Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten?

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Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten?
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Pflanze
BAUERNBLATT l 15. Oktober 2011 ■
Grenzen der pfluglosen Bestellung
Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten?
Die pfluglose Bodenbearbeitung
wurde in den vergangenen 20 Jahren erheblich ausgeweitet. Vor allem die Vorteile pflugloser VerfahrenimErosionsschutz,aberauchdie
Möglichkeit, Kosten einzusparen,
haben der Mulchsaat erheblichen
Auftrieb gegeben. Derzeit wird in
einigen Kreisen auch bereits über
die Einführung von Direktsaatverfahren diskutiert. Strip-Till oder
Schlitzsaat sind weitere aktuelle
Themen.Andererseitsgibtesvorallem nach dem sehr feuchten Herbst
einigeStimmen,diewiedergrößere
Vorteile durch das Pflügen erkennen. Sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass die Produktpreise für
Ackerfrüchte wieder auf hohem Niveau sind. Daneben kommen aber
auch andere Nachteile von dauerhaft pflugloser Produktion wie die
Herbizidresistenz von Schadgräsern sowie die Anreicherung von
Humus- und Nährstoffen im Oberboden zum Tragen. Darüber hinaus
drängt der Mais verstärkt in die
Ackerbauregionen. Nach Mais wird
ebenso aus verschiedenen phytosanitären Gründen – wie zum BeispielderMaiszünslerbekämpfung–
der Einsatz des Pfluges gefordert.
Die Frage lautet daher, wo kann auf
den Pflug wirklich verzichtet werden, und wo sollte er unbedingt
zum Einsatz kommen?
kann. Allerdings hat die pfluglose
Bestellung von Raps offenbar auch
Grenzen. Besonders im vergangenen Herbst wurde deutlich, dass späte Rapssaaten im September nach
dem Pflug deutlich besser wuchsen.
Hier kommt zum Tragen, dass die
Böden bei Mulchsaat dichter lagern
und dadurch vor allem nach den
starken Niederschlägen auch kälter
sind. Die Pflanzen brauchten damit
mehr Zeit zu wachsen, und es kam
in einigen Fällen zu Umbrüchen, da
sie zu schwach waren. Befall mit Pilzkrankheiten kam hinzu. Zur Ernte
zeigten sich dann teilweise erhebliche Ertragsunterschiede zuunguns-
Geringere Erträge in der Mulchsaat
von Winterweizen zeigten sich auch
auf den Versuchsfeldern der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Das Problem waren auch hier die
schlechte Vorwinterentwicklung sowie der schnelle Übergang zur Frühjahrstrockenheit. Die Ertragsverluste
lagen zwischen 10 und 20 dt/ha.
Auch in den vergangenen Jahren
hat sich in der Mulchsaat von Weizen nach Weizen eine größere Ertragsinstabilität gezeigt. Der Pflugverzicht bei Getreide nach Getreide
sollte daher nur auf schwer bearbeitbare Standorte beschränkt werden. Hier ist es wichtig, dass Stroh
98
88
92
84
Lösung
Fruchtfolgeanpassung
Dauerversuch seit 1998
Protein %
ZR – WW – WW
13,2
14
ZR – WW – WG
13,1
12,6
ZR – WW – Raps – WW
13,1
ten der Mulchsaaten. Das Pflügen
bei Aussaaten ab Anfang September
Sind beim periodischen Einsatz kann daher zu einer deutlichen Erdes Pfluges – zum Beispiel einmal in tragssicherung bei Raps beitragen.
vier Jahren – wirklich alle positiven
Effekte der Mulchsaat in Gefahr? Die
Pflugloser Stoppelweizen
Ergebnisse aus Niedersachsen sind
fällt ab
auch auf Schleswig-Holstein übertragbar.
Bereits in der Vergangenheit hat
sich immer wieder gezeigt, dass ein
hoher Getreideanteil in den FruchtPro und kontra
folgen beim pfluglosen Anbau ProMulchsaat
bleme macht. Der pfluglose Anbau
Die vergangenen Jahre haben ge- von Wintergerste kommt aufgrund
zeigt, dass durch die Mulchsaat viele ihrer hohen Bodenansprüche kaum
Vorteile erzielt werden können. Als infrage. Weizen, Roggen oder TritiBeispiele seien die Einsparung von cale reagieren ebenso häufig mit ErEnergie und Arbeit, der Erosions- tragsverlusten. Gründe sind vor alschutz sowie die Stabilisierung der lem die Wuchsprobleme der WurBöden und die Verbesserung der zeln infolge von Strohresten sowie
Tragfähigkeit der Böden genannt. des schlechten Bodengefüges. UnBesonders zu den Hackfrüchten Zu- tersuchungen zeigen, dass sich die
ckerrüben und Raps wird daher be- Wurzeldichte mit jedem Anbau von
reits ein hoher Flächenanteil pflug- Winterweizen immer weiter verminlos bestellt. Dabei zeigt sich, dass der dert. Im Jahr 2011 wurden daher
organische Dünger, der vielfach re- aufgrund der lang anhaltenden Trogelmäßig vor diesen Früchten einge- ckenheit im Frühjahr in vielen Betriesetzt wird, durch die flache Einarbei- ben im pfluglosen Stoppelweizen
tung optimal verwertet werden hohe Ertragsverluste beobachtet.
13,6
Nährstoffanreicherung im
Oberboden
Darüber hinaus hat sich bei pfluglosen Bodenbearbeitungssystemen
gezeigt, dass sich Humus und Nährstoffe – insbesondere Phosphat – im
Oberboden anreichern, im Unterboden jedoch stark abnehmen. Die Folge ist, dass die Pflanzen besonders
bei Trockenheit mit ihren Wurzeln in
nährstoffarme Horizonte wachsen
und sich nur noch unzureichend ernähren können. Hohe Ertragsverluste können auch hier die Folge sein –
vor allem, wenn die Standorte von
Haus aus schwach mit Nährstoffen
versorgt sind.
Abbildung 1: Anbausystemvergleich Poppenburg 2011
Block I (immer Pflug)
RüWW Asano – Pflug
StoWW Julius – Pflug
Block II (nur Pflug zu Gerste)
RüWW Asano – Mulch
W.-Gerste Hobbit – Pflug
Block III – (pfluglos seit 1998)
RüWW Asano – Mulch
Raps Visby – Mulch
RapsWW Julius – Mulch
durchschlagend bekämpfen lassen.
Auch das Vergraben der Ungrassamen von Ackerfuchsschwanz und
Windhalm vermindert das Samenpotenzial und verbessert die Wirkung der Herbizide.
Ertrag dt/ha
91
49
112
frühzeitig intensiv einzuarbeiten
und den Boden möglichst tief zu lockern. Dazu muss jedoch ein mehrbalkiger Grubber mit engem Strichabstand eingesetzt werden. Die
Herbstentwicklung sollte durch eine frühzeitige Düngung mit Stickstoff und Phosphat verbessert werden.
Zunahme der Verungrasung
bei Pflugverzicht
Die dauerhafte Mulchsaat ist auch
aus Gründen der Ungrasbekämpfung kritisch zu bewerten. Die Resistenz von Ackerfuchsschwanz und
Windhalm gegen Herbizide hat sich
in den vergangenen Jahren auf vielen Standorten mit hoher Geschwindigkeit ausgebreitet. Probleme wurden häufig zuerst in Betrieben mit
pflugloser Bodenbearbeitung und
Monokultur Winterweizen beobachtet. Darüber hinaus sind frühe
Aussaatzeiten befallsfördernd. Bereits aus der Vergangenheit ist bekannt, dass sich schwer bekämpfbare Trespenarten durch das Pflügen
Wie so oft lassen sich jedoch viele
ackerbauliche Probleme durch die
Anpassung der Fruchtfolge besser
regeln. Durch den Einbau von Raps,
Mais oder Leguminosen in die Betriebsfruchtfolgen kann zum Beispiel die Ungrasbekämpfung deutlich verbessert werden – auch bei
pflugloser Bewirtschaftung. Im
Raps bietet sich zum Beispiel der
Einsatz von Kerb zu Vegetationsende an. In Sommerungen kommt es
darüber hinaus zu einer starken Befallsreduktion infolge der Frühjahrssaat. Blattvorfrüchte können
beim pfluglosen Anbau die Erträge
zudem erheblich verbessern. Dies
zeigte sich auch in diesem Jahr in
der Ernte, als Raps-, Mais- und früher Rüben-Weizen häufig deutlich
an der Spitze lagen.
Der pfluglose Anbau von Weizen
nach Raps und frühen Rüben ist in
der Praxis daher etabliert. Nur nach
späten Rüben muss immer mal wieder der Pflug eingesetzt werden, da
wie im vergangenen Herbst die Nässe eine pfluglose Bestellung nicht zulässt und die Roder vielfach tiefe
Fahrspuren hinterlassen. Das Pflügen hat außerdem wiederum den
Vorteil, dass die Jugendentwicklung
deutlich gefördert wird. In einem
Versuch in Poppenburg wurde durch
das Pflügen im vergangenen Herbst
■ BAUERNBLATT l 15. Oktober 2011
Abbildung2:EinflussvonVorfruchtxBodenbearbeitungaufdie
relative DON-Belastung – Basis 637 Standorte über drei Jahre
Vorfrucht x
Bodenbearbeitung 0
Sonstige
mit Pflug
Sonstige
ohne Pflug
Mais
mit Pflug
Mais
ohne Pflug
Relativer DON-Gehalt in %
100
200
300
400
500
600
700
100
160
270
730
Quelle: Dr. A. Weinert; LWK Niedersachsen
im Vergleich zur Mulchsaat der Ertrag des Weizens um 6 bis 7 dt/ha gesteigert. Versuche aus den vergangenen Jahren bestätigen den Vorteil
des Pfluges bei später Rüben-Weizen-Bestellung (siehe Abbildung 1).
Maiszünsler und
Fusarien
Der pfluglose Anbau nach Mais ist
ebenfalls umstritten. Mais gilt bekanntlich als gute Vorfrucht (Blattfrucht), sodass beispielsweise Weizen
sehr gut pfluglos bestellt werden
kann. Dabei sind jedoch verschiedene phytosanitäre Risiken zu beachten. Ein großes Risiko ist die Übertragung von Fusariumpilzen auf den
Winterweizen. Bleiben die Maisstoppel an der Erdoberfläche, kann von
ihnen eine direkte Infektion der Weizenkörner in der Blüte stattfinden.
Das Mykotoxinrisiko – gemessen am
relativem DON–Gehalt – steigt auf
Grundlage vieler Untersuchungen
von 100 % (Pflug, Vorfrucht Getreide) auf 730 % (Mais, Mulchsaat) (siehe Abbildung 2). Durch das Pflügen
nach Mais kann das DON-Risiko auf
270 % deutlich reduziert werden.
Der Einfluss der Sorte ist unter diesen
Bedingungen eher gering. Zwar sollte nach Mais in jedem Fall eine tolerante Sorte wie ,Toras‘, ,Hermann‘
oder ,Impression‘ angebaut werden,
ein ausreichender Schutz bei Pflugverzicht ist das bei optimalen Infektionsbedingungen jedoch nicht.
Zwar liegen die Jahre mit stärkerem
Fusariumbefall (2002 und 2004) etwas zurück, verlässlich ist die Witterung in dieser Hinsicht jedoch nicht.
Zu Verbesserung der Maisstrohrotte
ist das Nachschlägeln oder das Bearbeiten zum Beispiel mit einer Messerwalze vor dem Pflügen sinnvoll. Dieser zusätzliche Arbeitsgang spielt
auch bei der Bekämpfung des Maiszünslers eine große Rolle. Dieser
Maisschädling hat sich in den vergangenen Jahren in Niedersachsen von
Süden kommend immer stärker verbreitet. Eine Bekämpfung kann dabei mechanisch wie auch chemisch
erfolgen. Die chemische Alternative
ist jedoch aufwendig und nicht immer erfolgreich. Durch das Vergraben (Pflügen) nach Mais können die
Larven des Zünslers jedoch erheblich
reduziert werden (bis 90 %). Optimal
ist auch in diesem Fall das vorhergehende Schlägeln oder Mulchen. In
Bayern hat sich gezeigt, dass in Regionen mit Mulchsaat nach Mais eine
chemische Behandlung gegen den
Zünsler zum Standard geworden ist.
Dort, wo gepflügt wird, ist das eher
die Ausnahme.
FAZIT
Die Mulchsaat hat viele Vorteile
und ist heute aus dem Ackerbau
nicht mehr wegzudenken. Dennoch kann auf den Pflug vor allem in engen, getreidereichen
Fruchtfolgen nicht ganz verzichtet werden. Geringere Erträge sowie unter anderem Probleme bei der Vergrasung und
der Nährstoffverteilung im Boden sind die Folge. Auch bei
später Raps- und Weizensaat
nach Zuckerrüben hilft das Pflügen, die Jugendentwicklung
und somit die Ertragsbildung zu
verbessern. Nach Mais sollte der
Pflug zum Standard gehören.
Nicht nur hier entspricht das
den Leitsätzen des integrierten
Landbaus. Im Sinne des Bodenschutzes bleiben die Vorteile
langjähriger Mulchsaat auch bei
periodischem Pflugeinsatz erhalten.
Dr. Ulrich Lehrke
Landwirtschaftskammer
Niedersachsen
Tel.: 05 11-40 05-22 51
ulrich.lehrke@
lwk-niedersachsen.de