romeo und julia - Theater für Niedersachsen
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romeo und julia - Theater für Niedersachsen
Romeo und Julia Tragödie von William Shakespeare Spielzeit 2015/16 Die berühmteste Liebesgeschichte der Welt ROMEO UND JULIA, geschrieben 1595/96, ist eine der frühesten Tragödien von William Shakespeare und sein erster großer und dauerhafter Erfolg in dieser Gattung. Die Geschichte der reinen, bedingungslosen Liebe von Romeo Montague und Julia Capulet, die sich eigentlich nicht lieben dürfen, weil ihre Familien seit Generationen bis aufs Blut miteinander verfeindet sind, ist die berühmteste Liebesgeschichte der Weltliteratur. Oder wie Shakespeare-Forscher Ulrich Suerbaum sagt: „Romeo und Julia leben im allgemeinen Bewusstsein als Verkörperung einer ekstatischen Liebe, die den Liebenden überwältigt und die Umwelt und ihre Ansprüche vergessen lässt und welche die Individualität beider Personen in eine gemeinsame Identität umwandelt – eine Liebe, bei der eine kurze Dauer und ein tragisches Ende die andere Seite der Intensität sind.“ Bis heute prägt Shakespeares meistgespielte Tragödie unser Verständnis von der bedingungslosen tragischen Liebe, die so pur und deshalb zeitlos ist, dass jedes historische Korsett sich im Grunde selbst verbietet. Aber nicht nur des Themas Liebe wegen, dieses größten aller Gefühle, wird ROMEO UND JULIA immer aktuell bleiben. Zugleich ist diese Tragödie ein humanistisches Bekenntnis für ein friedliches Zusammenleben von Menschen – unabhängig von familiärer Herkunft, Religion oder Rasse. Ein Zusammenleben, das darauf beruht, die eigene Freiheit und die Freiheit des Gegenüber zu respektieren. „Hier dreht sich viel um Hass, doch mehr um Liebe“, sagt Romeo zu seinem Freund Benvolio. Eine gesamtgesellschaftlich sehr erstrebenswerte Utopie, deren Umsetzung so mancher sich – welch passendes Bild – zu Herzen nehmen sollte. Wer blind vor Liebe ist, der kennt kein Dunkel. 2 Julia Gebhardt (Julia), Marek Egert (Romeo), und Thomas Strecker (Tybalt), William Shakespeare, ROMEO UND JULIA 3 über Liebe, Leere und Licht Regisseur Gero Vierhuff im Gespräch mit Dramaturgin Cornelia Pook Was macht für dich die Faszination an ROMEO UND JULIA aus? Erstmal geht es um die Liebe, das größte aller menschlichen Gefühle. Bei ROMEO UND JULIA kommt hinzu, dass diese Liebe eine extrem außergewöhnliche ist. Eine Art Liebe, wie es sie vielleicht nur in der Literatur geben kann. Jung Verliebte mögen entgegnen: „Nein, ich empfinde das so!“, aber die Art und Weise, wie Shakespeare die Liebe zwischen Romeo und Julia überhöht und uns als utopische Idee beschreibt, ist schon einzigartig. Wie ist deine inszenatorische Herangehensweise an Romeo und Julia? Der berühmte polnische Shakespeare-Forscher Jan Kott hat gesagt: „Shakespeare ist wahrer als das Leben und deswegen kann man ihn nur buchstabengetreu spielen.“ Und das sagt jemand, der immer bemüht war, Shakespeare-Konventionen aufzubrechen und Shakespeare aus heutiger Sicht zu erzählen. „Wahrer als das Leben“ bedeutet ja: Da steckt inhaltlich und zwischen den Zeilen so viel an Wahrheit drin, Dinge, die man erkennen und zu sich in Bezug setzen kann – das ist schon herausragend. Deshalb stehen auch für mich der Text und der Inhalt absolut an erster Stelle. Ich persönlich halte nichts davon, dass man eine konzeptionelle oder auch inhaltliche Idee, die außerhalb des Stückes liegt, auf das Stück draufpfropft und so versucht, irgendwas zu erzählen über politische Themen, z. B. aktuelle Kriege oder dergleichen. Das heißt aber nicht, dass das Aktuelle, der Gegenwartsbezug, keine Rolle spielt, ganz im Gegenteil. Es ist mir sehr wichtig, zu schauen, was das Stück aus heutiger Sicht mit uns zu tun hat. 4 Marek Egert (Romeo), Moritz Nikolaus Koch (Mercutio). und Dennis Habermehl (Benvolio). Was hat ROMEO UND JULIA – abgesehen vom zeitlosen Thema Liebe – mit uns zu tun? Bei meinen Vorbereitungen auf die Proben bin ich auf einen Text des englischen Kulturwissenschaftlers Mark Fisher gestoßen. Fisher diagnostiziert darin unserer heutigen Gesellschaft einen depressiven Hedonismus. Gemeint ist ein vom kapitalistischen System erzwungenes ständiges Konsumieren zur BedürfnisBefriedigung und daraus resultierend weder Lust noch Freude, sondern Leere und depressive Grundstimmung. Nichts von dem, was wir konsumieren können – und wir können alles immer konsumieren –, löst ein, was es durch die Werbung 5 usw. verspricht, nichts trifft wirklich unsere Seele, alles sind StellvertreterBefriedigungen. Wir konsumieren uns zu Tode. Ich fand es spannend, diese Gesellschaftsanalyse als Ausgangspunkt der Liebesgeschichte zwischen Romeo und Julia zu nehmen. Die beiden merken, dass sie nicht richtig erreicht, was um sie herum passiert. Sie spüren eine große Sehnsucht nach etwas, das ihre Seele berührt, ausfüllt. Und dann treffen sie aufeinander und merken, dass sie genau gleich empfinden. Die Liebe ist für sie ein Gegenpunkt gegen die depressive Grundstimmung um sie herum, ein möglicher Ausweg. Wie kam es zu der Idee des Bühnenbilds? An auffällig vielen Stellen in ROMEO UND JULIA werden Inhalte über Lichtmetaphern verhandelt. Gegensatzpaare wie Hell-Dunkel, Tag-Nacht, Sonne-Mond usw. kommen immer wieder vor, selbst das berühmte „Es war die Nachtigall, nicht die Lerche“ spielt damit. Deshalb war mein ursprünglicher Wunsch, ein Bühnenbild zu machen, das nur aus Licht besteht. Das funktioniert so ganz pur dann doch nicht, weshalb der Bühnen-und Kostümbildner Hannes Neumaier und ich einen Schritt weiter gegangen sind, hin zu einem Raum mit einigen wenigen Bühnenelementen, bei denen Licht für die Gesamtästhetik aber immer noch eine besonders wichtige Rolle spielt. Wir haben uns inspirieren lassen von der Künstlergruppe Zero, die sich Anfang der 1960er Jahre von geläufigen Künstlermythen im Nachkriegsdeutschland befreien wollte. Der Bezug auf die Nachkriegs-Stunde Null bedeutete für die ZeroGruppe eine „Reduktion alles Figürlichen und die puristische Konzentration auf die Klarheit der reinen Farbe und der dynamischen Lichtschwingung im Raum“. Das Pure, Klare in Verbindung mit Licht erschien uns für ROMEO UND JULIA sehr passend. Entstanden ist ein sehr reduziertes, aber auch sehr flexibles Bühnenbild, das nicht in erster Linie darauf abzielt, eindeutige konkrete Räume zu schaffen. Der Text und die Schauspieler sollen immer im Vordergrund stehen. 6 Zero-Manifest, 1963 7 Shakespeares Theater Es ist ein Missverständnis, wenngleich ein durchaus gebräuchliches, dass Kunst dem Hellen, Schönen, Guten verpflichtet sei. Hier artikuliert sich die Sehnsucht des Publikums – doch der Geschichtskreis der Kunst umfasst den Himmel ebenso wie die Hölle. Und Shakespeare schreitet diesen Kreis voll aus: Er schafft Szenen existentieller Grunderfahrung, die von Euphorie und Freude geprägt sind, ebenso wie solche, in denen der tiefste Punkt menschlicher Erfahrung aufscheint. Der geschlagene Mensch ist für Shakespeare kein Schauobjekt an sich – vielmehr reformuliert er auf besonders drastische Weise die Frage, was der Mensch eigentlich sei. Shakespeare stellt diese Frage nicht nur in strahlendem C-Dur, in den Jubeltönen historischer Siege, brillanter Pläne, erfüllter Liebe oder philosophischer Höhenflüge, sondern auch im Blick auf das Nichts, das sich jeder Darstellung und Sprache entzieht. Er verzichtet auf die Ausgestaltung des Schreckens, reduziert ihn nicht zum rhetorischen Dekor. Stattdessen bereitet er ihm eine Bühne. So schafft Shakespeare das Bewusstsein für einen Abgrund jenseits aller Sprache, in dessen Dunkel sich aber auch ein wahrhaftiges Moment von Mensch-Sein spiegelt. Es ist gerade diese Möglichkeitsform des Schlimmsten, des Leidens in welcher Gestalt und Figuration auch immer, die eine ganz eigene Aktualität Shakespeares begründet. Während jede Form der Sinnstiftung fragwürdig und letztlich unangemessen ist, ist die Szene des Schreckens eine Möglichkeit der Selbst-Begegnung, die von jeder Zeit und jedem Einzelnen neu zu bestimmen ist. Dadurch, dass Shakespeare sich dem notwendig scheiternden Versuch der unmöglichen Darstellung stellt, belegt er die Umfänglichkeit seiner Bühnenwelt, die von der Wahrheit spricht, dass Dunkel und Licht einander unauflöslich bedingen. Peter W. Marx Nachtigal oder Lerche? Das ist hier die Frage Zu Shakespeares 400. Todestag ehrt das TfN im Mai 2016 mit einer Veranstaltungsreihe in Hildesheim den größten Dichter aller Zeiten. Seien Sie dabei. www.tfn-online.de 8 Marek Egert (Romeo) und Thomas Strecker (Tybalt), 9 Es mag demütigend für uns sein, aber in gewissem Sinn ist es nur allzu wahr, dass das, was wir gemeinhin kühn unsere Gefühle nennen, in Wirklichkeit von Shakespeare ist. Owen Barfield 10 André Vetters (Capulet), Michaela Allendorf (Lady Capulet) und Ensemble. Simone Mende (Amme) und Julia Gebhardt (Julia). 11 Romeo und Julia Tragödie von William Shakespeare Aus dem Englischen von Frank-Patrick Steckel Premiere 16. Januar 2016 im Großen Haus, Hildesheim Aufführungsdauer Aufführungsrechte Inszenierung ca. 2 Stunden 35 Minuten, inklusive einer Pause Verlag der Autoren, Frankfurt am Main Capulet André Vetters Lady Capulet Michaela Allendorf Julia, Tochter der Capulets Julia Gebhardt Romeo, Sohn der Montagues Marek Egert Tybalt, Julias Vetter Thomas Strecker Mercutio, Romeos Freund Moritz Nikolaus Koch Benvolio, Romeos Freund und Vetter Dennis Habermehl Amme Julias Simone Mende Lorenzo, ein Franziskanermönch Dieter Wahlbuhl Gero Vierhuff Hannes Neumaier Cornelia Pook Bühne und Kostüme Dramaturgie Musikalische Mitarbeit Sebastian Kunas Fotografieren sowie Ton- und Bildaufzeichnungen sind nicht gestattet und verstoßen gegen das Urheberrechtsgesetz. Gero Vierhuff 12 Hannes Neumaier André Vetters Michaela Allendorf Julia Gebhardt Marek Egert Thomas Strecker Moritz Nikolaus Koch 13 Regieassistenz und Abendspielleitung Anna Sophie Grünwald Ausstattungsassistenz Melanie Slabon Inspizienz Mick Lee Kuzia Soufflage Heinrich Maas Regiehospitanz Paula Freter Ausstattungshospitanz Thorben Schumüller Technik/Werkstätten Technische Direktion Guido aus dem Siepen*, Ringo Günther Ausstattungsleitung Hannes Neumaier* Technische Leitung Produktion Andrea Radisch* Bühnentechnik Eckart Büttner*, Oliver Perschke, Josef Dettmar, Manfred Lawrenz, Andreas Sander Beleuchtung Lothar Neumann*, Sven Feikes, Daniel Paustian Ton Thomas Bohnsack-Pätsch*, Attila Bazso, Indra Bodnar, Dirk Kolbe Maske Carmen Bartsch-Klute*, Birgit Heinzmann, Jennifer Mewes Requisite Silvia Meier* Schneidereien Annette Reineking-Plaumann*, Egon Voppichler*, Anne Lehnberg Werkstättenleitung Werner Marschler* Tischlerei Johannes Niepel* Malsaal Thomas Mache* Schlosserei Joachim Stief* Dekoration Danja Eggers-Husarek, Anita Quade Impressum TfN ∙ Theater für Niedersachsen Theaterstraße 6 31141 Hildesheim www.tfn-online.de Spielzeit 2015/16 Intendant Jörg Gade Prokuristen Claudia Hampe, Werner Seitzer Probenfotos Jochen Quast Porträtfotos T.Behind-Photographics, privat Textnachweise Ulrich Suerbaum: Der Shakespeare-Führer, Stuttgart 2001; Jan Kott: Shakespeare heute, Berlin 2002; Karin Thomas: DuMont’s kleines Sachwörterbuch zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Von Anti-Kunst bis Zero, Köln 1977; ZERO Katalog Mack-Piene-Uecker, Hannover 1965; Owen Barfield (1928), zitiert in: Harold Bloom: Shakespeare. Die Erfindung des Menschlichen, Berlin 2000; Peter W. Marx: Shakespeares Theater. In: A Party for Will! Eine Reise in das Shakespeare-Universum. Theater der Zeit, März 2014 Gestaltung ProSell! Werbeagentur GmbH, Hannover Layout Jolanta Bienia Druck Sattler Direct Mail GmbH & Co. KG * Abteilungsleiter/-in Gefördert durch: Medienpartner: Sponsoren/Partner: Freunde des Theater für Niedersachsen e. V. Dennis Habermehl 14 Simone Mende Dieter Wahlbuhl 15 Die Gebelust ist wie die See in mir Wie meine Liebe tief: ich gebe dir und habe mehr, denn beide sind unendlich.