Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten?
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Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten?
28 Pflanze BAUERNBLATT l 15. Oktober 2011 ■ Grenzen der pfluglosen Bestellung Wie viel Mulchsaat können wir uns leisten? Die pfluglose Bodenbearbeitung wurde in den vergangenen 20 Jahren erheblich ausgeweitet. Vor allem die Vorteile pflugloser VerfahrenimErosionsschutz,aberauchdie Möglichkeit, Kosten einzusparen, haben der Mulchsaat erheblichen Auftrieb gegeben. Derzeit wird in einigen Kreisen auch bereits über die Einführung von Direktsaatverfahren diskutiert. Strip-Till oder Schlitzsaat sind weitere aktuelle Themen.Andererseitsgibtesvorallem nach dem sehr feuchten Herbst einigeStimmen,diewiedergrößere Vorteile durch das Pflügen erkennen. Sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass die Produktpreise für Ackerfrüchte wieder auf hohem Niveau sind. Daneben kommen aber auch andere Nachteile von dauerhaft pflugloser Produktion wie die Herbizidresistenz von Schadgräsern sowie die Anreicherung von Humus- und Nährstoffen im Oberboden zum Tragen. Darüber hinaus drängt der Mais verstärkt in die Ackerbauregionen. Nach Mais wird ebenso aus verschiedenen phytosanitären Gründen – wie zum BeispielderMaiszünslerbekämpfung– der Einsatz des Pfluges gefordert. Die Frage lautet daher, wo kann auf den Pflug wirklich verzichtet werden, und wo sollte er unbedingt zum Einsatz kommen? kann. Allerdings hat die pfluglose Bestellung von Raps offenbar auch Grenzen. Besonders im vergangenen Herbst wurde deutlich, dass späte Rapssaaten im September nach dem Pflug deutlich besser wuchsen. Hier kommt zum Tragen, dass die Böden bei Mulchsaat dichter lagern und dadurch vor allem nach den starken Niederschlägen auch kälter sind. Die Pflanzen brauchten damit mehr Zeit zu wachsen, und es kam in einigen Fällen zu Umbrüchen, da sie zu schwach waren. Befall mit Pilzkrankheiten kam hinzu. Zur Ernte zeigten sich dann teilweise erhebliche Ertragsunterschiede zuunguns- Geringere Erträge in der Mulchsaat von Winterweizen zeigten sich auch auf den Versuchsfeldern der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Das Problem waren auch hier die schlechte Vorwinterentwicklung sowie der schnelle Übergang zur Frühjahrstrockenheit. Die Ertragsverluste lagen zwischen 10 und 20 dt/ha. Auch in den vergangenen Jahren hat sich in der Mulchsaat von Weizen nach Weizen eine größere Ertragsinstabilität gezeigt. Der Pflugverzicht bei Getreide nach Getreide sollte daher nur auf schwer bearbeitbare Standorte beschränkt werden. Hier ist es wichtig, dass Stroh 98 88 92 84 Lösung Fruchtfolgeanpassung Dauerversuch seit 1998 Protein % ZR – WW – WW 13,2 14 ZR – WW – WG 13,1 12,6 ZR – WW – Raps – WW 13,1 ten der Mulchsaaten. Das Pflügen bei Aussaaten ab Anfang September Sind beim periodischen Einsatz kann daher zu einer deutlichen Erdes Pfluges – zum Beispiel einmal in tragssicherung bei Raps beitragen. vier Jahren – wirklich alle positiven Effekte der Mulchsaat in Gefahr? Die Pflugloser Stoppelweizen Ergebnisse aus Niedersachsen sind fällt ab auch auf Schleswig-Holstein übertragbar. Bereits in der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass ein hoher Getreideanteil in den FruchtPro und kontra folgen beim pfluglosen Anbau ProMulchsaat bleme macht. Der pfluglose Anbau Die vergangenen Jahre haben ge- von Wintergerste kommt aufgrund zeigt, dass durch die Mulchsaat viele ihrer hohen Bodenansprüche kaum Vorteile erzielt werden können. Als infrage. Weizen, Roggen oder TritiBeispiele seien die Einsparung von cale reagieren ebenso häufig mit ErEnergie und Arbeit, der Erosions- tragsverlusten. Gründe sind vor alschutz sowie die Stabilisierung der lem die Wuchsprobleme der WurBöden und die Verbesserung der zeln infolge von Strohresten sowie Tragfähigkeit der Böden genannt. des schlechten Bodengefüges. UnBesonders zu den Hackfrüchten Zu- tersuchungen zeigen, dass sich die ckerrüben und Raps wird daher be- Wurzeldichte mit jedem Anbau von reits ein hoher Flächenanteil pflug- Winterweizen immer weiter verminlos bestellt. Dabei zeigt sich, dass der dert. Im Jahr 2011 wurden daher organische Dünger, der vielfach re- aufgrund der lang anhaltenden Trogelmäßig vor diesen Früchten einge- ckenheit im Frühjahr in vielen Betriesetzt wird, durch die flache Einarbei- ben im pfluglosen Stoppelweizen tung optimal verwertet werden hohe Ertragsverluste beobachtet. 13,6 Nährstoffanreicherung im Oberboden Darüber hinaus hat sich bei pfluglosen Bodenbearbeitungssystemen gezeigt, dass sich Humus und Nährstoffe – insbesondere Phosphat – im Oberboden anreichern, im Unterboden jedoch stark abnehmen. Die Folge ist, dass die Pflanzen besonders bei Trockenheit mit ihren Wurzeln in nährstoffarme Horizonte wachsen und sich nur noch unzureichend ernähren können. Hohe Ertragsverluste können auch hier die Folge sein – vor allem, wenn die Standorte von Haus aus schwach mit Nährstoffen versorgt sind. Abbildung 1: Anbausystemvergleich Poppenburg 2011 Block I (immer Pflug) RüWW Asano – Pflug StoWW Julius – Pflug Block II (nur Pflug zu Gerste) RüWW Asano – Mulch W.-Gerste Hobbit – Pflug Block III – (pfluglos seit 1998) RüWW Asano – Mulch Raps Visby – Mulch RapsWW Julius – Mulch durchschlagend bekämpfen lassen. Auch das Vergraben der Ungrassamen von Ackerfuchsschwanz und Windhalm vermindert das Samenpotenzial und verbessert die Wirkung der Herbizide. Ertrag dt/ha 91 49 112 frühzeitig intensiv einzuarbeiten und den Boden möglichst tief zu lockern. Dazu muss jedoch ein mehrbalkiger Grubber mit engem Strichabstand eingesetzt werden. Die Herbstentwicklung sollte durch eine frühzeitige Düngung mit Stickstoff und Phosphat verbessert werden. Zunahme der Verungrasung bei Pflugverzicht Die dauerhafte Mulchsaat ist auch aus Gründen der Ungrasbekämpfung kritisch zu bewerten. Die Resistenz von Ackerfuchsschwanz und Windhalm gegen Herbizide hat sich in den vergangenen Jahren auf vielen Standorten mit hoher Geschwindigkeit ausgebreitet. Probleme wurden häufig zuerst in Betrieben mit pflugloser Bodenbearbeitung und Monokultur Winterweizen beobachtet. Darüber hinaus sind frühe Aussaatzeiten befallsfördernd. Bereits aus der Vergangenheit ist bekannt, dass sich schwer bekämpfbare Trespenarten durch das Pflügen Wie so oft lassen sich jedoch viele ackerbauliche Probleme durch die Anpassung der Fruchtfolge besser regeln. Durch den Einbau von Raps, Mais oder Leguminosen in die Betriebsfruchtfolgen kann zum Beispiel die Ungrasbekämpfung deutlich verbessert werden – auch bei pflugloser Bewirtschaftung. Im Raps bietet sich zum Beispiel der Einsatz von Kerb zu Vegetationsende an. In Sommerungen kommt es darüber hinaus zu einer starken Befallsreduktion infolge der Frühjahrssaat. Blattvorfrüchte können beim pfluglosen Anbau die Erträge zudem erheblich verbessern. Dies zeigte sich auch in diesem Jahr in der Ernte, als Raps-, Mais- und früher Rüben-Weizen häufig deutlich an der Spitze lagen. Der pfluglose Anbau von Weizen nach Raps und frühen Rüben ist in der Praxis daher etabliert. Nur nach späten Rüben muss immer mal wieder der Pflug eingesetzt werden, da wie im vergangenen Herbst die Nässe eine pfluglose Bestellung nicht zulässt und die Roder vielfach tiefe Fahrspuren hinterlassen. Das Pflügen hat außerdem wiederum den Vorteil, dass die Jugendentwicklung deutlich gefördert wird. In einem Versuch in Poppenburg wurde durch das Pflügen im vergangenen Herbst ■ BAUERNBLATT l 15. Oktober 2011 Abbildung2:EinflussvonVorfruchtxBodenbearbeitungaufdie relative DON-Belastung – Basis 637 Standorte über drei Jahre Vorfrucht x Bodenbearbeitung 0 Sonstige mit Pflug Sonstige ohne Pflug Mais mit Pflug Mais ohne Pflug Relativer DON-Gehalt in % 100 200 300 400 500 600 700 100 160 270 730 Quelle: Dr. A. Weinert; LWK Niedersachsen im Vergleich zur Mulchsaat der Ertrag des Weizens um 6 bis 7 dt/ha gesteigert. Versuche aus den vergangenen Jahren bestätigen den Vorteil des Pfluges bei später Rüben-Weizen-Bestellung (siehe Abbildung 1). Maiszünsler und Fusarien Der pfluglose Anbau nach Mais ist ebenfalls umstritten. Mais gilt bekanntlich als gute Vorfrucht (Blattfrucht), sodass beispielsweise Weizen sehr gut pfluglos bestellt werden kann. Dabei sind jedoch verschiedene phytosanitäre Risiken zu beachten. Ein großes Risiko ist die Übertragung von Fusariumpilzen auf den Winterweizen. Bleiben die Maisstoppel an der Erdoberfläche, kann von ihnen eine direkte Infektion der Weizenkörner in der Blüte stattfinden. Das Mykotoxinrisiko – gemessen am relativem DON–Gehalt – steigt auf Grundlage vieler Untersuchungen von 100 % (Pflug, Vorfrucht Getreide) auf 730 % (Mais, Mulchsaat) (siehe Abbildung 2). Durch das Pflügen nach Mais kann das DON-Risiko auf 270 % deutlich reduziert werden. Der Einfluss der Sorte ist unter diesen Bedingungen eher gering. Zwar sollte nach Mais in jedem Fall eine tolerante Sorte wie ,Toras‘, ,Hermann‘ oder ,Impression‘ angebaut werden, ein ausreichender Schutz bei Pflugverzicht ist das bei optimalen Infektionsbedingungen jedoch nicht. Zwar liegen die Jahre mit stärkerem Fusariumbefall (2002 und 2004) etwas zurück, verlässlich ist die Witterung in dieser Hinsicht jedoch nicht. Zu Verbesserung der Maisstrohrotte ist das Nachschlägeln oder das Bearbeiten zum Beispiel mit einer Messerwalze vor dem Pflügen sinnvoll. Dieser zusätzliche Arbeitsgang spielt auch bei der Bekämpfung des Maiszünslers eine große Rolle. Dieser Maisschädling hat sich in den vergangenen Jahren in Niedersachsen von Süden kommend immer stärker verbreitet. Eine Bekämpfung kann dabei mechanisch wie auch chemisch erfolgen. Die chemische Alternative ist jedoch aufwendig und nicht immer erfolgreich. Durch das Vergraben (Pflügen) nach Mais können die Larven des Zünslers jedoch erheblich reduziert werden (bis 90 %). Optimal ist auch in diesem Fall das vorhergehende Schlägeln oder Mulchen. In Bayern hat sich gezeigt, dass in Regionen mit Mulchsaat nach Mais eine chemische Behandlung gegen den Zünsler zum Standard geworden ist. Dort, wo gepflügt wird, ist das eher die Ausnahme. FAZIT Die Mulchsaat hat viele Vorteile und ist heute aus dem Ackerbau nicht mehr wegzudenken. Dennoch kann auf den Pflug vor allem in engen, getreidereichen Fruchtfolgen nicht ganz verzichtet werden. Geringere Erträge sowie unter anderem Probleme bei der Vergrasung und der Nährstoffverteilung im Boden sind die Folge. Auch bei später Raps- und Weizensaat nach Zuckerrüben hilft das Pflügen, die Jugendentwicklung und somit die Ertragsbildung zu verbessern. Nach Mais sollte der Pflug zum Standard gehören. Nicht nur hier entspricht das den Leitsätzen des integrierten Landbaus. Im Sinne des Bodenschutzes bleiben die Vorteile langjähriger Mulchsaat auch bei periodischem Pflugeinsatz erhalten. Dr. Ulrich Lehrke Landwirtschaftskammer Niedersachsen Tel.: 05 11-40 05-22 51 ulrich.lehrke@ lwk-niedersachsen.de