Von der ersten Marokkokrise bis zur deutschen Novemberrevolution

Transcrição

Von der ersten Marokkokrise bis zur deutschen Novemberrevolution
Die erste Marokkokrise. Durch die Revolution und den Krieg mit Japan war Rußland sehr geschwächt. Der deutsche Imperialismus versuchte diese Situation auszunutzen, um seine Positionen
in Europa zu festigen und Frankreich aus Marokko zu verdrängen. Das deutsche Monopolkapital
war an den reichen Erzvorkommen Marokkos brennend interessiert. Der deutsche Militarismus
wollte hier Flottenstützpunkte errichten. In einer alldeutschen Flugschrift wurde 1904 auf die Frage,
ob wegen Marokko ein Krieg geführt werden sollte, geantwortet: "Wenn gar nichts weiter übrigbliebe, dann ja! Tausendmal ja!"
'Das provokatorische Vorgehen des deutschen Imperialismus 1905-1906
in der Marokkofrage
brachte Deutschland tatsächlich an den Rand eines Krieges mit Frankreich und, Großbritannien.
Am 31. März 1905 landete Wilhe1m H. in Tanger, wo er sich gegen deu französischen Einfluß in
Marokko wandte. Wenig später schlug die deutsche Diplomatie eine internationale Konferenz zur
Regelung der Marokkofrage vor. Dadurch sollte das Abkommen Großbritanniens und Frankreichs
über die Anfteilung Afrikas ungültig gemacht werden. Wilhelm H. überredete den Zaren während
eines Treffens bei Björkö im Juli 1905, sich vertraglich enger an Deutschland zu binden. Durch
den russisch-japanischen Frieden von Portsmouth änderte sich aber die außenpolitische Situation
zuungunsten des deutschen Imperialismus.' Der Vertrag von Björkö wurde von russischer Seite
aus nicht ratifiziert. Rußland erhielt eine französische Anleihe von zwei Milliarden Franc. Auf
der Algeciras-Konferenz Anfang 1906 mußte der deutsche Imperialismus, der sich mehr und mehr
in der Isolation befand, seine aggressiven Absichten bezüglich Marokkos zunächst aufgeben. Durch
die Bildung der Tripleentente zwischen Großbritannien, Frankreich und Rußland im August 1907
wurde die Herausbildung der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Mächteblöcke endgültig
abgeschlossen. Das imperialistische, Deutschland erwies sich mehr und mehr als Hauptstörenfried
der Weltpolitik.
Die Reichstagswahlen von 1907 und der Bülowblock. In der deutschen Kolonie Südwestafrika hatten
sich 1904 die Völker der Hereros und Hottentotten gegen die imperialistische Unterdrückung erhoben.
Drei Jahre lang bekämpfte die deutsche "Schutztruppe" den Aufstand mit unerhörter Grausamkeit. Die deutsche Sozialdemokratie und führende Vertreter bürgerlicher Parteien, die die imperialistische Kolonialpolitik brandmarkten, hatten wesentlichen Anteil daran, daß der Reichstag einen
Nachtragsetat für die Unterdrückung des Hereroaufstandes am 13. Dezember 1906 ablehnte.
Daraufhin wurde der Reichstag aufgelöst.
Für die Neuwahlen wurden von der Regierung, dem deutschen Finanzkapital und seinen Propagandaorganisationen der Chauvinismus und die antisozialistische Pogromhetze hochgepeitscht.
Auf diese Weise gelang es ihnen, die Masse des Kleinbürgertums an die Wahlurnen zu treiben. Die
deutsche Sozialdemokratie konnte dennoch fast eine Viertelmillion mehr Stimmen gewinnen.
Infolge des reaktionären Mehrheitswahlsystems erhielt sie aber nur 43 Mandate. Nach den Wahlen
schlossen sich die Konservativen, die Reichspartei, die Nationalliberalen und die Linksliberalen
zum Bülowblock zusammen. Die linksliberalen Parteien waren während der Reichstagswahlen auf
die Position des deutschen Imperialismus eingeschwenkt. Gestützt anf diesen Block, war es Bülow
möglich, im Reichstag eine Reibe reaktionärer Gesetze und Maßnalrmen wie das Enteignungsgesetz
gegen die polnische Bevölkerung, das Reichsvereinsgesetz und die Reichsjinanzreform durchzusetzen.
Die Skandalaffäre um den zeitweilig engsten Freund Wilhelms 11., Fürst Philipp zu Eulenburg,
und andere hohe Adlige, die zum Moltke-Harden-Prozeß führte, deckte die ganze Verkommenheit
und das Treiben der einflußreichen ,Kamarilla am Kaiserhofe auf. Die britische Zeitung "Dai,ly
Telegraph" veröffentlichte im Oktober 1908 ein Interview Wilhelms 11., in dem dieser in besug auf
die deutsch-britischen Beziehungen eine Reihe die deutsche Regierung kompromittierende Auße-
rungen gemacht hatte. Der Kaiser wurde deswegen sogar von den Konservativen heftig kritisiert.·
Ein Teil der Großindustriellen begann von ihm abzurücken. Die von Bülow vorgeschlagene Erbschaftssteuer wurde 1909 von den Konservativen abgelehnt, die damit den Bülowblock sprengten.
Bülow trat am 14. Juli 1909 als Reicbskanzler zurück. Sein Nachfolger wurde der bisherige Staatssekretär des Innern, Theobald von Betl,mann Hollweg.
.
WOFÜR DIE INDIREKTEN
STEUERN
GEBRAUCHT WERDEN
Die Grundbesitlef'
erholten durch die
bisherigen Brot-u.
fleischzölle
Millionen,
durth d.geplonlen
Zölle
Millionen
6 70
Millionen
Mark
Millionen
Mork
1300
Marh.
Die~;f~~~e:de~n
52 Millionen
indirekte
Steuern ou!
_
•
i: .
,,:
Verteilung der Steuer lasten und die Verwendung der Steuerertriigc. Nach einer zeitgenössischen Flugblauillustratioti
.
Die deutsehe Arbeiterbewegung 1907-1909.
Angesichts der wachsenden Gefahr eines Imperialistischen Krieges und der Zunahme der kapitalistischen Ausbeutung verstärkte die deutsche Arbeiterklasse unter. Führung der Linken ihren Kampf gegen Imperialismus, Militarismus und Kriegsgefahr.
Im Frühjahr 1907 erschien Kar! Liebknechts Schrift "Militarismus
und Antimilitarismus
unter
besonderer Berücksichtigung der Jugendbewegung". Mit diesem Werk bereicherte Kar! Liebknecht
in hohem Maße den Marxismus. Er gab eine wissenschaftliche Analyse des imperialistischen Militarismus und entwickelte ein revolutionäres antimilitaristisches Kampfprogramm der Arbeiterklasse. Wegen dieser wissenschaftlichen Entlarvung des Todfeindes der deutschen Nation veranlaßte
der preußische Kriegsminister das Einschreiten der Klassenjustiz gegen Kar! Liebknecht. Im Oktober 1907 fand vor dem Reichsgericht in Leipzig ein Hochuerratsprozeß gegen Kerl Liebknecht statt,
der mit seiner Verurteilung zu 1'/2 Jahren Festungshaft endete. Während dieser Zeit.errangen die
deutschen Arbeiter einen großen Wahlsieg, indem sie Kar! Liebknecht und fünf'weitere Sozialdemokraten in die Hochburg der Reaktion, das preußische Abgeordnetenhaus, wählten. Die
Arbeiterjugendbewegung war in den Jahren der russischen Revolution erstarkt. Sie haue sich organisutorisch gefestigt und sich in der auf Initiative Karl Liebknechts gegründeten" Vereinigung der
freien Jugendorganisationen
Deutschlands" (Sitz Ber!in) und im "Verband junger Arbeiter und
Arbeiterinnen Deutschlands" (Sitz Mannheim) zusammengeschlossen.
•
Im August 1907 tagte der Internationale Sozialistenkongreß in Stuugart. Er wurde zu einer Kampfansage der internationalen Arbeiterklasse gegen den Militarismus und die imperialistische Kolonialpolitik. Der Kongreß nahm eine Resolution an, die infolge der von W. I. Lenin und Rosa Luxemburg
gemachten Abänderungsvorschläge eine klare Orientierung zum Kampf gegen Militarismus und
imperialistische Kriegsgefahr sowie zur revolutionären Beendigung eines bereits ausgebrochenen
Krieges gab. Diese Resolution war für die Internationale Arbeiterklasse von entscheidender Bedeutung. Sie wurde auf den folgenden Internationalen Sozialistenkongressen in Kopenhagen (1910)
und Basel (1912) erneut bestätigt.
Der Stuttgarter Kongreß machte besonders deutlich, daß in der deutschen Arbeiterbewegung der
Opportunismus weiter an Boden gewonnen hatte. Die Mehrzahl der deutschen Delegierten trat bei
der Behandlung der einzelnen Tagesordnungspunkte des Kongresses - neben der Frage des Antimilitarismus zeigte sich das vor allem in der Stellung zur imperialistischen Kolonialpolitik und im
Verhältnis der Partei zu den Gewerkschaften - als Wortführer des Opportunismus auf. Von der .
Position der imperialistischen Vaterlandsverteidigung her setzten sich solche Opportunisten wie
Noske öffentlich für die Kapitulation der deutschen Sozialdemokratie vor dem deutschen Imperialismus und Militarismus ein. In verschiedenen süddeutschen Länderparlamenten brachen sie einfach
mit altbewährten marxistischen Prinzipien und Beschlüssen der Partei, indem sie den Budgets und
damit dem Staat als dem Machtinstrument der Junker und der Bourgeoisie ihre Stimme gaben.
Die ausnahmegesetzlichen Bestimmungen des Reichsvereinsgesetzes gegen die Jugend ermöglichten
es den Opportunisten, die Organisationen der
revolutionären
Arbeiterjugendbewegung
weitgehend zu zerschlagen und durch "unpolitische"
unter Leitung der "Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands'rzu ersetzen.
Diese verhängnisvolle Politik der Opportunisten,
die ein Verrat an den Interessen der Arbeiter-·
klasse und der gesamten Nation war, wurde von
den deutschen Linken erkannt und erbittert bekämpft. August Bebel und andere revolutionäre
unter belortderer a"üddichfigung der infemoficnclen
deutsche Arbeiterführer standen dabei an ihrer
Jugendbewegung
Seite.
Illilitcrismus und
Hntimilitcrisrnus
1910-1914
Dr. Karl Liebknecht
Das Heranreüen
einer politischen Krise in
DeutseWand. In den letzten Jahren vor dem
ersten Weltkrieg nahm die internationale Arbeiterbewegung einen neuen revolutionären Aufschwung, an dem auch die deutsche beteiligt
war. In Deutschland
reifte seit 1910 eine
politische
Krise heran. Ihre Anzeichen wiesen darauf hin, wie Lenin 1910 hervorhob, "daß
die kommende Revolution unvermeidlich ungleich tiefgreifender, ernster sein wird, daß sie
breitere Massen in einen schwierigeren, hartnäckigeren, langwierigeren Kampf hineinziehen
wird als alle früheren Revolutionen" (Lenin),
Ielpzig 1907
In dieser Situation mußte die deutsche Sozial(t'ipzig~r Buchdrudtmi
fHt.litngtft'lIfmoft
demokratie die bürgerliche Legalität so lange
revolutionär ausnutzen, bis diese von der Bourgeoisie selbst zerschlagen wurde, Das stellte an
die Partei besonders hohe und komplizierte Anforderungen. Ein Ausdruck der heranreifenden politischen Krise waren die großen Massenkämpfe der deutschen Arbeiterklasse. In den
ersten Monaten von 1910 fanden in Preußen, der stärksten politischen und ökonomischen Bastion
des deutschen Imperialismus und Militarismus, mächtige Aktionen gegen das reaktionäre Dreiklassenwahlrecht statt. In zahlreichen Volksversammlungen, Straßendemonstrationen
und z, T.
auch in politischen Streiks kämpften Hunderttausende deutscher Arbeiter und Angehöriger anderer
Klassen und Schichten des Volkes für wahrhaft demokratische Verhältnisse in Deutschland. Über
160000 Bauarbeiter kämpften drei Monate lang gegen die kapitalistischen Unternehmer. Lokale
Streiks in den Berliner Stadtteilen Moabit und Wedding führten zu mehrtägigen offenen Straßenkämpfen gegen die Polizei.
Die deutschen Linken setzten ihre ganze Kraft ein, um diesen Massenkämpfen eine klare Zielsetzung
zu geben. Sie kämpften darum, die Wahlrechtsbewegung unter der Losung der demokratischen Republik gegen alle Teilerscheinungen der herrschenden Reaktion zusammenzufassen, Rosa Luxemburg;
und Karl Liebknecht leisteten dabei einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Marxschen
Lehre von der Einheit des Kampfes um Demokratie und Sozialismus.
Die opportunistischen Partei. und Gewerkschaftsführer waren dagegen mit allen Kräften bemüht,
die Massenkämpfe der deutschen Arbeiterklasse abzuwürgen. Karl Kautsky, der als der bedeutendste
theoretische Vertreter der 11. Internationale galt und bis dahin im wesentlichen auf marxistischen
Positionen gestanden hatte, lieferte ihnen hierfür mit seiner sog. Ermattungsstrategie die theoretische
Rechtfertigung. Nach dieser von Rosa Luxemburg heftig angegriffenen Theorie sollte der Klassenfeind durch parlamentarische Kleinkämpfe "ermattet" werden und der Sozialismus friedlich in den
Kapitalismus hineinwachsen. Kautsky wurde damit zum führenden Vertreter des Zentrismus, der
sich in der deutschen Arbeiterbewegung seit der Revolution von 1905-1907 in Rußland im Zu,sammenhang mit der Diskussion über .den politischen Massenstreik herausgebildet hatte. Der
Zentrismus trat in Worten für den Marxismus und gegen den Revisionismus auf. Er unterstützte
aber tatsächlich die offenen Opportunisten, indem er ihnen mit der Losung, der Frieden und die
Einheit der Partei müßten gewahrt werden, das Verbleiben in der Partei ermöglichte und ihnen für
ihre Umtriebe den Weg ebnete. Indem er so die Arbeiterklasse dem Revisionismus und damit dem
Imperialismus unterordnete, erwies sich der Zen trismus
als die gefährlichste
Ahart des
Opportunismu
s,
Auf dem Sozialdemokratischen Parteitag zu Magdeburg. vom September 1910 trat der Gegensatz
von proletarischernnd
bürgerlicher, reformistischer Klassentendenz in der deutschen Arbeiterbewegung besonders deutlich in Erscheinung. Die Linken und August Bebel vertraten den Standpuukt des proletarischen Klassenkampfes und kritisierten scharf die kapitulantenhafte Haltung
der Opportunisten in der Frage, der Wahlrechtskämpfe und den Disziplinbruch der badischen
Landtagsfraktion, die die Beschlüsse der Partei gebrochen und erneut dem Budget zugestimmthatte.
\Viederum zog der Parteitag aber nicht die notwendigen Konsequenzen. Er sprach den Reformisten
nur seine schärfste Mißbilligung aus,
Der Kampf der deutschen Arbeiterklasse gegen die zunehmende KriegsgeCahr. Durch die provokatorische Entsendung des deutschen Kanonenbootes "Panther" nach dem südmarokkanischen
Hafen Agadir am 1. Juli 1911 versuchte der deutsche Imperialismus seine Annexionspläne in
Marokko gegenüber dem französischen Rivalen durchzusetzen. Damit löste er die zweite Marokkokrise aus und brachte Europa an den Rand eines Weltkrieges. Die internationale Arbeiterklasse
beantwortete diese Kriegspolitik der Imperialisten mit mächtigen Streiks und Demonstrationen.
In Deutschland fanden überall Massenversammlungen statt, auf denen vor allem die Führer der
deutschen Linken die abenteuerliche, kriegstreiberische Politik des deutschen Imperialismus und
Militarismus entlarvten und den Friedenswillen der deutschen Arbeiterklasse und der überwiegenden Mehrheit des Volkes bekundeten. Rosa Luxemburg prangerte vor den Massen die schädliche,
zögernde Haltung des Parteivorstandes an, der aus Angst vor einem Rückgang der Stimmen aus
dem Kleinbürgertum bei den bevorstehenden Reichstagswahlen die Marokkopolitik des deutschen
Imperialismus zunächst sehr lau kritisiert und gemeinsame Aktionen der internationalen Arbeiterklasse in Europa hintertrieben hatte. Auf dem Jenaer Parteitag vom September 1911 kam es deswegen zwischen den Linken und den Rechten zu heftigen Auseinandersetzungen.
Der entschiedene Widerstand der europäischen
Arbeiter war für die friedliche Beilegung der
zweiten Marokkokrise von großer Bedeutung.
Durch den Panthersprung nach Agadir hatte
der deutsche Imperialismus seine, außenpolitischen Positionen nicht gefestigt, sondern weiter
verschlechtert. Bei den Reichstagswahlen Anfang 1912 stimmten 4,25 Millionen, d. h, 34,8 %
aller gültigen Stimmen, für die sozialdemokratischen Kandidaten, von denen HO in den
Reichstag zogen. Wenig später brachte ein Streik
von über 230000 Ruhrbergarbeitern im März 1912
die weitere Verschärfung des Widerspruchs
zwischen Kapital und Arbeit zum Ausdruck.
In den Jahren 1912-1913 beschworen die beiden Balkankriege erneut die Gefahr eines Weltenbrandes herauf. Die deutsche Arbeiterklasse folgte dem Aufruf des Internationalen Sozialistischen Büros vom 14. Oktober 1912 an die
Arbeiter aller Länder und führte machtvolle
Antikriegskundgebungen
durch. Der außer:
ordentliche Internationole Sozio,/.i~tenkongreß zu
Basel vom 24. und 25. November 1912 beschloß
ein Manifest gegen den imperialistischen Krieg,
in dem das internationale Proletariat aufgefordert wurde, im Sinne des von W. 1. Lenin und
Rosa Luxemburg 1907 in Stuttgart eingebrach-:
ten Beschlusses zu handeln.
Der deutsche Imperialismus setzte seine Kriegsrüstung fieberhaft fort. 1912 und 1913 peitschte
er im Reichstag Gesetze durch, die eine bisher
Der Maulwurfsfänger
(Bebel und der Militarisnicht gekannte Vermehrung des Heeres und der
mus), Zeitgenössische Karikatur
Kriegsflotte vorsahen. Diese militaristische Rüstungspolitik erforderte die einmalige Ausgabe
von einer Milliarde Mark und laufende Ausgaben von jährlich 200 Millionen Mark, Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion brach erstmalig mit dem alten, bewährten Gmndsatz der Partei
"Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!" und bewilligte dem deutschen Imperialismus
um 30. Juni 1913 die Besitzsteuervorlage zur finanziellen Deckungder Riistungskosien:
Damit befanden sich die Revisionisten im krassen Gegensatz zu den Massen, die zum Kampf gegen
Militarismus und drohende Kriegsgefahr bereit waren. Immer deutlicher trat der sehr komplizierte
und widerspruchsvolle Prozeß hervor, in dem s i eh die deu tsche Sozialdemo kra tie zu einer
reformistischen
Arbeiterpartei
e n t w ick e l t e , die nicht mehr fähig war, die Arbeiterklasse
zur Ye rt eid ig uu g ihrer Klasseninteressen
und zur Erfüllung
ihrer historischen Mission bei der nationalen
und sozialen Befreiung
des deutschen
Volkes zu
führen.
.•
Ein schwerer Verlust für die deutsche und internationale Arbeiterbewegung war der Tod August
Bebeis am 13. August 1913. Der große deutsche Arbeiterführer blieb bis zum Eude seines Lebens
der Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Staatsordnung. August Bebel hat im letzten
"Europas Zukunftskarte" .
.Iahrsehnt seines Lebens eine Reihe von Fehlern gemacht, weil er nicht das Wesen der imperialistischen Epoche erkannte und daraus nicht die entsprechenden Schlußfolgerungen für die Arbeiterbewegung ziehen konnte, Er blieb aber weiterhin ein revolutionärer Marxist. Seine leidenschaftliche
Parteinahme für die Sache der Demokratie und des Sozialismus und gegen die Verderber der deutschen Nation brachten ihm die Liebe und Verehrung der Volksmassen ein.
Die deutschen Linken handelten im Sinne August Bebels, indem sie unversöhnlich gegen Kriegsgefahr und Militarismus kämpften. Kar! Liebknecht machte im Reichstag seit April 1913 mehrmals
aufsehenerregende Enthüllungen über die Volksfeindlichkeit des deutschen Rüstungskapitals.
Rosa Luxemburg wurde wegen ihres mutigen Kampfes gegen den deutschen Militarismus von der
Strafkammer zu Frankfurt a. M. zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Als einzige vertraten damals
die deutschen Linken die Ideen des proletarischen Internationalismus nnd damit zugleich die
Gegenwarts- und Zukunfts Interessen der deutschen Arbeiterklasse und der Nation.
Deutschland in den ersten Jahren des imperialistischen
Weltkrieges (1914-1917)
Die Entiesselung
des ersten Weltkrieges ,lurch den deutschen Imperi~smus
Der Charakter des ersten Weltkrieges. Die Ursachen des ersten. Weltkrieges waren die Widerspriiche
zwischen der vom britischen Imperialismus geführten Entente und dem Dreibund, an dessen Spitze
,der deutsche Imperialismus stand. Diese Widersprüche hatten sich seit der Jahrhundertwende
ständig verschärft. Sie führten unaufhaltsam zum Kriege, bei dem es allen beteiligten Großmächten
um territoriale Eroberungen, die Unterjochung fremder Völker, die Ruinierung der imperialistischen
Rivalen, um die Beseitigung ihrer inneren politischen Krisen und um die Vernichtung der revolutionären marxistischen Parteien ging. Zehn Millionen Menschen wurden ermordet, stellte W . .I.
Lenin fest, damit die Frage entschieden werden konnte, ;,ob dem englischen oder dem deutschen
Kapital der Vorrang bei der Ausplünderung der ganzen Welt zufallen soll ... " Dieser von
seiten aller kriegführenden
Großmächte
imperialistische
Weltkrieg
beseitigte aber
.
nicht die Widersprüche des Kapitalismus,
!'f~.m ••I'!''''' __
I_fIto.7J.l1
e ••~, ••••••ll..':l1'"
!tu
sondern mit ihm begann die allgemeine
RE JArro B
W
D ER ,.r!\H
1\ .
~
,; -;,-;-"=:~;::':::"-;':'~,:;'I;;.:";.;:!!;"-:.:.~'::;::;,:",",,,,~:,:'i::~'::_,,:-::';::;';"";~7":.~;=:::
/'
'/
Krise des Kapitalismus.
Die Hauptschuld
an der Entfesselung
des
ersten Weltkrieges trzig der deutsche Imperialismus. Er nutzte den "günstigen Moment"
(Wilhelm 11.), den die Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares in Sarajewo
am .28. Juni 1914 bot, drängte ÖsterreichUngarn in den Krieg _gegen Serbien und
provozierte damit das Eingreifen Rußlands
(1. August 1914.) sowie des mit ihm verbündeten Frankreichs (3, August 1914) und Großbritanniens (4. August 1914). Die zahlreichen
Kriegszielprogramme aus den verschiedensten
Kreisen der herrschenden Klasse zeigen, daß
der deutsche Imperialismus mit Hilfe des
Krieges die Vorherrschaft in Europa errichten.
und die Welt zu seinen Gunsten neu aufteilen wollte.
Das deutsche Volk wurde durch diese verbrecherische Politik in den Abgrund der
nationalen Katastrophe gestürzt. Der imperialistische Raubkrieg forderte von ibm einen
hohen Blutzoll. Über 1,9 Millionen Deutsche
wurden getötet und fast 4,25 Millionen verwundet und vielfach zu Krüppeln gemacht,
700000 rafften Epidemien und der Hunger
dahin. Hinzu kamen hohe Geburtenausfälle.
Während die Kriegsgewinne der Industrieund Bankmagnaten ins Unermeßliche stiegen,
brachte der Krieg den Volksrnassen grenzen. loses Leid und unsagbare Not .
.Der 4. August 1914. Ende Juli 1914 fanden
Sozialchauvinistisches Titelblatt
in allen Teilen Deutschlands Massenkundvom 28. August 191.4
gebungen der deutschen Arbeiterklasse statt,
.
in denen sie ihre Bereitschaft zum Kampf
gegen den Krieg bekundeten. Die rechten sozialdemokratischen Führer, die die Massen am 25. Juli
zu diesen Protestkundgebungen aufgerufen hatten, verhandelten jedoch gleichzeitig insgeheim über
den offenen Übergang in das im!?erialistische.Kriegsla~~r. Durch
MARNESCHLACHT
Sept.191".
..
/-l
Ihre demagoglsc~e Pclitik gelall;g
l' 5000000
/
/ (
/!
es den Oppor~unIsten, großeTeI'.' "'I,.
--'-./(lBELGIEN /LUXEM-"
le der ArbCIt~~~lasse und d.er
L._
\"
\
andere.n W~rktatIgen zu. verwir\".,
. '\BURG /
r~n. SIe mI~~rau?hten Ih!e na". ._.i
.i
tionalen Gefuhle, indem SIe u, a.
\.- • '-i' r: ·~
den Krieg in einen angeblichen
\ D E:U T SC H Verteidigungskrieg
gegen den
)
russischen Zarismus umfälsch,
= .(I 'LAND
ten, und ordneten die Massen so
I
_
~"d"n
'x ;:
i
. I'isti-.
eMlonS-SM"~
d er Kr· tegspo I·us.·k der
er tmperta
J.A.
~16.A.
sehen Bourgeoisie unter.
.~._.
.
In seiner Thronrede vor dem
Nancy -.-.
Reichstag am 4. August 1914be2 A
,.
hauptete Wilhelm 11.• er würde
..
keine Parteien mehr, sondern
<FZZ engl-franz.Angriffe
frontlinie nach Beendinur noch Deutsche kennen. Die
••. - deutscher Rückzug = gung der Schlacht
sozialdemokratische Reichstagsfraktion stimmte für die Bewilligung der 5 Milliarden Kriegskredite. Sie ging damit offen in das imperialistische Burgfriedenslager
über. Ihr direkter Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse und der N ation führte zum
unverhüllten Ausbruch der Krise in der deutschen Sozialdemokratie. Der Rechtsopportunismus
wurde jetzt zum Sozialchauoinismus, während sich der Zentrismus in den Sozialpazifismus
verwandelte. Der offene Übergang der meisten sozialdemokratischen Parteien auf die sozialchauvinistischen Positionen zu Beginn des ersten Weltkrieges bedeutete den Zusammenbruch der Zweiten
Internationale.
Deutschland in den Kriegsjahren 1914-1917
Der militärische Verlauf des Krieges. Der Versuch des deutschen Imperialismus, Frankreich im
Sinne des Schlieffenplanes in einem Blitzkrieg zu besiegen, scheiterte Anfang September 19140.Die
deutschen Truppen wurden in der Marneschlacht geschlagen und zum allgemeinen Rückzug gezwungen. Im Westen erstarrten die Fronten zu einem langwierigen, zermürbenden
VERDUNSCHLACHT 1916
Stellungs- und Materialkrieg, in dem die
5.
1:650000
o~'~'~'km
wirtschaftliche und militärische Unterlegenheit des deutschen Imperialismus
immer deutlicher wurde. Die militärische
Lage verschlechterte sich durch die Mißerfolge an der Ostfront. Am 23. Mai 1915
erklärte Italien, das bereits am 3. August
1914 aus dem Dreibund ausgetreten war,
Österreich-Ungarn und am 28. August
1915 Deutschland den Krieg. DerVersuch,
Rußland 1915 durch eine gewaltige Offensive niederzurennen, führte nach anfängFron! bis 2f.2.1918
lichen Erfolgen ebenfalls zum Stellungs- - Front im Mon 1918
krieg. Der deutsche Imperialismus hatte
•••• rronl;m Juli 1.918
~OI.An§rilk
r~br.-JuI; 19/0
das Dilemma des Zweifrontenkrieges und
2. Französ.Armee
~rr&.6eg~l1a/JO/";ili:!linHt:rbsl
;915
der Blockade nicht beseitigen können. Obwohl sein militärischer Bankrott offensichtlich war, setzte er bedenkenlos den Krieg fort. So versuchte er 1916, den Gegner in der Schlacht
um Verdun "ausbluten" zu lassen. Diese sinnlose, monatelange Materialschlacht raubte über einer
halben Million deutschen Soldaten das Leben. Am 1. Februar 1917 erklärte die deutsche Regierung
'lJeaugsmnTfe
~.
'\
1 Pfund GrieB
für
.\ Ij,'llfö.21nff!T
L...;'"'MCAllW
I.Schwangere u.slillende Mütter
'll"is:
I !lll!. 02'Pf·
29. 8. bis 25. 9. 1920.
Zu beziehen in umtehenden Guchäften,
L... __.
500
s Gebäck
~
~ .,....g
e;
'"
~
1 Pfund Schmal
zum Preise von 1,50 Mk.
4DO,,''lil:ehl
e
d
1 Pfund
.
~-P-OjS-d.-m-""n----~r
Dezember
1915
s,
!1"
'"
~
'"
LV
:--~ ~
•••••• I?
@
~~~
c::- ~
(ff
0>
~
Gemeinde Radebeul
~
$-0 ~
..- -
i':9 ~,~
Anweisung zur Abgabe
~
von
Eil
Lebensmittelbezugsmarken
~
__ ~~
~ J
.L-
Pfd. Trockengemüse
Si)euHd)tA fl'ttirf)
$eiU~~~o~~JtkC
mSIO
..I----'----_----l
den uneingeschränkten V-Boot-Krieg, mit dem die Blockade gegen Deutschland durchbrochen werden sollte. Aber auch dieser Versuch scbeiterte. Durch die Kriegserklärung der USA vom 6. April
1917 an das Deutsche'Reich trat eine weitere Verschlechterung seiner ökonomischen und militärischen Lage ein.
Das deutsche Volk in den Elendsjahren des Krieges. Der Krieg verschärfte den Widerspruch zwischen
Arbeit und Kapital und damit auch den nationalen Orundwiderspruch bis zum äußersten. Die
ökonomische Lage der Volksrnassen verschlechterte sich von Tag zu Tag. Der Arbeitstag wurde fast
unbeschränkt ausgedehnt. In immer stärkerem Maße wurde die Arbeit der Männe.' von Frauen
geleistet, die dafür weitaus niedrigere Löhne erhielten. Die Preise für zunächst nicht rationierte
Grundnahrungsmittel wie Fett und Fleisch stiegen infolge des Schleichhandels im ersten Jahr des
Krieges um 100% und mehr an. Bereits 1915 kam es zu einer Ernährungskrise und im Winter
1916 zu 1917 infolge der schlechten Kartoffelernte zu einer Hungersnot ("Kohlrübenwinter").
Mit der Verkündung des Kriegszustandes ging sämtliche Gewalt in die Hände des Militärs über.
Die Generäle wurden durch den Belagerungszustand zu unumschränkten Herrschern in ihren- Befehlsbereichen. Die Zensur schränkte die Pressefreiheit weitgehend ein. Durch das Hilfsdienstgesetz
vom 5. Dezember 1916, durch Kriegsnotgesetze und andere politische Terrormaßnahmen wurden
die Volksmassen weiter versklavt. Deutschland glich bald einem Militärzuchthaus.
Der Aufschwung' der Massenbewegung unter Führung der deutschen Linken gegen den imperialistischen Krieg 1914-1916. Durch die Militärdiktatur in Deutschland und durch das Treiben der
Sozialchauvinisten wurde der revolutionäre Kampf gegen den imperialistischen Krieg ungemein
erschwert. In dieser schwierigen Situation erwiesen sich die deutschen Linken wiederum als die
wahren Interessenvertreter der Arbeiterklasse und der Nation. Unter Führung von Kar! Liebknecht,
Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Clara Zetkin und Wilhebn Pieck klärten sie die Massen im Geiste
des proletarischen Internationalismus über den imperialistischen Charakter des Krieges und über
den "Burgfrieden" der rechten Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften mit den Todfeinden des deutschen Volkes auf. In entsagungsvoller, mutiger Arbeit kämpften sie darum, die
Massen vom verhängnisvollen Einfluß der Sozialchauvinisten zu befreien. Am 2. Dezember 1914
stimmte
Kar! Liebknecht
als einziger
im Reichstag
gegen die Bewilligung
der
Kriegskredite.
Seine mutige Tat hatte auf den Antikriegskampf der deutschen und der internationalen Arbeiterklasse große Auswirkungen. Sie war das Ergebnis einer marxistischen Analyse
des Krieges, der Bedingungen des Klassenkampfes in Deutschland und der Situation in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Unter der Losung "Der Houptfeind. steht im eigenen
Land!" wies Karl Liebknecht der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen den einzig realen
Weg zur revolutionären Beendigung des imperialistischen Krieges.
Um die revolutionären Führer der Arbeiterklasse zum Schweigen zu bringen, wurde Kar! Liebknecht
Anfang 1915 als Armierungssoldat eingezogen, und Rosa Luxemburg mußte die einjährige Gefängniestrafe antreten, zu der sie Anfang 1914 verurteilt worden war, Während dieser Zeit verfaßte sie
ihre "Juniusbroschiire",
die für die Entlarvung des Sozialchauvinismus und die Mobilisierung der
revolutionären Arbeiter von großer Bedeutung war,
Die Linken organisierten illegal die ersten Massenaktionen gegen Hunger und Krieg (erste Antikriegsdemonstration der werktätigen Frauen im März und Friedensdemonstration im Mai 1915
vor dem Reichstag). Unter der Führung Kar! Liebknechts und Rosa Luxemburgs schlossen sie sich
im schweren Kampf .gegen Militärdiktatur, Sozialchauvinismus und Sozialpazifismus 1915 organisatorisch zur Gruppe Internationale zusammen, aus der auf der Reichskonferenz am 1. Januar 1916
die Spartakusgruppe hervorging. Mit ihrer Entstehung war ein entscheidender Schritt anf dem
Wege zur Herausbildung einer revolutionären Kampfpartei in Deutschland getan. Die Reichs'konferenz nahm die von Rosa Luxemburg ausgearbeiteten Leitsätze als Programm an und beschloß,
illegale, politische Briefe herauszugeben. Diese "Spartakusbriefe"
übten anf die Massen eine außerordentliche Wirkung aus. Die Spartaleusgruppe kam von allen revolutionären Gruppen in der
deutschen (wiez. B. den Bremer Linken) und internationalen Arbeiterbewegung den Bolschewiki
am nächsten. "Mit Liebknecht und den ;Spartakusleuten"',
schrieb W. I. Lenin 1919 voller Anerkennung, "geht alles, was unter den Sozialisteu Deutschlands ehrlich und wirkljch revolutionär
geblieben ist, alles Beste und überzeugte im Proletariat, die ganze Masse der Ausgebeuteten, die
erfüllt sind von Empörung und unter denen die Bereitschaft zur Revolution wächst."
W. I. Lenin und die Bolschewiki unternahmen große Anstrengungen, um diese besten Vertreter der
deutschen Arbeiterklasse auf die Positionen des Leninismus zu führen, wobei sie sie vor allem
immer wieder wegen der Unterschätzung der Rolle der selbständigen revolutionären Partei der
Arbeiterklasse kameradschaftlich kritisierten.
Kar! Liebknecht nutzte die Massentribüne des Reichstages mit seinen "kleinen Anfragen" aus, um
den imperialistischen Krieg anzuprangern. Ostern 1916 nahm er an der illegalen Jugendkonferenz
in Jena teil, die von ihm begründete Leitsätze annahm. Am 1. Mai 1916 organisierte die Spartakusgruppe eine Demonstration auf dem Potsdamer Platz in Berlin, die der Auftakt zahlreicher Hungerund Friedensdemonstrationen in ganz Deutschland war. Kar! Liebknechtrief den Tausenden Demenstranten mehrmals die flammenden Worte entgegen: "Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung!" Er wurde während der Demonstration verhaftet und in einem Prozeß wegen Landesverrat.
zu vier (zunächst 21/2) Jahren Zuchtbaus verurteilt. Dieses Terrorurteil war der Anlaß zu den ersten
politischen Massenstreiks während des Krieges.
Der Einfluß der Februarrevolution von 1917 in Rußland auf Deutschland. Im Winter 1916-1917
mehrten sich innerhalb der Imperialisten die Stimmen, die angesichts der starken Erschöpfung der
kriegführenden Mächte für einen Verständigungs frieden eintraten. Dabei ging es ihnen nicht um die
Interessen der Volksmassen. Der imperialistische Krieg sollte durch einen imperialistischen Frieden
beendet werden.
.
Die Februarrevolution von 1917, die zum Sturz des Zarismus ·führte, übte auf Deutschland einen
großen Einfluß aus. Sie beschleunigte das Wachstum der revolutionären Massenbewegung, die
während des Kohlrübenwinters 1916-1917 mehr und mehr erstarkt war. Im März 1917 führten
die Arbeiter in Hamburg, Nürnberg, Barmen uud anderen Orten Massenstreiks durch. Im April
fand diese Bewegung in dem Streik von 300000 Berliner Arbeitern ihren Höhepunkt. Die herrschenden Klassen versuchten, die revolutionäre Bewegung durch demagogische Versprechungeu nhzuwürgen. In seiner Osterbotschaft kündigte Wilhelm II. eine Wahlreform in Preußen und die Demokratisierung der politischen Verhältnisse in Deutschland nach dem Kriege an.
Wie erfolglos diese Bemühungen waren, zeigen die mächtigen Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse
im Sommer 1917, aus denen der Aufstand in der deutschen Hochseeflotte im Juli/August 1917 herausragt. An dieser revolutionären Bewegung in einer bewaffneten Formation des deutschen Imperialismus waren etwa 5000 Matrosen beteiligt. Der Aufstand wurde von den Militaristen brutal niedergeworfen. Seine Führer, die Matrosen Reichpietsch. und Köbis, wurden zum Tode verurteilt und
erschossen.
Während dieser Kämpfe war das Klassenbewußtsein der deutschen Arbeiter weiter gewachsen, In
der sozialdemokratischen Mitgliedschaft zeigte sich eine große Unzufriedenheit mit der sozialchauvinistischen Parteipolitik. Ganze Organisationen wurden ausgeschlossen. Als Auffangbecken für
diese mit der arbeiterfeindlichen und antinationalen Politik der rechten sozialdemokratischen Führer
nicht einverstandenen, revolutionären Sozialdemokraten gründeten zentrlstische Führer im April
1917 in Gotha die" Unabhängige Sozialdcmokratische Portei Deutschlands". Die Spartakusgruppe schloß
sich der USPD organisatorisch mit dem Vorbehalt politisch-ideologischer Selbständigkeit und mit
dcm Ziel der Umwandlung der USPD in eine revolutionäre Partei an. Damit band sie sich orgun isatorisch an eine Partei, die objektiv dazu diente, die revolutionären Arbeiter vom übertritt in das
Lager der Revolution abzuhalten und sie so weiter der imperiulistischen Politik der rechten SPDFührer unterzuordnen. Das zeigt, daß in der Spartakusgruppe noch keine Klarheit über die Rolle
und Bedeutung der selbständigen marxistischen Kampfpartei der Arbeiterklasse vorhanden war.
Dem starken revolutionären Flügel, der in der USPD unter dem Einfluß der Spartakusgrnppe
gegen den 'imperialistischen K,'jeg kämpfte, wurde es durch den Anschluß der Spartakusgruppe
an die USPD erschwert, den prlnzipielleu Unterschied zwischen marxistischer und zentristischer
Politik zu erkennen.

Documentos relacionados