Reportage London - + Text plus Konzept + Ursula Thomas Stein +
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Reportage London - + Text plus Konzept + Ursula Thomas Stein +
Reise 10.2010 Zu Besuch bei der Queen London pur: per Bus über die Tower Bridge Von London hört man die tollsten Sachen: Alle fahren auf der falschen Seite – und die Busse sehen aus wie riesige rote Stockbetten! Die magischen Worte in London? „Advance“ oder„Fast Track Tickets“. Diese Eintrittskarten für Museen und andere Attraktionen sind im Vorverkauf oder online zu haben und machen das Touristen-Leben leichter. Manchmal sind sie teurer, aber sie wirken: schneller Einlass – ohne Wartezeit. Das schätzen besonders Eltern, wenn sie mit ihren Kindern unterwegs sind. Gelegenheiten, Schlange zu stehen, gibt es trotzdem noch genug. Am besten man plant genau und besorgt die Tickets im Voraus. Darum haben wir Eltern uns schon gekümmert – für Corvin (10) und Ava (8) heißt es jetzt: einfach London entdecken. ISTOCKPHOTO/MARTIN LOVATT; URSULA THOMASSTEIN 2 24 Die Tower Bridge gehört zu den Wahrzeichen Londons (Foto links) Das London Eye – Europas größtes Riesenrad lockt mit tollem Panoramablick (Foto oben) Corvin auf den Spuren des berühmten Zauberlehrlings Harry Potter: Gleis 9 ¾ am King’s-CrossBahnhof (Foto unten) Guten Flug! Es ist 135 Meter hoch, 2100 Tonnen schwer und bietet am höchsten Punkt einen 360Grad-Panoramablick, an schönen Tagen bis zu 40 Kilometer weit: das London Eye, größtes Aussichtsriesenrad Europas. Mit unseren Tickets stehen wir nur noch vor dem Rad und nicht mehr an den Kassen Schlange. Sicherheit wird hier groß geschrieben, wie in London überhaupt. Beim Einstieg werden die Passagiere gecheckt, beim Ausstieg die Kapseln. Am untersten Punkt öffnet sich unsere futuristische Gondel, Leute steigen aus und wir nach dem Check ein. Keine der 32 Hightech-Glaskapseln bleibt dabei auch nur eine Sekunde stehen. Nur wenn jemand im Rollstuhl kommt, wird das Riesenrad kurz angehalten. Ansonsten dreht es sich beinahe unmerklich weiter. Das war auch die ursprüngliche Idee der Planer – das London Eye wurde vor zehn Jahren zur Jahrtausendwende eingeweiht und steht für die Zeit, die immer fortschreitet. „Wow, ist das groß“, staunt Corvin beim Betreten der Kapsel. Höchstens 25 Fluggäste dürfen rein, die haben dann aber schön Platz, sich zu bewegen und aus den Fenstern zu schauen. „Ein Zimmer aus Glas“, ruft Ava begeistert. Majestätisch bewegen wir uns durch die Lüfte – bei strahlendem Wetter. Nach wenigen Minuten liegt uns ganz London zu Füßen. Unten an der Themse erkennen wir die Westminster Brücke, das Parlament und Big Ben. Für James-Bond-Fans gibt es sogar die MI6Headquarters zu entdecken, den Hauptsitz des britischen Geheimdienstes. Im Westen die grünen Inseln von St. James’s Park bis Hyde Park. Mit Corvins Fernglas 25 So viele Menschen und Sprachen… können wir sogar den Balkon von Buckingham Palace erkennen. Ob die Königin gerade zu Hause ist? Das erfährt, wer genau hinschaut: Wenn die königliche Flagge auf dem Dach weht, ist die Queen „in“, sonst ist sie„out“. Leider müssen auch wir bald unsere Glaskapsel verlassen, denn der Flug dauert nur 30 Minuten. Wir genießen jede Sekunde davon. Kulturgut: Die knallroten Telefonhäuschen stehen sogar unter Denkmalschutz (Foto oben) Bei Madame Tussaud’s wagt Ava einen Kampf mit der großen Boxlegende – ganz schön mutig! (Foto links) mit mehreren Kids und Fernbedienungen wird gleich um die Wette gefahren. Aber eine Enttäuschung gibt es schließlich doch: Von dem ersehnten Harry-PotterZauberstab gibt es im Haus genau ein Stück, und zwar im Schaufenster, unverkäuflich. Nur gut, dass es von den Figuren alle Charaktere in allen Größen gibt. Unsere Rundfahrt geht weiter, vorbei an Trafalgar Square, dem größten Platz Londons, und um das Denkmal von Admiral Nelson herum. „51 Meter ist die Säule mit dem englischen Seehelden an der ISTOCKPHOTO/GUY SARGENT; URSULA THOMASSTEIN Nice day, isn’t it? In London regnet es durchschnittlich an neun Tagen im Monat. Von Juni bis September soll es jeweils nur acht Regentage geben, dafür täglich bis zu sieben Stunden Sonnenschein. Wir haben Glück und steigen an einem schönen Sonnentag in einen „Big Bus“ zur Stadtrundfahrt ein. Kinder sitzen im offenen oberen Deck am liebsten vorne – da bilden unsere keine Ausnahme. Wir starten in der Nähe von Marble Arch und können ab jetzt mit unserem Familienticket 24 Stunden lang an 70 Haltestellen ein- und aussteigen. Fürs Erste bleiben wir aber sitzen und genießen unsere Logenplätze. „Das sind aber alles schicke Herren“, bemerkt Ava beim Anblick der Geschäftsleute, die morgens in der Oxford Street zu Fuß unterwegs sind. Auch die Damen treten hier offenbar nur im Kostüm zur Arbeit an. Aber was ist das für eine Arbeitstracht? In der Regent Street pustet ein bunter Harlekin vor dem Spielzeuggeschäft„Hamleys“ riesige Seifenblasen. An denen kommt keiner vorbei – auch wir nicht. Und der Besuch ist ein „Must“. Auf mehreren Etagen werden Spielund Fahrzeuge, Puppen und Teddybären, Spiele und Software in verschiedenen Erlebniswelten präsentiert oder vorgeführt. Anfassen, ausprobieren und mitmachen sind erwünscht. Dabei ist das Geschäft für Eltern noch überschaubar, es müssen keine Kilometer zurückgelegt werden, und für Kinder ist alles buchstäblich auf Augenhöhe. Eine ganze Stofftier-Dynastie empfängt uns im Erdgeschoss, weiter geht es per Rolltreppe oder in einem höhlenartigen Indiana-Jones-Treppenhaus nach oben. Unsere Kinder finden sich an einer kleinen Tischkartbahn zusammen – Spitze hoch“, erfährt man im Big Bus per Kopfhörer. Und das IMAX-Kino am Charlie-Chaplin-Walk ist das größte in Großbritannien. Das glauben wir sofort, als wir den überdimensionalen Homer Simpson an der gläsernen Fassade entdecken. Oder hat er uns entdeckt? Ja, unsere Fahrt ist auch wie großes Kino. So viele Sprachen, so viele Menschen, so viel Bewegung. Wir sehen knallrote Doppeldecker und Telefonhäuschen, ehrwürdige Kirchen und Türme, und queren schließlich die Themse über die Tower Bridge. Wer die Kronjuwelen oder die Raben im Tower, der 900 Jahre alten Festung, sehen will, macht hier Halt. Wir haben für heute reichlich Eindrücke gesammelt und steigen am Tower Pier um. Mit dem Boot fahren wir zurück in die City. Der Forscher Charles Darwin hält sich hier täglich auf: Das naturwissenschaftliche Schwergewicht sitzt in der Eingangshalle des Naturhistorischen Museums – in 2,2 Tonnen weißen Marmor gemeißelt. Sein Blick ruht auf einem der Museums-Highlights: dem nachgebildeten Skelett eines Diplodocus. „Mensch, wie lang ist der denn?“ Ava sucht und findet die Antwort: „26 Meter von Kopf bis Schwanz.“ Nicht umsonst gilt dieser pflanzenfressende Dinosaurier als längstes Tier, das jemals die Welt bevölkerte – vor 150 Millionen Jahren. Und noch etwas Uraltes: ein Querschnitt durch einen 1300 Jahre alten Mammutbaum. Tage, nein Wochen könnten wir in diesem Museum verbringen, denn es gibt rund 70 Millionen Objekte hier. Sehenswert ist die Dinosaurier-Ausstellung, die neben Fossilienskeletten und Dino-Eiern auch einen lebensgroßen animierten Tyrannosaurus Rex beherbergt. Aber selbst für die größten Dino-Fans kommt der Moment, in dem Hunger und Durst wichtiger werden als alte Knochen. Wir gehen in die Snackbar und danach noch in die „Earth Galleries“. Eine himmlische Rolltreppe bringt uns durch eine gigantische Erdkugel in den zweiten Stock. Hier sind Vulkanausbrüche und Erdbeben an der Tagesordnung. Bereit für Stärke 7,3? Im Erdbebensimulator erlebt man das Erdbeben von Kobe in einem japanischen Supermarkt. Ein Film, den eine automatische Kamera aufzeichnete, zeigt die erschütternden 20 Sekunden am 17. Januar 1995. Für uns zum Glück nur ein Film. Und täglich grüßt die Palastwache… Natürlich kann man mit Bus oder U-Bahn zum Buckingham Palace fahren. Aber viel schöner ist es, mit dem klassischen schwarzen Taxi vorzufahren. Diesen Luxus gönnen wir uns heute und kommen uns wie die Könige vor. So sind wir schon zeitig vor der Wachablösung um elf Uhr vor Ort. Und das ist auch gut so! Viel Volk ist gekommen und es wird eng. Wir haben ein Plätzchen direkt am Zaun ergattert und gucken gebannt in den königlichen Hof. Einzelne Wachen stehen vor ihren stilechten Häuschen, die Waffe im Arm und gucken zurück – im Auftrag ihrer Majestät natürlich. Reise Wachablösung im Auftrag Ihrer Majestät Buckingham Palace ist die offizielle Londoner Residenz von Königin Elizabeth II. und wurde 1705 zunächst als Stadthaus für den Herzog von Buckingham erbaut, erfahren wir aus unserem Reiseführer. „Der Herzog von Buckingham?“, fragt Corvin gleich. „Der aus den Drei Musketieren?“ Wer weiß – aber diesen Herzog hat es wirklich gegeben, ebenso wie es die Queen heute gibt. Aus dem Stadthaus ist ein riesiger Palast geworden mit 600 Zimmern und 1000 Fenstern. Davon bewohnt die Königin 13 Gemächer. Für die Öffentlichkeit sind nur die Staatsräume zugänglich, und zwar im August und September. Und das auch nur für Untertanen, die sich frühzeitig um Tickets gekümmert haben. Mit viel Pomp in den königlichen Hof Berittene Polizisten drehen ihre Runden um das imposante Victoria-Monument vor dem Palast. „Das sind richtige Pferde“, erklärt unsere Reit-Expertin. Jetzt tut sich auch etwas im Hof. In Gruppen marschieren verschieden uniformierte Wachen auf. Die Irische Garde in roter Paradeuniform mit Bärenfellmütze erkennen wir an der blauen Feder rechts an der Mütze. Befehle ertönen, die alte Wache wird inspiziert und dann spielt die Musik. Zu den Klängen des Militärorchesters nähert sich die neue Garde von der Wellington-Kaserne und zieht mit viel Pomp in den königlichen Hof ein. Nach einigen Märschen gibt es auch moderne Klassiker und Popsongs. Eine Stunde später ist die Zeremonie vorbei und wir empfehlen uns in Richtung Green Park. Übrigens: Im Herbst und Winter findet die Wachablösung nur jeden zweiten Tag statt. Und wenn es mal richtig schüttet? Gar nicht. (Info: www.changing-the-guard.com) Tipps für die Reise Vorbereitung Schnellzugang-Tickets online buchbar: www.londoneye.com; www.madametussauds. com/london/ Infos zu Anreise, Unterkünften, Veranstaltungen: www.visitlondon.com/de/; www.timeout.com Unterkünfte Zentrale Hotels mit Familienzimmern, ca. £ 150/ Nacht inkl. Frühstück: www.premierinn.com; www.columbiahotel.co.uk Bus & U-Bahn Travelcard/Oyster Card (elektronisches Ticket), z.B. Tageskarte für Erwachsene Zone 1 (City) £ 7,20. Sehenswertes Hamleys Spielzeuggeschäft, Regent Street, Mo. bis Fr. 10–20, Sa. 9–20, So. 12–18 Uhr. London Eye, South Bank, Okt. bis März tägl. 10–20 Uhr, April bis Sept. tägl. 10–21 Uhr, Familienticket: £ 53,60, mit Schnellzugang £ 105,60. Natural History Museum, Cromwell Road, tägl. 10–17:50 Uhr, Eintritt frei, www.nhm.ac.uk Stadtrundfahrt mit Big Bus Tours: tägl., Ein-/ Ausstieg nach Wunsch, über 70 Haltestellen, Familienticket: £ 62. www.bigbustours.com Die „Black Cabs“ sind aus dem Londoner Straßenbild nicht wegzudenken London ist ganz schön – laut Meist vermeiden wir das dröhnende U-Bahn-Fahren und nehmen lieber die roten Stadtbusse. Das ist von der Geräuschkulisse viel angenehmer und man sieht noch was dabei. Aber auch in London gibt es sie: Oasen und Ruhepole. Die Parks der Stadt laden mit Spielplätzen und gepflegten Anlagen zum Spielen, Rennen oder Relaxen ein. Mit einem Picknick im Rucksack oder dem Eis- und Würstchenverkäufer ums Eck ist so ein wunderbar entspannter Nachmittag garantiert. Dabei gäbe es noch so viel zu unternehmen. Zum Beispiel eine Runde stilles Telefon in der Flüstergallerie der St. Paul’s Kathedrale oder Radfahren mit Lance Armstrong im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud’s… „Mama, bleiben wir noch eine Woche?“ Ursula Thomas-Stein schreibt als freie Autorin über Reiseund Sportthemen. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Freiburg SHOTSHOP/MONKEY BUSINESS; PRIVAT 28