Porsche-Diesel

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Porsche-Diesel
3/2006 Mai/Juni G 10520 6,00 Z
Luxemburg: 6,00 E / Österreich: 6,00 E / Schweiz: 9,50 CHF
TITEL
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–STORY
Porsche-Diesel:
Happy End nach
500 Stunden
Den Trecker-Bedarf erkannte
Thomas Packbier auf recht drastische Weise: Mit dem Pkw der
Gattin war er im Wald unterwegs
um Holz zu machen. Nach einigen
kernigen Manövern steckte der
Stufenheck-Spanier mit Anhänger so richtig fest.
Nach allerlei schweißtreibenden Manövern kam er wieder frei, der Schwur
„Nie mehr Holz machen mit dem
Auto“ stand, und die wohlmeinenden
Ratschläge aus dem Bekanntenkreis
stießen bei dem Mann aus Nideggen
auf offene Ohren: „Du brauchst einen
Traktor.“ In einer Buchhandlung fand
er durch Zufall einen Sammelband mit
allerlei Treckerfotos. Spätestens beim
Anblick eines Porsche-Diesel Junior
hieß es: Marke und Typ gefunden.
Ende 2001 gab er dann eine Kleinanzeige auf der Homepage des PorscheDiesel-Club Europa auf und machte
sich mit einer ausführlichen Checkliste
auf die Suche.
Der Junior war schnell gefunden, und
ab sofort war das Holzmachen erträglicher. Doch auf Dauer erwies sich der
kleine Porsche-Diesel 14-PS-Einzylinder
mit seinen 950 kg dann doch als zu
leicht für das Rücken der Stämme, und
es arbeitete im Mann aus der Eifel: Ein
zweiter, stärkerer Trecker wäre nicht
schlecht. Außerdem blätterte Thomas
Packbier zu dieser Zeit in der Schlepper
Post 05/02 und las den Artikel „Die
Lieblingsschlepper von Michael Bruse“.
Was war dort zu sehen? – Natürlich ein
Porsche-Diesel Super N 308. Dem 40jährigen gefiel der Dreizylinder auf Anhieb und er machte sich auf die Suche.
Sie erwies sich als recht schwierig: Viele
davon waren nicht auf dem Markt.
Schließlich führte sie aber zu einem
Landmaschinenhändler in Ostdeutschland, der einen Porsche-Diesel Super N
308, Baujahr 1958, anbot und die gewohnte Verkäufer-Litanei anstimmte:
Zustand gut, kein Ölverlust, keine
Durchrostungen, alles bestens.
Kräftiger Kerl: Unter der Haube des
Super N 308 arbeitet ein luftgekühlter
Dreizylindermotor mit 2467 Kubikzentimetern Hubraum.
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TITEL-STORY
500 Stunden vor der Fertigstellung: So sah der Super kurz nach dem Kauf aus.
Der Trecker-Fan machte sich mit Transporter und Hänger auf die Reise – und
der große Frust holte ihn ein, als er
kaum angekommen und der Traktor
aufgeladen war: Heftiger Ölverlust
zwischen Motor und Getriebe, die Kotflügel waren in einem katastrophalen
Zustand, weswegen der Verkäufer offensichtlich keine Fotos vom Hinterteil
des Schleppers geschickt hatte, und
die – als noch TÜV-tauglich angekündigten – Reifen erwiesen sich als extrem porös. Man konnte wortwörtlich
„bis auf die Luft gucken“. Thomas
Packbier merkte dies an, der Händler
beschied ihm knapp: „Dann laden Sie
den Trecker wieder ab“. Natürlich tat
er dies nicht, sondern nahm den
Schlepper mit, immer im Bewusstsein,
dass man der Händlerzunft nicht
trauen kann und dass viel Arbeit vor
ihm liegt. Zuerst „entschärfte“ er den
Trecker optisch: Der Eigenbau-Überrollbügel und das Verdeck verschwanden ebenso wie der nicht benötigte
Mähbalken, der fremde Sitz und der
ebenfalls nicht originale Auspuff. Verschiedenen Anbauteilen eines der Vorbesitzer rückte Packbier mit der Flex
zuleibe. Dann überprüfte er den Ölverlust und kam zu überraschenden Erkenntnissen: „Ich sah, dass das austretende Öl sehr dick und sauber war, also
nicht aus dem Motor stammte. Vom
Getriebe konnte es auch nicht stammen, da es an der falschen Stelle austrat. Bei der Demontage entdeckte ich
dann, dass offenbar jemand den Simmerring der Kurbelwelle ausgetauscht
hatte, und zwar mit Hammer, Meißel
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Die Arbeit hat sich gelohnt: Thomas
Packbier investierte viel Mühe in seinen
Porsche-Diesel, aber das Ergebnis entschädigt ihn heute dafür.
und Brechstange.“ Die Folge: Die Dichtflächen waren so beschädigt, dass das
schwarze Gold aus der ölhydraulischen
Kupplung austrat. Thomas Packbiers
Erkenntnis am Rande: Er wusste plötzlich, warum jemand einen Ölflaschenhalter am Traktor installiert hatte...
Das falsche 90er Öl hatte der wackere
Vorbesitzer dem Porsche-Diesel spendieren müssen, da das vorgesehene
10er Öl sich offensichtlich noch schneller den Weg nach draußen gesucht
hatte. Spätestens an dieser Stelle war
dem Nideggener klar: Da waren „Experten“ am Werk, deren Hinterlassenschaften ihm noch viel Freude machen
würden. Mit dieser Einschätzung lag er
richtig: Die Kotflügel erwiesen sich als
völlig zerstört und bedurften einer umfangreichen Restaurierung, eine größere Menge an Simmerringen und
Dichtungen war nötig, die Kupplung
musste ersetzt werden. Ein wenig Beruhigung erfuhr das Restaurationsprojekt, als er sich an den Motor begab:
Alle Kolben waren in Ordnung, keine
Laufspuren an den Zylindern, die Ventile benötigten nur einen neuen Schliff
– erstmals entdeckte der Nideggener
also eine Baugruppe, deren Zustand
ihn nicht erschaudern ließ.
Den entscheidenden Wendepunkt erreichte die Porsche-Restaurierung, als
Thomas Packbier alle Teile sandgestrahlt, geschliffen, grundiert und mit
2K-Lack für Nutzfahrzeuge lackiert
hatte: „Als die frisch lackierten Felgen
mit den neuen Reifen montiert waren,
nahm der Super so langsam Gestalt
an“, erinnert er sich heute. Natürlich
war auch die Restarbeit keine Frage
eines Nachmittags: Der vorhandene
Kabelbaum war durch verschiedene
Flickschustereien nicht mehr verwendbar. „Selbst als Muster für die Nachfertigung war der Baum nicht mehr zu gebrauchen“, berichtet er. Also machte er
sich an die Arbeit und verkabelte den
38-PS-Schlepper von Grund auf neu.
Die Rücklichter, Instrumente und andere „Kleinteile“ wurden erneuert –
und dann kam der Tag, als der TÜVMann sein kritisches Auge auf den Porsche warf. „Der war einfach nur
begeistert“, beschreibt der Besitzer die
Zeremonie; das anschließend erstellte
Classic-Data-Gutachten deutete ebenfalls in diese Richtung. Eine „Eins
minus“ vergaben die Oldtimer-Experten. Thomas Packbier betrachtete dieses Urteil als gerechten Lohn für rund
500 Stunden Arbeit und erklärte damit
auch jeden Groll über den Pfusch der
Vorbesitzer und die teilweise damit verbundene unnötig aufwändige Restaurationsarbeit für beendet: „Die Anstrengungen und so mancher Rückschlag sind so gut wie vergessen.“
Heute ist der Super im Ganzjahresbetrieb im Einsatz: Im Winter wird Holz
gefahren, im Sommer besucht Thomas
Packbier mit seiner Familie Schleppertreffen in der Umgebung. In der Garage warten schon weitere Aufgaben
auf den Porsche-Diesel-Fan: Bis zum
Geburtstag eines befreundeten Schlepper-Begeisterten sollte dessen Allgaier
A 122 restauriert sein. Und den Porsche-Diesel Junior will er schon lange
mal gründlich überholen...
Alexander Bank
TITEL-STORY
Unterstützung – sowohl moralischer als auch technischer Natur –
bekam Thomas Packbier während
der Super-Restaurierung vom Porsche-Diesel-Club Europa (PDCE).
Der rund 400 Mitglieder starke Verein feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. In Deutschland
bietet der Club die regionalen
Stammtische Eifel, Niederrhein,
Bodensee, Sauerland, Rhein-SiegKreis, Bayern, Ostsee, NordSchwarzwald, Siegerland, Osnabrück, Frankfurt und Bremen an,
dazu gibt es die Stammtische
auch in Österreich und Frankreich.
Thomas Packbier ist Mitglied des
Stammtisches Eifel, der von Harald
Jansen aus Kerpen geleitet wird.
Der PDCE veranstaltet regelmäßig
Ausfahrten, Treffen und SchrauberLehrgänge, die sich speziellen technischen Fragen widmen und berät
Mitglieder bei Restaurierungen und
beim Schlepperkauf. Weitere Informationen gibt es im Internet unter
www.porsche-diesel-club.de und
telefonisch unter 0421-27819819.
Klare Linie mit Erfolg: Als dieser Super N 308 vom Band lief, boomte der Schlepperbau bei Porsche-Diesel. Bei den neu zugelassenen Schleppern belegte das Unternehmen deutschlandweit Platz zwei hinter Deutz.
Fotos: A. Bank
Mehr Informationen zum Thema
Porsche-Diesel
bietet das Buch
„Porsche Schlepper 1937-1966“
von Armin Bauer.
Es stellt die Geschichte des Hauses von der Idee
des Volksschleppers über den
Höhepunkt der
Schlepperproduktion zum Ende der 50er Jahre
bis zur Produktionseinstellung dar.
Das Buch hat 267 Seiten und ist
für 35,00 E unter der Bestell-Nr.
2139 im Buchladen des Verlags
Klaus Rabe (Telefon 02154-48280)
erhältlich.
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