nachbau des ersten hybridautos
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nachbau des ersten hybridautos
früher war alles besser // porsche semper vivus Aktion Porsche-Doppelherz: Nachbau des ersten Hybridautos Hybride Vehikel, die mit Benzin- und Elektromotoren laufen, gelten als Innovation. Sind sie aber nicht: Porsche zeigte schon vor Dekaden, wie so etwas funktioniert. Nun ist der „Semper Vivus“ nachgebaut worden Text: Heiko P. Wacker Fotos: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG V or kurzem noch als Sensation gehandelt – heute Alltag: Hybridautos. Zumeist japanische Fabrikate, inzwischen aber auch deutsche Marken nutzen die Kraft von Benzin- und Elektromotoren, um den Durchschnittsverbrauch zu drücken. Selbst bei Porsche gilt „Hybrid“ inzwischen als schick – wobei die Zuffenhausener mittlerweile sogar auf lange verpönte Selbstzünder setzen. Was viele dabei vergessen: Porsche machte schon Erfahrungen mit dem Hybridantrieb, bevor es die Marke überhaupt gab – und die dürften alles andere denn langweilig gewesen sein. Der kürzlich nachgebaute „Semper Vivus“ beweist das eindrucksvoll. Porsche-Museum. Stolz stellte man den Firmenvater als Visionär dar: „Ferdinand Porsche – Pionier des Hybridantriebs“ wurde eine Sonderausstellung genannt – und das war nicht mal übertrieben, betrat er doch mit der Konstruktion technisches Neuland. Und zwar vor exakt 111 Jahren. Zu jener Zeit hatte das Auto seine Karriere kaum begonnen: Bertha Benzens erster Ritt lag gerade mal ein gutes Dutzend Jahre zurück – und Porsche koppelte schon wild zwei Benzinmotoren mit Generatoren zu einer Ladeeinheit zusammen, um gleichzeitig Radnabenmotoren und Batterien mit Strom versorgen. Es war das erste serielle Hybridauto – für den Durchbruch brauchte es indes noch fast ein ganzes Jahrhundert … Die Replik des ersten funktionsfähigen Hybridautomobils der Welt war nun der Star im Damit wir jetzt aber nicht durcheinander kommen, wollen wir die Story der Reihe nach 05/2011 038 motor maniacs 01/2012 erzählen. Und deshalb müssen wir nochmals fünf Jahre zurückgehen, bis ins Jahr 1896. Der rührige Tüftler Porsche war schon früh mit der Konstruktion und der Entwicklung seiner Automobile beschäftigt. Als erstes Resultat präsentierte er ein von gelenkten Radnabenmotoren angetriebenes Elektrofahrzeug mit dem Namen „Lohner-Porsche“. Das Fahrzeugdebüt fand auf der Pariser Weltausstellung 1900 statt. Rasch war die Konstruktion des 25-jährigen Rookie Gesprächsthema. Der Junge war immerhin schon als Cheftechniker in der k.u.k.-Hofwagen-Fabrik Jakob Lohner & Co. in Wien-Floridsdorf unter Vertrag – dass eine NASA seine Idee jedoch mal auf den Mond schießen würde, hätte er sich wohl nicht gedacht: Auch im Mondauto kamen elektrische Radnabenmotoren zum Einsatz. Auto-Restauration für Erwachsene! Ein paar Schwarz-Weiß-Bilder und eine originale technische Zeichnung y – das waren die Grundlagen für den Nachbau des funktionsfähigen (!) Lohner-Porsche „Semper Vivus“ „Semper Vivus“ – „immer lebendig“. Das allerdings traf auf Porsches Idee nicht so ganz zu: Sein Motorisierungskonzept blieb viele Jahrzehnte lang unbeachtet 270 Kilo je motor … Jung-Ferdinand hatte aber noch ganz andere Ideen: Ein paar Wochen nach der Weltausstellung rüstete er auf vier elektrische Radnabenmotoren auf, um einen Rennwagen zu bauen. Zugleich entstand so der erste allradangetriebene Pkw, der zudem die Vierradbremse in den Automobilbau einführte. Und weils immer noch ein bisschen extravaganter sein musste, kombinierte Porsche noch im selben Jahr 1900 seine batteriegespeisten Radnabenantriebe mit einem Benzinmotor – das Prinzip des seriellen Hybridantriebs war geboren. Mit dem ersten funktionsfähigen Vollhybridautomobil der Welt – dem kürzlich nachgebauten „Semper Vivus“ – betrat Ferdinand denn aber endgültig technisches Neuland: Zwei mit Benzinmotoren gekoppelte Genera05/2011 motor maniacs 039 01/2012 früher war alles besser // porsche semper vivus Star, nicht Sternchen! Die Replik des ersten funktionsfähigen Hybridautomobils macht sich gut im Porsche-Museum. Dort ist man zu Recht stolz auf Firmenvater Ferdinand, der als „Pionier des Hybridantriebs“ gewürdigt wird toren bildeten die Ladeeinheit, die gleichzeitig Radnabenmotoren und Batterien mit Strom versorgte. Im Herbst 1900 machte sich Porsche an die Arbeit zu einem ersten Prototypen mit „benzin-elektrischem Mischantrieb“. Von „Hybrid“ quackelte noch keiner. Vermutlich frickelte Porsche sein Renn-Elektromobil vom Semmering-Bergrennen zum ersten Vollhybrid-Automobil der Welt um. Doch das Gewichtsproblem blieb. Um die Fuhre leichter zu machen – und um Platz für die Benziner zu schaffen – flog der 74-zellige Akku des Elektromobils in die Ecke, um durch eine Batterie mit 44 Zellen ersetzt zu werden. Zur Stromerzeugung installierte Porsche dann zwei wassergekühlte 3,5-PS-DeDionBouton-Benziner, die zwei Generatoren mit je 2,5 PS antrieben. Beide lieferten jeweils 20 Ampere bei 90 Volt. Der Strom floss an die Radnabenmotoren, von denen die Überschussleistung an die Batterien weitergeleitet wurde. Dass man die Generatoren durch eine Umkehr der Drehrichtung zudem als Anlasser für die Benziner nutzen konnte, war ein nervenschonender Nebeneffekt. Und es wurde weitergebosselt: Aus dem „benzin-elektrischen Mischwagen“ entstand noch 1901 eine serienreife Variante, die als Lohner-Porsche „Mixte“ an den Start 05/2011 040 motor maniacs 01/2012 Ende 2007 wurde der Nachbau des „Semper Vivus“ beschlossen. Detailtreu und fahrbereit sollte das Modell sein, das ein Team um den Karosseriebauer Hubert Drescher verwirklichte ging. Ein deftiger Vierzylinder mit saftigen 5,5 Litern Hubraum und 25 PS übernahm die Stromerzeugung, um die beiden Radnabenmotoren in Schwung zu bringen. Zwar konnte der „Mixte“ nur noch wenige Kilometer rein elektrisch fahren, bevor der Benziner Strom liefern musste – doch wog der viersitzige Tourenwagen nun 1.200 Kilo inklusive Karosserie. Fünf „Mixte“ wurden noch 1901 für je rund 14.000 Kronen verkauft. Die Premierenserie ging übrigens an Emil Jellinek, der im Jahr zuvor den ersten Mercedes inspiriert hatte, indem er dem Modell den Namen seiner Tochter gab. So schließen sich die Kreise der Automobilhistorie. Parallel wurde weiterentwickelt, wurde die Batterie immer kleiner, bis rein elektrisches Fahren im Interesse eines leichten Fahrzeugs nicht mehr möglich war. Trotzdem blieben die Verkaufszahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Dem enormen technischen Entwicklungsaufwand standen zwischen 1900 und 1905 nur elf verkaufte Hybridautomobile entgegen. Der Preis war mit bis zu 34.028 Kronen fast doppelt so hoch wie bei konventionellen Autos. Und vom Wartungsaufwand des komplexen Antriebssystems wollen wir jetzt mal gar nicht reden! gesamtgewicht: 1,7 tonnen Genug Geschichte – kommen wir zur Gegenwart, wurde doch schon im November 2007 der originalgetreue Nachbau des LohnerPorsche „Semper Vivus“ – das lässt sich mit „immer lebendig“ übersetzen – aus dem Jahr 1900 beschlossen. Detailgetreu und voll fahrbereit sollte das Modell sein, das ein Experten-Team um den Karosseriebauer Hubert Drescher verwirklichen durfte. Mangels erhaltener Originalsubstanz – der historische Semper Vivus war ein Einzelstück und diente Porsche als Probefahrzeug, das nicht erhalten blieb – ging das Vorhaben zunächst in die Archive: Am Ende bildeten ein Karosseriebauer Drescher orientierte sich an der Technik um 1900 – verarbeitete aber auch Originalmaterial: Die beiden wassergekühlten DeDion-Bouton-Viertakter mit jeweils 700 Kubikzentimetern Hubraum leisten flotte 3,5 PS. Indes halten heute moderne Elektropumpen das Kühlmittel in Schwung … paar Schwarz-Weiß-Bilder sowie eine originale technische Zeichnung die Grundlage. Vor allem die E-Motoren waren ein Problem: Da weder ein Lastenheft noch andere Aufzeichnungen überliefert waren – geschweige denn ein funktionelles Original –, musste alles neu erdacht und berechnet werden. Rund 270 Kilo wiegt ein einzelner E-Motor, das maximale Drehmoment erreicht etwa 300 Nm. Bei der Materialauswahl orientierte sich Karosseriebauer Drescher an der Technik um 1900. Die voll funktionstüchtige Replik des Semper Vivus, die in rund drei Jahren entstand, besteht jedoch nicht allein aus nachempfundenen Bauteilen. So konnten unter anderem originale Verbrennungsmotoren eingebaut werden. Die beiden wassergekühlten DeDion-Bouton-Viertakter mit jeweils 700 Kubikzentimetern Hubraum leisten ihre 3,5 PS bei 1.200 Touren. Beim Nachbau kümmern sich übrigens kleine Elektropumpen um den Kühlmittelkreislauf. Ein bisschen Moderne darf schon sein. Das Chassis besteht aus einem schlichten rechteckigen Rundrohrrahmen aus Stahl, in dem die Batterie als schwerstes Teil in einem Kasten an vier Spiralfedern eingehängt ist. Das Original wog 420 Kilo, statt der BleiSäure-Akkus kam nun aber aus Sicherheits- gründen eine Blei-Gel-Batterie mit vergleichbaren Werten zum Einsatz. Das Fahren selbst ist eine Sache für sich: statt eines Gaspedals wird via sechsstufigem Controller geschaltet – der hieß auch 1900 schon so. Dabei handelt es sich um eine Schaltwalze mit Kontakten für unterschiedliche Stromkreise, die nacheinander genutzt werden, bis bei rund 35 km/h Schluss ist. Auf ebener Strecke kommt man mit einer Batterieladung rund 50 Kilometer weit – bei 1,7 Tonnen Lebendgewicht ist das gar kein so schlechter Wert. Danach müssen die Generatoren ran, für die 40 Liter Sprit mit an Bord ist. Daten und Fakten zum Semper Vivus Motor: 2x Einzylinder De-Dion-Bouton-Verbrennungsmotor Leistung: 2,5 PS pro Motor Leistung Elektromotor: 2,7 PS pro Rad Höchstgeschwindigkeit: 35 km/h Reichweite: 200 km Gesamtbreite: 1.880 mm vmax: 35 km/h Gesamtlänge: ca. 3 Meter Ob man die braucht, hängt auch vom Fahrer ab: Bei einer Vorderachslast von 1.060 Kilo ist das Lenken ohne Servounterstützung Schwerstarbeit. Dafür thront man mehr als zwei Meter über der Straße und genießt die Aussicht auf dem ca. drei Meter langen Porsche, der allein wegen seiner schieren Optik für Aufsehen sorgt. Wer also meint, mit einem Hybridauto würde man im Jahr 2011 nicht mehr auffallen, der sollte sich vor dem inneren Auge mal den Film eines durch die Innenstadt säuselnden Semper Vivus abspielen… Gesamthöhe: 1.850 mm Gesamtgewicht: 1,7 t Gewicht Vorderrad (einzeln): 272 kg (mit Radnabenmotor) Spurweite vorn: 1.350 mm Spurweite hinten: 1.540 mm Radstand: 2.310 mm Bodenfreiheit: 250 mm 05/2011 motor maniacs 041 01/2012