PDF-Dokument - fussball

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Düren und Frechen, das ist eine Reise in die Jugend von Toni Schumacher, Karl
Heinz Schnellinger, Rainer Calmund und Karl Lambertin, die hier das erste Mal die
Fußballschuhe schnürten. Mit den beiden Orten westlich von Köln verbinde ich aber
vor allem Oberligaspiele "meines" Bonner SC gegen die damaligen Ligakonkurrenten
GFC Düren 09, SG Düren 99 und Frechen 20 in den 1980er Jahren.
Die drei Stadien, die ich an diesem Nachmittag fotografiere, sind einerseits
deutliches Zeichen für die Entwicklung vieler Vereine - ehedem zumindest
Regionalgröße, nun aber tiefste Fußballprovinz -, andrerseits aber auch ikonenhafte
Beispiele für die deutsche Stadionkultur zwischen gestern und heute.
Als erste Etappe hat sich das Navi das "Jugendstadion Schwarz-Weiß Düren"
ausgesucht. Der morbide Charme der Anlage ist schlicht überwältigend. Die
Tribünenkonstruktion - ich vermute ein Baujahr in den 1920er Jahren - scheint
gerettet. Aber hier hat das Ehrenamt noch alle Hände voll zu tun. Der
Naturrasenplatz ist unbespielbar; gravierende Höhenunterschiede zwischen den
Sechzehnern fallen direkt ins Auge. Der Heimatverein von Toni Schumacher spielt
heute in der Bezirksliga und ist der älteste der Dürener Vereine. Unikat im Stadion ist
die vor sich hinbröckelnde Radrennbahn, die an das inzwischen abgerissene
Poststadion in Bonn erinnert. Die Vereinsgaststätte - von außen sind BauhausElemente gut erkennbar - liegt großartig unterhalb der Tribüne. Vor meinem geistigen
Auge sitzt hier vor großen Spieltagen die lokale Prominenz, um dann kurz vor Anpfiff
mit Zigarre und Kölsch bestückt Ihre VIP-Plätze mit bester Sicht aufs Spiel
einzunehmen.
Nur drei Kilometer entfernt liegt im Stadtteil Gürzenich ein ganz anderes
Schmuckstück. Die geschichtsträchtige "Westkampfbahn" ist heute Spielstätte der
SG GFC Düren 1999. Der leicht sperrige Namen ist das Produkt einer Fusion und so
auch aktuell konkretes Indiz für ungesunden Wettbewerb und finanzielle "Löcher" in
der Vergangenheit. Seit 2011 firmieren nun der GFC Düren 09 und die SG Düren 99
unter gemeinsamer Flagge, nachdem eine zwischenzeitliche Fusion der
Westkampfbahn-Hausherren, der SG 99, mit SW Düren 96 (!) schon nach wenigen
Jahren rückgängig gemacht werden musste. - Die beeindruckend schöne
Tribünenkonstruktion der Westkampfbahn ist dank lokalen Mäzenatentums und viel
professioneller Hilfe von Freunden und Förderen inzwischen auf besten Stand
gebracht. Das hölzerne Original ist erhalten und erneuert, nur die Patina fehlt noch.
Wer aber dieses vermeintliche Defizit betrauert, dem sei die Alternative hierzu
Frechen, meine letzte Station an diesem Nachmittag, vor Augen geführt.
Vor den Toren Kölns liegt auf bewaldeter Höhe das Karl-Bornhoff-Stadion. Man
schaut auf den großen Nachbarn, das Rhein-Energie-Stadion und den Colonius. Vor
Reiseantritt hatte ich auf stadionwelt.de noch Bilder eines nostalgisch anmutenden
Stadions aus den 1950er Jahren entdeckt. Überdachte, leicht geschwungene
Tribüne und eine stattliche Kapazität von 14000. Mein Navi führt mich in die Allee
zum Sportpark (früher Carl Diem Allee). Weitläufigkeit, Stadtpark-Feeling, gediegene
Einfamilienhäuser und Schilder zum Schwimmbad. Ich frage zwei Jugendliche nach
dem Weg. "Das alte Stadion, das gibt´s nicht mehr. Ist abgerissen und jetzt
neu...Beton", lautet das ernüchternde Intro der Beiden. Auf einem Waldweg passiere
ich das schmucke Vereinsheim, dahinter liegt ein Aschenplatz der Marke Normalo.
Das kann es nicht sein. Weiter oberhalb entdecke ich einen Flutlichtmast, der aus
dem Herbstwald hervorlugt. Oben angelangt: big disaster. Eine abgeschlossene und
vollständig eingezäunte Anlage ohne Tribünendach. Bei der weiteren Recherche
finde ich eine kleine Meldung auf stadionwelt.de: Sanierung der Überdachung per
Eilentscheid abgelehnt. Zu teuer (150000 Euro), Abriss nur 25000 Euro. Der
"Umbau" ist heute als Referenz auf der homepage des Ateliers Reepel - Garten- und
Landschaftsarchitektur zu bewundern. Entstanden ist in Frechen eine gut gebaute
Multifunktionssportstätte, die mit einem Fußballstadion so gut wie nichts zu tun hat.
Austauschbar, aber zugegebenermaßen in bester Lage.
Reichlich desillusioniert verlasse ich Frechen in dem Bedauern, mich nicht allein auf
Düren beschränkt zu haben. Dort gibt es nämlich noch die angestammte Spielstätte
des ehemaligen GFC 09 zu bewundern, die auf den wunderschönen Namen "Stadion
an der Papiermühle" hört. Ein anderes Mal.
Hubert Detmer, 17.10.2012