühn sie
wirken mag, die Fachwerkkonstruktion orientiert sich,
abgesehen von kleineren Überraschungen, an bewährten Methoden. Ohne den Aufwand von versenkbaren
Fenstern, wie sie zum Beispiel Mies van der Rohe beim
Haus Tugendhat in Brünn (1930) einsetzte – wobei
dann immer noch die Führungsschienen sichtbar
bleiben –, verschwinden die Glaselemente beim Picture
Window House allein unter Verwendung handelsüblicher Systeme.
Neben zwei Küchenelementen und einer freistehenden Treppe, die zu den vier Schlafzimmern und den
an den Enden des Korridors liegenden Bädern im
Obergeschoss führt, weist der puristisch anmutende
Wohnraum keine weiteren Einrichtungen auf. Dazu
sind die raumhaltigen «Brückenpfeiler» da: auf der
27
Picture Window House in Izu, Japan
Grundrissschnitt
Massstab 1: 200
1 Eingang
2 Wohnen
3 Küche
4 Studio
5 Schlafen
6 Abstellraum
7 Luftraum
7
4
5
4
5
3
5
5
6
1
2
Zugangsseite sind im Erdgeschoss das Entreé und ein
Badezimmer untergebracht, während sich darüber
ein Abstellraum befindet. Und im zweiten Pfeiler liegt
ein Atelier mit direktem Zugang zum Schlafzimmer
des Hausherrn.
Verborgener Fachwerkträger
Das Picture Window House hat zwei Gesichter. Auf
der Südseite ist die Konstruktion von zeichenhafter
Direktheit. Das hinter der Glasfassade sichtbar liegende Fachwerkgerippe des Trägers und der Pfeiler vermittelt eine klare Vorstellung von der Funktionsweise
des Tragwerks und den grossen Kräften, die da wirken müssen. Dennoch erscheint die Konstruktion
unaufdringlich, was einerseits mit den Lamellenstoren zu tun haben dürfte, die sich in der abgebildeten
Aufnahme wie ein Schleier über das Ingenieurbauwerk legen, und andererseits mit der atemberaubenden Aussicht und der Dimension des Raumes, welche
schlicht die stärkeren Eindrücke hinterlassen. Auf
der Nordseite hingegen kehrt der Aspekt des Beiläufigen in Absenz. Nichts weist darauf hin, wie die Decken
halten; zu sehen sind nur die dünnen Rahmen der
Verglasung. Die Erfahrung will die Korridorwand als
tragend orten, gleichzeitig lassen deren Oberlichter
aber Zweifel daran aufkommen. Ob es auf dem Dach
einen Überzug gibt? Im Grundriss sind kräftige Stützen zu sehen; ihr Abstand ist mit 5 Metern doppelt so
28
gross wie jener zwischen den Pfosten des Fassadenträgers. Dann muss es sich um einen VierendeelTräger handeln, jenes System mit biegesteifen Verbindungen zwischen Pfosten und Gurt, die Streben
überflüssig machen! Tatsächlich liegt in der Schrankwand aber ebenfalls ein Fachwerkträger verborgen
(unklar, weshalb die dazugehörigen Streben in
den Publikationsplänen nicht eingezeichnet sind, wo
sie doch sonst nirgendwo fehlen).
Mit dieser Information ist im Oberlicht ein kleines
Dreieck auszumachen. Am unteren Rand des Glases,
genau im Anschluss an das Gitter, das über den Türen
angebracht ist. Es gehört zur Diagonale, die unten
im Schrank und oben hinter den Lamellen verschwindet. Dass die Türen am Rand der Zimmer liegen, ist
deshalb kein Zufall, ebenso wenig wie die Tatsache,
dass sie in Gebäudemitte, wo die Diagonalen die
Richtung wechseln, nebeneinander angeordnet sind.
Bleibt nur noch die Frage offen, weshalb die Träger
nicht identisch sind. Die Antwort ist schnell zur Hand:
Wäre der Korridorträger gleich ausgebildet wie der
Fassadenträger, würden die Diagonalen die Türen
tangieren; durch die erwähnte Verdoppelung des
Pfostenabstandes entsteht ein flacherer Winkel, was
die Situation entschärft. Gleichzeitig wechselt das
Prinzip von Zug- zu Druckstreben. Dieser Wechsel ist
nicht statischer Natur – es wäre nämlich besser, lange
steeldoc 03/04
Diagonalen auf Zug zu beanspruchen –, sondern hat
seine Ursache in der Grundrissorganisation: Bei fallenden Streben (ausgehend vom Auflagerpunkt)
könnten die äusseren Schlafzimmer nur noch über
die Badezimmer erreicht werden; der Zugang via Korridor wäre blockiert. Der nunmehr grössere Querschnitt erklärt auch, weshalb der Fassadenträger
nicht wie der Korridorträger ausgeführt wurde. Statt
zwei Rundrohre mit einem Durchmesser von 115
mm, hätte ein Breitflanschträger mit einem Querschnitt von 250 x 250 mm das Zimmerfenster traversiert. Im Raum sichtbar, ist der Fassadenträger ausschliesslich verschweisst, während der Träger im
Schrank zur Hauptsache verschraubte Verbindungen
aufweist. In beiden Fällen gleich sind die Gurte; mit
einer Höhe von 30 cm bleiben sie aber in der 40 cm
dicken Decke (von Unterkante Gipsdecke bis Oberkante Bodenbelag gemessen) verborgen.
Bestimmt wäre es einfacher gewesen, beide Träger
entlang den Fassaden anzuordnen – so, wie es in den
zahlreichen Projekten von Craig Ellwood (1922-1992)
der Fall ist –, die räumliche Durchdringung und die
damit verbundene "Verunklärung" des Tragwerks,
tragen aber wesentlich zum Zauber des Hauses bei.
Der Stellenwert der Ingenieurlogik als Formgenerator
findet sich relativiert; die Technik wird zwar nicht
versteckt, genauso wenig wird sie aber gefeiert. (ad)
Axonometrie
Massstab 1:400
29
Picture Window House in Izu, Japan
2
3
2.90
Fachwerkträger Fassade
Massstab 1:100
1 Untergurt, H-Träger
300/300/10/15
2 Obergurt, H-Träger
300/300/10/15
3 Pfosten, Rechteckrohr
150/150/6
4 Strebe, Rundrohr
115/6
4
1
2.50
2.50
3
5
5
5
5
2.90
2
Fachwerkträger Korridor
Massstab 1:100
1 Untergurt, H-Profil
300/300/10/15
2 Obergurt, H-Profil
300/300/10/15
3 Pfosten, H-Profil
250/250/9/14
4 Strebe, H-Profil
250/250/9/14
5 Verbindung geschweisst
Projekt Picture Window House
Ort Izu-Halbinsel, Shizuoka, Japan
Architekt Shigeru Ban, Tokio
Generalunternehmer Daido Kogyo
Konstruktion Fachwerkkonstruktion
aus Breitflanschträgern; südlicher
Träger mit Pfosten und Streben aus
Rechteck-, respektive Rundstahlrohren; Betonverbunddecken.
Nutzfläche 275 m 2
Baujahr 2001 – 2002
4
1
2.50
2.50
5.00
30
steeldoc 03/04
Impressum
steeldoc 03/04 , September 2004
Bauen in Stahl
Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz
Herausgeber:
SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, Zürich
Evelyn C. Frisch, Direktorin
Designkonzept:
Gabriele Fackler, Reflexivity AG , Zürich
Redaktion:
Evelyn C. Frisch, SZS
Texte:
Alois Diethlem (ad)
Evelyn C. Frisch (ef)
Fotos:
Titel: Hiroyuki Hirai
Essay: Nash: Franco Cianetti, Horta: Reiner Lautwein, Chareau:
Jordi Sarrà u. Jacques Vasseur, Mies: Rui Morais de Sousa,
Eames: Tim Street-Porter/Elizabeth Whiting & Associates,
Hopkins: Matthew Weinreb; Lacaton & Vassal: Philippe Ruault
Haus Sobek: Josef Schulz
Maison Expo: A. Rinuccini / P. Costes
Wohnhaus in Pomponne: Hervé Abbadie / Luc Boegly, Archipress
Haus Steeman: Pieter Kers
Picture Window House: Hiroyuki Hirai
Quellen:
Projektangaben und Pläne stammen von den Planungsbüros.
Wohnhaus in Pomponne: Detail 1/2 2003
Haus Steeman: Bouwen met Staal 177/2004
Administration, Abonnemente, Versand:
Andreas Hartmann, SZS
Druck:
Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug
ISSN 0255-3104
Jahresabonnement Inland CHF 40.Einzelexemplar CHF 15.Preisänderungen vorbehalten.
Bauen in Stahl/steeldoc © ist die Bautendokumentation des
Stahlbau Zentrums Schweiz und erscheint mindestens viermal
jährlich in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder
des SZS erhalten das Jahresabonnement und die technischen
Informationen des SZS gratis.
Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben den
Architekten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei den
Fotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und bei deutlicher
Quellenangabe gestattet.
SZS
Stahlbau Zentrum Schweiz
Centre suisse de la construction métallique
Centrale svizzera per le costruzioni in acciaio
Seefeldstrasse 25
Postfach
CH-8034 Zürich
Tel. 01 261 89 80
Fax 01 262 09 62
info @ szs.ch | www.szs.ch

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