18. Jahrgang – 2013/3 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins
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18. Jahrgang – 2013/3 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins
Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 18. Jahrgang – 2013/3 Herausgeber / Editrice Schweizerischer Burgenverein Geschäftsstelle Basel Blochmonterstrasse 22, 4054 Basel L’Association Suisse Châteaux forts © 2013 Schweizerischer Burgenverein Redaktion / Rédaction Urs Clavadetscher, lic. phil. Archäologischer Dienst Graubünden Loëstrasse 25, 7001 Chur Prof. Dr. Gaëtan Cassina Case postale 117 1963 Vétroz 18. Jahrgang, 2013/3, September 2013 Inhalt / Sommaire 49 Burgruine Wildenburg. Bauliche Sanierung des Hauptturmes und Dr. Elisabeth Crettaz Le Forum, 3961 Zinal VS Flurina Pescatore, lic. phil. Denkmalpflege Kanton Schaffhausen Beckenstube 11, 8200 Schaffhausen Redaktion und Geschäftsstelle Schweizerischer Burgenverein Geschäftsstelle Basel Thomas Bitterli Blochmonterstrasse 22, 4054 Basel Telefon +41 (0)61 361 24 44 Fax +41 (0)61 363 94 05 E-Mail: [email protected] Homepage: www.burgenverein.ch Postkonto 40-23087-6 Jakob Obrecht, Wildhaus-Alt St. Johann SG, Neuerschliessung der Ruine 2012/13 65 Florian Hitz, Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox 89 Veranstaltungen 90 Publikationen 92 Vereinsmitteilungen Redaktionstermin / Délai de rédaction 1.2. / 1.5. / 1.8. / 1.11. Erscheinungsdatum / Parution 31.3. / 30.6. / 30.9. / 29.12. Richtlinien zum Einreichen von Textbeiträgen sind einsehbar unter www.burgenverein.ch/Richtlinien Auflage / Tirage 1400 Erscheint vierteljährlich / trimestriel ISSN 1420-6994 Mittelalter (Basel) Druck / Impression Schwabe AG, Basel Verlag und Druckerei Die Schweizerische Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation im Schweizer Buch, der schweizerischen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten finden Sie in Helveticat, dem Katalog der Schweizerischen Nationalbibliothek, unter: www.nb.admin.ch/ helveticat. Titelbild / Couverture: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turmruine und Abschnitt der Ringmauer M8, frisch gereinigt. Ansicht von Südosten vor Beginn der Sanierungsarbeiten. Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Bauliche Sanierung des Hauptturmes und Neuerschliessung der Ruine 2012/13 von Jakob Obrecht mit einem Beitrag von Heinrich Boxler Lage Ausnahme eines Abschnittes in der NW-Ecke der An- Die Wildenburg liegt in der Gemeinde Wildhaus-Alt lage, demjenigen des Turmes. St. Johann auf rund 1100 m ü.M. und ist damit die Westlich des Turms sind Reste von zwei L-förmig anei- höchst gelegene Burgruine des Kantons St. Gallen. Die nander stossenden Mauerzüge M6/M7 eines grösseren Burganlage steht auf einem rund 70 m langen und an Wohnhauses erhalten. Auf Grund seines kleinteiligen seiner breitesten Stelle etwa 30 m messenden Felssporn, Mauerwerks scheint es – zusammen mit dem westlich der auf drei Seiten steil abfällt und von dem man einen davon liegenden Binnengraben – in einer späteren Bau- ausgezeichneten Blick auf den Übergang hat, der vom phase errichtet worden zu sein. Dies geschah möglicher- Rheintal ins Obertoggenburg führt. weise im Rahmen einer Redimensionierung der Burganlage, etwa vergleichbar mit derjenigen der Frohburg Kurze Beschreibung der Burganlage (Trimbach SO) zu Beginn des 14. Jh.1 Auf der östlichen Schmalseite ist die Burg durch einen tief in die Felsrippe gehauenen Halsgraben geschützt Geschichte (Abb. 1). Direkt über diesem Graben steht der Turm mit Auf dem Burghügel sind einige wenige urgeschichtliche einem Grundriss von gut 9,2 × 9,2 m und bis zu 2,2 m Keramikscherben gefunden worden. Sie belegen, dass dicken Mauern. Seine ursprüngliche Höhe ist nicht bekannt; inklusive Dachaufbau kann sie gut 20 m betragen haben. Der gesamte Felssporn hinter dem Turm ist von 1 einer Ringmauer umgeben. Ihr Mauerwerk gleicht, mit Werner Meyer, Die Frohburg, Ausgrabungen 1973-1977. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 16 (Zürich 1989) 98. M5 M1 M7 M4 M2 M3 Binnengraben M6 N M8 Graben 0 5 10 m 1: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Schematischer Grundrissplan der Burganlage. Mittelalter 18, 2013 / 3 49 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg dieser Ort sicher seit 4000 Jahren von Menschen begangen wird. Zum Baubeginn der Burganlage liegen bisher keine archäologischen Befunde vor. Laut dem aktuellen Forschungsstand begannen die im Rheintal ansässigen Freiherren von Sax um das Jahr 1200 mit dem Bau der Burg. Erstmals schriftlich erwähnt wird die Wildenburg in einer Urkunde vom 13. Januar 1313, die belegt, dass Heinrich von Sax die Burg an Graf Friedrich IV. von Toggenburg verkaufte.2 Nach dem Tode des letzten Toggenburgers gelangte die Wildenburg 1429 durch Erbschaft in den Besitz der Brüder Petermann und Hiltibrand von Raron.3 Nach dem Tod seines Bruders Hiltibrand verkaufte Petermann 1468 die Burg zusammen mit all seinen Gütern im Toggenburg an Abt Ulrich VII. von St. Gallen.4 Für die Zeit des 16. Jh. gibt es keine Nachrichten mehr zur Wildenburg. Mehrere Autoren, die sich mit der Geschichte der Wildenburg beschäftigten, gehen davon aus, dass die Burg im Laufe des 16. Jh. aufgegeben wurde und anschliessend als Steinbruch diente. J. E. Hartmann aus Wattwil schreibt 1830 beispielsweise dazu: «Sehr wahrscheinlich war sie schon lange vorher in einem zerrütteten, unwirthschaftlichen Zustande, oder gar verheert. Auch über die Art ihrer Zerstörung ist man sich nicht im Klaren. Vielleicht sank sie durch allmählichen Zerfall, irgendein Brand, ein Blitzstrahl mochte das Holzwerk vollends ausgetilgt haben.» Interessanterweise liest man bei Hartmann, dass ein Blitzschlag das restliche Holzwerk in Brand gesetzt haben könnte, während spätere Autoren, darunter auch Gottlieb Felder, schreiben, die Burg sei 1600 vom Blitz getroffen und als Folge davon ausgebrannt.5 Alle Autoren sind sich aber darin einig, dass die Ruine anschliessend von der Bevölkerung als Steinbruch genutzt wurde. Es scheint, dass man dabei vor allem die Bauten im Innenhof und die aufrecht stehenden Abschnitte der Ringmauer abgebrochen hat, den Turm aber stehen liess. Dieser scheint langsam aber stetig zerfallen zu sein. Jedenfalls zeigt eine vor 1911 aufgenommene Fotografie der Ostmauer des Turmes (siehe Abb. 16) deutlich, dass sie damals zwar schon sehr schadhaft war, aber noch nicht, wie heute, fast vollständig zerfallen war. Der letzte aufrecht stehende Rest der Ostwand des Turmes muss somit um oder nach 1911 eingestürzt sein. 50 Mittelalter 18, 2013 / 3 Die Namen Wildenburg und Wildhaus (Heinrich Boxler) Am 13. Januar 1313 verkaufte Ritter Ulrich IV. von Sax dem Grafen Friedrich von Toggenburg einen ersten Teil seiner Güter – darunter auch «das hus Wildenburg». Aus der mittelalterlichen Epik geht klar hervor, dass «hus» die durchwegs übliche Bezeichnung des Burgbesitzers für seinen befestigten Wohnsitz war. Da aber mit dem Wort «hus» jede beliebige Burg bezeichnet werden konnte, schufen die Adligen für ihre Burg einen eigenen Namen, sofern sie nicht den Namen der nahen oder zugehörigen Örtlichkeit auf die Burg übertrugen. Ihre neue Burg nannten die Herren von Sax zu Recht «Wildenburg», denn «wilt/wilde» bedeutete im Mittelalter nicht nur wild und ungezähmt, sondern auch unbewohnt und unbebaut. Die beiden letzten Bezeichnungen treffen auf die Lage der Burg im obersten Teil des Toggenburgs durchaus zu, da das Gebiet vor dem Bau der Burg wohl nur alpwirtschaftlich genutzt wurde. Deshalb ist es auch höchst unwahrscheinlich, dass es sich beim Namen Wildenburg um eine Anlehnung an einen bereits bestehenden Ortsnamen «Wildhus» oder «Wildenhus» handelt. Alles spricht dafür, dass die Siedlung, die allmählich um die Burg entstand, «ze dem wilden hus» genannt wurde, was so viel bedeutete wie «beim wilden Haus», womit die Burg gemeint war. Tatsächlich wird der Ort «Wildenhus» erst 1408 erstmals urkundlich erwähnt. Die gleichzeitige Verwendung des allgemeinen Wortes «hus» und des spezifischen Namens «Wildenburg» kommt in der Urkunde von 1313 trefflich zum Ausdruck, wenn Ulrich von Sax schreiben lässt: «Min hus, das man da heisset dü Wildeburg.» Weil «min hus» eine beliebige Burg sein kann, präzisiert Ulrich von Sax, dass es sich um die Wildenburg handelt. In derselben Urkunde zeigt sich übrigens die synonyme Verwendung von «hus» und «burg» geradezu beispielhaft, wenn es u.a. heisst: «den se (See) und die mülin bi der burg und alles, daz ich han ensit (jenseits) dem tobel, daz bi dem selben hus ist.» Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg 2: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Topografischer Plan des Burghügels aus dem Jahr 1939. Darin eingezeichnet sind die damals aufrecht stehenden Mauerzüge der Burgruine, unterlegt mit dem Grundriss des mit zwei Maschinengewehren bestückten Infanteriewerks. 2 3 AnnA-MAriA DeplAzes-HAefliger, Die Freiherren von Sax und die Herren von Sax-Hohensax bis 1450. Ein Beitrag zur Geschichte des Ostschweizer Adels (Langenthal 1976) 81; Heinz gAbAtHuler, Der Toggenburger Kauf von Wildhaus. Zum Besitz der Herrschaft Sax im Obertoggenburg. Werdenberger Jahrbuch 2009, 235. J. e. HArtMAnn, Die Wildenburg (St. Gallen). In: JoHAnn JAkob Hottinger, Die Schweiz in ihren Ritterburgen, historisch dargestellt von 4 5 vaterländischen Schriftstellern II, hrsg. von Gustav Schwab (Chur 1830) 447. HArtMAnn 1830 (wie Anm. 3) 448. gottlieb felDer, Die Burgen der Kantone St. Gallen und Appenzell. Neujahrsblatt, hrsg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, 1911, 23–24. - Andernorts findet man auch das Datum 1660. Mittelalter 18, 2013 / 3 51 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Auf Grund der in Profil P2 angetroffenen Befunde ist die Mauer nicht allmählich zerfallen, sondern kollabiert. Im 2. Weltkrieg wurde der gefechtstaktisch noch immer gut gelegene Burghügel von der Armee für den Bau eines mit zwei Maschinengewehren bestückten Infanteriewerks enteignet (Abb. 2). Nach der Entklassifizierung des Werkes ging dieses samt der darüber liegenden Ruine 1998 in den Besitz der Gemeinde Wildhaus über. Seit dem 1. Januar 2010 gehören beide Anlagen der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann. Forschungsgeschichte 3: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Mauer M6 mit ausgebrochenem «Schatzgräberloch», von Süden. 1973 wurden auf der Wildenburg unter der Leitung von Andrzej Żaki erstmals archäologische Ausgrabungen Sicher nicht zuletzt wegen des Festungsbaus fiel die durchgeführt, und zwar anlässlich eines wissenschaftli- Ruine nach dem 2. Weltkrieg in eine Art Dornröschen- chen Lagers für Jugendliche, organisiert durch die Na- schlaf. Der Burghügel wurde in den letzten Jahrzehn- tionale Schweizerische UNESCO-Kommission.6 Von ge- ten dicht mit Wald überwachsen. Viele Bäume wurzel- zielten früheren Ausgrabungen ist nichts bekannt. Man ten dabei direkt auf der Mauerkrone der abschnittsweise sieht aber deutlich, dass auf der Ruine schon vorher ge- noch mehrere Meter hoch erhaltenen Ringmauer und graben worden ist, und zwar nicht von Wissenschaftlern, trugen damit stark zum rasch fortschreitenden Zerfall sondern eher von Schatzgräbern. Die öfters fälschlicher- des restlichen erhalten gebliebenen Mauerwerks bei.8 weise als ehemaliger Tordurchgang bezeichnete Bresche in der Südmauer M6 wurde mit hoher Wahrscheinlich- Projekt und Verlauf der Arbeiten keit bei einem derartigen Unternehmen ausgebrochen Im Winter 2010/2011 wurden sämtliche direkt auf (Abb. 3).7 und neben den Mauerzügen wachsenden Bäume gefällt. 4: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm und südliche Ringmauer M8 bei Arbeitsbeginn im Juni 2012, von Osten. 52 Mittelalter 18, 2013 / 3 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Rund 40 Stämme wurden anschliessend mit dem Helikopter ausgeflogen. Damit war die grösste Gefahr für die noch vorhandenen Mauern durch Wurzelsprengungen und durch den Wind verursachte Rüttelbewegungen der Bäume vorerst gebannt. Initiiert hat diese Arbeiten der Präsident der Stiftung Schwendi Obertoggenburg, dipl. Arch. ETH Heinz Hauser, der den Wert der Ruine als Kulturdenkmal und touristisches Ausflugsziel erkannt hatte. In Absprache und mit Bewilligung der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann organisierte er die Fällarbeiten; die Kosten übernahm die Stiftung. Heinz Hauser war es auch, der den Anstoss für erste Sicherungsmassnahmen am Mauerwerk gab. Er organisierte am 23. Mai 2011 einen ersten Augenschein und stellte dabei gleichzeitig einen grösseren finanziellen Beitrag der Stiftung für erste Sanierungsmassnahmen in Aussicht. An der Begehung teilgenommen haben dipl. Arch. HTL Pierre Hatz (Denkmalpfleger SG), Dr. phil. Martin Schindler (Kantonsarchäologe SG), Rolf Züllig (Gemeindepräsident) und Bruno Egloff (Bauverwalter). Der Schreibende erhielt damals den Auftrag, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das sich zunächst auf den Turm und den westlich davon liegenden L-förmigen 5: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Löwenkopf – Fragment einer glasierten Medaillonkachel, das zusammen mit einigen anderen Streufunden in den Schuttschichten im Turminneren lag. Ms 1:1. Mauerzug M6/M7 beschränken sollte. Ein Subventionsgesuch, mit dem Beiträge des Kantons später zeigte, mit vielen grossen Steinen durchsetzt. Ma- St. Gallen und der Eidgenossenschaft ausgelöst werden terial, das dringend für den Wiederaufbau der äusseren sollten, wurde von der Gemeinde im Juli 2011 einge- Mauermäntel benötigt wurde. Dank diesem Umstand reicht. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 wurden mussten nicht, wie geplant, frische Mauersteine gewon- die in Aussicht gestellten Subventionen von der Denk- nen und herangeführt werden – eine Aufgabe, die viel malpflege St. Gallen bewilligt. Dies unter dem Vorbehalt, Zeit und Geld in Anspruch genommen hätte. Erkundi- dass der Kantonsrat die dafür aus dem Lotteriefonds be- gungen in der näheren Umgebung von Wildhaus hatten nötigten Gelder bewilligt. An seiner Sitzung vom 5. Juni nämlich gezeigt, dass Steine in der gewünschten Form 2012 bewilligte der Rat den beantragten Beitrag.9 Damit war der Weg frei, um die Arbeiten am 18. Juni 2012 in 6 Angriff zu nehmen. 7 Steinmaterial Als erstes wurde der Schutt im Turminnern mit einem Kleinbagger abgebaut und in den Graben gekippt (Abb. 4). Dabei zeigte sich, dass der Schutt, entgegen der 8 Erwartungen, noch viel wiederverwendbares und qualitativ einwandfreies Steinmaterial enthielt. Auch der Schuttkegel auf der Westseite des Turmes war, wie sich 9 AnDrzeJ ŻAki, Archaeologie. In: Wissenschaftliches Lager für Jugendliche Wildhaus 1973, organisiert durch die Schweiz. UNESCOKommission, 1973, 106–113. Zum Thema Schatzgräberei auf Burgruinen siehe auch: Werner Meyer, Schatzgräber auf dem Altenberg. In: reto MArti/Werner Meyer/JAkob obrecHt, Der Altenberg bei Füllinsdorf - Eine Adelsburg des 11. Jahrhunderts. Schriften der Archäologie Baselland 50 (Basel 2013) 93–96. Am 19. März 2001 besuchten Pierre Hatz, Martin Schindler und Christoph Reding zusammen mit dem Schreibenden die Burgstelle. Einhellig kamen sie damals zum Schluss, dass die Ruine Wildenburg wegen mangelndem Interesse und fehlenden finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde Wildhaus wohl «abgeschrieben» werden müsse. Vorlage Nr. L.12.1.52. Mittelalter 18, 2013 / 3 53 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg und Qualität nur in den Betten der Simmi und der Thur Mörtel oder in den Geschiebesammlern ihrer Seitenbäche zu fin- Die Frage, welcher Mörtel bei der Konservierung des den sind. Mauerwerks eingesetzt werden soll, war rasch beantwortet. Die guten Erfahrungen, die mit dem so ge- Bauinstallation nannten Bündner-Burgenmörtel11 in den letzten Jahren Zuerst war geplant, die Baustelle mit dem Helikopter zu gemacht werden konnten12, liessen uns ohne weitere Dis- versorgen, inklusive Auf- und Abbau eines Krans. Dank kussionen auf dieses Produkt zurückgreifen.13 Trotz des des Einverständnisses der Besitzerin der Nachbarliegen- höheren Preises der Sackware liessen sich damit umge- schaft war es dann aber möglich, eine rund 80 m lange rechnet in etwa die Kosten einer halben Arbeitskraft ein- Zufahrtspiste zu bauen, über die Baumaterialien und der sparen. dringend benötigte Kran herangeführt werden konnten. Nach Abschluss der Arbeiten wurde die Piste nicht zu- Baudokumentation rückgebaut. Vielmehr wurde sie beidseitig mit einem Die Schuttschichten im und rund um den Turm wurden Humusband abgedeckt. In der Mitte liess man einen nur so weit als nötig abgetragen. Dies auch mit der Ab- rund 1 m breiten Streifen frei. Dieser wurde geschottert sicht, keinenfalls archäologisch wichtige Schichten an- und dient nun als Zugang zur Ruine. Dieses Vorgehen zuschneiden. Einzig im Inneren des Turmes wurde eine hatte zum Ziel, den Strassenkoffer im Boden zu belas- Fläche F1 von 8 m2 archäologisch untersucht. Zusätzlich sen, um ihn bei künftigen Konservierungsarbeiten wie- zur Fotodokumentation wurde der Turm gescannt und der freilegen und nutzen zu können. Eine weitere, zuletzt ebenfalls nicht rückgängig gemachte 10 bauliche Massnahme bestand darin, im Halsgraben einen Installationsplatz zu schaffen. Dafür wurde der dort vorhandene Schuttkegel zuerst nach Bausteinen durchsucht und anschliessend planiert. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde der Platz nicht zurückgebaut, um ihn bei künftigen Sanierungen erneut verwenden zu können.10 11 12 13 Die Bauarbeiten wurden von der Firma LGBau AG, Wildhaus, unter der Leitung von Ralph Gantenbein durchgeführt. Dank dem grossen Einsatz des Maurers Feim Ajgeraj und seiner beiden Kollegen Vadzid Jakupi und Jasmin Zverotic konnte die Arbeiten wie geplant durchgeführt und abgeschlossen werden. Hergestellt von der Firma Röfix, Sennwald SG. U.a. auf den Ruinen Rifenstein BL und Buchegg SO. Für den Einsatz auf der Wildenburg wurde die hochweisse Farbe des Mörtels durch die Änderung der Sandmischung leicht gelblich gebrochen. 1110 1108 1106 1104 54 Mittelalter 18, 2013 / 3 6: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Auf den Scanaufnahmen des Turmes basierender S–N-Schnitt durch den Turm. Das Foto der westlichen Innenwand mit den teilweise erhaltenen Balkenlöchern des Bodens über dem Erdgeschoss ist massstabgetreu in den Plan eingefügt. 745 588 745 584 745 580 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg N M5 1105.49 1102.50 230 026 230 026 BL 1 BL 2 BL 4 BL 3 M1 1104.68 1109.82 BL 5 F1 M4 P1 P2 230 022 230 022 M2 F2 1108.88 1103.15 1107.00 BL 6 230 018 M3 230 018 1104.48 1101.87 1100.74 745 588 745 584 745 580 M8 7: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Steingerechter Grundrissplan des Turms. Darin hervorgehoben sind die im Mauerwerk vorgefundenen Balkennegative. Mittelalter 18, 2013 / 3 55 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg im Anschluss daran wurden die dabei erhobenen Daten würde (Abb. 9). Nicht wegen der zu reparierenden Flä- der Maueransichten so weit als möglich zu massstäb- che, sondern weil sie am Rand einer fast lotrechten Fels- lichen Plänen ausgewertet (Abb. 6).14 Die Abbruchkro- wand steht und deshalb schwer einzugerüsten war. nen des Turmes, der daran anschliessenden Abschnitte Entgegen aller Erwartungen und sämtlicher diesbezügli- der Ringmauer (M5 und M8) und der Mauer M7 wur- cher Erfahrungen von anderen Ruinen war die vollstän- den steingerecht im Massstab 1:20 gezeichnet. Aus Zeit- dig unter einem Schuttkegel begrabene Westmauer M4 und Kostengründen wurden nur die Mauermäntel und des Turmes in einem miserablen baulichen Zustand. Nor- Bereiche mit zusätzlichen Befunden, nicht aber die Mau- malerweise schützen die Schuttmassen das Mauerwerk erkerne aufgenommen (Abb. 7).15 vor weiterem Zerfall. Hier aber hatte sich der gesamte äussere Mauermantel vom Kern abgelöst (Abb. 10). Der Zustand des Mauerwerks Mörtel zwischen den Steinen war fast vollständig ero- Das vor Beginn der Arbeiten sichtbare Turmmauer- diert und der keilförmige Spalt zwischen Mantel- und werk und die frei liegenden Abschnitte der Mauern M6/ Kernmauerwerk war mit Mörtelsand gefüllt. Mit einfa- M7 befanden sich in einem relativ guten Zustand (Abb. chen baulichen Massnahmen war die Westmauer nicht 8). Sicher war zu Beginn nur, dass die Sanierung des zu stabilisieren, und so musste der schadhafte Mauer- grösstenteils weggebrochenen Aussenmantels der Turm- mantel auf einer Fläche von rund 20 m2 abgebrochen Nordmauer M1 einen grossen Arbeitsaufwand erfordern und neu aufgeführt werden. 8: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer M3. Vor Beginn der Arbeiten sichtbarer Rest des äusseren Mauermantels, von Südwesten. 9: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Zwei Seilarbeiter der Firma Hoehenarbeit.ch AG, Grabs, entfernen aus Sicherheitsgründen vor dem Beginn der Gerüstarbeiten lose Steine und Gebüsch aus der nördlichen Turmwand M1, von Westen. 56 Mittelalter 18, 2013 / 3 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg 10: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm Mauer M4. Frisch vom Schutt befreit, mit deutlich erkennbarer verstärkter Ecke M3/M4, von Südwesten. 11: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. L-förmiger Bau, Mauer M7. Freigelegte, stark zerfallene Westfront, von Südwesten. Das gleiche Phänomen war auch an der Westfront der Mauer M7 vorhanden. Dort war der Zerfall des äusseren Mauermantels bereits derart weit fortgeschritten, dass 14 von ihm nur noch die untersten, bereits stark aufgelösten Steinlagen vorhanden waren (Abb. 11). Dies im Gegensatz zu der gegen Süden hin orientierten Mauer M6, deren äusserer Mauermantel nach wie vor einigermassen gut erhalten ist (siehe Abb. 3). 15 Im Rahmen der Sanierungsmassnahmen 2012/13 wurden nur die von den Bauarbeiten betroffenen Mauerzüge bauarchäologisch untersucht. Um Kosten zu sparen wurde darauf verzichtet einen neuen Plan der Anlage aufzunehmen. Die Scans, die vom frisch freigelegten Turm gemacht wurden, lassen sich zusammen mit zusätzlichen Geländescans problemlos zu einem Gesamtplan der Anlage erweitern. Die gesamte Baudokumentation ist im Archiv der Kantonsarchäologie SG abgelegt. Mittelalter 18, 2013 / 3 57 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Verursacher der unerwartet grossen Schäden an den und der äussere Mauerfuss dort nicht ordentlich funda- gegen Westen ausgerichteten Mauerflächen von Turm mentiert werden konnte. und Haus ist mit grosser Wahrscheinlichkeit das im obe- Bei der Reinigung des Mauerkerns kamen vier hoch- ren Toggenburg vorherrschende Westwindwetter. Insbe- rechteckige Balkenlöcher BL1–BL4 zum Vorschein. Sie sondere der damit einhergehende starke Schlagregen.16 waren fächerförmig angeordnet und hatten Breiten von Offensichtlich verstärkt er massiv die üblichen Schäden 18 bis 20 cm, Höhen von 22 bis 30 cm und sie griffen verursachenden Witterungseinflüsse, wie das von oben ehemals zwischen 1,1 und 1,4 m tief ins Mauerwerk ins ungeschützte Mauerwerk eindringende Regen- und ein. Ihre Oberkanten lagen mehr oder weniger auf einer Schmelzwasser und die damit verbundenen unzähligen Ebene. Im Bereich der oben erwähnten Felsspalte hatte Frost- und Auftauzyklen. die Mauer einen mindestens 60 cm breiten, vorstehenden Fundamentvorsprung, der drei der vier Balken zusätzlich Befund stützte (Abb. 12). Der Graben Die Oberfläche der vor der Ecke M1/M2 vorspringenden Der breite Halsgraben auf der Ostseite der Burganlage Felsnase war so weit abgeschrotet, dass sie etwa auf der wurde vermutlich durch die Erweiterung einer bereits gleichen Höhe lag wie die Balkenoberkanten. Ein weite- vorhandenen, quer zum Felssporn liegenden Spalte geschaffen. Auch seine Verlängerung auf der Südostseite der Anlage wurde künstlich angelegt. Die genaue Tiefe und der Querschnitt des Halsgrabens sind nicht bekannt und es war auch nicht geplant, die Dimensionen mit Hilfe eines quer zur Grabenachse angelegten Sondierschnitts festzustellen. Es ist davon auszugehen, dass man das im Graben abgebaute Gestein als Baumaterial verwendete oder zu Kalk gebrannt hat. Weitere deutliche Hinweise auf Gesteinsabbau sind auf der Nordseite des Felsbandes, das östlich des Grabens ausläuft, zu finden. Zugang und Tor Die Frage nach der Lage des Burgtores stellte sich bereits vor Beginn der Arbeiten. Auf Grund der sichtbaren Reste der Ringmauer kann das Tor nicht im südlich an den Turm anschliessenden Abschnitt der Ringmauer liegen. Auch gibt es auf der gesamten Südseite und auf der Westseite kaum eine Möglichkeit, vor einen Tordurchgang zu gelangen. Auf der Nordseite versperrt der direkt am Rand der beinahe senkrecht abfallenden Felswand stehende Turm den Zugang zur nördlichen Ringmauer. Eine erste Antwort auf die Frage nach der Lage des Tores ergab die Untersuchung der Nordmauer M1 des Turmes. Reste des Mauermantels waren nur noch in den beiden Ecken erhalten geblieben. Der zentrale Teil und die oberen Bereiche waren weggebrochen. In erster Linie wohl, weil dort schon immer eine breite Spalte im Fels klaffte 58 Mittelalter 18, 2013 / 3 12: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer M1. Rekonstruierter Fundamentabsatz. Darüber liegen die in die vier vorgefundenen Balkenlöcher eingesetzten Kragbalken aus Eichenholz, von Westen. Sie markieren die Hölzer, die ehemals die hölzerne Zugangsrampe zum Burgtor trugen. Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg res Balkenloch BL5 wurde im frei liegenden Mauerkern der Ecke M1/M2 entdeckt. Der Balken ragte ehemals schräg aus der Ostwand. Er war rund 30 cm breit und damit breiter als die übrigen vier. Seine ehemalige Höhe liess sich nicht mehr bestimmen. Es ist anzunehmen, dass die fünf Balken, zusammen mit der abgeschroteten Felsnase vor der Nordostecke M1/ M2, die Unterlage für eine Zugangslaube oder -rampe bildeten, die zum Burgtor führte. Es ist auch denkbar, dass die Erbauer den Turm bewusst direkt an die Felsspalte stellten. Mögliche Felsabarbeitungen auf der Ostseite der Spalte, die zu einer Verbreiterung des Hindernisses führten, geben einen Hinweis darauf, dass sie als zusätzliches Annäherungshindernis benutzt worden ist. Im Belagerungsfall wäre es nämlich ein Leichtes gewesen, die mit Brettern belegte Zugangsrampe zum Tor schnell abzubauen. Auf Grund dieses Befundes muss das Burgtor nordwestlich des Turmes gelegen haben. Seine genaue Lage ist aber nach wie vor unbekannt und in der sichtbar erhaltenen Aussenfront der nördlichen Ringmauer nicht auszumachen. Sie liesse sich nur mit Hilfe einer archäologischen Ausgrabung feststellen. Die Zugangsrampe muss man vom Graben aus erreicht haben. Wie der Aufgang angelegt oder konstruiert ge- 13: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Blick in das vom Schutt befreite Turminnere. Die helle keilförmige Fläche auf der Innenseite der Südmauer M3 zeigt die Form des abgetragenen Schuttkegels im Turminnern an, von Nordosten. wesen war, lässt sich anhand der anlässlich der Baudokumentation gemachten Beobachtungen nicht mehr re- Als Folge dieser Unsicherheiten ist es angezeigt, die konstruieren. Masse des Turmes auf der Höhe der ersten Balkenlage, d.h. gut 4 m über dem Boden des Erdgeschosses, anzu- Der Turm geben. Der Turm hat auf dieser Höhe eine leicht schiefe Der Turm sitzt auf der Ostseite des Burgfelsens direkt quadratische Innenfläche von 4,8 × 4,8 m. Die Nord- über dem Graben. Der Fels fällt dort auf drei Seiten mauer M1 und die Südmauer M3 sind je 2,2 m stark. unterschiedlich stark ab. Der sehr unebene Untergrund Dank der erhalten gebliebenen Ecke M1/M2 liess sich ist sicher die Ursache dafür, dass der Turm an seiner Basis auch die Breite der Ostseite M2 bestimmen – auch diese einen unregelmässigen Grundriss hat. Dieser lässt sich Mauer war 2,2 m stark. aus verschiedenen Gründen nicht genau bestimmen: Der Anders sieht es bei der Südwestecke aus. Hier wurde die äussere Mauerfuss wurde auf der West- und der Südseite Südseite M3 an ihrem Fuss gegenüber der Nordseite M1 nicht vollständig freigelegt und auf der Ostseite ist er auf in Richtung Westen um gut 0,8 m verlängert. Das führte seiner gesamten Länge, bis auf die untersten Ecksteine der dazu, dass die Flucht der Westseite M4 an ihrer Basis Nordostecke M1/M2, abgerutscht (Abb. 13). Ausserdem schräg zu den anderen Nord–Süd verlaufenden Fluch- hat er am Fusse der Nordwand einen ehemals wohl etwa 60 cm breiten Fundamentabsatz und an einigen Stellen einen deutlich sichtbare Anzug der untersten Steinlagen. 16 Dies ist sicher auch mit ein Grund dafür, dass im Obertoggenburg nur wenige Häuser auf der Westseite Fenster besitzen. Mittelalter 18, 2013 / 3 59 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg 14: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Ecke M3/ M4. Die gegen oben auslaufende Eckverstärkung zu Beginn der Wiederaufbauarbeiten, von Nordwesten. ten steht. Zudem springt die Aussenseite der Westmauer mit Aussenmassen von 9,2 × 9,2 m und durchgehend 2,2 3,7 m von der Südwestecke M3/M4 entfernt um 0,3 m m dicken Mauern. zurück (Abb. 14). Der Eckvorsprung und der Mauer- Welchen Zweck die keilförmige Verstärkung der Süd- rücksprung verjüngen sich beide gegen oben und lau- westecke M3/M4 zu erfüllen hatte, ist nicht klar. Wehr- fen etwa auf der Höhe des Bodens des ersten Stockwerks technisch gesehen ergibt sie keinen Sinn. Um einen So- aus. Dadurch hatte der Turm dort ehemals einen, wenn ckel für einen Treppenaufgang zum Hocheingang des auch leicht schief gestellten, quadratischen Querschnitt Turmes kann es sich auch nicht handeln. Als einzige Deutung bietet sich eine Verstärkung des Eckfundamentes an. Unabhängig davon ist aber klar, dass der Keil nicht zufällig entstanden ist, sondern von Anfang an im Bauplan vorgesehen war. Eine leichte Verbreiterung des Fundamentes der Mauer M3 war, trotz der bereits abgestürzten Ecksteine, auch in Richtung der Ecke M2/M3, zu beobachten. Von Türen und Fenstern, aber auch von der Inneneinrichtung des Turmes, ist kaum etwas vorhanden geblieben. Einzig im letzten erhaltenen Teil des Innenmantels der Ostwand M2 waren noch Ansätze einer Bank und Reste der Laibungen eines Schartenfensters erhalten (Abb. 15). Innen hatte das Fenster ursprünglich eine lichte Weite von 70 cm. Aussen betrug sie auf Grund des V-förmigen horizontalen Querschnitts wohl gerade noch 15: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer M2. Reste des Fensters, das direkt neben der inneren Ecke M1/M2 liegt, von Westen. 60 Mittelalter 18, 2013 / 3 rund 20 cm. Die ehemalige Höhe des Fensters lässt sich anhand einer Fotografie, die vor dem Jahr 1911 aufgenommen worden sein muss, abschätzen (Abb. 18). Das Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Fenster ist darauf deutlich zu erkennen. Es ist etwas es keine weiteren Spuren von Kragbalken. Die genaue höher als breit und dürfte deshalb eine lichte Höhe von Lage und die Konstruktion des Zugangs zum Hochein- etwas mehr als einem Meter aufgewiesen haben. Auf gang werden deshalb nie mehr zu bestimmen sein. gleicher Höhe ist auf dem Bild noch eine zweite Fensteröffnung zu sehen. Sie liegt neben der Innenecke M2/ Das Mauerwerk des Turms M3 und hat etwa die gleichen Masse. Von ihrer Grösse Die Mauern des Turmes sind aus unterschiedlich gerun- und ihrem Horizontalquerschnitt her waren beide Öff- deten Kalksteinen aufgeführt. Ihre Form und Beschaf- nungen keine Schiessscharten, sondern Lichtschlitze. In fenheit zeigen, dass die meisten über kürzere oder län- erster Linie dienten sie aber vermutlich dazu, das Erdge- gere Strecken vom Wasser transportiert worden sind. Das schoss zu belüften. heisst, sie müssen direkt in Bachbetten oder in Schuttke- Warum man diese verteidigungstechnisch wertlosen geln von Wildbächen in der näheren Umgebung zusam- Fensterscharten auf der feindexponierten Seite des Tur- mengesucht worden sein. Die grösseren Steine, die in Ein- mes und dazu erst noch derart weit unten im Turm ein- zelfällen Masse von 1 m und mehr aufweisen, wurden in gesetzt hat, lässt sich nicht erklären. Vielleicht waren den Aussenmänteln vermauert, die kleineren in den In- die auf dem Bild sichtbaren quadratischen Nischen un- nenmänteln. Im gesamten Mauerwerk sind die Steine la- terhalb der beiden Fenster Grund für die unübliche An- gerhaft geschichtet. Die Zwischenräume wurden mit klei- ordnung der beiden Fenster. Für die Funktion der beiden neren Steinen ausgezwickt. Auf beiden Seiten waren die sicher gegen aussen offenen und gegen innen geschlosse- Fugen ehemals vollständig mit Mörtel gefüllt, so dass nur nen Nischen gibt es vorderhand keine plausible Erklä- noch die über die Mauerflächen vorstehenden Partien der rung. Steine sichtbar waren (Pietra-rasa-Technik). Bei den noch Abgesehen vom Fenster gab es in der gegenüber liegen- erhaltenen Teilen der Aussenfassaden war der Fugen- den Westwand M3 noch acht mehr oder weniger gut er- mörtel durch Wind und Wetter fast vollständig ausgewa- haltene Balkenlöcher (siehe Abb. 6). Darin steckten ehe- schen. In den Innenflächen war er dank der schützenden mals die Tragbalken des Bodens des 1. Obergeschosses. Schuttschichten erhalten geblieben. Der Mauerkern be- Die Balken waren rund 5,6 m lang und hatten Quer- steht aus kleineren, dem Baufortschritt folgend in Lagen schnitte von 30 bis 40 cm Breite und ca. 30 cm Höhe. eingebrachten und mit viel Mörtel verbundenen Steinen. Verlegt und direkt eingemauert wurden sie, als man beim Bau die für das Erdgeschoss vorgesehene Turmhöhe er- Die archäologische Sondierung im Turminnern reicht hatte. Kurz zusammengefasst erbrachte die Sondiergrabung im Das Sockelgeschoss des Turmes hatte keine Türe. Somit Turminnern auf einer Fläche von 8 m2 folgende Resultate muss der Turm einen Hocheingang besessen haben. (die nachfolgende Beschreibung erfolgt von unten nach Wenn dieser, wie mehrheitlich üblich, auch hier ins erste oben): In der freigelegten Fläche F1 besteht der Unter- Obergeschoss geführt hat, muss er sich auf Grund der grund aus anstehendem Fels. Um die Oberfläche etwas vorgefundenen Situation am ehestens in der Süd- oder in einzuebnen, wurde der Fels entlang der Mauern M1 und der Westmauer befunden haben, direkt neben der inne- M4 zusätzlich leicht abgeschrotet. ren Ecke M3/M4. Normalerweise hat es vor dem Hoch- Über der Felsoberfläche lag eine dünne graue sandige eingang eine Laube, die entweder über eine Treppe oder Schicht. Sie enthielt Tierknochen, einige Scherben von vom Wehrgang aus zu erreichen ist. Diese Lauben sind unglasierter Gebrauchs- und Ofenkeramik, ein grösse- in der Regel auf Kragbalken abgestürzt, die wiederum res längliches Eisenfragment (vermutlich ein Messer) und Negative im Mauerwerk hinterlassen. Mit Ausnahmen dazu einige Reste von Ofen- oder Rutenlehm. Die Ab- eines stark deformierten Balkenlochs17 direkt oberhalb lagerung ist ein Benutzungshorizont und keine Abfall- des Rücksprungs in der Mauer M4 und des Abdrucks eines massiven Balkenendes BL6 in der Mauer M3, gab 17 Im Grundrissplan nicht eingezeichnet. Mittelalter 18, 2013 / 3 61 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg schicht. Darüber folgte eine dicke Schicht aus gebänder- Graben oder den Steilhang hinunterstürzten, sammelten tem Lehm. Darin wechselten sich rot verbrannte Streifen, sie sich an den Mauerfüssen an und schützten das Mau- unverbrannte Partien und Holzkohlebänder ab. Zudem erwerk so vor dem weiteren Zerfall. Der Schutt füllte das steckten darin auch Reste von Ofenkacheln, aber kein Erdgeschoss so lange, bis die Ostmauer – vermutlich in Holz. Es ist anzunehmen, dass hier, und zwar noch wäh- den 1920er Jahren – dem Druck nicht mehr Stand hielt rend der Belegungszeit der Burg, der Lehmkörper eines und in den Graben stürzte. Kachelofens entsorgt worden ist. Im Zentrum der Turminnenfläche lag über diesem L-förmiger Bau Schichtpaket eine Linse aus rot verbranntem Lehm, dazu Westlich des Turmes steht als letzter Rest eines grösse- gab es viel Holzkohle und einige Ofenkachelfragmente: ren Gebäudes der L-förmige Mauerzug M6/M7 (siehe Material, das von einem zweiten Kachelofen stammen Abb. 3 und 11). Sein Inneres ist mit Schutt des Turmes könnte, der vielleicht erst beim Plündern der Burg nach gefüllt. Türen oder Fensteröffnungen sind in den Mau- ihrer Aufgabe abgebrochen worden ist. erresten nicht vorhanden. Die Mauern sind 1,2 m dick Die auf Grund der frühneuzeitlichen Nachrichten, dass und aus kleinerem Steinmaterial lagerhaft aufgeführt. die Burg abgebrannt sei, erwartete Brandschicht war Das Mauerwerk unterscheidet sich stark von demjeni- nicht vorhanden. Nachdem der Schutt fertig ausgeräumt gen des Turms und der Ringmauer. Eine Ausnahme bil- war, hatte man dies auch nicht mehr erwartet, denn det ein recht hoch erhaltener Abschnitt der Ringmauer auf keiner der drei erhaltenen Innenflächen des Turmes im Nordwesten der Burganlage. Beide Mauerzüge schei- waren Brandspuren in Form von rot verfärbten Gesteins- nen in einer jüngeren Um- oder Ausbauphase errichtet oberflächen zu erkennen. worden zu sein. Die kleine Sondierung machte deutlich, dass der Turm nie gebrannt hatte, sondern – nachdem man ihn von Baugerüste sämtlichen Einbauten befreit hatte – langsam zerfiel. In der Mauer M7 sind zwei Gerüsthebellöcher18 erhal- Dort, wo die abbröckelnden Mauermassen nicht in den ten. Sie liegen 3,4 m voneinander entfernt – eine Spann- 16: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Rekonstruktionsversuch des Turms und der daran anstossenden südlichen Ringmauer M8, Blick von Südosten. Die erhaltenen Mauerteile sind dunkler eingefärbt. 62 Mittelalter 18, 2013 / 3 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg 17: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Der frisch konservierte Turm und ein teilweise wiederaufgebauter Abschnitt der Ringmauer M8 nach Abschluss der Bauarbeiten im Frühsommer 2013, von Südosten. weite, die gerade noch mit dicken Bretterbohlen über- sichert, dass die Besucherinnen und Besucher die Ruine wunden werden kann. wieder gefahrlos besichtigen können. Im Kernmauerwerk des Turmes wurden die Abdrücke – Auf dem vor der Westmauer des Turmes hergerichteten der Enden von zwei Rundhölzern entdeckt, die allenfalls Platz wurden zwei massive Tische und vier Bänke auf- Gerüsthebeln zugeschrieben werden können. In den er- gestellt sowie eine Feuerstelle eingerichtet. halten gebliebenen Mauermänteln des Turms war aller- – Auf der Turmkrone wurde eine kleine Aussichtsplatt- dings kein einziges Gerüsthebelloch vorhanden. form befestigt und mit einer Treppe erschlossen. Die unbedeutende Zahl von möglichen Gerüsthebel- – Für den laufenden Unterhalt und die regelmässige löchern zeigt klar, dass der Turm und vermutlich auch Pflege der Ruine wird die Gemeinde Wildhaus-Alt der L-förmige Westbau, mit Hilfe frei stehender Gerüste St. Johann besorgt sein. hochgezogen worden sind. Die wenigen eingemauerten Es bleibt nun zu hoffen, dass sich bald wieder eine Per- Rundhölzer scheinen eher dazu gedient zu haben, die frei son oder eine Gruppierung findet, die weitere Dokumen- stehenden Gerüste im Mauerwerk zu verankern. tationsarbeiten und baulichen Sanierungen anstösst. Die an einigen Stellen stark einsturzgefährdete Ringmauer Ausblick sollte nämlich ebenfalls dokumentiert und in Stand ge- Mit der 2013 abgeschlossenen ersten Sanierungsetappe stellt werden. wurden alle vorgängig festgelegten Ziele erreicht: – Der Baubestand des Turms und des L-förmigen Mauerzugs ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert. – Der Zugang zur Ruine ist neu angelegt und so weit ge- 18 Gerüsthebellöcher sind Negative von Rund- oder Kanthölzern, die, auf gleichen Ebenen eingemauert, horizontal aus einer Mauer ragten und fast immer aussen senkrecht abgestützt waren. Auf den Hölzern wurden die Laufbretter des Gerüstes abgelegt. Mittelalter 18, 2013 / 3 63 Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg Résumé Jusqu’en 2011, la ruine de Wildenburg était dissimulée dans une épaisse forêt et rares en étaient les visiteurs. Au cours de l’hiver 2011/12, les alentours du site ont été en grande partie déboisés. On y profite dès lors d’un bon dégagé. En 2012/13, la tour et une partie du mur d’enceinte de la ruine de Wildenburg ont été reconstruites et rendues accessibles aux visiteuses et visiteurs. Tout ceci grâce à l’initiative d’une fondation privée et au soutien des pouvoirs publics. Les examens de la substance ont révélé notamment que la tour n’avait pas brûlé, contrairement à ce qui est souvent décrit. L’accès à la porte du château était probablement assuré par une rampe en bois, qui reposait sur des consoles en bois, profondément ancrées dans le mur de la tour. Sandrine Wasem Thoune Riassunto Fino al 2011 i resti del castello di Wildenburg erano ricoperti da una folta vegetazione tanto da essere difficilmente accessibili. Gran parte dell’area del castello, dalla quale attualmente è di nuovo possibile ammirare il panorama circostante, è stata sottoposta nell’inverno 2011/12 a degli interventi di disboscamento. Nel 2012/13 la torre e un tratto del muro di cinta del castello di Wildenburg sono stati conservati e resi nuovamente accessibili ai visitatori. È stato possibile realizzare tutto ciò grazie all’iniziativa di una fondazione privata e grazie al sostegno del settore pubblico. Le indagini archeologiche delle strutture murarie hanno tra l’altro dimostrato che la torre non è andata distrutta a causa di un incendio, come sovente veniva descritto in passato. L’accesso al portone del castello avveniva attraverso una rampa lignea, la quale poggiava su travi a sbalzo che erano solidamente murate nella struttura muraria della torre. Christian Saladin (Basilea/Origlio) Resumaziun Fin l’onn 2011 è la ruina Wildenburg stada zuppada en il guaud spess e strusch insatgi la visitava anc. Il mez onn d’enviern 2011/12 èn las plantas sin l‘areal dal chastè vegnidas pinadas per gronda part. Oz pon ins puspè giudair ina bella vista panoramica davent da la ruina. Il 2012/13 han ins reconstruì la tur ed ina part dal mir da tschinta da la ruina Wildenburg e silsuenter rendì accessiblas quellas a las visitadras ed als visitaders. Questas lavurs han pudì vegnir fatgas grazia a l‘iniziativa d’ina fundaziun privata e cun sustegn dal maun public. La perscrutaziun archeologica da la construcziun ha t.a. cumprovà che la tur n’è betg arsa ora, sco quai ch’igl è savens vegnì 64 Mittelalter 18, 2013 / 3 18: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer M2, Fotoausschnitt. Aufrecht stehende Reste der Ostmauer des Turmes mit den zwei gut erkennbaren Fensteröffnungen. Einige Jahre vor deren Einsturz in den 1920er Jahren, von Osten. descrit. L’access a la porta externa dal chastè stueva manar sur ina rampa da lain construida sin ina consola da lain mirada en fermamain en la miraglia da la tur. Lia Rumantscha (Cuira/Chur) Abbildungsnachweis: Titelbild: Jakob Obrecht 1 Joe Rohrer, überarbeitet nach Skizze von A. Żaki 2 Archiv armasuisse Immobilien 6 Terradata AG, Einsiedeln 7 Jakob Obrecht, Flavio Zappa 18 Burgenbildersammlung G. Felder, KASG 16 Joe Rohrer 3–5, 8–15, 17 Jakob Obrecht Adresse des Autors: Jakob Obrecht, dipl. Ing ETH Ergolzstr. 32 4414 Füllinsdorf Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox von Florian Hitz Baudatierungen und Herrschaftsgeschichte frühen Bauphasen der Burg Mesocco stellen sich hin- Auf dem Castello di Mesocco sind, gemäss den von Au- gegen verschiedene Fragen, die eng mit der Herrschafts- gustin Carigiet durchgeführten Bauuntersuchungen, für bildung in der Valle Mesolcina zusammenhängen. Wie die Zeit vor 1400 folgende Bauphasen zu unterscheiden: schon Erwin Poeschel bemerkt hat, wissen wir mit – die im Frühmittelalter errichtete, in der Karolingerzeit Sicherheit nur, dass die Freiherren von Sax «zu der für umgebaute und um 1067 durch einen Campanile er- die Burgengründung in Frage kommenden Zeit dort die gänzte Burgkirche; mächtigsten Herren waren, wider deren Willen nichts – die Kernburg des 12. Jh. mit dem Hauptturm und einer ersten Umfassungsmauer; geschehen konnte». Dabei lässt sich aber «weder der Ursprung der Sax’schen Herrschaft über das Tal genauer – der Ausbau des 13. Jh., mit dem Palas und mit nach präzisieren noch der Zeitpunkt, wann sie die Fülle lan- Südosten erweiterter Umfassung, wobei auch ein Bad- desherrlicher Macht erreicht hatte.»3 So sind nicht nur haus Platz fand.1 einige Baudatierungen, sondern auch der herrschafts- Nach einem abweichenden Teilbefund wäre eine ins geschichtliche Hintergrund der betreffenden Baumass- 13. Jh. zu datierende Umfassungsmauer auch im Nordosten der Anlage festzustellen.2 Demnach hätte der Burghof bereits damals seine volle, das ganze Plateau auf dem Felsklotz umfassende Ausdehnung erreicht. 1 2 Die Ausbauschritte der Zeit um 1400 und des späten 15. Jh. werden uns im Folgenden nicht beschäftigen, da sie keine historischen Probleme aufwerfen. Zu den 3 Augustin cArigiet, Castello di Mesocco – eine Nachuntersuchung zur Baugeschichte. Mittelalter 17 (2012/4) 177–189. lukAs Högl, Restauro e analisi architettonica del settore nord del castello di Mesocco, prima tappa dei lavori fra il 1986/1989 e 1993. Castello di Mesocco tra passato e futuro (Mesocco 2010, Sonderdruck aus Quaderni grigionitaliani 97, 2010/2) 35–44, hier 40–41. erWin poescHel, Das Burgenbuch von Graubünden (Zürich und Leipzig 1930) 68. 1: «Innenansicht des Castello di Mesocco»: Ruinen der Kirche St. Carpophorus und der Kernburg. Kupferstich von Johann Melchior Füssli in Johann Jacob Scheuchzers natur- und landeskundlichem Werk Ouresiphoites Helveticus [der schweizerische Bergwanderer], 1723. Mittelalter 18, 2013 / 3 65 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox nahmen eher unbestimmt geblieben. Im Folgenden wollen führen zum Schluss, dass das frühmittelalterliche wir versuchen, die ‹dunklen› früh- und hochmittelalter- Kirchenkastell nicht unter einer im Norden zentrierten lichen Abschnitte dieser Entwicklung weiter aufzuhellen. Macht, und damit nicht unter fränkischem Einfluss oder fränkischer Herrschaft entstanden sein dürfte. Wenn die Frühmittelalterlicher Vorlauf Burg aber nicht als Vorposten vom fränkisch kontrollier- Als ältester feststellbarer Teil der Burganlage Mesocco ten Rätien aus gegründet wurde, dann sollte man eher gilt die Kirche. Erwin Poeschel (1945) hat den vorhan- nicht von einem «rätischen» Kirchenkastell sprechen. denen Bau mit dem Campanile, romanischen Stils, ins Sandro Mazza nimmt eine Wehranlage spätrömischen 11. Jh. datiert; den in Fundamentresten wie fragment- Ursprungs an, welche die Passstrasse über den Mons haft auch im aufgehenden Mauerwerk zu beobachtenden Avium (Monte Uccello oder Vogelberg, seit dem aus- Vorgängerbau aber ins 8. Jh.4 Die seitherige Forschung gehenden Mittelalter: San Bernardino) gegen Norden war mit der ersten Datierung einverstanden, hat aber den sperrte. Die spätantike Talsperre ist mittlerweile archä- Vorgängerbau weiter zurückverlegt: Hans Rudolf Senn- ologisch gesichert: Sie war an den Burgfelsen angelehnt hauser (1966) ins 8. oder 7. Jh.;5 Sandro Mazza (1981) und bestand aus einem Wall mit zwei vorgelagerten gar ins 6. oder 5. Jh.6 Demgegenüber haben die Be- Gräben.10 arbeiter des Bündner Burgenbuchs (1984) ihre Zeit- Das Patrozinium der Burgkirche, St. Carpophorus, be- bestimmung auf das 6. oder 7. Jh. eingemittet.7 trachtet Mazza als typisch comaskisch, anzutreffen in Die urkundliche Ersterwähnung 1219 nennt mit der der alten Kathedrale von Como, dann auch in Mailand.11 Kirche zusammen auch zum ersten Mal die Burg.8 Nach Ganz entsprechend handelt es sich bei St. Viktor, dem allgemeiner Annahme handelte es sich von Anfang an Patron der Pfarrei der unteren – oder zunächst vielleicht um eine Burgkirche, so dass die Wehranlage zumin- der ganzen – Mesolcina, um einen prominenten mai- dest gleichzeitig mit dem Gotteshaus, wenn nicht sogar ländischen Märtyrer.12 Falls die Burgkirche nicht mehr früher entstand (Abb. 1). Mit anderen Worten: Das der Spätantike angehörte, wurde sie also wohl im 6. Jh., Castello di Mesocco ist eine – sogar besonders eindrück- aus einer byzantinischen Rückzugsposition um Como, liche – Realisierung des Typus «rätische Kirchenburg».9 oder möglicherweise im 7. Jh. unter den mittlerweile Die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt von Kirche christianisierten Langobarden gegründet.13 Letztere und Burg ist daher mit der politischen Geschichte ver- sollen im Moesano noch weitere Spuren hinterlassen knüpft. Denn während eine Kirche praktisch überall haben; etwa mit dem Ausdruck degagna für die lokalen entstehen kann, wo es eine christliche Bevölkerung gibt, Nutzungsgenossenschaften bzw. Verwaltungskreise.14 haben Festungen einen bestimmten Verteidigungszweck. Das hiesse, dass die Talschaft in der fraglichen Zeit Sie sind gegen einen potenziellen Angreifer gerichtet. sowohl politisch wie kirchlich zu Como oder Mailand, Zumal dann, wenn die Burg so deutlich eine Sperr- nicht aber zu Rätien gehört hätte. Für eine solche Zu- stellung einnimmt wie in Mesocco, drängt es sich auf, gehörigkeit gibt es in späteren Epochen allerdings keine dass der Angreifer aus einer bestimmten Richtung er- Anzeichen mehr. Seit dem Hochmittelalter ist nichts zu wartet wurde; hier also entweder von Norden oder aber bemerken, was als Rest einer comaskischen oder mai- von Süden. Nun steht die Burg Mesocco oben im Tal – ländischen Oberhoheit über die Mesolcina gedeutet wer- sie schützte demnach die Siedlungen im unteren Misox den könnte, und Besitz italienischer Kirchen ist hier nicht und letztlich auch Bellinzona, das als Fusspunkt mehre- nachzuweisen.15 Dagegen wird die Talschaft Mesauco rer Alpenpässe selbst wiederum stark befestigt war und in dem um 840 aufgezeichneten churrätischen Reichs- das südliche Tessin schirmte. Die Abwehr war somit gutsurbar erwähnt und zum ministerium Tuverasca ge- gegen Norden gerichtet. zählt, wie die Täler des Vorder- und des Hinterrheins.16 Mögen diese strategischen Überlegungen nun ganz Nichtsdestoweniger bleibt die Frage bestehen, welcher fundamental oder auch ganz schlicht anmuten – sie politische Ordnungsrahmen für die Mesolcina galt, 66 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox bevor sie – offensichtlich zusammen mit Churrätien – um 800 ins Karolingerreich integriert wurde. Dass ein Ein- 4 5 fluss aus dem Norden bereits in (spät)merowingischer Zeit wirksam war, dafür sprechen die ‹fränkischen› Patrozinien St. Martin in Soazza, St. Georg in Lostallo und 6 7 St. Remigius in Leggia.17 Der ambivalente Befund wird wohl am besten erklärt, 8 wenn man für die frühmittelalterliche Mesolcina zwei aufeinanderfolgende Phasen der politischen und kirchlichen Raumbildung annimmt, denen verschiedene Schübe der Siedlungsverdichtung und Christianisierung 9 entsprachen. Die Funktion der frühmittelalterlichen Wehranlage Mesocco als Sperrfestung gegen Norden ist umso bemerkenswerter, als für die heute sichtbare, feudale Burg gegenteilige Voraussetzungen gelten. Seit dem 13. Jh. nutzten die Freiherren von Sax die Burg als Stützpunkt 10 11 12 13 14 2: «Castello di Mesocco, Masox, in einem Engpass der Valle Mesolcina». Gesamtansicht der Burgruine von Norden, mit der Kirche Sta. Maria di Castello. Kupferstich von Füssli in Scheuchzers Ouresiphoites Helveticus, 1723. Die beiden einschlägigen Abbildungen in diesem Werk sind die ältesten Darstellungen der Burg. 15 16 17 erWin poescHel, Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden VI: Puschlav, Misox und Calanca (Basel 1945) 370. HAns ruDolf sennHAuser, Vorromanische Kirchenbauten (München 1966) 208–209. sAnDro MAzzA, S. Michele di Gornate, St-Félix de Géronde, S. Carpoforo di Mesocco. Tre chiese di secoli bui (Tradate 1981) 67, 72. otto p. clAvADetscHer/Werner Meyer, Das Burgenbuch von Graubünden (Zürich und Schwäbisch Hall 1984) 253; mit «?», aber ohne Diskussion der einschlägigen Literatur. ecclesia scancti Carpofori de Sorcastelo; Bündner Urkundenbuch [Sigle: BUB], Bd. I–III, bearb. von Elisabeth Meyer-Marthaler und Franz Perret (Chur 1955–1983); Bd. II (neu) –VI, bearb. von Otto P. Clavadetscher und Lothar Deplazes (Chur 1997–2010), hier Bd. II (neu) Nr. 602, S. 95: Die Nennung der Burg ist in der Bezeichnung der Kirche enthalten. Paradigmatisch otto p. clAvADetscHer, Die Burgen im mittelalterlichen Rätien. In: Otto P. Clavadetscher, Rätien im Mittelalter. Verfassung, Verkehr, Recht, Notariat. Ausgewählte Aufsätze. Festgabe zum 75. Geburtstag, hrsg. von ursus brunolD/lotHAr DeplAzes (Sigmaringen 1994) 354–373, hier 356 – mit der Definition, 355: «Rätische Kirchenburgen sind meist ziemlich ausgedehnte frühmittelalterliche Befestigungsanlagen an gut geschützten Stellen (besonders auf Felsköpfen) mit einer frühmittelalterlichen Kirche». Auf prähistorischen Siedlungsplätzen gelegen, dienten sie im Frühmittelalter als Fluchtburgen. Zeitstellung: zwischen 257 und 477. Vgl. pHilippe DellA cAsA, Mesolcina praehistorica, presenza umana ed ambiente naturale in una vallata sudalpina dal Mesolitico all’epoca romana (Bonn 2000) 14–18. Für eine bis ins Frühmittelalter reichende Siedlungskontinuität sprechen daneben die in Mesocco gemachten Siedlungsfunde; vgl. Jürg rAgetH / cHristinA pApAgeorgopoulou, Neu entdeckte Siedlungsreste und Gräber in Mesocco, Benabbia. Jahresberichte Archäologischer Dienst Graubünden / Denkmalpflege Graubünden 2005 (Haldenstein/Chur 2006) 21–50. Die Kirche St. Carpophorus in Trimmis war bis 958 in königlichem Besitz; BUB I, Nr. 115. Sie war jedoch schwerlich eine (spät)karolingische Gründung, sondern dürfte in die Zeit von der Mitte des 5. bis ins frühe 9. Jh. zurückgehen, als das Bistum Chur dem Erzbistum Mailand unterstellt war. Patron auch der Kollegiatskirche von Poschiavo. Weitere, ähnlich frühe Patrozinien in der Mesolcina waren St. Fidelis und St. Julius in Roveredo, St. Clemens in Grono sowie St. Peter in Verdabbio und Mesocco (und wohl erst hierauf auch in Hinterrhein). Vgl. rinAlDo bolDini, Storia del Capitolo di San Giovanni e San Vittore in Mesolcina, 1219–1885 (Poschiavo 1942) 7. Eine entsprechende Frühdatierung von Sta. Maria in Calanca (ebd.) erscheint nicht zwingend. Vgl. MAzzA (wie Anm. 6) 64, 67. Hier wird allerdings nur eine spätrömische oder byzantinische, nicht aber eine langobardische Gründung erwogen. Vgl. piero stAngA, Perché il Moesano non è ticinese. L’Almanacco Mesolcina/Calanca 58 (1995) 42–47, hier 43–44. Der Ausdruck ist, in der gleichen Bedeutung, auch in der Leventina bekannt; vgl. cHiArA orelli, Degagna. Dizionario storico della Svizzera (DSS), Version vom 16.01.2002 (URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/i/ I35272.php). Dazu gertruD Hofer-WilD, Herrschaft und Hoheitsrechte der Sax im Misox (Poschiavo 1949) 7, 19. BUB I, Anhang I, 390. stAngA (wie Anm. 14) 43, mit der Annahme fränkisch-merowingischer Missionare ab dem 7. Jh. – bolDini (wie Anm. 12) 7 zählt auch St. Mauritius in Cama und St. Johann Baptista in San Vittore zu den fränkisch-merowingischen Patrozinien. Mittelalter 18, 2013 / 3 67 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox 3: Burgruine Mesocco von Norden. Die romantisch überhöhte Ansicht zeigt vom Hauptturm noch den charakteristischen, hoch aufragenden Mauerzahn. Im Vordergrund die neue Transitstrasse mit Reisekutsche, im Hintergrund rechts unten das Dorf Soazza. Aquarell sepia von Daniel David Burgdorfer, um 1825. zur Sicherung ihrer Macht im Tal, ja als Rückhalt für Horizontale umgeformt. Die beim Hauptturm an- eine Ausdehnung dieser Macht nach Bellinzona und setzende Umfassungsmauer, die ebenfalls nur bruch- sogar an den oberen Comersee. Gegenüber dem Früh- stückhaft erhalten ist und offenbar die Burgkirche samt mittelalter hatte sich die Front nun umgekehrt. «Das Campanile mit einschloss, dürfte gleich nach dem Haupt- Kastell Misox [...] steht als mächtiger Prellbock am turm selbst erbaut worden sein. oberen Eingang zur Mesolcina, mit dem Rücken gegen Als Urheber dieser Baumassnahmen werden nun die den Pass gelehnt, und fängt mit seiner breiten Brust die Freiherren von Sax vermutet. Wie plausibel ist diese Raumachse des Tales.»18 Mit dieser bildhaften Charak- Vermutung? Die Schriftquellen, welche die Saxer als terisierung erfasst Erwin Poeschel die für die feudale Herren der Burg nennen, datieren erst aus dem 13. Jh. Epoche geltende Südorientierung. und bleiben auch da sehr spärlich. Die erste dieser von den Saxern selbst ausgestellten Urkunden ist der Stif- Wer erbaute die Kernburg von Mesocco? – tungsbrief für das Kollegiatkapitel von San Vittore, Zum Stiftungsbrief von 1219 vom 28. April 1219.20 Heinrich II. von Sax gründet Während die Bildung einer Feudalburg innerhalb des zusammen mit seinem Sohn Albert II. das Kanoniker- frühmittelalterlichen Kirchenkastells noch im 11. oder stift zu St. Johann in San Vittore und überträgt diesem sogar bereits im 10. Jh. begonnen haben mag, stammen sämtliche Kirchen und Kapellen der Talschaft – ein die ältesten sicher datierbaren Teile der «Rocca» oder rundes Dutzend – mit allen Einkünften der zwei be- Kernburg von Mesocco aus der zweiten Hälfte des stehenden Pfarreien. Dafür übernehmen die Kanoniker, 12. Jh.19 Es handelt sich dabei vor allem um den deren Residenzpflicht festgelegt wird, überall die Seel- Stumpf des mächtigen Hauptturms, von dem noch bis sorge. Auch der Wahlmodus für die Stiftsherren wird um 1830 ein hoch aufragender Mauerzahn zu sehen bestimmt. Statt des Ernennungsrechts der Kapitularen war (Abb. 2–3). Als auch dieser einstürzte, hat sich behalten sich die Saxer das Patronatsrecht an den Kir- das Bild der Burg endgültig aus der Vertikalen in die chen vor. 68 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Über drei Misoxer Kirchen heisst es in der Urkunde, des spätantiken Patroziniums ist ihre Gründung jeden- sie seien von den Vorfahren oder Vorgängern (anteces falls nicht durch Personen erfolgt, auf die sich eine 1219 sores) des nunmehr agierenden Heinrich von Sax auf noch lebendige Tradition hätte beziehen können. Die Eigengut (supra eorum allodiis) gestiftet worden. Das behauptete Gründung durch saxische antecessores be- betrifft zunächst die nunmehr zur Pfarr- und Kollegiats- zieht sich also entweder auf einen blossen Um- oder Neu- kirche erhobene Kapelle St. Johann in San Vittore, die bau im 12. Jh.,27 oder aber es soll damit ein allgemei- jenem Heiligen geweiht war, der das Hospital in Jeru- nes landesherrliches Kirchenpatronat behauptet werden. salem beschützte. Diese Stiftung kann natürlich frühes- Dessen Grundlagen waren bis dahin aber kaum schon tens nach dem Ersten Kreuzzug 1099, der zur Gründung gegeben; sie wurden mit dem Akt von 1219 erst eigent- des Pilgerhospitals in der Heiligen Stadt führte, erfolgt lich geschaffen. sein. Der wahrscheinlichere Zeitpunkt liegt aber um die Nach Otto P. Clavadetscher handelte Heinrich von Sax, Mitte des 12. Jh., am Vorabend des Zweiten Kreuzzugs, wenn er die Kapellen der Talschaft dem neuen Stift als sich die Jerusalemer Spitalbruderschaft zum geist- inkorporierte, «zweifellos als Landesherr», der «das lichen Ritterorden gewandelt hatte.21 Eine entspre- Patronatsrecht über alle Kirchen seiner Herrschaft be- chende, von den antecessores des Heinrich von Sax anspruchte». Das Patronat über die drei Pfarrkirchen – begründete Abgabepflicht der Kapelle St. Peter in Hin- oder zumindest über die beiden bisherigen, St. Viktor terrhein wird 1219 auf das gesamte Priesterkapitel über- und St. Maria bei der Burg – entsprach indessen einem tragen, wobei nun das Johanniter-Hospital in Contone, am Fusse des Monte Ceneri (gegründet zwischen 1198 und 1209), als Erstempfänger der letztlich für Jerusalem 18 19 bestimmten Pfennige fungieren soll.22 Zu den drei angeblich von Heinrichs Vorfahren oder 20 Vorgängern gegründeten Kirchen gehört sodann die gleich unterhalb der Burg Mesocco stehende Sta. Maria 21 del Castello. Bis 1219 war sie die Pfarrkirche für das obere Misox – wie St. Viktor für das Gebiet von Rove- 22 redo und das Calancatal – , und sie sollte ihr Tauf- und Bestattungsrecht auch nach der Inkorporation ins Kollegiatstift behalten. Diese Marienkirche, die um das Jahr 23 1040 jedenfalls schon bestand23, könnte gegründet worden sein, um die Burgkirche St. Carpophorus mit einer Funktionserweiterung, einer Ausrichtung auf neue 24 landesherrliche und dann auch kommunale Bedürfnisse, abzulösen.24 In diesem Gotteshaus leisteten noch im späten 15. und frühen 16. Jh. – also in nach-saxischer Zeit, unter der Herrschaft des Gian Giacomo Trivulzio – die Leute von Mesocco und Soazza ihrem Landesherrn 25 den Treueid.25 So blieb «das Andenken an die Bedeutung der Talburg für die Ausbildung der landesherrlichen Rechte bis zum endgültigen Verfall der Herrschaft lebendig».26 Anders verhält es sich mit der dritten im gleichen Zusammenhang erwähnten Kirche, St. Viktor. Angesichts 26 27 poescHel (wie Anm. 3) 152. Datierung(svorschläge) nach clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 254. BUB II (neu) Nr. 591. Dazu bes. bolDini (wie Anm. 12) 9 und AnnA-MAriA DeplAzes-HAefliger, Die Freiherren von Sax und die Herren von Sax-Hohensax bis 1450 (Langenthal 1976) 29–30. Eher als die päpstliche Privilegierung der Bruderschaft, 1113, bietet sich die Bestätigung der Ordensregeln durch den Papst, 1137, als terminus post quem an. Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 237–239. Zum Hospital am Monte Ceneri AntoniettA Morietti, Contone. Helvetia Sacra IV/7, Bd. 1 (Basel 2006) 192–193. Vgl. neuerdings auch stefAn leHMAnn, Überlegungen zu den Sax und dem Johanniterorden zwischen Misox und Tessin. Mittelalter 15 (2010/4) 127–138. Dendrodatum 1039, angeführt in Högl (wie Anm. 2) 42. Dagegen will poescHel (wie Anm. 4) 215–216 und 336–337 diesen Campanile, zusammen mit dem grössten Teil des Langhauses, in die Zeit um 1100 datieren. iso Müller, Glanz des rätischen Mittelalters (Chur 1971) 50 postuliert für Sta. Maria del Castello eine frühe Gründung, eben weil sie den Mittelpunkt der oberen Pfarrei bildete, wobei sich die Pfarrsprengel mit den Gerichtsbezirken gedeckt hätten. Diese Beobachtungen sprechen jedoch nicht gegen eine Ablösung der Burgkirche durch die stärker ‹talschaftlich› oder ‹territorial› ausgerichtete Marienkirche bei der Burg. Die Huldigungsakte wurden mit den betreffenden Jahreszahlen (1481, 1503, 1517, 1519) jeweils durch Einkratzung auf dem unteren Rand der Bilderreihe an der nördlichen Kirchenwand festgehalten; vgl. eugen probst, Die Burg Misox. Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter in der Ostschweiz, hrsg. von Hermann Meili (Trogen 1970) 26. poescHel (wie Anm. 3) 69. Ein solcher Umbau wäre dann von der dreischiffigen Pfeilerbasilika des 13. Jh. überformt worden; vgl. luDMilA seifert-uHerkovicH/ lezA DoscH, Kunstführer durch Graubünden (Zürich 2008) 327. Mittelalter 18, 2013 / 3 69 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox «noch recht ansehnlichen Rest des ehemaligen Eigen- Grundherrschaft im 12. Jh.». Auf dieser Basis hätten die kirchenrechts», der über die Zeit des Investiturstreits Saxer hier vergleichsweise früh «eine relativ geschlossene herübergerettet worden war.28 Damit würde die Reihe Adelsherrschaft ausgebildet»; früher jedenfalls, als ihnen der Saxer antecessores doch zumindest ins 11. Jh. zu- dies mit der Herrschaft Sax-Hohensax im Alpenrheintal rückreichen. Sollen wir annehmen, dass in dieser oder gelang.33 Folgerichtig postuliert die Autorin, dass die sogar noch früherer Zeit bereits die Edelfreien von Sax Familie von der Alpensüdseite stammte. Im Comas- oder deren unmittelbare Rechtsvorgänger in der Mesol- kischen ist der Name Sacco oder Sacchi bei reichen cina herrschten? Bürger- und bei Adelsfamilien oft anzutreffen.34 In ge- Aus dem Wortlaut der Urkunde von 1219 ergeben sich wisser Weise erinnert dies an Otto P. Clavadetschers Fragen nach dem Entstehungszeitpunkt der saxischen (1965 formulierte) Überzeugung, dass der im 12. Jh. in Landesherrschaft im Misox, aber auch Fragen nach der Churrätien erscheinende Hochadel einheimischen Ur- regionalen Herkunft der Saxer – Fragen, zu deren Be- sprungs, und das heisst jedenfalls: nicht aus Schwaben antwortung die im Stiftungsbrief enthaltene Information zugewandert sei.35 offensichtlich nicht ausreicht. Doch eben eine solche Herkunft aus Schwaben wird für die Saxer neuerdings wieder bestätigt.36 Heinz Gabathu- Herkunft der Saxer und Ursprung ihrer Misoxer ler identifiziert den Eberhard de Sacco der Gammertin- Herrschaft ger Urkunden von 1137/39 mit jenem edelfreien Eber- Der erste bekannte Angehörige der Familie von Sax ist hard de Sasbach, der zwischen 1138 und 1152 ein Gut der edelfreie Heberhardus de Sacco. Er wirkt 1137/39, im Dorf Sasbach (Ortenau-Kreis) – am gleichnamigen, in als die Grafen von Gammertingen ihren Oberenga- die Murg mündenden Flüsschen – dem Kloster Reichen- diner Besitz an den Vogt des Churer Hochstifts über- bach im Murgtal verleiht. Damit erscheint der nordwest- tragen, in Chur als Handlungsbevollmächtiger der liche Schwarzwald als Herkunftsgebiet der Saxer, wozu Gammertinger.29 die neu vorgeschlagene Etymologie Sax < Sachs < Sahs < Gertrud Hofer-Wild (1949) sieht in den Grafen von Sas (germ. Schwert) gut passt.37 Aus dem Gesagten folgt Gammertingen ein wichtiges Glied in jener Kette von allerdings auch, dass die jüngere Lautung Sachs oder Sax Erbgängen und Besitztranfers, an deren Anfang, um (in der Form Sacco) womöglich noch vor der ursprüng- 800, Karl der Grosse, an deren Ende jedoch, ab 1140, lichen Lautung Sasbach in den Quellen erscheint, was an die Saxer gestanden hätten.30 Von dem mit den Karolin- der Identifizierung zweifeln lassen könnte. Da die Gam- gern verwandten Herzogshaus der Udalriche, das im mertinger Urkunden aber nur durch späte Abschriften38 frühen 9. Jh. die Grafschaft in Oberrätien beanspruchte31, überliefert sind, ergeben sie für die Namensgeschichte wären Herrschaftsrechte und Güter innerhalb verschie- nichts Sicheres. dener Teilgrafschaften an die Welfen gelangt; von diesen Anlässlich der Tarasper Schenkung an das Bistum Chur, wiederum an die Gammertinger; und von Letzteren eben 1160, tritt Reinger de Sacches als Zeuge auf.39 Bei einem an die Saxer. Dabei seien die alten Reichsrechte allmäh- Gütertausch zwischen dem Kloster Bebenhausen (bei lich soweit privatisiert worden, dass die von Sax schliess- Tübingen) und dem Bistum Speyer, den der Pfalzgraf lich als «Inhaber der gesamten öffentlichen Gewalt», als Rudolf von Tübingen 1188 vornimmt, wird der edel- «Inhaber der vollen landesherrlichen Gewalt im Tal» freie Albert de Sackis als Gefolgsmann des Tübingers er- auftreten konnten32, ohne selbst mit der Grafschaft be- wähnt.40 Er gehört bereits einer jüngeren Generation an; lehnt worden zu sein. wahrscheinlich war er ein Sohn Eberhards I. von Sas- Demgegenüber vermutet Anna-Maria Deplazes-Haef- bach/Sax. liger (1976) für das Misox nicht eine Herrschafts- Um 1200 wandern die Saxer nach St. Gallen, wo ihnen bildung von oben her, aus der alten Grafschaft, sondern der Klostervogt Ulrich von Gammertingen († nach 1165) «einen allmählichen und systematischen Ausbau der den Weg geebnet hat, sowie nach Chur, wo sie bis dahin 70 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox nur sporadisch, nämlich bei den Rechtsgeschäften von darf man sie dem (älteren) Lokaladel zuordnen, ins- 1137/39 und 1160, aufgetreten sind.41 Die Angehörigen besondere den (auch später noch bezeugten) Herren von des soeben erwähnten Albert I. von Sax erreichen hohe Andersilia oder Andergia.48 Was die deutschen Vor- Stellungen sowohl in der Abtei an der Steinach wie im namen angeht, so kommen sie in der Urkunde von 1203 Domkapitel an der Plessur. Ein Bruder, Heinrich I., er- derart häufig vor, dass man geradezu von einer klein- scheint ab 1193 in St. Gallen als Dekan. Ein Sohn, Ulrich II., adligen und grossbäuerlichen49 Führungsschicht deut- regiert ab 1204 sogar als Abt des Klosters, das nun scher Namensträger sprechen könnte.50 schon seit längerem unter staufischer Vogtei steht; König Philipp von Schwaben erhebt ihn 1207 zum Reichsfürs- 28 ten. Ein weiterer Bruder (?) des Albert, Ulrich I., wirkt 1200 als Vogt des Churer Hochstifts. Ein Enkel (?), 29 Ulrich III.,42 ist ab 1210 als Dompropst bezeugt. Eben in jenem Jahr, 1210, wird die Burg Sax (später Hohensax) erstmals erwähnt: in castro Saches.43 Sie bildete den Mittelpunkt einer neugebildeten Herrschaft im Reichsforst Sennwald. Laut der St. Galler Kloster- 30 31 chronik waren Ulrich II., der Abt, und sein Bruder Heinrich II. um 1206 auf einer neu erbauten Burg vom Grafen Hugo I. von Montfort angegriffen worden.44 Aber bereits 1194 hatte Heinrich II. im Gefolge Kaiser Hein- 32 33 34 35 richs VI. in Chur ein Rechtsgeschäft bezeugt, das die Kirche Bendern betraf45 –, deren Sprengel an den Sennwald grenzte. Insgesamt zeigt sich hier eine feste Verankerung derer von Sax in der (ober)schwäbischen Gefolgschaft der Staufer; eine Königsnähe, die zur Voraussetzung wird für die saxische Herrschaftsbildung 36 37 38 39 40 41 südlich des Bodensees. Demgegenüber sei jene vereinzelte Quelle nicht verschwiegen, die ein Auftreten der Saxer in der Mesolcina bereits für das 12. Jh. wahrscheinlich macht. Ein vor 1147 vorgenommener Eintrag im Totenbuch der Churer 42 43 Kathedrale verzeichnet das Ableben eines Eberardus de Mesauco.46 Zeitlich gesehen, könnte dieser Eberhard mit 44 dem Gammertinger Prokurator von 1137/39 wie auch mit dem Sasbacher Stifter von 1138/52 identisch sein. Der Zuname de Mesauco rückt ihn allerdings näher an den Sacco von 1137/39 – und an Hofer-Wilds Auffassung vom Erbe alter Grafenrechte in der Mesolcina. 45 46 47 48 Eine Urkunde von 1203 – ein Grenzvertrag zwischen den Gemeinden Mesocco und Chiavenna – nennt einige Misoxer Herrschaftsträger, die zum Teil deutsche Vornamen tragen.47 Diese in Mesocco residierenden Personen waren nun aber offenbar keine Saxer. Stattdessen 49 50 otto p. clAvADetscHer, Das Schicksal bischöflicher Eigenkirchen. In: Rätien (wie Anm. 9) 226–234, hier 232. BUB I, Nr. 297–299. Die Besitzübertragung geschieht cum manu advocati nostri Heberhardi de Sacco, wobei «advocatus» hier natürlich nicht den «Vogt» einer geistlichen Institution meint, sondern einen Mandatar oder Prokurator. Vgl. elisAbetH Meyer-MArtHAler, Die Gamertingerurkunden. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 25 (1945) 491–519, bes. 501–504. Zum Folgenden Hofer-WilD (wie Anm. 15) 2–20. Tatsächlich dürfte der Einfluss der Udalriche in Churrätien ziemlich ephemer gewesen sein; vgl. MicHAel borgolte, Gerolde (Udalriche). Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.03.2007 (URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D2089.php). Hofer-WilD (wie Anm. 15) 25 bzw. 30. DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 31, 34. DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 19–22. otto p. clAvADetscHer, Die Herrschaftsbildung in Rätien. In: Rätien (wie Anm. 9) 326–343. Heinz gAbAtHuler, Die Anfänge der Herren von Sax und Misox. Bündner Monatsblatt 2009, 64–79. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 67. Aus dem 15. Jh: Kreisarchiv Oberengadin Zuoz, Urk. Nr. I/1-3. BUB I, Nr. 341. BUB I, Nr. 446. Die Urkunde von 1160 nennt zwar keinen Ausstellungsort; es ist jedoch anzunehmen, dass es Chur war. – Zum Folgenden gAbAtHuler (wie Anm. 36) 68–70 und DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 37. So nach gAbAtHuler (wie Anm. 36) 73; frühere Genealogen haben die Ordinalzahl III. erst dem Ulrich aus der folgenden Generation (Bruder Heinrichs III. und Alberts III.) beilegen wollen. Heinrich II. und sein Sohn Albert II. tätigen für sich selbst und für weitere Familienmitglieder eine Jahrzeitstiftung; BUB II (neu) Nr. 532. DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 32–34. Graf Hugo I. von Montfort war der Bruder des Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen; soeben – 1206 – hatte zwischen ihnen eine Hausteilung stattgefunden. BUB I, Nr. 467. Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 36 sowie gAbAtHuler (wie Anm. 36) 73. BUB II (neu) Nr. 498. Vgl. dazu gAbAtHuler (wie Anm. 36) 72–73. Andersio oder Andersia wird in der Urkunde öfters als Wohn- bzw. Herkunftsort genannt, wobei die betreffenden Personen mit den Ausdrücken domina, ministralis oder ser als (klein)adelig gekennzeichnet werden. Für Chiavenna auch: stadtbürgerlichen. Nebst dem von Gabathuler hervorgehobenen Mainfredus von Mesocco-Crimei, dem Hauptakteur auf Misoxer Seite, werden für Bewohner von Mesocco und Chiavenna die Namen Albrechtus (Albrecht), Mittelalter 18, 2013 / 3 71 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Umso auffälliger bleibt der Umstand, dass der Name Sax Torre sei wohl Heinrichs II. angeheirateter Onkel ge- hier überhaupt nicht erscheint. Zumal für die Zeit um wesen: also nicht der Bruder Alberts I. – der in den 1200 ist das doch sehr bemerkenswert. Wenn die Saxer Quellen nie als Albert de Torre erscheint –, sondern damals wirklich schon jahrzehntelang Landesherren der bloss dessen Schwager.55 Gabathuler schliesslich verweist Mesolcina waren, so hätte sich dies bei einem derarti- darauf, dass Heinrich von Sax und Guido de Torre der gen Rechtsakt doch unbedingt manifestieren müssen.51 gleichen Generation angehören mussten; Guido möge Da liegt nun wieder der Schluss nahe, dass die Saxer um also ein Vetter von Heinrichs Ehefrau gewesen sein.56 Im 1200 noch gar nicht in der Talschaft residierten, noch Reigen der Interpretationen wird damit nicht nur Bluts- gar nicht auf der Burg Mesocco sassen.52 Nach dieser verwandtschaft durch Schwägerschaft, sondern auch die Sicht der Dinge würde der Stiftungsakt von 1219 einen Vater- durch die Mutterseite ersetzt.57 Schub der Herrschaftsbildung anzeigen, der nur wenige Die schwer durchschaubare Verwandtschaftsbeziehung Jahre zuvor erfolgt wäre. Erst das zweite Jahrzehnt des Sax-Torre bietet interessante Erklärungsansätze in zwei- 13. Jh. hätte also den eigentlichen Antritt der Saxer als erlei Hinsicht. Erstens ermöglicht sie eine Identifikation Landesherren im Misox gesehen. der 1219 erwähnten antecessores mit den Torre – oder mit einer weitverzweigten Sippe, der sowohl Sax wie Staufische Gefolgschaft auf der Alpensüdseite Torre angehörten –, und erklärt damit die Herkunft der An dieser Stelle ist die Überlieferung zu diskutieren, wo- saxischen Eigengüter in der Mesolcina. Zweitens ent- nach die Saxer mit den Freiherren de Torre, den früheren deckt sie innerhalb des Saxer Beziehungsradius’ das Ver- Reichsvögten des Bleniotales, verwandt waren. Eine enge gleichsbeispiel einer Reichsvogtei, eines Grafschafts- Verwandtschaftsbeziehung zu jenem Herrengeschlecht, lehens, in einer benachbarten südalpinen Talschaft und das als Statthalter Kaiser Friedrichs I. Barbarossa an der erhellt damit die Bildung der saxischen Landesherrschaft Lukmanierstrasse wirkte (sowie am damals noch un- in der Mesolcina. wichtigen Gotthardweg), würde es nahelegen, dass die Dies weist uns zurück in die erste Zeit der staufischen Saxer zur gleichen Zeit eine entsprechende Funktion an «Passpolitik», in die Epoche des Kampfes zwischen der Bernardinostrasse ausübten. dem deutschen Kaiser und den lombardischen Städten. Die Quelle, welche die Verwandtschaft bezeugt, ist Beide Parteien versuchten die südlichen Fusspunkte der allerdings noch jünger als der Misoxer Stiftungsbrief Alpenpässe, die zugleich die nördlichen Vorposten des von 1219; die fragliche Aussage geschieht da retro- Bischofs- und Stadtstaates Como bildeten, zu gewin- spektiv. In einem Prozess, den Heinrich II. von Sax nen: vor allem Bellinzona, in zweiter Linie auch Chia- 1224 gegen das Domkapitel Mailand um die Reichs- venna. Eine politisch-geografische Sonderrolle spielten vogtei über die Val Blenio führt, nennt Guido de Torre, dabei die oberen Tessintäler Blenio, Leventina und Ri- der Sohn des einstigen Reichsvogtes Alcherio, den Saxer viera (zwischen Biasca und der Grafschaft Bellinzona). seinen nepos (Bruder- oder Schwestersohn), während Die drei «Ambrosianischen Täler»58 gehörten nicht zum Letzterer ihn als patruus (Vatersbruder) bezeichnet.53 comaskischen Staat, sondern unterstanden dem Dom- Über die genaue Bestimmung dieses Verwandtschafts- kapitel von Mailand. Der erste Stauferkaiser, Kon- verhältnisses ist sich die Forschung nicht einig gewor- rad III. (reg. 1138–1155), verlieh sie den Grafen von den. Karl Meyer und seine Schülerin Hofer-Wild wollen Lenzburg. Nach deren Aussterben 1173 ging das Lehen für patruus tatsächlich nur die enge Bedeutung «Vaters- an Alcherio de Torre.59 Die Torre bildeten seit der Mitte bruder» gelten lassen. Heinrichs Vater Albert I. von Sax des 12. Jh. die «Hauptstützen der obertessinischen wäre demnach eigentlich ein Torre gewesen, der eine von Reichspartei im Kampf gegen Mailand».60 Sax heiratete und seinen Namen wechselte.54 Deplazes- Im Jahr 1192 erreichte eine Gesandtschaft des kaiser- Haefliger hingegen versteht patruus hier im allgemei- treuen Bischofs von Chur und der Grafschaft Chiavenna, nen Sinne von «Verwandter von Vatersseite». Guido de dass Kaiser Heinrich VI. Chiavenna in das Herzogtum 72 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Schwaben eingliederte. Dabei wurde glaubwürdig be- mit Mailand versöhnen; Serravalle fiel erneut in lombar- hauptet, des Kaisers Vater, Friedrich I. Barbarossa, habe dische Hand und wurde zerstört.66 So kam es 1182 zu die gleiche Massnahme schon über drei Jahrzehnte zuvor getroffen.61 Die Annahme der älteren Forschung,62 Barbarossa habe auch die Mesolcina zum Herzogtum Schwaben geschlagen und sie überdies dem Bistum Chur – dem sie 51 1219 unterstehen wird – zugeteilt, erscheint vor diesem Hintergrund durchaus plausibel. Der urkundliche Nachweis hierfür fehlt allerdings. Ein Kaiserdiplom über die politische Zugehörigkeit des Misox existiert allerdings; doch das Stück ist eine Fäl- 52 schung. Der ostfränkische König und spätere Kaiser Konrad II., der 1026 vom Erzbischof von Mailand zum König der Langobarden gekrönt wurde, soll dem Bischof von Como im gleichen Jahr nicht nur die Burg und 53 Grafschaft von Bellinzona (was wohl zutrifft), sondern auch die Grafschaft Misox, «bestehend aus dem Alpgebiet jenseits von Bellinzona im Misoxertal», verliehen haben.63 Wann die Urkunde gefälscht wurde, ist nicht genau bekannt; es muss aber noch vor dem Einsetzen der abschriftlichen Überlieferung im 14. Jh. geschehen sein. Anzunehmen ist ein Zeitpunkt bald nach der Auflösung 54 der oberrätischen Grafschaft 108964 oder aber nach der (wiederum nicht urkundlich belegten) Verleihung der 55 Grafschaft Misox an die Saxer durch einen Stauferkaiser – sei es durch Konrad III. um 1140, durch Friedrich I. um 1173, durch Heinrich VI. um 1194 oder durch Friedrich II. um 1213. Die Urkundenfälschung hätte somit Comos direkte Reaktion auf diesen Leiheakt gebildet.65 Im epischen Kampf zwischen Barbarossa und der Lega Lombarda stand Como indessen meist auf kaiserlicher Seite. Soweit die Südalpentäler betroffen waren, vollzog sich der Zusammenstoss zwischen dem Reichsoberhaupt und dem Städtebund nicht etwa in der Valle Mesolcina oder in der Val Chiavenna, sondern in der Val 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 Blenio. Im Frühling 1176 kam der Kaiser wieder einmal über den Lukmanier gezogen; Alcherio de Torre eroberte für ihn das von mailändischen Truppen besetzte Kastell Serravalle (zwischen Ludiano und Semione), den gewöhnlichen Sitz der Talvögte. Doch wenig später erlitt der Staufer in der Schlacht von Legnano eine schwere Niederlage. Sein Vasall im Bergtal musste sich daraufhin 66 Anricus (Heinrich), Carlus (Karl), Conradus (Konrad), Ermannus (Hermann), Gotefredus (Gottfried), Guilielmus (Wilhelm), Odalri cus (Udalrich, Ulrich), Oprandus (Ottobrand?), Oricus (Orich?) und Otelmus (Othelm) genannt, und zwar in den meisten Fällen für jeweils mehrere Namensträger. Anlässlich der Grenzziehung auf der Alp Rasdeglia (in der Val San Giacomo, inzwischen ganz zur Gemeinde Madesimo gehörend) wäre es vom Landesherrn zu erwarten, dass er selbst Alpbesitz bzw. das Allmendregal reklamierte, oder dass er zumindest als Gerichtsherr auftrat. Diese Rolle wurde nun aber vom erwähnten Manfred von Mesocco-Crimei wahrgenommen, der als Bürge gegenüber Chiavenna fungierte. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 77 misst der Burg Mesocco bis um 1300 eine nachrangige Stellung gegenüber der Burg Calanca zu; dies aufgrund von Quellen aus dem dritten Viertel des 13. Jh. Daraus folgt allerdings nicht unbedingt, dass sich um 1200 nur erst Calanca, noch nicht aber Mesocco, in saxischer Hand befunden hätte. kArl Meyer, Blenio und Leventina von Barbarossa bis Heinrich VII. Mit Urkundenbeilangen (Luzern 1911) 24*. – Zu den Wortbedeutungen cHArles Du fresne Du cAnge et al., Glossarium mediae et infimae latinitatis, éd. augm., 10 Bde. (Niort 1883–87) Bd. V, Sp. 587b bzw. Bd VI, Sp. 221c. Vgl. auch kArl ernst georges, Kleines lateinisch-deutsches Handwörterbuch (Hannover 1913) Sp. 1141 (nepos = Enkel oder überhaupt Nachkomme) bzw. 1515; sowie J. f. nierMeyer, Mediae latinitatis lexicon minus (Leiden, New York, Köln 1976) 717 (nepos = Vetter). Die übrigen Bedeutungen von nepos, nebst Neffe, kommen hier logischerweise nicht in Betracht, da ja eine Korrespondenz zu patruus vorauszusetzen ist. Meyer (wie Anm. 53) 85–86; Hofer-WilD (wie Anm. 15) 31–33. Die Heirat Torre-Sax war um 1180 mit kaiserlichem Segen, wenn nicht gar auf kaiserliche Weisung, erfolgt. DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 26–28. Hier ebenfalls erwogen: Guido de Torre war ein Cousin Heinrichs II. von Sax, und Alcherio der angeheiratete Onkel. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 72. Letzteres wäre immerhin – der Etymologie zum Trotz – zulässig nach nierMeyer (wie Anm. 53) 776: patruus = Muttersbruder. Nach St. Ambrosius, dem Schutzpatron der Mailänder Domkirche. Ausserdem an einen Bernhard von Giornico; vgl. Meyer (wie Anm. 53) 168–173. Meyer (wie Anm. 53) 85. BUB I, Nr. 456: Die Urkunde bestätigt ein entsprechendes Privileg von 1157. Vgl. etwa poescHel (wie Anm. 3) 217. Comitatum Mesaucinum, quod constat situm in alpibus ultra Beri zonam scilicet per Vallem Mesauchinam; BUB I, Nr. 170*, S. 135. Hofer-WilD (wie Anm. 15) 3–5. Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 73. Aber sollten die comaskischen Fälscher den Hinweis, früher habe ein deutscher Herr die Grafschaft Misox innegehabt (quod quidam Teutonicus olim tenebat ad publi cam partem), tatsächlich deshalb in ihren angeblich aus dem Jahr 1026 stammenden Text aufgenommen haben, um der Tatsache gerecht zu werden, dass die Mesolcina seit dem 12. Jh. deutsche Landesherren hatte? Dies wäre kein geschickter Zug, sondern geradezu widersinnig gewesen. Die Burg wurde im 13. Jh. wieder als Vogtsitz benutzt und unter den Visconti im 14. Jh. weiter ausgebaut. 1402 wurde sie von dem mit den Innerschweizer Eidgenossen verbündeten Albert von Sax-Misox, Mittelalter 18, 2013 / 3 73 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox jener bekannten «Verschwörung» oder «Eidgenossen- welfische König Otto IV. auf einer Fähre über den schaft» (coniuratio), durch die sich die Talgemeinde Bodensee; er aber wurde abgewiesen. Auf diese Weise Blenio konstituierte.67 Artusio de Torre, ein Sohn des sorgte das Saxer Brüderpaar für eine erfolgreiche An- Alcherio, wurde auf seiner Burg Curtero oberhalb von kunft des Staufers in deutschen Landen und ebnete ihm Torre belagert; er und seine Angehörigen mussten als den Weg zur Krönung.71 Vögte für immer abdanken und erhielten ein Burgenbau- Während Abt Ulrich hier (nicht zum ersten Mal) in einer verbot auferlegt.68 kriegerischen Rolle auftrat, handelte sein weltlicher Als die Blenieser Bergler so entschlossen dem Beispiel Bruder Heinrich wohl zugleich als Vertreter geistlicher der padanischen Kommunen folgten, hatten die loka- Institutionen; waren diese doch zur Königsgastung ver- len Feudalherren ausgespielt. Die vicini, die im Nach- pflichtet. Abgesehen vom Kloster St. Gallen, als dessen barschaftsverband zusammengeschlossenen einfachen «inoffizieller» Vogt er in dieser Phase gelten kann, hatte Leute, wurden bald auch ökonomisch übermächtig; ab Heinrich die gleiche Funktion wahrscheinlich auch für dem frühen 13. Jh. mussten die Torre ihre Alpen an die das Churer Hochstift und für das eine oder andere räti- Nachbarschaft Olivone verkaufen.69 In der Mesolcina sche Kloster inne. hingegen gelang den Saxern derweil jener Aufstieg, der Heinrich II. von Sax erscheint am 22. Mai 1194, mit sie im 13. Jh. auf einen Machthöhepunkt führen sollte. seiner ersten Erwähnung überhaupt, in Chur.72 Zu- Dies war nur möglich, weil der zur Gemeindebildung an- sammen mit den bedeutendsten rätischen Freiherren – stiftende Einfluss Mailands am Alpensüdfuss noch nicht Sagogn-Wildenberg und Vaz – bildete er da das lokale über die Ambrosianischen Täler hinausreichte. Gefolge, oder eine Art Empfangskomitee, für das Reichsoberhaupt. Kaiser Heinrich VI. war mit seinen Brü- Königsnähe und Vogteirechte dern Konrad und Philipp, dem Herzog von Schwa- Dass die Saxer treue Gefolgsleute der Staufer waren, ben und dem künftigen römisch-deutschen König, auf zeigte sich besonders deutlich unter Friedrich II. Als der der Reise nach Sizilien. Der Bischof von Chur wird neu gewählte König im Frühling 1212 aus Süditalien ins bei dieser Gelegenheit nicht erwähnt. Der bisherige In- Reich zu seiner Krönung reiste, da waren sie ihm auf haber dieses Hirtenamtes war nämlich abgesetzt; nur einer entscheidenden Etappe behilflich. Der achtzehn- wenig später wurde Reinher de Torre an seiner statt ein- jährige König – das chint von Pülle, Kind aus Apulien, gesetzt.73 Reinher war ein Bruder des Guido und des wie seine Feinde im Reich ihn verhöhnten – kam mit Artusio, und somit ein weiterer patruus Heinrichs II. wenigen Begleitern zu Schiff in Genua an. Von da schlug von Sax.74 er sich, knapp den feindlichen Mailändern entwischend, Im Jahr 1200 wirkte Heinrichs Onkel väterlicherseits, quer durch die Poebene über Pavia, Cremona und Ulrich I. von Sax, als Churer Hochstiftsvogt und zu- Mantua nach Verona durch. Dann aber sperrten ihm gleich als Vogt des Prämonstratenserstifts Churwalden.75 welfische Adlige den Weg durch das Etschtal, die Die Hochstiftsvogtei wurde zwar in der Folge, wie schon Brennerroute. Also wich er über die rätischen Pässe – zu Barbarossas Zeiten, an das Reichsoberhaupt über- Ofen oder aber Bernina – aus und eilte nach Chur.70 tragen; auch Friedrich II. empfing sie.76 Doch faktisch Und hier bekam er endlich eine militärische Eskorte: dürften die Saxer weiterhin die Vogteigewalt wahr- Die Gebrüder Sax – Ulrich II., Abt von St. Gallen, und genommen haben. Ziemlich sicher taten sie das in Chur- der weltliche Heinrich II. – gaben ihm nun das Geleite. walden.77 Das dortige Kloster verdankte ihnen seine erste So zog man das Rheintal hinab, über den Ruppen nach überlieferte Schenkung: 1210 stiftet Heinrich II. mit sei- St. Gallen und weiter nach Konstanz. Nur um Stunden nem Sohn Albert II. eine reich dotierte Jahrzeit für seinen kamen die Saxer mit ihrem Schützling dort dem grossen Vater Albert I. und seinen Bruder Eberhard II.78 Gegner und Konkurrenten zuvor. Denn kaum hatten sich Die Saxer waren ausserdem Vögte der Abtei Disentis. die Tore von Konstanz für sie geöffnet, so nahte der Dieses Amt erhielten sie gerade aufgrund der Dienste, 74 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox die sie Friedrich II. erwiesen. Denn über das alte könig- Fälschung.81 Ein Indiz dafür, dass Heinrich das Blenio- liche Eigenkloster Disentis sollte nun wieder ein Reichs- Lehen 1213 tatsächlich erhalten hatte, liefert der Auf- vogt walten.79 Am 22. Mai 1213 ist Heinrich II. von Sax stand, den die Blenieser im Herbst jenes Jahres gegen die erstmals als Disentiser Vogt bezeugt: Er entsendet einen vom Domkapitel Mailand eingesetzten Gerichtsherren Untervogt – Thomasius de Torre –, damit Abt Burkhard wagten. Die Bauern mögen dabei auf die Unterstützung von Disentis Klostergüter in Lombardia an einen ge- des Freiherrn von Sax gebaut haben; dieser griff aber wissen Godofredus aus Como verpfänden kann.80 offenbar nicht in die Auseinandersetzung ein.82 Ebenfalls im Frühling 1213 erhielt Heinrich von Sax Dass die Freiherren von Sax um 1220 Anspruch auf die möglicherweise die Reichsvogtei Blenio, samt Valle Vogtei Blenio erhoben, so viel steht immerhin fest, und Leventina, zu Lehen. Ein Lehensbrief ist allerdings nicht zwar aufgrund jenes bereits erwähnten Prozesses, den überliefert. Am 26. November 1220 soll Friedrich II. in Heinrich II. 1224 in dieser Sache gegen das Mailänder Rom – wo er vier Tage zuvor zum Kaiser gekrönt wor- Domkapitel führte. Das Urteil ist nicht überliefert; doch den war – dem Saxer den Besitz der Grafschaft Blenio es dürfte zugunsten der Saxer ausgefallen sein.83 bestätigt haben. Aber auch dieser Vorgang bleibt un- Bemerkenswert an diesem Vorgang ist nicht zuletzt die verbürgt; die entsprechende Urkunde ist eine spätere zeitliche Nähe zum Misoxer Stiftungsbrief von 1219. 67 68 69 70 71 72 im Verein mit den Blenieser Talleuten, endgültig zerstört. Vgl. Meyer (wie Anm. 53) 265. Vgl. die neuere Literatur zu dem epochemachenden Vorgang: lotHAr DeplAzes, Il patto di Torre del 1182. Mito storiografico, struttura formale dell’atto e significato politico-sociale dell’avvenimento. Materiali e documenti ticinesi, Serie III: Blenio (Bellinzona 1975) 18–48; bAsilio MArio biuccHi, Blenio, una valle ambrosiana nel Medioevo. Per una rilettura critica del Patto di Torre del 1182. Archivio Storico Ticinese 28 (1982) 7–99; ADriAno cAvAnnA und giulio visMArA, Il patto di Torre, febbraio 1182. Gli antecedenti e la formazione della comunità di Val Blenio (Bellinzona 1982). Zum Ganzen auch Meyer (wie Anm. 53) 176–179. Meyer (wie Anm. 53) 90 und 177. Die Forschungsliteratur nimmt allgemein an, der Weg sei dem König erst an der eigentlichen Brennerpass-Rampe gesperrt worden; also sei er über den Reschen ins Engadin gegangen, so olAf b. rADer, Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron (München 2010) 78. Der Weg über den Ofenpass bot demgegenüber jedoch die kürzere Verbindung zwischen Bozen und Chur. Auch die in dieser Sache genauesten Chronisten – Sichard von Cremona und Konrad von Ursperg – nennen keine Pass-Namen; sie geben bloss an, dass der König etschaufwärts nach Trient gelangt bzw. «aus dem Trienter Tal», de valle Tridentina, in unwegsameres Gelände abgebogen sei; vgl. JeAn louis AlpHonse HuillArD-bréHolles, Historia diplomatica Friderici II., 6 Bde. (Paris 1852–1861) Bd. I/1, 214– 215. Die Wegsperrung dürfte daher nördlich von Trient, an der Salurner Klause erfolgt sein (jedenfalls nicht schon nördlich von Verona, an der Veroneser Klause, wo die Staufer auf ihren Italienzügen sonst öfters aufgehalten wurden). Friedrichs Ausweichroute verlief demnach durch die Val di Sole über den Tonalepass in die Val Camonica und über den Apricapass ins Veltlin, an den Eingang des Puschlav. Von Konstanz ging es weiter nach Basel – stets unter dem Schutz von Abt Ulrichs starker Streitmacht,, wie Konrad von Pfäfers, der zeitgenössische St. Galler Klosterchronist, betont; Conradi de Fabaria Casuus S. Galli Continuatio. Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Bd. II (Hannover 1829) 163–183, hier 171. BUB I, Nr. 467. 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 otto p. clAvADetscHer/Werner kunDert, Das Bistum Chur. Helvetia Sacra I/1 (Bern 1972) 449–577, hier 477. BUB II (neu), Nr. 499, 21. März 1204 in Torre: Bischof Reinher bezeichnet Artusio als seinen Bruder. BUB II (neu), Nr. 485. Dazu Jürg l. MurAro, Untersuchungen zur Geschichte der Herren von Vaz. JHGG 100 (1970) 1–231, hier 51, Anm. 18 sowie floriAn Hitz, Hochadel in Oberrätien. Herrschaft und Kultur. Bündner Monatsblatt 2008, 417–448, hier 435. BUB II (neu) Nr. 556, von 1213 (März). Vgl. Jürg l. MurAro, Churwalden: Mittelalter. Helvetia Sacra IV/3 (Basel 2002) 271–283, hier 275. BUB II (neu) Nr. 532. Die Stiftung wird auf der Burg Sax (Ersterwähnung!) getätigt und ist u. a. mit einem Weinberg in Gams fundiert. Sie soll in Churwalden auch den Bau einer Hospitalkapelle ermöglichen. Nachdem die Vogtwahl im Jahr 1048 dem Kloster selbst überlassen worden war. Vgl. iso Müller, Disentis im 13. Jahrhundert. JHGG 66 (1936) 210–252, hier 244. BUB II (neu) Nr. 559. Der Untervogt Thomasius de Torre ist ein Verwandter von Mutterseite des Abtes Burkhard. Meyer (wie Anm. 53) 17*. Dem Saxer wird darin ausserdem der Besitz der Herrschaft Monte Dongo am oberen Comersee gewährleistet. Die Fälschung wurde zu Beginn des 15. Jh. hergestellt, als Albert von Sax-Misox den Monte Dongo eroberte. Sollte der Text auf einer echten Urkunde von 1220 beruhen, so würde es sich bei der Stelle über Monte Dongo um eine Interpolation handeln. Ursprünglich dürfte da die Reichsvogtei über die Leventina erwähnt worden sein. Vgl. ebd. 190 und 267. Im Frieden, den die Freiherren von Belmont (deren Lugnezer Herrschaft an das Bleniotal grenzte) am 1. Nov. 1213 zwischen den Leuten von Aquila und Olivone und ihren Gerichtsherren, den edelfreien Orelli von Locarno, vermittelten, werden die Saxer nicht erwähnt. Vgl. Materiali e documenti ticinesi, Serie III: Blenio, Fasc. 1 (Bellinzona 1980) Nr. 27–28. Der Kaiser hatte den mailandfeindlichen Bischof von Como als Richter in dieser Sache bestimmt. Meyer (wie Anm. 53) 191–195, nimmt an, dass die Saxer Ansprüche vom Gericht abgewiesen wurden. Dagegen verweist gAbAtHuler (wie Anm. 36) 74 darauf, dass die Saxer noch 1270 Reichsrechte für eine hohe Summe an die Talgemeinden Blenio und Leventina verkaufen konnten. Mittelalter 18, 2013 / 3 75 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Ob die Saxer nun förmlich mit den Grafschaften Blenio und Misox belehnt worden waren oder nicht – jedenfalls äusserten sie um 1220 hier wie dort ihre Herrschaftsansprüche. «Dem Herrn von Misox und Klostervogt von Disentis bot sich damit die Perspektive eines Beherrschers der wichtigen Zentralalpenpässe Bernhardin und Lukmanier, vielleicht sogar des Gotthards. Ein rätisch-tessinischer Passstaat schien in der Entstehung begriffen.»84 Dieser euphorisch klingende Ausspruch Karl Meyers relativiert sich gleich selbst wieder, indem er erkennen lässt, dass die Beherrschung des Bleniotals für die Saxer eher eine – sich mehrmals bietende – Möglichkeit als eine dauerhafte Realität war. Reichs- und Italienpolitik Die Zusammenarbeit der Saxer mit Friedrich II. war intensiv – letztlich aber doch recht kurz.85 Ab 1213 waren Ulrich und Heinrich von Sax oft anwesend, wenn der König in Süddeutschland Hof hielt. Ab 1215 wirkte Ulrich, der juristisch gebildete Abt – er hatte in Paris und Bologna studiert –, als Gesandter des Reichsoberhauptes in Rom. Dort konnte er 1217 verhindern, dass Papst Honorius III. den Grafen Peter von Courtenay zum Kaiser des «Lateinischen Kaiserreichs» krönte.86 Im 4: Siegel Heinrichs II. von Sax, an einer Urkunde von 1236. Das Siegelbild kombiniert den Löwen aus dem staufischen Hauswappen mit dem Adler, der unter den Staufern zum Kaiser- und Reichswappen wurde. Herbst 1219 waren die Gebrüder von Sax am Hof in der Kaiserpfalz Hagenau (Elsass).87 Doch bereits im folgen- möglich über den Prozessausgang (den wir nicht kennen) den Jahr verstarb Abt Ulrich. so erbittert, dass sie sich ganz vom Kaiser abwandten?89 Heinrich von Sax, der meist nur in Begleitung seines Eine klare politische Entscheidung trafen sie Jahre spä- Bruders am Hof erschienen war, suchte die Nähe des ter, als der Dauerkonflikt zwischen dem Reichsober- Reichsoberhauptes nun gar nicht mehr – ausser, wir haupt und den lombardischen Städten wieder einmal in wollten die gefälschte Urkunde, die ihn wegen der Vogtei eine heisse Phase trat und das Alpengebiet erreichte.90 Blenio im Herbst 1220 im kaiserlichen Lager vor Rom Der Kaiser hatte vergeblich Mailand angegriffen, und zeigt, dem Inhalt nach für echt halten. der Papst hatte den Kirchenbann über ihn verhängt. Da Wie auch immer: Im saxischen Gefolgsdienst für den trat Como im Frühling 1239 ins kaiserliche Lager über. Kaiser kam es nun zu einer Ablösung. Noch im Jahr Bald regierten kaiserliche Podestaten in der Stadt Como 1220 nahm Albert II., Heinrichs Sohn, am Sizilienzug wie im Bleniotal. Doch nun setzte sich Heinrich von Sax teil, den der Staufer damals unternahm.88 Im Frühling an die Spitze mailändischer Truppen. Zusammen mit den 1223 begleitete Albert seinen Oberherrn nach Frosi- Orelli aus Locarno, Mailands Statthaltern in Biasca, be- none im Kirchenstaat, wo der Papst dem Kaiser das Ver- lagerte er 1242 Bellinzona. Dieses musste kapitulieren. sprechen eines Kreuzzugs abnötigte. Und dies war auch Die Festung Bellinzona, «die einst das Herz im Leibe der schon der letzte bekannte Aufenthalt eines Saxers im Comasken war, ist heute das in ihrer Brust steckende kaiserlichen Gefolge, obwohl damals gerade der wich- todbringende Schwert», so durfte der mit Mailand ver- tige Blenio-Prozess begann. Waren die Saxer dann wo- bündete Heilige Stuhl befriedigt erfahren. Die Kontrolle 76 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Eroberer von Bellinzona handelte es sich nämlich nicht mehr um Heinrich II., sondern bereits um dessen Enkel Heinrich III. Die Enkelgeneration erscheint 1239 als Landesherren der Mesolcina.95 Die kaiserfeindliche Einstellung der Saxer hatte sich zum ersten Mal bei der Churer Dompropstwahl von 1237/38 geäussert, als einer der Ihren den päpstlichen Kandidaten unterstützte.96 Um diese politische Haltung zu versinnbildlichen, legte sich Heinrich III. ein neues Siegel zu, das allerdings nur an einer Urkunde von 125797 erhalten ist. Statt der staufischen Embleme Adler und Löwe, die Heinrich II. noch 123698 im Siegel geführt hatte (Abb. 4), bestand das Saxer Wappen nun aus einem gespaltenen Schild – von Gold und Rot, wie aus späterer Zeit bekannt –, wobei Heinrich III. noch in jede Schildhälfte einen Stern setzte (Abb. 5). Ab der folgenden Generation, erstmals 1289, zeigte das Wappen der Sax-Misox anstelle der beiden Sterne dann zwei Säcke; dies in (ganz populärer) Ab84 85 5: Siegel Heinrichs III. von Sax, an einer Urkunde von 1257. Schild gespalten, jede Schildhälfte mit einem Stern belegt. Aussen flankiert den Schild beidseitig je ein weiterer Stern. über die transalpinen Verkehrswege gehörte nun den 86 87 mailändischen capitanei von Burg und Grafschaft Bellinzona: Heinrich von Sax und Simon de Orello.91 Diese Position liess sich allerdings nicht sehr lange halten. Gegen Ende der 1240er Jahre brach die staufische Macht in Italien zusammen. Nun schloss die Gemeinde 88 89 90 91 Mesocco, die ihrem Landesherrn in den Krieg gefolgt war, Frieden mit der Gemeinde Chiavenna, die für ihre 92 93 Landesherrin Como gekämpft hatte.92 Und als sich die Stadtrepublik Como im Inneren mit ihrer guelfischen Partei aussöhnte und im Äusseren wieder dem Lombardenbund annäherte, 1249, da waren auf der Gegenseite auch der Saxer und der Orelli zum Friedensschluss 94 95 96 gezwungen. Bellinzona mussten sie an Como zurückgeben.93 Der saxische Parteiwechsel, hinüber auf die antistaufische Seite, beruhte auf einem Generationenwechsel bei den Saxern, wie Heinz Gabathuler gezeigt hat.94 Beim 97 98 Meyer (wie Anm. 53) 52, Anm. 184. Zum Folgenden Meyer (wie Anm. 53) 54, 65, 190; DeplAzesHAefliger (wie Anm. 20) 41–45. Tatsächlich wurde der Graf vom Papst nur gesalbt – und das auch nur in der Basilika San Lorenzo fuori le mura, nachdem Ulrich von Sax den Kaiserthron im Petersdom besetzt hatte (indem er sich daraufsetzte). Peter von Courtenay, den der Adel des Kreuzfahrerreichs in Abwesenheit zum Kaiser gewählt hatte, verstarb 1219, ohne seine Hauptstadt Konstantinopel je betreten zu haben. In der Schutzurkunde für die Stadt Strassburg vom 11. Sept. 1219 wird allerdings nur Heinrich, nicht auch Ulrich, als Zeuge genannt; BUB II (neu) Nr. 594. Am 13. Juni 1221 ist er in Messina bezeugt; BUB II (neu) Nr. 606. Dies vermutet Meyer (wie Anm. 53) 202. Zur Sache vgl. oben, Anm. 83. Das Folgende Meyer (wie Anm. 53) 198–209. In dieser Stellung nachzuweisen vom 6. Juni bis 14. August 1244; BUB II (neu), Nr. 825, 825a, 825b, 825c, 826, 826a, 826b, 828, 828a, 828b, 828c. BUB II (neu) Nr. 851, Mesocco, 31. Mai 1247. Vgl. pAolo ostinelli, Nodo strategico, oggetto di conquista e perno dei destini materiali. Castello di Mesocco tra passato e futuro (wie Anm. 2) 63–74, hier 64. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 74. Heredes quondam domini Alberti de Sacco: Söhne des verstorbenen Albert II.; BUB II (neu) Nr. 777. Nämlich Domherr Hermann von Sax. Vgl. ursus brunolD, Die Churer Dompropstwahl nach einem unbekannten Protokoll von 1237/38. Geschichte und Kultur Churrätiens (Disentis 1986), 331– 348, hier 344. – Der Gewählte, Ulrich II. von Juvalt, konnte sich nur bis 1243 als Dompropst halten; clAvADetscHer/kunDert (wie Anm. 73) 537. BUB II (neu) Nr. 1001 (ohne Tages- und Monatsdatum). Chartularium Sangallense, Bd. III, bearb. von Otto P. Clavadetscher (St. Gallen 1983) Nr. 1257, 31. Juli 1236. Mittelalter 18, 2013 / 3 77 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox leitung des Familiennamens der «Sacchi» vom lateini- Rapperswil, um nach dem Tod des Grafen Rudolf II. von schen saccus bzw. vom italienischen sacco.99 Rapperswil dessen Erbe zu sichern.104 In den Jahren 1278 und 1282 erscheint Walter V. von Interessengegensatz am Gotthard Vaz in der Funktion eines Vogtes der Abtei Disentis.105 In Erwiderung auf ihren Parteiwechsel versuchte der Offenbar hatte König Rudolf ihn als Reichsvogt für das Kaiser den Saxern die Kontrolle über die Alpenpässe zu Disentiser Klostergebiet eingesetzt; so wie er die Vog- entziehen. Zumindest nahm er ihnen die Verfügung über teien Einsiedeln und Urseren nach dem (endgültigen) einen Pass, der gerade damals an Bedeutung gewann: den Aussterben der Rapperswiler seinen eigenen Söhnen Gotthard. Am 24. August 1230 hatte der Erzbischof von zuhielt. Möglich ist aber auch, dass bereits Kaiser Fried- Mailand die Kirche sancti Godeardi in Monte Tremulo rich um 1240 die Disentiser Vogtei an Walter IV. von Vaz geweiht – und bald darauf, am 26. Mai 1231, hatte Hein- vergeben hatte – oder aber an dessen Bruder, den ersten rich (VII.), der Sohn und Mitkönig Kaiser Friedrichs II., Grafen von Rapperswil.106 den Talleuten von Uri ihre Reichsfreiheit bestätigt.100 Im Amt des Podestà von Como, das er 1283 ausübte, Gegen die Saxer gerichtet war nun die folgende, den erreichte Walter V. von Vaz den Abschluss eines Bünd- Gotthardpass betreffende Massnahme des Kaisers: Um nisses zwischen dem Stadtstaat und dem König: Ersterer 1240 trennte Friedrich II. die Vogtei über das Urserental sollte Letzterem jederzeit Weg und Steg nach Italien of- von der Disentiser Vogtei ab und übergab sie als beson- fenhalten.107 dere Reichsvogtei dem Grafen Rudolf I. von Rapperswil. Doch was hat das alles mit den Freiherren von Sax Dieser hatte bereits die Klostervogtei Einsiedeln inne, zu tun? Diese blieben von der kaiserlichen Passpolitik die sich vor allem auf das Gebiet von Schwyz bezog. strikte ausgeschlossen. Ab 1240 galten sie als deren Im gleichen Zusammenhang steht wohl der Freiheits- Gegner. Diese klare Parteistellung überdauerte das brief, den Friedrich II. der Talgemeinde Schwyz 1240 ge- Interregnum: Sie hielt an, gleich ob der letzte Staufer währte.101 oder der erste Habsburger auf dem Kaiserthron sass. So Die jüngere Forschung hat plausibel gemacht, dass es muss etwa die Burg Mesocco noch den Zeitgenossen um sich beim Grafen Rudolf I. von Rapperswil eigentlich 1280 als eine «roccaforte guelfa» vorgekommen sein: um den rätischen Freiherrn Rudolf III. von Vaz handelte. eine guelfische Festung, eine Hochburg der kaiserfeind- Diesen hatte der letzte Freiherr von Rapperswil 1229 als lichen Partei.108 nepos meus et heres, als seinen Neffen und Erben, präsentiert. Das Einspringen des vazischen Verwandten in Herrschaftsteilung und Residenzverlagerung Rapperswil gewährleistete dort die dynastische und Nach dem «Goldenen Buch» (liber aureus) des Klosters politische Kontinuität. Der Schritt wurde vom Kaiser Pfäfers teilten die drei Söhne Alberts II. von Sax ihr Erbe schon 1232/33 mit der Erhebung in den Grafenstand folgendermassen: Heinrich III. erhielt die Mesolcina; sanktioniert.102 Albert III. die Vogtei Pfäfers mit der Burg Wartenstein Die Ablösung der Saxer durch die Vazer in der Vogtei (unterhalb des Klosterstandorts); Ulrich III. die Burg Ursern bildete eine Parallele zu Vorgängen, die etwas und Herrschaft Sax im Rheintal.109 Wann diese Teilung früher und etwas weiter östlich abgelaufen waren: Um erfolgte, sagt die Quelle nicht. Es muss jedoch bald nach 1230 hatten die Vazer die Saxer als Vögte des Hochstifts zwei einschneidenden Ereignissen gewesen sein: nach Chur und des Stifts Churwalden abgelöst.103 dem Tod Heinrichs II. von Sax, der zwischen 1236 und Nach dem Ende der Stauferherrschaft pflegte Freiherr 1239 eintrat, und nach dem Verlust der Vogtei Disentis, Walter V. von Vaz gute Beziehungen zu Graf Rudolf von den die Saxer um 1240 erlitten (denn die Vogtei Disentis Habsburg, der 1273 zum König gewählt wurde. Noch wird in der Teilung ja nicht erwähnt). während des Interregnums, in den 1260er Jahren, inter- Im Jahr 1253 sollen Albert und Ulrich zudem eine Tei- venierten der Vazer und der Habsburger gemeinsam in lung bestimmter Güter in Rätien vorgenommen haben.110 78 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Doch schon 1257 stiess Albert seinen Besitz ab: Mit dem Die bedeutende Rolle, die Heinrich III. von Sax auf sei- Einverständnis seiner beiden Brüder verkaufte er die ner Burg Calanca spielte, ist aus zwei Gründen in der Burg Wartenstein samt den Vogteirechten am Pfäfer- Forschung bis vor kurzem verkannt worden: Erstens hat ser- und Valenserberg, in Vättis und in Untervaz für 300 man die Echtheit der soeben zitierten Urkunde angezwei- Mark Silber an den Abt von Pfäfers.111 Von da an ver- felt, und zweitens hat man die in den 1250er Jahren vor- teilten sich die Saxer auf «zwei Machtzentren», ein südliches und ein nördliches. Das Erbteil Ulrichs III. wog dabei allerdings weniger schwer: Die Herrschaft SaxHohensax bildete bloss «eine unter vielen rivalisierenden 99 100 Kleinherrschaften im unteren Alpenrheintal».112 Albert III. von Sax liess sich in der Folge in der Mesolcina, auf der Burg Mesocco nieder. Ja, der Verkauf von Wartenstein 1257 kann geradezu als Terminus ante 101 quem für die Fertigstellung des grosszügigen Ausbaus von Mesocco gelten; ist doch anzunehmen, dass der Saxer die Burg im Norden nicht veräusserte, bevor jene 102 im Süden – mit Palas, Badhaus und grossem Hof – wirklich bezugsbereit war. Es ist indessen denkbar, dass Albert III. seinen Herrschaftssitz bereits in den frühen 1250er Jahren nach Mesocco verlegte: 1251 nahm er ein Darlehen von 1500 Pfund auf, wofür die Gemeinde Mesocco bürgen musste. 103 Der hohe Geldbetrag wird vor allem in den ambitionierten Ausbau der Burg geflossen sein.113 Lange vor 104 105 der Jahrhundertmitte setzten die Baumassnahmen aber sicher nicht ein; denn bis 1248 liessen sich die Saxer 106 auf der Burg Mesocco durch einen Vogt oder castaldus vertreten;114 sie hatten da also keine feste Residenz. Der Burgvogt agierte als Vertreter Heinrichs III. – ein klarer Hinweis darauf, dass Albert III. vor der Jahrhundertmitte in der Mesolcina nicht präsent war. Gemeinsam treten die beiden Brüder Anfang Dezember 1253 auf: In ihrer Eigenschaft als comites et vicecomites 107 108 vallis Mesonçine, als Grafen und Vizegrafen des Misoxertals, wohnen sie einer Gerichtsversammlung des unte- 109 110 ren Talabschnitts bei. Der Rechtsakt geschieht in castro de Calancha, auf der Burg von Sta. Maria in Calanca.115 Der Herr auf dieser Burg ist ganz offensichtlich der erstgenannte, weil ältere der Brüder, eben Heinrich. Damit zeigt sich wieder, dass Albert als residierender Herr in 111 112 113 der Mesolcina der Nachzügler war. Sobald er aber hier erschien, partizipierte er an der Herrschaftsausübung. Die Saxer Herrschaft im Misox blieb vorläufig ungeteilt. 114 115 Abb. in BUB III (neu) S. 507, Nr. 33 (zu Urk. Nr. 1498, Heinrich Pizenus von Sax-Misox). Vgl. kArl Meyer, Über die Einwirkung des Gotthardpasses auf die Anfänge der Eidgenossenschaft. In: kArl Meyer, Aufsätze und Reden (Zürich 1952) 1–32, hier 3–4 und 5. Der Autor nennt ausserdem die Statuten der Gemeinde Osco (Valle Leventina) vom 5. April 1237, die den Saumverkehr als Haupterwerbsquelle nennen, als Beleg für den Aufschwung des Gotthard zu jener Zeit. Möglicherweise wurde Schwyz um 1240 aus der Landgrafschaft des stauferfeindlichen Grafen von Habsburg-Laufenburg ausgegliedert und als besondere Reichsvogtei dem Rapperswiler unterstellt. Vgl. Meyer (wie Anm. 53) 200. Dass im 13. Jh. ein Rudolf von Vaz die Herrschaftsnachfolge in Rapperswil antrat, wird von der Forschung schon lange vermutet. Aufgrund der Namensgleichheit der Rapperswiler Freiherren und Grafen (lauter Rudolfe) ist die «Schnittstelle» jedoch schwierig zu eruieren. Statt in die 1250er Jahre, wie manchmal vermutet, passt sie viel besser in die Zeit, als die Rapperswiler in den Grafenstand erhoben wurden: Herbst/Frühling 1232/33. Vgl. floriAn Hitz, Dynastenpolitik und Burgenbau. Die Freiherren von Vaz in ihrem Beziehungsnetz. Bündner Monatsblatt 2009, 117–146, hier 133– 135. 1231 erste Nennung eines Vazers als Hochstifts- wie als Stiftsvogt; Hitz (wie Anm. 75) 435. Hitz (wie Anm. 102) 135–136. Seine Funktion ist eindeutig, auch wenn er nicht ausdrücklich als Vogt bezeichnet wird; BUB III (neu) Nr. 1259 und 1317. Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 75. – Die Reichsvogteien Disentis und Ursern wurden um 1240 wohl zeitgleich verliehen; vgl. Müller (wie Anm. 79) 250 und DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 251. Davon gelangte aber, entgegen einer verbreiteten Anschauung, zunächst noch nichts an die Grafen von Werdenberg (die damals auch noch gar nicht diesen Namen führten). Erst unter König Rudolf von Habsburg wurden die Werdenberger allenthalben als Reichsvögte eingesetzt. Im Fall von Disentis geschah dies 1285, nach dem Tod Walters V. von Vaz. Vgl. kArl Meyer, Walter von Vaz als Podestà von Como 1283. Bündner Monatsblatt 1926, 65–76. luigi corfu, Identità e metamorfosi di un castello. Castello di Mesocco tra passato e futuro (wie Anm. 2) 7–33, hier 23. Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 75. BUB II (neu) Nr. 956 – als Fälschung einzuschätzen nach Heinz gAbAtHuler, Die Appenzeller Burg hiess nie Clanx. Zum angeblichen Vogteisitz der Freiherren von Sax im Appenzellerland. Werdenberger Jahrbuch 2010, 246–248. BUB II (neu) Nr. 1001. DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 72–73. BUB II (neu) Nr. 902 bzw. III (neu) Nr. 1284: Verpflichtung der Gemeinde Mesocco, anstelle des (inzwischen verstorbenen) Albert III. von Sax einen Teilbetrag von 380 Pfund zurückzuzahlen. Diese und die folgende Beobachtung nach Heinz Gabathuler. BUB II (neu) Nr. 861, S. 318 (11. Jan. 1248). BUB II (neu) Nr. 950, 30. Nov. oder 1. Dez. 1253. Mittelalter 18, 2013 / 3 79 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox kommenden Nennungen des Heinrich nach eben dieser wie eine verwaiste Schar, als Herren von Clanx, domini Burg, de Clanx,116 auf die Burg von Appenzell beziehen de Clanxis,125 bevor sie dann einzeln namentlich auftre- wollen. Beides sehr zu Unrecht, wobei der zweite Irrtum ten und dabei jeweils ihren Vater als verstorben bezeich- älter ist und sich hartnäckiger gehalten hat.117 Dabei ist nen, quondam domini Henrici de Sacho.126 Es sind ihrer die eingedeutschte Form Clanx (auch Klangs oder Klan sechs: Martin Heinrich, Johann Heinrich, Ulrich, Eber- kis) gar nicht so ausgefallen, wie sie zunächst vielleicht hard, Branca und Peter.127 Die letzten zwei werden anmutet. Sie bildet eine Parallele zu Misox: Das auf- Kanoniker des Stifts von San Vittore; Eberhard tritt fällige -x ist in beiden Fällen eigentlich ein -cs, also eine dem Johanniterorden bei; die ersten drei bleiben welt- ziemlich gewöhnliche Ortsnamenendung auf -s.118 lich, wobei Johann Heinrich als Stiftsvogt von San Vittore wirkt.128 Diversifizierung im Moesano Martin Heinrich, der Älteste, bleibt während der 1290er Bis 1279 übten die Saxer ihre Herrschaft im Moesano Jahre im Bannkreis der Burg von Sta. Maria in Calanca. zu gesamter Hand aus. Im genannten Jahr schloss Hein- Er agiert für die Gemeinde, die sich da bildet – nomine rich III. mit den Söhnen Alberts III., Heinrich Pizenus comunis et hominum de Callanca –, indem er ihr Alpen und Simon, einen Teilungsvertrag über die Misoxer erwerben hilft und an der Grenzziehung gegenüber Ro- Güter. Das Abkommen ist nur in einem späteren Akten- veredo und San Vittore mitwirkt.129 Sofern die entspre- vermerk überliefert; sein genauer Inhalt ist nicht be- chenden Rechtsakte innerhalb des Moesano stattfinden, kannt.119 Jedenfalls wurden die beiden Familienzweige geschieht dies regelmässig in Roveredo, in Capite Pontis, nun ausdrücklich unterschieden: einerseits de Sacco de bei der Moesa-Brücke. Da besitzen die Saxer einen Her- Chalanca, andererseits de Sacco de Misocho. Wie die renhof, der dann im 14. und 15. Jh. zur Wasserburg und weitere Entwicklung zeigt, vereinbarte man eine Tren- zum eigentlichen Palast (später Palazzo Trivulzio) aus- nung zwischen dem unteren Teil der Talschaft (von gebaut wird.130 Auch Johann Heinrich von Sax wickelt Roveredo bis Lostallo: für den Zweig Calanca) und seine Rechtsgeschäfte, ob sie nun die Stiftsvogtei von San dem oberen Teil (Mesocco und Soazza: für den Zweig Vittore oder saxische Familiengelegenheiten im engeren Mesocco). Sinn betreffen, meist in Roveredo ab.131 Albert III. von Sax ist demnach vor 1279 verstorben; Um die Wende zum 14. Jh. setzt unter den Söhnen Hein- er wird 1275 zum letzten Mal erwähnt.120 Sein älterer richs III. eine Art Aussiedlungsbewegung ein, die zur Sohn Heinrich Pizenus ist offenbar auch älter als alle stärkeren räumlichen Verteilung und weiteren Verzwei- Söhne Heinrichs III., steht er doch den Saxern seiner Ge- gung der Familie führt. Die Gebrüder von Sax beziehen neration in urkundlichen Nennungen voran.121 Der Zu- Burgen im mittleren und unteren Teil der Talschaft, oder name Pizenus oder Piçinus (italienisch piccino), also «der sie errichten dort neue Sitze. Johann Heinrich lässt sich, Kleine», dient vielleicht dazu, den jüngeren Heinrich als wohl schon um 1300, auf der Burg Norantola bei Cama neuen Familienältesten vom Onkel Heinrich zu unter- nieder,132 während Honricus vor 1314 nach Grono, auf scheiden. Heinrich Pizenus hat einen weiten Aktions- die Torre Fiorenzana, zieht.133 Honricus, der erst seit radius: Er tritt als Schwager des Freiherrn von Rhäzüns 1300 unter diesem Namen bekannt ist, muss identisch auch im nördlichen Rätien auf; ja, in Lehenssachen der sein mit dem nur 1295 so genannten Ulrich oder Ol- Abtei St. Gallen gar in Feldkirch.122 Im Sommer 1291, als ricus.134 Er wird jeweils zusammen mit seinem Bruder die habsburgische Macht mit dem Tod König Rudolfs I. Martin Heinrich erwähnt; gemeinsam wirken die bei- ins Wanken gerät, wird er Podestà von Como.123 Sein den als (Schutz-)Herren der Gemeinde Calanca.135 Aber Bruder Simon bleibt derweil stets in Mesocco.124 auch Martin Heinrich selbst zieht an seinem Lebens- Heinrich III. von Sax ist anlässlich des Teilungsver- abend – nicht vor Mitte der 1320er Jahre – nach Grono, trags von 1279 zum letzten Mal genannt worden. Im wo dann – nachweisbar ab der Mitte der 1340er Jahre – Jahr 1286 erscheinen seine Söhne zunächst kollektiv, auch seine Söhne residieren.136 80 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Mit der Verlegung ihrer Wohnsitze nach Cama und Mesocco und die Walser Grono verdrängen die Freiherren von Sax-Calanca Die in den 1250er Jahren auf sehr grosszügige Weise aus- offenbar ansässige Kleinadlige, die Herren de Noran gebaute Burg Mesocco wird in den Quellen des 13. Jh. tola und de Grono, von deren im 12. Jh. errichteten nur ein einziges Mal direkt erwähnt: Am 24. Juli 1274 Burgen.137 Norantola wird unter den Saxern geradezu leisten die Brüder Jacobus und Ubertus von Riale/Kehr- neu erstellt: mit einem neuen Wohnturm, einem Palas bächi, Val Formazza, einen Vasalleneid an Albert III. von und Ökonomiebauten.138 Auch die – nicht vor dem Sax, qui stat in Mesocho.141 Die beiden verpflichten sich späten 13. Jh. gebaute139 – Torre Palas in Monticello zu treuem und gehorsamem (Kriegs-)Dienst für Albert bei San Vittore befindet sich um 1300 in saxischer und dessen Erben, und zwar gegen jedermann (ausge- Hand.140 nommen ihre früheren Herren, falls sie solche haben soll- 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 Vgl. oben, Anm. 110–111 (Teilung rätischer Güter 1253 und Veräusserung der Vogtei Pfäfers 1257). Zu diesen Stellen gehört auch der um 1400 aufgezeichnete Liber aureus des Klosters Pfäfers mit seinem castrum dictum Clanx – offensichtlich ein auf die Mitte des 13. Jh. zurückgehender Wortlaut. Die in BUB II (alt) Nr. 893* vorgenommene Einstufung der Urkunde als Fälschung wird in BUB II (neu) aufgehoben. Die auf Aegidius Tschudi, um 1530, zurückgehende Fehlidentifikation von Clanx mit der Appenzeller Burg ist allerdings auch 2004 in BUB II (neu) noch anzutreffen – während Klankes und Clanxis hier wie 1997 in BUB III (neu) bereits zutreffend mit Calanca identifiziert werden. Zum ganzen Problem vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 110). Die Endung -s oder -is (manchmal auch -ins oder -üns) ist bei der deutschen Form romanischer Ortsnamen in Graubünden sehr verbreitet. BUB III (neu) Nr. 1271a, 4. März 1279: Eintrag in einer Prozessakte des beginnenden 16. Jh. Der BUB-Kommentar verkennt die Identität des hier genannten Heinrich von Sax-Calanca mit Heinrich von Sax zu Clanx. Der älteren Forschung war diese Quelle noch gar nicht bekannt, vgl. aber das Postulat eines solchen Teilungsvertrags «gegen Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jh.» in Hofer-WilD (wie Anm. 15) 172. BUB III (neu) Nr. 1225, 27. Feb. 1275. Verleihung des Hofes Arth, zusammen mit seinem Bruder und zwei Vettern; BUB III (neu) Nr. 1589, 30. Aug. 1295. Ausserdem Vertretung der Gemeinde Roveredo, während sein ältester Vetter, Martin Heinrich, die Gemeinde Calanca vertritt; ebd. Nr. 1614, 21. Aug. 1296. BUB III (neu) Nr. 1498, 1289 bzw. Nr. 1706, 3. Jan. 1301. BUB III (neu) Nr. 1525–26, 18. Juli und 13. Aug. BUB III (neu) Nr. 1615a, 19. Nov. 1296 bzw. Nr. 1728, 5. Dez. 1301. Als Urkundsort wird aber nicht die Burg, sondern die Dorffraktion Crimei genannt. BUB III (neu) Nr. 1392, 29. Juli 1286: Der Siegler Heinrich von Calanca ist wohl mit dem bischöflichen Richter Hainricus de Klankes zu identifizieren, der 1270 erwähnt wird; BUB II (neu) Nr. 1152. BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286. Hofer-WilD (wie Anm. 15) 170, Stammtafel sowie 172, Anm. 246 zählt schliesslich neun Söhne: nämlich im Weiteren die 1324 erwähnten Brunus und Gualterius, während Averardus/Eberhard bzw. Eberly als zwei Personen gerechnet werden. – 1324 erscheint aber noch ein weiterer Bruder: Anricus dictus Clericus de Sacho; BUB IV, Nr. 2288. BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286, und Nr. 1475, 3. Aug. 1288. BUB (neu) Nr. 1505, 21. Nov. 1290; Nr. 1521, 13. Juni 1291; Nr. 1614, 21. Aug. 1296. 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 260. Vgl. ausser schon genannten Beispielen ein Schiedsgericht zwischen den Söhnen Heinrichs III., in einem Streit um Tauschgeschäfte: BUB III (neu) Nr. 1599, 9. Dez. 1295. Bereits 1295 wirkt ein Petrus de Norantola als Eideshelfer oder Zeuge für Johann Heinrich und seinen Bruder Peter (vgl. vorige Anm.). Im Jahr 1324 nennt Ugolinus, der Sohn des Johann Heinrich, seinen Vater Johannes de Sacho de Norantola; BUB IV, Nr. 2290. In loco de Grono [...] ubi dicitur in Florenzana, in curte domina cionis dicti domini Honrici; BUB IV, Nr. 2042, 10. Juni 1314. Vllrich (deutschsprachige Urkunde) bzw. Olricus: BUB III (neu) Nr. 1589 bzw. 1599, 30. Aug. bzw. 9. Dez. 1295. Erstmals Honri cus: ebd., Nr. 1686, 3. Mai 1300. Die Namen Olricus und Honricus bzw. deren Träger werden auch von Hofer-Wild (wie Anm. 15) 171, Stammtafel sowie 172, Anm. 245–246 miteinander identifiziert, nicht aber von BUB. BUB IV, Nr. 2080 und 2083, 1. und 20. Juni 1316. Am 11. Juli 1324, in einem Streit mit seinem Neffen Ugolinus zu Norantola, wird Martin Heinrich als de Sacho, ohne Zunamen, bezeichnet; BUB IV, Nr. 2290. – Am 4. Juli 1344 sitzen Albertonus, Galeotus und Horigolus, die Söhne des inzwischen verstorbenen Martin Heinrich de Sacho de Grono, selbst in Grono (während ihr Vetter Ugolinus, nun zusammen mit seinem Bruder Raymondus, immer noch in Norantola wohnt); BUB V, Nr. 2779. Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 256, 258. Augustin cArigiet, Cama (Misox) Burgruine Norantola – Von der Wehrmauer zum Castello. Eine Untersuchung zur Baugeschichte. Mittelalter 17 (2012/4) 190–198. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 264. Martin Heinrich, Johann Heinrich und Eberhard am 3. Mai 1300 prope Montexellum terratori de sancto Victore; BUB III (neu) Nr. 1686. – Nicht auf die Torre Palas bezogen ist die letzte Urkunde Alberts III. von Sax, wo poescHel (wie Anm. 3) 223 und HoferWilD (wie Anm. 15) 169, Anm. 211 und 201 irrig Roveredo in torre [...] domini Alberti lesen, statt in curte [...] domini Alberti; vgl. BUB III (neu) Nr. 1225. Umgekehrt will Hofer-WilD (wie Anm. 15) 169 und 171 die Urkunde vom 3. Mai 1300 auf Grono statt auf Monticello beziehen. BUB III (neu) Nr. 1221. Die verschiedenen Elemente der im Notariatsstil vorgenommenen Datierung passen nicht zusammen. Ebenfalls möglich – aber weniger wahrscheinlich – ist die Deutung 25. Juli 1273. Ein einschlägiger Eintrag in ein späteres Urkundenregister ist ebenfalls unklar datiert; da lautet die in sich wahrscheinlichste Auflösung 18. Juli 1273; vgl. BUB III (neu) Nr. 1208. Mittelalter 18, 2013 / 3 81 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox 6: Burg Sta. Maria in Calanca. Ansicht von Westen, mit Dorfpartie: Der mächtige Donjon thront auf seiner Felsrippe über der Kirche. ten). Wenn Albert oder seine Erben ihnen eine Burg oder seiner letzten Lebenszeit, ist Alberts betont strenges eine Herrschaft142 zur Verteidigung anvertrauen, werden Auftreten gegenüber den Herren von Andergia, seinen sie diese Aufgabe getreulich erfüllen. Zum Unterpfand angestammten Vasallen, bekannt. Ausser den Walsern ihrer vasallitischen Treue liefern Jakob und Hubert all- hat er damals noch weitere Dienstleute bäuerlicher jährlich ein Pfund guten und schönen Pfeffers in castro Herkunft in seinem Gefolge.143 de Mesocho. Später ist es das Stift San Vittore, das die im Rheinwald Diese Walser hatten sich in valle Reni, im inneren Rhein- siedelnden Walser mit Bauerngütern belehnt und damit wald niedergelassen. Dort, bei Hinterrhein, stand die in grundherrschaftliche Abhängigkeit bringt – angefan- dem Stift San Vittore gehörende Kapelle St. Peter, die gen mit dem Erblehenbrief von 1286. Da tritt der 1274 wohl wegen des Verkehrs über den «Vogelberg» gegrün- genannte Jakob aus dem Pomatt als castaldus vallis det worden war. Die Pfeffer-Abgabe der beiden Brüder Rheni, als Vogt des Rheinwald, und als syndicus, Am- weist auf eine Abschöpfung vom Handelsverkehr hin (da mann, der zwanzig dort ansässigen Walserfamilien auf.144 ja weder die Mesolcina noch das Rheinwald das Land Als Landesherr im Rheinwald kann sich jedoch Walter V. ist, wo der Pfeffer wächst). Unter den Zeugen des Aktes von Vaz, der grosse Konkurrent der Saxer, durchsetzen. vom 24. Juli 1274 befinden sich zwei weitere Walser, von Mit seinem Privileg von 1277 nimmt er alle im Rhein- denen der eine im Rheinwald niedergelassen war. wald – vom Schams bis auf den «Vogelberg» – siedeln- Bezeichnend ist der sehr feudale Handlungsstil des Al- den deutschen Leute unter seinen Schirm.145 Er verpflich- bert von Sax. Was ihn an den zugewanderten Walser tet sie zum Kriegsdienst (nördlich des Alpenkamms), Bauern interessiert, ist nicht etwa ihre Wirtschaftsleis- gesteht ihnen dafür aber eine weitgehende Selbstver- tung, sondern allein ihre Wehrkraft. Statt ihnen Güter waltung samt Satzungsrecht zu und behält sich allein zu verpachten – im Sinne eines «unechten» Lehens, die Blutgerichtsbarkeit und einen Rekognitionszins vor. eines Bauernlehens – zieht Albert sie in ein militärisches Bei diesem Vorgehen stützt er sich offenbar darauf, dass Dienstverhältnis, was sich durchaus mit einem «ech- ihm die Reichsvogtei über die Freien im Rheinwald, und ten», vasallitischen Lehen verbinden könnte. Ein solches damit auch über alle Neuzuzüger, zustehe. In Überein- Burglehen stellt er ihnen aber bloss in Aussicht, ohne die stimmung damit hat er schon zwei Jahre zuvor die Graf- Leihe tatsächlich vorzunehmen. Aus den 1270er Jahren, schaft Schams beansprucht.146 Die vazische Art der herr- 82 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox 7: Burg Sta. Maria in Calanca. Obergeschoss mit Gewölbeansätzen, Fensternische und umlaufenden Steinbänken. schaftlichen Erfassung lässt den Walsern mehr Freiheit Zur Datierung der Burg von Sta. Maria in Calanca als der saxische Zugriff; sie bietet ihnen einen besseren Während der gestrenge Albert III. auf der grossen und in Ansatz zur Gemeindebildung. Sie ist auch insofern «mo- geradezu luxuriösen Formen ausgebauten Burg Mesocco derner», als sie stärker territorial ausgerichtet ist. residiert, sitzt sein älterer Bruder auf der Burg von Sta. Maria in Calanca. Dabei handelt es sich um einen massiven, rechteckigen Wohnturm, der durch einen auf der Südostseite – der Angriffsseite – vorgebauten Keil einen fünfeckigen Grundriss erhalten hat (Abb. 6). Im Inneren ist dieser Turm sehr sorgfältig ausgebaut. Die beiden oberen der drei Geschosse bergen je einen mit Kreuzgewölben eingedeckten Wohnraum. Rundumlaufende Steinbänke, symmetrisch angeordnete Kamine mit kegelförmigen Hauben, grosszügig bemessene Fensternischen sowie Aborte, die in einen an der Maueraussenseite angebrachten Schacht münden, sorgen für hohen Komfort (Abb. 7–8). Das unterste Geschoss (dessen Gewölbe 142 143 144 8: Burg Sta. Maria in Calanca. Obergeschoss mit Kreuzgewölbe und Kaminmantel in Form eines halben Zuckerhutes. 145 146 Der abgekürzte Ausdruck dnam. wird von BUB III (neu) S. 19 mit dominacionem (eine Herrschaft) aufgelöst; im Gegensatz zur älteren Lesart dominam (eine Dame). BUB III (neu) Nr. 1183–1185, 17. Mai 1272 bzw. Nr. 1225, 27. Feb. 1275. Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 197. BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286: Zwei der sechs Kanonikerstellen des Stiftes sind durch Neffen des Albert von Sax besetzt; als Stiftsvogt fungiert ein weiterer Neffe. – Ser Jacobus erscheint 1301 noch einmal als castaldus vallis Reni; BUB III (neu) Nr. 1728. Sein Bruder Hubert wird hingegen nach 1274 nicht mehr erwähnt. BUB III (neu) Nr. 1245, 9. Okt. 1277. Comitatus de Shamms, als Vorbehalt gegenüber dem Bischof von Chur; BUB III (neu) Nr. 1229, 6. Juli 1275. Mittelalter 18, 2013 / 3 83 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox ländischer Bauleute errichtet worden.149 Meyer hebt die singuläre Stellung hervor, die das mächtige Bauwerk innerhalb des rätischen Alpenraums einnimmt, und ordnet es der «Gruppe der in West- und Nordfrankreich beheimateten Donjonbauten» zu.150 Doch wenn hier wirklich eine weitgehende Anlehnung an fremdländische Vorbilder, eine ausgiebige Stilanleihe, vorliegt, dann sollte es für die Datierung eigentlich irrelevant sein, wie «fortschrittlich» das Bauwerk innerhalb der alpin-rätischen Umgebung wirkt. Tatsächlich ist die gängige Spätdatierung abzulehnen. Es ist nicht plausibel, dass die Saxer im späten 13. oder frühen 14. Jh., gerade als sie sich anschickten, den hochgelegenen Sitz von Calanca zugunsten im Talgrund gelegener Residenzen zu verlassen, noch rasch den mächtigen Wohnturm errichtet hätten. Und umgekehrt ist es kaum denkbar, dass Heinrich III. von Sax, der sich ja von Calanca, de Clanx, nannte, mit jener kleinen Burg Vorlieb genommen hätte, die vor dem Bau des Donjons bei Sta. Maria stand – und die teilweise abgebrochen wurde, um diesem Platz zu machen.151 Als Heinrich 1253 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Albert in castro de Calancha auftrat, da muss dies auf dem vollendeten 9: Burg Sta. Maria in Calanca. Tonnengewölbte Treppe in der Mauerdicke. Donjon geschehen sein. Die Burg Mesocco, die der Jüngere eben damals ausbaute, geriet zwar zu einer sehr stattlichen Anlage; doch in der Grosszügigkeit und eingestürzt ist) enthält einen an die Wände heraufge- Qualität der Bauweise vermochte sie den Wohnturm des strichenen Gussboden und bildet damit eine einzige Älteren nicht in den Schatten zu stellen. grosse Zisterne, ein voluminöses Bassin. Den Abschluss Der Baubeginn der Burg von Calanca muss in die Zeit des Turms bildet die einst von Zinnen bekränzte und um 1247–49 gefallen sein, als Heinrich III. von Sax aus mit Wasserrinnen versehene Wehrplatte. Die Gänge und Bellinzona, wo er sich als capitaneus nicht hatte halten Treppen, welche die Geschosse miteinander verbinden, können, ins Moesano zurückkehrte. Wenn er sich da- sind in die mehrere Meter dicken Mauern eingelassen. mals nicht auf Mesocco, der alten Hauptburg der Tal- Diese «schöne und kunstvolle Weise, eine gemauerte schaft, niederliess, sondern Sta. Maria in Calanca vor- Treppe wie den Gang eines Borkenkäfers in der Turm- zog, dann war es wohl gerade die Nähe dieses Standorts rinde auszuhöhlen», ist im rätischen Umfeld allein bei zu Bellinzona, was den Ausschlag gab. Er hatte also seine dieser Burg zu finden (Abb. 9).147 Ambitionen noch nicht ganz aufgegeben … Angesichts dieser «einen fortgeschrittenen Sinn für Dass Heinrich von Sax sich eine stolze Burg hatte bauen Wohnlichkeit» verratenden Bauweise hat Erwin Poeschel lassen, war offenbar auch in der folgenden Genera- den Turm von Sta. Maria ins frühe 14. oder allenfalls tion weitherum bekannt. Denn nichts anderes will doch noch ins ausgehende 13. Jh. datieren wollen.148 Werner wohl die Abbildung sagen, mit der ihn die um 1300 in Meyer hat diese Zeitbestimmung übernommen; ebenso Zürich geschaffene Manessische Liederhandschrift ver- wie Poeschels Vermutung, die Burg sei unter Beizug aus- ewigt (Abb. 10).152 Die Miniatur zeigt ihn, wie er auf 84 Mittelalter 18, 2013 / 3 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox Schnee; im Mai blühen Heide, Anger und Aue; Nachtigallen singen im grünen Hag; Sommerfreuden stellen sich ein zwischen Rosenblüten und Laubschatten. Und was es dem Sänger besonders angetan hat, ist der Herrin rôsevarwer munt: Den will er küssen tûsentstunt!155 Bis hin zum Reim folgt hier alles dem grossen Vorbild Walthers von der Vogelweide. Trotz eines gewissen Mangels an Originalität – oder gerade deswegen – ergibt sich der Eindruck, dass Heinrich III. von Sax an der deutschen literarischen Adelskultur seiner Zeit demonstrativ teilhatte. Woher er die Anregung und die Fachleute für seinen vom gleichen Repräsentationswillen zeugenden, dabei aber durchaus originellen Sitz von Sta. Maria in Calanca bezog, muss hingegen offenbleiben. Résumé 10: Codex Manesse («Grosse Heidelberger Liederhandschrift»). Die in kräftigen Deckfarben und Blattgold ausgeführte Miniatur Heinrichs III. von Sax befindet sich etwa in der Mitte des «Grundstocks» der grössten und berühmtesten deutschen Liederhandschrift des Mittelalters. dem Zinnenkranz einer Burg tanzt. Der im Burgtor stehende, von einer Dame gehaltene und gekraulte Steinbock ist eine Anspielung auf Heinrichs Wohnsitz im rätischen Bergland.153 Das dargestellte Wappen wird, in der vorliegenden Fassung, um 1300 von den Freiherren von La fortification de Mesocco a pour origine une barrière fortifiée, érigée au revers de la vallée vers la fin de l’Époque romaine (l’antiquité tardive). La construction qui a précédé l’église du château, aussi, pourrait remonter encore au 5e siècle, ou au plus tard au 7e siècle. Le patronage de Saint Carpophorus laisse supposer que l’église a été fondée sur l’ordre de Côme ou de Milan. Par conséquent, la fortification de Mesocco a conservé sa fonction stratégique originelle – la défense contre les envahisseurs venus du Nord –jusqu’à l’époque où le Val Mesolcina s’est retrouvé non plus sous l’influence lombarde, mais sous celle des Francs. 147 148 149 150 151 152 153 Sax-Hohensax, der von Heinrichs Bruder begründeten Rheintaler Linie, geführt (während Heinrichs Misoxer Neffe unterdessen die italianisierenden Säcke zu Ehren gebracht hat). Der Codex Manesse präsentiert dieses Wappen auch in der Miniatur, die Heinrichs Rheintaler Neffen, dem Dominikanermönch Eberhard von Sax, 154 gewidmet ist.154 Die dem Heinrich von Sax zugeschriebenen Texte, welche die Handschrift bietet, entsprechen den gängigen Mustern höfischer Liedkunst: Der Klee vertreibt den 155 poescHel (wie Anm. 3) 124. poescHel (wie Anm. 3) 69 und 221 sowie poescHel (wie Anm. 4) 312. poescHel (wie Anm. 3) 246. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 245–246. Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 246. Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 59v. So DietricH W. H. scHWArz, Die Kultur der Schweiz (Zürich 1967) 124. – Der Steinbock diente ab der zweiten Hälfte des 13. Jh. als Wappenfigur der Bischöfe von Chur und stand emblematisch für das Bistumsgebiet; vgl. floriAn Hitz, Steinbock und Murmeltier in Graubünden. Repräsentationen und Nutzungen vom Hochmittelalter bis in die Frühneuzeit. Histoire des Alpes. Storia delle Alpi. Geschichte der Alpen 15, 2010 (L’homme et l’animal sauvage. Mensch und Wildtiere) 89–114, hier 92. Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 48v. Bruder Eberhard ist in der Liederhandschrift mit einem Marienlied, also mit geistlicher Minne, vertreten. Heinrich von Sax. Die Schweizer Minnesänger. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch neu bearb. und hrsg. von MAx scHienDorfer. Bd. I: Texte (Tübingen 1990) 43–53, die zit. Stelle 49 (aus Lied 3, Strophe III, Vers 6–7). Mittelalter 18, 2013 / 3 85 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox La présence de nobles de Saxe dans la vallée est attestée pour la première fois en 1219, dans l’acte relatif à un don au Chapitre de la Collégiale de San Vittore. Cet acte avait pour objet le droit féodal de chaque église de la vallée, ou le droit de patronage. La création d’un tel droit pourrait indiquer que la famille de Saxe aurait eu une certaine influence sur les églises en question déjà avant 1219. Il manque pourtant toute trace de preuves attestant de tels droits féodaux dans la vallée avant 1219. Même en ce qui concerne leur seule présence, les indications sont rares et peu fiables. Au 12e siècle, les de Saxe sont apparus avec d’autres nobles dans les documents relatant de la formation des seigneuries dans la région grisonne. Tout comme ces autres familles nobles, ils venaient eux aussi de la Souabe. Vers 1200, ils ont établi leur domination sur les territoires situés au sud du Lac de Constance et détenaient également des postes importants à l’abbaye de Saint-Gall. Ils ont en outre construit un château dans la vallée du Rhin alpin, appelé «Sax» (d’après le nom de leur famille, originaire de la Forêt Noire). Ils ont aussi acquis les prévôtés du chapitre de Coire, ainsi que celles du chapitre des chanoines prémontrés de Churwalden. En tant que disciples des empereurs de la dynastie des Hohenstaufen, ils jouissaient de nombreux privilèges, ce qui fut une condition sine qua non de leur succès. Ce clientélisme se renforça encore au cours de la première partie du règne du Roi Frédéric II. Entre 1212 et 1219, Ulrich II von Sax, Abbé de St-Gall et son frère Heinrich II, ont rendu de nombreux services à l’empereur. En échange, ils ont obtenu les prévôtés du monastère de Disentis et le fief de la vallée de Blenio. Toutefois, les droits obtenus sur cette dernière ont rapidement été remis en cause par le chapitre de la cathédrale de Milan. En outre, les de Saxe ne disposaient d’aucun diplôme de l’Empereur concernant Disentis ou Blenio et moins encore pour le comté de Mesolcina. Dès lors, leurs droits féodaux dans le Val Mesolcina ne s’expliquent que par leurs rapports privilégiés avec le souverain. Avant 1239, un changement de génération a eu lieu au sein de la famille de Saxe. Les frères régents ont alors divisé la Seigneurie: Henri III a obtenu le Val Mesolcina; Albert III la prévôté de Pfäfers tandis que Ulrich III a reçu le château et la seigneurie de Sax dans la vallée du Rhin. A ce stade, Henri décida d’étendre sa sphère d’influence, sans le soutien de l’empereur et même à son détriment. En 1242, il a occupé Bellinzone avec des alliés de Guelfes de Milan. Il y a exercé, pendant une courte période, son pouvoir de seigneur et maître. Plus tard, il dû restituer sa conquête à la République de Côme. Après sa retraite dans la région de Moesano, autour de 1247, il construisit Santa Maria Calanca, une tour d’habitation imposante et représentative. Celle-ci occupait une position avant dominante, comparable à celle du château de Mesocco. En 1253, dans le castro de Calancha reconstruit, Heinrich et son frère cadet Albert s’établirent comme comte et vicomte du Val Mesolcina. Cet acte, d’une importance cruciale pour la recherche historique sur la domination de la région et la périodisation de la construction des châteaux, a été complètement ignoré par les érudits des 19e et 20e siècles. Le château de Mesocco est devenu une résidence permanente 86 Mittelalter 18, 2013 / 3 seulement à partir de 1257, quand Albert III de Saxe s’est vu contraint de céder au monastère régional le château de Wartenstein et les prévôtés de l’abbaye de Pfäfers. A partir de ce moment, le sort des seigneurs de Saxe dans la vallée du Rhin et de ceux établis dans le Val Mesolcina se sont divisés. Précisément à cette époque, d’importantes transformations du château de Mesocco ont été réalisées. Après qu’Albert en ait fait sa résidence permanente, il participa aussi activement à la vie politique du Val Mesolcina. Ce n’est que suite à son décès, en l’an 1279, que la domination des de Saxe dans le Sud du Val Mesolcina a subi une division supplémentaire. Les deux châteaux en furent le point de référence. La seigneurie Saxe-Calanca d’Henri III, s’est vue attribuer la partie inférieure de la vallée, jusqu’à Lostallo, tandis que la partie supérieure, Mesocco et Soazza, passa sous la domination des Saxe-Mesocco, fils d’Albert III. Vers la fin du 13e siècle, les deux châteaux sont devenus le centre d’une activité politique croissante dans les territoires reculés. Albert III, à partir de son siège à Mesocco, fit déplacer les colonies Walser dans la vallée de Rheinwald. Toutefois, cette situation conduisit à un conflit d’intérêts avec les barons de Vaz, lesquels jouissaient des faveurs du roi. C’est d’ailleurs eux qui, par le passé, les avaient déjà expulsés des prévôtés de Coire, Disentis et Churwalden. Les enfants d’Henri III, depuis leur résidence à Santa Maria Calanca, ont soutenu la création d’une commune dans le Val Calanca à travers l’achat de territoires alpins. Au début du 14e siècle, les fils d’Henri abandonnèrent la tour Calanca pour se diriger plus bas dans la vallée, où ils se sont installés dans les châteaux de la noblesse locale. Ces châteaux ont subi des changements majeurs, au gré de leurs besoins (Torre Fiorenzana à Grono ou le château Norantola à Cama). A partir du 13e siècle les de Saxe utilisèrent comme portail d’accès à la vallée le palais de Roveredo et la tour de Pala à Monticello près de San Vittore, probablement construite par eux. Sandrine Wasem, Thoune Riassunto Le origini delle fortificazioni di Mesocco sono riconducibili ad uno sbarramento fortificato tardo romano della valle. Una costruzione precedente all’odierna chiesa castellana potrebbe essere sorta ancora nel V secolo o al più tardi nel VII secolo. Il patrocinio di San Carpoforo potrebbe indicare che la chiesa sia stata fondata da Como o Milano. Di conseguenza la fortezza di Mesocco mantenne la sua funzione strategica per la quale era stata concepita, ovvero la difesa contro invasori provenienti da settentrione, fino al periodo in cui la valle passò dalla sfera di influenza longobarda a quella dei Franchi. La presenza dei nobili de Sacco nella valle è attestata per la prima volta nel 1219 nell’atto concernente una donazione per il Capitolo della Collegiata di San Vittore. Questo atto prefiggeva il diritto feudatario su ogni chiesa della valle, ovvero il Diritto di patronato. La creazione di tale diritto potrebbe indicare che i de Sacco già in un periodo antecedente il 1219potevano avere una sorta di influenza sulle chiese in questione. Tuttavia mancano prove concrete che attestino questi diritti feudali dei Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox de Sacco nella valle prima del 1219. Anche per quanto riguarda la loro presenza nella valle prima di questa data vi sono solo esigui e scarsi indizi. Nel XII secolo i de Sacco insieme ad altri nobili sono comunque attestati nei documenti, coinvolti nella formazione delle signorie nella Rezia curiense. Sia loro che gli altri nobili sono originari della Svevia. Intorno al 1200 cominciarono a formare una propria signoria nei territori situati a sud del lago di Costanza ricoprendo anche cariche importanti presso l’abbazia di San Gallo. Inoltre eressero un castello nella valle del Reno alpino appellato «Sax» (secondo il nome della famiglia omonima proveniente dalla Foresta Nera). Oltre a ciò si impadronirono dei baliaggi della diocesi di Coira come anche di Churwalden che apparteneva all’omonima abbazia premonstratense. Come seguaci degli imperatori della dinastia degli Hohenstaufen godettero di molti privilegi, una premessa fondamentale per il successo dei de Sacco. Il legame al casato degli Hohenstaufen si rafforzò ulteriormente durante il regno di Federico II. Tra il 1212 e il 1219 Ulrico II de Sacco, abate di San Gallo, e suo fratello Enrico II resero molti servigi al sovrano. In cambio ottennero i baliaggi inerenti l’abbazia di Disentis e la Valle di Blenio come feudo. Tuttavia i diritti ottenuti sulla valle in questione ben presto furono contestati dal Capitolo del Duomo di Milano. Inoltre i de Sacco non disponevano di un diploma imperiale né per Disentis né per Blenio e tantomeno per la Mesolcina. I loro diritti feudali nella Valle Mesolcina possono essere comunque solo riconducibili alla loro vicinanza al sovrano in questione. Prima del 1239 nel casato dei de Sacco ci fu un ricambio generazionale. I fratelli reggenti divisero la signoria: Enrico III ottenne la Mesolcina, Alberto III il baliaggio di Pfäfers mentre Ulrico III ricevette il castello e la signoria di Sax nella valle del Reno. A questo punto Enrico decise di estendere la sua sfera di influenza anche senza l’appoggio dell’imperatore e addirittura a scapito di quest’ultimo. Nel 1242 insieme ad alleati guelfi milanesi occupò Bellinzona sulla quale, come castellano e signore territoriale, poté imporsi solo per un breve periodo. In seguito dovette restituire Bellinzona alla Repubblica di Como. Dopo la sua ritirata nel Moesano intorno al 1247, fece erigere a Santa Maria di Calanca la poderosa e rappresentativa torre d’abitazione. La torre occupa una posizione avanzata pari a quella del castello di Mesocco. Nel nuovo castro de Calanca esercitò insieme ad Alberto, fratello più giovane, la carica di conte e visconte sulla Valle Mesolcina. Questo atto, fondamentale per la ricerca storica sulla signoria della Mesolcina e la periodizzazione dei castelli, è stato completamente ignorato dai ricercatori del XIX e XX secolo. Il castello di Mesocco diventò residenza stabile solo a partire dal 1257 allorquando Alberto III de Sacco fu costretto a cedere il castello di Wartenstein insieme ai baliaggi di Pfäfers all’abbazia omonima. A partire da quel momento i destini delle signorie dei de Sacco nella valle del Reno e nella Mesolcina si divisero. A quel periodo risalgono probabilmente anche le importanti trasformazioni del castello di Mesocco. Dopo che il castello era diventato la residenza stabile di Alberto, questi partecipò attivamente anche alle questioni politiche della Mesolcina. Solo dopo la sua morte, avvenuta nell’anno 1279, la signoria dei de Sacco nella Mesolcina subì una ulteriore divisione. Il punto di riferimento per la divisione furono i due castelli. La signoria Sacco-Calanca, di Enrico III, era costituita dalla parte inferiore della valle fin su a Lostallo. La parte superiore, Mesocco e Soazza ovvero la signoria Sacco-Mesocco, passò invece sotto il dominio dei figli di Alberto III. Nel XIII secolo entrambi i castelli diventarono il centro di una crescente attività politica nei territori delle signorie. Alberto III, dalla sua sede di Mesocco, sostenne gli insediamenti dei Walser nella regione alpina del Rheinwald. Tuttavia questa situazione portò ad un conflitto di interessi con i baroni di Vaz che godevano dei favori del re e che in passato avevano tolto ai de Sacco i baliaggi di Coira, Churwalden e Disentis. I figli di Enrico III, dalla loro sede a Santa Maria di Calanca, tramite l’acquisto di possedimenti alpini, sostennero la creazione di un comune nella Val Calanca. Agli inizi del XIV secolo i figli di Enrico abbandonarono la torre a Calanca trasferendosi nel fondovalle dove si insediarono nei castelli della piccola nobiltà locale. A seconda delle esigenze questi castelli furono sottoposti anche a importanti trasformazioni (Torre Fiorenzana a Grono o più precisamente il castello di Norantola a Cama). All’imbocco della Valle Mesolcina, a partire dal XIII secolo, i de Sacco abitarono anche il palazzo di Roveredo e la torre di Pala a Monticello presso San Vittore, eretta probabilmente dai medesimi. Christian Saladin (Basilea/Origlio) Resumaziun Il chastè-fortezza da Mesocco deriva d’ina serra da vallada dal temp roman tardiv. In edifizi precedent a la baselgia dal chastèfortezza ch’è anc oz avant maun è forsa vegnì erigì anc il 5avel, il pli tard però il 7avel tschientaner. Il patrocini da Son Carpoforus lascha supponer che la baselgia è vegnida fundada da Como u da Milaun. Per consequenza ha il chastè-fortezza mantegnì sia funcziun strategica oriunda – numnadamain quella da defender la vallada cunter invasurs dal nord – fin ch’ils Langobards han stuì ceder als Francs lur influenza sin la Val Mesauc. La preschientscha signurila dals nobels libers de Sax è attestada per l’emprima giada il 1219 en in document concernent ina donaziun per il chapitel collegiat da San Vittore. Ina tala donaziun premetta il dretg da disponer da tut las baselgias da la val, damai d’avair il dretg da patrunadi. Il fatg ch’in tal dretg stueva exister è in indizi ch’ils de Sax avevan gia avant il 1219 ina tscherta influenza sin las baselgias respectivas. I mancan però cumprovas concretas per attestar ils dretgs feudals dals de Sax en la val avant il 1219. Insumma datti mo paucs indizis intscherts per lur preschientscha en la val avant questa data. Ils de Sax figureschan en documents dal 12avel tschientaner ensemen cun autras famiglias noblas libras che sa sfadian per la constituziun da la pussanza en la Currezia. Tuttina sco quellas famiglias derivan er els da la Svevia. Enturn il 1200 cumenzan els a stabilir lur domini en il territori al sid dal Lai da Constanza: els surpiglian ils posts impurtants da l’abazia da Son Gagl e construeschan in chastè-fortezza en la vallada dal Rain Alpin ch’els numnan Sax (tenor lur schlatta importada dal Guaud Nair). Ultra da quai acquistan els las prefecturas dal Mittelalter 18, 2013 / 3 87 Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox chapitel catedral da Cuira e dal chapitel dals premonstratens da Churwalden. Sco aderents dals imperaturs da la dinastia dals da Hohenstaufen giaudan ils de Sax blers privilegis, quai ch’è ina premissa fundamentala per lur success. Durant il temp da regenza da retg Friedrich II daventa quest liom cun la chasa dals da Hohenstaufen anc pli ferm. Tranter il 1212 ed il 1219 prestan Ulrich II de Sax, avat da Son Gagl, e ses frar Heinrich II numerus servetschs en l’interess da l’imperi. Persuenter obtegnan els sco feud duas prefecturas imperialas: la claustra da Mustér e la Val dal Blegn. Suenter curt temp vegnan lur dretgs per la Val dal Blegn però contestads dal chapitel catedral da Milaun. Ils de Sax n’han betg in diplom imperial ni per la claustra da Mustér, ni per la Val dal Blegn ni per il contadi da Mesauc. Lur dretgs feudals en la Val Mesauc èn explitgabels sulettamain cun lur approximitad al retg. Anc avant il 1239 ha lieu ina midada da generaziun en la chasa de Sax. Ils frars regents dividan il domini: Heinrich III surpiglia la Val Mesauc, Albrecht III la prefectura da Faveras ed Ulrich III il chastè-fortezza e la signuria de Sax en la Val dal Rain. Quel mument decida Heinrich d’extender sia sfera d’influenza era senza il sustegn da la suveranitad imperiala, gea schizunt cunter quella. Ensemen cun ils alliads guelfics-milanais acquista el il 1242 Bellinzona. Ad el reusseschi da s’imponer sco chastellan e signur territorial. Suenter curt temp sto el però returnar il butin a la republica da Como. Enturn il 1247 sa retira el en il Moesano ed erigia a Santa Maria en la Val Calanca ina tur d’abitar imposanta e fitg represchentativa. La tur è situada en in lieu pli avanzà en cumparaziun cun il chastè-fortezza en la Val Mesauc. Ensemen cun ses frar pli giuven Albert regia Heinrich a partir dal 1253 en il nov castro de Calancha sco cont e vicegraf da la Val Mesauc. Quest fatg ch’è central per l’istorgia da la pussanza regiunala e per la periodisaziun da la construcziun da chastels-fortezza en il Moesano han ils perscrutaders dal 19avel e 20avel tschientaner ignorà dal tuttafatg. Il chastè-fortezza da Mesocco daventa ina residenza stabla, pir cura che Albert III de Sax sto ceder il 1257 la fortezza da Wartenstein e la prefectura da Faveras a la claustra da Faveras. A partir da quel mument sa spartan ils destins dals dominis dals de Sax en la Val dal Rain ed en il Moesano. Durant quel temp vegn probablamain terminada l’amplificaziun extendida dal chastè-fortezza da Mesocco. Suenter che Albert è sa chasà en il chastè-fortezza, politisescha el activamain en la Val Mesauc. 88 Mittelalter 18, 2013 / 3 Pir suenter sia mort l’onn 1279 vegn dividida la signuria de Sax er en il Moesano. Ins s’orientescha tenor ils dus gronds chastels-fortezza. La signuria de Sax-Calanca che tutga a Heinrich III cumpiglia la part sut da la val fin a Lostallo. La part sura da la val, la signuria de Sax-Mesocco che cumpiglia Mesocco e Soazza, passa percunter al domini dals figls dad Albert III. En il decurs dal 13avel tschientaner tardiv daventan ils dus chastels-fortezza centers da l’activitad politica creschenta en il territori da las signurias. Albert III procura davent da sia sedia a Mesocco ch’il territori alpin en Valragn vegnia colonisà da Gualsers. Questa acziun maina però ad in conflict d’interess cun ils baruns da Vaz che giudevan la simpatia dal retg e che avevan gia privà ils de Sax en il passà da las prefecturas da Cuira, Churwalden e Mustér. Ils figls da Heinrich III sustegnan cun acquistar bains d’alp davent da lur sedia a Santa Maria la furmaziun d’ina vischnanca en la Val Calanca. Al cumenzament dal 14avel tschientaner bandunan ils figls da Heinrich la tur d’abitar en la Val Calanca per ir en il fund da la val e surpigliar ils chastels-fortezza da l’aristocrazia pitschna. Tut tenor basegn èn quels vegnids amplifitgads massivamain (Torre Fiorenzana a Grono resp. il chastè-fortezza Norantola a Cama). A l’extrada da la Val Mesauc nizzegian ils de Sax a partir dal 13avel tschientaner tardiv era la curt signurila da Roveredo e la Torre Palas a Monticello sper San Vittore, la quala els sezs han probablamain erigì. Lia Rumantscha (Cuira/Chur) Abbildungsnachweise: Abb. 1–3: Rätisches Museum Chur Abb. 4: Werdenberger Jahrbuch Abb. 5: Stiftsarchiv St. Gallen Abb. 6–9: Johannes Meyer (Cronica www.cronica.ch) Abb. 10: Universitätsbibliothek Heidelberg (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0114) Adresse des Autors: Dr. Florian Hitz Institut für Kulturforschung Graubünden Reichsgasse 10 7000 Chur [email protected] www.kulturforschung.ch Veranstaltungen Veranstaltungen Basel Friesach Kärnten AT Echte Burgen – Falsche Ritter? 15. November 2013 bis 29. Juni 2014 Historisches Museum Basel HMB – Museum für Geschichte / Barfüsserkirche, Basel Di–So 10–17 Uhr Von Steinmetzen, Zimmerern und Schmieden – Bauhandwerk im Mittelalter 17.–19. Oktober 2013 Prunkvolle Rüstungen, romantische Burgruinen, Minnesang und Ritterschwert – unsere Bilder vom ritterlichen Leben stecken voller Klischees. Jede Generation pflegt ihre eigenen Vorstellungen von Rittern und Burgen, indem sie ihre Wünsche und Bedürfnisse in das ferne Mittelalter projiziert. Die Ausstellung bietet eine umfassende Sicht auf Ideal und Wirklichkeit des Rittertums und präsentiert die Burgen der Region Basel. Zahlreiche herausragende Objekte, Modelle und Medienstationen machen Burgen- und Rittergeschichten von über 1000 Jahren erlebbar. Sie geben Einblick in rasante Turniere und informieren über alle bekannten Burgen rund um Basel. Die Besucher können sich von der Ritterwelt Hollywoods entführen und von pompösen Historienspektakeln des Basler Bürgertums beeindrucken lassen oder einen hohen Burgturm erklimmen, um den Ausblick auf die Burgenlandschaft der Region zu geniessen. Im Mittelalter strahlte der Glanz des Basler Rittertums weit über die Region hinaus. Das Baselbiet ist eine der burgenreichsten Landschaften der Welt. Die Zusammenarbeit des HMB mit der Archäologie Baselland ermöglicht erstmals eine umfassende Sicht auf das Thema. Zur Ausstellung gehört auch ein attraktives Vermittlungsprogramm, insbesondere für Kinder. Ein Magazin mit Artikeln zu ausgewählten Ausstellungsthemen und einer Burgenwanderkarte sowie ein spezielles Kindermagazin sorgen gleichfalls dafür, dass der Besuch für die ganze Familie nachhaltig in Erinnerung bleibt. In der sehenswerten Mittelalterstadt Friesach in Kärnten, wo 2009 mit dem Bau einer Burg mit mittelalterlichen Methoden begonnen wurde, hat bereits 1990 das Institut für Geschichte an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gemeinsam mit der Stadt Friesach eine transdisziplinäre Kolloquiumsreihe eingerichtet, die ausgewählte Themenfelder zur Geschichte Europas mit dem Schwerpunkt Alpen-Adria-Raum bearbeitet. Die diesjährige 16. Tagung widmet sich dem «Bauhandwerk im Mittelalter». Dabei wird dieser so wenig beachtete, zugleich aber wichtige Bereich mittelalterlicher Geschichte in 12 Vorträgen von Fachleuten verschiedener Disziplinen umfassend vorgestellt. Es soll die transdisziplinäre Diskussion zum Thema «Bauwesen und Handwerk im Mittelalter» angeregt und zugleich einem breiten interessierten Publikum näher gebracht werden. Donnerstag, 17.10.2013 19.00 Uhr Begrüssung und Einführung in die Thematik Abendvortrag: Bilder vom Bau. Das mittelalterliche Bauhandwerk im zeitgenössischen Bild (Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer, Univ. Klagenfurt) Freitag, 18.10.2013 09.30 Uhr Artes mechanicae. Bauen als Handwerk (Dr. Christian Domenig, Univ. Klagenfurt) 10.30 Uhr Vom Fundament bis zum Dach. Herstellungstechniken historischer Tragwerke (Prof. Dr. ing. Stefan M. Holzer, Universität der Bundeswehr München) 11.30 Uhr Pause 12.00 Uhr Bautechnik im Mittelalter (Katja Schröck, M.A., TU Dresden) 13.00 Uhr Pause 14.00 Uhr Stadtführung 16.00 Uhr Zur Herstellung gotischer Gewölbe (Dr. ing. David Wendland, TU Dresden) 17.00 Uhr Bauhandwerker als Zunftmitglieder (Prof. Dr. Sabine von Heusinger, Univ. Köln) 18.00 Uhr Pause 18.30 Uhr Realienkunde und Bauhandwerk (Dr. Elisabeth Vavra, Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Krems) 20.00 Uhr Lesung Egyd Gstättner: «Ein Endsommernachtsalbtraum» Samstag, 19.10.2013 09.30 Uhr Steinmetzen und Steinbrecher im Mittelalter (Dietmar Wolf, Strasbourg) 10.30 Uhr Der Maurer und die Mauerwerkstechnik im Mittelalter (DI Jürgen Moravi, Bundesdenkmalamt Klagenfurt) 11.30 Uhr Pause 11.45 Uhr Holz und holzverarbeitende Gewerbe (Dr. Jens Friedhoff, Stadtarchiv Hachenburg) 12.45 Uhr Pause 14.30 Uhr Der Beruf des Zimmerers im Mittelalter (Prof. DI Manfred Gerner, Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e.V., Fulda) 15.30 Uhr Der Beruf des Schmiedes im Mittelalter (Prof. Dr. Markus Wenninger, Univ. Klagenfurt) 16.30 Uhr Conclusio 17.00 Uhr Besuch der Burgbaustelle Friesach 19.30 Uhr Empfang des Bürgermeisters Wissenschaftliche Leitung: Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer Mittelalter 18, 2013 / 3 89 Veranstaltungen Anmeldung unter: www.uni-klu.ac.at/af E-Mail: [email protected] Tel.: +43(0)463/2700-2277 Fax: +43(0)463/2700-2299 Tagungsbeitrag: 25 Euro 10 Euro (Studierende) Für die Tagungsleitung: Mag. Martin Gabriel Institut für Geschichte Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Universitätsstraße 65-67 9020 Klagenfurt Tel.: +43(0)463/2700-2277 Fax: +43(0)463/2700-2299 [email protected] Tagungsort: Festsaal Fürstenhof Fürstenhofplatz 1 9360 Friesach vom Schreibtisch aus tun, und er wird dem schweizerisch-luxemburgischen Team von John Zimmer, Werner Meyer und Letizia Boscardin für die beispielhafte und grundlegende Publikation, die hier besprochen werden soll, besonders dankbar sein, denn dieses zweibändige Werk lässt vor den Augen des Lesers ein neues, höchst anschauliches Bild einer Kreuzfahrerburg des 12. und 13. Jhs. entstehen. Um zu dieser Anschauung zu gelangen, benötigt der Leser etwas Geduld und eine Portion Sitzleder, denn die Voraussetzungen für die neuen Resultate sind äusserst sorgfältige Sondagen und Bauuntersuchungen, die auf den ersten 240 Seiten ausgebreitet werden, während die Deutung weitere 135 Seiten in Anspricht nimmt. Die eigentliche ‹Knochenarbeit› wurde mit den hervorragend dokumentierten Sondagen und den 31 Grund- und Aufrissen (84 × 59cm!) geleistet. Es handelt sich um die ersten professionellen Grabungen innerhalb der Burg. Da wir schon von ‹Knochenarbeit› reden, dann sei gleich mal auf die zahlreichen Knochenfunde hingewiesen, welche genaue Auskunft über die Ernährung der Burgbewohner geben. 86% aller Knochenfunde stammen vom Rind, Schwein und Schaf bzw. Ziege. Zwischen 1110 und 1170 herrschte der Konsum von Schweine- und Schaf-/Ziegenfleisch vor. Nach 1170 dominiert der Verzehr von Rindern und Caprinae. Mit dem Auftreten der Mameluken verschwinden die Schweineknochen fast vollständig, wogegen die grösste Zahl der Knochen nach 1271 von Schaf und Ziege stammen. Die Analyse der Tierreste von Benoît Clavel und Alessio Bandelli wird durch akribische Beobachtungen von Werner Meyer an einem Holzofen ergänzt, den schon Deschamps in seiner Publikation von 1934 als solchen identifizierte. Neu und einleuchtend ist die Beobachtung, dass der Kuppelraum über dem Brotofen ein Räucherofen für die Konservierung von Fleisch war, woraus geschlossen werden darf, dass es für die Insassen des Krak lebenswichtig war, längere Belagerungen zu überstehen. Unterbringung: www.friesach.at Publikationen John Zimmer / Werner Meyer / Letizia Boscardin, mit Beiträgen von Alessio Bandelli et al., Krak des Chevaliers – Archäologie und Bauforschung 2003 bis 2007. Veröffentlichungen der Deutschen Bur genvereinigung, Reihe A: Forschungen 14 (Braubach 2011). Zwei Teile zusam men in Kartonschuber. Textband: 400 Seiten, gebunden – Planteil: 31 Pläne von A1 auf A4 gefaltet. ISBN: 9783927558335, CHF 112.– In der Schweiz erhältlich beim Schweize rischen Burgenverein Burgenfreunde und Reisende des Nahen Ostens kennen den Krak des Chevaliers als das herausragende Juwel des mittelalterlichen Burgenbaus auf syrischem Boden. Man kann jedoch heutzutage nicht umhin, das Lemma bei Google anzuklicken, um sich über die aktuellen Vorgänge im Kriegsgebiet zu informieren. Unter den Schreckensnachrichten macht eine vom 2. Mai 2012 besonders betroffen, wonach Vertreter des syrischen «Antiquities and Museum Department» in Damaskus von Zerstörungen auf der Burg Krak des Chevaliers berichten. Das Personal soll aus der Anlage vertrieben worden sein und Breschen sollen in die Mauern geschlagen worden sein, um Panzer in der Festung zu stationieren. Dass die Burg seit 2006 Bestandteil des Weltkulturerbes der UNESCO ist, hat bisher keine der Kriegsparteien gekümmert. Wer sich jetzt mit dem Krak beschäftigen will, wird dies gezwungenermassen 90 Mittelalter 18, 2013 / 3 Gegenüber allen bisherigen Publikationen zum Krak bringt dieses Buch grundlegende Neuerungen und Korrekturen. Erstmals dokumentiert John Zimmer die Burg mit Plänen gesamthaft, d.h. auf allen Niveaus im Grundriss und im Aufriss mit genauen Angaben über restaurierte, archäologisch untersuchte und nicht untersuchte Teile. Durchwegs handelt es sich um Baualterspläne im Masstab 1:100, 1:200, 1:250, 1:300 und 1:400. Dieses Planmaterial übertrifft sämtliche bisher veröffentlichten Pläne an Genauigkeit und Detailtreue und stellt die Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit dem Krak dar. Falls die im jetzigen Krieg erfolgten Beschädigungen eines Tages behoben werden sollten, dann bieten die Pläne von John Zimmer alle notwendigen Informationen für eine professionelle Restaurierung. Obwohl die Grabungen und Sondagen keine unversehrten fränkischen und mamelukischen Siedlungshorizonte mehr ausmachen konnten, war Werner Meyer in der Lage, eine Reihe von handfesten Informationen zum Bauvorgang nach dem Erdbeben von 1170, zu den frühes- Publikationen ten Siedlungshorizonten und zur Nutzung der Räumlichkeiten zutage fördern. Es ist hier nicht der Ort, auf Einzelheiten einzugehen, aber als Hauptresultat ergibt sich, dass sämtliche Bauten auf dem Krak nach dem Erdbeben von 1170 aufgrund eines neu ausgedachten Bauplans errichtet worden sind. Die Erstanlage des Krak bestand aus einem Ring tonnengewölbter, mehr als 7 m breiter und unterschiedlich langer Hallen, die den trapezförmigen Innenhof umgeben. Wie der Krak zur Zeit seiner ersten fatimidischen Besiedlung und zur Zeit der Eroberung durch die Franken ausgesehen hat, wissen wir nicht. Die Autoren nehmen an, dass der Krak vermutlich eine fatimidische Gründung gegen die Byzantiner war, denn er lag an der Strasse auf ca. 650 m über Meer, die das syrische Homs mit den später christlichen Seestädten Tartous und Tripolis verband. 1031 erscheint die Anlage im Besitz des Emirs von Homs, der diese mit Kurden besiedelte, was zur Benennung der Burg als Kurdenburg (Hisn al-Akrâd) führte. Die Kreuzfahrer eroberten die Burg vorübergehend auf ihrem Weg nach Jerusalem im Jahr 1099, aber erst 1110 ging sie in fränkischen Besitz über (bis 1271). Unter den komplizierten Vorgängen, die vom Autorenteam detailliert geschildert werden, ragt ein merkwürdiger Akt hervor, nämlich die Schenkung des Krak seitens Raymond I. an den Hospitalorden St. Johann von Jerusalem im Jahre 1142. Merkwürdig ist diese Tatsache insofern, als sie a priori eine karitative Tätigkeit des Ordens zuhanden der Kranken, Armen und der beim Kampf Verwundeten annehmen lässt. Aber Werner Meyer zeigt, dass die grossen militärischen Entscheidungen keineswegs rund um den Krak, sondern rund um Jerusalem fielen. Zugegeben, das konnten die Hospitalritter um 1140 nicht wissen, zumal ein massiver Ausbau der Burg erst im frühen 13. Jh. erfolgte. Damals sollen dort 2000 Krieger stationiert gewesen sein. Es gab jedenfalls für die Hospitalritter keinen unmittelbaren Anlass, im Krak ein Hospital einzurichten, es sei denn für die lokale christliche Bevölkerung. Dennoch deutet Werner Meyer die zahlreichen Toiletten in den nördlichsten Räumen als Krankenstation. Das macht Sinn, denn die Kranken konnten über eine schräg gestellte Maueröffnung an der Nordwand der unmittelbar angrenzenden Kapelle am Gottesdienst teilnehmen. Die Einrichtung einer solchen auch andernorts zu beobachtenden ‹Hörverbindung› zwischen Krankensaal und Kapelle ist charakteristisch für gewisse Bauten der Hospitalritter. Dies spricht dafür, dass der Krak von den Hospitalrittern konzipiert worden ist. Verschiedene Räume sind von der bisherigen Forschung (Biller)1 als Dormitorium, Kapitelsaal und Priesterraum gedeutet worden. Werner Meyer bestreitet diese von der Klosterbaukunst geprägte Deutung mit dem Hinweis auf das Fehlen monastischer Gewohnheiten bei den Hospitalrittern. Die bei den Sondagen auf das Sorgfältigste dokumentierten und ausgewerteten Fundkomplexe an Keramik und Metall scheinen die nichtmonastische Deutung zu bestätigen. Auf jeden Fall stellen sie eine überraschend neue Grundlage der Beurteilung dar. Interessant ist beispielsweise die grosse Zahl gefundener Spielsteine sowie der Nachweis von Mühlspielen im Nordturm und der Nachweis des Mankalaspieles auf einer Sitzbank im Prunksaal eines Turmes an der Südseite. Obwohl die Kirche und die Johanniter Brett- und Glücksspiele ablehnten, scheinen sich diese auf dem Krak grosser Beliebtheit erfreut zu haben. Wenn wirklich die ausgegrabenen Pfeifenköpfe solche sind und zum Haschisch-Rauchen bestimmt waren (Tabak begegnet man erst in der frühen Neuzeit), dann wird man neue Überlegungen zum Leben der Franken in den Burgen des nahen Ostens anstellen müssen. Die von dem Autorenteam betriebene minutiöse Bauarchäologie, gepaart mit gezielten Grabungen und einer vollständigen Erfassung des Kraks mit hervorragenden Plänen, setzt neue Masstäbe und bringt gänzlich neue Resultate, die hohen Respekt erheischen. Beat Brenk, Rom 1 Thomas Biller / Daniel Burger / G. Ulrich Großmann(Hrsg.), Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit. Forschungen zu Burgen und Schlössern, Sonderband 3 (Regensburg 2006). ISBN 978-3-7954-1810-6; geb.; 445 S.; N 86.–. Jeder Stein ein Stückchen Gold … 50 Jahre Südtiroler Burgeninstitut Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut, ARXSchriftenreihe 3 (Bozen 2013) – ca. 224 Seiten, fest geb., zahlreiche Farb abb. ca. i 26.90 ISBN 9783703008399 Das Südtiroler Burgeninstitut wurde 1963 gegründet, um die öffentliche und private Pflicht zur Erhaltung der Burgen und Schlösser einzufordern und ihre Erforschung und Dokumentation zu fördern. Diese Publikation ist ein reich illustrierter Führer durch die fünfzigjährige Vereinsgeschichte des Südtiroler Burgeninstituts, mit Beiträgen zu Gründungsgeschichte, Erwerbung und Restaurierung der Trostburg und von Schloss Taufers, Mitgliedern in Vergangenheit und Gegenwart, Vereinsleben und Publikationstätigkeit. Mit einem Ausblick auf die Zukunft. Burgen Perspektiven – 50 Jahre Südtiroler Burgeninstitut Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut, ARXSchriftenreihe 4 (Bozen 2013) – ca. 550 Seiten, fest geb., zahlreiche Farb und s/wAbbildungen ca. i 39.90 ISBN 9783703008382 Das 50-jährige Gründungsjubiläum bietet den willkommenen Anlass für die vorliegenden Burgen-Perspektiven: Aus ganz verschiedenen Fachdisziplinen kommend, nähern sich die Autorinnen und Autoren dem Thema Burg und bieten überaus reizvolle und vielfältige Einblicke in die Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte der Baudenkmäler und das Leben ihrer Bewohner. Dabei ist der Blick keineswegs nur in die Vergangenheit gerichtet: Die perspektivische Betrachtungsweise inkludiert ja den Blick in die Zukunft, und das erfordert gerade im Hinblick auf die Bewahrung historischer Kulturdenkmäler ein fürsorgliches, planendes Handeln. Die reich bebilderte Themenpalette enthält neben aktuellen Forschungen zu einzelnen Burgen und kulturgeschichtlichen Einblicken in das Leben auf der Burg auch zahlreiche Arbeiten zu speziellen Zeitabschnitten von der Römerzeit bis in die Gegenwart. Mittelalter 18, 2013 / 3 91 Publikationen / Vereinsmitteilungen Leo Andergassen / Florian Hofer Schloss Kastelbell Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut, Reihe Burgen 12. Verlag Schnell und Steiner Der reich illustrierte Führer «Schloss Kastelbell – Von der Felsenburg zum Renaissanceschloss» erschliesst dem Besucher diese beeindruckende Burganlage im Vinschgau. Die ins 13. Jh. zurückreichende Anlage vereint mittelalterliche Festungsbaukunst, selbstbewusst zur Schau stellende Renaissancearchitektur und neuzeitliche Wehrelemente wie Geschützrondelle, Pechnasen, Schlüsselund Maulscharten. In der Burgkapelle haben sich bedeutende Fresken des 14. bis 16. Jh. erhalten. Nach zwei verheerenden Bränden 1813 und 1824 verfiel das Schloss zu einer Ruine und wurde in den Jahre 1987–1995 umfangreich restauriert. Seit 1999 kümmert sich das Kuratorium Schloss Kastelbell um Führung und Verwaltung der Anlage, nun unter der Obmannschaft von Dr. Georg Wielander. Ziele dieser Genossenschaft sind die Führung, die Erhaltung sowie die Nutzung des Schlosses für kulturelle Veranstaltungen. (Kunstausstellungen, Konzerte ...). Das Kuratorium gewährleistet ausserdem den öffentlichen Zugang zu Besichtigungen. Christina Niederkofler Lamprechtsburg – 1000 Jahre Ortsgeschichte Verlag A. Weger Brixen 2013 zählband mehrere lebendig geschilderte Biografien von Lamprechtsburgern/innen wie auch die mündlich überlieferten Sagen und Erinnerungen. Weiter finden sich Details zur Burganlage mit dem Schlosskirchlein, das über Jahrhunderte ein viel besuchter Wallfahrtsort zur Hl. Kummernus war, einer Frau am Kreuz mit tiefwurzelndem Hintergrund. Diese und weitere Besonderheiten werden auf 100 Buchseiten als Text und mit ansprechenden Bildern in einer Weise dargelegt, wie sie wohl nur eine Autorin vermitteln kann, die mit diesem Ort von klein auf vertraut ist. Damit ruft dieses Buch ein authentisches Stück Heimatgeschichte wieder in Erinnerung. Die Unverfälschtheit der Lamprechtsburg bei Reischach als Kunstdenkmal und auch als Wohnort ist einzigartig. Die Burganlage, vermittelt Werte wie Identität, Zugehörigkeit und Geborgenheit. Mit der vorliegenden Publikation arbeitet die Autorin Christina Niederkofler Cont, die selbst ihre Wurzeln in der Burg hat und auch dort verspürt, sehr ausdruckvoll und gefühlstark die jüngere Besitzergeschichte auf. Gut recherchiert und in angenehm lesbarer Form beschreibt sie die Abfolge der auf der Lamprechtsburg beheimateten Adelsgeschlechter vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Daneben enthält der Er- Es der vorbildlichen Initiative der Eigentümerfamilie zu verdanken, dass mit dem Erzählband «Lamprechtsburg – 1000 Jahre Ortsgeschichte» die Bewusstseinsbildung für den Erhalt historischer Wehrbauten als Denkmale der Kunst, als Zeugnisse der Landesgeschichte und der Landeskultur sowie als wesentlicher Bestandteil der Landschaft unterstützt und die Auseinandersetzung mit der Burgenkunde angeregt werden. und eine Festung. Der heutige Bau der Reformierten Kirche Saint-Gervais geht auf die Zeit ab 1436 zurück und wurde über einer Kirche des 10.–11. Jh. er- richtet, die ihrerseits über einem älteren Gotteshaus erbaut wurde. 1987–1994 und 2000–2005 wurden auf einer Fläche von fast 2000 m2 die Reste der frü- Vereinsmitteilungen 86. Jahresversammlung des Schweizerischen Burgenvereins Das Programm der diesjährigen Jahresversammlung des Burgenvereins begann mit der ordentlichen Mitgliederversammlung im Site archéologique du Saint-Gervais (Ausstellungsraum im Grabungsbereich unter der Kirche SaintGervais). Die anwesenden 19 stimmberechtigen Mitglieder erledigten rasch die statutarischen Punkte der ordentlichen Mitgliederversammlung, die zu keinerlei Diskussionen Anlass gaben. Bereits nach rund 30 Minuten konnte somit zum Exkursionsteil übergegangen werden. Saint-Gervais ist das älteste Quartier der Rive droite von Genf. Hier entstanden schon im 9. Jh. ein Palast mit Kapelle Abb. 1 92 Mittelalter 18, 2013 / 3 Vereinsmitteilungen heren Bauten freigelegt und in einem site archéologique als Grabungsbefunde konserviert, in denen sich der Besucher bewegen kann (Abb. 1 und 2). Neben einem gallo-römischen Bau sind hier die Reste der frühchristlichen Kirche und einer romanischen Krypta zu sehen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen (Abb. 3) im Zentrum der Altstadt von Genf besuchten die 22 Teilnehmenden die akuelle Grabung an der Esplanade Saint-Antoine. Abb.2 Abb. 3 Am Ostrand der Cité wurde 1994 in diesem Bereich ein unterirdisches Parkhaus gebaut. Dabei legte man die Spuren mehrerer Etappen der Genfer Stadtbefestigung frei. Zuinnerst fanden sich die Spuren der mittelalterlichen Stadtmauer, entstanden zwischen 1287 und 1330. Daran stösst das Fundament eines Schalenturms, der in den Quellen 1509 als «Tour des Lépreux» bezeichnet wird. Um 1537 wurde vor die Stadtmauer eine neue Wehrmauer gezogen und die Schanze Saint-Laurent errichtet; von dieser sind im nun erstellten Parkhaus die Aussenmauern sichtbar. Um 1559/60 wurde dann darüber die grosse Bastion Saint-Antoine errichtet und alle früheren Strukturen überdeckt (Abb. 4). Bereits beim Bau des Parkings stellte man fest, dass in diesem Bereicht ein frühmittelalterliches Gräberfeld (6.–8. Jh.) liegt. Bei der Umgestaltung der Esplanade Saint-Antoine wird seit 2010 unter der Bastion auch die Begräbniskirche entdeckt und freigelegt (Abb. 5). Am Sonntag trafen sich 20 Teilnehmende beim Busbahnhof, um nach kurzer Fahrt in das Genfer Umland südlich des Sees zu gelangen. Ziel ist die Burgruine Rouelbeau bei Meinier GE. Diese Burgruine ist eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse mittelalterlicher Burgenarchitektur auf Genfer Boden. Die meisten Herrschaftssitze wurde nämlich im Rahmen der Religionskriege und der Festigung der Genfer Stadtherrschaft spätestens im 16. Jh. zerstört. Im Rahmen der Renaturierung von Fluss- und Bachläufen im Kanton Genf wurde ein grosser Geländeabschnitt südöstlich der Burg in einen künstlichen See Abb. 4 Mittelalter 18, 2013 / 3 93 Vereinsmitteilungen umgewandelt, aus dem sich ein sumpfiges Biotop entwickelt. Dies veranlasste den Kantonalen Archäologischen Dienst Genf (SCG), eine grossflächige Untersuchung des Geländes durchzuführen. Denn die spätmittelalterlichen Bauherren haben offenbar auf diese sumpfige Umgebung beim Bau der Burg Rouelbeau Rücksicht genommen: Das Aufwerfen eines künstlichen Hügels für den Bau der Burg wird 1339 urkundlich erwähnt. Das Forschungsprojekt begann im Frühjahr 2001 und hat zum Ziel, die Baugeschichte der Anlage zu erforschen und auf den Grundlagen der neuen Erkenntnisse die Ruine entsprechend zu konservieren. Gemäss schriftlichen Quellen wurde die «Bastie de Roillebot» durch Humbert von Choulet nach nur einjähriger Bauzeit 1318 als Holzburg errichtet. Bereits 1319 wurde die Burg ein Herrschaftsssitz der Freiherren von Faucigny, deren Gebiet sich vom Fuss der französischen Alpen bis zum Genfersee erstreckte. Das führte in der Folge zu Spannungen mit den Grafen von Genf und dem Hause Savoyen. 1339 versuchten die Freiherren von Faucigny deshalb ihre Holzburg an den im fernen Avignon residierenden Papst zu verkaufen. In der dafür aufgezeichneten Offerte, die erhalten ist, wird die Holzburg mit ihren Bauteilen erwähnt. Zwischen 1139 und 1355 ist die offensichtlich nicht verkaufte Burg in eine Steinburg umgewandelt worden. 1355 übernehmen die Herzöge von Savoyen die Herrschaft Faucigny, und damit auch die Burg, die sie aber bald danach aufliesen. So diente die Burg seit dem 15. Jh. als Steinbruch für den Bau umliegender Bauernhäuser. Abb. 5 Abb. 6 Mit den Informationen über eine Holzburg begannen die Archäologen 2001 mit deren Suche unter den erhaltenen Spuren unter den Mauerresten; zunächst ohne Erfolg! Erst im zweiten Jahr, als man schon etwas misstrauisch gegenüber den Schriftquellen war, kamen die Pfostenreihen der Palisade zum Vorschein (Abb. 6).Sie lagen rund 1 m innerhalb der steinernen Ringmauer. Die Forschungen auf diesem Platz erbringen inzwischen wichtige neue Erkenntnisse in Bezug auf die Verwendung von Holz Abb. 7 94 Mittelalter 18, 2013 / 3 Vereinsmitteilungen Abb. 8 beim spätmittelalterlichen Burgenbau. Die Befunde wurden auf dem Platz mit den aufmerksamen Exkursionsteilnehmenden ausführlich diskutiert (Abb. 7). Bei angenehmem Wetter (Sonne mit leichter Bise) wurde den Teilnehmenden von der Kantonsarchäologie Genf ein reichhaltiges Picknick offeriert, selbstverständlich mit einem Aperitif (Abb. 8). Abb. 9 nach kurzer Fahrt das Städtchen Hermance. Stadt und Hafen wurden 1247 von Aimon de Faucigny gegründet, um einen festen Platz am Südufer des Genfersees zu erhalten. 1815 wurde der Ort dem Kanton Genf angeschlossen. Die ehemals befestigte Siedlung gliedert sich in eine regelmässig angelegte Unterstadt und die Oberstadt; diese wird durch die 1337–39 errichtete Burg dominiert (Abb. 9). Davon erhalten hat sich der massive Rundturm, den wir im Rahmen dieser Exkursion auch im Innern besichtigten durften. Von der Plattform aus hat man eine wunderbare Übersicht über das Städtchen und die nähere und weitere Umgebung (Abb. 10). (Thomas Bitterli) Nach dem Mittagessen erreichten wir Abb. 10 Mittelalter 18, 2013 / 3 95 Vereinsmitteilungen Vorstand für das Vereinsjahr 2013 Präsidentin: Dr. Renata Windler Baudirektion Kanton Zürich ARV/Archäologie und Denkmalpflege Stettbachstrasse 7 CH-8600 Dübendorf Tel. 043 343 45 20 renata.windler(at)bd.zh.ch Vizepräsidenten: Urs Clavadetscher, lic. phil. Amt für Kultur Kanton Graubünden Archäologischer Dienst Loëstrasse 26, CH-7001 Chur Tel. 081 254 16 62 urs.clavadetscher(at)adg.gr.ch Hansjörg Frommelt Landesarchäologie Messinastr. 5 FL-9495 Triesen, Liechtenstein Tel. +423 236 75 31 hansjoerg.frommelt(at)llv.li Quästor: Dr. iur. Martin Baumgartner Treuhandgesellschaft BK & P Postfach 2100, CH-8022 Zürich Tel. 044 213 69 69 [email protected] Weitere Vorstandsmitglieder: Dr. Armand Baeriswyl Archäologischer Dienst des Kantons Bern Brünnenstrasse 66, Postfach 5233 CH-3001 Bern Tel. 031 633 98 22 armand.baeriswyl(at)erz.be.ch Gaëtan Cassina Prof. honoraire UNIL Case postale 117,CH-1963 Vétroz Mobil 079 360 53 38 gaetan.cassina(at)unil.ch Dr. Elisabeth Crettaz Le Forum CH-3961 Zinal VS Tel. 027 475 20 28 elisabeth.cretta(at)bluewin.ch Christian de Reynier Archéologue du bâti Office du patrimoine et de l’archéologie Section Conservation du patrimoine 96 Mittelalter 18, 2013 / 3 Rue de Tivoli 1 CH-2000 Neuchâtel Christian.deReynier(at)ne.ch Peter Niederhäuser, lic. phil. Brauerstr. 36, CH-8400 Winterthur Tel. 052 213 26 72 p.niederhaeuser(at)sunrise.ch Flurina Pescatore, lic.phil. Denkmalpflegerin des Kantons Schaffhausen Planungs- und Naturschutzamt Beckenstube 11, CH-8200 Schaffhausen Tel. 052 632 73 38 flurina.pescatore(at)ktsh.ch Zürcher Vortragsreihe Donnerstag, 7. November 2013 18.15 Uhr Uni Zürich-Zentrum Hörsaal KOL-E-18 Prof. Dr. Stefan Sonderegger, Leiter des Stadtarchivs St. Gallen Keine Burgen, Klöster und Städte ohne Bauern. Ein Blick auf die ländliche Gesellschaft der Ostschweiz im Mittelalter Bis weit in die Neuzeit lebten rund 80 Prozent der Menschen auf dem Land. Viele davon waren Bauern, die Böden bewirtschafteten, die sie von Adligen, Klöstern, Spitälern und Stadtbürgern als Lehen erhielten. Dafür zahlten sie Abgaben, die vielerorts schriftlich festgehalten sind. Diese Dokumente machen es möglich, die Alltagsbeziehungen zwischen Bauern und Herren im Mittelalter zu untersuchen. Im Vortrag werden Schriftstücke aus Ostschweizer Archiven gezeigt und kommentiert. Donnerstag, 12. Dezember 2013 18.15 Uhr Uni Zürich-Zentrum Hörsaal KOL-E-18 Dr. Reto Marti, Leiter der Archäologie Baselland, Liestal Der Altenberg bei Füllinsdorf BL – die Entdeckung einer frühen Adelsburg Die Ausgrabungen auf dem Altenberg ob Füllinsdorf übertrafen alle Erwartungen. Ans Licht kam eine der ältesten Burganlagen der Region, gegründet um 1000, und vor 1100 bereits wieder verlassen. Das reiche Fundmaterial gibt spannende Einblicke in das Leben auf einer frühen Adelsburg. Ihr rasches Ende wirft regionalgeschichtliche Fragen auf. Donnerstag, 23. Januar 2014 18.15 Uhr Uni Zürich-Zentrum Hörsaal KOL-E-18 Benedikt Zäch, lic. phil., Leiter des Münzkabinetts Winterthur Heilige Kaiser im 15. Jh.: Heinrich II. in Basel, Karl der Grosse in Zürich Mittelalterliche Herrscher hatten zuweilen ein bedeutendes Nachleben als Patrone für Städte; je länger ihr Tod zurücklag, desto grösser wurde der Gestaltungsraum für die Verehrung. Heinrich II. in Basel, der Stifter des Münsters, und Karl der Grosse in Zürich, legendärer Gründer des Grossmünsterstifts, sind Beispiele, die sich geradezu für einen Vergleich anbieten. Im 15. Jh. wurde um die beiden Kaiser ein älterer lokaler Kult neu belebt, der sich baulich, in der Kunst und auch in der Münzprägung manifestierte. Samstag, 12. April 2014, 10.15–12.15 Uhr Besammlung auf der Rathausbrücke Auf den Spuren Karls des Grossen in Zürich. Orte, Fakten und Legenden Führung durch Dr. Dölf Wild und Dr. Andreas Motschi, Stadtarchäologie Zürich Wie sah Zürich in karolingischer Zeit aus? Welchen Einfluss übte das fränkische Königshaus auf den Ort aus? Welche Rolle spielte die Verehrung der Stadtheiligen Felix und Regula? Wir gehen auf Spurensuche zwischen Lindenhof, Fraumünster und Grossmünster. Gäste sind herzlich willkommen. Die Veranstaltungen sind unentgeltlich. Dr. Renata Windler, Tel. 043 259 69 20. Siehe auch: www.burgenverein.ch Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters (SBKAM) Band 1, 1974 Werner Meyer, Alt-Wartburg im Kanton Aargau. Band 16, 1989 (vergriffen) Werner Meyer (u. a.), Die Frohburg. Ausgrabungen 1973−1977. Band 31, 2004 Gesicherte Ruine oder ruinierte Burg? Erhalten – Instandstellen – Nutzen. Band 2, 1975 (vergriffen) Jürg Ewald (u. a.), Die Burgruine Scheidegg bei Gelterkinden. Band 3, 1976 (vergriffen) Werner Meyer (u. a.), Das Castel Grande in Bellinzona. Band 17, 1991 Pfostenbau und Grubenhaus − Zwei frühe Burgplätze in der Schweiz. Hugo Schneider, Stammheimerberg ZH. Bericht über die Forschungen 1974−1977. Werner Meyer, Salbüel LU. Bericht über die Forschungen von 1982. Band 32, 2005 Jakob Obrecht, Christoph Reding, Achilles Weishaupt, Burgen in Appenzell. Ein historischer Überblick und Berichte zu den archäologischen Ausgrabungen auf Schönenbühl und Clanx. Band 4, 1977 (vergriffen) Maria-Letizia Boscardin, Werner Meyer, Burgenforschung in Graubünden, Die Grottenburg Fracstein und ihre Ritzzeichnungen. Die Ausgrabungen der Burg Schiedberg. Band 18/19, 1992 Jürg Manser (u. a.), Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.−19. Jahrhundert). Archäologische und historische Untersuchungen zur Geschichte von Strafrechtspflege und Tierhaltung in Luzern. Band 5, 1978 (vergriffen) Burgen aus Holz und Stein, Burgenkundliches Kolloquium Basel 1977 − 50 Jahre Schweizerischer Burgenverein. Beiträge von Walter Janssen, Werner Meyer, Olaf Olsen, Jacques Renaud, Hugo Schneider, Karl W. Struwe. Band 20/21, 1993/94 Georges Descoeudres (u. a.), Sterben in Schwyz. Berharrung und Wandel im Totenbrauchtum einer ländlichen Siedlung vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit. Geschichte − Archäologie − Anthropologie. Band 6, 1979 (vergriffen) Hugo Schneider, Die Burgruine AltRegensberg im Kanton Zürich. Band 7, 1980 (vergriffen) Jürg Tauber, Herd und Ofen im Mittelalter. Untersuchungen zur Kulturgeschichte am archäologischen Material vornehmlich der Nordwestschweiz (9.−14. Jahrhundert). Band 8, 1981 (vergriffen) Die Grafen von Kyburg. Kyburger Tagung 1980 in Winterthur. Band 9/10, 1982 Jürg Schneider (u. a.), Der Münsterhof in Zürich. Bericht über die vom städtischen Büro für Archäologie durchgeführten Stadtkernforschungen 1977/78. Band 11, 1984 Werner Meyer (u. a.), Die bösen Türnli. Archäologische Beiträge zur Burgenforschung in der Urschweiz. Band 12, 1986 (vergriffen) Lukas Högl (u. a.), Burgen im Fels. Eine Untersuchung der mittelalterlichen Höhlen-, Grotten- und Balmburgen in der Schweiz. Band 13, 1987 Dorothee Rippmann (u. a.), Basel Barfüsserkirche. Grabungen 1975−1977. Band 14/15, 1988 Peter Degen (u. a.), Die Grottenburg Riedfluh Eptingen BL. Band 33, 2006 Reto Dubler, Christine Keller, Markus Stromer, Renata Windler, Vom Dübelstein zur Waldmannsburg. Adelssitz, Gedächtnisort und Forschungsprojekt. Band 34, 2007 Georges Descoeudres, Herrenhäuser aus Holz. Eine mittelalterliche Wohnbaugruppe in der Innerschweiz. Band 35, 2008 Thomas Reitmaier, Vorindustrielle Lastsegelschiffe in der Schweiz. Band 22, 1995 Daniel Reicke, «von starken und grossen flüejen». Eine Untersuchung zu Megalithund Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und Rhein. Band 36, 2009 Armand Baeriswyl / Georges Descœudres / Martina Stercken / Dölf Wild (Hrsg.), Die mittlelalterliche Stadt erforschen – Archäologie und Geschichte im Dialog. Band 23/24, 1996/97 Werner Meyer (u. a.), Heidenhüttli. 25 Jahre archäologische Wüstungsforschung im schweizerischen Alpenraum. Band 37, 2010 Lukas Högl, Der Spaniolaturm zu Pontresina. Band 25, 1998 Christian Bader, Burgruine Wulp bei Küsnacht ZH. Band 26, 1999 Bernd Zimmermann, Mittelalterliche Geschossspitzen. Typologie − Chronologie − Metallurgie. Band 27, 2000 Thomas Bitterli, Daniel Grütter, Burg Alt-Wädenswil. Vom Freiherrenturm zur Ordensburg. Band 28, 2001 Burg Zug. Archäologie – Baugeschichte – Restaurierung. Band 29, 2002 Wider das «finstere Mittelalter» – Festschrift Werner Meyer zum 65. Geburtstag. Band 30, 2003 Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäologische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau. Band 38, 2011 Felicia Schmaedecke, Kloster Mariazell auf dem Beerenberg bei Winterthur. Neuauswertung der Ausgrabungen 1970–1972 im ehemaligen AugustinerChorherrenstift. Band 39, 2012 (Sonderband) Ofenkeramik und Kachelofen – Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum (CH, D, A, FL) mit einem Glossar in siebzehn Sprachen. Von Eva Roth Heege mit Beiträgen von Monika Dittmar, Julia HallenkampLumpe, Andreas Heege, Matthias Henkel, Klaus Hufnagel, Uwe Lamke, Katja Lesny, Margret Ribbert, Harald Rosmanitz und Günther Unteidig. Band 40, 2012 Ursina Jecklin-Tischhauser, Lotti Frascoli und Manuel Janosa, Die Burg Marmels – Eine bündnerische Balmburg im Spiegel von Archäologie und Geschichte. Mit Beiträgen von Örni Akeret, Ludwig Eschenlohr, Silke Grefen-Peters, Florian Hitz, Lukas Högl, Marlu Kühn und Christina Papageorgopoulou. Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, die Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins, veröffentlicht Ergebnisse aktueller Forschungen zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters in der Schweiz. Schwerpunkte bilden die Burgenforschung, Siedlungsarchäologie sowie Untersuchungen zur mittelalterlichen Sachkultur. ISSN 1420-6994 Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval. La revue de l’Association Suisse Châteaux forts publie les résultats d’études menées en Suisse dans le domaine de l’archéologie et de l’histoire médiévales. Les travaux de castellologie et d’archéologie des habitats, ainsi que les études relatives à la culture matérielle, constituent ses principaux domaines d’intérêt. Schweizerischer Association Suisse Associazione Svizzera Associaziun Svizra Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, la rivista dell’Associazione Svizzera dei Castelli, pubblica i risultati delle ricerche attuali in Svizzera nel campo della storia della cultura e dell’archeologia del medioevo. I punti focali sono la ricerca concernente i castelli, le indagini archeologiche degli insediamenti come anche lo studio della cultura medioevale. Burgenverein Châteaux forts dei Castelli da Chastels Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, la revista da l’Associaziun Svizra da Chastels, publitgescha ils resultats da perscrutaziuns actualas davart l’istorgia culturala e l’archeologia dal temp medieval en Svizra. Ils accents da la revista èn la perscrutaziun da chastels, l’archeologia d’abitadis e las retschertgas davart la cultura materiala dal temp medieval.