18. Jahrgang – 2013/3 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins

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18. Jahrgang – 2013/3 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins
Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins
18. Jahrgang – 2013/3
Herausgeber / Editrice
Schweizerischer Burgenverein
Geschäftsstelle Basel
Blochmonterstrasse 22, 4054 Basel
L’Association Suisse Châteaux forts
© 2013 Schweizerischer Burgenverein
Redaktion / Rédaction
Urs Clavadetscher, lic. phil.
Archäologischer Dienst
Graubünden
Loëstrasse 25, 7001 Chur
Prof. Dr. Gaëtan Cassina
Case postale 117
1963 Vétroz
18. Jahrgang, 2013/3, September 2013
Inhalt / Sommaire
49
Burgruine Wildenburg.
Bauliche Sanierung des Hauptturmes und
Dr. Elisabeth Crettaz
Le Forum, 3961 Zinal VS
Flurina Pescatore, lic. phil.
Denkmalpflege
Kanton Schaffhausen
Beckenstube 11, 8200 Schaffhausen
Redaktion und Geschäftsstelle
Schweizerischer Burgenverein
Geschäftsstelle Basel
Thomas Bitterli
Blochmonterstrasse 22, 4054 Basel
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Postkonto 40-23087-6
Jakob Obrecht, Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Neuerschliessung der Ruine 2012/13
65
Florian Hitz, Die Freiherren von Sax und
die Herrschaftsbildung im Misox
89
Veranstaltungen
90
Publikationen
92
Vereinsmitteilungen
Redaktionstermin / Délai de rédaction
1.2. / 1.5. / 1.8. / 1.11.
Erscheinungsdatum / Parution
31.3. / 30.6. / 30.9. / 29.12.
Richtlinien zum Einreichen
von Textbeiträgen sind einsehbar unter
www.burgenverein.ch/Richtlinien
Auflage / Tirage 1400
Erscheint vierteljährlich / trimestriel
ISSN 1420-6994 Mittelalter (Basel)
Druck / Impression
Schwabe AG, Basel
Verlag und Druckerei
Die Schweizerische Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation im Schweizer Buch, der schweizerischen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten finden Sie in Helveticat, dem Katalog der Schweizerischen Nationalbibliothek, unter: www.nb.admin.ch/
helveticat.
Titelbild / Couverture:
Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turmruine und Abschnitt
der Ringmauer M8, frisch gereinigt. Ansicht von Südosten vor Beginn
der Sanierungsarbeiten.
Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Bauliche Sanierung des Hauptturmes und Neuerschliessung
der Ruine 2012/13
von Jakob Obrecht
mit einem Beitrag von Heinrich Boxler
Lage
Ausnahme eines Abschnittes in der NW-Ecke der An-
Die Wildenburg liegt in der Gemeinde Wildhaus-Alt
lage, demjenigen des Turmes.
St. Johann auf rund 1100 m ü.M. und ist damit die
Westlich des Turms sind Reste von zwei L-förmig anei-
höchst gelegene Burgruine des Kantons St. Gallen. Die
nander stossenden Mauerzüge M6/M7 eines grösseren
Burganlage steht auf einem rund 70 m langen und an
Wohnhauses erhalten. Auf Grund seines kleinteiligen
seiner breitesten Stelle etwa 30 m messenden Felssporn,
Mauerwerks scheint es – zusammen mit dem westlich
der auf drei Seiten steil abfällt und von dem man einen
davon liegenden Binnengraben – in einer späteren Bau-
ausgezeichneten Blick auf den Übergang hat, der vom
phase errichtet worden zu sein. Dies geschah möglicher-
Rheintal ins Obertoggenburg führt.
weise im Rahmen einer Redimensionierung der Burganlage, etwa vergleichbar mit derjenigen der Frohburg
Kurze Beschreibung der Burganlage
(Trimbach SO) zu Beginn des 14. Jh.1
Auf der östlichen Schmalseite ist die Burg durch einen
tief in die Felsrippe gehauenen Halsgraben geschützt
Geschichte
(Abb. 1). Direkt über diesem Graben steht der Turm mit
Auf dem Burghügel sind einige wenige urgeschichtliche
einem Grundriss von gut 9,2 × 9,2 m und bis zu 2,2 m
Keramikscherben gefunden worden. Sie belegen, dass
dicken Mauern. Seine ursprüngliche Höhe ist nicht bekannt; inklusive Dachaufbau kann sie gut 20 m betragen
haben. Der gesamte Felssporn hinter dem Turm ist von
1
einer Ringmauer umgeben. Ihr Mauerwerk gleicht, mit
Werner Meyer, Die Frohburg, Ausgrabungen 1973-1977. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters
16 (Zürich 1989) 98.
M5
M1
M7
M4
M2
M3
Binnengraben
M6
N
M8
Graben
0
5
10 m
1: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Schematischer Grundrissplan der Burganlage.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
dieser Ort sicher seit 4000 Jahren von Menschen begangen wird. Zum Baubeginn der Burganlage liegen bisher
keine archäologischen Befunde vor. Laut dem aktuellen Forschungsstand begannen die im Rheintal ansässigen Freiherren von Sax um das Jahr 1200 mit dem Bau
der Burg. Erstmals schriftlich erwähnt wird die Wildenburg in einer Urkunde vom 13. Januar 1313, die belegt,
dass Heinrich von Sax die Burg an Graf Friedrich IV.
von Toggenburg verkaufte.2 Nach dem Tode des letzten Toggenburgers gelangte die Wildenburg 1429 durch
Erbschaft in den Besitz der Brüder Petermann und Hiltibrand von Raron.3 Nach dem Tod seines Bruders Hiltibrand verkaufte Petermann 1468 die Burg zusammen mit
all seinen Gütern im Toggenburg an Abt Ulrich VII. von
St. Gallen.4 Für die Zeit des 16. Jh. gibt es keine Nachrichten mehr zur Wildenburg. Mehrere Autoren, die sich
mit der Geschichte der Wildenburg beschäftigten, gehen
davon aus, dass die Burg im Laufe des 16. Jh. aufgegeben wurde und anschliessend als Steinbruch diente.
J. E. Hartmann aus Wattwil schreibt 1830 beispielsweise
dazu: «Sehr wahrscheinlich war sie schon lange vorher in
einem zerrütteten, unwirthschaftlichen Zustande, oder
gar verheert. Auch über die Art ihrer Zerstörung ist man
sich nicht im Klaren. Vielleicht sank sie durch allmählichen Zerfall, irgendein Brand, ein Blitzstrahl mochte das
Holzwerk vollends ausgetilgt haben.» Interessanterweise
liest man bei Hartmann, dass ein Blitzschlag das restliche Holzwerk in Brand gesetzt haben könnte, während
spätere Autoren, darunter auch Gottlieb Felder, schreiben, die Burg sei 1600 vom Blitz getroffen und als Folge
davon ausgebrannt.5
Alle Autoren sind sich aber darin einig, dass die Ruine
anschliessend von der Bevölkerung als Steinbruch genutzt wurde. Es scheint, dass man dabei vor allem die
Bauten im Innenhof und die aufrecht stehenden Abschnitte der Ringmauer abgebrochen hat, den Turm
aber stehen liess. Dieser scheint langsam aber stetig zerfallen zu sein. Jedenfalls zeigt eine vor 1911 aufgenommene Fotografie der Ostmauer des Turmes (siehe Abb.
16) deutlich, dass sie damals zwar schon sehr schadhaft
war, aber noch nicht, wie heute, fast vollständig zerfallen
war. Der letzte aufrecht stehende Rest der Ostwand des
Turmes muss somit um oder nach 1911 eingestürzt sein.
50
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Die Namen Wildenburg und Wildhaus
(Heinrich Boxler)
Am 13. Januar 1313 verkaufte Ritter Ulrich IV. von Sax
dem Grafen Friedrich von Toggenburg einen ersten Teil
seiner Güter – darunter auch «das hus Wildenburg».
Aus der mittelalterlichen Epik geht klar hervor, dass
«hus» die durchwegs übliche Bezeichnung des Burgbesitzers für seinen befestigten Wohnsitz war. Da aber mit
dem Wort «hus» jede beliebige Burg bezeichnet werden
konnte, schufen die Adligen für ihre Burg einen eigenen
Namen, sofern sie nicht den Namen der nahen oder zugehörigen Örtlichkeit auf die Burg übertrugen.
Ihre neue Burg nannten die Herren von Sax zu Recht
«Wildenburg», denn «wilt/wilde» bedeutete im Mittelalter nicht nur wild und ungezähmt, sondern auch unbewohnt und unbebaut. Die beiden letzten Bezeichnungen
treffen auf die Lage der Burg im obersten Teil des Toggenburgs durchaus zu, da das Gebiet vor dem Bau der
Burg wohl nur alpwirtschaftlich genutzt wurde. Deshalb
ist es auch höchst unwahrscheinlich, dass es sich beim
Namen Wildenburg um eine Anlehnung an einen bereits bestehenden Ortsnamen «Wildhus» oder «Wildenhus» handelt. Alles spricht dafür, dass die Siedlung, die
allmählich um die Burg entstand, «ze dem wilden hus»
genannt wurde, was so viel bedeutete wie «beim wilden
Haus», womit die Burg gemeint war. Tatsächlich wird
der Ort «Wildenhus» erst 1408 erstmals urkundlich erwähnt.
Die gleichzeitige Verwendung des allgemeinen Wortes «hus» und des spezifischen Namens «Wildenburg»
kommt in der Urkunde von 1313 trefflich zum Ausdruck, wenn Ulrich von Sax schreiben lässt: «Min hus,
das man da heisset dü Wildeburg.» Weil «min hus» eine
beliebige Burg sein kann, präzisiert Ulrich von Sax, dass
es sich um die Wildenburg handelt. In derselben Urkunde zeigt sich übrigens die synonyme Verwendung
von «hus» und «burg» geradezu beispielhaft, wenn es
u.a. heisst: «den se (See) und die mülin bi der burg und
alles, daz ich han ensit (jenseits) dem tobel, daz bi dem
selben hus ist.»
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
2: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Topografischer Plan des Burghügels aus dem Jahr 1939. Darin eingezeichnet sind
die damals aufrecht stehenden Mauerzüge der Burgruine, unterlegt mit dem Grundriss des mit zwei Maschinengewehren
bestückten Infanteriewerks.
2
3
AnnA-MAriA DeplAzes-HAefliger, Die Freiherren von Sax und die
Herren von Sax-Hohensax bis 1450. Ein Beitrag zur Geschichte des
Ostschweizer Adels (Langenthal 1976) 81; Heinz gAbAtHuler, Der
Toggenburger Kauf von Wildhaus. Zum Besitz der Herrschaft Sax
im Obertoggenburg. Werdenberger Jahrbuch 2009, 235.
J. e. HArtMAnn, Die Wildenburg (St. Gallen). In: JoHAnn JAkob Hottinger, Die Schweiz in ihren Ritterburgen, historisch dargestellt von
4
5
vaterländischen Schriftstellern II, hrsg. von Gustav Schwab (Chur
1830) 447.
HArtMAnn 1830 (wie Anm. 3) 448.
gottlieb felDer, Die Burgen der Kantone St. Gallen und Appenzell.
Neujahrsblatt, hrsg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, 1911, 23–24. - Andernorts findet man auch das Datum 1660.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Auf Grund der in Profil P2 angetroffenen Befunde ist
die Mauer nicht allmählich zerfallen, sondern kollabiert.
Im 2. Weltkrieg wurde der gefechtstaktisch noch immer
gut gelegene Burghügel von der Armee für den Bau
eines mit zwei Maschinengewehren bestückten Infanteriewerks enteignet (Abb. 2). Nach der Entklassifizierung des Werkes ging dieses samt der darüber liegenden
Ruine 1998 in den Besitz der Gemeinde Wildhaus über.
Seit dem 1. Januar 2010 gehören beide Anlagen der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann.
Forschungsgeschichte
3: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Mauer M6 mit
ausgebrochenem «Schatzgräberloch», von Süden.
1973 wurden auf der Wildenburg unter der Leitung von
Andrzej Żaki erstmals archäologische Ausgrabungen
Sicher nicht zuletzt wegen des Festungsbaus fiel die
durchgeführt, und zwar anlässlich eines wissenschaftli-
Ruine nach dem 2. Weltkrieg in eine Art Dornröschen-
chen Lagers für Jugendliche, organisiert durch die Na-
schlaf. Der Burghügel wurde in den letzten Jahrzehn-
tionale Schweizerische UNESCO-Kommission.6 Von ge-
ten dicht mit Wald überwachsen. Viele Bäume wurzel-
zielten früheren Ausgrabungen ist nichts bekannt. Man
ten dabei direkt auf der Mauerkrone der abschnittsweise
sieht aber deutlich, dass auf der Ruine schon vorher ge-
noch mehrere Meter hoch erhaltenen Ringmauer und
graben worden ist, und zwar nicht von Wissenschaftlern,
trugen damit stark zum rasch fortschreitenden Zerfall
sondern eher von Schatzgräbern. Die öfters fälschlicher-
des restlichen erhalten gebliebenen Mauerwerks bei.8
weise als ehemaliger Tordurchgang bezeichnete Bresche
in der Südmauer M6 wurde mit hoher Wahrscheinlich-
Projekt und Verlauf der Arbeiten
keit bei einem derartigen Unternehmen ausgebrochen
Im Winter 2010/2011 wurden sämtliche direkt auf
(Abb. 3).7
und neben den Mauerzügen wachsenden Bäume gefällt.
4: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. Turm und
südliche Ringmauer M8 bei
Arbeitsbeginn im Juni 2012,
von Osten.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Rund 40 Stämme wurden anschliessend mit dem Helikopter ausgeflogen. Damit war die grösste Gefahr für die
noch vorhandenen Mauern durch Wurzelsprengungen
und durch den Wind verursachte Rüttelbewegungen der
Bäume vorerst gebannt. Initiiert hat diese Arbeiten der
Präsident der Stiftung Schwendi Obertoggenburg, dipl.
Arch. ETH Heinz Hauser, der den Wert der Ruine als
Kulturdenkmal und touristisches Ausflugsziel erkannt
hatte. In Absprache und mit Bewilligung der Gemeinde
Wildhaus-Alt St. Johann organisierte er die Fällarbeiten;
die Kosten übernahm die Stiftung.
Heinz Hauser war es auch, der den Anstoss für erste Sicherungsmassnahmen am Mauerwerk gab. Er organisierte am 23. Mai 2011 einen ersten Augenschein und
stellte dabei gleichzeitig einen grösseren finanziellen Beitrag der Stiftung für erste Sanierungsmassnahmen in
Aussicht. An der Begehung teilgenommen haben dipl.
Arch. HTL Pierre Hatz (Denkmalpfleger SG), Dr. phil.
Martin Schindler (Kantonsarchäologe SG), Rolf Züllig (Gemeindepräsident) und Bruno Egloff (Bauverwalter). Der Schreibende erhielt damals den Auftrag, ein
Sanierungskonzept zu erarbeiten, das sich zunächst auf
den Turm und den westlich davon liegenden L-förmigen
5: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Löwenkopf –
Fragment einer glasierten Medaillonkachel, das zusammen
mit einigen anderen Streufunden in den Schuttschichten im
Turminneren lag. Ms 1:1.
Mauerzug M6/M7 beschränken sollte.
Ein Subventionsgesuch, mit dem Beiträge des Kantons
später zeigte, mit vielen grossen Steinen durchsetzt. Ma-
St. Gallen und der Eidgenossenschaft ausgelöst werden
terial, das dringend für den Wiederaufbau der äusseren
sollten, wurde von der Gemeinde im Juli 2011 einge-
Mauermäntel benötigt wurde. Dank diesem Umstand
reicht. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 wurden
mussten nicht, wie geplant, frische Mauersteine gewon-
die in Aussicht gestellten Subventionen von der Denk-
nen und herangeführt werden – eine Aufgabe, die viel
malpflege St. Gallen bewilligt. Dies unter dem Vorbehalt,
Zeit und Geld in Anspruch genommen hätte. Erkundi-
dass der Kantonsrat die dafür aus dem Lotteriefonds be-
gungen in der näheren Umgebung von Wildhaus hatten
nötigten Gelder bewilligt. An seiner Sitzung vom 5. Juni
nämlich gezeigt, dass Steine in der gewünschten Form
2012 bewilligte der Rat den beantragten Beitrag.9 Damit
war der Weg frei, um die Arbeiten am 18. Juni 2012 in
6
Angriff zu nehmen.
7
Steinmaterial
Als erstes wurde der Schutt im Turminnern mit einem
Kleinbagger abgebaut und in den Graben gekippt
(Abb. 4). Dabei zeigte sich, dass der Schutt, entgegen der
8
Erwartungen, noch viel wiederverwendbares und qualitativ einwandfreies Steinmaterial enthielt. Auch der
Schuttkegel auf der Westseite des Turmes war, wie sich
9
AnDrzeJ ŻAki, Archaeologie. In: Wissenschaftliches Lager für Jugendliche Wildhaus 1973, organisiert durch die Schweiz. UNESCOKommission, 1973, 106–113.
Zum Thema Schatzgräberei auf Burgruinen siehe auch: Werner
Meyer, Schatzgräber auf dem Altenberg. In: reto MArti/Werner
Meyer/JAkob obrecHt, Der Altenberg bei Füllinsdorf - Eine Adelsburg des 11. Jahrhunderts. Schriften der Archäologie Baselland 50
(Basel 2013) 93–96.
Am 19. März 2001 besuchten Pierre Hatz, Martin Schindler und
Christoph Reding zusammen mit dem Schreibenden die Burgstelle.
Einhellig kamen sie damals zum Schluss, dass die Ruine Wildenburg
wegen mangelndem Interesse und fehlenden finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde Wildhaus wohl «abgeschrieben» werden müsse.
Vorlage Nr. L.12.1.52.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
und Qualität nur in den Betten der Simmi und der Thur
Mörtel
oder in den Geschiebesammlern ihrer Seitenbäche zu fin-
Die Frage, welcher Mörtel bei der Konservierung des
den sind.
Mauerwerks eingesetzt werden soll, war rasch beantwortet. Die guten Erfahrungen, die mit dem so ge-
Bauinstallation
nannten Bündner-Burgenmörtel11 in den letzten Jahren
Zuerst war geplant, die Baustelle mit dem Helikopter zu
gemacht werden konnten12, liessen uns ohne weitere Dis-
versorgen, inklusive Auf- und Abbau eines Krans. Dank
kussionen auf dieses Produkt zurückgreifen.13 Trotz des
des Einverständnisses der Besitzerin der Nachbarliegen-
höheren Preises der Sackware liessen sich damit umge-
schaft war es dann aber möglich, eine rund 80 m lange
rechnet in etwa die Kosten einer halben Arbeitskraft ein-
Zufahrtspiste zu bauen, über die Baumaterialien und der
sparen.
dringend benötigte Kran herangeführt werden konnten.
Nach Abschluss der Arbeiten wurde die Piste nicht zu-
Baudokumentation
rückgebaut. Vielmehr wurde sie beidseitig mit einem
Die Schuttschichten im und rund um den Turm wurden
Humusband abgedeckt. In der Mitte liess man einen
nur so weit als nötig abgetragen. Dies auch mit der Ab-
rund 1 m breiten Streifen frei. Dieser wurde geschottert
sicht, keinenfalls archäologisch wichtige Schichten an-
und dient nun als Zugang zur Ruine. Dieses Vorgehen
zuschneiden. Einzig im Inneren des Turmes wurde eine
hatte zum Ziel, den Strassenkoffer im Boden zu belas-
Fläche F1 von 8 m2 archäologisch untersucht. Zusätzlich
sen, um ihn bei künftigen Konservierungsarbeiten wie-
zur Fotodokumentation wurde der Turm gescannt und
der freilegen und nutzen zu können.
Eine weitere, zuletzt ebenfalls nicht rückgängig gemachte
10
bauliche Massnahme bestand darin, im Halsgraben einen
Installationsplatz zu schaffen. Dafür wurde der dort vorhandene Schuttkegel zuerst nach Bausteinen durchsucht
und anschliessend planiert. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde der Platz nicht zurückgebaut, um ihn bei
künftigen Sanierungen erneut verwenden zu können.10
11
12
13
Die Bauarbeiten wurden von der Firma LGBau AG, Wildhaus, unter
der Leitung von Ralph Gantenbein durchgeführt. Dank dem grossen
Einsatz des Maurers Feim Ajgeraj und seiner beiden Kollegen Vadzid
Jakupi und Jasmin Zverotic konnte die Arbeiten wie geplant durchgeführt und abgeschlossen werden.
Hergestellt von der Firma Röfix, Sennwald SG.
U.a. auf den Ruinen Rifenstein BL und Buchegg SO.
Für den Einsatz auf der Wildenburg wurde die hochweisse Farbe des
Mörtels durch die Änderung der Sandmischung leicht gelblich gebrochen.
1110
1108
1106
1104
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6: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. Auf den Scanaufnahmen des Turmes
basierender S–N-Schnitt durch
den Turm. Das Foto der
westlichen Innenwand mit den
teilweise erhaltenen Balkenlöchern des Bodens über dem
Erdgeschoss ist massstabgetreu
in den Plan eingefügt.
745 588
745 584
745 580
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
N
M5
1105.49
1102.50
230 026
230 026
BL 1
BL 2
BL 4
BL 3
M1
1104.68
1109.82
BL 5
F1
M4
P1
P2
230 022
230 022
M2
F2
1108.88
1103.15
1107.00
BL 6
230 018
M3
230 018
1104.48
1101.87
1100.74
745 588
745 584
745 580
M8
7: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Steingerechter Grundrissplan des Turms. Darin hervorgehoben sind die im
Mauerwerk vorgefundenen Balkennegative.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
im Anschluss daran wurden die dabei erhobenen Daten
würde (Abb. 9). Nicht wegen der zu reparierenden Flä-
der Maueransichten so weit als möglich zu massstäb-
che, sondern weil sie am Rand einer fast lotrechten Fels-
lichen Plänen ausgewertet (Abb. 6).14 Die Abbruchkro-
wand steht und deshalb schwer einzugerüsten war.
nen des Turmes, der daran anschliessenden Abschnitte
Entgegen aller Erwartungen und sämtlicher diesbezügli-
der Ringmauer (M5 und M8) und der Mauer M7 wur-
cher Erfahrungen von anderen Ruinen war die vollstän-
den steingerecht im Massstab 1:20 gezeichnet. Aus Zeit-
dig unter einem Schuttkegel begrabene Westmauer M4
und Kostengründen wurden nur die Mauermäntel und
des Turmes in einem miserablen baulichen Zustand. Nor-
Bereiche mit zusätzlichen Befunden, nicht aber die Mau-
malerweise schützen die Schuttmassen das Mauerwerk
erkerne aufgenommen (Abb. 7).15
vor weiterem Zerfall. Hier aber hatte sich der gesamte
äussere Mauermantel vom Kern abgelöst (Abb. 10). Der
Zustand des Mauerwerks
Mörtel zwischen den Steinen war fast vollständig ero-
Das vor Beginn der Arbeiten sichtbare Turmmauer-
diert und der keilförmige Spalt zwischen Mantel- und
werk und die frei liegenden Abschnitte der Mauern M6/
Kernmauerwerk war mit Mörtelsand gefüllt. Mit einfa-
M7 befanden sich in einem relativ guten Zustand (Abb.
chen baulichen Massnahmen war die Westmauer nicht
8). Sicher war zu Beginn nur, dass die Sanierung des
zu stabilisieren, und so musste der schadhafte Mauer-
grösstenteils weggebrochenen Aussenmantels der Turm-
mantel auf einer Fläche von rund 20 m2 abgebrochen
Nordmauer M1 einen grossen Arbeitsaufwand erfordern
und neu aufgeführt werden.
8: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer
M3. Vor Beginn der Arbeiten sichtbarer Rest des äusseren
Mauermantels, von Südwesten.
9: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Zwei Seilarbeiter
der Firma Hoehenarbeit.ch AG, Grabs, entfernen aus Sicherheitsgründen vor dem Beginn der Gerüstarbeiten lose Steine
und Gebüsch aus der nördlichen Turmwand M1, von Westen.
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Mittelalter 18, 2013 / 3
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
10: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. Turm Mauer M4.
Frisch vom Schutt befreit, mit
deutlich erkennbarer verstärkter
Ecke M3/M4, von Südwesten.
11: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. L-förmiger Bau,
Mauer M7. Freigelegte, stark
zerfallene Westfront, von
Südwesten.
Das gleiche Phänomen war auch an der Westfront der
Mauer M7 vorhanden. Dort war der Zerfall des äusseren
Mauermantels bereits derart weit fortgeschritten, dass
14
von ihm nur noch die untersten, bereits stark aufgelösten Steinlagen vorhanden waren (Abb. 11). Dies im Gegensatz zu der gegen Süden hin orientierten Mauer M6,
deren äusserer Mauermantel nach wie vor einigermassen
gut erhalten ist (siehe Abb. 3).
15
Im Rahmen der Sanierungsmassnahmen 2012/13 wurden nur die
von den Bauarbeiten betroffenen Mauerzüge bauarchäologisch untersucht. Um Kosten zu sparen wurde darauf verzichtet einen neuen
Plan der Anlage aufzunehmen. Die Scans, die vom frisch freigelegten
Turm gemacht wurden, lassen sich zusammen mit zusätzlichen Geländescans problemlos zu einem Gesamtplan der Anlage erweitern.
Die gesamte Baudokumentation ist im Archiv der Kantonsarchäologie SG abgelegt.
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Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Verursacher der unerwartet grossen Schäden an den
und der äussere Mauerfuss dort nicht ordentlich funda-
gegen Westen ausgerichteten Mauerflächen von Turm
mentiert werden konnte.
und Haus ist mit grosser Wahrscheinlichkeit das im obe-
Bei der Reinigung des Mauerkerns kamen vier hoch-
ren Toggenburg vorherrschende Westwindwetter. Insbe-
rechteckige Balkenlöcher BL1–BL4 zum Vorschein. Sie
sondere der damit einhergehende starke Schlagregen.16
waren fächerförmig angeordnet und hatten Breiten von
Offensichtlich verstärkt er massiv die üblichen Schäden
18 bis 20 cm, Höhen von 22 bis 30 cm und sie griffen
verursachenden Witterungseinflüsse, wie das von oben
ehemals zwischen 1,1 und 1,4 m tief ins Mauerwerk
ins ungeschützte Mauerwerk eindringende Regen- und
ein. Ihre Oberkanten lagen mehr oder weniger auf einer
Schmelzwasser und die damit verbundenen unzähligen
Ebene. Im Bereich der oben erwähnten Felsspalte hatte
Frost- und Auftauzyklen.
die Mauer einen mindestens 60 cm breiten, vorstehenden
Fundamentvorsprung, der drei der vier Balken zusätzlich
Befund
stützte (Abb. 12).
Der Graben
Die Oberfläche der vor der Ecke M1/M2 vorspringenden
Der breite Halsgraben auf der Ostseite der Burganlage
Felsnase war so weit abgeschrotet, dass sie etwa auf der
wurde vermutlich durch die Erweiterung einer bereits
gleichen Höhe lag wie die Balkenoberkanten. Ein weite-
vorhandenen, quer zum Felssporn liegenden Spalte geschaffen. Auch seine Verlängerung auf der Südostseite
der Anlage wurde künstlich angelegt. Die genaue Tiefe
und der Querschnitt des Halsgrabens sind nicht bekannt
und es war auch nicht geplant, die Dimensionen mit
Hilfe eines quer zur Grabenachse angelegten Sondierschnitts festzustellen. Es ist davon auszugehen, dass man
das im Graben abgebaute Gestein als Baumaterial verwendete oder zu Kalk gebrannt hat. Weitere deutliche
Hinweise auf Gesteinsabbau sind auf der Nordseite des
Felsbandes, das östlich des Grabens ausläuft, zu finden.
Zugang und Tor
Die Frage nach der Lage des Burgtores stellte sich bereits vor Beginn der Arbeiten. Auf Grund der sichtbaren
Reste der Ringmauer kann das Tor nicht im südlich an
den Turm anschliessenden Abschnitt der Ringmauer liegen. Auch gibt es auf der gesamten Südseite und auf der
Westseite kaum eine Möglichkeit, vor einen Tordurchgang zu gelangen. Auf der Nordseite versperrt der direkt
am Rand der beinahe senkrecht abfallenden Felswand
stehende Turm den Zugang zur nördlichen Ringmauer.
Eine erste Antwort auf die Frage nach der Lage des Tores
ergab die Untersuchung der Nordmauer M1 des Turmes.
Reste des Mauermantels waren nur noch in den beiden
Ecken erhalten geblieben. Der zentrale Teil und die oberen Bereiche waren weggebrochen. In erster Linie wohl,
weil dort schon immer eine breite Spalte im Fels klaffte
58
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12: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer
M1. Rekonstruierter Fundamentabsatz. Darüber liegen die in
die vier vorgefundenen Balkenlöcher eingesetzten Kragbalken
aus Eichenholz, von Westen. Sie markieren die Hölzer, die
ehemals die hölzerne Zugangsrampe zum Burgtor trugen.
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
res Balkenloch BL5 wurde im frei liegenden Mauerkern
der Ecke M1/M2 entdeckt. Der Balken ragte ehemals
schräg aus der Ostwand. Er war rund 30 cm breit und
damit breiter als die übrigen vier. Seine ehemalige Höhe
liess sich nicht mehr bestimmen.
Es ist anzunehmen, dass die fünf Balken, zusammen mit
der abgeschroteten Felsnase vor der Nordostecke M1/
M2, die Unterlage für eine Zugangslaube oder -rampe
bildeten, die zum Burgtor führte. Es ist auch denkbar,
dass die Erbauer den Turm bewusst direkt an die Felsspalte stellten. Mögliche Felsabarbeitungen auf der Ostseite der Spalte, die zu einer Verbreiterung des Hindernisses führten, geben einen Hinweis darauf, dass sie als
zusätzliches Annäherungshindernis benutzt worden ist.
Im Belagerungsfall wäre es nämlich ein Leichtes gewesen, die mit Brettern belegte Zugangsrampe zum Tor
schnell abzubauen.
Auf Grund dieses Befundes muss das Burgtor nordwestlich des Turmes gelegen haben. Seine genaue Lage ist
aber nach wie vor unbekannt und in der sichtbar erhaltenen Aussenfront der nördlichen Ringmauer nicht auszumachen. Sie liesse sich nur mit Hilfe einer archäologischen Ausgrabung feststellen.
Die Zugangsrampe muss man vom Graben aus erreicht
haben. Wie der Aufgang angelegt oder konstruiert ge-
13: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Blick in das
vom Schutt befreite Turminnere. Die helle keilförmige Fläche
auf der Innenseite der Südmauer M3 zeigt die Form des
abgetragenen Schuttkegels im Turminnern an, von Nordosten.
wesen war, lässt sich anhand der anlässlich der Baudokumentation gemachten Beobachtungen nicht mehr re-
Als Folge dieser Unsicherheiten ist es angezeigt, die
konstruieren.
Masse des Turmes auf der Höhe der ersten Balkenlage,
d.h. gut 4 m über dem Boden des Erdgeschosses, anzu-
Der Turm
geben. Der Turm hat auf dieser Höhe eine leicht schiefe
Der Turm sitzt auf der Ostseite des Burgfelsens direkt
quadratische Innenfläche von 4,8 × 4,8 m. Die Nord-
über dem Graben. Der Fels fällt dort auf drei Seiten
mauer M1 und die Südmauer M3 sind je 2,2 m stark.
unterschiedlich stark ab. Der sehr unebene Untergrund
Dank der erhalten gebliebenen Ecke M1/M2 liess sich
ist sicher die Ursache dafür, dass der Turm an seiner Basis
auch die Breite der Ostseite M2 bestimmen – auch diese
einen unregelmässigen Grundriss hat. Dieser lässt sich
Mauer war 2,2 m stark.
aus verschiedenen Gründen nicht genau bestimmen: Der
Anders sieht es bei der Südwestecke aus. Hier wurde die
äussere Mauerfuss wurde auf der West- und der Südseite
Südseite M3 an ihrem Fuss gegenüber der Nordseite M1
nicht vollständig freigelegt und auf der Ostseite ist er auf
in Richtung Westen um gut 0,8 m verlängert. Das führte
seiner gesamten Länge, bis auf die untersten Ecksteine der
dazu, dass die Flucht der Westseite M4 an ihrer Basis
Nordostecke M1/M2, abgerutscht (Abb. 13). Ausserdem
schräg zu den anderen Nord–Süd verlaufenden Fluch-
hat er am Fusse der Nordwand einen ehemals wohl etwa
60 cm breiten Fundamentabsatz und an einigen Stellen
einen deutlich sichtbare Anzug der untersten Steinlagen.
16
Dies ist sicher auch mit ein Grund dafür, dass im Obertoggenburg
nur wenige Häuser auf der Westseite Fenster besitzen.
Mittelalter 18, 2013 / 3
59
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
14: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. Turm, Ecke M3/
M4. Die gegen oben auslaufende Eckverstärkung zu
Beginn der Wiederaufbauarbeiten, von Nordwesten.
ten steht. Zudem springt die Aussenseite der Westmauer
mit Aussenmassen von 9,2 × 9,2 m und durchgehend 2,2
3,7 m von der Südwestecke M3/M4 entfernt um 0,3 m
m dicken Mauern.
zurück (Abb. 14). Der Eckvorsprung und der Mauer-
Welchen Zweck die keilförmige Verstärkung der Süd-
rücksprung verjüngen sich beide gegen oben und lau-
westecke M3/M4 zu erfüllen hatte, ist nicht klar. Wehr-
fen etwa auf der Höhe des Bodens des ersten Stockwerks
technisch gesehen ergibt sie keinen Sinn. Um einen So-
aus. Dadurch hatte der Turm dort ehemals einen, wenn
ckel für einen Treppenaufgang zum Hocheingang des
auch leicht schief gestellten, quadratischen Querschnitt
Turmes kann es sich auch nicht handeln. Als einzige
Deutung bietet sich eine Verstärkung des Eckfundamentes an. Unabhängig davon ist aber klar, dass der Keil
nicht zufällig entstanden ist, sondern von Anfang an im
Bauplan vorgesehen war. Eine leichte Verbreiterung des
Fundamentes der Mauer M3 war, trotz der bereits abgestürzten Ecksteine, auch in Richtung der Ecke M2/M3,
zu beobachten.
Von Türen und Fenstern, aber auch von der Inneneinrichtung des Turmes, ist kaum etwas vorhanden geblieben. Einzig im letzten erhaltenen Teil des Innenmantels der Ostwand M2 waren noch Ansätze einer Bank
und Reste der Laibungen eines Schartenfensters erhalten (Abb. 15). Innen hatte das Fenster ursprünglich eine
lichte Weite von 70 cm. Aussen betrug sie auf Grund des
V-förmigen horizontalen Querschnitts wohl gerade noch
15: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer
M2. Reste des Fensters, das direkt neben der inneren Ecke
M1/M2 liegt, von Westen.
60
Mittelalter 18, 2013 / 3
rund 20 cm. Die ehemalige Höhe des Fensters lässt sich
anhand einer Fotografie, die vor dem Jahr 1911 aufgenommen worden sein muss, abschätzen (Abb. 18). Das
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Fenster ist darauf deutlich zu erkennen. Es ist etwas
es keine weiteren Spuren von Kragbalken. Die genaue
höher als breit und dürfte deshalb eine lichte Höhe von
Lage und die Konstruktion des Zugangs zum Hochein-
etwas mehr als einem Meter aufgewiesen haben. Auf
gang werden deshalb nie mehr zu bestimmen sein.
gleicher Höhe ist auf dem Bild noch eine zweite Fensteröffnung zu sehen. Sie liegt neben der Innenecke M2/
Das Mauerwerk des Turms
M3 und hat etwa die gleichen Masse. Von ihrer Grösse
Die Mauern des Turmes sind aus unterschiedlich gerun-
und ihrem Horizontalquerschnitt her waren beide Öff-
deten Kalksteinen aufgeführt. Ihre Form und Beschaf-
nungen keine Schiessscharten, sondern Lichtschlitze. In
fenheit zeigen, dass die meisten über kürzere oder län-
erster Linie dienten sie aber vermutlich dazu, das Erdge-
gere Strecken vom Wasser transportiert worden sind. Das
schoss zu belüften.
heisst, sie müssen direkt in Bachbetten oder in Schuttke-
Warum man diese verteidigungstechnisch wertlosen
geln von Wildbächen in der näheren Umgebung zusam-
Fensterscharten auf der feindexponierten Seite des Tur-
mengesucht worden sein. Die grösseren Steine, die in Ein-
mes und dazu erst noch derart weit unten im Turm ein-
zelfällen Masse von 1 m und mehr aufweisen, wurden in
gesetzt hat, lässt sich nicht erklären. Vielleicht waren
den Aussenmänteln vermauert, die kleineren in den In-
die auf dem Bild sichtbaren quadratischen Nischen un-
nenmänteln. Im gesamten Mauerwerk sind die Steine la-
terhalb der beiden Fenster Grund für die unübliche An-
gerhaft geschichtet. Die Zwischenräume wurden mit klei-
ordnung der beiden Fenster. Für die Funktion der beiden
neren Steinen ausgezwickt. Auf beiden Seiten waren die
sicher gegen aussen offenen und gegen innen geschlosse-
Fugen ehemals vollständig mit Mörtel gefüllt, so dass nur
nen Nischen gibt es vorderhand keine plausible Erklä-
noch die über die Mauerflächen vorstehenden Partien der
rung.
Steine sichtbar waren (Pietra-rasa-Technik). Bei den noch
Abgesehen vom Fenster gab es in der gegenüber liegen-
erhaltenen Teilen der Aussenfassaden war der Fugen-
den Westwand M3 noch acht mehr oder weniger gut er-
mörtel durch Wind und Wetter fast vollständig ausgewa-
haltene Balkenlöcher (siehe Abb. 6). Darin steckten ehe-
schen. In den Innenflächen war er dank der schützenden
mals die Tragbalken des Bodens des 1. Obergeschosses.
Schuttschichten erhalten geblieben. Der Mauerkern be-
Die Balken waren rund 5,6 m lang und hatten Quer-
steht aus kleineren, dem Baufortschritt folgend in Lagen
schnitte von 30 bis 40 cm Breite und ca. 30 cm Höhe.
eingebrachten und mit viel Mörtel verbundenen Steinen.
Verlegt und direkt eingemauert wurden sie, als man beim
Bau die für das Erdgeschoss vorgesehene Turmhöhe er-
Die archäologische Sondierung im Turminnern
reicht hatte.
Kurz zusammengefasst erbrachte die Sondiergrabung im
Das Sockelgeschoss des Turmes hatte keine Türe. Somit
Turminnern auf einer Fläche von 8 m2 folgende Resultate
muss der Turm einen Hocheingang besessen haben.
(die nachfolgende Beschreibung erfolgt von unten nach
Wenn dieser, wie mehrheitlich üblich, auch hier ins erste
oben): In der freigelegten Fläche F1 besteht der Unter-
Obergeschoss geführt hat, muss er sich auf Grund der
grund aus anstehendem Fels. Um die Oberfläche etwas
vorgefundenen Situation am ehestens in der Süd- oder in
einzuebnen, wurde der Fels entlang der Mauern M1 und
der Westmauer befunden haben, direkt neben der inne-
M4 zusätzlich leicht abgeschrotet.
ren Ecke M3/M4. Normalerweise hat es vor dem Hoch-
Über der Felsoberfläche lag eine dünne graue sandige
eingang eine Laube, die entweder über eine Treppe oder
Schicht. Sie enthielt Tierknochen, einige Scherben von
vom Wehrgang aus zu erreichen ist. Diese Lauben sind
unglasierter Gebrauchs- und Ofenkeramik, ein grösse-
in der Regel auf Kragbalken abgestürzt, die wiederum
res längliches Eisenfragment (vermutlich ein Messer) und
Negative im Mauerwerk hinterlassen. Mit Ausnahmen
dazu einige Reste von Ofen- oder Rutenlehm. Die Ab-
eines stark deformierten Balkenlochs17 direkt oberhalb
lagerung ist ein Benutzungshorizont und keine Abfall-
des Rücksprungs in der Mauer M4 und des Abdrucks
eines massiven Balkenendes BL6 in der Mauer M3, gab
17
Im Grundrissplan nicht eingezeichnet.
Mittelalter 18, 2013 / 3
61
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
schicht. Darüber folgte eine dicke Schicht aus gebänder-
Graben oder den Steilhang hinunterstürzten, sammelten
tem Lehm. Darin wechselten sich rot verbrannte Streifen,
sie sich an den Mauerfüssen an und schützten das Mau-
unverbrannte Partien und Holzkohlebänder ab. Zudem
erwerk so vor dem weiteren Zerfall. Der Schutt füllte das
steckten darin auch Reste von Ofenkacheln, aber kein
Erdgeschoss so lange, bis die Ostmauer – vermutlich in
Holz. Es ist anzunehmen, dass hier, und zwar noch wäh-
den 1920er Jahren – dem Druck nicht mehr Stand hielt
rend der Belegungszeit der Burg, der Lehmkörper eines
und in den Graben stürzte.
Kachelofens entsorgt worden ist.
Im Zentrum der Turminnenfläche lag über diesem
L-förmiger Bau
Schichtpaket eine Linse aus rot verbranntem Lehm, dazu
Westlich des Turmes steht als letzter Rest eines grösse-
gab es viel Holzkohle und einige Ofenkachelfragmente:
ren Gebäudes der L-förmige Mauerzug M6/M7 (siehe
Material, das von einem zweiten Kachelofen stammen
Abb. 3 und 11). Sein Inneres ist mit Schutt des Turmes
könnte, der vielleicht erst beim Plündern der Burg nach
gefüllt. Türen oder Fensteröffnungen sind in den Mau-
ihrer Aufgabe abgebrochen worden ist.
erresten nicht vorhanden. Die Mauern sind 1,2 m dick
Die auf Grund der frühneuzeitlichen Nachrichten, dass
und aus kleinerem Steinmaterial lagerhaft aufgeführt.
die Burg abgebrannt sei, erwartete Brandschicht war
Das Mauerwerk unterscheidet sich stark von demjeni-
nicht vorhanden. Nachdem der Schutt fertig ausgeräumt
gen des Turms und der Ringmauer. Eine Ausnahme bil-
war, hatte man dies auch nicht mehr erwartet, denn
det ein recht hoch erhaltener Abschnitt der Ringmauer
auf keiner der drei erhaltenen Innenflächen des Turmes
im Nordwesten der Burganlage. Beide Mauerzüge schei-
waren Brandspuren in Form von rot verfärbten Gesteins-
nen in einer jüngeren Um- oder Ausbauphase errichtet
oberflächen zu erkennen.
worden zu sein.
Die kleine Sondierung machte deutlich, dass der Turm
nie gebrannt hatte, sondern – nachdem man ihn von
Baugerüste
sämtlichen Einbauten befreit hatte – langsam zerfiel.
In der Mauer M7 sind zwei Gerüsthebellöcher18 erhal-
Dort, wo die abbröckelnden Mauermassen nicht in den
ten. Sie liegen 3,4 m voneinander entfernt – eine Spann-
16: Wildhaus-Alt St. Johann SG,
Wildenburg. Rekonstruktionsversuch des Turms und der
daran anstossenden südlichen
Ringmauer M8, Blick von
Südosten. Die erhaltenen Mauerteile sind dunkler eingefärbt.
62
Mittelalter 18, 2013 / 3
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
17: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Der frisch konservierte Turm und ein teilweise wiederaufgebauter Abschnitt
der Ringmauer M8 nach Abschluss der Bauarbeiten im Frühsommer 2013, von Südosten.
weite, die gerade noch mit dicken Bretterbohlen über-
sichert, dass die Besucherinnen und Besucher die Ruine
wunden werden kann.
wieder gefahrlos besichtigen können.
Im Kernmauerwerk des Turmes wurden die Abdrücke
– Auf dem vor der Westmauer des Turmes hergerichteten
der Enden von zwei Rundhölzern entdeckt, die allenfalls
Platz wurden zwei massive Tische und vier Bänke auf-
Gerüsthebeln zugeschrieben werden können. In den er-
gestellt sowie eine Feuerstelle eingerichtet.
halten gebliebenen Mauermänteln des Turms war aller-
– Auf der Turmkrone wurde eine kleine Aussichtsplatt-
dings kein einziges Gerüsthebelloch vorhanden.
form befestigt und mit einer Treppe erschlossen.
Die unbedeutende Zahl von möglichen Gerüsthebel-
– Für den laufenden Unterhalt und die regelmässige
löchern zeigt klar, dass der Turm und vermutlich auch
Pflege der Ruine wird die Gemeinde Wildhaus-Alt
der L-förmige Westbau, mit Hilfe frei stehender Gerüste
St. Johann besorgt sein.
hochgezogen worden sind. Die wenigen eingemauerten
Es bleibt nun zu hoffen, dass sich bald wieder eine Per-
Rundhölzer scheinen eher dazu gedient zu haben, die frei
son oder eine Gruppierung findet, die weitere Dokumen-
stehenden Gerüste im Mauerwerk zu verankern.
tationsarbeiten und baulichen Sanierungen anstösst. Die
an einigen Stellen stark einsturzgefährdete Ringmauer
Ausblick
sollte nämlich ebenfalls dokumentiert und in Stand ge-
Mit der 2013 abgeschlossenen ersten Sanierungsetappe
stellt werden.
wurden alle vorgängig festgelegten Ziele erreicht:
– Der Baubestand des Turms und des L-förmigen Mauerzugs ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert.
– Der Zugang zur Ruine ist neu angelegt und so weit ge-
18
Gerüsthebellöcher sind Negative von Rund- oder Kanthölzern, die,
auf gleichen Ebenen eingemauert, horizontal aus einer Mauer ragten
und fast immer aussen senkrecht abgestützt waren. Auf den Hölzern
wurden die Laufbretter des Gerüstes abgelegt.
Mittelalter 18, 2013 / 3
63
Jakob Obrecht – Wildhaus-Alt St. Johann SG, Burgruine Wildenburg
Résumé
Jusqu’en 2011, la ruine de Wildenburg était dissimulée dans
une épaisse forêt et rares en étaient les visiteurs. Au cours de
l’hiver 2011/12, les alentours du site ont été en grande partie
déboisés. On y profite dès lors d’un bon dégagé. En 2012/13,
la tour et une partie du mur d’enceinte de la ruine de Wildenburg ont été reconstruites et rendues accessibles aux visiteuses
et visiteurs. Tout ceci grâce à l’initiative d’une fondation privée
et au soutien des pouvoirs publics.
Les examens de la substance ont révélé notamment que la tour
n’avait pas brûlé, contrairement à ce qui est souvent décrit.
L’accès à la porte du château était probablement assuré par une
rampe en bois, qui reposait sur des consoles en bois, profondément ancrées dans le mur de la tour.
Sandrine Wasem Thoune
Riassunto
Fino al 2011 i resti del castello di Wildenburg erano ricoperti
da una folta vegetazione tanto da essere difficilmente accessibili. Gran parte dell’area del castello, dalla quale attualmente
è di nuovo possibile ammirare il panorama circostante, è stata
sottoposta nell’inverno 2011/12 a degli interventi di disboscamento. Nel 2012/13 la torre e un tratto del muro di cinta del
castello di Wildenburg sono stati conservati e resi nuovamente
accessibili ai visitatori. È stato possibile realizzare tutto ciò grazie all’iniziativa di una fondazione privata e grazie al sostegno
del settore pubblico.
Le indagini archeologiche delle strutture murarie hanno tra
l’altro dimostrato che la torre non è andata distrutta a causa
di un incendio, come sovente veniva descritto in passato. L’accesso al portone del castello avveniva attraverso una rampa lignea, la quale poggiava su travi a sbalzo che erano solidamente
murate nella struttura muraria della torre.
Christian Saladin (Basilea/Origlio)
Resumaziun
Fin l’onn 2011 è la ruina Wildenburg stada zuppada en il guaud
spess e strusch insatgi la visitava anc. Il mez onn d’enviern
2011/12 èn las plantas sin l‘areal dal chastè vegnidas pinadas
per gronda part. Oz pon ins puspè giudair ina bella vista panoramica davent da la ruina. Il 2012/13 han ins reconstruì la tur ed
ina part dal mir da tschinta da la ruina Wildenburg e silsuenter
rendì accessiblas quellas a las visitadras ed als visitaders. Questas
lavurs han pudì vegnir fatgas grazia a l‘iniziativa d’ina fundaziun
privata e cun sustegn dal maun public.
La perscrutaziun archeologica da la construcziun ha t.a. cumprovà che la tur n’è betg arsa ora, sco quai ch’igl è savens vegnì
64
Mittelalter 18, 2013 / 3
18: Wildhaus-Alt St. Johann SG, Wildenburg. Turm, Mauer
M2, Fotoausschnitt. Aufrecht stehende Reste der Ostmauer
des Turmes mit den zwei gut erkennbaren Fensteröffnungen.
Einige Jahre vor deren Einsturz in den 1920er Jahren, von
Osten.
descrit. L’access a la porta externa dal chastè stueva manar sur
ina rampa da lain construida sin ina consola da lain mirada en
fermamain en la miraglia da la tur.
Lia Rumantscha (Cuira/Chur)
Abbildungsnachweis:
Titelbild: Jakob Obrecht
1 Joe Rohrer, überarbeitet nach Skizze von A. Żaki
2 Archiv armasuisse Immobilien
6 Terradata AG, Einsiedeln
7 Jakob Obrecht, Flavio Zappa
18 Burgenbildersammlung G. Felder, KASG
16 Joe Rohrer
3–5, 8–15, 17 Jakob Obrecht
Adresse des Autors:
Jakob Obrecht, dipl. Ing ETH
Ergolzstr. 32
4414 Füllinsdorf
Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
von Florian Hitz
Baudatierungen und Herrschaftsgeschichte
frühen Bauphasen der Burg Mesocco stellen sich hin-
Auf dem Castello di Mesocco sind, gemäss den von Au-
gegen verschiedene Fragen, die eng mit der Herrschafts-
gustin Carigiet durchgeführten Bauuntersuchungen, für
bildung in der Valle Mesolcina zusammenhängen. Wie
die Zeit vor 1400 folgende Bauphasen zu unterscheiden:
schon Erwin Poeschel bemerkt hat, wissen wir mit
– die im Frühmittelalter errichtete, in der Karolingerzeit
Sicherheit nur, dass die Freiherren von Sax «zu der für
umgebaute und um 1067 durch einen Campanile er-
die Burgengründung in Frage kommenden Zeit dort die
gänzte Burgkirche;
mächtigsten Herren waren, wider deren Willen nichts
– die Kernburg des 12. Jh. mit dem Hauptturm und einer
ersten Umfassungsmauer;
geschehen konnte». Dabei lässt sich aber «weder der Ursprung der Sax’schen Herrschaft über das Tal genauer
– der Ausbau des 13. Jh., mit dem Palas und mit nach
präzisieren noch der Zeitpunkt, wann sie die Fülle lan-
Südosten erweiterter Umfassung, wobei auch ein Bad-
desherrlicher Macht erreicht hatte.»3 So sind nicht nur
haus Platz fand.1
einige Baudatierungen, sondern auch der herrschafts-
Nach einem abweichenden Teilbefund wäre eine ins
geschichtliche Hintergrund der betreffenden Baumass-
13. Jh. zu datierende Umfassungsmauer auch im Nordosten der Anlage festzustellen.2 Demnach hätte der Burghof bereits damals seine volle, das ganze Plateau auf dem
Felsklotz umfassende Ausdehnung erreicht.
1
2
Die Ausbauschritte der Zeit um 1400 und des späten
15. Jh. werden uns im Folgenden nicht beschäftigen,
da sie keine historischen Probleme aufwerfen. Zu den
3
Augustin cArigiet, Castello di Mesocco – eine Nachuntersuchung
zur Baugeschichte. Mittelalter 17 (2012/4) 177–189.
lukAs Högl, Restauro e analisi architettonica del settore nord del
castello di Mesocco, prima tappa dei lavori fra il 1986/1989 e 1993.
Castello di Mesocco tra passato e futuro (Mesocco 2010, Sonderdruck aus Quaderni grigionitaliani 97, 2010/2) 35–44, hier 40–41.
erWin poescHel, Das Burgenbuch von Graubünden (Zürich und
Leipzig 1930) 68.
1: «Innenansicht des Castello
di Mesocco»: Ruinen der
Kirche St. Carpophorus und
der Kernburg. Kupferstich
von Johann Melchior Füssli
in Johann Jacob Scheuchzers
natur- und landeskundlichem
Werk Ouresiphoites Helveticus [der schweizerische
Bergwanderer], 1723.
Mittelalter 18, 2013 / 3
65
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
nahmen eher unbestimmt geblieben. Im Folgenden wollen
führen zum Schluss, dass das frühmittelalterliche
wir versuchen, die ‹dunklen› früh- und hochmittelalter-
Kirchenkastell nicht unter einer im Norden zentrierten
lichen Abschnitte dieser Entwicklung weiter aufzuhellen.
Macht, und damit nicht unter fränkischem Einfluss oder
fränkischer Herrschaft entstanden sein dürfte. Wenn die
Frühmittelalterlicher Vorlauf
Burg aber nicht als Vorposten vom fränkisch kontrollier-
Als ältester feststellbarer Teil der Burganlage Mesocco
ten Rätien aus gegründet wurde, dann sollte man eher
gilt die Kirche. Erwin Poeschel (1945) hat den vorhan-
nicht von einem «rätischen» Kirchenkastell sprechen.
denen Bau mit dem Campanile, romanischen Stils, ins
Sandro Mazza nimmt eine Wehranlage spätrömischen
11. Jh. datiert; den in Fundamentresten wie fragment-
Ursprungs an, welche die Passstrasse über den Mons
haft auch im aufgehenden Mauerwerk zu beobachtenden
Avium (Monte Uccello oder Vogelberg, seit dem aus-
Vorgängerbau aber ins 8. Jh.4 Die seitherige Forschung
gehenden Mittelalter: San Bernardino) gegen Norden
war mit der ersten Datierung einverstanden, hat aber den
sperrte. Die spätantike Talsperre ist mittlerweile archä-
Vorgängerbau weiter zurückverlegt: Hans Rudolf Senn-
ologisch gesichert: Sie war an den Burgfelsen angelehnt
hauser (1966) ins 8. oder 7. Jh.;5 Sandro Mazza (1981)
und bestand aus einem Wall mit zwei vorgelagerten
gar ins 6. oder 5. Jh.6 Demgegenüber haben die Be-
Gräben.10
arbeiter des Bündner Burgenbuchs (1984) ihre Zeit-
Das Patrozinium der Burgkirche, St. Carpophorus, be-
bestimmung auf das 6. oder 7. Jh. eingemittet.7
trachtet Mazza als typisch comaskisch, anzutreffen in
Die urkundliche Ersterwähnung 1219 nennt mit der
der alten Kathedrale von Como, dann auch in Mailand.11
Kirche zusammen auch zum ersten Mal die Burg.8 Nach
Ganz entsprechend handelt es sich bei St. Viktor, dem
allgemeiner Annahme handelte es sich von Anfang an
Patron der Pfarrei der unteren – oder zunächst vielleicht
um eine Burgkirche, so dass die Wehranlage zumin-
der ganzen – Mesolcina, um einen prominenten mai-
dest gleichzeitig mit dem Gotteshaus, wenn nicht sogar
ländischen Märtyrer.12 Falls die Burgkirche nicht mehr
früher entstand (Abb. 1). Mit anderen Worten: Das
der Spätantike angehörte, wurde sie also wohl im 6. Jh.,
Castello di Mesocco ist eine – sogar besonders eindrück-
aus einer byzantinischen Rückzugsposition um Como,
liche – Realisierung des Typus «rätische Kirchenburg».9
oder möglicherweise im 7. Jh. unter den mittlerweile
Die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt von Kirche
christianisierten Langobarden gegründet.13 Letztere
und Burg ist daher mit der politischen Geschichte ver-
sollen im Moesano noch weitere Spuren hinterlassen
knüpft. Denn während eine Kirche praktisch überall
haben; etwa mit dem Ausdruck degagna für die lokalen
entstehen kann, wo es eine christliche Bevölkerung gibt,
Nutzungsgenossenschaften bzw. Verwaltungskreise.14
haben Festungen einen bestimmten Verteidigungszweck.
Das hiesse, dass die Talschaft in der fraglichen Zeit
Sie sind gegen einen potenziellen Angreifer gerichtet.
sowohl politisch wie kirchlich zu Como oder Mailand,
Zumal dann, wenn die Burg so deutlich eine Sperr-
nicht aber zu Rätien gehört hätte. Für eine solche Zu-
stellung einnimmt wie in Mesocco, drängt es sich auf,
gehörigkeit gibt es in späteren Epochen allerdings keine
dass der Angreifer aus einer bestimmten Richtung er-
Anzeichen mehr. Seit dem Hochmittelalter ist nichts zu
wartet wurde; hier also entweder von Norden oder aber
bemerken, was als Rest einer comaskischen oder mai-
von Süden. Nun steht die Burg Mesocco oben im Tal –
ländischen Oberhoheit über die Mesolcina gedeutet wer-
sie schützte demnach die Siedlungen im unteren Misox
den könnte, und Besitz italienischer Kirchen ist hier nicht
und letztlich auch Bellinzona, das als Fusspunkt mehre-
nachzuweisen.15 Dagegen wird die Talschaft Mesauco
rer Alpenpässe selbst wiederum stark befestigt war und
in dem um 840 aufgezeichneten churrätischen Reichs-
das südliche Tessin schirmte. Die Abwehr war somit
gutsurbar erwähnt und zum ministerium Tuverasca ge-
gegen Norden gerichtet.
zählt, wie die Täler des Vorder- und des Hinterrheins.16
Mögen diese strategischen Überlegungen nun ganz
Nichtsdestoweniger bleibt die Frage bestehen, welcher
fundamental oder auch ganz schlicht anmuten – sie
politische Ordnungsrahmen für die Mesolcina galt,
66
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
bevor sie – offensichtlich zusammen mit Churrätien – um
800 ins Karolingerreich integriert wurde. Dass ein Ein-
4
5
fluss aus dem Norden bereits in (spät)merowingischer
Zeit wirksam war, dafür sprechen die ‹fränkischen› Patrozinien St. Martin in Soazza, St. Georg in Lostallo und
6
7
St. Remigius in Leggia.17
Der ambivalente Befund wird wohl am besten erklärt,
8
wenn man für die frühmittelalterliche Mesolcina zwei
aufeinanderfolgende Phasen der politischen und kirchlichen Raumbildung annimmt, denen verschiedene
Schübe der Siedlungsverdichtung und Christianisierung
9
entsprachen.
Die Funktion der frühmittelalterlichen Wehranlage Mesocco als Sperrfestung gegen Norden ist umso bemerkenswerter, als für die heute sichtbare, feudale Burg
gegenteilige Voraussetzungen gelten. Seit dem 13. Jh.
nutzten die Freiherren von Sax die Burg als Stützpunkt
10
11
12
13
14
2: «Castello di Mesocco, Masox, in einem Engpass der Valle
Mesolcina». Gesamtansicht der Burgruine von Norden, mit
der Kirche Sta. Maria di Castello. Kupferstich von Füssli in
Scheuchzers Ouresiphoites Helveticus, 1723. Die beiden
einschlägigen Abbildungen in diesem Werk sind die ältesten
Darstellungen der Burg.
15
16
17
erWin poescHel, Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden
VI: Puschlav, Misox und Calanca (Basel 1945) 370.
HAns ruDolf sennHAuser, Vorromanische Kirchenbauten (München 1966) 208–209.
sAnDro MAzzA, S. Michele di Gornate, St-Félix de Géronde, S. Carpoforo di Mesocco. Tre chiese di secoli bui (Tradate 1981) 67, 72.
otto p. clAvADetscHer/Werner Meyer, Das Burgenbuch von
Graubünden (Zürich und Schwäbisch Hall 1984) 253; mit «?», aber
ohne Diskussion der einschlägigen Literatur.
ecclesia scancti Carpofori de Sorcastelo; Bündner Urkundenbuch
[Sigle: BUB], Bd. I–III, bearb. von Elisabeth Meyer-Marthaler und
Franz Perret (Chur 1955–1983); Bd. II (neu) –VI, bearb. von Otto
P. Clavadetscher und Lothar Deplazes (Chur 1997–2010), hier Bd. II
(neu) Nr. 602, S. 95: Die Nennung der Burg ist in der Bezeichnung
der Kirche enthalten.
Paradigmatisch otto p. clAvADetscHer, Die Burgen im mittelalterlichen Rätien. In: Otto P. Clavadetscher, Rätien im Mittelalter. Verfassung, Verkehr, Recht, Notariat. Ausgewählte Aufsätze. Festgabe
zum 75. Geburtstag, hrsg. von ursus brunolD/lotHAr DeplAzes
(Sigmaringen 1994) 354–373, hier 356 – mit der Definition, 355:
«Rätische Kirchenburgen sind meist ziemlich ausgedehnte frühmittelalterliche Befestigungsanlagen an gut geschützten Stellen (besonders auf Felsköpfen) mit einer frühmittelalterlichen Kirche». Auf
prähistorischen Siedlungsplätzen gelegen, dienten sie im Frühmittelalter als Fluchtburgen.
Zeitstellung: zwischen 257 und 477. Vgl. pHilippe DellA cAsA,
Mesolcina praehistorica, presenza umana ed ambiente naturale in
una vallata sudalpina dal Mesolitico all’epoca romana (Bonn 2000)
14–18. Für eine bis ins Frühmittelalter reichende Siedlungskontinuität sprechen daneben die in Mesocco gemachten Siedlungsfunde; vgl.
Jürg rAgetH / cHristinA pApAgeorgopoulou, Neu entdeckte
Siedlungsreste und Gräber in Mesocco, Benabbia. Jahresberichte
Archäologischer Dienst Graubünden / Denkmalpflege Graubünden
2005 (Haldenstein/Chur 2006) 21–50.
Die Kirche St. Carpophorus in Trimmis war bis 958 in königlichem
Besitz; BUB I, Nr. 115. Sie war jedoch schwerlich eine (spät)karolingische Gründung, sondern dürfte in die Zeit von der Mitte des 5. bis
ins frühe 9. Jh. zurückgehen, als das Bistum Chur dem Erzbistum
Mailand unterstellt war.
Patron auch der Kollegiatskirche von Poschiavo. Weitere, ähnlich
frühe Patrozinien in der Mesolcina waren St. Fidelis und St. Julius in
Roveredo, St. Clemens in Grono sowie St. Peter in Verdabbio und
Mesocco (und wohl erst hierauf auch in Hinterrhein). Vgl. rinAlDo
bolDini, Storia del Capitolo di San Giovanni e San Vittore in Mesolcina, 1219–1885 (Poschiavo 1942) 7. Eine entsprechende Frühdatierung von Sta. Maria in Calanca (ebd.) erscheint nicht zwingend.
Vgl. MAzzA (wie Anm. 6) 64, 67. Hier wird allerdings nur eine
spätrömische oder byzantinische, nicht aber eine langobardische
Gründung erwogen.
Vgl. piero stAngA, Perché il Moesano non è ticinese. L’Almanacco
Mesolcina/Calanca 58 (1995) 42–47, hier 43–44. Der Ausdruck ist,
in der gleichen Bedeutung, auch in der Leventina bekannt; vgl.
cHiArA orelli, Degagna. Dizionario storico della Svizzera (DSS),
Version vom 16.01.2002 (URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/i/
I35272.php).
Dazu gertruD Hofer-WilD, Herrschaft und Hoheitsrechte der
Sax im Misox (Poschiavo 1949) 7, 19.
BUB I, Anhang I, 390.
stAngA (wie Anm. 14) 43, mit der Annahme fränkisch-merowingischer Missionare ab dem 7. Jh. – bolDini (wie Anm. 12) 7 zählt
auch St. Mauritius in Cama und St. Johann Baptista in San Vittore
zu den fränkisch-merowingischen Patrozinien.
Mittelalter 18, 2013 / 3
67
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
3: Burgruine Mesocco von
Norden. Die romantisch
überhöhte Ansicht zeigt
vom Hauptturm noch den
charakteristischen, hoch
aufragenden Mauerzahn.
Im Vordergrund die neue
Transitstrasse mit Reisekutsche, im Hintergrund
rechts unten das Dorf
Soazza. Aquarell sepia von
Daniel David Burgdorfer,
um 1825.
zur Sicherung ihrer Macht im Tal, ja als Rückhalt für
Horizontale umgeformt. Die beim Hauptturm an-
eine Ausdehnung dieser Macht nach Bellinzona und
setzende Umfassungsmauer, die ebenfalls nur bruch-
sogar an den oberen Comersee. Gegenüber dem Früh-
stückhaft erhalten ist und offenbar die Burgkirche samt
mittelalter hatte sich die Front nun umgekehrt. «Das
Campanile mit einschloss, dürfte gleich nach dem Haupt-
Kastell Misox [...] steht als mächtiger Prellbock am
turm selbst erbaut worden sein.
oberen Eingang zur Mesolcina, mit dem Rücken gegen
Als Urheber dieser Baumassnahmen werden nun die
den Pass gelehnt, und fängt mit seiner breiten Brust die
Freiherren von Sax vermutet. Wie plausibel ist diese
Raumachse des Tales.»18 Mit dieser bildhaften Charak-
Vermutung? Die Schriftquellen, welche die Saxer als
terisierung erfasst Erwin Poeschel die für die feudale
Herren der Burg nennen, datieren erst aus dem 13. Jh.
Epoche geltende Südorientierung.
und bleiben auch da sehr spärlich. Die erste dieser von
den Saxern selbst ausgestellten Urkunden ist der Stif-
Wer erbaute die Kernburg von Mesocco? –
tungsbrief für das Kollegiatkapitel von San Vittore,
Zum Stiftungsbrief von 1219
vom 28. April 1219.20 Heinrich II. von Sax gründet
Während die Bildung einer Feudalburg innerhalb des
zusammen mit seinem Sohn Albert II. das Kanoniker-
frühmittelalterlichen Kirchenkastells noch im 11. oder
stift zu St. Johann in San Vittore und überträgt diesem
sogar bereits im 10. Jh. begonnen haben mag, stammen
sämtliche Kirchen und Kapellen der Talschaft – ein
die ältesten sicher datierbaren Teile der «Rocca» oder
rundes Dutzend – mit allen Einkünften der zwei be-
Kernburg von Mesocco aus der zweiten Hälfte des
stehenden Pfarreien. Dafür übernehmen die Kanoniker,
12. Jh.19 Es handelt sich dabei vor allem um den
deren Residenzpflicht festgelegt wird, überall die Seel-
Stumpf des mächtigen Hauptturms, von dem noch bis
sorge. Auch der Wahlmodus für die Stiftsherren wird
um 1830 ein hoch aufragender Mauerzahn zu sehen
bestimmt. Statt des Ernennungsrechts der Kapitularen
war (Abb. 2–3). Als auch dieser einstürzte, hat sich
behalten sich die Saxer das Patronatsrecht an den Kir-
das Bild der Burg endgültig aus der Vertikalen in die
chen vor.
68
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Über drei Misoxer Kirchen heisst es in der Urkunde,
des spätantiken Patroziniums ist ihre Gründung jeden-
sie seien von den Vorfahren oder Vorgängern (anteces­
falls nicht durch Personen erfolgt, auf die sich eine 1219
sores) des nunmehr agierenden Heinrich von Sax auf
noch lebendige Tradition hätte beziehen können. Die
Eigengut (supra eorum allodiis) gestiftet worden. Das
behauptete Gründung durch saxische antecessores be-
betrifft zunächst die nunmehr zur Pfarr- und Kollegiats-
zieht sich also entweder auf einen blossen Um- oder Neu-
kirche erhobene Kapelle St. Johann in San Vittore, die
bau im 12. Jh.,27 oder aber es soll damit ein allgemei-
jenem Heiligen geweiht war, der das Hospital in Jeru-
nes landesherrliches Kirchenpatronat behauptet werden.
salem beschützte. Diese Stiftung kann natürlich frühes-
Dessen Grundlagen waren bis dahin aber kaum schon
tens nach dem Ersten Kreuzzug 1099, der zur Gründung
gegeben; sie wurden mit dem Akt von 1219 erst eigent-
des Pilgerhospitals in der Heiligen Stadt führte, erfolgt
lich geschaffen.
sein. Der wahrscheinlichere Zeitpunkt liegt aber um die
Nach Otto P. Clavadetscher handelte Heinrich von Sax,
Mitte des 12. Jh., am Vorabend des Zweiten Kreuzzugs,
wenn er die Kapellen der Talschaft dem neuen Stift
als sich die Jerusalemer Spitalbruderschaft zum geist-
inkorporierte, «zweifellos als Landesherr», der «das
lichen Ritterorden gewandelt hatte.21 Eine entspre-
Patronatsrecht über alle Kirchen seiner Herrschaft be-
chende, von den antecessores des Heinrich von Sax
anspruchte». Das Patronat über die drei Pfarrkirchen –
begründete Abgabepflicht der Kapelle St. Peter in Hin-
oder zumindest über die beiden bisherigen, St. Viktor
terrhein wird 1219 auf das gesamte Priesterkapitel über-
und St. Maria bei der Burg – entsprach indessen einem
tragen, wobei nun das Johanniter-Hospital in Contone,
am Fusse des Monte Ceneri (gegründet zwischen 1198
und 1209), als Erstempfänger der letztlich für Jerusalem
18
19
bestimmten Pfennige fungieren soll.22
Zu den drei angeblich von Heinrichs Vorfahren oder
20
Vorgängern gegründeten Kirchen gehört sodann die
gleich unterhalb der Burg Mesocco stehende Sta. Maria
21
del Castello. Bis 1219 war sie die Pfarrkirche für das
obere Misox – wie St. Viktor für das Gebiet von Rove-
22
redo und das Calancatal – , und sie sollte ihr Tauf- und
Bestattungsrecht auch nach der Inkorporation ins Kollegiatstift behalten. Diese Marienkirche, die um das Jahr
23
1040 jedenfalls schon bestand23, könnte gegründet
worden sein, um die Burgkirche St. Carpophorus mit
einer Funktionserweiterung, einer Ausrichtung auf neue
24
landesherrliche und dann auch kommunale Bedürfnisse,
abzulösen.24 In diesem Gotteshaus leisteten noch im
späten 15. und frühen 16. Jh. – also in nach-saxischer
Zeit, unter der Herrschaft des Gian Giacomo Trivulzio –
die Leute von Mesocco und Soazza ihrem Landesherrn
25
den Treueid.25 So blieb «das Andenken an die Bedeutung der Talburg für die Ausbildung der landesherrlichen Rechte bis zum endgültigen Verfall der Herrschaft
lebendig».26
Anders verhält es sich mit der dritten im gleichen Zusammenhang erwähnten Kirche, St. Viktor. Angesichts
26
27
poescHel (wie Anm. 3) 152.
Datierung(svorschläge) nach clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7)
254.
BUB II (neu) Nr. 591. Dazu bes. bolDini (wie Anm. 12) 9 und
AnnA-MAriA DeplAzes-HAefliger, Die Freiherren von Sax und
die Herren von Sax-Hohensax bis 1450 (Langenthal 1976) 29–30.
Eher als die päpstliche Privilegierung der Bruderschaft, 1113, bietet
sich die Bestätigung der Ordensregeln durch den Papst, 1137, als
terminus post quem an.
Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 237–239. Zum Hospital am
Monte Ceneri AntoniettA Morietti, Contone. Helvetia Sacra
IV/7, Bd. 1 (Basel 2006) 192–193. Vgl. neuerdings auch stefAn
leHMAnn, Überlegungen zu den Sax und dem Johanniterorden
zwischen Misox und Tessin. Mittelalter 15 (2010/4) 127–138.
Dendrodatum 1039, angeführt in Högl (wie Anm. 2) 42. Dagegen
will poescHel (wie Anm. 4) 215–216 und 336–337 diesen Campanile, zusammen mit dem grössten Teil des Langhauses, in die Zeit um
1100 datieren.
iso Müller, Glanz des rätischen Mittelalters (Chur 1971) 50 postuliert für Sta. Maria del Castello eine frühe Gründung, eben weil sie
den Mittelpunkt der oberen Pfarrei bildete, wobei sich die Pfarrsprengel mit den Gerichtsbezirken gedeckt hätten. Diese Beobachtungen sprechen jedoch nicht gegen eine Ablösung der Burgkirche
durch die stärker ‹talschaftlich› oder ‹territorial› ausgerichtete
Marienkirche bei der Burg.
Die Huldigungsakte wurden mit den betreffenden Jahreszahlen
(1481, 1503, 1517, 1519) jeweils durch Einkratzung auf dem unteren Rand der Bilderreihe an der nördlichen Kirchenwand festgehalten; vgl. eugen probst, Die Burg Misox. Burgen, Schlösser und
Burgherrengeschlechter in der Ostschweiz, hrsg. von Hermann Meili
(Trogen 1970) 26.
poescHel (wie Anm. 3) 69.
Ein solcher Umbau wäre dann von der dreischiffigen Pfeilerbasilika
des 13. Jh. überformt worden; vgl. luDMilA seifert-uHerkovicH/
lezA DoscH, Kunstführer durch Graubünden (Zürich 2008) 327.
Mittelalter 18, 2013 / 3
69
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
«noch recht ansehnlichen Rest des ehemaligen Eigen-
Grundherrschaft im 12. Jh.». Auf dieser Basis hätten die
kirchenrechts», der über die Zeit des Investiturstreits
Saxer hier vergleichsweise früh «eine relativ geschlossene
herübergerettet worden war.28 Damit würde die Reihe
Adelsherrschaft ausgebildet»; früher jedenfalls, als ihnen
der Saxer antecessores doch zumindest ins 11. Jh. zu-
dies mit der Herrschaft Sax-Hohensax im Alpenrheintal
rückreichen. Sollen wir annehmen, dass in dieser oder
gelang.33 Folgerichtig postuliert die Autorin, dass die
sogar noch früherer Zeit bereits die Edelfreien von Sax
Familie von der Alpensüdseite stammte. Im Comas-
oder deren unmittelbare Rechtsvorgänger in der Mesol-
kischen ist der Name Sacco oder Sacchi bei reichen
cina herrschten?
Bürger- und bei Adelsfamilien oft anzutreffen.34 In ge-
Aus dem Wortlaut der Urkunde von 1219 ergeben sich
wisser Weise erinnert dies an Otto P. Clavadetschers
Fragen nach dem Entstehungszeitpunkt der saxischen
(1965 formulierte) Überzeugung, dass der im 12. Jh. in
Landesherrschaft im Misox, aber auch Fragen nach der
Churrätien erscheinende Hochadel einheimischen Ur-
regionalen Herkunft der Saxer – Fragen, zu deren Be-
sprungs, und das heisst jedenfalls: nicht aus Schwaben
antwortung die im Stiftungsbrief enthaltene Information
zugewandert sei.35
offensichtlich nicht ausreicht.
Doch eben eine solche Herkunft aus Schwaben wird für
die Saxer neuerdings wieder bestätigt.36 Heinz Gabathu-
Herkunft der Saxer und Ursprung ihrer Misoxer
ler identifiziert den Eberhard de Sacco der Gammertin-
Herrschaft
ger Urkunden von 1137/39 mit jenem edelfreien Eber-
Der erste bekannte Angehörige der Familie von Sax ist
hard de Sasbach, der zwischen 1138 und 1152 ein Gut
der edelfreie Heberhardus de Sacco. Er wirkt 1137/39,
im Dorf Sasbach (Ortenau-Kreis) – am gleichnamigen, in
als die Grafen von Gammertingen ihren Oberenga-
die Murg mündenden Flüsschen – dem Kloster Reichen-
diner Besitz an den Vogt des Churer Hochstifts über-
bach im Murgtal verleiht. Damit erscheint der nordwest-
tragen, in Chur als Handlungsbevollmächtiger der
liche Schwarzwald als Herkunftsgebiet der Saxer, wozu
Gammertinger.29
die neu vorgeschlagene Etymologie Sax < Sachs < Sahs <
Gertrud Hofer-Wild (1949) sieht in den Grafen von
Sas (germ. Schwert) gut passt.37 Aus dem Gesagten folgt
Gammertingen ein wichtiges Glied in jener Kette von
allerdings auch, dass die jüngere Lautung Sachs oder Sax
Erbgängen und Besitztranfers, an deren Anfang, um
(in der Form Sacco) womöglich noch vor der ursprüng-
800, Karl der Grosse, an deren Ende jedoch, ab 1140,
lichen Lautung Sasbach in den Quellen erscheint, was an
die Saxer gestanden hätten.30 Von dem mit den Karolin-
der Identifizierung zweifeln lassen könnte. Da die Gam-
gern verwandten Herzogshaus der Udalriche, das im
mertinger Urkunden aber nur durch späte Abschriften38
frühen 9. Jh. die Grafschaft in Oberrätien beanspruchte31,
überliefert sind, ergeben sie für die Namensgeschichte
wären Herrschaftsrechte und Güter innerhalb verschie-
nichts Sicheres.
dener Teilgrafschaften an die Welfen gelangt; von diesen
Anlässlich der Tarasper Schenkung an das Bistum Chur,
wiederum an die Gammertinger; und von Letzteren eben
1160, tritt Reinger de Sacches als Zeuge auf.39 Bei einem
an die Saxer. Dabei seien die alten Reichsrechte allmäh-
Gütertausch zwischen dem Kloster Bebenhausen (bei
lich soweit privatisiert worden, dass die von Sax schliess-
Tübingen) und dem Bistum Speyer, den der Pfalzgraf
lich als «Inhaber der gesamten öffentlichen Gewalt», als
Rudolf von Tübingen 1188 vornimmt, wird der edel-
«Inhaber der vollen landesherrlichen Gewalt im Tal»
freie Albert de Sackis als Gefolgsmann des Tübingers er-
auftreten konnten32, ohne selbst mit der Grafschaft be-
wähnt.40 Er gehört bereits einer jüngeren Generation an;
lehnt worden zu sein.
wahrscheinlich war er ein Sohn Eberhards I. von Sas-
Demgegenüber vermutet Anna-Maria Deplazes-Haef-
bach/Sax.
liger (1976) für das Misox nicht eine Herrschafts-
Um 1200 wandern die Saxer nach St. Gallen, wo ihnen
bildung von oben her, aus der alten Grafschaft, sondern
der Klostervogt Ulrich von Gammertingen († nach 1165)
«einen allmählichen und systematischen Ausbau der
den Weg geebnet hat, sowie nach Chur, wo sie bis dahin
70
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
nur sporadisch, nämlich bei den Rechtsgeschäften von
darf man sie dem (älteren) Lokaladel zuordnen, ins-
1137/39 und 1160, aufgetreten sind.41 Die Angehörigen
besondere den (auch später noch bezeugten) Herren von
des soeben erwähnten Albert I. von Sax erreichen hohe
Andersilia oder Andergia.48 Was die deutschen Vor-
Stellungen sowohl in der Abtei an der Steinach wie im
namen angeht, so kommen sie in der Urkunde von 1203
Domkapitel an der Plessur. Ein Bruder, Heinrich I., er-
derart häufig vor, dass man geradezu von einer klein-
scheint ab 1193 in St. Gallen als Dekan. Ein Sohn, Ulrich II.,
adligen und grossbäuerlichen49 Führungsschicht deut-
regiert ab 1204 sogar als Abt des Klosters, das nun
scher Namensträger sprechen könnte.50
schon seit längerem unter staufischer Vogtei steht; König
Philipp von Schwaben erhebt ihn 1207 zum Reichsfürs-
28
ten. Ein weiterer Bruder (?) des Albert, Ulrich I., wirkt
1200 als Vogt des Churer Hochstifts. Ein Enkel (?),
29
Ulrich III.,42 ist ab 1210 als Dompropst bezeugt.
Eben in jenem Jahr, 1210, wird die Burg Sax (später
Hohensax) erstmals erwähnt: in castro Saches.43 Sie
bildete den Mittelpunkt einer neugebildeten Herrschaft
im Reichsforst Sennwald. Laut der St. Galler Kloster-
30
31
chronik waren Ulrich II., der Abt, und sein Bruder Heinrich II. um 1206 auf einer neu erbauten Burg vom Grafen Hugo I. von Montfort angegriffen worden.44 Aber
bereits 1194 hatte Heinrich II. im Gefolge Kaiser Hein-
32
33
34
35
richs VI. in Chur ein Rechtsgeschäft bezeugt, das die
Kirche Bendern betraf45 –, deren Sprengel an den Sennwald grenzte. Insgesamt zeigt sich hier eine feste Verankerung derer von Sax in der (ober)schwäbischen
Gefolgschaft der Staufer; eine Königsnähe, die zur
Voraussetzung wird für die saxische Herrschaftsbildung
36
37
38
39
40
41
südlich des Bodensees.
Demgegenüber sei jene vereinzelte Quelle nicht verschwiegen, die ein Auftreten der Saxer in der Mesolcina
bereits für das 12. Jh. wahrscheinlich macht. Ein vor
1147 vorgenommener Eintrag im Totenbuch der Churer
42
43
Kathedrale verzeichnet das Ableben eines Eberardus de
Mesauco.46 Zeitlich gesehen, könnte dieser Eberhard mit
44
dem Gammertinger Prokurator von 1137/39 wie auch
mit dem Sasbacher Stifter von 1138/52 identisch sein.
Der Zuname de Mesauco rückt ihn allerdings näher an
den Sacco von 1137/39 – und an Hofer-Wilds Auffassung vom Erbe alter Grafenrechte in der Mesolcina.
45
46
47
48
Eine Urkunde von 1203 – ein Grenzvertrag zwischen
den Gemeinden Mesocco und Chiavenna – nennt einige
Misoxer Herrschaftsträger, die zum Teil deutsche Vornamen tragen.47 Diese in Mesocco residierenden Personen waren nun aber offenbar keine Saxer. Stattdessen
49
50
otto p. clAvADetscHer, Das Schicksal bischöflicher Eigenkirchen.
In: Rätien (wie Anm. 9) 226–234, hier 232.
BUB I, Nr. 297–299. Die Besitzübertragung geschieht cum manu
advocati nostri Heberhardi de Sacco, wobei «advocatus» hier natürlich nicht den «Vogt» einer geistlichen Institution meint, sondern
einen Mandatar oder Prokurator. Vgl. elisAbetH Meyer-MArtHAler, Die Gamertingerurkunden. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 25 (1945) 491–519, bes. 501–504.
Zum Folgenden Hofer-WilD (wie Anm. 15) 2–20.
Tatsächlich dürfte der Einfluss der Udalriche in Churrätien ziemlich
ephemer gewesen sein; vgl. MicHAel borgolte, Gerolde (Udalriche). Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom
19.03.2007 (URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D2089.php).
Hofer-WilD (wie Anm. 15) 25 bzw. 30.
DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 31, 34.
DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 19–22.
otto p. clAvADetscHer, Die Herrschaftsbildung in Rätien. In:
Rätien (wie Anm. 9) 326–343.
Heinz gAbAtHuler, Die Anfänge der Herren von Sax und Misox.
Bündner Monatsblatt 2009, 64–79.
gAbAtHuler (wie Anm. 36) 67.
Aus dem 15. Jh: Kreisarchiv Oberengadin Zuoz, Urk. Nr. I/1-3.
BUB I, Nr. 341.
BUB I, Nr. 446.
Die Urkunde von 1160 nennt zwar keinen Ausstellungsort; es ist
jedoch anzunehmen, dass es Chur war. – Zum Folgenden gAbAtHuler (wie Anm. 36) 68–70 und DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20)
37.
So nach gAbAtHuler (wie Anm. 36) 73; frühere Genealogen haben
die Ordinalzahl III. erst dem Ulrich aus der folgenden Generation
(Bruder Heinrichs III. und Alberts III.) beilegen wollen.
Heinrich II. und sein Sohn Albert II. tätigen für sich selbst und
für weitere Familienmitglieder eine Jahrzeitstiftung; BUB II (neu)
Nr. 532.
DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 32–34. Graf Hugo I. von
Montfort war der Bruder des Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen;
soeben – 1206 – hatte zwischen ihnen eine Hausteilung stattgefunden.
BUB I, Nr. 467.
Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 36 sowie gAbAtHuler (wie
Anm. 36) 73.
BUB II (neu) Nr. 498. Vgl. dazu gAbAtHuler (wie Anm. 36) 72–73.
Andersio oder Andersia wird in der Urkunde öfters als Wohn- bzw.
Herkunftsort genannt, wobei die betreffenden Personen mit den
Ausdrücken domina, ministralis oder ser als (klein)adelig gekennzeichnet werden.
Für Chiavenna auch: stadtbürgerlichen.
Nebst dem von Gabathuler hervorgehobenen Mainfredus von Mesocco-Crimei, dem Hauptakteur auf Misoxer Seite, werden für Bewohner von Mesocco und Chiavenna die Namen Albrechtus (Albrecht),
Mittelalter 18, 2013 / 3
71
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Umso auffälliger bleibt der Umstand, dass der Name Sax
Torre sei wohl Heinrichs II. angeheirateter Onkel ge-
hier überhaupt nicht erscheint. Zumal für die Zeit um
wesen: also nicht der Bruder Alberts I. – der in den
1200 ist das doch sehr bemerkenswert. Wenn die Saxer
Quellen nie als Albert de Torre erscheint –, sondern
damals wirklich schon jahrzehntelang Landesherren der
bloss dessen Schwager.55 Gabathuler schliesslich verweist
Mesolcina waren, so hätte sich dies bei einem derarti-
darauf, dass Heinrich von Sax und Guido de Torre der
gen Rechtsakt doch unbedingt manifestieren müssen.51
gleichen Generation angehören mussten; Guido möge
Da liegt nun wieder der Schluss nahe, dass die Saxer um
also ein Vetter von Heinrichs Ehefrau gewesen sein.56 Im
1200 noch gar nicht in der Talschaft residierten, noch
Reigen der Interpretationen wird damit nicht nur Bluts-
gar nicht auf der Burg Mesocco sassen.52 Nach dieser
verwandtschaft durch Schwägerschaft, sondern auch die
Sicht der Dinge würde der Stiftungsakt von 1219 einen
Vater- durch die Mutterseite ersetzt.57
Schub der Herrschaftsbildung anzeigen, der nur wenige
Die schwer durchschaubare Verwandtschaftsbeziehung
Jahre zuvor erfolgt wäre. Erst das zweite Jahrzehnt des
Sax-Torre bietet interessante Erklärungsansätze in zwei-
13. Jh. hätte also den eigentlichen Antritt der Saxer als
erlei Hinsicht. Erstens ermöglicht sie eine Identifikation
Landesherren im Misox gesehen.
der 1219 erwähnten antecessores mit den Torre – oder
mit einer weitverzweigten Sippe, der sowohl Sax wie
Staufische Gefolgschaft auf der Alpensüdseite
Torre angehörten –, und erklärt damit die Herkunft der
An dieser Stelle ist die Überlieferung zu diskutieren, wo-
saxischen Eigengüter in der Mesolcina. Zweitens ent-
nach die Saxer mit den Freiherren de Torre, den früheren
deckt sie innerhalb des Saxer Beziehungsradius’ das Ver-
Reichsvögten des Bleniotales, verwandt waren. Eine enge
gleichsbeispiel einer Reichsvogtei, eines Grafschafts-
Verwandtschaftsbeziehung zu jenem Herrengeschlecht,
lehens, in einer benachbarten südalpinen Talschaft und
das als Statthalter Kaiser Friedrichs I. Barbarossa an der
erhellt damit die Bildung der saxischen Landesherrschaft
Lukmanierstrasse wirkte (sowie am damals noch un-
in der Mesolcina.
wichtigen Gotthardweg), würde es nahelegen, dass die
Dies weist uns zurück in die erste Zeit der staufischen
Saxer zur gleichen Zeit eine entsprechende Funktion an
«Passpolitik», in die Epoche des Kampfes zwischen
der Bernardinostrasse ausübten.
dem deutschen Kaiser und den lombardischen Städten.
Die Quelle, welche die Verwandtschaft bezeugt, ist
Beide Parteien versuchten die südlichen Fusspunkte der
allerdings noch jünger als der Misoxer Stiftungsbrief
Alpenpässe, die zugleich die nördlichen Vorposten des
von 1219; die fragliche Aussage geschieht da retro-
Bischofs- und Stadtstaates Como bildeten, zu gewin-
spektiv. In einem Prozess, den Heinrich II. von Sax
nen: vor allem Bellinzona, in zweiter Linie auch Chia-
1224 gegen das Domkapitel Mailand um die Reichs-
venna. Eine politisch-geografische Sonderrolle spielten
vogtei über die Val Blenio führt, nennt Guido de Torre,
dabei die oberen Tessintäler Blenio, Leventina und Ri-
der Sohn des einstigen Reichsvogtes Alcherio, den Saxer
viera (zwischen Biasca und der Grafschaft Bellinzona).
seinen nepos (Bruder- oder Schwestersohn), während
Die drei «Ambrosianischen Täler»58 gehörten nicht zum
Letzterer ihn als patruus (Vatersbruder) bezeichnet.53
comaskischen Staat, sondern unterstanden dem Dom-
Über die genaue Bestimmung dieses Verwandtschafts-
kapitel von Mailand. Der erste Stauferkaiser, Kon-
verhältnisses ist sich die Forschung nicht einig gewor-
rad III. (reg. 1138–1155), verlieh sie den Grafen von
den. Karl Meyer und seine Schülerin Hofer-Wild wollen
Lenzburg. Nach deren Aussterben 1173 ging das Lehen
für patruus tatsächlich nur die enge Bedeutung «Vaters-
an Alcherio de Torre.59 Die Torre bildeten seit der Mitte
bruder» gelten lassen. Heinrichs Vater Albert I. von Sax
des 12. Jh. die «Hauptstützen der obertessinischen
wäre demnach eigentlich ein Torre gewesen, der eine von
Reichspartei im Kampf gegen Mailand».60
Sax heiratete und seinen Namen wechselte.54 Deplazes-
Im Jahr 1192 erreichte eine Gesandtschaft des kaiser-
Haefliger hingegen versteht patruus hier im allgemei-
treuen Bischofs von Chur und der Grafschaft Chiavenna,
nen Sinne von «Verwandter von Vatersseite». Guido de
dass Kaiser Heinrich VI. Chiavenna in das Herzogtum
72
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Schwaben eingliederte. Dabei wurde glaubwürdig be-
mit Mailand versöhnen; Serravalle fiel erneut in lombar-
hauptet, des Kaisers Vater, Friedrich I. Barbarossa, habe
dische Hand und wurde zerstört.66 So kam es 1182 zu
die gleiche Massnahme schon über drei Jahrzehnte zuvor
getroffen.61
Die Annahme der älteren Forschung,62 Barbarossa habe
auch die Mesolcina zum Herzogtum Schwaben geschlagen und sie überdies dem Bistum Chur – dem sie
51
1219 unterstehen wird – zugeteilt, erscheint vor diesem
Hintergrund durchaus plausibel. Der urkundliche Nachweis hierfür fehlt allerdings.
Ein Kaiserdiplom über die politische Zugehörigkeit des
Misox existiert allerdings; doch das Stück ist eine Fäl-
52
schung. Der ostfränkische König und spätere Kaiser
Konrad II., der 1026 vom Erzbischof von Mailand zum
König der Langobarden gekrönt wurde, soll dem Bischof von Como im gleichen Jahr nicht nur die Burg und
53
Grafschaft von Bellinzona (was wohl zutrifft), sondern
auch die Grafschaft Misox, «bestehend aus dem Alpgebiet jenseits von Bellinzona im Misoxertal», verliehen
haben.63 Wann die Urkunde gefälscht wurde, ist nicht
genau bekannt; es muss aber noch vor dem Einsetzen der
abschriftlichen Überlieferung im 14. Jh. geschehen sein.
Anzunehmen ist ein Zeitpunkt bald nach der Auflösung
54
der oberrätischen Grafschaft 108964 oder aber nach der
(wiederum nicht urkundlich belegten) Verleihung der
55
Grafschaft Misox an die Saxer durch einen Stauferkaiser –
sei es durch Konrad III. um 1140, durch Friedrich I. um
1173, durch Heinrich VI. um 1194 oder durch Friedrich II.
um 1213. Die Urkundenfälschung hätte somit Comos
direkte Reaktion auf diesen Leiheakt gebildet.65
Im epischen Kampf zwischen Barbarossa und der Lega
Lombarda stand Como indessen meist auf kaiserlicher
Seite. Soweit die Südalpentäler betroffen waren, vollzog sich der Zusammenstoss zwischen dem Reichsoberhaupt und dem Städtebund nicht etwa in der Valle Mesolcina oder in der Val Chiavenna, sondern in der Val
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Blenio. Im Frühling 1176 kam der Kaiser wieder einmal über den Lukmanier gezogen; Alcherio de Torre eroberte für ihn das von mailändischen Truppen besetzte
Kastell Serravalle (zwischen Ludiano und Semione), den
gewöhnlichen Sitz der Talvögte. Doch wenig später erlitt der Staufer in der Schlacht von Legnano eine schwere
Niederlage. Sein Vasall im Bergtal musste sich daraufhin
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Anricus (Heinrich), Carlus (Karl), Conradus (Konrad), Ermannus
(Hermann), Gotefredus (Gottfried), Guilielmus (Wilhelm), Odalri­
cus (Udalrich, Ulrich), Oprandus (Ottobrand?), Oricus (Orich?) und
Otelmus (Othelm) genannt, und zwar in den meisten Fällen für
jeweils mehrere Namensträger.
Anlässlich der Grenzziehung auf der Alp Rasdeglia (in der Val San
Giacomo, inzwischen ganz zur Gemeinde Madesimo gehörend) wäre
es vom Landesherrn zu erwarten, dass er selbst Alpbesitz bzw. das
Allmendregal reklamierte, oder dass er zumindest als Gerichtsherr
auftrat. Diese Rolle wurde nun aber vom erwähnten Manfred von
Mesocco-Crimei wahrgenommen, der als Bürge gegenüber Chiavenna fungierte.
gAbAtHuler (wie Anm. 36) 77 misst der Burg Mesocco bis um
1300 eine nachrangige Stellung gegenüber der Burg Calanca zu; dies
aufgrund von Quellen aus dem dritten Viertel des 13. Jh. Daraus
folgt allerdings nicht unbedingt, dass sich um 1200 nur erst Calanca,
noch nicht aber Mesocco, in saxischer Hand befunden hätte.
kArl Meyer, Blenio und Leventina von Barbarossa bis Heinrich
VII. Mit Urkundenbeilangen (Luzern 1911) 24*. – Zu den Wortbedeutungen cHArles Du fresne Du cAnge et al., Glossarium mediae et infimae latinitatis, éd. augm., 10 Bde. (Niort 1883–87) Bd. V,
Sp. 587b bzw. Bd VI, Sp. 221c. Vgl. auch kArl ernst georges,
Kleines lateinisch-deutsches Handwörterbuch (Hannover 1913)
Sp. 1141 (nepos = Enkel oder überhaupt Nachkomme) bzw. 1515;
sowie J. f. nierMeyer, Mediae latinitatis lexicon minus (Leiden,
New York, Köln 1976) 717 (nepos = Vetter). Die übrigen Bedeutungen von nepos, nebst Neffe, kommen hier logischerweise nicht in
Betracht, da ja eine Korrespondenz zu patruus vorauszusetzen ist.
Meyer (wie Anm. 53) 85–86; Hofer-WilD (wie Anm. 15) 31–33.
Die Heirat Torre-Sax war um 1180 mit kaiserlichem Segen, wenn
nicht gar auf kaiserliche Weisung, erfolgt.
DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 26–28. Hier ebenfalls erwogen: Guido de Torre war ein Cousin Heinrichs II. von Sax, und
Alcherio der angeheiratete Onkel.
gAbAtHuler (wie Anm. 36) 72.
Letzteres wäre immerhin – der Etymologie zum Trotz – zulässig nach
nierMeyer (wie Anm. 53) 776: patruus = Muttersbruder.
Nach St. Ambrosius, dem Schutzpatron der Mailänder Domkirche.
Ausserdem an einen Bernhard von Giornico; vgl. Meyer (wie Anm.
53) 168–173.
Meyer (wie Anm. 53) 85.
BUB I, Nr. 456: Die Urkunde bestätigt ein entsprechendes Privileg
von 1157.
Vgl. etwa poescHel (wie Anm. 3) 217.
Comitatum Mesaucinum, quod constat situm in alpibus ultra Beri­
zonam scilicet per Vallem Mesauchinam; BUB I, Nr. 170*, S. 135.
Hofer-WilD (wie Anm. 15) 3–5.
Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 73. Aber sollten die comaskischen
Fälscher den Hinweis, früher habe ein deutscher Herr die Grafschaft
Misox innegehabt (quod quidam Teutonicus olim tenebat ad publi­
cam partem), tatsächlich deshalb in ihren angeblich aus dem Jahr
1026 stammenden Text aufgenommen haben, um der Tatsache
gerecht zu werden, dass die Mesolcina seit dem 12. Jh. deutsche
Landesherren hatte? Dies wäre kein geschickter Zug, sondern geradezu widersinnig gewesen.
Die Burg wurde im 13. Jh. wieder als Vogtsitz benutzt und unter den
Visconti im 14. Jh. weiter ausgebaut. 1402 wurde sie von dem mit
den Innerschweizer Eidgenossen verbündeten Albert von Sax-Misox,
Mittelalter 18, 2013 / 3
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Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
jener bekannten «Verschwörung» oder «Eidgenossen-
welfische König Otto IV. auf einer Fähre über den
schaft» (coniuratio), durch die sich die Talgemeinde
Bodensee; er aber wurde abgewiesen. Auf diese Weise
Blenio konstituierte.67 Artusio de Torre, ein Sohn des
sorgte das Saxer Brüderpaar für eine erfolgreiche An-
Alcherio, wurde auf seiner Burg Curtero oberhalb von
kunft des Staufers in deutschen Landen und ebnete ihm
Torre belagert; er und seine Angehörigen mussten als
den Weg zur Krönung.71
Vögte für immer abdanken und erhielten ein Burgenbau-
Während Abt Ulrich hier (nicht zum ersten Mal) in einer
verbot auferlegt.68
kriegerischen Rolle auftrat, handelte sein weltlicher
Als die Blenieser Bergler so entschlossen dem Beispiel
Bruder Heinrich wohl zugleich als Vertreter geistlicher
der padanischen Kommunen folgten, hatten die loka-
Institutionen; waren diese doch zur Königsgastung ver-
len Feudalherren ausgespielt. Die vicini, die im Nach-
pflichtet. Abgesehen vom Kloster St. Gallen, als dessen
barschaftsverband zusammengeschlossenen einfachen
«inoffizieller» Vogt er in dieser Phase gelten kann, hatte
Leute, wurden bald auch ökonomisch übermächtig; ab
Heinrich die gleiche Funktion wahrscheinlich auch für
dem frühen 13. Jh. mussten die Torre ihre Alpen an die
das Churer Hochstift und für das eine oder andere räti-
Nachbarschaft Olivone verkaufen.69 In der Mesolcina
sche Kloster inne.
hingegen gelang den Saxern derweil jener Aufstieg, der
Heinrich II. von Sax erscheint am 22. Mai 1194, mit
sie im 13. Jh. auf einen Machthöhepunkt führen sollte.
seiner ersten Erwähnung überhaupt, in Chur.72 Zu-
Dies war nur möglich, weil der zur Gemeindebildung an-
sammen mit den bedeutendsten rätischen Freiherren –
stiftende Einfluss Mailands am Alpensüdfuss noch nicht
Sagogn-Wildenberg und Vaz – bildete er da das lokale
über die Ambrosianischen Täler hinausreichte.
Gefolge, oder eine Art Empfangskomitee, für das Reichsoberhaupt. Kaiser Heinrich VI. war mit seinen Brü-
Königsnähe und Vogteirechte
dern Konrad und Philipp, dem Herzog von Schwa-
Dass die Saxer treue Gefolgsleute der Staufer waren,
ben und dem künftigen römisch-deutschen König, auf
zeigte sich besonders deutlich unter Friedrich II. Als der
der Reise nach Sizilien. Der Bischof von Chur wird
neu gewählte König im Frühling 1212 aus Süditalien ins
bei dieser Gelegenheit nicht erwähnt. Der bisherige In-
Reich zu seiner Krönung reiste, da waren sie ihm auf
haber dieses Hirtenamtes war nämlich abgesetzt; nur
einer entscheidenden Etappe behilflich. Der achtzehn-
wenig später wurde Reinher de Torre an seiner statt ein-
jährige König – das chint von Pülle, Kind aus Apulien,
gesetzt.73 Reinher war ein Bruder des Guido und des
wie seine Feinde im Reich ihn verhöhnten – kam mit
Artusio, und somit ein weiterer patruus Heinrichs II.
wenigen Begleitern zu Schiff in Genua an. Von da schlug
von Sax.74
er sich, knapp den feindlichen Mailändern entwischend,
Im Jahr 1200 wirkte Heinrichs Onkel väterlicherseits,
quer durch die Poebene über Pavia, Cremona und
Ulrich I. von Sax, als Churer Hochstiftsvogt und zu-
Mantua nach Verona durch. Dann aber sperrten ihm
gleich als Vogt des Prämonstratenserstifts Churwalden.75
welfische Adlige den Weg durch das Etschtal, die
Die Hochstiftsvogtei wurde zwar in der Folge, wie schon
Brennerroute. Also wich er über die rätischen Pässe –
zu Barbarossas Zeiten, an das Reichsoberhaupt über-
Ofen oder aber Bernina – aus und eilte nach Chur.70
tragen; auch Friedrich II. empfing sie.76 Doch faktisch
Und hier bekam er endlich eine militärische Eskorte:
dürften die Saxer weiterhin die Vogteigewalt wahr-
Die Gebrüder Sax – Ulrich II., Abt von St. Gallen, und
genommen haben. Ziemlich sicher taten sie das in Chur-
der weltliche Heinrich II. – gaben ihm nun das Geleite.
walden.77 Das dortige Kloster verdankte ihnen seine erste
So zog man das Rheintal hinab, über den Ruppen nach
überlieferte Schenkung: 1210 stiftet Heinrich II. mit sei-
St. Gallen und weiter nach Konstanz. Nur um Stunden
nem Sohn Albert II. eine reich dotierte Jahrzeit für seinen
kamen die Saxer mit ihrem Schützling dort dem grossen
Vater Albert I. und seinen Bruder Eberhard II.78
Gegner und Konkurrenten zuvor. Denn kaum hatten sich
Die Saxer waren ausserdem Vögte der Abtei Disentis.
die Tore von Konstanz für sie geöffnet, so nahte der
Dieses Amt erhielten sie gerade aufgrund der Dienste,
74
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
die sie Friedrich II. erwiesen. Denn über das alte könig-
Fälschung.81 Ein Indiz dafür, dass Heinrich das Blenio-
liche Eigenkloster Disentis sollte nun wieder ein Reichs-
Lehen 1213 tatsächlich erhalten hatte, liefert der Auf-
vogt walten.79 Am 22. Mai 1213 ist Heinrich II. von Sax
stand, den die Blenieser im Herbst jenes Jahres gegen die
erstmals als Disentiser Vogt bezeugt: Er entsendet einen
vom Domkapitel Mailand eingesetzten Gerichtsherren
Untervogt – Thomasius de Torre –, damit Abt Burkhard
wagten. Die Bauern mögen dabei auf die Unterstützung
von Disentis Klostergüter in Lombardia an einen ge-
des Freiherrn von Sax gebaut haben; dieser griff aber
wissen Godofredus aus Como verpfänden kann.80
offenbar nicht in die Auseinandersetzung ein.82
Ebenfalls im Frühling 1213 erhielt Heinrich von Sax
Dass die Freiherren von Sax um 1220 Anspruch auf die
möglicherweise die Reichsvogtei Blenio, samt Valle
Vogtei Blenio erhoben, so viel steht immerhin fest, und
Leventina, zu Lehen. Ein Lehensbrief ist allerdings nicht
zwar aufgrund jenes bereits erwähnten Prozesses, den
überliefert. Am 26. November 1220 soll Friedrich II. in
Heinrich II. 1224 in dieser Sache gegen das Mailänder
Rom – wo er vier Tage zuvor zum Kaiser gekrönt wor-
Domkapitel führte. Das Urteil ist nicht überliefert; doch
den war – dem Saxer den Besitz der Grafschaft Blenio
es dürfte zugunsten der Saxer ausgefallen sein.83
bestätigt haben. Aber auch dieser Vorgang bleibt un-
Bemerkenswert an diesem Vorgang ist nicht zuletzt die
verbürgt; die entsprechende Urkunde ist eine spätere
zeitliche Nähe zum Misoxer Stiftungsbrief von 1219.
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im Verein mit den Blenieser Talleuten, endgültig zerstört. Vgl.
Meyer (wie Anm. 53) 265.
Vgl. die neuere Literatur zu dem epochemachenden Vorgang:
lotHAr DeplAzes, Il patto di Torre del 1182. Mito storiografico,
struttura formale dell’atto e significato politico-sociale dell’avvenimento. Materiali e documenti ticinesi, Serie III: Blenio (Bellinzona
1975) 18–48; bAsilio MArio biuccHi, Blenio, una valle ambrosiana nel Medioevo. Per una rilettura critica del Patto di Torre del
1182. Archivio Storico Ticinese 28 (1982) 7–99; ADriAno cAvAnnA
und giulio visMArA, Il patto di Torre, febbraio 1182. Gli antecedenti e la formazione della comunità di Val Blenio (Bellinzona
1982).
Zum Ganzen auch Meyer (wie Anm. 53) 176–179.
Meyer (wie Anm. 53) 90 und 177.
Die Forschungsliteratur nimmt allgemein an, der Weg sei dem
König erst an der eigentlichen Brennerpass-Rampe gesperrt worden;
also sei er über den Reschen ins Engadin gegangen, so olAf b.
rADer, Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron (München
2010) 78. Der Weg über den Ofenpass bot demgegenüber jedoch
die kürzere Verbindung zwischen Bozen und Chur. Auch die in dieser Sache genauesten Chronisten – Sichard von Cremona und Konrad von Ursperg – nennen keine Pass-Namen; sie geben bloss an,
dass der König etschaufwärts nach Trient gelangt bzw. «aus dem
Trienter Tal», de valle Tridentina, in unwegsameres Gelände abgebogen sei; vgl. JeAn louis AlpHonse HuillArD-bréHolles, Historia
diplomatica Friderici II., 6 Bde. (Paris 1852–1861) Bd. I/1, 214–
215. Die Wegsperrung dürfte daher nördlich von Trient, an der
Salurner Klause erfolgt sein (jedenfalls nicht schon nördlich von
Verona, an der Veroneser Klause, wo die Staufer auf ihren Italienzügen sonst öfters aufgehalten wurden). Friedrichs Ausweichroute
verlief demnach durch die Val di Sole über den Tonalepass in die Val
Camonica und über den Apricapass ins Veltlin, an den Eingang des
Puschlav.
Von Konstanz ging es weiter nach Basel – stets unter dem Schutz von
Abt Ulrichs starker Streitmacht,, wie Konrad von Pfäfers, der zeitgenössische St. Galler Klosterchronist, betont; Conradi de Fabaria
Casuus S. Galli Continuatio. Monumenta Germaniae Historica,
Scriptores, Bd. II (Hannover 1829) 163–183, hier 171.
BUB I, Nr. 467.
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otto p. clAvADetscHer/Werner kunDert, Das Bistum Chur.
Helvetia Sacra I/1 (Bern 1972) 449–577, hier 477.
BUB II (neu), Nr. 499, 21. März 1204 in Torre: Bischof Reinher
bezeichnet Artusio als seinen Bruder.
BUB II (neu), Nr. 485. Dazu Jürg l. MurAro, Untersuchungen zur
Geschichte der Herren von Vaz. JHGG 100 (1970) 1–231, hier 51,
Anm. 18 sowie floriAn Hitz, Hochadel in Oberrätien. Herrschaft
und Kultur. Bündner Monatsblatt 2008, 417–448, hier 435.
BUB II (neu) Nr. 556, von 1213 (März).
Vgl. Jürg l. MurAro, Churwalden: Mittelalter. Helvetia Sacra IV/3
(Basel 2002) 271–283, hier 275.
BUB II (neu) Nr. 532. Die Stiftung wird auf der Burg Sax (Ersterwähnung!) getätigt und ist u. a. mit einem Weinberg in Gams fundiert. Sie
soll in Churwalden auch den Bau einer Hospitalkapelle ermöglichen.
Nachdem die Vogtwahl im Jahr 1048 dem Kloster selbst überlassen
worden war. Vgl. iso Müller, Disentis im 13. Jahrhundert. JHGG
66 (1936) 210–252, hier 244.
BUB II (neu) Nr. 559. Der Untervogt Thomasius de Torre ist ein
Verwandter von Mutterseite des Abtes Burkhard.
Meyer (wie Anm. 53) 17*. Dem Saxer wird darin ausserdem der Besitz der Herrschaft Monte Dongo am oberen Comersee gewährleistet. Die Fälschung wurde zu Beginn des 15. Jh. hergestellt, als Albert
von Sax-Misox den Monte Dongo eroberte. Sollte der Text auf einer
echten Urkunde von 1220 beruhen, so würde es sich bei der Stelle
über Monte Dongo um eine Interpolation handeln. Ursprünglich
dürfte da die Reichsvogtei über die Leventina erwähnt worden sein.
Vgl. ebd. 190 und 267.
Im Frieden, den die Freiherren von Belmont (deren Lugnezer Herrschaft an das Bleniotal grenzte) am 1. Nov. 1213 zwischen den Leuten von Aquila und Olivone und ihren Gerichtsherren, den edelfreien
Orelli von Locarno, vermittelten, werden die Saxer nicht erwähnt.
Vgl. Materiali e documenti ticinesi, Serie III: Blenio, Fasc. 1 (Bellinzona 1980) Nr. 27–28.
Der Kaiser hatte den mailandfeindlichen Bischof von Como als Richter in dieser Sache bestimmt. Meyer (wie Anm. 53) 191–195, nimmt
an, dass die Saxer Ansprüche vom Gericht abgewiesen wurden. Dagegen verweist gAbAtHuler (wie Anm. 36) 74 darauf, dass die
Saxer noch 1270 Reichsrechte für eine hohe Summe an die Talgemeinden Blenio und Leventina verkaufen konnten.
Mittelalter 18, 2013 / 3
75
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Ob die Saxer nun förmlich mit den Grafschaften Blenio
und Misox belehnt worden waren oder nicht – jedenfalls
äusserten sie um 1220 hier wie dort ihre Herrschaftsansprüche. «Dem Herrn von Misox und Klostervogt
von Disentis bot sich damit die Perspektive eines Beherrschers der wichtigen Zentralalpenpässe Bernhardin und Lukmanier, vielleicht sogar des Gotthards. Ein
rätisch-tessinischer Passstaat schien in der Entstehung
begriffen.»84 Dieser euphorisch klingende Ausspruch
Karl Meyers relativiert sich gleich selbst wieder, indem er
erkennen lässt, dass die Beherrschung des Bleniotals für
die Saxer eher eine – sich mehrmals bietende – Möglichkeit als eine dauerhafte Realität war.
Reichs- und Italienpolitik
Die Zusammenarbeit der Saxer mit Friedrich II. war intensiv – letztlich aber doch recht kurz.85 Ab 1213 waren
Ulrich und Heinrich von Sax oft anwesend, wenn der
König in Süddeutschland Hof hielt. Ab 1215 wirkte
Ulrich, der juristisch gebildete Abt – er hatte in Paris und
Bologna studiert –, als Gesandter des Reichsoberhauptes in Rom. Dort konnte er 1217 verhindern, dass Papst
Honorius III. den Grafen Peter von Courtenay zum
Kaiser des «Lateinischen Kaiserreichs» krönte.86 Im
4: Siegel Heinrichs II. von Sax, an einer Urkunde von 1236.
Das Siegelbild kombiniert den Löwen aus dem staufischen
Hauswappen mit dem Adler, der unter den Staufern zum
Kaiser- und Reichswappen wurde.
Herbst 1219 waren die Gebrüder von Sax am Hof in der
Kaiserpfalz Hagenau (Elsass).87 Doch bereits im folgen-
möglich über den Prozessausgang (den wir nicht kennen)
den Jahr verstarb Abt Ulrich.
so erbittert, dass sie sich ganz vom Kaiser abwandten?89
Heinrich von Sax, der meist nur in Begleitung seines
Eine klare politische Entscheidung trafen sie Jahre spä-
Bruders am Hof erschienen war, suchte die Nähe des
ter, als der Dauerkonflikt zwischen dem Reichsober-
Reichsoberhauptes nun gar nicht mehr – ausser, wir
haupt und den lombardischen Städten wieder einmal in
wollten die gefälschte Urkunde, die ihn wegen der Vogtei
eine heisse Phase trat und das Alpengebiet erreichte.90
Blenio im Herbst 1220 im kaiserlichen Lager vor Rom
Der Kaiser hatte vergeblich Mailand angegriffen, und
zeigt, dem Inhalt nach für echt halten.
der Papst hatte den Kirchenbann über ihn verhängt. Da
Wie auch immer: Im saxischen Gefolgsdienst für den
trat Como im Frühling 1239 ins kaiserliche Lager über.
Kaiser kam es nun zu einer Ablösung. Noch im Jahr
Bald regierten kaiserliche Podestaten in der Stadt Como
1220 nahm Albert II., Heinrichs Sohn, am Sizilienzug
wie im Bleniotal. Doch nun setzte sich Heinrich von Sax
teil, den der Staufer damals unternahm.88 Im Frühling
an die Spitze mailändischer Truppen. Zusammen mit den
1223 begleitete Albert seinen Oberherrn nach Frosi-
Orelli aus Locarno, Mailands Statthaltern in Biasca, be-
none im Kirchenstaat, wo der Papst dem Kaiser das Ver-
lagerte er 1242 Bellinzona. Dieses musste kapitulieren.
sprechen eines Kreuzzugs abnötigte. Und dies war auch
Die Festung Bellinzona, «die einst das Herz im Leibe der
schon der letzte bekannte Aufenthalt eines Saxers im
Comasken war, ist heute das in ihrer Brust steckende
kaiserlichen Gefolge, obwohl damals gerade der wich-
todbringende Schwert», so durfte der mit Mailand ver-
tige Blenio-Prozess begann. Waren die Saxer dann wo-
bündete Heilige Stuhl befriedigt erfahren. Die Kontrolle
76
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Eroberer von Bellinzona handelte es sich nämlich nicht
mehr um Heinrich II., sondern bereits um dessen Enkel
Heinrich III. Die Enkelgeneration erscheint 1239 als
Landesherren der Mesolcina.95 Die kaiserfeindliche Einstellung der Saxer hatte sich zum ersten Mal bei der Churer Dompropstwahl von 1237/38 geäussert, als einer der
Ihren den päpstlichen Kandidaten unterstützte.96
Um diese politische Haltung zu versinnbildlichen, legte
sich Heinrich III. ein neues Siegel zu, das allerdings nur
an einer Urkunde von 125797 erhalten ist. Statt der staufischen Embleme Adler und Löwe, die Heinrich II. noch
123698 im Siegel geführt hatte (Abb. 4), bestand das
Saxer Wappen nun aus einem gespaltenen Schild – von
Gold und Rot, wie aus späterer Zeit bekannt –, wobei
Heinrich III. noch in jede Schildhälfte einen Stern setzte
(Abb. 5). Ab der folgenden Generation, erstmals 1289,
zeigte das Wappen der Sax-Misox anstelle der beiden
Sterne dann zwei Säcke; dies in (ganz populärer) Ab84
85
5: Siegel Heinrichs III. von Sax, an einer Urkunde von 1257.
Schild gespalten, jede Schildhälfte mit einem Stern belegt.
Aussen flankiert den Schild beidseitig je ein weiterer Stern.
über die transalpinen Verkehrswege gehörte nun den
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mailändischen capitanei von Burg und Grafschaft Bellinzona: Heinrich von Sax und Simon de Orello.91
Diese Position liess sich allerdings nicht sehr lange halten. Gegen Ende der 1240er Jahre brach die staufische
Macht in Italien zusammen. Nun schloss die Gemeinde
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91
Mesocco, die ihrem Landesherrn in den Krieg gefolgt
war, Frieden mit der Gemeinde Chiavenna, die für ihre
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93
Landesherrin Como gekämpft hatte.92 Und als sich die
Stadtrepublik Como im Inneren mit ihrer guelfischen
Partei aussöhnte und im Äusseren wieder dem Lombardenbund annäherte, 1249, da waren auf der Gegenseite
auch der Saxer und der Orelli zum Friedensschluss
94
95
96
gezwungen. Bellinzona mussten sie an Como zurückgeben.93
Der saxische Parteiwechsel, hinüber auf die antistaufische Seite, beruhte auf einem Generationenwechsel bei
den Saxern, wie Heinz Gabathuler gezeigt hat.94 Beim
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98
Meyer (wie Anm. 53) 52, Anm. 184.
Zum Folgenden Meyer (wie Anm. 53) 54, 65, 190; DeplAzesHAefliger (wie Anm. 20) 41–45.
Tatsächlich wurde der Graf vom Papst nur gesalbt – und das auch
nur in der Basilika San Lorenzo fuori le mura, nachdem Ulrich von
Sax den Kaiserthron im Petersdom besetzt hatte (indem er sich daraufsetzte). Peter von Courtenay, den der Adel des Kreuzfahrerreichs
in Abwesenheit zum Kaiser gewählt hatte, verstarb 1219, ohne seine
Hauptstadt Konstantinopel je betreten zu haben.
In der Schutzurkunde für die Stadt Strassburg vom 11. Sept. 1219
wird allerdings nur Heinrich, nicht auch Ulrich, als Zeuge genannt;
BUB II (neu) Nr. 594.
Am 13. Juni 1221 ist er in Messina bezeugt; BUB II (neu) Nr. 606.
Dies vermutet Meyer (wie Anm. 53) 202. Zur Sache vgl. oben,
Anm. 83.
Das Folgende Meyer (wie Anm. 53) 198–209.
In dieser Stellung nachzuweisen vom 6. Juni bis 14. August 1244;
BUB II (neu), Nr. 825, 825a, 825b, 825c, 826, 826a, 826b, 828,
828a, 828b, 828c.
BUB II (neu) Nr. 851, Mesocco, 31. Mai 1247.
Vgl. pAolo ostinelli, Nodo strategico, oggetto di conquista e
perno dei destini materiali. Castello di Mesocco tra passato e futuro
(wie Anm. 2) 63–74, hier 64.
gAbAtHuler (wie Anm. 36) 74.
Heredes quondam domini Alberti de Sacco: Söhne des verstorbenen
Albert II.; BUB II (neu) Nr. 777.
Nämlich Domherr Hermann von Sax. Vgl. ursus brunolD, Die
Churer Dompropstwahl nach einem unbekannten Protokoll von
1237/38. Geschichte und Kultur Churrätiens (Disentis 1986), 331–
348, hier 344. – Der Gewählte, Ulrich II. von Juvalt, konnte sich nur
bis 1243 als Dompropst halten; clAvADetscHer/kunDert (wie
Anm. 73) 537.
BUB II (neu) Nr. 1001 (ohne Tages- und Monatsdatum).
Chartularium Sangallense, Bd. III, bearb. von Otto P. Clavadetscher
(St. Gallen 1983) Nr. 1257, 31. Juli 1236.
Mittelalter 18, 2013 / 3
77
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
leitung des Familiennamens der «Sacchi» vom lateini-
Rapperswil, um nach dem Tod des Grafen Rudolf II. von
schen saccus bzw. vom italienischen sacco.99
Rapperswil dessen Erbe zu sichern.104
In den Jahren 1278 und 1282 erscheint Walter V. von
Interessengegensatz am Gotthard
Vaz in der Funktion eines Vogtes der Abtei Disentis.105
In Erwiderung auf ihren Parteiwechsel versuchte der
Offenbar hatte König Rudolf ihn als Reichsvogt für das
Kaiser den Saxern die Kontrolle über die Alpenpässe zu
Disentiser Klostergebiet eingesetzt; so wie er die Vog-
entziehen. Zumindest nahm er ihnen die Verfügung über
teien Einsiedeln und Urseren nach dem (endgültigen)
einen Pass, der gerade damals an Bedeutung gewann: den
Aussterben der Rapperswiler seinen eigenen Söhnen
Gotthard. Am 24. August 1230 hatte der Erzbischof von
zuhielt. Möglich ist aber auch, dass bereits Kaiser Fried-
Mailand die Kirche sancti Godeardi in Monte Tremulo
rich um 1240 die Disentiser Vogtei an Walter IV. von Vaz
geweiht – und bald darauf, am 26. Mai 1231, hatte Hein-
vergeben hatte – oder aber an dessen Bruder, den ersten
rich (VII.), der Sohn und Mitkönig Kaiser Friedrichs II.,
Grafen von Rapperswil.106
den Talleuten von Uri ihre Reichsfreiheit bestätigt.100
Im Amt des Podestà von Como, das er 1283 ausübte,
Gegen die Saxer gerichtet war nun die folgende, den
erreichte Walter V. von Vaz den Abschluss eines Bünd-
Gotthardpass betreffende Massnahme des Kaisers: Um
nisses zwischen dem Stadtstaat und dem König: Ersterer
1240 trennte Friedrich II. die Vogtei über das Urserental
sollte Letzterem jederzeit Weg und Steg nach Italien of-
von der Disentiser Vogtei ab und übergab sie als beson-
fenhalten.107
dere Reichsvogtei dem Grafen Rudolf I. von Rapperswil.
Doch was hat das alles mit den Freiherren von Sax
Dieser hatte bereits die Klostervogtei Einsiedeln inne,
zu tun? Diese blieben von der kaiserlichen Passpolitik
die sich vor allem auf das Gebiet von Schwyz bezog.
strikte ausgeschlossen. Ab 1240 galten sie als deren
Im gleichen Zusammenhang steht wohl der Freiheits-
Gegner. Diese klare Parteistellung überdauerte das
brief, den Friedrich II. der Talgemeinde Schwyz 1240 ge-
Interregnum: Sie hielt an, gleich ob der letzte Staufer
währte.101
oder der erste Habsburger auf dem Kaiserthron sass. So
Die jüngere Forschung hat plausibel gemacht, dass es
muss etwa die Burg Mesocco noch den Zeitgenossen um
sich beim Grafen Rudolf I. von Rapperswil eigentlich
1280 als eine «roccaforte guelfa» vorgekommen sein:
um den rätischen Freiherrn Rudolf III. von Vaz handelte.
eine guelfische Festung, eine Hochburg der kaiserfeind-
Diesen hatte der letzte Freiherr von Rapperswil 1229 als
lichen Partei.108
nepos meus et heres, als seinen Neffen und Erben, präsentiert. Das Einspringen des vazischen Verwandten in
Herrschaftsteilung und Residenzverlagerung
Rapperswil gewährleistete dort die dynastische und
Nach dem «Goldenen Buch» (liber aureus) des Klosters
politische Kontinuität. Der Schritt wurde vom Kaiser
Pfäfers teilten die drei Söhne Alberts II. von Sax ihr Erbe
schon 1232/33 mit der Erhebung in den Grafenstand
folgendermassen: Heinrich III. erhielt die Mesolcina;
sanktioniert.102
Albert III. die Vogtei Pfäfers mit der Burg Wartenstein
Die Ablösung der Saxer durch die Vazer in der Vogtei
(unterhalb des Klosterstandorts); Ulrich III. die Burg
Ursern bildete eine Parallele zu Vorgängen, die etwas
und Herrschaft Sax im Rheintal.109 Wann diese Teilung
früher und etwas weiter östlich abgelaufen waren: Um
erfolgte, sagt die Quelle nicht. Es muss jedoch bald nach
1230 hatten die Vazer die Saxer als Vögte des Hochstifts
zwei einschneidenden Ereignissen gewesen sein: nach
Chur und des Stifts Churwalden abgelöst.103
dem Tod Heinrichs II. von Sax, der zwischen 1236 und
Nach dem Ende der Stauferherrschaft pflegte Freiherr
1239 eintrat, und nach dem Verlust der Vogtei Disentis,
Walter V. von Vaz gute Beziehungen zu Graf Rudolf von
den die Saxer um 1240 erlitten (denn die Vogtei Disentis
Habsburg, der 1273 zum König gewählt wurde. Noch
wird in der Teilung ja nicht erwähnt).
während des Interregnums, in den 1260er Jahren, inter-
Im Jahr 1253 sollen Albert und Ulrich zudem eine Tei-
venierten der Vazer und der Habsburger gemeinsam in
lung bestimmter Güter in Rätien vorgenommen haben.110
78
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Doch schon 1257 stiess Albert seinen Besitz ab: Mit dem
Die bedeutende Rolle, die Heinrich III. von Sax auf sei-
Einverständnis seiner beiden Brüder verkaufte er die
ner Burg Calanca spielte, ist aus zwei Gründen in der
Burg Wartenstein samt den Vogteirechten am Pfäfer-
Forschung bis vor kurzem verkannt worden: Erstens hat
ser- und Valenserberg, in Vättis und in Untervaz für 300
man die Echtheit der soeben zitierten Urkunde angezwei-
Mark Silber an den Abt von Pfäfers.111 Von da an ver-
felt, und zweitens hat man die in den 1250er Jahren vor-
teilten sich die Saxer auf «zwei Machtzentren», ein südliches und ein nördliches. Das Erbteil Ulrichs III. wog
dabei allerdings weniger schwer: Die Herrschaft SaxHohensax bildete bloss «eine unter vielen rivalisierenden
99
100
Kleinherrschaften im unteren Alpenrheintal».112
Albert III. von Sax liess sich in der Folge in der Mesolcina, auf der Burg Mesocco nieder. Ja, der Verkauf von
Wartenstein 1257 kann geradezu als Terminus ante
101
quem für die Fertigstellung des grosszügigen Ausbaus
von Mesocco gelten; ist doch anzunehmen, dass der
Saxer die Burg im Norden nicht veräusserte, bevor jene
102
im Süden – mit Palas, Badhaus und grossem Hof – wirklich bezugsbereit war.
Es ist indessen denkbar, dass Albert III. seinen Herrschaftssitz bereits in den frühen 1250er Jahren nach
Mesocco verlegte: 1251 nahm er ein Darlehen von 1500
Pfund auf, wofür die Gemeinde Mesocco bürgen musste.
103
Der hohe Geldbetrag wird vor allem in den ambitionierten Ausbau der Burg geflossen sein.113 Lange vor
104
105
der Jahrhundertmitte setzten die Baumassnahmen aber
sicher nicht ein; denn bis 1248 liessen sich die Saxer
106
auf der Burg Mesocco durch einen Vogt oder castaldus
vertreten;114 sie hatten da also keine feste Residenz. Der
Burgvogt agierte als Vertreter Heinrichs III. – ein klarer
Hinweis darauf, dass Albert III. vor der Jahrhundertmitte in der Mesolcina nicht präsent war.
Gemeinsam treten die beiden Brüder Anfang Dezember
1253 auf: In ihrer Eigenschaft als comites et vicecomites
107
108
vallis Mesonçine, als Grafen und Vizegrafen des Misoxertals, wohnen sie einer Gerichtsversammlung des unte-
109
110
ren Talabschnitts bei. Der Rechtsakt geschieht in castro
de Calancha, auf der Burg von Sta. Maria in Calanca.115
Der Herr auf dieser Burg ist ganz offensichtlich der erstgenannte, weil ältere der Brüder, eben Heinrich. Damit
zeigt sich wieder, dass Albert als residierender Herr in
111
112
113
der Mesolcina der Nachzügler war. Sobald er aber hier
erschien, partizipierte er an der Herrschaftsausübung.
Die Saxer Herrschaft im Misox blieb vorläufig ungeteilt.
114
115
Abb. in BUB III (neu) S. 507, Nr. 33 (zu Urk. Nr. 1498, Heinrich
Pizenus von Sax-Misox).
Vgl. kArl Meyer, Über die Einwirkung des Gotthardpasses auf die
Anfänge der Eidgenossenschaft. In: kArl Meyer, Aufsätze und
Reden (Zürich 1952) 1–32, hier 3–4 und 5. Der Autor nennt ausserdem die Statuten der Gemeinde Osco (Valle Leventina) vom 5. April
1237, die den Saumverkehr als Haupterwerbsquelle nennen, als
Beleg für den Aufschwung des Gotthard zu jener Zeit.
Möglicherweise wurde Schwyz um 1240 aus der Landgrafschaft des
stauferfeindlichen Grafen von Habsburg-Laufenburg ausgegliedert
und als besondere Reichsvogtei dem Rapperswiler unterstellt. Vgl.
Meyer (wie Anm. 53) 200.
Dass im 13. Jh. ein Rudolf von Vaz die Herrschaftsnachfolge in
Rapperswil antrat, wird von der Forschung schon lange vermutet.
Aufgrund der Namensgleichheit der Rapperswiler Freiherren und
Grafen (lauter Rudolfe) ist die «Schnittstelle» jedoch schwierig zu
eruieren. Statt in die 1250er Jahre, wie manchmal vermutet, passt
sie viel besser in die Zeit, als die Rapperswiler in den Grafenstand
erhoben wurden: Herbst/Frühling 1232/33. Vgl. floriAn Hitz,
Dynastenpolitik und Burgenbau. Die Freiherren von Vaz in ihrem
Beziehungsnetz. Bündner Monatsblatt 2009, 117–146, hier 133–
135.
1231 erste Nennung eines Vazers als Hochstifts- wie als Stiftsvogt;
Hitz (wie Anm. 75) 435.
Hitz (wie Anm. 102) 135–136.
Seine Funktion ist eindeutig, auch wenn er nicht ausdrücklich als
Vogt bezeichnet wird; BUB III (neu) Nr. 1259 und 1317.
Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 75. – Die Reichsvogteien Disentis
und Ursern wurden um 1240 wohl zeitgleich verliehen; vgl. Müller (wie Anm. 79) 250 und DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20)
251. Davon gelangte aber, entgegen einer verbreiteten Anschauung,
zunächst noch nichts an die Grafen von Werdenberg (die damals
auch noch gar nicht diesen Namen führten). Erst unter König
Rudolf von Habsburg wurden die Werdenberger allenthalben als
Reichsvögte eingesetzt. Im Fall von Disentis geschah dies 1285,
nach dem Tod Walters V. von Vaz.
Vgl. kArl Meyer, Walter von Vaz als Podestà von Como 1283.
Bündner Monatsblatt 1926, 65–76.
luigi corfu, Identità e metamorfosi di un castello. Castello di
Mesocco tra passato e futuro (wie Anm. 2) 7–33, hier 23.
Vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 36) 75.
BUB II (neu) Nr. 956 – als Fälschung einzuschätzen nach Heinz
gAbAtHuler, Die Appenzeller Burg hiess nie Clanx. Zum angeblichen Vogteisitz der Freiherren von Sax im Appenzellerland. Werdenberger Jahrbuch 2010, 246–248.
BUB II (neu) Nr. 1001.
DeplAzes-HAefliger (wie Anm. 20) 72–73.
BUB II (neu) Nr. 902 bzw. III (neu) Nr. 1284: Verpflichtung der Gemeinde Mesocco, anstelle des (inzwischen verstorbenen) Albert III.
von Sax einen Teilbetrag von 380 Pfund zurückzuzahlen. Diese und
die folgende Beobachtung nach Heinz Gabathuler.
BUB II (neu) Nr. 861, S. 318 (11. Jan. 1248).
BUB II (neu) Nr. 950, 30. Nov. oder 1. Dez. 1253.
Mittelalter 18, 2013 / 3
79
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
kommenden Nennungen des Heinrich nach eben dieser
wie eine verwaiste Schar, als Herren von Clanx, domini
Burg, de Clanx,116 auf die Burg von Appenzell beziehen
de Clanxis,125 bevor sie dann einzeln namentlich auftre-
wollen. Beides sehr zu Unrecht, wobei der zweite Irrtum
ten und dabei jeweils ihren Vater als verstorben bezeich-
älter ist und sich hartnäckiger gehalten hat.117 Dabei ist
nen, quondam domini Henrici de Sacho.126 Es sind ihrer
die eingedeutschte Form Clanx (auch Klangs oder Klan­
sechs: Martin Heinrich, Johann Heinrich, Ulrich, Eber-
kis) gar nicht so ausgefallen, wie sie zunächst vielleicht
hard, Branca und Peter.127 Die letzten zwei werden
anmutet. Sie bildet eine Parallele zu Misox: Das auf-
Kanoniker des Stifts von San Vittore; Eberhard tritt
fällige -x ist in beiden Fällen eigentlich ein -cs, also eine
dem Johanniterorden bei; die ersten drei bleiben welt-
ziemlich gewöhnliche Ortsnamenendung auf -s.118
lich, wobei Johann Heinrich als Stiftsvogt von San Vittore wirkt.128
Diversifizierung im Moesano
Martin Heinrich, der Älteste, bleibt während der 1290er
Bis 1279 übten die Saxer ihre Herrschaft im Moesano
Jahre im Bannkreis der Burg von Sta. Maria in Calanca.
zu gesamter Hand aus. Im genannten Jahr schloss Hein-
Er agiert für die Gemeinde, die sich da bildet – nomine
rich III. mit den Söhnen Alberts III., Heinrich Pizenus
comunis et hominum de Callanca –, indem er ihr Alpen
und Simon, einen Teilungsvertrag über die Misoxer
erwerben hilft und an der Grenzziehung gegenüber Ro-
Güter. Das Abkommen ist nur in einem späteren Akten-
veredo und San Vittore mitwirkt.129 Sofern die entspre-
vermerk überliefert; sein genauer Inhalt ist nicht be-
chenden Rechtsakte innerhalb des Moesano stattfinden,
kannt.119 Jedenfalls wurden die beiden Familienzweige
geschieht dies regelmässig in Roveredo, in Capite Pontis,
nun ausdrücklich unterschieden: einerseits de Sacco de
bei der Moesa-Brücke. Da besitzen die Saxer einen Her-
Chalanca, andererseits de Sacco de Misocho. Wie die
renhof, der dann im 14. und 15. Jh. zur Wasserburg und
weitere Entwicklung zeigt, vereinbarte man eine Tren-
zum eigentlichen Palast (später Palazzo Trivulzio) aus-
nung zwischen dem unteren Teil der Talschaft (von
gebaut wird.130 Auch Johann Heinrich von Sax wickelt
Roveredo bis Lostallo: für den Zweig Calanca) und
seine Rechtsgeschäfte, ob sie nun die Stiftsvogtei von San
dem oberen Teil (Mesocco und Soazza: für den Zweig
Vittore oder saxische Familiengelegenheiten im engeren
Mesocco).
Sinn betreffen, meist in Roveredo ab.131
Albert III. von Sax ist demnach vor 1279 verstorben;
Um die Wende zum 14. Jh. setzt unter den Söhnen Hein-
er wird 1275 zum letzten Mal erwähnt.120 Sein älterer
richs III. eine Art Aussiedlungsbewegung ein, die zur
Sohn Heinrich Pizenus ist offenbar auch älter als alle
stärkeren räumlichen Verteilung und weiteren Verzwei-
Söhne Heinrichs III., steht er doch den Saxern seiner Ge-
gung der Familie führt. Die Gebrüder von Sax beziehen
neration in urkundlichen Nennungen voran.121 Der Zu-
Burgen im mittleren und unteren Teil der Talschaft, oder
name Pizenus oder Piçinus (italienisch piccino), also «der
sie errichten dort neue Sitze. Johann Heinrich lässt sich,
Kleine», dient vielleicht dazu, den jüngeren Heinrich als
wohl schon um 1300, auf der Burg Norantola bei Cama
neuen Familienältesten vom Onkel Heinrich zu unter-
nieder,132 während Honricus vor 1314 nach Grono, auf
scheiden. Heinrich Pizenus hat einen weiten Aktions-
die Torre Fiorenzana, zieht.133 Honricus, der erst seit
radius: Er tritt als Schwager des Freiherrn von Rhäzüns
1300 unter diesem Namen bekannt ist, muss identisch
auch im nördlichen Rätien auf; ja, in Lehenssachen der
sein mit dem nur 1295 so genannten Ulrich oder Ol-
Abtei St. Gallen gar in Feldkirch.122 Im Sommer 1291, als
ricus.134 Er wird jeweils zusammen mit seinem Bruder
die habsburgische Macht mit dem Tod König Rudolfs I.
Martin Heinrich erwähnt; gemeinsam wirken die bei-
ins Wanken gerät, wird er Podestà von Como.123 Sein
den als (Schutz-)Herren der Gemeinde Calanca.135 Aber
Bruder Simon bleibt derweil stets in Mesocco.124
auch Martin Heinrich selbst zieht an seinem Lebens-
Heinrich III. von Sax ist anlässlich des Teilungsver-
abend – nicht vor Mitte der 1320er Jahre – nach Grono,
trags von 1279 zum letzten Mal genannt worden. Im
wo dann – nachweisbar ab der Mitte der 1340er Jahre –
Jahr 1286 erscheinen seine Söhne zunächst kollektiv,
auch seine Söhne residieren.136
80
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Mit der Verlegung ihrer Wohnsitze nach Cama und
Mesocco und die Walser
Grono verdrängen die Freiherren von Sax-Calanca
Die in den 1250er Jahren auf sehr grosszügige Weise aus-
offenbar ansässige Kleinadlige, die Herren de Noran­
gebaute Burg Mesocco wird in den Quellen des 13. Jh.
tola und de Grono, von deren im 12. Jh. errichteten
nur ein einziges Mal direkt erwähnt: Am 24. Juli 1274
Burgen.137 Norantola wird unter den Saxern geradezu
leisten die Brüder Jacobus und Ubertus von Riale/Kehr-
neu erstellt: mit einem neuen Wohnturm, einem Palas
bächi, Val Formazza, einen Vasalleneid an Albert III. von
und Ökonomiebauten.138 Auch die – nicht vor dem
Sax, qui stat in Mesocho.141 Die beiden verpflichten sich
späten 13. Jh. gebaute139 – Torre Palas in Monticello
zu treuem und gehorsamem (Kriegs-)Dienst für Albert
bei San Vittore befindet sich um 1300 in saxischer
und dessen Erben, und zwar gegen jedermann (ausge-
Hand.140
nommen ihre früheren Herren, falls sie solche haben soll-
116
117
118
119
120
121
122
123
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126
127
128
129
Vgl. oben, Anm. 110–111 (Teilung rätischer Güter 1253 und Veräusserung der Vogtei Pfäfers 1257). Zu diesen Stellen gehört auch
der um 1400 aufgezeichnete Liber aureus des Klosters Pfäfers mit
seinem castrum dictum Clanx – offensichtlich ein auf die Mitte des
13. Jh. zurückgehender Wortlaut.
Die in BUB II (alt) Nr. 893* vorgenommene Einstufung der Urkunde als Fälschung wird in BUB II (neu) aufgehoben. Die auf Aegidius Tschudi, um 1530, zurückgehende Fehlidentifikation von
Clanx mit der Appenzeller Burg ist allerdings auch 2004 in BUB II
(neu) noch anzutreffen – während Klankes und Clanxis hier wie
1997 in BUB III (neu) bereits zutreffend mit Calanca identifiziert
werden. Zum ganzen Problem vgl. gAbAtHuler (wie Anm. 110).
Die Endung -s oder -is (manchmal auch -ins oder -üns) ist bei der
deutschen Form romanischer Ortsnamen in Graubünden sehr verbreitet.
BUB III (neu) Nr. 1271a, 4. März 1279: Eintrag in einer Prozessakte
des beginnenden 16. Jh. Der BUB-Kommentar verkennt die Identität des hier genannten Heinrich von Sax-Calanca mit Heinrich von
Sax zu Clanx. Der älteren Forschung war diese Quelle noch gar
nicht bekannt, vgl. aber das Postulat eines solchen Teilungsvertrags
«gegen Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jh.» in Hofer-WilD
(wie Anm. 15) 172.
BUB III (neu) Nr. 1225, 27. Feb. 1275.
Verleihung des Hofes Arth, zusammen mit seinem Bruder und zwei
Vettern; BUB III (neu) Nr. 1589, 30. Aug. 1295. Ausserdem Vertretung der Gemeinde Roveredo, während sein ältester Vetter,
Martin Heinrich, die Gemeinde Calanca vertritt; ebd. Nr. 1614,
21. Aug. 1296.
BUB III (neu) Nr. 1498, 1289 bzw. Nr. 1706, 3. Jan. 1301.
BUB III (neu) Nr. 1525–26, 18. Juli und 13. Aug.
BUB III (neu) Nr. 1615a, 19. Nov. 1296 bzw. Nr. 1728, 5. Dez.
1301. Als Urkundsort wird aber nicht die Burg, sondern die Dorffraktion Crimei genannt.
BUB III (neu) Nr. 1392, 29. Juli 1286: Der Siegler Heinrich von Calanca ist wohl mit dem bischöflichen Richter Hainricus de Klankes
zu identifizieren, der 1270 erwähnt wird; BUB II (neu) Nr. 1152.
BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286.
Hofer-WilD (wie Anm. 15) 170, Stammtafel sowie 172, Anm. 246
zählt schliesslich neun Söhne: nämlich im Weiteren die 1324 erwähnten Brunus und Gualterius, während Averardus/Eberhard
bzw. Eberly als zwei Personen gerechnet werden. – 1324 erscheint
aber noch ein weiterer Bruder: Anricus dictus Clericus de Sacho;
BUB IV, Nr. 2288.
BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286, und Nr. 1475, 3. Aug. 1288.
BUB (neu) Nr. 1505, 21. Nov. 1290; Nr. 1521, 13. Juni 1291;
Nr. 1614, 21. Aug. 1296.
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 260.
Vgl. ausser schon genannten Beispielen ein Schiedsgericht zwischen
den Söhnen Heinrichs III., in einem Streit um Tauschgeschäfte: BUB
III (neu) Nr. 1599, 9. Dez. 1295.
Bereits 1295 wirkt ein Petrus de Norantola als Eideshelfer oder
Zeuge für Johann Heinrich und seinen Bruder Peter (vgl. vorige
Anm.). Im Jahr 1324 nennt Ugolinus, der Sohn des Johann
Heinrich, seinen Vater Johannes de Sacho de Norantola; BUB IV,
Nr. 2290.
In loco de Grono [...] ubi dicitur in Florenzana, in curte domina­
cionis dicti domini Honrici; BUB IV, Nr. 2042, 10. Juni 1314.
Vllrich (deutschsprachige Urkunde) bzw. Olricus: BUB III (neu)
Nr. 1589 bzw. 1599, 30. Aug. bzw. 9. Dez. 1295. Erstmals Honri­
cus: ebd., Nr. 1686, 3. Mai 1300. Die Namen Olricus und Honricus
bzw. deren Träger werden auch von Hofer-Wild (wie Anm. 15) 171,
Stammtafel sowie 172, Anm. 245–246 miteinander identifiziert,
nicht aber von BUB.
BUB IV, Nr. 2080 und 2083, 1. und 20. Juni 1316.
Am 11. Juli 1324, in einem Streit mit seinem Neffen Ugolinus zu
Norantola, wird Martin Heinrich als de Sacho, ohne Zunamen, bezeichnet; BUB IV, Nr. 2290. – Am 4. Juli 1344 sitzen Albertonus,
Galeotus und Horigolus, die Söhne des inzwischen verstorbenen
Martin Heinrich de Sacho de Grono, selbst in Grono (während ihr
Vetter Ugolinus, nun zusammen mit seinem Bruder Raymondus,
immer noch in Norantola wohnt); BUB V, Nr. 2779.
Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 256, 258.
Augustin cArigiet, Cama (Misox) Burgruine Norantola – Von
der Wehrmauer zum Castello. Eine Untersuchung zur Baugeschichte. Mittelalter 17 (2012/4) 190–198.
clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 264.
Martin Heinrich, Johann Heinrich und Eberhard am 3. Mai 1300
prope Montexellum terratori de sancto Victore; BUB III (neu)
Nr. 1686. – Nicht auf die Torre Palas bezogen ist die letzte Urkunde
Alberts III. von Sax, wo poescHel (wie Anm. 3) 223 und HoferWilD (wie Anm. 15) 169, Anm. 211 und 201 irrig Roveredo in
torre [...] domini Alberti lesen, statt in curte [...] domini Alberti; vgl.
BUB III (neu) Nr. 1225. Umgekehrt will Hofer-WilD (wie Anm.
15) 169 und 171 die Urkunde vom 3. Mai 1300 auf Grono statt auf
Monticello beziehen.
BUB III (neu) Nr. 1221. Die verschiedenen Elemente der im
Notariatsstil vorgenommenen Datierung passen nicht zusammen. Ebenfalls möglich – aber weniger wahrscheinlich – ist die
Deutung 25. Juli 1273. Ein einschlägiger Eintrag in ein späteres
Urkundenregister ist ebenfalls unklar datiert; da lautet die in
sich wahrscheinlichste Auflösung 18. Juli 1273; vgl. BUB III (neu)
Nr. 1208.
Mittelalter 18, 2013 / 3
81
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
6: Burg Sta. Maria in
Calanca. Ansicht von
Westen, mit Dorfpartie:
Der mächtige Donjon thront
auf seiner Felsrippe über
der Kirche.
ten). Wenn Albert oder seine Erben ihnen eine Burg oder
seiner letzten Lebenszeit, ist Alberts betont strenges
eine Herrschaft142 zur Verteidigung anvertrauen, werden
Auftreten gegenüber den Herren von Andergia, seinen
sie diese Aufgabe getreulich erfüllen. Zum Unterpfand
angestammten Vasallen, bekannt. Ausser den Walsern
ihrer vasallitischen Treue liefern Jakob und Hubert all-
hat er damals noch weitere Dienstleute bäuerlicher
jährlich ein Pfund guten und schönen Pfeffers in castro
Herkunft in seinem Gefolge.143
de Mesocho.
Später ist es das Stift San Vittore, das die im Rheinwald
Diese Walser hatten sich in valle Reni, im inneren Rhein-
siedelnden Walser mit Bauerngütern belehnt und damit
wald niedergelassen. Dort, bei Hinterrhein, stand die
in grundherrschaftliche Abhängigkeit bringt – angefan-
dem Stift San Vittore gehörende Kapelle St. Peter, die
gen mit dem Erblehenbrief von 1286. Da tritt der 1274
wohl wegen des Verkehrs über den «Vogelberg» gegrün-
genannte Jakob aus dem Pomatt als castaldus vallis
det worden war. Die Pfeffer-Abgabe der beiden Brüder
Rheni, als Vogt des Rheinwald, und als syndicus, Am-
weist auf eine Abschöpfung vom Handelsverkehr hin (da
mann, der zwanzig dort ansässigen Walserfamilien auf.144
ja weder die Mesolcina noch das Rheinwald das Land
Als Landesherr im Rheinwald kann sich jedoch Walter V.
ist, wo der Pfeffer wächst). Unter den Zeugen des Aktes
von Vaz, der grosse Konkurrent der Saxer, durchsetzen.
vom 24. Juli 1274 befinden sich zwei weitere Walser, von
Mit seinem Privileg von 1277 nimmt er alle im Rhein-
denen der eine im Rheinwald niedergelassen war.
wald – vom Schams bis auf den «Vogelberg» – siedeln-
Bezeichnend ist der sehr feudale Handlungsstil des Al-
den deutschen Leute unter seinen Schirm.145 Er verpflich-
bert von Sax. Was ihn an den zugewanderten Walser
tet sie zum Kriegsdienst (nördlich des Alpenkamms),
Bauern interessiert, ist nicht etwa ihre Wirtschaftsleis-
gesteht ihnen dafür aber eine weitgehende Selbstver-
tung, sondern allein ihre Wehrkraft. Statt ihnen Güter
waltung samt Satzungsrecht zu und behält sich allein
zu verpachten – im Sinne eines «unechten» Lehens,
die Blutgerichtsbarkeit und einen Rekognitionszins vor.
eines Bauernlehens – zieht Albert sie in ein militärisches
Bei diesem Vorgehen stützt er sich offenbar darauf, dass
Dienstverhältnis, was sich durchaus mit einem «ech-
ihm die Reichsvogtei über die Freien im Rheinwald, und
ten», vasallitischen Lehen verbinden könnte. Ein solches
damit auch über alle Neuzuzüger, zustehe. In Überein-
Burglehen stellt er ihnen aber bloss in Aussicht, ohne die
stimmung damit hat er schon zwei Jahre zuvor die Graf-
Leihe tatsächlich vorzunehmen. Aus den 1270er Jahren,
schaft Schams beansprucht.146 Die vazische Art der herr-
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Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
7: Burg Sta. Maria in
Calanca. Obergeschoss mit
Gewölbeansätzen, Fensternische und umlaufenden
Steinbänken.
schaftlichen Erfassung lässt den Walsern mehr Freiheit
Zur Datierung der Burg von Sta. Maria in Calanca
als der saxische Zugriff; sie bietet ihnen einen besseren
Während der gestrenge Albert III. auf der grossen und in
Ansatz zur Gemeindebildung. Sie ist auch insofern «mo-
geradezu luxuriösen Formen ausgebauten Burg Mesocco
derner», als sie stärker territorial ausgerichtet ist.
residiert, sitzt sein älterer Bruder auf der Burg von Sta.
Maria in Calanca. Dabei handelt es sich um einen massiven, rechteckigen Wohnturm, der durch einen auf der
Südostseite – der Angriffsseite – vorgebauten Keil einen
fünfeckigen Grundriss erhalten hat (Abb. 6). Im Inneren ist dieser Turm sehr sorgfältig ausgebaut. Die beiden
oberen der drei Geschosse bergen je einen mit Kreuzgewölben eingedeckten Wohnraum. Rundumlaufende
Steinbänke, symmetrisch angeordnete Kamine mit kegelförmigen Hauben, grosszügig bemessene Fensternischen
sowie Aborte, die in einen an der Maueraussenseite angebrachten Schacht münden, sorgen für hohen Komfort
(Abb. 7–8). Das unterste Geschoss (dessen Gewölbe
142
143
144
8: Burg Sta. Maria in Calanca. Obergeschoss mit Kreuzgewölbe und Kaminmantel in Form eines halben Zuckerhutes.
145
146
Der abgekürzte Ausdruck dnam. wird von BUB III (neu) S. 19 mit
dominacionem (eine Herrschaft) aufgelöst; im Gegensatz zur älteren Lesart dominam (eine Dame).
BUB III (neu) Nr. 1183–1185, 17. Mai 1272 bzw. Nr. 1225,
27. Feb. 1275. Dazu Hofer-WilD (wie Anm. 15) 197.
BUB III (neu) Nr. 1396, 25. Nov. 1286: Zwei der sechs Kanonikerstellen des Stiftes sind durch Neffen des Albert von Sax besetzt; als
Stiftsvogt fungiert ein weiterer Neffe. – Ser Jacobus erscheint 1301
noch einmal als castaldus vallis Reni; BUB III (neu) Nr. 1728. Sein
Bruder Hubert wird hingegen nach 1274 nicht mehr erwähnt.
BUB III (neu) Nr. 1245, 9. Okt. 1277.
Comitatus de Shamms, als Vorbehalt gegenüber dem Bischof von
Chur; BUB III (neu) Nr. 1229, 6. Juli 1275.
Mittelalter 18, 2013 / 3
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Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
ländischer Bauleute errichtet worden.149 Meyer hebt die
singuläre Stellung hervor, die das mächtige Bauwerk innerhalb des rätischen Alpenraums einnimmt, und ordnet
es der «Gruppe der in West- und Nordfrankreich beheimateten Donjonbauten» zu.150 Doch wenn hier wirklich eine weitgehende Anlehnung an fremdländische Vorbilder, eine ausgiebige Stilanleihe, vorliegt, dann sollte
es für die Datierung eigentlich irrelevant sein, wie «fortschrittlich» das Bauwerk innerhalb der alpin-rätischen
Umgebung wirkt.
Tatsächlich ist die gängige Spätdatierung abzulehnen.
Es ist nicht plausibel, dass die Saxer im späten 13. oder
frühen 14. Jh., gerade als sie sich anschickten, den hochgelegenen Sitz von Calanca zugunsten im Talgrund gelegener Residenzen zu verlassen, noch rasch den mächtigen Wohnturm errichtet hätten. Und umgekehrt ist es
kaum denkbar, dass Heinrich III. von Sax, der sich ja von
Calanca, de Clanx, nannte, mit jener kleinen Burg Vorlieb genommen hätte, die vor dem Bau des Donjons bei
Sta. Maria stand – und die teilweise abgebrochen wurde,
um diesem Platz zu machen.151 Als Heinrich 1253 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Albert in castro
de Calancha auftrat, da muss dies auf dem vollendeten
9: Burg Sta. Maria in Calanca. Tonnengewölbte Treppe in der
Mauerdicke.
Donjon geschehen sein. Die Burg Mesocco, die der
Jüngere eben damals ausbaute, geriet zwar zu einer
sehr stattlichen Anlage; doch in der Grosszügigkeit und
eingestürzt ist) enthält einen an die Wände heraufge-
Qualität der Bauweise vermochte sie den Wohnturm des
strichenen Gussboden und bildet damit eine einzige
Älteren nicht in den Schatten zu stellen.
grosse Zisterne, ein voluminöses Bassin. Den Abschluss
Der Baubeginn der Burg von Calanca muss in die Zeit
des Turms bildet die einst von Zinnen bekränzte und
um 1247–49 gefallen sein, als Heinrich III. von Sax aus
mit Wasserrinnen versehene Wehrplatte. Die Gänge und
Bellinzona, wo er sich als capitaneus nicht hatte halten
Treppen, welche die Geschosse miteinander verbinden,
können, ins Moesano zurückkehrte. Wenn er sich da-
sind in die mehrere Meter dicken Mauern eingelassen.
mals nicht auf Mesocco, der alten Hauptburg der Tal-
Diese «schöne und kunstvolle Weise, eine gemauerte
schaft, niederliess, sondern Sta. Maria in Calanca vor-
Treppe wie den Gang eines Borkenkäfers in der Turm-
zog, dann war es wohl gerade die Nähe dieses Standorts
rinde auszuhöhlen», ist im rätischen Umfeld allein bei
zu Bellinzona, was den Ausschlag gab. Er hatte also seine
dieser Burg zu finden (Abb. 9).147
Ambitionen noch nicht ganz aufgegeben …
Angesichts dieser «einen fortgeschrittenen Sinn für
Dass Heinrich von Sax sich eine stolze Burg hatte bauen
Wohnlichkeit» verratenden Bauweise hat Erwin Poeschel
lassen, war offenbar auch in der folgenden Genera-
den Turm von Sta. Maria ins frühe 14. oder allenfalls
tion weitherum bekannt. Denn nichts anderes will doch
noch ins ausgehende 13. Jh. datieren wollen.148 Werner
wohl die Abbildung sagen, mit der ihn die um 1300 in
Meyer hat diese Zeitbestimmung übernommen; ebenso
Zürich geschaffene Manessische Liederhandschrift ver-
wie Poeschels Vermutung, die Burg sei unter Beizug aus-
ewigt (Abb. 10).152 Die Miniatur zeigt ihn, wie er auf
84
Mittelalter 18, 2013 / 3
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
Schnee; im Mai blühen Heide, Anger und Aue; Nachtigallen singen im grünen Hag; Sommerfreuden stellen
sich ein zwischen Rosenblüten und Laubschatten. Und
was es dem Sänger besonders angetan hat, ist der Herrin rôsevarwer munt: Den will er küssen tûsentstunt!155
Bis hin zum Reim folgt hier alles dem grossen Vorbild
Walthers von der Vogelweide.
Trotz eines gewissen Mangels an Originalität – oder gerade deswegen – ergibt sich der Eindruck, dass Heinrich III. von Sax an der deutschen literarischen Adelskultur seiner Zeit demonstrativ teilhatte. Woher er die
Anregung und die Fachleute für seinen vom gleichen
Repräsentationswillen zeugenden, dabei aber durchaus
originellen Sitz von Sta. Maria in Calanca bezog, muss
hingegen offenbleiben.
Résumé
10: Codex Manesse («Grosse Heidelberger Liederhandschrift»). Die in kräftigen Deckfarben und Blattgold ausgeführte Miniatur Heinrichs III. von Sax befindet sich etwa in
der Mitte des «Grundstocks» der grössten und berühmtesten
deutschen Liederhandschrift des Mittelalters.
dem Zinnenkranz einer Burg tanzt. Der im Burgtor
stehende, von einer Dame gehaltene und gekraulte Steinbock ist eine Anspielung auf Heinrichs Wohnsitz im rätischen Bergland.153 Das dargestellte Wappen wird, in der
vorliegenden Fassung, um 1300 von den Freiherren von
La fortification de Mesocco a pour origine une barrière fortifiée, érigée au revers de la vallée vers la fin de l’Époque romaine
(l’antiquité tardive). La construction qui a précédé l’église du
château, aussi, pourrait remonter encore au 5e siècle, ou au
plus tard au 7e siècle. Le patronage de Saint Carpophorus laisse
supposer que l’église a été fondée sur l’ordre de Côme ou de
Milan. Par conséquent, la fortification de Mesocco a conservé
sa fonction stratégique originelle – la défense contre les envahisseurs venus du Nord –jusqu’à l’époque où le Val Mesolcina
s’est retrouvé non plus sous l’influence lombarde, mais sous
celle des Francs.
147
148
149
150
151
152
153
Sax-Hohensax, der von Heinrichs Bruder begründeten
Rheintaler Linie, geführt (während Heinrichs Misoxer
Neffe unterdessen die italianisierenden Säcke zu Ehren
gebracht hat). Der Codex Manesse präsentiert dieses
Wappen auch in der Miniatur, die Heinrichs Rheintaler
Neffen, dem Dominikanermönch Eberhard von Sax,
154
gewidmet ist.154
Die dem Heinrich von Sax zugeschriebenen Texte, welche die Handschrift bietet, entsprechen den gängigen
Mustern höfischer Liedkunst: Der Klee vertreibt den
155
poescHel (wie Anm. 3) 124.
poescHel (wie Anm. 3) 69 und 221 sowie poescHel (wie Anm. 4)
312.
poescHel (wie Anm. 3) 246.
clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 245–246.
Vgl. clAvADetscHer/Meyer (wie Anm. 7) 246.
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 59v.
So DietricH W. H. scHWArz, Die Kultur der Schweiz (Zürich
1967) 124. – Der Steinbock diente ab der zweiten Hälfte des 13. Jh.
als Wappenfigur der Bischöfe von Chur und stand emblematisch für
das Bistumsgebiet; vgl. floriAn Hitz, Steinbock und Murmeltier
in Graubünden. Repräsentationen und Nutzungen vom Hochmittelalter bis in die Frühneuzeit. Histoire des Alpes. Storia delle Alpi.
Geschichte der Alpen 15, 2010 (L’homme et l’animal sauvage.
Mensch und Wildtiere) 89–114, hier 92.
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, fol. 48v.
Bruder Eberhard ist in der Liederhandschrift mit einem Marienlied,
also mit geistlicher Minne, vertreten.
Heinrich von Sax. Die Schweizer Minnesänger. Nach der Ausgabe
von Karl Bartsch neu bearb. und hrsg. von MAx scHienDorfer.
Bd. I: Texte (Tübingen 1990) 43–53, die zit. Stelle 49 (aus Lied 3,
Strophe III, Vers 6–7).
Mittelalter 18, 2013 / 3
85
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
La présence de nobles de Saxe dans la vallée est attestée pour
la première fois en 1219, dans l’acte relatif à un don au Chapitre de la Collégiale de San Vittore. Cet acte avait pour objet le droit féodal de chaque église de la vallée, ou le droit de
patronage. La création d’un tel droit pourrait indiquer que la
famille de Saxe aurait eu une certaine influence sur les églises
en question déjà avant 1219. Il manque pourtant toute trace
de preuves attestant de tels droits féodaux dans la vallée avant
1219. Même en ce qui concerne leur seule présence, les indications sont rares et peu fiables.
Au 12e siècle, les de Saxe sont apparus avec d’autres nobles
dans les documents relatant de la formation des seigneuries dans la région grisonne. Tout comme ces autres familles
nobles, ils venaient eux aussi de la Souabe. Vers 1200, ils ont
établi leur domination sur les territoires situés au sud du Lac
de Constance et détenaient également des postes importants à
l’abbaye de Saint-Gall. Ils ont en outre construit un château
dans la vallée du Rhin alpin, appelé «Sax» (d’après le nom de
leur famille, originaire de la Forêt Noire). Ils ont aussi acquis
les prévôtés du chapitre de Coire, ainsi que celles du chapitre
des chanoines prémontrés de Churwalden.
En tant que disciples des empereurs de la dynastie des Hohenstaufen, ils jouissaient de nombreux privilèges, ce qui fut une
condition sine qua non de leur succès. Ce clientélisme se renforça encore au cours de la première partie du règne du Roi
Frédéric II. Entre 1212 et 1219, Ulrich II von Sax, Abbé de
St-Gall et son frère Heinrich II, ont rendu de nombreux services
à l’empereur. En échange, ils ont obtenu les prévôtés du monastère de Disentis et le fief de la vallée de Blenio. Toutefois, les
droits obtenus sur cette dernière ont rapidement été remis en
cause par le chapitre de la cathédrale de Milan. En outre, les de
Saxe ne disposaient d’aucun diplôme de l’Empereur concernant
Disentis ou Blenio et moins encore pour le comté de Mesolcina.
Dès lors, leurs droits féodaux dans le Val Mesolcina ne s’expliquent que par leurs rapports privilégiés avec le souverain.
Avant 1239, un changement de génération a eu lieu au sein de
la famille de Saxe. Les frères régents ont alors divisé la Seigneurie: Henri III a obtenu le Val Mesolcina; Albert III la prévôté de
Pfäfers tandis que Ulrich III a reçu le château et la seigneurie de
Sax dans la vallée du Rhin.
A ce stade, Henri décida d’étendre sa sphère d’influence, sans
le soutien de l’empereur et même à son détriment. En 1242, il
a occupé Bellinzone avec des alliés de Guelfes de Milan. Il y a
exercé, pendant une courte période, son pouvoir de seigneur
et maître. Plus tard, il dû restituer sa conquête à la République
de Côme. Après sa retraite dans la région de Moesano, autour
de 1247, il construisit Santa Maria Calanca, une tour d’habitation imposante et représentative. Celle-ci occupait une position avant dominante, comparable à celle du château de Mesocco.
En 1253, dans le castro de Calancha reconstruit, Heinrich
et son frère cadet Albert s’établirent comme comte et vicomte du Val Mesolcina. Cet acte, d’une importance cruciale pour la recherche historique sur la domination de la région et la périodisation de la construction des châteaux, a
été complètement ignoré par les érudits des 19e et 20e siècles.
Le château de Mesocco est devenu une résidence permanente
86
Mittelalter 18, 2013 / 3
seulement à partir de 1257, quand Albert III de Saxe s’est vu
contraint de céder au monastère régional le château de Wartenstein et les prévôtés de l’abbaye de Pfäfers. A partir de ce
moment, le sort des seigneurs de Saxe dans la vallée du Rhin
et de ceux établis dans le Val Mesolcina se sont divisés. Précisément à cette époque, d’importantes transformations du château de Mesocco ont été réalisées. Après qu’Albert en ait fait sa
résidence permanente, il participa aussi activement à la vie politique du Val Mesolcina.
Ce n’est que suite à son décès, en l’an 1279, que la domination des de Saxe dans le Sud du Val Mesolcina a subi une division supplémentaire. Les deux châteaux en furent le point de
référence. La seigneurie Saxe-Calanca d’Henri III, s’est vue attribuer la partie inférieure de la vallée, jusqu’à Lostallo, tandis que la partie supérieure, Mesocco et Soazza, passa sous la
domination des Saxe-Mesocco, fils d’Albert III.
Vers la fin du 13e siècle, les deux châteaux sont devenus le
centre d’une activité politique croissante dans les territoires
reculés. Albert III, à partir de son siège à Mesocco, fit déplacer les colonies Walser dans la vallée de Rheinwald. Toutefois,
cette situation conduisit à un conflit d’intérêts avec les barons
de Vaz, lesquels jouissaient des faveurs du roi. C’est d’ailleurs
eux qui, par le passé, les avaient déjà expulsés des prévôtés de
Coire, Disentis et Churwalden. Les enfants d’Henri III, depuis
leur résidence à Santa Maria Calanca, ont soutenu la création
d’une commune dans le Val Calanca à travers l’achat de territoires alpins. Au début du 14e siècle, les fils d’Henri abandonnèrent la tour Calanca pour se diriger plus bas dans la vallée, où ils se sont installés dans les châteaux de la noblesse
locale. Ces châteaux ont subi des changements majeurs, au
gré de leurs besoins (Torre Fiorenzana à Grono ou le château
Norantola à Cama). A partir du 13e siècle les de Saxe utilisèrent comme portail d’accès à la vallée le palais de Roveredo
et la tour de Pala à Monticello près de San Vittore, probablement construite par eux.
Sandrine Wasem, Thoune
Riassunto
Le origini delle fortificazioni di Mesocco sono riconducibili ad
uno sbarramento fortificato tardo romano della valle. Una costruzione precedente all’odierna chiesa castellana potrebbe essere sorta ancora nel V secolo o al più tardi nel VII secolo. Il
patrocinio di San Carpoforo potrebbe indicare che la chiesa sia
stata fondata da Como o Milano. Di conseguenza la fortezza di
Mesocco mantenne la sua funzione strategica per la quale era
stata concepita, ovvero la difesa contro invasori provenienti da
settentrione, fino al periodo in cui la valle passò dalla sfera di
influenza longobarda a quella dei Franchi.
La presenza dei nobili de Sacco nella valle è attestata per la
prima volta nel 1219 nell’atto concernente una donazione per
il Capitolo della Collegiata di San Vittore. Questo atto prefiggeva il diritto feudatario su ogni chiesa della valle, ovvero il Diritto di patronato. La creazione di tale diritto potrebbe indicare
che i de Sacco già in un periodo antecedente il 1219potevano
avere una sorta di influenza sulle chiese in questione. Tuttavia
mancano prove concrete che attestino questi diritti feudali dei
Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
de Sacco nella valle prima del 1219. Anche per quanto riguarda
la loro presenza nella valle prima di questa data vi sono solo
esigui e scarsi indizi.
Nel XII secolo i de Sacco insieme ad altri nobili sono comunque attestati nei documenti, coinvolti nella formazione delle
signorie nella Rezia curiense. Sia loro che gli altri nobili sono
originari della Svevia. Intorno al 1200 cominciarono a formare
una propria signoria nei territori situati a sud del lago di Costanza ricoprendo anche cariche importanti presso l’abbazia di
San Gallo. Inoltre eressero un castello nella valle del Reno alpino appellato «Sax» (secondo il nome della famiglia omonima
proveniente dalla Foresta Nera). Oltre a ciò si impadronirono
dei baliaggi della diocesi di Coira come anche di Churwalden
che apparteneva all’omonima abbazia premonstratense. Come
seguaci degli imperatori della dinastia degli Hohenstaufen godettero di molti privilegi, una premessa fondamentale per il
successo dei de Sacco. Il legame al casato degli Hohenstaufen
si rafforzò ulteriormente durante il regno di Federico II. Tra il
1212 e il 1219 Ulrico II de Sacco, abate di San Gallo, e suo fratello Enrico II resero molti servigi al sovrano. In cambio ottennero i baliaggi inerenti l’abbazia di Disentis e la Valle di Blenio
come feudo. Tuttavia i diritti ottenuti sulla valle in questione
ben presto furono contestati dal Capitolo del Duomo di Milano. Inoltre i de Sacco non disponevano di un diploma imperiale né per Disentis né per Blenio e tantomeno per la Mesolcina. I loro diritti feudali nella Valle Mesolcina possono essere
comunque solo riconducibili alla loro vicinanza al sovrano in
questione.
Prima del 1239 nel casato dei de Sacco ci fu un ricambio generazionale. I fratelli reggenti divisero la signoria: Enrico III ottenne la Mesolcina, Alberto III il baliaggio di Pfäfers mentre
Ulrico III ricevette il castello e la signoria di Sax nella valle del
Reno. A questo punto Enrico decise di estendere la sua sfera di
influenza anche senza l’appoggio dell’imperatore e addirittura
a scapito di quest’ultimo. Nel 1242 insieme ad alleati guelfi milanesi occupò Bellinzona sulla quale, come castellano e signore
territoriale, poté imporsi solo per un breve periodo. In seguito
dovette restituire Bellinzona alla Repubblica di Como. Dopo la
sua ritirata nel Moesano intorno al 1247, fece erigere a Santa
Maria di Calanca la poderosa e rappresentativa torre d’abitazione. La torre occupa una posizione avanzata pari a quella del
castello di Mesocco.
Nel nuovo castro de Calanca esercitò insieme ad Alberto, fratello più giovane, la carica di conte e visconte sulla Valle Mesolcina. Questo atto, fondamentale per la ricerca storica sulla signoria della Mesolcina e la periodizzazione dei castelli, è stato
completamente ignorato dai ricercatori del XIX e XX secolo.
Il castello di Mesocco diventò residenza stabile solo a partire
dal 1257 allorquando Alberto III de Sacco fu costretto a cedere
il castello di Wartenstein insieme ai baliaggi di Pfäfers all’abbazia omonima. A partire da quel momento i destini delle signorie dei de Sacco nella valle del Reno e nella Mesolcina si
divisero. A quel periodo risalgono probabilmente anche le importanti trasformazioni del castello di Mesocco. Dopo che il
castello era diventato la residenza stabile di Alberto, questi
partecipò attivamente anche alle questioni politiche della Mesolcina. Solo dopo la sua morte, avvenuta nell’anno 1279, la
signoria dei de Sacco nella Mesolcina subì una ulteriore divisione. Il punto di riferimento per la divisione furono i due castelli. La signoria Sacco-Calanca, di Enrico III, era costituita
dalla parte inferiore della valle fin su a Lostallo. La parte superiore, Mesocco e Soazza ovvero la signoria Sacco-Mesocco,
passò invece sotto il dominio dei figli di Alberto III. Nel XIII
secolo entrambi i castelli diventarono il centro di una crescente
attività politica nei territori delle signorie. Alberto III, dalla sua
sede di Mesocco, sostenne gli insediamenti dei Walser nella regione alpina del Rheinwald. Tuttavia questa situazione portò
ad un conflitto di interessi con i baroni di Vaz che godevano
dei favori del re e che in passato avevano tolto ai de Sacco i baliaggi di Coira, Churwalden e Disentis. I figli di Enrico III, dalla
loro sede a Santa Maria di Calanca, tramite l’acquisto di possedimenti alpini, sostennero la creazione di un comune nella
Val Calanca.
Agli inizi del XIV secolo i figli di Enrico abbandonarono la
torre a Calanca trasferendosi nel fondovalle dove si insediarono nei castelli della piccola nobiltà locale. A seconda delle
esigenze questi castelli furono sottoposti anche a importanti
trasformazioni (Torre Fiorenzana a Grono o più precisamente
il castello di Norantola a Cama). All’imbocco della Valle Mesolcina, a partire dal XIII secolo, i de Sacco abitarono anche il
palazzo di Roveredo e la torre di Pala a Monticello presso San
Vittore, eretta probabilmente dai medesimi.
Christian Saladin (Basilea/Origlio)
Resumaziun
Il chastè-fortezza da Mesocco deriva d’ina serra da vallada dal
temp roman tardiv. In edifizi precedent a la baselgia dal chastèfortezza ch’è anc oz avant maun è forsa vegnì erigì anc il 5avel,
il pli tard però il 7avel tschientaner. Il patrocini da Son Carpoforus lascha supponer che la baselgia è vegnida fundada da
Como u da Milaun. Per consequenza ha il chastè-fortezza mantegnì sia funcziun strategica oriunda – numnadamain quella da
defender la vallada cunter invasurs dal nord – fin ch’ils Langobards han stuì ceder als Francs lur influenza sin la Val Mesauc.
La preschientscha signurila dals nobels libers de Sax è attestada
per l’emprima giada il 1219 en in document concernent ina
donaziun per il chapitel collegiat da San Vittore. Ina tala donaziun premetta il dretg da disponer da tut las baselgias da la
val, damai d’avair il dretg da patrunadi. Il fatg ch’in tal dretg
stueva exister è in indizi ch’ils de Sax avevan gia avant il 1219
ina tscherta influenza sin las baselgias respectivas. I mancan
però cumprovas concretas per attestar ils dretgs feudals dals
de Sax en la val avant il 1219. Insumma datti mo paucs indizis intscherts per lur preschientscha en la val avant questa data.
Ils de Sax figureschan en documents dal 12avel tschientaner
ensemen cun autras famiglias noblas libras che sa sfadian per
la constituziun da la pussanza en la Currezia. Tuttina sco quellas famiglias derivan er els da la Svevia. Enturn il 1200 cumenzan els a stabilir lur domini en il territori al sid dal Lai da Constanza: els surpiglian ils posts impurtants da l’abazia da Son
Gagl e construeschan in chastè-fortezza en la vallada dal Rain
Alpin ch’els numnan Sax (tenor lur schlatta importada dal
Guaud Nair). Ultra da quai acquistan els las prefecturas dal
Mittelalter 18, 2013 / 3
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Florian Hitz – Die Freiherren von Sax und die Herrschaftsbildung im Misox
chapitel catedral da Cuira e dal chapitel dals premonstratens
da Churwalden.
Sco aderents dals imperaturs da la dinastia dals da Hohenstaufen giaudan ils de Sax blers privilegis, quai ch’è ina premissa fundamentala per lur success. Durant il temp da regenza
da retg Friedrich II daventa quest liom cun la chasa dals da
Hohenstaufen anc pli ferm. Tranter il 1212 ed il 1219 prestan
Ulrich II de Sax, avat da Son Gagl, e ses frar Heinrich II numerus servetschs en l’interess da l’imperi. Persuenter obtegnan
els sco feud duas prefecturas imperialas: la claustra da Mustér
e la Val dal Blegn. Suenter curt temp vegnan lur dretgs per la
Val dal Blegn però contestads dal chapitel catedral da Milaun.
Ils de Sax n’han betg in diplom imperial ni per la claustra da
Mustér, ni per la Val dal Blegn ni per il contadi da Mesauc. Lur
dretgs feudals en la Val Mesauc èn explitgabels sulettamain cun
lur approximitad al retg.
Anc avant il 1239 ha lieu ina midada da generaziun en la chasa
de Sax. Ils frars regents dividan il domini: Heinrich III surpiglia la Val Mesauc, Albrecht III la prefectura da Faveras ed Ulrich III il chastè-fortezza e la signuria de Sax en la Val dal Rain.
Quel mument decida Heinrich d’extender sia sfera d’influenza
era senza il sustegn da la suveranitad imperiala, gea schizunt
cunter quella. Ensemen cun ils alliads guelfics-milanais acquista el il 1242 Bellinzona. Ad el reusseschi da s’imponer sco chastellan e signur territorial. Suenter curt temp sto el però returnar il butin a la republica da Como. Enturn il 1247 sa retira
el en il Moesano ed erigia a Santa Maria en la Val Calanca ina
tur d’abitar imposanta e fitg represchentativa. La tur è situada
en in lieu pli avanzà en cumparaziun cun il chastè-fortezza en
la Val Mesauc.
Ensemen cun ses frar pli giuven Albert regia Heinrich a partir dal 1253 en il nov castro de Calancha sco cont e vicegraf
da la Val Mesauc. Quest fatg ch’è central per l’istorgia da la
pussanza regiunala e per la periodisaziun da la construcziun
da chastels-fortezza en il Moesano han ils perscrutaders dal
19avel e 20avel tschientaner ignorà dal tuttafatg.
Il chastè-fortezza da Mesocco daventa ina residenza stabla, pir
cura che Albert III de Sax sto ceder il 1257 la fortezza da Wartenstein e la prefectura da Faveras a la claustra da Faveras. A
partir da quel mument sa spartan ils destins dals dominis dals
de Sax en la Val dal Rain ed en il Moesano. Durant quel temp
vegn probablamain terminada l’amplificaziun extendida dal
chastè-fortezza da Mesocco. Suenter che Albert è sa chasà en
il chastè-fortezza, politisescha el activamain en la Val Mesauc.
88
Mittelalter 18, 2013 / 3
Pir suenter sia mort l’onn 1279 vegn dividida la signuria de Sax
er en il Moesano. Ins s’orientescha tenor ils dus gronds chastels-fortezza. La signuria de Sax-Calanca che tutga a Heinrich
III cumpiglia la part sut da la val fin a Lostallo. La part sura da
la val, la signuria de Sax-Mesocco che cumpiglia Mesocco e Soazza, passa percunter al domini dals figls dad Albert III.
En il decurs dal 13avel tschientaner tardiv daventan ils dus
chastels-fortezza centers da l’activitad politica creschenta en
il territori da las signurias. Albert III procura davent da sia sedia a Mesocco ch’il territori alpin en Valragn vegnia colonisà
da Gualsers. Questa acziun maina però ad in conflict d’interess cun ils baruns da Vaz che giudevan la simpatia dal retg e
che avevan gia privà ils de Sax en il passà da las prefecturas da
Cuira, Churwalden e Mustér. Ils figls da Heinrich III sustegnan
cun acquistar bains d’alp davent da lur sedia a Santa Maria la
furmaziun d’ina vischnanca en la Val Calanca.
Al cumenzament dal 14avel tschientaner bandunan ils figls da
Heinrich la tur d’abitar en la Val Calanca per ir en il fund da la
val e surpigliar ils chastels-fortezza da l’aristocrazia pitschna.
Tut tenor basegn èn quels vegnids amplifitgads massivamain
(Torre Fiorenzana a Grono resp. il chastè-fortezza Norantola a
Cama). A l’extrada da la Val Mesauc nizzegian ils de Sax a partir dal 13avel tschientaner tardiv era la curt signurila da Roveredo e la Torre Palas a Monticello sper San Vittore, la quala els
sezs han probablamain erigì.
Lia Rumantscha (Cuira/Chur)
Abbildungsnachweise:
Abb. 1–3: Rätisches Museum Chur
Abb. 4: Werdenberger Jahrbuch
Abb. 5: Stiftsarchiv St. Gallen
Abb. 6–9: Johannes Meyer (Cronica www.cronica.ch)
Abb. 10: Universitätsbibliothek Heidelberg
(http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0114)
Adresse des Autors:
Dr. Florian Hitz
Institut für Kulturforschung Graubünden
Reichsgasse 10
7000 Chur
[email protected]
www.kulturforschung.ch
Veranstaltungen
Veranstaltungen
Basel
Friesach Kärnten AT
Echte Burgen – Falsche Ritter?
15. November 2013 bis 29. Juni 2014
Historisches Museum Basel
HMB – Museum für Geschichte /
Barfüsserkirche, Basel
Di–So 10–17 Uhr
Von Steinmetzen, Zimmerern
und Schmieden – Bauhandwerk
im Mittelalter
17.–19. Oktober 2013
Prunkvolle Rüstungen, romantische
Burgruinen, Minnesang und Ritterschwert – unsere Bilder vom ritterlichen
Leben stecken voller Klischees. Jede Generation pflegt ihre eigenen Vorstellungen von Rittern und Burgen, indem sie
ihre Wünsche und Bedürfnisse in das
ferne Mittelalter projiziert.
Die Ausstellung bietet eine umfassende
Sicht auf Ideal und Wirklichkeit des
Rittertums und präsentiert die Burgen
der Region Basel. Zahlreiche herausragende Objekte, Modelle und Medienstationen machen Burgen- und Rittergeschichten von über 1000 Jahren
erlebbar. Sie geben Einblick in rasante
Turniere und informieren über alle bekannten Burgen rund um Basel. Die Besucher können sich von der Ritterwelt
Hollywoods entführen und von pompösen Historienspektakeln des Basler
Bürgertums beeindrucken lassen oder
einen hohen Burgturm erklimmen, um
den Ausblick auf die Burgenlandschaft
der Region zu geniessen.
Im Mittelalter strahlte der Glanz des
Basler Rittertums weit über die Region
hinaus. Das Baselbiet ist eine der burgenreichsten Landschaften der Welt. Die
Zusammenarbeit des HMB mit der Archäologie Baselland ermöglicht erstmals
eine umfassende Sicht auf das Thema.
Zur Ausstellung gehört auch ein attraktives Vermittlungsprogramm, insbesondere für Kinder. Ein Magazin mit
Artikeln zu ausgewählten Ausstellungsthemen und einer Burgenwanderkarte
sowie ein spezielles Kindermagazin sorgen gleichfalls dafür, dass der Besuch für
die ganze Familie nachhaltig in Erinnerung bleibt.
In der sehenswerten Mittelalterstadt
Friesach in Kärnten, wo 2009 mit dem
Bau einer Burg mit mittelalterlichen Methoden begonnen wurde, hat bereits
1990 das Institut für Geschichte an der
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gemeinsam mit der Stadt Friesach eine
transdisziplinäre Kolloquiumsreihe eingerichtet, die ausgewählte Themenfelder zur Geschichte Europas mit dem
Schwerpunkt Alpen-Adria-Raum bearbeitet.
Die diesjährige 16. Tagung widmet sich
dem «Bauhandwerk im Mittelalter».
Dabei wird dieser so wenig beachtete,
zugleich aber wichtige Bereich mittelalterlicher Geschichte in 12 Vorträgen
von Fachleuten verschiedener Disziplinen umfassend vorgestellt. Es soll die
transdisziplinäre Diskussion zum Thema
«Bauwesen und Handwerk im Mittelalter» angeregt und zugleich einem breiten
interessierten Publikum näher gebracht
werden.
Donnerstag, 17.10.2013
19.00 Uhr Begrüssung und Einführung
in die Thematik
Abendvortrag: Bilder vom Bau. Das mittelalterliche Bauhandwerk im zeitgenössischen Bild
(Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer,
Univ. Klagenfurt)
Freitag, 18.10.2013
09.30 Uhr Artes mechanicae. Bauen
als Handwerk (Dr. Christian Domenig,
Univ. Klagenfurt)
10.30 Uhr Vom Fundament bis zum
Dach. Herstellungstechniken historischer Tragwerke (Prof. Dr. ing. Stefan
M. Holzer, Universität der Bundeswehr
München)
11.30 Uhr Pause
12.00 Uhr Bautechnik im Mittelalter
(Katja Schröck, M.A., TU Dresden)
13.00 Uhr Pause
14.00 Uhr Stadtführung
16.00 Uhr Zur Herstellung gotischer
Gewölbe (Dr. ing. David Wendland, TU
Dresden)
17.00 Uhr Bauhandwerker als Zunftmitglieder (Prof. Dr. Sabine von Heusinger,
Univ. Köln)
18.00 Uhr Pause
18.30 Uhr Realienkunde und Bauhandwerk (Dr. Elisabeth Vavra, Institut für
Realienkunde des Mittelalters und der
frühen Neuzeit, Krems)
20.00 Uhr Lesung Egyd Gstättner: «Ein
Endsommernachtsalbtraum»
Samstag, 19.10.2013
09.30 Uhr Steinmetzen und Steinbrecher im Mittelalter (Dietmar Wolf, Strasbourg)
10.30 Uhr Der Maurer und die Mauerwerkstechnik im Mittelalter (DI Jürgen
Moravi, Bundesdenkmalamt Klagenfurt)
11.30 Uhr Pause
11.45 Uhr Holz und holzverarbeitende
Gewerbe (Dr. Jens Friedhoff, Stadtarchiv
Hachenburg)
12.45 Uhr Pause
14.30 Uhr Der Beruf des Zimmerers im
Mittelalter (Prof. DI Manfred Gerner,
Arbeitsgemeinschaft
Deutsche Fachwerkstädte e.V., Fulda)
15.30 Uhr Der Beruf des Schmiedes im
Mittelalter (Prof. Dr. Markus Wenninger, Univ. Klagenfurt)
16.30 Uhr Conclusio
17.00 Uhr Besuch der Burgbaustelle
Friesach
19.30 Uhr Empfang des Bürgermeisters
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Mag. Dr. Johannes Grabmayer
Mittelalter 18, 2013 / 3
89
Veranstaltungen
Anmeldung unter:
www.uni-klu.ac.at/af
E-Mail: [email protected]
Tel.: +43(0)463/2700-2277
Fax: +43(0)463/2700-2299
Tagungsbeitrag:
25 Euro
10 Euro (Studierende)
Für die Tagungsleitung:
Mag. Martin Gabriel
Institut für Geschichte
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67
9020 Klagenfurt
Tel.: +43(0)463/2700-2277
Fax: +43(0)463/2700-2299
[email protected]
Tagungsort:
Festsaal Fürstenhof
Fürstenhofplatz 1
9360 Friesach
vom Schreibtisch aus tun, und er wird
dem
schweizerisch-luxemburgischen
Team von John Zimmer, Werner Meyer
und Letizia Boscardin für die beispielhafte und grundlegende Publikation, die
hier besprochen werden soll, besonders
dankbar sein, denn dieses zweibändige
Werk lässt vor den Augen des Lesers
ein neues, höchst anschauliches Bild einer Kreuzfahrerburg des 12. und 13.
Jhs. entstehen. Um zu dieser Anschauung zu gelangen, benötigt der Leser etwas Geduld und eine Portion Sitzleder, denn die Voraussetzungen für die
neuen Resultate sind äusserst sorgfältige Sondagen und Bauuntersuchungen,
die auf den ersten 240 Seiten ausgebreitet werden, während die Deutung weitere 135 Seiten in Anspricht nimmt. Die
eigentliche ‹Knochenarbeit› wurde mit
den hervorragend dokumentierten Sondagen und den 31 Grund- und Aufrissen
(84 × 59cm!) geleistet. Es handelt sich
um die ersten professionellen Grabungen innerhalb der Burg.
Da wir schon von ‹Knochenarbeit› reden, dann sei gleich mal auf die zahlreichen Knochenfunde hingewiesen, welche
genaue Auskunft über die Ernährung der
Burgbewohner geben. 86% aller Knochenfunde stammen vom Rind, Schwein
und Schaf bzw. Ziege. Zwischen 1110
und 1170 herrschte der Konsum von
Schweine- und Schaf-/Ziegenfleisch vor.
Nach 1170 dominiert der Verzehr von
Rindern und Caprinae. Mit dem Auftreten der Mameluken verschwinden die
Schweineknochen fast vollständig, wogegen die grösste Zahl der Knochen nach
1271 von Schaf und Ziege stammen. Die
Analyse der Tierreste von Benoît Clavel
und Alessio Bandelli wird durch akribische Beobachtungen von Werner Meyer
an einem Holzofen ergänzt, den schon
Deschamps in seiner Publikation von
1934 als solchen identifizierte. Neu und
einleuchtend ist die Beobachtung, dass
der Kuppelraum über dem Brotofen ein
Räucherofen für die Konservierung von
Fleisch war, woraus geschlossen werden
darf, dass es für die Insassen des Krak lebenswichtig war, längere Belagerungen
zu überstehen.
Unterbringung:
www.friesach.at
Publikationen
John Zimmer / Werner
Meyer / Letizia Boscardin, mit
Beiträgen von Alessio Bandelli
et al., Krak des Chevaliers –
Archäologie und Bauforschung
2003 bis 2007.
Veröffentlichungen der Deutschen Bur­
genvereinigung, Reihe A: Forschungen
14 (Braubach 2011). Zwei Teile zusam­
men in Kartonschuber. Textband: 400
Seiten, gebunden – Planteil: 31 Pläne von
A1 auf A4 gefaltet.
ISBN: 978­3­927558­33­5, CHF 112.–
In der Schweiz erhältlich beim Schweize­
rischen Burgenverein
Burgenfreunde und Reisende des Nahen Ostens kennen den Krak des Chevaliers als das herausragende Juwel des
mittelalterlichen Burgenbaus auf syrischem Boden. Man kann jedoch heutzutage nicht umhin, das Lemma bei Google
anzuklicken, um sich über die aktuellen
Vorgänge im Kriegsgebiet zu informieren. Unter den Schreckensnachrichten
macht eine vom 2. Mai 2012 besonders
betroffen, wonach Vertreter des syrischen «Antiquities and Museum Department» in Damaskus von Zerstörungen
auf der Burg Krak des Chevaliers berichten. Das Personal soll aus der Anlage
vertrieben worden sein und Breschen
sollen in die Mauern geschlagen worden
sein, um Panzer in der Festung zu stationieren. Dass die Burg seit 2006 Bestandteil des Weltkulturerbes der UNESCO
ist, hat bisher keine der Kriegsparteien
gekümmert.
Wer sich jetzt mit dem Krak beschäftigen will, wird dies gezwungenermassen
90
Mittelalter 18, 2013 / 3
Gegenüber allen bisherigen Publikationen zum Krak bringt dieses Buch grundlegende Neuerungen und Korrekturen.
Erstmals dokumentiert John Zimmer die
Burg mit Plänen gesamthaft, d.h. auf allen Niveaus im Grundriss und im Aufriss
mit genauen Angaben über restaurierte,
archäologisch untersuchte und nicht
untersuchte Teile. Durchwegs handelt
es sich um Baualterspläne im Masstab
1:100, 1:200, 1:250, 1:300 und 1:400.
Dieses Planmaterial übertrifft sämtliche bisher veröffentlichten Pläne an Genauigkeit und Detailtreue und stellt die
Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit dem Krak dar. Falls die im
jetzigen Krieg erfolgten Beschädigungen eines Tages behoben werden sollten,
dann bieten die Pläne von John Zimmer
alle notwendigen Informationen für eine
professionelle Restaurierung.
Obwohl die Grabungen und Sondagen
keine unversehrten fränkischen und mamelukischen Siedlungshorizonte mehr
ausmachen konnten, war Werner Meyer
in der Lage, eine Reihe von handfesten
Informationen zum Bauvorgang nach
dem Erdbeben von 1170, zu den frühes-
Publikationen
ten Siedlungshorizonten und zur Nutzung der Räumlichkeiten zutage fördern.
Es ist hier nicht der Ort, auf Einzelheiten
einzugehen, aber als Hauptresultat ergibt sich, dass sämtliche Bauten auf dem
Krak nach dem Erdbeben von 1170 aufgrund eines neu ausgedachten Bauplans
errichtet worden sind. Die Erstanlage
des Krak bestand aus einem Ring tonnengewölbter, mehr als 7 m breiter und
unterschiedlich langer Hallen, die den
trapezförmigen Innenhof umgeben. Wie
der Krak zur Zeit seiner ersten fatimidischen Besiedlung und zur Zeit der Eroberung durch die Franken ausgesehen
hat, wissen wir nicht. Die Autoren nehmen an, dass der Krak vermutlich eine
fatimidische Gründung gegen die Byzantiner war, denn er lag an der Strasse auf
ca. 650 m über Meer, die das syrische
Homs mit den später christlichen Seestädten Tartous und Tripolis verband.
1031 erscheint die Anlage im Besitz des
Emirs von Homs, der diese mit Kurden
besiedelte, was zur Benennung der Burg
als Kurdenburg (Hisn al-Akrâd) führte.
Die Kreuzfahrer eroberten die Burg vorübergehend auf ihrem Weg nach Jerusalem im Jahr 1099, aber erst 1110 ging
sie in fränkischen Besitz über (bis 1271).
Unter den komplizierten Vorgängen, die
vom Autorenteam detailliert geschildert werden, ragt ein merkwürdiger
Akt hervor, nämlich die Schenkung des
Krak seitens Raymond I. an den Hospitalorden St. Johann von Jerusalem
im Jahre 1142. Merkwürdig ist diese
Tatsache insofern, als sie a priori eine
karitative Tätigkeit des Ordens zuhanden der Kranken, Armen und der beim
Kampf Verwundeten annehmen lässt.
Aber Werner Meyer zeigt, dass die grossen militärischen Entscheidungen keineswegs rund um den Krak, sondern
rund um Jerusalem fielen. Zugegeben,
das konnten die Hospitalritter um 1140
nicht wissen, zumal ein massiver Ausbau
der Burg erst im frühen 13. Jh. erfolgte.
Damals sollen dort 2000 Krieger stationiert gewesen sein. Es gab jedenfalls für
die Hospitalritter keinen unmittelbaren
Anlass, im Krak ein Hospital einzurichten, es sei denn für die lokale christliche
Bevölkerung. Dennoch deutet Werner
Meyer die zahlreichen Toiletten in den
nördlichsten Räumen als Krankenstation. Das macht Sinn, denn die Kranken
konnten über eine schräg gestellte Maueröffnung an der Nordwand der unmittelbar angrenzenden Kapelle am Gottesdienst teilnehmen. Die Einrichtung
einer solchen auch andernorts zu beobachtenden ‹Hörverbindung› zwischen
Krankensaal und Kapelle ist charakteristisch für gewisse Bauten der Hospitalritter. Dies spricht dafür, dass der Krak
von den Hospitalrittern konzipiert worden ist. Verschiedene Räume sind von
der bisherigen Forschung (Biller)1 als
Dormitorium, Kapitelsaal und Priesterraum gedeutet worden. Werner Meyer
bestreitet diese von der Klosterbaukunst
geprägte Deutung mit dem Hinweis auf
das Fehlen monastischer Gewohnheiten
bei den Hospitalrittern.
Die bei den Sondagen auf das Sorgfältigste dokumentierten und ausgewerteten Fundkomplexe an Keramik
und Metall scheinen die nichtmonastische Deutung zu bestätigen. Auf jeden
Fall stellen sie eine überraschend neue
Grundlage der Beurteilung dar. Interessant ist beispielsweise die grosse Zahl
gefundener Spielsteine sowie der Nachweis von Mühlspielen im Nordturm und
der Nachweis des Mankalaspieles auf einer Sitzbank im Prunksaal eines Turmes
an der Südseite. Obwohl die Kirche und
die Johanniter Brett- und Glücksspiele
ablehnten, scheinen sich diese auf dem
Krak grosser Beliebtheit erfreut zu haben. Wenn wirklich die ausgegrabenen
Pfeifenköpfe solche sind und zum Haschisch-Rauchen bestimmt waren (Tabak begegnet man erst in der frühen
Neuzeit), dann wird man neue Überlegungen zum Leben der Franken in
den Burgen des nahen Ostens anstellen
müssen. Die von dem Autorenteam betriebene minutiöse Bauarchäologie, gepaart mit gezielten Grabungen und einer vollständigen Erfassung des Kraks
mit hervorragenden Plänen, setzt neue
Masstäbe und bringt gänzlich neue Resultate, die hohen Respekt erheischen.
Beat Brenk, Rom
1 Thomas Biller / Daniel Burger / G. Ulrich
Großmann(Hrsg.), Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg
der Kreuzfahrerzeit. Forschungen zu Burgen und Schlössern, Sonderband 3 (Regensburg 2006). ISBN 978-3-7954-1810-6;
geb.; 445 S.; N 86.–.
Jeder Stein ein Stückchen Gold …
50 Jahre Südtiroler Burgeninstitut
Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut,
ARX­Schriftenreihe 3 (Bozen 2013) –
ca. 224 Seiten, fest geb., zahlreiche Farb­
abb. ca. i 26.90
ISBN 978­3­7030­0839­9
Das Südtiroler Burgeninstitut wurde
1963 gegründet, um die öffentliche und
private Pflicht zur Erhaltung der Burgen
und Schlösser einzufordern und ihre Erforschung und Dokumentation zu fördern. Diese Publikation ist ein reich illustrierter Führer durch die fünfzigjährige
Vereinsgeschichte des Südtiroler Burgeninstituts, mit Beiträgen zu Gründungsgeschichte, Erwerbung und Restaurierung
der Trostburg und von Schloss Taufers,
Mitgliedern in Vergangenheit und Gegenwart, Vereinsleben und Publikationstätigkeit. Mit einem Ausblick auf die Zukunft.
Burgen Perspektiven – 50 Jahre
Südtiroler Burgeninstitut
Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut,
ARX­Schriftenreihe 4 (Bozen 2013) –
ca. 550 Seiten, fest geb., zahlreiche Farb­
und s/w­Abbildungen ca. i 39.90
ISBN 978­3­7030­0838­2
Das 50-jährige Gründungsjubiläum bietet den willkommenen Anlass für die
vorliegenden Burgen-Perspektiven: Aus
ganz verschiedenen Fachdisziplinen
kommend, nähern sich die Autorinnen
und Autoren dem Thema Burg und bieten überaus reizvolle und vielfältige Einblicke in die Geschichte, Kunst- und
Kulturgeschichte der Baudenkmäler und
das Leben ihrer Bewohner. Dabei ist der
Blick keineswegs nur in die Vergangenheit gerichtet: Die perspektivische Betrachtungsweise inkludiert ja den Blick
in die Zukunft, und das erfordert gerade
im Hinblick auf die Bewahrung historischer Kulturdenkmäler ein fürsorgliches,
planendes Handeln. Die reich bebilderte
Themenpalette enthält neben aktuellen
Forschungen zu einzelnen Burgen und
kulturgeschichtlichen Einblicken in das
Leben auf der Burg auch zahlreiche Arbeiten zu speziellen Zeitabschnitten von
der Römerzeit bis in die Gegenwart.
Mittelalter 18, 2013 / 3
91
Publikationen / Vereinsmitteilungen
Leo Andergassen / Florian Hofer
Schloss Kastelbell
Hrsg. vom Südtiroler Burgeninstitut,
Reihe Burgen 12. Verlag Schnell und
Steiner
Der reich illustrierte Führer «Schloss
Kastelbell – Von der Felsenburg zum
Renaissanceschloss» erschliesst dem Besucher diese beeindruckende Burganlage
im Vinschgau. Die ins 13. Jh. zurückreichende Anlage vereint mittelalterliche Festungsbaukunst, selbstbewusst zur
Schau stellende Renaissancearchitektur
und neuzeitliche Wehrelemente wie Geschützrondelle, Pechnasen, Schlüsselund Maulscharten. In der Burgkapelle
haben sich bedeutende Fresken des 14.
bis 16. Jh. erhalten. Nach zwei verheerenden Bränden 1813 und 1824 verfiel
das Schloss zu einer Ruine und wurde
in den Jahre 1987–1995 umfangreich
restauriert. Seit 1999 kümmert sich das
Kuratorium Schloss Kastelbell um Führung und Verwaltung der Anlage, nun
unter der Obmannschaft von Dr. Georg
Wielander. Ziele dieser Genossenschaft
sind die Führung, die Erhaltung sowie
die Nutzung des Schlosses für kulturelle
Veranstaltungen. (Kunstausstellungen,
Konzerte ...). Das Kuratorium gewährleistet ausserdem den öffentlichen Zugang zu Besichtigungen.
Christina Niederkofler
Lamprechtsburg – 1000 Jahre
Ortsgeschichte
Verlag A. Weger Brixen 2013
zählband mehrere lebendig geschilderte
Biografien von Lamprechtsburgern/innen wie auch die mündlich überlieferten Sagen und Erinnerungen. Weiter finden sich Details zur Burganlage mit dem
Schlosskirchlein, das über Jahrhunderte
ein viel besuchter Wallfahrtsort zur Hl.
Kummernus war, einer Frau am Kreuz
mit tiefwurzelndem Hintergrund. Diese
und weitere Besonderheiten werden auf
100 Buchseiten als Text und mit ansprechenden Bildern in einer Weise dargelegt, wie sie wohl nur eine Autorin vermitteln kann, die mit diesem Ort von
klein auf vertraut ist. Damit ruft dieses
Buch ein authentisches Stück Heimatgeschichte wieder in Erinnerung.
Die Unverfälschtheit der Lamprechtsburg bei Reischach als Kunstdenkmal
und auch als Wohnort ist einzigartig. Die
Burganlage, vermittelt Werte wie Identität, Zugehörigkeit und Geborgenheit.
Mit der vorliegenden Publikation arbeitet die Autorin Christina Niederkofler
Cont, die selbst ihre Wurzeln in der
Burg hat und auch dort verspürt, sehr
ausdruckvoll und gefühlstark die jüngere Besitzergeschichte auf. Gut recherchiert und in angenehm lesbarer Form
beschreibt sie die Abfolge der auf der
Lamprechtsburg beheimateten Adelsgeschlechter vom Frühmittelalter bis in
die Gegenwart. Daneben enthält der Er-
Es der vorbildlichen Initiative der Eigentümerfamilie zu verdanken, dass mit
dem Erzählband «Lamprechtsburg –
1000 Jahre Ortsgeschichte» die Bewusstseinsbildung für den Erhalt historischer
Wehrbauten als Denkmale der Kunst, als
Zeugnisse der Landesgeschichte und der
Landeskultur sowie als wesentlicher Bestandteil der Landschaft unterstützt und
die Auseinandersetzung mit der Burgenkunde angeregt werden.
und eine Festung. Der heutige Bau der
Reformierten Kirche Saint-Gervais geht
auf die Zeit ab 1436 zurück und wurde
über einer Kirche des 10.–11. Jh. er-
richtet, die ihrerseits über einem älteren
Gotteshaus erbaut wurde. 1987–1994
und 2000–2005 wurden auf einer Fläche von fast 2000 m2 die Reste der frü-
Vereinsmitteilungen
86. Jahresversammlung des
Schweizerischen Burgenvereins
Das Programm der diesjährigen Jahresversammlung des Burgenvereins begann mit der ordentlichen Mitgliederversammlung im Site archéologique du
Saint-Gervais (Ausstellungsraum im
Grabungsbereich unter der Kirche SaintGervais). Die anwesenden 19 stimmberechtigen Mitglieder erledigten rasch die
statutarischen Punkte der ordentlichen
Mitgliederversammlung, die zu keinerlei
Diskussionen Anlass gaben. Bereits nach
rund 30 Minuten konnte somit zum Exkursionsteil übergegangen werden.
Saint-Gervais ist das älteste Quartier der
Rive droite von Genf. Hier entstanden
schon im 9. Jh. ein Palast mit Kapelle
Abb. 1
92
Mittelalter 18, 2013 / 3
Vereinsmitteilungen
heren Bauten freigelegt und in einem
site archéologique als Grabungsbefunde
konserviert, in denen sich der Besucher
bewegen kann (Abb. 1 und 2). Neben einem gallo-römischen Bau sind hier die
Reste der frühchristlichen Kirche und einer romanischen Krypta zu sehen.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen
(Abb. 3) im Zentrum der Altstadt von
Genf besuchten die 22 Teilnehmenden
die akuelle Grabung an der Esplanade
Saint-Antoine.
Abb.2
Abb. 3
Am Ostrand der Cité wurde 1994 in
diesem Bereich ein unterirdisches Parkhaus gebaut. Dabei legte man die Spuren mehrerer Etappen der Genfer Stadtbefestigung frei. Zuinnerst fanden sich
die Spuren der mittelalterlichen Stadtmauer, entstanden zwischen 1287 und
1330. Daran stösst das Fundament eines Schalenturms, der in den Quellen
1509 als «Tour des Lépreux» bezeichnet wird. Um 1537 wurde vor die Stadtmauer eine neue Wehrmauer gezogen
und die Schanze Saint-Laurent errichtet;
von dieser sind im nun erstellten Parkhaus die Aussenmauern sichtbar. Um
1559/60 wurde dann darüber die grosse
Bastion Saint-Antoine errichtet und alle
früheren Strukturen überdeckt (Abb. 4).
Bereits beim Bau des Parkings stellte
man fest, dass in diesem Bereicht ein
frühmittelalterliches Gräberfeld (6.–8. Jh.)
liegt. Bei der Umgestaltung der Esplanade Saint-Antoine wird seit 2010 unter der Bastion auch die Begräbniskirche
entdeckt und freigelegt (Abb. 5).
Am Sonntag trafen sich 20 Teilnehmende beim Busbahnhof, um nach kurzer Fahrt in das Genfer Umland südlich
des Sees zu gelangen. Ziel ist die Burgruine Rouelbeau bei Meinier GE.
Diese Burgruine ist eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse mittelalterlicher Burgenarchitektur auf Genfer Boden. Die
meisten Herrschaftssitze wurde nämlich im Rahmen der Religionskriege und
der Festigung der Genfer Stadtherrschaft
spätestens im 16. Jh. zerstört.
Im Rahmen der Renaturierung von
Fluss- und Bachläufen im Kanton Genf
wurde ein grosser Geländeabschnitt südöstlich der Burg in einen künstlichen See
Abb. 4
Mittelalter 18, 2013 / 3
93
Vereinsmitteilungen
umgewandelt, aus dem sich ein sumpfiges Biotop entwickelt. Dies veranlasste
den Kantonalen Archäologischen Dienst
Genf (SCG), eine grossflächige Untersuchung des Geländes durchzuführen.
Denn die spätmittelalterlichen Bauherren haben offenbar auf diese sumpfige
Umgebung beim Bau der Burg Rouelbeau Rücksicht genommen: Das Aufwerfen eines künstlichen Hügels für den
Bau der Burg wird 1339 urkundlich erwähnt. Das Forschungsprojekt begann
im Frühjahr 2001 und hat zum Ziel, die
Baugeschichte der Anlage zu erforschen
und auf den Grundlagen der neuen Erkenntnisse die Ruine entsprechend zu
konservieren.
Gemäss schriftlichen Quellen wurde die
«Bastie de Roillebot» durch Humbert
von Choulet nach nur einjähriger Bauzeit 1318 als Holzburg errichtet. Bereits 1319 wurde die Burg ein Herrschaftsssitz der Freiherren von Faucigny,
deren Gebiet sich vom Fuss der französischen Alpen bis zum Genfersee erstreckte. Das führte in der Folge zu
Spannungen mit den Grafen von Genf
und dem Hause Savoyen. 1339 versuchten die Freiherren von Faucigny deshalb
ihre Holzburg an den im fernen Avignon residierenden Papst zu verkaufen.
In der dafür aufgezeichneten Offerte, die
erhalten ist, wird die Holzburg mit ihren Bauteilen erwähnt. Zwischen 1139
und 1355 ist die offensichtlich nicht
verkaufte Burg in eine Steinburg umgewandelt worden. 1355 übernehmen
die Herzöge von Savoyen die Herrschaft
Faucigny, und damit auch die Burg, die
sie aber bald danach aufliesen. So diente
die Burg seit dem 15. Jh. als Steinbruch
für den Bau umliegender Bauernhäuser.
Abb. 5
Abb. 6
Mit den Informationen über eine Holzburg begannen die Archäologen 2001
mit deren Suche unter den erhaltenen
Spuren unter den Mauerresten; zunächst
ohne Erfolg! Erst im zweiten Jahr, als
man schon etwas misstrauisch gegenüber den Schriftquellen war, kamen die
Pfostenreihen der Palisade zum Vorschein (Abb. 6).Sie lagen rund 1 m innerhalb der steinernen Ringmauer. Die
Forschungen auf diesem Platz erbringen
inzwischen wichtige neue Erkenntnisse
in Bezug auf die Verwendung von Holz
Abb. 7
94
Mittelalter 18, 2013 / 3
Vereinsmitteilungen
Abb. 8
beim spätmittelalterlichen Burgenbau.
Die Befunde wurden auf dem Platz mit
den aufmerksamen Exkursionsteilnehmenden ausführlich diskutiert (Abb. 7).
Bei angenehmem Wetter (Sonne mit
leichter Bise) wurde den Teilnehmenden
von der Kantonsarchäologie Genf ein
reichhaltiges Picknick offeriert, selbstverständlich mit einem Aperitif (Abb. 8).
Abb. 9
nach kurzer Fahrt das Städtchen Hermance. Stadt und Hafen wurden 1247
von Aimon de Faucigny gegründet, um
einen festen Platz am Südufer des Genfersees zu erhalten. 1815 wurde der Ort
dem Kanton Genf angeschlossen. Die
ehemals befestigte Siedlung gliedert sich
in eine regelmässig angelegte Unterstadt
und die Oberstadt; diese wird durch
die 1337–39 errichtete Burg dominiert
(Abb. 9). Davon erhalten hat sich der
massive Rundturm, den wir im Rahmen
dieser Exkursion auch im Innern besichtigten durften. Von der Plattform aus hat
man eine wunderbare Übersicht über das
Städtchen und die nähere und weitere
Umgebung (Abb. 10).
(Thomas Bitterli)
Nach dem Mittagessen erreichten wir
Abb. 10
Mittelalter 18, 2013 / 3
95
Vereinsmitteilungen
Vorstand für das Vereinsjahr 2013
Präsidentin:
Dr. Renata Windler
Baudirektion Kanton Zürich
ARV/Archäologie und Denkmalpflege
Stettbachstrasse 7
CH-8600 Dübendorf
Tel. 043 343 45 20
renata.windler(at)bd.zh.ch
Vizepräsidenten:
Urs Clavadetscher, lic. phil.
Amt für Kultur Kanton Graubünden
Archäologischer Dienst
Loëstrasse 26, CH-7001 Chur
Tel. 081 254 16 62
urs.clavadetscher(at)adg.gr.ch
Hansjörg Frommelt
Landesarchäologie Messinastr. 5
FL-9495 Triesen, Liechtenstein
Tel. +423 236 75 31
hansjoerg.frommelt(at)llv.li
Quästor:
Dr. iur. Martin Baumgartner
Treuhandgesellschaft BK & P
Postfach 2100, CH-8022 Zürich
Tel. 044 213 69 69
[email protected]
Weitere Vorstandsmitglieder:
Dr. Armand Baeriswyl
Archäologischer Dienst des Kantons
Bern
Brünnenstrasse 66, Postfach 5233
CH-3001 Bern
Tel. 031 633 98 22
armand.baeriswyl(at)erz.be.ch
Gaëtan Cassina
Prof. honoraire UNIL
Case postale 117,CH-1963 Vétroz
Mobil 079 360 53 38
gaetan.cassina(at)unil.ch
Dr. Elisabeth Crettaz
Le Forum
CH-3961 Zinal VS
Tel. 027 475 20 28
elisabeth.cretta(at)bluewin.ch
Christian de Reynier
Archéologue du bâti
Office du patrimoine et de l’archéologie
Section Conservation du patrimoine
96
Mittelalter 18, 2013 / 3
Rue de Tivoli 1
CH-2000 Neuchâtel
Christian.deReynier(at)ne.ch
Peter Niederhäuser, lic. phil.
Brauerstr. 36, CH-8400 Winterthur
Tel. 052 213 26 72
p.niederhaeuser(at)sunrise.ch
Flurina Pescatore, lic.phil.
Denkmalpflegerin des Kantons
Schaffhausen
Planungs- und Naturschutzamt
Beckenstube 11, CH-8200 Schaffhausen
Tel. 052 632 73 38
flurina.pescatore(at)ktsh.ch
Zürcher Vortragsreihe
Donnerstag,
7. November 2013
18.15 Uhr
Uni Zürich-Zentrum
Hörsaal KOL-E-18
Prof. Dr. Stefan Sonderegger,
Leiter des Stadtarchivs St. Gallen
Keine Burgen, Klöster und Städte ohne
Bauern. Ein Blick auf die ländliche Gesellschaft der Ostschweiz im Mittelalter
Bis weit in die Neuzeit lebten rund 80
Prozent der Menschen auf dem Land.
Viele davon waren Bauern, die Böden
bewirtschafteten, die sie von Adligen,
Klöstern, Spitälern und Stadtbürgern als
Lehen erhielten. Dafür zahlten sie Abgaben, die vielerorts schriftlich festgehalten
sind. Diese Dokumente machen es möglich, die Alltagsbeziehungen zwischen
Bauern und Herren im Mittelalter zu untersuchen. Im Vortrag werden Schriftstücke aus Ostschweizer Archiven gezeigt
und kommentiert.
Donnerstag,
12. Dezember 2013
18.15 Uhr
Uni Zürich-Zentrum
Hörsaal KOL-E-18
Dr. Reto Marti, Leiter der Archäologie
Baselland, Liestal
Der Altenberg bei Füllinsdorf BL –
die Entdeckung einer frühen Adelsburg
Die Ausgrabungen auf dem Altenberg ob
Füllinsdorf übertrafen alle Erwartungen.
Ans Licht kam eine der ältesten Burganlagen der Region, gegründet um 1000,
und vor 1100 bereits wieder verlassen.
Das reiche Fundmaterial gibt spannende
Einblicke in das Leben auf einer frühen
Adelsburg. Ihr rasches Ende wirft regionalgeschichtliche Fragen auf.
Donnerstag,
23. Januar 2014
18.15 Uhr
Uni Zürich-Zentrum
Hörsaal KOL-E-18
Benedikt Zäch, lic. phil., Leiter des
Münzkabinetts Winterthur
Heilige Kaiser im 15. Jh.: Heinrich II. in
Basel, Karl der Grosse in Zürich
Mittelalterliche Herrscher hatten zuweilen ein bedeutendes Nachleben als
Patrone für Städte; je länger ihr Tod
zurücklag, desto grösser wurde der Gestaltungsraum für die Verehrung. Heinrich II. in Basel, der Stifter des Münsters,
und Karl der Grosse in Zürich, legendärer Gründer des Grossmünsterstifts,
sind Beispiele, die sich geradezu für einen Vergleich anbieten. Im 15. Jh. wurde
um die beiden Kaiser ein älterer lokaler
Kult neu belebt, der sich baulich, in der
Kunst und auch in der Münzprägung
manifestierte.
Samstag, 12. April 2014,
10.15–12.15 Uhr
Besammlung auf der Rathausbrücke
Auf den Spuren Karls des Grossen in
Zürich. Orte, Fakten und Legenden
Führung durch Dr. Dölf Wild und
Dr. Andreas Motschi, Stadtarchäologie
Zürich
Wie sah Zürich in karolingischer Zeit
aus? Welchen Einfluss übte das fränkische Königshaus auf den Ort aus?
Welche Rolle spielte die Verehrung der
Stadtheiligen Felix und Regula? Wir gehen auf Spurensuche zwischen Lindenhof, Fraumünster und Grossmünster.
Gäste sind herzlich willkommen.
Die Veranstaltungen sind unentgeltlich.
Dr. Renata Windler, Tel. 043 259 69 20.
Siehe auch: www.burgenverein.ch
Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters (SBKAM)
Band 1, 1974
Werner Meyer, Alt-Wartburg im Kanton
Aargau.
Band 16, 1989 (vergriffen)
Werner Meyer (u. a.), Die Frohburg.
Ausgrabungen 1973−1977.
Band 31, 2004
Gesicherte Ruine oder ruinierte Burg?
Erhalten – Instandstellen – Nutzen.
Band 2, 1975 (vergriffen)
Jürg Ewald (u. a.), Die Burgruine Scheidegg
bei Gelterkinden.
Band 3, 1976 (vergriffen)
Werner Meyer (u. a.), Das Castel Grande
in Bellinzona.
Band 17, 1991
Pfostenbau und Grubenhaus − Zwei frühe
Burgplätze in der Schweiz. Hugo Schneider,
Stammheimerberg ZH. Bericht über die
Forschungen 1974−1977. Werner Meyer,
Salbüel LU. Bericht über die Forschungen
von 1982.
Band 32, 2005
Jakob Obrecht, Christoph Reding,
Achilles Weishaupt, Burgen in Appenzell.
Ein historischer Überblick und Berichte
zu den archäologischen Ausgrabungen auf
Schönenbühl und Clanx.
Band 4, 1977 (vergriffen)
Maria-Letizia Boscardin, Werner Meyer,
Burgenforschung in Graubünden, Die
Grottenburg Fracstein und ihre Ritzzeichnungen. Die Ausgrabungen der Burg
Schiedberg.
Band 18/19, 1992
Jürg Manser (u. a.), Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.−19. Jahrhundert). Archäologische und historische
Untersuchungen zur Geschichte von Strafrechtspflege und Tierhaltung in Luzern.
Band 5, 1978 (vergriffen)
Burgen aus Holz und Stein, Burgenkundliches Kolloquium Basel 1977 − 50 Jahre
Schweizerischer Burgenverein. Beiträge
von Walter Janssen, Werner Meyer, Olaf
Olsen, Jacques Renaud, Hugo Schneider,
Karl W. Struwe.
Band 20/21, 1993/94
Georges Descoeudres (u. a.), Sterben in
Schwyz. Berharrung und Wandel im
Totenbrauchtum einer ländlichen Siedlung
vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit.
Geschichte − Archäologie − Anthropologie.
Band 6, 1979 (vergriffen)
Hugo Schneider, Die Burgruine AltRegensberg im Kanton Zürich.
Band 7, 1980 (vergriffen)
Jürg Tauber, Herd und Ofen im Mittelalter. Untersuchungen zur Kulturgeschichte am archäologischen Material
vornehmlich der Nordwestschweiz
(9.−14. Jahrhundert).
Band 8, 1981 (vergriffen)
Die Grafen von Kyburg. Kyburger Tagung
1980 in Winterthur.
Band 9/10, 1982
Jürg Schneider (u. a.), Der Münsterhof
in Zürich. Bericht über die vom
städtischen Büro für Archäologie durchgeführten Stadtkernforschungen 1977/78.
Band 11, 1984
Werner Meyer (u. a.), Die bösen Türnli.
Archäologische Beiträge zur Burgenforschung in der Urschweiz.
Band 12, 1986 (vergriffen)
Lukas Högl (u. a.), Burgen im Fels.
Eine Untersuchung der mittelalterlichen
Höhlen-, Grotten- und Balmburgen
in der Schweiz.
Band 13, 1987
Dorothee Rippmann (u. a.), Basel Barfüsserkirche. Grabungen 1975−1977.
Band 14/15, 1988
Peter Degen (u. a.), Die Grottenburg
Riedfluh Eptingen BL.
Band 33, 2006
Reto Dubler, Christine Keller, Markus
Stromer, Renata Windler, Vom Dübelstein
zur Waldmannsburg. Adelssitz,
Gedächtnisort und Forschungsprojekt.
Band 34, 2007
Georges Descoeudres, Herrenhäuser
aus Holz. Eine mittelalterliche Wohnbaugruppe in der Innerschweiz.
Band 35, 2008
Thomas Reitmaier, Vorindustrielle
Lastsegelschiffe in der Schweiz.
Band 22, 1995
Daniel Reicke, «von starken und grossen
flüejen». Eine Untersuchung zu Megalithund Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und Rhein.
Band 36, 2009
Armand Baeriswyl / Georges Descœudres /
Martina Stercken / Dölf Wild (Hrsg.),
Die mittlelalterliche Stadt erforschen –
Archäologie und Geschichte im Dialog.
Band 23/24, 1996/97
Werner Meyer (u. a.), Heidenhüttli.
25 Jahre archäologische Wüstungsforschung im schweizerischen Alpenraum.
Band 37, 2010
Lukas Högl, Der Spaniolaturm zu
Pontresina.
Band 25, 1998
Christian Bader, Burgruine Wulp bei
Küsnacht ZH.
Band 26, 1999
Bernd Zimmermann, Mittelalterliche
Geschossspitzen. Typologie − Chronologie − Metallurgie.
Band 27, 2000
Thomas Bitterli, Daniel Grütter, Burg
Alt-Wädenswil. Vom Freiherrenturm
zur Ordensburg.
Band 28, 2001
Burg Zug. Archäologie – Baugeschichte –
Restaurierung.
Band 29, 2002
Wider das «finstere Mittelalter» – Festschrift Werner Meyer zum 65. Geburtstag.
Band 30, 2003
Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und
Stadterweiterung im Mittelalter. Archäologische und historische Studien zum
Wachstum der drei Zähringerstädte
Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau.
Band 38, 2011
Felicia Schmaedecke, Kloster Mariazell
auf dem Beerenberg bei Winterthur.
Neuauswertung der Ausgrabungen
1970–1972 im ehemaligen AugustinerChorherrenstift.
Band 39, 2012 (Sonderband)
Ofenkeramik und Kachelofen – Typologie,
Terminologie und Rekonstruktion im
deutschsprachigen Raum (CH, D, A, FL)
mit einem Glossar in siebzehn Sprachen.
Von Eva Roth Heege mit Beiträgen von
Monika Dittmar, Julia HallenkampLumpe, Andreas Heege, Matthias Henkel,
Klaus Hufnagel, Uwe Lamke, Katja Lesny,
Margret Ribbert, Harald Rosmanitz und
Günther Unteidig.
Band 40, 2012
Ursina Jecklin-Tischhauser, Lotti Frascoli
und Manuel Janosa, Die Burg Marmels –
Eine bündnerische Balmburg im Spiegel
von Archäologie und Geschichte. Mit
Beiträgen von Örni Akeret, Ludwig
Eschenlohr, Silke Grefen-Peters, Florian
Hitz, Lukas Högl, Marlu Kühn und
Christina Papageorgopoulou.
Mittelalter · Moyen Age ·
Medioevo · Temp medieval,
die Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins,
veröffentlicht Ergebnisse
aktueller Forschungen zur
Kulturgeschichte und
Archäologie des Mittelalters
in der Schweiz. Schwerpunkte bilden die Burgenforschung, Siedlungsarchäologie sowie Untersuchungen
zur mittelalterlichen Sachkultur.
ISSN 1420-6994
Mittelalter · Moyen Age ·
Medioevo · Temp medieval.
La revue de l’Association
Suisse Châteaux forts
publie les résultats d’études
menées en Suisse dans
le domaine de l’archéologie
et de l’histoire médiévales.
Les travaux de castellologie
et d’archéologie des habitats,
ainsi que les études relatives
à la culture matérielle,
constituent ses principaux
domaines d’intérêt.
Schweizerischer
Association Suisse
Associazione Svizzera
Associaziun Svizra
Mittelalter · Moyen Age ·
Medioevo · Temp medieval,
la rivista dell’Associazione
Svizzera dei Castelli, pubblica i risultati delle ricerche
attuali in Svizzera nel campo
della storia della cultura e
dell’archeologia del medioevo. I punti focali sono la
ricerca concernente i castelli,
le indagini archeologiche
degli insediamenti come
anche lo studio della cultura
medioevale.
Burgenverein
Châteaux forts
dei Castelli
da Chastels
Mittelalter · Moyen Age ·
Medioevo · Temp medieval,
la revista da l’Associaziun
Svizra da Chastels, publitgescha ils resultats da
perscrutaziuns actualas
davart l’istorgia culturala e
l’archeologia dal temp
medieval en Svizra. Ils
accents da la revista èn la
perscrutaziun da chastels,
l’archeologia d’abitadis
e las retschertgas davart la
cultura materiala dal temp
medieval.

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