Kirchenführer zur katholischen Kirche HEILIG-GEIST

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Kirchenführer zur katholischen Kirche HEILIG-GEIST
Südfassade, Blick nach Westen
Röm.-Kath. Pfarrei HEILIG-GEIST Suhr-Gränichen · 5034 Suhr
Kirchenführer zur katholischen Kirche
HEILIG-GEIST in Suhr
Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Kirche
Wir möchten Ihnen unsere wunderschöne Kirche mit der nachfolgenden Beschreibung
kurz vorstellen. Setzen Sie sich in die Mitte der Kirche und lassen Sie zuerst den Gastgeber – den Heiligen Geist – sowie den Kirchenraum auf sich einwirken.
Am Abhang des Suhrenchopf befindet sich die alte – heute protestantische – Kirche von
Suhr, welche zwischen 1495 und 1500 erbaut und dem hl. Mauritius geweiht wurde. Unsere Kirche wurde dem Heiligen Geist geweiht und Mauritius ist unser zweiter Kirchenpatron. Wir taten dies nicht, um über den Apostelfürsten Petrus und Paulus von Aarau zu
stehen. Nein, wir stehen im Zeitalter des Heiligen Geistes. Der Zug nach Einheit geht um
die Welt. Oekumene, kirchliche Einheit und der Wunsch nach Einbezug der Kirche in
unsere Gesellschaft ist die grosse Herausforderung auch unseres 21. Jahrhunderts.
Zur Baugeschichte
Am 11. November 1955 erhielten vier Architekten einen Studienauftrag für die Projektierung der katholischen Kirche Suhr. Die Prüfung der Projekte nahm recht viel Zeit in
Anspruch. Am 30. April 1958 wurde das Projekt des Architekten Hanns A. Brütsch in Zug
für die Detailplanung und Kostenberechnung in Auftrag gegeben. Am 28. August 1960
war der Rohbau mit der vorgespannten Betondecke, welche die Kirche wie ein Baldachin
überspannt, vollendet. Ende November 1960 hatte der Turm seine planmässige Höhe von
dreissig Metern erreicht; und am 10. Dezember desselben Jahres zogen an die hundert
Schulkinder mit oekumenisch vereinten Kräften die von der Mutterpfarrei Aarau überführten fünf Glocken in die Glockestube auf. Unser damaliger Diözesanbischof Franziskus
von Streng weihte die neue Kirche auf den Namen HEILIG-GEIST und übergab sie ihrer
Bestimmung.
Der grosszügig bemessene Altarraum
Nach Ihrem ersten Rundgang in der Kirche ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass der breite, nach vorne schalenförmig sich verjüngende und relativ kurze Raum, die zum Gottesdienst versammelten Menschen zusammenfasst. Die Wände umrahmen diesen Raum,
und in den darüberliegenden Glasfenstern kann man den Himmel erkennen. Der grosszügig bemessene Altarraum ist das Gegengewicht zum Raum der Gläubigen. Er wächst
gleichsam zur grössten Breite und zur grössten Höhe an und die grossen Fensterfronten
geben ihm die intensive, mit dem Licht und dem farbigen Glas spielende Helligkeit. Ein
Raum, in dem die Liturgie zu Ehren Gottes sich ungezwungen entfalten kann; ein Raum,
in dem auch grosse Chöre und Orchester Platz haben. Die hohe, hellgraue Stirnmauer
zeigt sich bewusst ohne Bildwerk oder Plastik. Nichts soll von der Handlung am Altar
ablenken. Dafür ist die künstlerische Gestaltung vornehmlich auf die, den Gesamtraum
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abschliessenden Fensterfronten konzentriert. Im Bewusstsein der Bedeutung dieser künstlerischen Aufgabe, wurde ein Wettbewerb unter drei qualifizierten Schweizer Glasmalern
veranstaltet. Ein Preisgericht hat nach eingehenden Beratungen den einstimmigen Beschluss gefasst, den Entwurf von Kunstmaler Ferdinand Gehr aus Altstätten (SG) zur Ausführung zu bringen. Ein damals sehr mutiger, aber aus heutiger Sicht glücklicher Entschluss, war doch der Künstler wegen seinen Kirchenbildern in Oberwil (ZG) zu jener
Zeit in Kirchenkreisen nicht unbestritten.
Der Altar, das Zentrum des Altarraumes
Im Zentrum des Altarraumes erhebt sich der in weissem Laufener Kalkstein geformte
Altar des Bildhauers Albert Schilling aus Arlesheim. Der Altar ist annähernd quadratisch
im Grundriss; ein Tisch, der auf drei Quadersteinen ruht. Aus dem gleichen Material ist
der Ambo, die Kanzel und die Stele für den Tabernakel geschaffen. Beachtenswert ist
auch das ebenfalls von Albert Schilling geschaffene Kreuz hinter dem Altar. Es stellt den
gekreuzigten und zugleich auferstandenen Christus dar, der sich mit den verklärten Wunden (Gold) seinen Jüngern zeigt. Das Blut der Wunden ist hier zum Gold der verzeihenden Liebe geworden.
Der Altar im einscheinenden Nachmittagslicht
Das Kirchendach, ein «freischwebender» Baldachin
Die Decke ist ein seltenes Meisterwerk moderner Technik aus jener Zeit und soll deshalb
nicht unerwähnt bleiben. Die Berechnungen wurden durch den bekannten Statiker Emil
Schubiger aus Zürich durchgeführt. Sie ist eine, an vorgespannten, dicken Drahtseilen hängende Betondecke, welche während eines Tages in ununterbrochener Arbeit vom Morgen
bis zur einbrechenden Dunkelheit gegossen wurde. Um dies zu ermöglichen, haben auch
viele Gläubige aus der Pfarrei das Bauteam aktiv unterstützt. Von aussen ist gut zu sehen,
dass die Grundidee des Daches ein von vier Stützen getragener Baldachin darstellt.
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Das unendliche Farbenspiel der Glasfenster
An einem sonnigen Tage füllt das Farbenspiel der Glasfenster den ganzen Kirchenraum.
Im Fenster rechts werden die Apostel zusammen mit der Mutter Gottes vom verheissenen
Pfingstgeist erfüllt. Der rotierende Feuerball verkörpert die unerschöpfliche Energie des
Heiligen Geistes. Nur schon ein Fünklein davon vermag jede und jeden zu erfassen und
zu «begeistern». Über die Jahrhunderte hinweg fliegen seine Feuerfetzen bis in unsere
Zeit hinein. Die roten Lichter über dem Taufbrunnen hinten in der Kirche können als
seine Gegenwart in unserer Gemeinde gedeutet werden.
Die linke Seite zeigt Mose auf dem Weg durch die Wüste. Er ist der menschliche Repräsentant der göttlichen Führung. Jahwe (der «Ich-bin-da») schwebt als Wolke bzw. Wolkensäule gross über seinem Volk. Die Wolke steht als Symbol für Gott im ersten Testament.
Im zweiten Testament erscheint sie anlässlich der Himmelfahrt Christi wieder, wo sie den
Auferstandenen einhüllt, ihn in die Herrlichkeit Gottes hineinnimmt und ihn so den Blicken und dem Zugriff der Menschen entzieht. Als Führung der Juden durch ihren Bundesgott über alle Jahrhunderte hinweg können die links sich ausbreitenden Wolkenfetzen
gedeutet werden, welche dem auserwählten Volk Gottes vorausziehen, damit es einst jenen Messias erkenne, um den es noch heute täglich betet.
Der Künstler Ferdinand Gehr (1896-1996) schreibt:
«Ich entschloss mich zur Darstellung von zwei Begegnungen
Gottes mit den Menschen: Im rechten Teil das Erscheinen des
Heiligen Geistes am Pfingstfest und im linken Teil die Erscheinung Gottes in der Gestalt der erleuchteten Wolke über den
Israeliten auf ihrer Wanderung durch die Wüste. Das Übermächtige des Göttlichen wird in den grossen Flächenmassen
der beiden schwebenden Gestalten (Wolkensäule und Feuerball) ausgedrückt, zu denen die Gruppen der Menschen in kleinerem Format und feiner Einteilung gesetzt sind. Auch das
Oben und das Unten spielen eine Rolle in diesem Gefühl des
Mächtigen und des Kleinen ….
Ein besonderes Problem stellte sich mit der Festlegung der Farben. Bei den grossen Dimensionen der Glaswände lag die Gefahr einerseits im unerträglich Bunten und andererseits im lastenden Düstern. Die farbige Komposition besteht nun aus einem sich durchziehenden Grundthema aus Grün und Braun,
in dunkleren und trüben Gläsern einerseits und in eingelegten
Partien aus reinen Farbtönen mit durchwegs hellem Charakter
andererseits. Dieser einfache Kontrast fügt sich in die Töne des
Betons und der hellen Putzwände harmonisch ein. Es bildet
sich ein Raum, der nach aussen hin sich abschliesst und zugleich
durch den einheitlich geistigen Charakter vom Profanen weg
dem Göttlichen entgegenführt».
Ferdinand Gehr kurz vor
seinem 100. Geburtstag
Ferdinand Gehr
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Heilig-Geist-Bild, Maria mit den Jüngern an Pfingsten
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Die Wolkensäule als Symbol Gottes im ersten Testament
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Farbenspiel von aussen
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Mutter Gottes, Taufbecken und Tabernakel
Meistens brennen Kerzen bei der Muttergottes und ihrem, den Menschen hingehaltenen
Kind. Die Plastik stammt – wie auch der Taufsteindeckel und die Tabernakelverzierung –
von Josef Rickenbacher aus Steinen (SZ). Während der Kirchenraum ein Festsaal für die
Gemeinde ist, finden hier eher die stillen Beterinnen und Beter ihren Ort zum Verweilen;
vielleicht um zu bitten, ein Licht zu entzünden oder mit einer Blume ein Zeichen des
Dankes zu setzen.
Madonna mit Kind
Tabernakel
Taufstein
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Altarkreuz im sich wandelnden Licht des Tages
Altar im Lichtermeer der einscheinenden Sonne
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Diesem Kirchenraum kann sich keiner entziehen
Arnold Helbling, der damalige Pfarrer von Aarau und spätere Kantonaldekan, meinte: «Diesem Kirchenraum wird sich wohl keiner entziehen können, denn die edelsten Bedürfnisse der heutigen Menschen fühlen sich in ihm angesprochen: Der Drang nach Gemeinschaft, der Wunsch, vom Peripheren zum Zentralen und Wesentlichen zu kommen.
Architekt Hanns A. Brütsch schuf einen erhabenen liturgischen Raum, dessen Würde,
Ruhe und Schönheit unmittelbar anspricht, der aber erst im Vollzug der Eucharistie voll
und ganz erlebt werden kann».
Die frei schwebende Empore, ein statischer Trick
Die vollkommen ohne Stütze frei in den Raum schwebende Empore können Sie beim
Verlassen der Kirche nur schwer übersehen. Wie ist diese freie Auskragung technisch möglich? Die Erklärung dazu ist das weit ausladende Vordach vor der Kirche, unter dem sich
nach dem Gottesdienst auch bei Regen mit Freunden gemütlich plaudern lässt. Dieses
Vordach und die mit ihm verbundene frei tragende Empore halten sich gegenseitig das
Gleichgewicht. Ein architektonisches und statisches Meisterwerk.
Die freischwebende Empore mit der Kuhn-Orgel
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Die «Königin der Instrumente» gibt den Ton an
Die Orgel auf der Empore wurde 1975 von der renommierten Firma Orgelbau Kuhn AG in
Männedorf gebaut. Das Instrument besteht aus Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal. Die
25 Register sind so disponiert, dass ein grosser Teil der Orgelliteratur stilgetreu wiedergegeben werden kann. Die Klangpalette der Orgel könnte mit «singend», «kräftig» oder
auch «mystisch» umschrieben werden. Die Traktur des Spiels erfolgt mechanisch, die
Registratur mit drei freien Kombinationen wird elektrisch angesteuert. Durch die Anordnung des Spieltisches in angemessener Entfernung zum Instrument ist eine optimale Klangkontrolle durch den Spieler möglich.
Joseph Bucher aus Luzern amtierte beim Neubau als Orgelexperte. Die Orgel wurde von
Herbert Baumann (heutiger Organist) intoniert und im Jahr 1998 durch Raymond Petzold
vorbildlich revidiert. Neben den Gottesdiensten steht das Instrument auch bei mehreren
Orgelkonzerten pro Jahr im Einsatz.
Kuhn-Orgel und Fensterbänder aus der Fischaugen-Perspektive
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Der 30 Meter hohe, freistehende Kirchturm
Der dreissig Meter hohe Turm war zuerst an die Kirche anliegend geplant, musste dann
aber wegen einer Baueinsprache versetzt werden. Das nahm der Architekt zum Anlass,
den Turm gleichsam als Betonplastik verstanden zu wissen, als elegant und kraftvoll
aufgerichteter «Zeigefinger» Gottes. Er zieht schon von weitem die Blicke all jener auf
sich, die auf der Tramstrasse nach Suhr kommen. Von Osten her betrachtet, bildet er mit
dem geschwungenen Dach des Kirchenkubus eine wunderschöne Einheit (siehe Titelseite).
Der 30 Meter hohe, freistehende Kirchturm
Die Texte verdanken wir:
Pater Hans John (ehemaliger priesterlicher Mitarbeiter in unserer Pfarrei); Max Brändle, Architekt; Arnold
Helbling, damaliger Pfarrer von Aarau; Ferdinand Gehr, Kunstmaler (†1996) und Herbert Baumann, heutiger
Organist.
Die Bilder verdanken wir:
Paul Hengartner, heutiger Gemeindeleiter.
24.3.2007/hu
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