Der Kunde im Fokus der digitalen Transformation

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Der Kunde im Fokus der digitalen Transformation
1 / 2016
Detecon Management Report
dmr
Special CRM
Der Kunde im Fokus der
digitalen Transformation
Kundenbindung in Zeiten von Social Media und Co.
Digitale Megatrends entlang der Customer Journey
Interview mit Roman Becker, forum!
Entscheidend ist der Herzblutfaktor
Interview mit Dr. Markus Messerer, Swisscom
Den Kunden im Zentrum, die Organisation fit für die Zukunft
Messung der Customer Experience
Erfolgsfaktor für die emotionale Loyalisierung
CRM in the Digital Age
Chance und Herausforderung für die Automobilindustrie
Der Kunde im Fokus der
digitalen Transformation
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist kein Geheimnis mehr: Die digitale Transformation entfaltet in nahezu allen Branchen und
Industriezweigen ein fundamentales, zum Teil disruptives Potenzial. Damit verbunden sind
immense Chancen für neue Geschäftsmöglichkeiten, aber auch existenzbedrohende Risiken, wenn
es nicht gelingt, die digitale Transformation erfolgreich zu meistern.
Im Fokus erfolgreicher Unternehmen stehen auch in der digitalen Welt die Kunden und das aktive
Management von Kundenbeziehungen. Dabei sind zwei Aspekte relevant: Zum einen bietet die
Digitalisierung neue Möglichkeiten, mit den Kunden in Interaktion zu treten und sie für das
Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen wie auch zu halten. Zum
anderen verändert die digitalisierte Umwelt das Verhalten und die Erwartungen der Kunden selbst.
„Digital Natives“ fordern neue Wege des Beziehungsmanagements und erwarten andere Produkte
und Services bis hin zu komplett neuen digitalen Geschäftsmodellen.
Getreu der Detecon-Mission „Leading Digital“ beraten wir unsere Klienten bei der Gestaltung
ihrer „Digital Transformation Journey“ und beantworten die Frage: Wie müssen sich Kunden­be­ziehungsmanagement und Kundeninteraktion weiterentwickeln, um die Möglichkeiten der Digitalisierung im Kundenkontakt voll und bedarfsorientiert zu nutzen sowie Potenziale zur Realisierung
einer neuen Qualität der Kundenbindung zu heben?
In dieser Ausgabe legen wir deshalb unser Augenmerk auf die folgenden Fragestellungen:
•Wie gestaltet sich das Spannungsfeld der digitalen Transformation zwischen Kunden,
Unternehmen und Gesellschaft?
•Welche digitalen Megatrends haben besonderen Einfluss auf das Management von
Kundenbeziehungen?
•Wie kann Digital Customer Excellence die Bindungswirkung traditioneller, direkter
Kundeninteraktion halten und gezielt steigern?
•Welchen Mehrwert schaffen Big Data und Customer Analytics im Management der
Kundenbeziehung?
•Wie erweitert das „Internet of Things“ den Handlungsraum der Kundeninteraktion?
•Welche neuen Möglichkeiten des Kundenfeedbackmanagements bieten digitale Kanäle?
•Wie verändert die digitale Transformation Anforderungen an Grundfunktionen des
Kundenbeziehungsmanagements?
•Warum sind Servicekultur und „Herzblutfaktor Mitarbeiter“ auch in digitalen
Interaktionskanälen entscheidend?
Experten der Detecon aus dem Bereich „CRM, Sales & Service“ sowie externe Interviewpartner
und Gastautoren zeigen anhand vielfältiger Beispiele aus der Telekommunikation, der Automobil­
industrie und der Gesundheitsbranche, wie unterschiedliche Unternehmen vom Start-up bis zum
multinationalen Konzern die Herausforderungen der Digitalisierung im Kundenbeziehungs­
management angehen.
Joachim Hauk
Managing Consultant
Lead Global Knowledge Community
CRM, Sales & Service
Dr. Jürgen Padberg
Partner
Lead Global Knowledge Community
CRM, Sales & Service
Wir wünschen Ihnen eine anregende und impulsgebende Lektüre!
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Inhalt
Digitale Transformation:
Paradiesische Zukunft oder Absolutismus?
Kundenbindung in Zeiten von Social Media und Co.
Digitale Megatrends entlang der Customer Journey CRM-Tools im Zeitalter der Digitalisierung
Tante Emma 2.0
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Interview mit Dr. Markus Messerer, Head of Corporate Strategy, Swisscom
Den Kunden im Zentrum, die Organisation fit für die Zukunft
CRM in the Digital Age
Chance und Herausforderung für die Automobilindustrie
18
26
New Mobility Services
Wende vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister
gibt neue Impulse für CRM
32
Interview mit Juliane Zielonka, CEO Die Artverwandten GmbH
Digital Health: Mit smarter Technologie
Erkrankungen früher aufspüren
36
Digital Customer Excellence
Imperativ für Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität
Impressum:
Herausgeber:
Detecon International GmbH
Sternengasse 14–16
50676 Köln
www.detecon.com
[email protected]
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Aufsichtsrat:
Thilo Kusch (Vorsitz)
Geschäftsführung:
Francis Deprez (Vorsitz)
Dr. Jens Nebendahl
Handelsregister:
Amtsgericht Köln HRB 76144
Sitz der Gesellschaft: Köln
Druck:
Druckerei Chmielorz GmbH
Ostring 13
65205 Wiesbaden-Nordenstadt
Fotos:
iStockphoto
fotolia
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Interview mit Alexandra Tymann, CFO Sixtyone Business
Digitaler Kundenservice als Mission
Messung der Customer Experience
Erfolgsfaktor für die emotionale Loyalisierung
Interview mit Roman Becker, CEO bei forum!
„Entscheidend ist der Herzblutfaktor“
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48
52
Workforce Management (WFM) im Field Service
Machen Sie Ihre Kunden glücklich!
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Social Walls & Dashboards
Wie Manager dem Kunden in Echtzeit zuhören
Megatrend Internet of Things
62
Den Kinderschuhen entwachsen
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Vertrauensvoll Mehrwert für Kunden schaffen
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Big Data im Kundenbeziehungsmanagement
Analogos-Digitalis – Wandel in der Kommunikationsbranche
Bildung bleibt der Schlüssel
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Digitale Transformation:
Paradiesische
Zukunft oder
Absolutismus?
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Digitalisierung ist das Phänomen unserer Zeit. „Always connected“ –
die Möglichkeit, zu jeder Zeit an jedem Ort verbunden zu sein –
durchdringt und verändert nahezu jeden Lebens- und Arbeits­
bereich. Möglich macht es das Internet: Pro Minute werden heute
rund vier Millionen Suchanfragen bei Google gestartet, bei Twitter
circa 300.000 Tweets abgesetzt, 14 Millionen WhatsApp-Nachrichten versendet und 72 Stunden Videomaterial bei YouTube
hochgeladen (Quelle: Statista). Diese Fakten sprechen für sich.
Digitalisierung verbindet Mensch und Technik enger
miteinander. Das „Connected Car“ dient nicht mehr nur als
Fortbewegungsmittel, sondern zugleich als Sender, Empfänger und
Übermittler von Daten. Das selbstfahrende Auto ist schon lange
keine Vision mehr, sondern ein ganz reales Szenario. Technik kommuniziert mit Technik, von „Maschine zu Maschine“, ganz ohne
Mensch. Diese Entwicklung schreitet rasant voran: Im Jahr 2011
waren weltweit etwa fünf Milliarden Menschen digital vernetzt, im
Jahr 2020 werden zusätzlich ungefähr 50 Milliarden sachliche
Dinge vernetzt sein (Quelle: BDU 2015). Die Bedeutung des
Computers als Gerät schwindet, weil er durch andere „intelli­gente“
Geräte ersetzt wird. Wir sind beim Internet der Dinge.
Ist die digitale Transformation nun Synonym für ein besseres
Leben? Oder bewegen wir uns auf einen digitalen Absolutismus
zu, mit dem Szenario einer gläsernen Gesellschaft? Die
Meinungen der digitalen Enthusiasten und Pessimisten gehen auseinander. Auf die Frage, ob für Gesellschaft und Wirtschaft die
Chancen oder die Risiken überwiegen, ist noch keine abschließende
Antwort gefunden worden. Wer an eine paradiesische Zukunft
glaubt, den bremst Erik Brynjolfsson, Mitautor des viel beachteten
Buchs „The Second Machine Age“ und Gewinner des Deutschen
Wirtschaftsbuchpreises 2015, ein Stück weit aus: „Roboter können
nicht einmal einen Bleistift aufheben oder eine Küche säubern.“
(Quelle: Handelsblatt)
Unbestritten ist jedoch die Vielfalt an neuen Möglich­keiten
der Transparenz, Vernetzung und kollaborativen
Mitgestaltung. Von Trends wie Patientenmonitoring im Gesund­
heitsbereich, Lifestylecomputing mithilfe von Augmented Reality,
Schlafüberwachung oder der sportlichen Selbstoptimierung per
digitalem Fitnesscoaching kann der Verbraucher immens profitieren
und gleichzeitig seine Position als Kunde durch ein Mehr an Einflussnahme verbessern. Über soziale Netzwerke, Communitys oder
Blogs lassen sich in Bruchteilen von Sekunden Informationen mit
grenzenloser Reichweite im Netz verteilen, die in positiver wie
negativer Hinsicht meinungsbildend sein können.
Zur Reaktion gezwungen sind Unternehmen aller Branchen. Sie
müssen sich auf die veränderten Kommunikationsmecha­
nismen einlassen, ob sie wollen oder nicht. Der US-amerikanische
IT-Konzern Dell ist ein Beispiel dafür, was bei Nichtbeachtung
passieren kann: Anfang der 2000er machten unzufriedene DellKunden in Massen ihrem Unmut über soziale Kanäle und andere
Plattformen Luft. „Dell Hell“ ging als erster echter „Shitstorm“ in
die Geschichte ein und führte dazu, dass die Umsätze des Unternehmens dramatisch einbrachen. Allerdings schaffte Dell den
Turnaround und dient heute als Lehrbuchbeispiel für den
richtigen Umgang mit drohenden oder akuten Shitstorms. Andere
Beispiele zeigen die Kehrseite dieser Medaille. Das soziale Netzwerk Facebook missbrauchte etwa 700.000 Nutzer unbemerkt
für Tests und Manipulationen zu wissenschaftlichen Zwecken
(Quelle: http://www.forbes.com). Millionen Nutzer von Sonys
Playstation waren von einem durch Hacker verursachten Datendiebstahl betroffen (http://www.dailymail.co.uk). Das Unter­nehmen
Samsung warnt seine Kunden gleich von sich aus vor, dass die
Smart-TVs der Marke Funktionalitäten haben, die es ermöglichen,
in die Privatsphäre einzudringen (http://www.dailymail.co.uk).
Digitalisierung macht vieles Vorstellbare machbar.
Weniger ob, sondern wann lautet die richtige Fragestellung. Und
natürlich liegen in dieser Entwicklung Chancen und Risiken nicht
weit auseinander. Das stark wachsende digitale Gesundheits­
monitoring ist ein anschauliches Beispiel dieser Zwiespältigkeit.
Bereits heute haben Digital-Healthcare-Angebote wie digitale
­Insulinpumpen, smarte Brillen, Pillenkamera oder digitale Blutdrucküberwachung ein nahezu unüberschaubares Ausmaß erreicht.
All diese Anwendungen eint das Versprechen einer zukünftig
­verbesserten Gesundheit und weniger Erkrankungen. Medizin und
Gesundheitsvorsorge werden auf diese Weise personalisiert,
Medikationen weiter auf den individuellen Bedarf abgestimmt.
Erkrankungen können mitunter früher diagnostiziert und das
­Risiko des weiteren Fortschreitens kann gemindert werden. Die
Transparenz, so ein umfangreiches Monitoring schafft, sowie die
intensivere, regelmäßige Beschäftigung des Einzelnen mit der eigenen
Gesundheit können allerdings auch Ängste vor möglichen Krankheiten schüren – Stichwort Hypochondereffekt. Die unzähligen
Möglichkeiten des Digital Healthcare könnten zu einer übersteigerten Form der Selbstoptimierung animieren. Der Missbrauch
von ­
Nahrungsergänzungsmitteln könnte beispielsweise selbst
Erkrankungen produzieren. Profitieren könnten von derlei erweiterter Transparenz auch Dritte wie Versicherungskonzerne und
Banken, wenn es darum geht, die Vergabe von Krediten zu bewerten
oder Konditionen von Lebensversicherungen festzulegen – im
Zweifelsfall auch zum Nachteil des Betroffenen.
Es darf also zu Recht von einer digitalen Ambivalenz
gesprochen werden, und zwar nicht nur aus der Perspektive des
Konsumenten. Dank Big Data, das eine komplexe Basis an Daten
generiert, verstehen Unternehmen aller Branchen ihre Kunden immer besser und können sie individueller ansprechen. CRM-Systeme
sind die Schatztruhe dieser wertvollen und verwertbaren
Informationen und ermöglichen personalisierte Loyalitäts- und
­
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Kundenwertsteigerungskampagnen. Diese Schatztruhe macht U
­ nter­nehmen allerdings automatisch zu einem hochinteressanten Ziel
für Hacker und Industriespionage. Die Wege zur Durchdringung
fremder Systeme hat die Digitalisierung ebenfalls geebnet. Zahlreiche
Beispiele zeigen die vielseitigen Risiken, denen Unternehmen
durch Angriffe von außen auf ihre Datensicherheit ausgesetzt sind.
Spionage nimmt ein bisher nie gekanntes Ausmaß an. Bei der­
New York Times wie auch der Washington Post haben Hacker sich
mehrere Monate lang unbemerkt Zugang zu vertraulichen Daten
von dort arbeitenden Journalisten verschafft. Bei Sony wurden
100 Millionen Kundendaten gestohlen. Beim sozialen Netzwerk
Twitter wurden schätzungsweise 250.000 Nutzerkonten und Passwörter geknackt, bei LinkedIn waren es gar 6,5 Millionen.
Nicht vergessen werden darf in dieser Geschichte die Politik als
dritte handelnde Instanz. Und auch sie befindet sich im
­Zustand eines digitalen Dilemmas. Die Erwartungen an die flächen­
deckende Versorgung mit ausreichend Breitbandkapazität, um die
immens steigenden Datenmengen auch in Zukunft problemlos zu
bewältigen, sind hoch. „Online“ ist quasi zu einem ungeschriebenen,
wahrgenommenen Grundrecht geworden. Gleichzeitig verlangt die
Bevölkerung regulierendes Eingreifen und Kontrolle, insbesondere
wenn es um den Schutz vor Datenmissbrauch und Eindringen in
die Privatsphäre geht. Die Politik soll einerseits ermöglichen, aber
andererseits reglementieren und Risiken eindämmen.
Eine Studie belegt, dass sich die Ambivalenz der digitalen
Transformation sehr deutlich in der Wahrnehmung der
Menschen widerspiegelt (Quelle: Umfrage Bitkom Research):
Menschen bestätigen den fundamentalen Wandel!
•82 % der Befragten meinen, Digitalisierung verändere die Wirtschaft und Gesellschaft mindestens so immens wie die industrielle
Revolution.
Chancen und Risiken werden erkannt!
•75 % sagen, Digitalisierung gefährde Arbeitsplätze in traditionellen
Sektoren.
•71 % sind der Ansicht, Digitalisierung schaffe neue Jobs.
•Eine knappe Mehrheit von 65 % glaubt, Digitalisierung offeriere
mehr Möglichkeiten als Risiken.
Menschen erwarten mehr Engagement von der Politik!
•64 % sagen, Politik sollte die Digitalisierung stärker fördern.
•27 % sind der Meinung, Politik solle die Digitalisierung drosseln.
Wie also ist die digitale Transformation in Zukunft zu gestalten,
um dieses digitale Dilemma möglichst erfolgreich zu überwinden?
Wie schafft man ein positives Szenario, in dem nicht digitaler
Absolutismus herrscht, sondern in dem alle Beteiligten von den
Chancen profitieren?
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Gesetze und Vorschriften schützen nicht vor Missbrauch und
unlauterem Handeln. Sie bilden jedoch den unverzichtbaren rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen sich die Digitalisierung weiterentwickeln muss. Doch wenn die digitale Transformation ein
Gewinn für alle bleiben soll, dann braucht es auf dieser Grundlage
weitere Regulative und Prinzipien.
Es ist von höchster Bedeutung, dass ein flächendeckender Ausbau
leistungsfähiger Breitbandkapazitäten mittelfristig realisiert wird.
Denn Chancengleichheit bedeutet im entsprechenden Kontext,
dass jeder die Möglichkeit erhalten muss, auf ein performantes
Internet zuzugreifen. Dies darf nicht nur den in Ballungsgebieten
lebenden Menschen vorbehalten bleiben. Hier ist der Schulterschluss von Politik, Regulierungsbehörde und Telekommunika­tions­
anbietern gefordert.
Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen muss sich ein Ethos
im Umgang mit Internet, sozialen Medien und
persönlichen Daten etablieren. Es gilt, die Transparenz im Netz
zu nutzen, um einen Kodex durchzusetzen, der Aktivitäten verurteilt,
die sich außerhalb des ethischen Korridors bewegen und anderen
schaden. Die Handelnden müssen spüren, dass ihr Verhalten in der
Netzcommunity nicht erwünscht ist, im Zweifelsfall sogar sanktioniert wird. Dies gilt für Unternehmen gleichermaßen wie für
abweichende Nutzer.
Vertrauen wird zu einem entscheidenden Bindungs­
faktor in der Beziehung zwischen Unternehmen und
ihren Kunden. Unternehmen, die das Gefühl vermitteln, nicht
vertrauensvoll mit ihren Kunden und deren Daten umzugehen,
werden dies gegebenenfalls durch Aufkündigung der Kunden­
beziehung spüren. Unternehmen, die gesetzliche Vorgaben hingegen
ernst nehmen und darüber hinaus daran arbeiten, bei ihren Kunden
„digitales Vertrauen“ zu erzeugen, werden nachhaltig profitieren.
Indem sie dieses Vertrauen als elementaren Bestandteil des Kunden­­
erlebnisses verankern, schaffen sie eine wichtige Grundlage für den
langfristigen Erfolg ihrer digitalen Geschäftsmodelle und differenzieren sich an einem sensiblen und entscheidenden Punkt von
ihren Wettbewerbern. Denn: So verlockend es für Unternehmen
auch sein mag, aus den digitalen Spuren einen „digitalen Zwilling“
des Kunden zu konstruieren – der Kunde ist niemals identisch mit
diesem. Der echte Kunde kann durchaus noch für Überraschungen
sorgen und ist (hoffentlich!) weniger berechenbar, als gemeinhin
suggeriert wird.
Für die Nutzer gilt heute wie in Zukunft das wichtige Prinzip
der Eigenverantwortung. Wer die zahlreichen digitalen Möglichkeiten und Vorteile ausschöpfen möchte, muss dafür auch
Informationen von sich preisgeben. Beides geht proportional miteinander einher. Er muss aber auch die Gewissheit haben dürfen,
dass mit seinen Daten nur gemacht wird, wozu eine Zustimmung
gegeben wurde. Das kann in Einzelfällen auch Nachteile zur Folge
haben – nur müssen diese sicht- und kalkulierbar sein. Wenn
jemand an einem Bonussystem seiner Krankenkasse teilnimmt,
welches auf digital erhobenen Gesundheitsdaten der Teilnehmer
basiert, dann kann das für ihn im Falle einer vorbildlichen gesunden Lebensweise den Vorteil einer Bonusleistung bringen. Im Falle
eines gegenteiligen Lebenswandels, der eher zu schlechteren
Gesundheitswerten führt, droht dann möglicherweise aber auch
ein Malus, zum Beispiel ein höherer Beitrag.
In der Diskussion um die Ausrichtung der Digitalisierung fällt
oftmals die Forderung nach Transparenz als fast schon heils­
bringende Zauberformel. Transparenz dabei ist zu einem ausschließlich positiv konnotierten Paradigma der Digitalisierung
geworden – auch wenn die Algorithmen, die den Kern vieler
Geschäftsmodelle bilden, oft alles andere als transparent sind. Es
gibt jedoch viele Kunden, die sich den Zauber des Geheimnisses,
den Wert des Ambivalenten und des Zweifels sowie den Charme
der verborgenen Ineffizienz bewusst bewahren möchten. Für sie
wäre eine vollkommen transparente Welt eine „ärmere Welt“ ohne
digitale Überraschungen. Das heißt: Ein letztes Stück Intrans­
parenz ist nicht selten wünschenswert, weil es der Sache ein Stück
Spannung lässt. Das bereits beschriebene Vertrauen ist an der Stelle
der wichtigere Ratgeber.
Fazit:
Digitalisierung wird kein endloses Paradies erschaffen.
Jedoch hält sie zahlreiche neue Möglichkeiten und Innovationen
bereit. Menschliches Denken und eigenverantwortliches Handeln
wird sie allerdings nicht ersetzen können – diese werden mit all
seiner Unberechenbarkeit immer eigenständig bleiben. Zu einem
digitalen Absolutismus wird es nicht kommen, weil sich die digitale
Welt neben gesetzlichen Grundlagen immer stärker selbst reguliert.
Missbrauch kann in einzelnen Fällen zwar nicht verhindert werden,
dürfte aber keine größere Zukunft haben. Mehr Chancen als Risiken
sehen auch die preisgekrönten Buchautoren von „The Second
Machine Age“ und MIT-Professoren Erik Brynjolfsson und
Andrew McAfee: „Eine Maschine hat keine Ahnung davon, was
gesunder Menschenverstand ist.“ Nicht nur aus diesem Grunde
darf am Ende getrost der digitale Optimismus überwiegen.
AUTOREN
Andreas Penkert
ist Managing Consultant und berät Kunden verschiedener Branchen rund um die Themen digitale
Transformation der Customer Journey, Social Media­
Performance sowie Organisations- und Prozess­
management. Er ist Autor zahlreicher Publikationen
und Studien.
Sascha Krpanic
ist Consultant mit Beratungsschwerpunkten in den
Bereichen digitale Services, Omnichannel Management, Wettbewerbs- und Marktanalysen sowie Unter­nehmensstrategien.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Kundenbindung in Zeiten von Social Media und Co.
Digitale Megatrends entlang
der Customer Journey
Trends wie Big Data, mobile Lösungen oder Social Media
revolutionieren das klassische Kundenbeziehungsmanagement.
Mit dem „Customer Journey Trend Mapping“ unterstützt
Detecon Unternehmen dabei, innovative digitale Konzepte
entlang der Customer Journey zu entwickeln und auf diese
Weise die Kundenbindung zu intensivieren.
Digitale Technologien haben in den letzten Jahren nicht nur zur
Entwicklung neuer innovativer Geschäftsmodelle geführt, sondern
branchenübergreifend auch in existierenden Geschäftsmodellen
die Schnittstellen zum Kunden stark verändert. Es wird zunehmend wichtiger, bestehende Kundenkontaktpunkte um digitale
Kanäle zu erweitern, um so eine noch individuellere Beziehung
zum Kunden aufzubauen. Wer das versäumt, riskiert, dass sich
stattdessen neue Player als digitale Mittler direkt an der Kunden­
schnittstelle platzieren.
Detecon hat vor diesem Hintergrund ein umfassendes Portfolio
digitaler Trends erstellt, die für das Kundenbindungsmanagement
von Bedeutung sind. In enger Kooperation mit den TrendScouting-Experten am Detecon-Standort San Francisco haben
wir innovative Konzepte entwickelt, die Unternehmen helfen,
neue Wege zu gehen und Konzepte für die Einbindung digitaler
Medien und Kanäle zu erarbeiten.
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NET
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I
OF TH
Wearable
Technology
Sensors
Smart Home/
Smart Building
Connected
Mobility
Mobile First Design
Location-based Services
Smart Home Assistant
Mobile Wallet/Payments
E
IL
B
O
M
Enterprise Listening
Social Amplification
Crowd Intelligence
Sharing Economy
BIG DATA
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Data
Analytics
Predictive
Analytics
Machine Learning
Data
Visualization
Meshed Services
Shared Login
Smart Triggers
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CIA
L
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MEGATREND
MOBILE
Das Smartphone hat sich zur Allzweckwaffe im Taschenformat
gemausert und ist heute das intimste aller Geräte. Gleichzeitig
dient es als Kontaktpunkt und Einfallstor zur digitalen Welt.
Diese Kombination birgt erhebliches Potenzial für den bedürfnis­
orientierten Kundenkontakt.
„Mobile First“, also das Zuschneiden von Webinhalten auf
Smartphone-Displays, zielt auf Maximierung des Customer
Engagement über mobile Endgeräte ab. Hier gilt: Weniger ist
mehr. So ist zum Beispiel die radikale Einfachheit der Benutzer­
oberfläche des Messaging-Dienstes Snapchat ein wesentlicher
Grund für den großen Erfolg dieser mobilen Applikation. Auch
die mobile App des Ridesharing-Dienstes UBER richtet das
gesamte Reiseerlebnis seiner Nutzer konsequent auf den mobilen
Nutzer aus: UBER agiert als unsichtbarer Begleiter – stets zur
richtigen Zeit mit der richtigen Nachricht.
Ebenfalls als Enabler für Innovationen und neue Geschäfts­
modelle gelten Echtzeitdaten zu Geopositionen sowie die auto­
matische Identifizierung oder Authentifizierung des Kunden,
beide übermittelt durch das Smartphone in der Hosentasche.
Virtuelle mobile Assistenten kombinieren das Wissen über
Standort, Stimmung oder Aktivitäten des Nutzers mit zusätz­
lichen Informationen aus dessen privaten Diensten wie Kalender,
E-Mail-Postfach oder Wecker. Ziel ist es, auf diese Weise ein
ganzheitliches Nutzererlebnis zu generieren.
Die Mobile Payment App Square nutzt hingegen den Standort
und die Authentifizierung des Nutzers auf dessen Smartphone,
um stationäre Bezahlvorgänge abzuwickeln: Beim Betreten des
Coffeeshops wird der Kunde (dank Geo-Fencing) direkt eingecheckt. Der Verkäufer sieht nun den Namen, das Foto und die
Kaufhistorie des Kunden. Die unpersönliche Standardbe­
grüßung wandelt sich zu einer individualisierten Ansprache:
„Hallo, Herr Mayer! Schön, dass Sie diese Woche schon zum
dritten Mal bei uns vorbeischauen! Wollen Sie wieder einen
Caffé Latte mit Sojamilch?“ Diese Personalisierung bewirkt eine
bislang nur Stammkunden vorbehaltene Emotionalisierung des
Kauferlebnisses. Das fördert nicht nur die Beziehung zur Marke,
sondern auch die Bereitschaft des Kunden, freiwillig weitere
persönliche Informationen preiszugeben. Der Bezahlvorgang
selbst findet dabei ganz beiläufig im Hintergrund statt.
MOB
ILE
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MEGATREND
SOCIAL
Die Präsenz von Marken in sozialen Netzwerken wie Facebook,
Twitter, Instagram und Pinterest ist ein zweischneidiges Schwert:
Man erreicht gut messbar ein großes Publikum, ist diesem aber
ebenso ausgesetzt.
SOCIAL
Laut einer Studie der Allianz erwartet ein Drittel der Social-MediaNutzer in Deutschland, dass ein Unternehmen innerhalb von
60 Minuten auf Beschwerden über soziale Netzwerke reagiert.
Kundenemotionen müssen daher schnell aus den (un-)strukturierten Daten des Social Web abstrahiert und verarbeitet werden
– ein Vorgang, der als „Enterprise Listening“ bezeichnet wird.
54 Prozent der Internetuser beziehen laut GlobalWebIndex vor
einem Kauf im Internet die Produkterfahrungen und Meinungen
anderer Kunden in ihre Kaufentscheidung ein. Dabei ist es
häufig ein kleiner Kreis äußerst aktiver Kunden, die mit ihren
Reviews und Social-Media-Aktivitäten eine große Wirkung auf
ihr Umfeld haben. Die Kultivierung und das Beziehungsmanagement derjenigen, die solche Amplifizierungseffekte auf andere
Kunden ausüben, werden aus Unternehmenssicht immer wichtiger.
Mithilfe von „Social Influencer Scoring“ lässt sich ebendiese
Kundengruppe identifizieren und deren Reichweite und Einfluss quantifizieren.
Product Hunt hebt als „Crowd-Intelligence-Plattform“ für
Produktentwicklung die Stimme der Kunden auf eine höhere
Ebene. Dies verstärkt die Marktorientierung und erzeugt von
Anfang an ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Produkt.
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MEGATREND
OPEN APIs
Is
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AP
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EN
Neben der Anreicherung von Datenbeständen gibt es jedoch ein
weiteres wichtiges Ziel von offenen Schnittstellen: das Verknüpfen
mit Anbietern relevanter Value Added Services. Ziel dabei ist es,
das Wissen über den Kunden so zu nutzen, dass dieser im richtigen Moment auf Dienste Dritter aufmerksam gemacht wird,
zu denen er dann weitervermittelt wird. Ein Beispiel ist das
Reisekosten­abrechnungstool Expensify. Es verfügt über einen
umfangreichen Datenschatz, bestehend aus Finanztransaktionen
mit Zeitstempeln, gescannten Quittungen, Flug- und Hotel­
reservierungen sowie hinterlegten Stammdaten von Geschäftsreisenden. Die aus diesen Daten erstellten Bedürfnis-, Bewegungsund Routineprofile triggern zu gegebener Zeit die Angebote
externer Partnerapplikationen. So weiß Expensify, dass Herr Meyer
an Dienstagen, an denen er geschäftlich in Miami war, bislang
jedes Mal um 19:00 Uhr in einem bestimmten Restaurant zu
Abend gegessen hat. Nun werden ihm automatisch während
seiner nächsten dienstäglichen Miami-Reise um 18:45 Uhr ein
Uber-Taxi zum Restaurant sowie eine Tischreservierung via
OpenTable angeboten – beides über das jeweilige API mit den
Partnerdiensten. Der Service denkt voraus, macht direkt buchbare
Vorschläge und bietet so einen enormen Kundenmehrwert.
OP
Offene IT-Schnittstellen (Application Programming Interfaces –
kurz APIs) ermöglichen den Austausch von Daten und das Verknüpfen von Serviceleistungen, die verschiedene integrierbare
Applikationen und die dahinterstehenden Dienste verlinken. In
den meisten Fällen werden über offene APIs eigene Daten mit
denen anderer Plattformen angereichert, wodurch alle Player
von einem höheren Informationsgehalt profitieren. Facebook,
LinkedIn und Google haben beispielsweise Schnittstellen
geschaffen, über die sich die Nutzer mit ihren jeweiligen Log-inDaten auch bei den Diensten Dritter registrieren können – aus
Kundensicht eine Erleichterung im Passwortalltag, aus Sicht
der Dienstanbieter eine Chance, den Kunden noch besser
kennenzulernen.
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MEGATREND
BIG DATA
IN
TH TER
IN NE
GS T
O
F
Mit immer leistungsfähigeren distribuierten Rechenverfahren –
Hadoop und anderen – sowie erhöhter Datenverfügbarkeit
macht die Big-Data-Welt auch vor dem CRM nicht halt. Die
Analyse von Kundendaten wird dabei oftmals für Mehrwertdienste in Form von Erinnerungen, Alarmen oder Empfehlungen
verwendet, die der Kunde nahezu in Echtzeit erhält. Gleichzeitig
tragen Big-Data-geschützte Features zur Individualisierung der
Kundenbeziehung bei und machen diese transparenter. MachineLearning-Algorithmen und Predictive Analytics ermöglichen es
zudem, das Kundenverhalten zu prognostizieren.
BI
G
DA
TA
RetailNext und Mattersight sind Anwendungsbeispiele dafür,
wie sich Big Data im CRM-Kontext nutzen lässt. RetailNext
generiert durch das Auswerten strukturierter und unstrukturierter
Daten im Umfeld von Retail Stores eine Basis für die optimale
Gestaltung der Ladenflächen und gibt Hinweise auf geeignete
digitale Interaktionen mit Kunden. Mattersight erstellt durch
die kontinuierliche Analyse von Sprachdaten aus Callcenteranrufen Persönlichkeitsprofile von Kunden und Agenten. Kunden­
anrufe werden dann künftig nicht mehr willkürlich dem nächsten
freien Mitarbeiter zugewiesen, sondern es findet ein intelligentes
Profilmatching von Anrufer zu Callcenteragent statt.
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MEGATREND
INTERNET OF THINGS
Das Internet der Dinge beschreibt eine vernetzte Welt, welche aus
„Dingen“ besteht, die jeweils ihre eigene virtuelle Identität besitzen
und sich untereinander intelligent vernetzen. Wearable Techno­
logy, Connected Mobility, Smart Home Devices und vieles mehr
werden häufig unter diesem Begriff zusammengefasst. Für Kunden
bedeutet das Internet der Dinge eine noch stärkere Vernetzung
mit Produkten und Services im alltäglichen Leben. iBeacons,
über die mit Kunden, welche sich in näherer Umgebung befinden,
über smarte Devices und Wearables kommuniziert werden kann,
sind eine große Hoffnung des Brick and Mortar Retail. Amazon
findet seinen Weg über „Amazon Dash“ Buttons ins Smart Home
und erlaubt seinen Nutzern, vordefinierte Haushaltsprodukte auf
Knopfdruck an Ort und Stelle nachzubestellen – Lieferung innerhalb von zwei Werktagen garantiert. Versicherer können mit
regelmäßigen Status- und Standortinformationen versicherter
Gegenstände ihr Risikomanagement verbessern und ihren Kunden
flexible Versicherungsprämien anbieten.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Customer Journey von Thomas
Methode: Customer Journey Trend Mapping
Die digitale Welt schafft eine Vielzahl neuer Möglichkeiten,
Kundenschnittstellen mit digitalen Erlebnissen auszustatten
und dabei wertvolle Daten zu generieren. Doch welche digitalen
Innovationen passen zu welchem Kundensegment und zu welchen
Journeys? Mit dem Format „Next Generation CRM Workshops“ unterstützt Detecon Consulting Unternehmen bei der
strukturierten Generierung relevanter Use Cases. Das im
Folgenden beschriebene „Customer Journey Trend Mapping“
hat sich hierfür als geeignete Methode bewährt.
Die Touch Points einer generischen Customer Journey werden
aus der Sicht verschiedener Personen – hypothetische Kunden
wie „der Business Traveller“ oder „der Silver Ager“ – in Break-outGruppen durchgespielt. Dabei kommt es darauf an, der eigenen
Kreativität freien Lauf zu lassen und die Touch Points mit innovativen Use Cases auf der Grundlage relevanter ICT-Trends zu
belegen. Innova­tionen können dabei auch neue Touch Points
erschaffen!
Folgende Beispielstory soll das Mapping der oben beschriebenen
Trends auf die „Carsharing Customer Journey“ von Thomas (Personenprofil: high-income, no kids, early adopter) verdeut­lichen.
Die Farben der angedeuteten Klebezettel auf der folgenden Ab­
bildung korrespondieren mit den Megatrends im Trendwheel.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Thomas bucht ein Carsharingfahrzeug über seine Apple Watch,
nachdem er automatisch gewarnt wurde, dass die Anzahl der
verfügbaren Autos in seiner näheren Umgebung knapp ist.
Per Fingerscan kann er das Auto öffnen. Der Fahrersitz hat
beim Entriegeln der Fahrzeugtür bereits automatisch die Sitz­
einstellungen von Thomas‘ letzter Fahrt eingenommen. Der
Anschnallgurt registriert während der Fahrt, dass Thomas
schwitzt, und empfiehlt ihm, an der nächstgelegenen Tankstelle,
an der er mit seiner Mobile Wallet bezahlen kann, eine Flasche
Wasser zu kaufen. Über eine Big-Data-Analyse seiner SocialMedia-Profile und der dort abgelegten Fotos stellt das System
fest, dass Thomas eine Vorliebe für Strände und Meer, aber eine
Abneigung gegen Bäume und Wälder hat. Das Navigations­
system des Fahrzeugs schlägt ihm daher vor, einen kleinen
­Umweg auf seinem Weg zum Zielort in Kauf zu nehmen, um
dafür entlang einer Route mit Seen und Flüssen zu fahren, die
den Wald so gut es geht meidet. Die Vorschau auf die Alternativ­
route wird mit Bildern unterlegt, die keine fünf Minuten zuvor
von der On-Board-Kamera eines anderen Carsharingfahrzeugs
auf dieser Route aufgenommen wurden. Kurz vor der Ankunft
an seinem Zielort wird Thomas nach dem Einholen relevanter
Crowd-Intelligence und Sensorendaten empfohlen, aufgrund
von Parkplatzmangel und des Nichterreichens seiner heutigen
Fitnessziele einen etwas entlegeneren Parkplatz anzusteuern.
Das Fahrzeug sorgt vorher dafür, dass ein freies Fahrrad in Parkplatznähe für die letzten vier Kilometer reserviert ist. Thomas
teilt vor dem Verlassen des Fahrzeugs über das Car-InfotainmentSystem die schönsten vom Fahrzeug aufgenommenen Fotos
entlang der gefahrenen Strecke mit ausgewählten Personen in
seinem sozialen Netzwerk und bekommt dafür seinem Account
zusätzliche Loyalty-Punkte gutgeschrieben. Thomas erreicht
mit dem Fahrrad sein Ziel und wird dort bereits von Freunden
erwartet, die über seine voraussichtliche Ankunftszeit rechtzeitig
informiert wurden.
Reservation
Vehicle Access
Movement and Location Analytics Engine:
Zeit für die Buchung
Fingerprintscanner
als Ersatz für
Autoschlüssel
Apple Watch App zur
Fahrzeugreservierung
Verlinkte Travel
Accounts: Auto stellt
Sitz und Air Conditioning automatisch ein
(auf Basis der letzten
Benutzung)
Driving Experience
Healthsensoren im
Anschnallgurt registrieren biometrische
Daten
Mobile-Wallet-Bezahlung an der Tankstelle
Picture Analytics auf
Social-Media-Profil
generiert automatisch
bevorzugte Route entlang See und Fluss
Vehicle Return
Data Pool auf Basis
von Crowd Intelligence
und Sensoren mit
Realtimedaten zur
Parksituation
Link zum
Fitnesstracker
After Drive
Social-Rewards-Programm: Poste deine
Fahrt und bekomme
Loyalty Points
On-Board-Kameras
haben Fotos auf der
Fahrt gemacht; automatische Erstellung eines Onlinefotoalbums
Automatische
Buchung von intermodalen Transportmöglichkeiten für die letzte
Meile (intermodal
Travel Cooperation)
Abbildung: Customer Journey Trend Mapping – Carsharingstory
Diese beispielhafte Customer Journey verdeutlicht die Vielzahl
von Ideen für digitale Touch Points, die bei dieser Übung entstehen. Nach einer solchen Kreativphase stellt sich dann die
Frage, welche Use Cases weiterverfolgt werden sollen. Bewertet
wird dies in der Regel nach strategischer Relevanz, Kern­
kompetenzen, technischer Machbarkeit und Business Impact.
Eine umfangreiche Bewertung aus unterschiedlichen Perspektiven
stellt sicher, dass die Strategic CRM Roadmap der nächsten
Planungsperioden die vielversprechendsten Use Cases enthält.
Es bleibt festzuhalten: Der Kampf um die Kundenschnittstelle
wird härter und digitaler. Technologische Vorreiter aus Silicon
Valley legen dabei ein hohes Tempo und große internationale
Schlagkraft vor. Etablierte (analoge) Kundenbeziehungen sind
bedroht. Ein absoluter Fokus auf den Kunden und seine digitalen
Bedürfnisse sowie das gezielte Nutzbarmachen neuer digitaler
Möglichkeiten sind daher zwingend notwendig – denn der Kunde
bleibt schließlich König!
AUTOREN
Ingmar Haffke
ist Senior Consultant mit Fokus auf Strategie- und Innovationsberatung und arbeitet in Detecons Office in San Francisco. Er
begleitet Strategieteams von Kunden in Nordamerika, Europa
und dem Mittleren Osten bei digitalen Innovationsthemen wie
Digital Business Models, Digital CRM Strategy, Digital Customer
Experience Management oder Mobile/Social Strategy.
Alessandro Cante
ist Consultant im Detecon Office San Francisco. Als Digital
Native und Silicon Valley Explorer setzt er sich mit dem „Customer
of the Future” auseinander und berät seine Kunden zu den Themen
Next Generation CRM, Digital Business Models, Digital Experience Management und Innovation Scouting.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
CRM-Tools im Zeitalter der Digitalisierung
Tante Emma 2.0
Niemand lebte das Konzept der Kundenbindung und Kunden­
zentrierung besser als Tante Emma. Doch die Zeiten des
kleinen Lebensmittelgeschäfts um die Ecke sind vorbei.
Längst bestimmen große Discounter und Onlineshops das
Geschehen. Ist es heute trotzdem möglich, einen Kundenservice wie vor 50 Jahren zu bieten?
Spätestens nach dem dritten Besuch kannte sie die Vorlieben
ihrer Kunden. Etwas reservieren? Kein Problem. Ein Extrastück
Schokolade für den Sohn? Gerne. Für Kunden war der Besuch
bei Tante Emma etwas Vertrautes, man fühlte sich wohl und
geschätzt. Dieses Konzept ist heute nur noch vereinzelt anzutreffen. Der Alles-in-einem-Shop ist längst dezentralisiert und
online, der Kunde weitgehend anonym. Die Masse der Produkte
ist unüberschaubar, komplex, in unzähligen Varianten und –
dank der Globalisierung – in undurchsichtiger Qualität und zu
unterschiedlichen Preisen verfügbar.
gleichbleibender Qualität zu substituieren. Um den Anforderungen des Kunden gerecht zu werden und ihn langfristig zu
binden, ist es daher wichtig, schnell, agil und mit einer
360-Grad-Sicht auf seine Wünsche zu reagieren – sowohl im
Marketing als auch in Verkauf und Service.
Ist es heutzutage überhaupt noch möglich, dem Kunden einen
individuellen Service auf Tante-Emma-Niveau zu bieten? Ja, ist
es. Mit den richtigen Tools und Methoden!
CRM-Tools bieten eine Fülle von Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu meistern. Sie vereinfachen nicht nur die Geschäftsprozesse und erhöhen die Effizienz, sondern ermöglichen
eine ganzheitliche Sicht auf den Kunden, sein Verhalten und
seine Präferenzen. Zudem sind viele Tools inzwischen auch aus
der Cloud zu beziehen, sodass sich Daten in Echtzeit abrufen
lassen. Kundenzentrierter Service unterliegt keinen zeitlichen
oder geografischen Restriktionen mehr.
Warum brauche ich ein CRM-Tool?
Funktionale Anforderungen an CRM-Tools
So schnell sich Märkte verändern und Produkte an Komplexität
gewinnen, so sehr verändern sich auch die Kunden. Ansprüche
steigen und Wechselbarrieren brechen auf. Aus Verbrauchersicht war es selten so leicht, Produkte und Dienste bei nahezu
Die Digitalisierung ist aktuell einer der größten Treiber unserer
Märkte und Kundenerwartungen. Dieser Trend wirkt sich natürlich auch auf die Anforderungen an ein ganzheitliches CRM-Tool
aus. Vier Funktionalitäten stehen dabei im Vordergrund:
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
1. Mobile Devices
Die Digitalisierung verinnerlicht im Wesentlichen drei Paradigmen, die sich auch auf CRM-Tools projizieren lassen: einfach,
immer, überall. Kunden wollen immer, überall und möglichst
einfach ihre Bedürfnisse befriedigen. Ob beim Kauf von Produkten oder im Kontakt mit dem Service. Dies erfordert eine
CRM-Lösung, mit der Kunden ihre Daten unabhängig vom
Endgerät schnell, einfach und von jedem Ort aus abrufen
können.
2. Big Data/Data Analytics
Während Unternehmen ihre Kundeninformationen früher
primär aus internen Systemen wie beispielsweise dem CRMund Warenwirtschaftssystem bezogen haben, können sie heute
auch auf externe Quellen zugreifen. Denn im digitalen Zeitalter
nutzen Kunden zunehmend elektronische Endgeräte und hinterlassen somit überall im Netz ihren digitalen Fußabdruck – zum
Beispiel bei Facebook, Onlineeinkäufen oder beim bargeldlosen
Bezahlen. Den Unternehmen stehen folglich riesige Daten­
mengen über ihre Kunden zur Verfügung, die sie für Marketingzwecke analysieren können. Die Herausforderung besteht dabei
nicht nur in der Verwaltung und Analyse der Daten und unterschiedlichen Datentypen. Vielmehr gewinnt das Thema Datenschutz zunehmend eine zentrale Bedeutung, insbesondere vor
dem Hintergrund der jüngsten Datenschutzpannen und Hacker­
angriffe. Mit dem richtigen CRM-Tool lassen sich selbst große
Mengen an Daten sicher verwalten und qualitativ sowie Compliance-konform auswerten.
3. Social Media
Dass die Nutzung von sozialen Medien kontinuierlich zunimmt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Die Frage, die
sich für viele Unternehmen stellt, lautet dabei: Wie lassen sich diese
Medien für das Kundenbeziehungsmanagement nutzen? Gezielte
Produktplatzierungen auf der Grundlage des zuvor ausgewerteten Kundenverhaltens – Stichwort Big Data/Data Analytics –
sind bereits Usus. Doch inzwischen nutzen auch immer mehr
Unternehmen diese Medien als Servicekanal, um beispielsweise
Kundenanfragen direkt zu beantworten. Viele CRM-Tools
besitzen bereits integrierte Features, um Social-Media-Kanäle
direkt aus der Plattform heraus zu bedienen. Durch die sozialen
Netzwerke hat sich auch die Beziehung zwischen Kunde und
Unternehmen geändert. Während beide früher nur direkt miteinander kommunizierten, tauscht sich der Kunde von heute über
soziale Medien auch mit anderen Kunden aus. Er diskutiert beispielsweise in Foren über die Produkte des Unternehmens oder
sucht Hilfe in einem Chat. Für Unternehmen bedeutet das
Chance und Risiko zugleich. Daher ist es für ein Unternehmen
heute unerlässlich, eine klare Social-Media-Strategie zu ent­wic­keln
und die Aktivitäten im Netz mithilfe geeigneter Software zu
beobachten und zu steuern.
4. Customer Self-Services
Kunden scheuen sich häufig, ein Unternehmen bei Fragen und
Unklarheiten direkt zu kontaktieren. Um dem Kunden diese
Unsicherheit noch vor dem Erstkontakt zu nehmen, setzen viele
Unternehmen auf Customer-Self-Service-Maßnahmen. So können
FAQs, Hilfevideos oder Anleitungen auf der Website Service­
anfragen erheblich reduzieren. Mit den richtigen CRM-Tools
lassen sich jedoch noch weitaus mehr Potenziale erschließen.
Ein beliebtes Instrument sind eigenständig gemanagte und
durch Serviceagenten moderierte Communitys. Diese haben erheb­
lichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die Reduktion
von Kundenkontakten.
Die Qual der Wahl
Wer sich für die Einführung oder Erweiterung eines CRMTools entscheidet, steht üblicherweise vor einer riesigen Auswahl
von Anbietern und Systemfunktionalitäten. Neben den Onpremise-Lösungen spielen dabei Cloud-basierte Systeme eine
immer wichtigere Rolle. Nachteil der großen Vielfalt: Für ein
Unternehmen gestaltet es sich oft sehr schwierig, die richtige
Anwendung zu finden. Eine genaue Analyse der internen Prozesse
und Anforderungen ist daher bei der Auswahl eines CRM-Systems unerlässlich. Manchmal reicht es auch, eine bestehende
Anwendung um zusätzliche Funktionalitäten zu erweitern.
Grundsätzlich lohnt es sich heute für fast jedes Unternehmen,
zu überprüfen, ob das bestehende CRM-System den Anforderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, noch gerecht
wird oder ob das System gegebenenfalls ausgetauscht oder erweitert werden sollte. Denn nur wer in der Lage ist, die Kunden­
beziehungen der Zukunft effektiv zu managen, wird langfristig
am Markt bestehen.
AUTOREN
Alexander Hardt
berät Kunden im Bereich Marketing, Sales & Service sowie bei der
Implementierung von CRM-Tools, insbesondere salesforce.com.
Maria Manthey
ist Consultant im Beratungsbereich Deutsche Telekom. Ihre
Schwerpunkte liegen in den Segmenten Marketing, Sales & Service
sowie Transformation und Change Management.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Interview mit Dr. Markus Messerer,
Head of Corporate Strategy, Swisscom
Den Kunden im Zentrum, die
Organisation fit für die Zukunft
Swisscom muss sich im Wettbewerb mit den globalen Internetplayern messen, gleichzeitig aber selbst der digitalen Transfor­
mation stellen. Dr. Markus Messerer, Leiter Corporate Strategy
bei Swisscom, sieht dem positiv entgegen: Er möchte den Wandel
aktiv gestalten. Ein zentraler Ankerpunkt dazu ist, den Kunden
konsequent ins Zentrum aller Handlungen zu stellen, um ihn
bestmöglich in der digitalen Welt zu begleiten.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Digitale Technologien, wie soziale Medien, die gesamte
mobile Kommunikation und Datenmengen, die im privaten wie
im geschäftlichen Leben voll integriert sind, haben einen großen
Einfluss auf Unternehmen und bewirken aktuell einen Strategie­
wandel. Wie müssen sich Unternehmen daran anpassen? Was
bedeutet digitale Transformation aus Ihrer Sicht als Strategiever­
antwortlicher der Swisscom?
Dr. Messerer: Wir sind definitiv auf einer Transformationsreise.
Wir sind uns dessen bewusst, dass die Swisscom in fünf Jahren
ein völlig anderes Unternehmen sein wird als die Swisscom vor
fünf Jahren. Diesem Bewusstsein entsprechend, wollen wir den
Wandel nicht nur geschehen lassen, sondern wir wollen ihn
gestalten und steuern. Das ist multidimensional und hängt mit
Systemen, mit der Technologie und mit Prozessen zusammen.
Dazu gehören die Organisation, das Skillset und das Mindset
der Belegschaft, die Führungskultur sowie das Führungs­
verständnis. All diese Dinge begleiten wir integriert wie in einem
Change-Management-Prozess. Und natürlich werden all diese
Elemente um den Kunden gestrickt, denn sie haben einen
erheblichen Einfluss auf den Kunden, auf die Customer Journey.
Swisscom steht dafür, diese Reise sehr kundenzentriert
anzugehen.
DMR: Das sieht man in der Unternehmensstrategie „Swisscom
2020“ – der Kunde steht prominent im Zentrum. Sie haben den
Anspruch, den Kunden in der digitalen Kommunikationswelt zu
begleiten, ihn mit dem besten Service hier durchzuführen, ihm
Erlebniswelten zu bieten. Was ist heute für den Kunden ein außer­
ordentliches Erlebnis, was erwartet er vom Service?
Dr. Messerer: Vorab: Die Schlagworte „Kundenorientierung“ und
„bestes Netzwerk“ finden Sie sicherlich in allen Telco-Strategien.
Unsere Auslegung ist, dass wir kein reiner Infrastruktur­anbieter
sind. Zwar haben wir das Ziel der besten Infrastruktur – dies aber
nur als Basis, um die besten Kundenerlebnisse bieten zu können
und Wachstumschancen zu realisieren. Ein Kunden­erlebnis aufzubauen steht tatsächlich im Zentrum der Unternehmens­
strategie. Wir wollen mit unseren Produkten und Services und
dem gesamten Ökosystem unsere Kunden inspirieren, begeistern
und ein einfaches kundennahes Erlebnis bieten. Dahinter verbirgt
sich, dass wir Produkte bereits so designen, dass sie viel intuitiver
sind. Wir verzichten auf eine komplizierte und innenorientierte
Sichtweise. Bereits in der frühen Entstehung soll über Co-Development und Co-Creation mit dem Kunden gemeinsam das Kunden­
bedürfnis direkt und über den gesamten Lebenszyklus hinweg
adressiert werden. Wir stellen den Kunden wirklich ins Zentrum
der Betrachtung, Services werden konsequent um ihn herum
gebaut. Kundenzentriertheit ist bei uns also nicht nur ein
Schlagwort, sondern findet sich in Prozessen, Systemen und der
gesamten Organisation wieder. Wir haben dafür beispielsweise
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
eine eigene Einheit aufgebaut, das Human Centric Design, das
sich nur damit beschäftigt, neue Services so zu gestalten, dass sie
möglichst ansprechend, möglichst einfach, möglichst intuitiv
und somit kundennah wahrgenommen werden. Das ist die Zielsetzung in unserer eigenen Organisation.
DMR: Das klingt relativ komplex. Wir wissen, dass die Margen
sinken, der Markt schreit nach modernster Infrastruktur, der Wett­
bewerb wird noch intensiver durch digitale Global Player. Der
Kunde hat steigende Erwartungen an den Service, Sie aber stehen
auch unter Kostendruck. Wie lässt sich das alles bewerkstelligen?
DMR: Was prägt heute die Erwartung des Kunden, was hat sich im
Zeitverlauf geändert?
Dr. Messerer: Das ist eine massive Herausforderung. Gott sei
Dank führt nicht alles, was zu einem besseren Service beiträgt,
automatisch zu höheren Kosten! Das ist die gute Seite der Digitalisierung. Wenn es uns als Swisscom gelingt, selbst ein Vorzeige­
unternehmen in der digitalen Welt zu sein, bedeutet das auch,
dass wir integriertere Prozessketten haben, eine bessere Kunden­
interaktion und damit werden wir auch effizienter. Hier schlagen
wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Nehmen wir mal ein Beispiel
mit Self-Service Apps, um zu zeigen, wie wir unsere Systeme
nach außen zugänglich machen. Damit gehen wir einen Schritt
in Richtung Digitalisierung und treffen den Geschmack des
Kunden, weil Kunden rund um die Uhr Self-Service nutzen
möchten. Als Nebeneffekt senken wir damit auch unsere Kosten.
Ein weiteres Beispiel ist das Thema Community: Kunden wollen
heute nicht mehr nur durch die Swisscom beraten werden, sie
lassen sich auch von anderen Kunden beraten, von der Community.
Wir haben deshalb einen Community Service etabliert, der genau
in diese Richtung geht. Diese Beispiele zeigen, dass bessere
Services in der digitalen Welt nicht unbedingt mit großen Investitionen verbunden sind.
Dr. Messerer: Durch die vielen neuen Produkte und Services aus
der digitalen Welt, die vielen Webservices und mobilen Applikationen, ist der Kunde heute mit der Einfachheit vertraut. Er ist es
gewohnt, jedes Produkt und jeden Service Device-übergreifend
zu nutzen, real-time und integriert. Das prägt die Erwartungs­
haltung des Kunden. Für Telcos ist es schon eine Heraus­
forderung, eine integrierte 360-Grad-Sicht auf kundennahe
­Services zu leisten, Services mühelos und vor allem schnittstellenlos
zu gestalten. Kunden wünschen wenig Interaktion, es gilt: Best
Service is no Service.
DMR: Die Wettbewerbslandschaft hat sich stark verändert. Mit
wem stehen Sie heute primär im Wettbewerb? Sind das noch Telcos?
Dr. Messerer: Nein, das sind nicht mehr nur Telcos. Wenn wir
uns den Schweizer Markt ansehen, kommt natürlich eine Salt,
Sunrise, UPC oder der eine oder andere Kabelbetreiber vor das
geistige Auge. Wenn wir uns aber über die digitale Welt unterhalten,
dann ist ganz klar, dass die Digitalisierung nicht infrastrukturbasiert,
sondern webbasiert und servicebasiert ist und damit auch nicht
von Ländergrenzen abhängt. Wettbewerb passiert heute auf
der globalen Bühne. Dementsprechend sind die Wettbewerber
nicht mehr nur die klassischen, sondern dazu gehören auch
Amazon, Facebook und Google. Auf der Service­ebene merken wir
sehr stark, dass der Wettbewerb eindeutig ein globaler ist.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Sie sprechen von Self-Services. Man könnte ja auch ganz
ketzerisch sagen: Für einen Premiumanbieter wie die Swisscom
gehört es sich nicht, den Service auf den Kunden abzuschieben – das
ist doch nur Kostenvermeidung. Passt das zusammen: Self-Service
und Premiumanbieter?
Dr. Messerer: Wir reden hier davon, Self-Services dem Kunden
zugänglich zu machen in genau dem Umfang, in dem er das
möchte, weil es für ihn dann praktischer ist. Sie werden bei
Swisscom aber immer einen Topservice im Shop haben, an den
Sie sich physisch wenden können, Sie werden immer Ansprechpartner in verschiedenen Sprachen finden, Servicelines, die Ihnen
hochkompetent helfen. All das wird es bei Swisscom immer
geben, um die Premiumposition zu halten.
DMR: Wir sprechen von verschiedenen Servicemöglichkeiten. Eine
traditionelle Telco ist mit verschiedenen Kanälen aufgestellt –
Stichwort Omnichannel Management. Die interne Koordination
ist eine riesige Herausforderung. Was bedeutet das für Sie?
Dr. Messerer: Das Thema dahinter sind wiederum Prozesse,
Systeme und Menschen. Gerade der Mensch, diese unmittelbare
Schnittstelle zum Kunden, ist extrem wichtig. Swisscom hat
dieser Schnittstelle schon immer größte Bedeutung beigemessen
und viel in diese Stelle investiert. Wir haben schon lange erkannt,
dass die direkte Kundeninteraktion ein wichtiges strategisches
Asset ist. Die Herausforderung liegt hier im Verbund von Prozessen und Systemen. Auch Swisscom muss hier noch einen
großen Schritt gehen, um die viel zitierte Multi-Channel-Präsenz
aufbauen zu können. Wir müssen integrierte Prozessketten
gestalten, um rasch und effektiv selbst ein digitales Vorzeige­
unternehmen zu werden. Selbstverständlich ist das für alle
großen Telcos eine große Herausforderung.
DMR: Dafür benötigt man also verschiedene Bausteine. Systeme
und Prozesse bedeuten ja sehr langwierige Veränderungen. Was
ist hier die größte Hürde? Welcher Baustein ist der schwierigste
hin zur digitalen Transformation?
Dr. Messerer: Einfach ist keiner der angesprochenen Bausteine.
Für einen Incumbent am spannendsten finde ich aber den Verbund von Systemen und Prozessen: Aus Ex-Mobilsystemen und
Ex-Festnetzsystemen einen voll integrierten BSS-Verbund hinzustellen, der auch in der Customer Journey voll integriert die
Prozesse unterstützt und damit dem Kundenmitarbeiter eine
integrierte 360-Grad-Kundensicht ermöglicht, das ist äußerst
herausfordernd, aber eben auch nicht kurzfristig zu lösen.
DMR: Am Markt gilt Swisscom durchaus als kundenorientiertes
Unternehmen. Aktuell gibt es viele Kundenkanäle. Wie ist das
Verständnis bei Swisscom hierfür?
Dr. Messerer: Gewiss haben wir da schon einiges erreicht.
Kundeninteraktion und die Erlebniskette werden allerdings von
sehr fokussierten, straffen Internetplayern ständig optimiert, da
müssen wir ein Stück weit mit. Das ist klar. Selbstverständlich
haben wir hier noch gewisse Entwicklungsschritte zu gehen.
Wie schon eingangs erwähnt, ist das für uns ein Weg, den wir
aktiv gestalten. Von daher legen wir die höchste Topmanagement­
attention auf diese Transformationsthemen.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Auf der einen Seite steht die Topmanagementattention, auf
der anderen aber, dass die Basis mitzieht. Welche Mechanismen
haben Sie, oder anders gefragt, wie gewährleisten Sie, dass alle
unisono in die gleiche Richtung laufen?
Dr. Messerer: Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Wir nutzen
unterschiedliche Hebel im Change Management. So haben wir
neben Topmanagementprogrammen auch Initiativen, die alle
Führungskräfte involvieren und so versuchen, alle Kolleginnen
und Kollegen auf die Transformation einzustimmen. Unsere
Erwartung ist, mit gemeinsamer Meinungsbildung sowie mit
breiter Kommunikation und Involvierung das Schiff in eine
gewisse Richtung manövrieren zu können. Die Rezeptzutaten
sind wahrscheinlich Zeit, ständiger Dialog und Manage­ment-Commitment.
DMR: Lassen Sie uns noch einmal zurückgehen zum Thema Service
und Kundenerlebnis. Swisscom hat sich zum Ziel gesetzt, die Kunden­
betreuung möglichst personalisiert und auch möglichst flexibel zu
formen. Können Sie uns erklären, wie das zu verstehen ist?
Dr. Messerer: Das Thema Kundenzentrierung hört für uns
natürlich nicht beim Customer Service auf, sondern ist integraler
Bestandteil eines jeden neu entwickelten Produkts. Es ist ein
Aspekt der digitalen Welt, dass wir von Mass Customization
sprechen. Es gilt nicht mehr „One size fits all“, sondern im
Idealfall hat jeder Kunde seinen eigenen Service, aber auf der
Basis von Modularisierung und Standardisierung. Die Kunst
eines digitalen Unternehmens wird es sein, nach außen hin
möglichst viel Komplexität und Varietät bieten zu können, sich
aber nach innen nicht mit dieser Komplexität zu erschlagen.
Über Standardisierung und Modularisierung in Kombination
mit Kundendaten erhoffen wir uns, solche Services bieten zu
können. Auch hier ein einfaches Beispiel, nehmen wir Amazon:
Kunden, die XY gekauft haben, interessieren sich auch für A, B
und C. In unserer Industrie heißt das beispielsweise: Kunden,
die auf Swisscom TV 2.0 einen bestimmten Film gesehen haben,
können wir auch andere Filme dieses Schauspielers empfehlen.
Dieses Kundenerlebnis muss in jedem Produkt stecken: vom
Telefontarif bis zur App.
DMR: Das führt uns zum Thema Big Data, auch ein Schlagwort,
das heute überall auftaucht. Sie sprechen von Variabilität gegenüber
dem Kunden, von Komplexitätsreduktion, Personalisierung, die ja
nicht nur die kundenkonforme Recommendation bedeutet, sondern
auch heißen kann, zu wissen und zu verstehen, wo der Kunde gerade
ist und welche Devices er hat? In diesem Bereich sind Daten sehr
wichtig, der Zugang zu Daten gilt heute als Asset. Ist das wirklich
ein Vorteil?
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Dr. Messerer: In der digitalen Welt sind Daten auf jeden Fall
von Vorteil, ganze Geschäftsmodelle basieren darauf. Mit den
Daten kommt natürlich auch eine Verantwortung auf uns zu.
Das ist ein Punkt, der die Swisscom sicherlich massiv von vielen
Start-ups und globalen Playern unterscheidet, denn wir sind uns
der Verantwortung bewusst. Das heißt konkret: Wir gehen mit
größter Sicherheit und Sorgfalt mit allen Kundendaten um.
DMR: Hier ist sicherlich Augenmaß gefragt im Interesse des Kunden.
Sie haben vorhin Ihr Ökosystem erwähnt. Wie sieht hier das Bild
vor Ihrem geistigen Auge aus?
Dr. Messerer: In der digitalen Welt können nicht nur einzelne
Produkte und einzelne Services angeboten werden, sondern ein
Verbund von Themen mit Synergiewirkung. Das ist es, was wir
als Ökosystem bezeichnen. Wenn Sie beispielsweise bei Apple
die Hardware in den Kern des Ökosystems stellen, dann sehen
Sie, dass alle Services, die um diesen Kern aufgebaut werden,
vielleicht kommerziell gar nicht so relevant sind, aber in sehr
effektiver Weise einen Verbund bilden, der den Kern des Ökosystems erweitert und beschützt.
DMR: Der Kunde kann daraus einen Durchgängigkeitsvorteil
generieren. Das ist doch aber ein Wechsel im Mindset. Einzelne
Services oder umsatzmaximierte Services in einem Case zu rechnen,
ist manchmal einfacher als eine Ökosystembetrachtung. Wie geht
Swisscom damit um? Über welche Ansätze stellen Sie sicher, dass Sie
sich in Richtung Ökosystem entwickeln?
Dr. Messerer: Natürlich ist das ein schwieriges Thema. Theoretisch
hätten Telcos in einer Ökosystemdenke schon viel früher IPMessages etablieren können. Man hätte nicht warten müssen,
bis WhatsApp das tut. Wenn wir unsere Denke aber nun in
Richtung Ökosysteme verändern, darf das natürlich kein Freipass
dafür sein, alle möglichen Services ungeachtet ihrer Monetarisier­
barkeit und ihres kommerziellen Nutzens zu etablieren, nur mit
dem Argument, das Ökosystem zu verteidigen. Das machen
auch die großen Player nicht. Entgegen vielen Vorurteilen sind
sie gar nicht so frei fliegend und hochkreativ, dass jeder basteln
darf, was er will. Es gibt extrem strenge und rigide Vorschriften
und da wird sehr diszipliniert darauf geachtet, was funktioniert
und was kommerziell Sinn macht. Die anderen Dinge werden
sehr rasch wieder abgeschafft. Als Normalverbraucher bekommt
man die große Anzahl von Projekten, die wieder eingestellt
werden, ja gar nicht mit. Wir dürfen also nicht nur auf die Innovationsfreude in der digitalen Welt schauen, sondern müssen
auch die Disziplin haben, uns am kommer­ziellen Nutzen zu
orientieren.
DMR: Das klingt nach schneller Entwicklung, aber auch Fast-Fail,
in jedem Fall aber vor Kunde agil sein. Sind hierfür interne Struk­
turen und viele Abstimmungsschleifen von größeren Unternehmen
ein Hindernis?
Dr. Messerer: Definitiv. Aber auch hier haben wir wieder den
Verbund von Themen, die wir gleichzeitig abarbeiten müssen.
Wir sind uns dessen völlig bewusst, dass wir in unseren bestehen­
den Strukturen und mit unserem Wasserfall-Projektmanage­
ment nicht diese Schnelligkeit, diese Agilität, diese Wendigkeit
und Flexibilität haben, als wenn wir uns in Teams mit Open
Creation und Co-Creation organisieren. Genau diese Dinge,
samt Skills, samt Organisation, samt Incentivierung, sind Teile
unseres Transformationsprogramms. Wir versuchen bereits, in
anderen Strukturen Services zu entwickeln.
KURZPROFIL
Dr. Markus Messerer
ist Head of Corporate Strategy bei
Swisscom, einem der führenden ICTAnbieter und innovativsten Player in der
Telekommunikationsbranche. In dieser
Rolle unterstützt er die Wachstumsstrategie
sowie Themen der Digitalisierung und
Transformation. Vor Swisscom war er
Strategieberater und leitete dann den
Bereich „Strategy & Projects“ bei A1
Telekom Austria. Aufgrund seiner Passion
für Strategie hat Markus Messerer nach
dem Wirtschaftsstudium einen MBA in
strategischem Management absolviert
und in internationaler Unternehmensführung promoviert.
DMR: Auf der Basis dieser Erfahrungen gibt es sicherlich Kern­
erkenntnisse oder auch Handlungsempfehlungen, die Sie unseren
Lesern hinsichtlich der digitalen Transformation mit auf den Weg
geben möchten.
Dr. Messerer: Wahrscheinlich ist es in der digitalen Welt gar
nicht die Hauptaufgabe von Strategen und Managern, die Zukunft
genau zu kennen und sich optimal zu positionieren. Denn das
ist nicht möglich. Stattdessen müssen wir unsere Unter­nehmen
lern- und veränderungsfähiger machen. Das beinhaltet, sich zu
öffnen, die Sensorik zu stärken, mit Kunden im Dialog zu bleiben
und generell mit der Außenwelt in Kontakt zu sein, um sehr
schnell reagieren zu können. Auf diese Fähigkeiten wird es in
der digitalen Welt ankommen.
DMR: Recht herzlichen Dank für diese Insights, Herr Dr. Messerer!
Das Interview führte Peter Tüscher, Managing Consultant,
Detecon (Schweiz) AG.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Bereit für . . .
24
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
. . . die Zukunft ?
OTTs vs. Telcos
Integrierte Netzplanung
Social Media
Perfomance
Network
Enabled
Services
5G
SDN und
NFV
Big Data
Digital Customer
Excellence
Agile
IT-Architekturen
Consulting
DETECON
Mehr Informationen unter:
www.detecon.com/de/future-telco-reloaded
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
CRM in the Digital Age
Chance und Herausforderung
für die Automobilindustrie
Automobilhersteller können eine Vielzahl neuer digitaler Möglichkeiten
für die Intensivierung ihrer Kundenbeziehungen einsetzen. Dabei kommt
Data Management & Analytics als neuem Herzstück von CRM eine
zentrale Rolle zu.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Mobile Devices, Social Media und das Internet of Things bieten
Unternehmen und Kunden ganz neue Möglichkeiten, miteinander
in Kontakt zu treten – überall, zu jeder Zeit und mit unterschiedlichsten Darstellungsformen. Analysen von Datenbeständen, die
als Folge der Digitalisierung quasi „nebenbei“ erzeugt werden,
erlauben neue Erkenntnisse über Kunden, Interessenten und
deren Bedarfe in bislang unbekannter Breite und Tiefe. Dies
tangiert die wesentlichen Eckpfeiler von Customer Relationship
Management:
• Kenne deinen Kunden und seine Bedarfe!
• Biete ihm zu seinen Bedarfen passende Angebote!
• Kommuniziere in der für ihn individuell geeignete Form!
•Erzeuge dadurch ein positives und emotionales Kundenerlebnis,
um Kundenbegeisterung auszulösen und seine Loyalität zu
gewinnen!
•Und: Tue all das möglichst wirtschaftlich, also unter Einsatz
von effizienten Prozessen und unterstützt von adäquaten
Systemen!
Digitale Customer Journey
Am Beispiel der Automobilindustrie sei verdeutlicht, welche
Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung für das
Management der Kundenbeziehungen hat. Für die klassische
Customer Journey eines (Neu-)Fahrzeugkaufs ebenso wie für die
Customer Journey im Aftersales für Werkstattleistungen ergeben
sich drei zentrale Änderungen:
1. Neue digitale Touchpoints
Es entstehen neue digitale Touchpoints. Beispiele hierfür sind
die „Always-on“-Smartphones und Tablets der Kunden, die eine
permanente Verbindung zwischen Kunden und Automobil­
herstellern sowie Händlern und Werkstätten ermöglichen. Dies
bringt gleichzeitig die Forderung mit sich, Kunden eine nutzbringende App bereitzustellen, um nicht den Kontakt zu verlieren.
Zentral ist das Adjektiv „nutzbringend“ – eine App um der App
willen wird schnell als „Blindgänger“ enttarnt und birgt das
Potenzial einer Karteileiche. Der Nutzen muss nicht notwendiger­
weise direkt mit dem Automobil verbunden sein. Auch spielerische
„Entertainmentelemente oder hilfreiche Funktionen für andere
Bereiche des Alltags wie Smart Home, Smart Logistics, intermodale
Mobilität oder Smart Health bringen Kunden zur regelmäßigen
Nutzung einer App und binden ihn an die Marke. Smartphones
bieten im Zusammenspiel mit iBeacons oder GPS-basierten
Diensten die Möglichkeit, Kunden an bisher unbesetzten Orten
einen „virtuellen Point of Sales“ bereitzustellen, an dem Location
Based Services genutzt werden können. Connected Car spielt für
das CRM in der Automobilindustrie eine ganz besondere Rolle:
Zum einen wird das Fahrzeug selbst zum permanenten digitalen
Touchpoint, den der OEM im Moment des Produkterlebnisses
besonders wirksam für die Kommunikation nutzen kann. Zum
anderen eröffnen sich bisher nicht da gewesene Möglichkeiten
für die Sammlung von Fahrzeug- und fahr- oder nutzungs­
relevanten Daten.
2. Digitalisierung existierender Touchpoints
Der Umgang mit der digitalen Kommunikation ist selbstverständlich geworden, nicht nur für die „Digital Natives“. Wer die
Kommunikation über die digitalen Kanäle nicht beherrscht,
erreicht seinen Kunden nicht mehr. Dies gilt für elektronische
Medien wie E-Mail und klassische Webauftritte ebenso wie für
Customer Interaction Center und stationäre Retailformate. Auch
im Customer Care ziehen Videochat und Nutzung der SocialMedia-Plattformen als eine Form des Customer Self-Service ein.
Und auch im Händlerbetrieb sowie in der Werkstatt wollen die
Kunden digital „bespielt“ werden. In der Folge stellt die Digitalisierung ganz neue Anforderungen an die Orchestrierung der
Kommunikation über die verschiedenen digitalen und nichtdigitalen Kanäle. Die Komplexität des Multi- oder gar Omnikanal­
managements wächst im Zuge der Digitalisierung enorm. Darüber
hinaus verschwimmt die Grenze zwischen Kommunikation mit
bekannten Kunden auf Basis vorhandener Kontaktdaten – CRM
im engeren Sinne – und Ansprache von anonymen, nicht identifizierten Kunden, also klassische Werbung. Die Auswertung von
Device-spezifischen Informationen und Verhaltensweisen des
Nutzers eines digitalen Endgeräts, beispielsweise mittels Cookies,
erlaubt oftmals eine individuelle und bedarfsgerechte Ansprache
auch ohne Kenntnis der Identität des Kunden oder Interessenten.
Damit werden die wesentlichen Merkmale von CRM erfüllt,
auch ohne Identifizierung des Kunden.
3. Auflösung der vordefinierten Sequenz der Customer
Journey
Digitalisierung verändert grundlegend die Art und Weise, in der
Kunden eine Kaufentscheidung vorbereiten: Sie nutzen die vielfältigen Möglichkeiten, sich über Produkte und Services zu
informieren, unabhängig von Ort und Zeit. Jederzeit können
zusätzliche Details erforscht werden. Die Informationsbeschaffung
erfolgt daher häppchenweise und nicht mehr am Stück wie bei
einem traditionellen Händlerbesuch. Es wird eine viel größere
Anzahl unterschiedlicher Quellen herangezogen, weil die Kosten
der Informationsbeschaffung nahezu null sind. Darüber hinaus
ist es gängige Praxis, die „Peer Group“ über aktuelle Tätigkeiten
mittels sozialer Medien zu informieren und sie an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Die Kommunikation zwischen dem
Automobilhersteller beziehungsweise dem Händler und dem
Kunden wird laufend ergänzt durch Kommunikation der
Kunden untereinander mit entsprechender Auswirkung auf
die Ent­scheidungsfindung.
27
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Touchpoint Hopping erhöht Abstimmungsaufwand
Die Customer Journey eines Kunden ist nicht mehr „linear“,
sondern geprägt durch ein schnelles und nur schwer vorher­
sehbares „Touchpoint Hopping“.
Mit Blick auf den in der Automobilindustrie üblichen dreistu­figen
Vertrieb kann ein durchgängiges und einheitliches Kunden­
erlebnis nur dann erzeugt werden, wenn alle an der Kundeninteraktion Beteiligten – Hersteller, Importeur (Wholesaleebene)
und Händler/Werkstatt (Retailebene) – reibungslos zusammenarbeiten. Bisher waren nahezu ausschließlich der Importeur und
der Händler im direkten Kundenkontakt: der Importeur im
Wesentlichen in den frühen Phasen der Leadgenerierung, der
Händler in der anschließenden Verkaufsabwicklung. Und im
Aftersalesgeschäft ist bislang nahezu ausschließlich die Werkstatt
das Gesicht für den Kunden, im Bedarfsfall unterstützt durch
Customer Care Center des Importeurs.
Dieses Zusammenspiel ändert sich durch die Digitalisierung
dramatisch: Ein Großteil der Informationsversorgung kann
zentral durch den Hersteller erfolgen, weil die digitalen Abruf­
kanäle durch das Internet überall auf der Welt zur Verfügung
stehen. Hier können bedeutende Skaleneffekte durch die Zentralisierung erzielt werden. Über das Connected Car, dessen Vertrags­
partner für die mobilen Services rund um das Auto der Hersteller
selbst ist – nicht mehr der Importeur oder der einzelne Händler –,
kommt der Hersteller erstmals originär in die direkte Kundenbeziehung. Der Abstimmungsaufwand zwischen den einzelnen
Dealership
„Next Generation Digital“-Kunde
Auch der Kunde selbst verändert sich mit all seinen Erwartungen
und Bedürfnissen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass der Verkauf
von Autos an 18- bis 34-jährige Käufer signifikant zurückgegangen ist. Mobilität steht im Vordergrund, das Eigentum an einem
Auto ist dagegen nicht mehr wichtig. Hat sich die Automobil­
industrie insgesamt schon ausreichend auf diesen Wandel eingestellt? Und kennt sie diese neue Generation und ihre Bedarfe?
Die sogenannten Millennials sind die erste Generation, die mit
digitaler Technik aufgewachsen ist. Kommunikation und Austausch mit der Außenwelt über digitale Medien und Endgeräte
sind integraler Bestandteil ihres Alltags. Dementsprechend
unterscheiden sich auch ihre Erwartungen an die Kommuni­
kation. Die Auswahl eines Kanals erfolgt aufgrund individueller
Präferenzen oder der jeweiligen Situation. Unabhängig vom
Kanal setzen diese Kunden heute voraus, dass sowohl der Inhalt
als auch die Darstellung eines Produkts oder einer Marke ohne
Brüche mit einer einheitlichen Stimme sprechen. Darüber hinaus
wird erwartet, dass eine App oder ein Webportal neben einer
Web / App
E-Mail / Letter
Configurator
Call Center
Social Media
Digital Advertising
etc.
Abb. 1: „Touchpoint Hopping“ in der digitalen Customer Journey
28
Touchpoints erhöht sich in zweifacher Hinsicht: Erstens steigt
die Anzahl der Touchpoints und der beteiligten Interakteure auf
allen drei Vertriebsebenen. Und zweitens erzeugt das „Touchpoint Hopping“ die Notwendigkeit eines wechselseitigen und
jederzeitigen Informationsaustauschs über die bereits durchgeführten Interaktionen an vorhergegangenen Touchpoints, um
den Kunden auf Augenhöhe im nächsten Schritt bedienen zu
können.
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Customer Portal
Connected Car
hohen Performance durch schnelle Reaktionszeit intuitiv
bedienbar und nutzbar ist. Kunden möchten keine Zeit
darauf verwenden, die Technik zu verstehen. Wenn
man bedenkt, dass in dieser Zielgruppe 65 Prozent
„Internet of
der Kunden ihre Customer Journey auf einem
(Every)Things“
mobilen Endgerät starten, kann man nachvollziehen, wie viel der Content und das
Storytelling an Bedeutsamkeit gewinnen,
die der Nutzer beim Herunterscrollen
am mobilen Endgerät sieht. Die ersten
zwei bis drei Sekunden des Contents
sind entscheidend – sie lassen den
Daumen stoppen oder sich weiter­People always on
bewegen.
Connected Society
New Mobility
World
Smart Energy
Seamless Experience
of Digital Touchpoints
Smart City
Seamless Connectivity
Ausbau der Customer Intelligence
Touchpoint Hopping
Data Analytics
Als dritten wesentlichen Aspekt der
Digitalisierung müssen Automobilhersteller den Blick nach außen auf
das Marktgeschehen um sie herum
Communications
wenden. Die Digitalisierung hat
disruptive Veränderungen im Umgang
Smart Health
mit Daten hervorgebracht. Unzählige
Geschäftsmodelle der digitalen Big Player
basieren vollständig auf der Sammlung, Ausund Verwertung von Daten. Die Customer
Intelligence, die das für CRM so grundlegende
Smart Parking
Smart Logistics
Wissen um Kunden und ihre Bedürfnisse bereitstellt,
liegt nunmehr überwiegend in den Händen anderer.
Facebook, Google, Apple und andere sitzen auf einem
Smart Home
wahren Schatz an Detailkenntnis über Kunden, die dieses
–2–
Wissen teils bewusst, teils unbewusst zur Verfügung stellen.
Abb. 2: „Next Generation Digital“-Kunde ist always on
Insbesondere die Kombination ganz verschiedener Puzzleteile
aus dem Leben eines Kunden bringt wertvolle Erkenntnisse
über sein Verhalten und seine Bedarfe. Denn Google & Co.
beschränken sich nicht auf einen bestimmten Bereich, beispielsWenn man sehr abstrakt weiterdenkt und die Geschwindigkeit
weise die Automobilität, sondern sammeln und kombinieren
der Digitalisierung vor Augen hat, verwundert es nicht, dass erste
alle Spuren, die Kunden hinterlassen – auf welchen Pfaden sie
Stimmen aus Google & Co. das Auto lediglich als ein weiteres
mit ihrem mobilen Device auch immer wandeln. In Kombination
Mobile Device betrachten. Der Wissensvorsprung im Umgang
mit mächtigen Analysewerkzeugen werden so Segmentierungen
mit der Digitalisierung und die Kompetenz bezüglich Data
möglich, die eine extrem genaue Adressierung erlauben. Da die
Management und Analytics bergen das Risiko, von Non-OEMs
digitalen „Datensammler“ diese Daten und Erkenntnisse an
wie Google und Apple verdrängt zu werden. Eigene digitale
sich nicht herausgeben, sondern dem Meistbietenden ertragMobilitätsprodukte bis hin zum autonomen Auto sind bekanntreich den Kommunikationskanal zu den Zielgruppen eröffnen,
lich bereits jetzt konkreter als jede Zukunftsvision. Dies zeigt,
müssen Automobilhersteller diese Kanäle mit nutzen, um nicht
dass bei Mobilitätsdienstleistungen in Zukunft das Wissen um
ins Hintertreffen zu geraten. Und sie sollten nach Möglichkeiten
den Kunden und damit das Erkennen und Befriedigen seiner
suchen, selbst Daten zu sammeln und bezüglich der Customer
Bedürfnisse einen mindestens ebenso hohen Stellenwert haben
Intelligence nicht vollständig in Abhängigkeit zu geraten.
wie die traditionelle Kenkompetenz „Blech und Motor“.
29
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Dealership
E-Mail / Letter
Call Center
Digital Advertising
etc.
Web / App
Analytics
Configurator
+ External Data
Social Media
Big Data & Prediction
Data Management
Identification & Combination
Data
r
Integration Laye
Customer Portal
Connected Car
Abb. 3: Data Management & Analytics
Data Management & Customer Analytics als Herzstück
Wie können sich Automobilhersteller all diesen Herausforderungen stellen? Indem sie sich auf die digitale Transformation
einlassen und als Chance begreifen! Für die Digitalisierung der
Customer Journey bedeutet das zunächst die konsequente
Nutzung digitaler Kommunikationskanäle und ihre Orchestrierung durch Multi-/Omnikanalmanagement. Des Weiteren
bedeutet es die Implementierung ganz neuer digitaler Touchpoints und ihrer Einbindung in die Gesamtinteraktionen mit
den Kunden. Vor allem aber kommt dem Kundendatenmanagement eine zentrale Rolle zu: Da die Anzahl der Touchpoints und
die Frequenz der Touchpointbesuche steigen, es aber keine
planbare Reihenfolge der Touchpointbesuche mehr gibt und
sich außerdem die Anteile der Interaktionen durch die drei
Vertriebsstufen OEM, Importeur und Retail stark verschieben,
ist für digitales CRM die Sammlung aller Informationen über
die Kundeninteraktionen und umgekehrt die Bereitstellung an
allen Touchpoints der Schlüssel zum Erfolg. Der digitale Kunde
erwartet jederzeit die ubiquitäre Verfügbarkeit von Interaktionsmöglichkeiten am Touchpoint seiner Wahl. Er erwartet darüber
hinaus, dass sein Gegenüber informiert ist über ihn, seine
Bedarfe und insbesondere über die zuvor durchgeführten
Schritte seiner Reise, damit der diese „nahtlos“ fortführen kann.
Die Unterscheidung zwischen den drei Vertriebsstufen interessiert
ihn nicht. Deshalb darf es keinen Bruch in der vom Kunden
wahrgenommenen Interaktion geben, wenn de facto ein Wechsel
von beispielsweise Retail- auf OEM-Ebene stattfindet, weil
der Kunde sich nach dem Händlerbesuch im Webportal weiter
informiert oder seine begonnene Konfiguration fortsetzt.
30
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Voraussetzung hierfür ist die Bereitstellung des 360°-Blicks auf
den Kunden, jederzeit und an allen Touchpoints. Die zentrale
Rolle übernimmt die einheitliche Customer ID, die an allen
Touchpoints die Aktionen von bereits bekannten Kunden zu
besagtem 360°-Blick verbindet. Denn nur durch die Zusammen­
führung aller Aktionen der Kunden entsteht dieses umfassende
Bild. Für Aktionen, die anonym auf digitalen Endgeräten erfolgen,
können diese (zunächst) über temporäre IDs, zum Beispiel
Cookies, gesammelt und zusammengeführt werden. Zum
geeigneten Zeitpunkt kann dann über entsprechende Anreize
die Identifizierung oder Deanonymisierung des Kunden forciert
werden, um auch diese digitalen Spuren dem Gesamtprofil
hinzuzufügen.
Für die Umsetzung sind neben technischen Aspekten der
Datenzusammenführung (Data Integration Layer) auch organisa­
torische und legale Aspekte zu berücksichtigen, weil die Beteilig­
ten auf den drei Vertriebsstufen rechtlich selbstständig agierende
Einheiten sind und sie nicht ohne Weiteres alle Details über
„ihren“ Kunden austauschen dürfen. Hier greifen erweiterte
Konzepte für Marketingeinverständniserklärungen. Neben dem
Dürfen muss allerdings auch das Wollen für den Kundendatenaustausch bei allen Beteiligten hinreichend adressiert werden:
Jedem Interakteur muss der Vorteil durch das Data Sharing
bewusst gemacht werden. Erst die Transparenz über den Kunden
und seine Bedürfnisse ermöglicht wahres CRM!
Connected Car – Connected Customer
„Next Generation” CRM
Daten über Kunden, die dritte Marktakteure in großem
Umfang sammeln, sind in Einzelfällen als „externe Daten“ den
eigenen Kundendaten hinzuzufügen, um zielgenauere Segmentierungen und Kundenansprachen zu ermöglichen. Dies ist
allerdings sehr teuer – schließlich beruht das Geschäftsmodell
von Google & Co. auf den Einnahmen hieraus. Daher ist für
Automobilhersteller die Erweiterung der eigenen Datensammlung besonders interessant: Connected Car bietet grundsätzlich
die Möglichkeit, fahrzeugspezifische Bedarfe sowie mobilitäts­
relevantes Verhalten der Fahrer zu erfassen*.
Zweifelsohne schafft die Digitalisierung wertvolle Chancen für
die Automobilindustrie, um dem Kunden näher zu kommen:
Neue digitale Kanäle erschaffen ein vielfältiges Potpourri in der
Kundenkommunikation, Kunden sind überall und zu jeder Zeit
erreichbar. Allerdings ergibt sich daraus auch das Versprechen,
selbst permanent ansprechbar zu sein für die Anfragen des
Kunden – und zwar auf dem von ihm gewählten Kanal.
Omnikanal­management gewinnt an Bedeutung für ein kanal­
übergreifendes einheitliches Kundenerlebnis.
Zum einen können Unternehmen Meldungen der Steuergeräte –
Warnmeldungen, Fehlermeldungen oder auch nur Hinweise
auf den nächsten fälligen Service – zum Anlass nehmen, dem
Kunden konkrete Angebote für genau diesen Wartungs- oder
Reparaturbedarf des Fahrzeugs zukommen zu lassen. Und zwar
im zeitlichen und räumlichen Kontext mit dem Entstehen des
Bedarfs, am besten direkt auf die On-Board Unit des Fahrzeugs
oder die dazugehörige App. Die hohe Qualität der vom Fahrzeug direkt erzeugten Aftersales Leads überwindet auch die
sonst übliche Skepsis der Retailebene in Bezug auf die Qualität
der seitens des Herstellers bereitgestellten Leads: Die Ernsthaftig­
keit (Richtigkeit) des Bedarfs und die Zeitgerechtheit des
Bedarfs sind nicht zu übertreffen. Lediglich am Willen des Kunden
müssen Händler und Werkstatt eventuell noch arbeiten …
Zum anderen können aus der ständigen Verbindung mit dem
Auto wertvolle Daten über die Situation des Autos – Kilometerstand, Alter, Geschwindigkeit, Drehzahl, Getriebestellung, Öltemperatur, Außentemperatur – und über die Position des Autos
zum Rückschluss auf Straßenzustand, Höhenmeter, Steigung
oder Wetterbedingungen gewonnen werden. Diese Daten können
ohne signifikanten Inhaltsverlust auch anonym gesammelt und
ausgewertet werden, um Zusammenhänge zwischen Daten und
Fahrzeugbedarfen wie Ersatzteilen, Wartungs- oder auch mögliche
Reparaturbedarfe zu erkennen. Im Zuge von Predictive Marketing können Unternehmen auf dieser Datenbasis fahrzeug­
spezifisch passende Angebote unterbreiten. Und im Zuge von
Predictive Maintenance können sie Kunden frühzeitig ansprechen,
um drohende Ausfälle in der Werkstatt beseitigen zu lassen,
bevor die Fahrzeuge auf der Autobahn liegen bleiben. So werden
negative Kundenerlebnisse vermieden.
*Weitere Details zu den Potenzialen von Connected Car für CRM siehe
Padberg/Seel: „Kundenbindung im Aftersales“, Detecon Management Report
„Special Automotive 2015“, September 2015, Seite 68–71.
Connected Car bietet neue Möglichkeiten, mit dem Kunden in
Kontakt zu kommen – und zwar im direkten Kontext mit der
Produktnutzung: Die Kundenansprache kann die emotionale
Situation des Fahrerlebnisses bewusst mit nutzen. Gleichzeitig
entstehen ungeahnte Möglichkeiten für die Erweiterung der
Customer Intelligence, indem Fahrzeug und Mobilitätsdaten
gesammelt und ausgewertet werden – die Klärung rechtlicher,
datenschutzrelevanter und organisatorischer Fragen in Bezug
auf Datensammlung und -nutzung vorausgesetzt. Wichtig ist,
dass der konkrete Mehrwert sowie die Begeisterung bezüglich
der angebotenen Dienstleistung in Summe größer sind als die
Ressentiments, die der Kunde haben könnte, während er seine
Daten bereitstellt.
Automobilhersteller müssen sich künftig intensiv mit dem
Herzen von CRM beschäftigen. Data Management & Analytics
avancieren zum Gradmesser für die Fähigkeit eines Unter­
nehmens, im digitalen Zeitalter mitspielen zu können.
AUTOREN
Dr. Jürgen Padberg
ist Partner im Bereich Automotive und Leiter der Global
Practice CRM, Sales & Service. Er begleitet Klienten in
ihrer digitalen Transformation, um mithilfe innovativer
Technologien neue Wege der Kundenkommunikation und
„Customer Experience“ zu gestalten.
Yujin Schmidt
ist Management Consultant und verfügt über mehrjährige
Projekterfahrung in den Branchen Automotive und Telekommunikation. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im
Bereich Neue Mobilität und Connected Car sowie bei den
Themen Customer Relationship Management, Customer
Experience Management und digitale Geschäftsmodelle.
31
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
New Mobility Services
Wende vom Autobauer
zum Mobilitätsdienstleister
gibt neue Impulse für CRM
Insbesondere für die junge Generation ist der Besitz eines eigenen Autos
nicht mehr wichtig. Wohl aber eine komfortable Mobilität. Wenn
Automobilhersteller jetzt umdenken, können sie die Chancen neuer
Mobilitätskonzepte für das Kundenbeziehungsmanagement nutzen.
32
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Erwartungen und Ansprüche an die persönliche Mobilität sind
im Wandel. Die Ursachen liegen zum einen in den großen
Ballungs­räumen und Megacitys, deren Infrastrukturen an Grenzen
stoßen. Bereits heute äußert sich dies in einer hohen Umwelt­
belastung, für den Einzelnen direkt spürbar sind aber vor allem
Parkplatzmangel und innerstädtische Staus. Weltmetropolen
wie Peking, Paris oder London reagieren darauf mit Maßnahmen
wie Umweltplaketten, „Congestion Fees” oder „Ban Days”, die
für Autofahrer immer eine Einschränkung bedeuten. Das Gefühl
der Bequemlichkeit, mit dem Auto unterwegs sein zu können,
schwindet.
Zum anderen nimmt die Wichtigkeit des Autobesitzes, seine
Bedeutung als Statussymbol, in den jungen Generationen
deutlich ab. Generation Y und Digital Natives brauchen das
Auto nicht, um mobil zu sein. Sie suchen komfortable Mobilitäts­
konzepte und maximale Flexibilität ohne Verpflichtungen – und
greifen deshalb bevorzugt auf neue Mobilitätsangebote wie
Carsharing und Transport-Apps für die intermodale Mobilität
zurück. Der Wunsch nach Connectivity – sich in Netzwerken
organisieren, über das Internet der Dinge verbunden sein – und
Convenience – alles immer und überall verfügbar haben,
Produkte und Services auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden –
verstärkt diesen gesellschaftlichen Trend.
Mobilitätskonzepte auf digitaler Basis schaffen Kundennähe
Keine guten Nachrichten für Automobilhersteller? Weit gefehlt!
Zwar titelte das renommierte Magazin Fast Company in diesem
Jahr „Millennials Don‘t Care About Owning Cars, And Car
Makers Can‘t Figure Out Why”. Doch noch sind Carsharing
und intermodale Mobilitätskonzepte als Ergänzung der Urban
Mobility zu sehen und keine Kannibalisierung der traditionellen
Geschäftssparte der OEMs, des Verkaufs von Fahrzeugen.
Bislang sieht nur ein Drittel der Autofahrer Carsharing als vollständiges Substitut zum eigenen Auto (Aral 2015: Trends beim
Autokauf 2015). Noch ist also Zeit für OEMs, sich selbst auf
den Wandel einzulassen und neue Mobilitätskonzepte zu ent­
wickeln. Für den klassischen Automobilhersteller bedeutet dies
den Mindshift hin zum Mobilitäts- und Servicedienstleister und
zur Nutzung der Digitalisierung für den intensiven Kunden­
austausch und eine stärkere Kundenbindung. Denn in der
­Vergangenheit haben sich OEMs fast ausschließlich um die
Entwicklung und Herstellung von Autos gekümmert. Heute
kommen IT-Unterstützung für Apps, Konnektivität und Backend,
Supportprozesse wie Flottenmanagement und -disposition und
vor allem – hier liegt die große Chance – das User Interface für
die Endkunden mit Fokus auf Apps und Portale sowie Usability
und User Experience dazu. Der Kunde auf dem (digitalen)
Präsentierteller, wenn man so will.
33
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Der direkte Zugang zu Kunden schafft viele Ansatzpunkte für
die Kundeninteraktion, die für Kunden und Unternehmen
einen Mehrwert bieten. Mit einer Mobility Card oder Nutzer-ID
könnten Kunden zum Beispiel mit einer ID verschiedene Arten
der Mobilität nutzen. So ist vorstellbar, dass über eine Karte
oder eine App Carsharingfahrzeuge, Taxis oder Tickets für den
Fernverkehr gebucht, genutzt und abgerechnet werden können.
Auch für das eigene Auto können Kraftstoffe und Parkgebühren
hiermit beglichen werden. Die Total Cost of Mobility werden
dem Endkunden transparent in einer Kostenübersicht dar­
gestellt. Abhängig vom Mobilitätsbedarf sind gegebenenfalls
verschiedene Mobilitätstarife oder Flatrates analog zu Mobilfunktarifen buchbar.
OEMs als Anbieter einer solchen Karte gewinnen Transparenz
über das Mobilitätsverhalten ihrer Kunden und können auf
dieser Basis maßgeschneiderte Mobilität für bestimmte Kunden­
gruppen anbieten. Dies bindet Nutzer langfristig über den reinen
Verkauf von Fahrzeugen hinaus. Mobilitätsdaten können weiter­
hin genutzt werden, um zielgerichtet neue Services und Mobilitäts­
dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Der Aufbau
von Mobilitätsnetzen mit Vorteilen für die eigenen Kunden
hinsichtlich der intermodalen Mobilität würde die Lock-in-­
Effekte für Kunden weiter erhöhen.
Das Mobile Device ist der neue „Point of Sale“
„Personalized – unique – just for you”, das ist der Weg, den
OEMs im Kundenbeziehungsmanagement einschlagen müssen.
Produkte, Kundenservice und relevante Marketingkampagnen
müssen individuell auf den einzelnen Nutzer zugeschnitten
werden. Gleichzeitig wird der Nutzer über die Crowd Intelligence
zum Co-Creator und somit Teil des Produkts – er wird in­
die Produktentwicklung integriert. Viele erfolgreiche digitale
Geschäftsmodelle ziehen ihren Erfolg aus genau dieser
Vorgehensweise.
Klassisches CRM legt den Fokus auf die internen Kundenschnittstellen und Prozesse. Die Aktivitäten im automobilen CRM
kon­zentrieren sich noch heute hauptsächlich auf Lead-Generierungsmaßnahmen im Salesprozess und begleitende Dialogmarketingkampagnen beim Modelllaunch. Ergänzend finden eher
halbherzig umgesetzte Saleskampagnen im Aftersales statt, um
den Kunden proaktiv an den Servicepartner zu binden. Der tatsächliche Kundenkontakt findet nicht beim OEM, sondern
­maximal beim Importeur, meistens jedoch beim Händler statt.
Bereits heute müssten aber tatsächlich der Kunde und das Gestalten
des Kundenerlebnisses im Mittelpunkt stehen. Und so ziehen die
Veränderungen im Mobilitätsverhalten veränderte Anforderungen,
aber auch Möglichkeiten für das Kundenbeziehungs- und das
Kundenerwartungsmanagement nach sich.
34
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Andere Branchen, deren Digitalisierungsgrad bereits weiter
fortgeschritten ist, bieten bereits differenziertere Ansätze, um
ein nachhaltiges Kundenerlebnis zu kreieren und die Kunden an
sich zu binden. App-basierte Geschäftsmodelle nutzen die
Crowd Intelligence intensiv und binden den Kunden als
Co-Creator über strukturierte Feedbackkanäle ein. Auf diese
Weise kann ein Produkt in schnellen und agilen Entwicklungszyklen im Livebetrieb ständig weiterentwickelt werden. Aus der
aktiven Mitgestaltung des Kunden an „seinem“ Produkt wächst
eine enge Kundenbindung.
Im Kundenservice ergänzen soziale Medien den klassischen
Servicekanal. Die Herausforderung für Unternehmen liegt in
der schnellen Beantwortung der Anfragen oder Beschwerden.
Etwa ein Drittel der Nutzer von Social Media erwartet eine
Antwort innerhalb von maximal einer Stunde. Der Nutzen für
Unternehmen liegt deshalb darin, schnell und zielgerichtet auf
Unzufriedenheit reagieren zu können. Mit intelligenten
­Network-Mapping-Methoden können hier zusätzlich die Social
Influencer identifiziert und kommunikativ entsprechend bearbeitet werden. Dies erhöht die Chance, Meinungsmacher im
Netz zu positivem Engagement im Sinne des Unternehmens zu
animieren, was zur Verbreitung von positiven Firmenmessages
beiträgt.
Das wichtigste Element in der Interaktion mit dem Kunden
und für die Schaffung von positiven Kundenerlebnissen ist die
direkte Schnittstelle zum Kunden – das User Interface. Um dem
Wunsch nach ständiger Konnektivität bei hoher Mobili­
tät
nachzukommen, muss diese Schnittstelle „Mobile First“
designt werden. Das heißt, Kundenanwendungen werden zunächst für die Nutzung auf dem Smartphone oder Tablet gestaltet, erst danach für Laptop oder PC. Daher müssen sich Apps
oder Software intuitiv anwenden lassen, eine hohe Performance
nachweisen und im ungünstigen Fall, in dem ein Kunde nicht
weiterkommt, eine schnelle Problemlösung anbieten. Nur so
kann ein einwandfreies Kundenerlebnis geschaffen und darüber
eine Bindung zur Marke zu aufgebaut werden. Das Marken­
image und positive Kundenerlebnis rund ums Auto werden in
die digitale Welt übertragen.
IT und Organisation müssen CRM-tauglich werden
Digitale Geschäftsmodelle zur Mobilität beinhalten für OEMs
die Chance des direkten Zugangs zu ihren Kunden und somit
zu den Kundendaten. Die Herausforderung besteht nun darin,
diese auch prozessieren und verarbeiten zu können. Heute noch
ist in vielen Unternehmen die komplette Infrastruktur unzureichend, um dies zufriedenstellend abzubilden. Es fehlen
beispielsweise integrierte performante Datenbanken, CRM­
Systeme sind nur rudimentär vorhanden und nicht auf digitale
Servicedienstleistungen ausgelegt, die interne Organisationsstruktur ist nicht dienstleisterorientiert, die entsprechenden
Prozesse fehlen. Performantes Kundendatenmanagement ist
aber das Backbone, das neue digitale Mobilitätsdienstleistungen
erst ermöglicht und darüber hinaus ein positives Kundenerlebnis
wie auch langfristige Kundenzufriedenheit sicherstellt.
„Für Facebook ist das Auto nur ein weiteres Mobile Device.“
(Zitat Christoph Stadeler, Facebook, auf dem Automotive Allstars Event 2015.) Facebook hat erkannt, dass es in der Digitalisierung der Automobilbranche nicht darum geht, das Auto zu
vernetzen, sondern sich als Unternehmen im Sinne des Relation­
ship Building mit dem Fahrer zu vernetzen. OEMs müssen hier
gleichziehen, um in der Zukunft nicht die Position als reiner
Hersteller von austauschbaren „Endgeräten“ einnehmen zu
müssen. Dazu müssen die Business Capabilities im Customer
Relationship Management sukzessive ausgebaut und vor allem
die organisatorischen und IT-technischen Voraussetzungen
geschaffen werden. Nur so kann der Wandel vom Hersteller
hin zum Anbieter von (neuer) Mobilität gelingen und die volle
Wertschöpfungskette kommerzialisiert werden.
Vorreiter in diesem Bereich sind Ansätze wie moovel, Daimler AG,
und Qixxit, Deutsche Bahn AG. Hier werden gezielt Geschäftsbereiche aufgebaut, die sich intermodalen Mobilitätskonzepten
widmen. Noch steckt dieses Geschäftsfeld allerdings in den
Kinderschuhen.
AUTOREN
Jörg Recktenwald
ist als Managing Consultant im Cluster Automotive
tätig. Er berät in- und ausländische Firmen zu Themen
der Digitalisierung, schwerpunktmäßig zu neuen
Mobilitätskonzepten und digitalen Geschäftsmodellen.
Recktenwald hat drei Jahre in Peking gelebt und
dort ein B2B-Carsharingkonzept für einen großen
deutschen OEM erfolgreich mit aufgebaut.
Yujin Schmidt
ist Management Consultant und verfügt über mehrjährige Projekterfahrung in den Branchen Automotive
und Telekommunikation. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich Neue Mobilität und
Connected Car sowie bei den Themen Customer
Relationship Management, Customer Experience
Management und digitale Geschäftsmodelle.
35
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Interview mit Juliane Zielonka,
CEO Die Artverwandten GmbH
Digital Health: Mit smarter
Technologie Erkrankungen
früher aufspüren
Exzellent integrierte Digital Health vereinfacht das gesundheitsbewusste
Leben auf angenehme Weise, sagt Juliane Zielonka. Dieser Vision
folgend, unterstützt das Start-up LARAcompanion Frauen und Paare
mit ungewollter Kinderlosigkeit durch digitale Programme.
36
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Juliane Zielonka, Sie sind Gründerin und CEO eines
Digital Health-Start-ups in Berlin. Was genau ist Ihr Geschäftsfeld?
J. Zielonka: Digital Health steht für die Verbindung von medizi­
nischem Wissen mit smarten IT-Lösungen zum Ausbau oder Erhalt menschlicher Gesundheit. Dazu gehören im Lifestylebereich
zum Beispiel Fitnesstracker, die zusammen mit der passenden
Smartphone-App Aufschluss über das eigene Bewegungsprofil
geben, Schlaf und Stimmungslagen messen. Im Bereich der
Medizinprodukte ist Monitoring von Körpervitalwerten wie
Blutdruck, Herzschlag oder Blutzucker selbstverständlich. Unsere
Smartphones begleiten uns im täglichen Leben, ob wir krank
oder gesund sind. Früher gab es Ernährungstagebücher, Journale,
Krankheitsverlaufsprotokolle. Heute können wir die digital aufgezeichneten Werte durch intelligente Algorithmen interpretieren
und daraus Verhaltensmaßnahmen selbst oder durch einen
betreuenden Arzt ableiten. Aus Daten­
endpunkten werden
Datenprozesse. Das daraus resultierende Geschäftsfeld umfasst
Beratung und Entwicklung von Software-as-a-Service-Produkten
und Services im Gesundheits- und Medizinbereich: interaktive
Programme für Web & Mobile, die Nutzer animieren, selbst
gesteckte Gesundheitsziele zu erreichen durch Ein­gabe, Analyse
und Auswertung von Daten.
Als Ausgründung unserer Digital Health Verlags- und
Consulting­gesellschaft Die Artverwandten haben wir das Start-up
LARAcompanion ins Leben gerufen. Wir entwickeln digitale
Trainingsprogramme zur Stressbewältigung für Frauen und
Paare mit ungewollter Kinderlosigkeit. Stress ist ein signifikanter
Faktor, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappen will.
Unsere Programme senken den Stress und erhöhen so die
Chance auf eine Schwangerschaft. Als wissenschaftlicher
Unterbau dienen Maßnahmen zur kognitiven Verhaltensänderung. Klinische Studien belegen, dass Frauen, die im Rahmen
einer Kinderwunschbehandlung an Entspannungskursen teilnehmen, eine mehr als doppelt so hohe Chance auf eine
Schwangerschaft haben als Frauen, die solche Kurse nicht besuchen.
Genau hier setzen wir an und starten die digitale Transformation:
Wir nehmen uns dieses hochemotionalen Themas professionell
an und entwickeln wissenschaftlich fundierte Trainingsprogramme zur Entspannung, die diese Paare außerhalb der
Arztpraxis nutzen können. Kerngedanke des Programms ist,
dass Nutzer im Verlauf der regelmäßigen Anwendung der
LARAcompanion Gesundheitsprogramm-Reihe ihre körper­
eigenen Fruchtbarkeits- und Stresslevel messen. Mit unserer App
lassen sich aussagekräftige Ergebnisse speichern, maßgebliche
Fortschritte abbilden und durch den intelligenten Algorithmus
naheliegende Empfehlungsmuster erkennen. So kommt das
Paar dem Ziel auf einfachem Weg durch smarte Technologie
Stück für Stück näher.
DMR: Wie sind Sie auf die Idee für diese Gründung gekommen?
J. Zielonka: LARAcompanion ist die logische Weiterentwicklung eines Frauengesundheitsportals zum Thema „fruchtbarkeitsgefährdende Erkrankungen bei Frauen“, das wir 2012
gemeinsam mit Ärzten ins Leben gerufen haben. Eigene Unwissen­
heit und schlechte Erfahrungen im Umgang mit irrelevanten
und widersprüchlichen Internetquellen veranlassten uns damals,
eine zentrale Anlaufstelle für alle medizinisch verfügbaren
Optionen in Form einer „Informationstherapie“ ins Leben zu
rufen. www.uterus-myomatosus.net hat sich seither mit rund
50.000 Zugriffen im Monat bestens etabliert. Das in Kooperation
mit Arztfachgesellschaften gelaunchte Frauengesundheitsportal
bietet neutrale Informationen zu allen medizinischen Therapieformen genetischer und hormoneller Fruchtbarkeit gefährdenden
Erkrankungen. Über die medizinische Therapieentscheidung
hinaus fehlt einem Webportal der zielführende Austausch zum
Behandlungserfolg. LARAcompanion geht diesen Schritt weiter.
Nach über 100 Interviews mit betroffenen Frauen sind sämtliche
Erwartungen und Wünsche identifiziert. Unser Ziel ist es, ungewollt
kinderlosen Frauen und Paaren durch interaktive Trainings­
programme per Smartphone-App realistische Einschätzungen
ihrer Schwangerschaftschancen aufzuzeigen. So können sie
zeitnah die nächsten relevanten Schritte unternehmen, während
der behandelnde Arzt mit größeren Datenmustern individuelle
Behandlungen erstellen kann, um beispielsweise fruchtbarkeitsgefährdenden Erkrankungen schneller auf die Spur zu kommen.
LARA steht für Learn, Appreciate, Reach decision and Act
(lerne, verstehe, entscheide und handle). Wenn Frauen und Paare
durch smarte App-Technologie Wissen anwenden können, ist
das ein riesiger Mehrwert. Im Zeitalter der digitalen Vernetzung
entstehen aus einem Behandlungserfolg von vielen Nutzern
Datenmuster, die mit deren Einverständnis für wissenschaftliche
Forschung genutzt werden können. Die Vernetzung smarter
IT-Lösungen und die daraus resultierenden Möglichkeiten für
bestmöglichen Behandlungserfolg faszinieren mich.
DMR: LARA wird der Beschreibung nach sehr aus der Kundenund Anwendersicht heraus entwickelt. Wie genau gehen Sie vor, um
die Bedürfnisse der späteren Nutzerinnen und Nutzer bestmöglich
zu berücksichtigen und umzusetzen?
J. Zielonka: Wir handeln nach dem Lean-Start-up-Prinzip.
Das Prinzip beschreibt eine Unternehmensgründung oder
einen Produktlaunch, bei dem mit möglichst wenig Kapital
ein erfolgreiches Unternehmen gegründet werden kann. Der
Fokus liegt auf Learning by Doing durch das frühzeitige
„In-den-Markt-Führen“ des Produkts oder der Dienstleistung. Dies steht im Gegensatz zu einer langen Vorabplanung.
Du hast eine Hypothese für einen Markt, eine Käufergruppe.
37
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Nach der weitläufigen Meinung ist der Businessplan das Erste,
was jeder Gründer schreiben muss: ein statisches Dokument,
das die Größe einer Marktmöglichkeit beschreibt und das
Problem skizziert, sowie die monetarisierbare Lösung, die das
Start-up zur Verfügung stellt. Typischerweise enthalten ist
eine Drei- bis Fünfjahres­prognose aller Finanzkennzahlen.
Der Businessplan ist gut zum strukturierten Durchdenken
aller Geschäftshandlungsfelder. Dafür reichen allerdings auch
zehn Seiten. Denn nach dem Businessplan weiß ich immer
noch nicht, ob mein Markt den ausgetüftelten Verkaufspreis
überhaupt akzeptiert. Diesen Sommer haben wir als erstes
Digital-Health-Start-up auf Deutschlands erster Crowd­
investingplattform für Medizin-Start-ups „aescuvest“ eine
achtwöchige Finanzierungskampagne gestartet. Über die
Kampagne haben wir weitere Frauen und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch gefunden, die uns bei der Produktentwicklung unterstützen. Bei Lean gehst du mit dem kleinsten
möglichen Produkt, dem MVP (Minimum Viable Product),
in den Markt und arbeitest iterativ mit dem Nutzerfeedback
an deiner Hypothese. Genau an dieser Stelle stehen wir gerade.
Wir haben jetzt den ersten Kursplan geschrieben und testen
die interaktiven Funktionen auf ihre Anwenderverträglichkeit. Das unmittelbare Feedback von den Usern stellt den
nutzerzentrierten Ansatz sicher.
DMR: Wie muss man sich das rein praktisch vorstellen, durch eine
App, also eine technische Entwicklung, eine sinnvolle und wirksame
Unterstützung bei der Stressbewältigung zu bekommen?
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
J. Zielonka: So wie bei jedem anderen Web- und Mobilegestützten Trainingsangebot auch. Es gibt einen Trainingsplan,
eine Zielerreichung und Übungen. Dazu kann der persönliche
Fortschritt in der App festgehalten werden. Über den Verlauf
hinweg können die gesammelten Daten analysiert, interpretiert
und Muster erkannt werden.
DMR: Warum kann eine Maschine das in diesem Fall besser als
die persönliche menschliche Unterstützung?
J. Zielonka: Es geht nicht um besser oder schlechter, sondern
um das Bereitstellen eines Zusatzservice. Empathie ist nach wie
vor einer der wichtigsten zwischenmenschlichen Bausteine im
Gesundheitswesen. Umso schwieriger ist es für Frauen und
Paare, in der kühlen Schulmedizinwelt die entsprechende psycho­
soziale Unterstützung zu bekommen. Wir ersetzen keinen Arzt,
vielmehr kann die Maschine eine Verbindung zu einem Experten
aufbauen, der sonst unentdeckt oder unerreichbar bleiben würde.
Wir arbeiten mit ausgebildeten Kinderwunschcoaches zusammen,
die über die Software erreicht werden können und für persönliche
Fragen zur Verfügung stehen.
Maschinen können hilfreich sein für die gesundheitsrelevante
Behandlung. Kognitive Systeme wie Apple’s SIRI oder IBM
Watson nutzen unvorstellbar große Datenquellen, um in
­Sekundenschnelle die passende Information zurückzuspielen.
Stellen Sie sich das in der Arzt-Patient-Gesprächssituation vor:
Mit einem kognitiven System an der Seite hat der Arzt mehr
Zeit für einfühlsame Gespräche mit dem Patienten, da er viel
schneller relevante Informationen für die Diagnose erhält als
durch mühsames Zusammenstellen grob verteilter Informationen
auf MRT-Bildern, aus Patientenakten von anderen Fachärzten
und weiteren zerstreuten Quellen. An der US-amerikanischen
Klinik wird Watson bereits im Bereich der klinischen Studien
eingesetzt, was zu einer großen Zeitersparnis in der klinischen
Forschung führt. Und wer weiß, wie anfällig wir vielleicht für
künstliche Intelligenz sind: In dem Science-Fiction-Film „Her”
des US-Regisseurs Spike Jonze verliebt sich ein einsamer Mittdreißiger in sein Betriebssystem (gesprochen von der wunderbaren
Scarlett Johansson), welches ihm den Alltag erleichtert.
DMR: Welche wegweisenden Innovationen und Errungenschaften
sehen Sie im Bereich Digital Health in fünf Jahren?
J. Zielonka: Digital Health ist ein weltweites Thema. Ich sehe
fünf Trends:
#1 AI: Kognitive Systeme wie IBM Watson, die Health Care
Professionals und vielleicht auch Patienten in der Entscheidungsfindung unterstützen, indem diese Systeme große Datenmengen analysieren und mit wissenschaftlichen Studien
abgleichen.
#2 Home Diagnostics: Diagnosetools für den Hausgebrauch
durch Auslesen von Biomarkern, die innerhalb kürzester Zeit
Biofeedback geben durch Speichel, Urin- oder Blutprobe. Im
Bereich Blutbild arbeitet zum Beispiel die US-Firma Theranos
an einer Verkürzung der Wartezeit von Laborergebnissen durch
eine disruptive Umgestaltung der Laborlogistikkette.
#3 3-D-Printing von Medikamenten, Prothesen, Organen. Patienten können zu Hause selbst Tabletten mit spezifischer Dosis
ausdrucken. Transplantationsorgane können durch Zellen via
3-D-Printing im Labor gezüchtet werden. Lange Lieferzeiten
und Behandlungswege werden so drastisch verkürzt. Ebenso
verkürzt Rapid Prototyping von Medizintechnikgeräten mithilfe
der 3-D-Printing-Technologie deren Entwicklungszeit bis zur
Markteinführung. Wer die neue Agilität dieser Tools unternehmerisch klug einsetzt, sichert sich damit einen strategischen
Wettbewerbsvorteil.
#4 Precision Medicine oder Präzisionsmedizin: individualisierten
Therapien, abgestimmt auf den jeweiligen Patienten durch
Genforschung. Weg von der „One Size Fits All“-Medikamenten­
verschreibung hin zur gezielten Behandlung auf Basis genetischer Merkmale.
#5 Remote Care: Telemonitoring von Risikopatienten durch
Health Care Professionals mithilfe von vernezten IT-Lösungen
und Sensoren zum Monitoren von Körpervitalwerten. Einsetzbar beispielsweise durch Apple AirStrip bei Risikoschwangeren
oder Menschen, die bereits einen Herzinfarkt hatten. Dies gilt
auch für Nanosysteme wie Pillen mit eingebauter Kamera, um
innere Organe zu untersuchen.
39
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Welchen Vorteil, welchen konkreten Nutzen wird der
­Pa­tient von diesen Entwicklungen haben?
J. Zielonka: Gesteigerte Lebensqualität durch Verstehen und
Akzeptanz der Krankheit. Durch leitliniengeprüftes Wissen
wird so manchem Dr. Google ein Schnippchen geschlagen. Das
Wort Patientensouveränität wird auf einmal greifbar. Der
Mensch mit der Krankheit kann dem Arzt auf Augenhöhe
­begegnen. Er wird zum eigenen Piloten seiner Gesundheit. Da
in der Luftfahrt nach wie vor vier Augen mehr sehen als zwei, ist
der Arzt der Co-Pilot. Das größere Wissen ermöglicht einen
leichteren Umgang mit der Krankheit. Außerdem werden lange
Wartezeiten durch Videosprechstunden und chatgestützte
Systeme obsolet.
DMR: Wie bewerten Sie die Akzeptanz von digitalen Health-­
Applikationen zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Stellen Sie durch d­ as
vielfältige Angebot an bereits bestehenden Anwendungen eine ­höhere
Sensibilität für das Thema Gesundheit bei den Nutzern fest?
J. Zielonka: Im zweiten Gesundheitsmarkt der Selbstzahler ist
zu unterscheiden zwischen den Gesundheitsinteressierten und
den Menschen, die mit einer Krankheit leben. Die einen wollen
fit bleiben und schmücken ihren aktiven Lebensstil mit Wearables,
Sensoren und smarten Textilien, die ihre körperbetonte Lebensweise auch nach außen symbolisieren. Dann gibt es die Quantified
Self-Biohacker, die in „n = 1“-Experimenten ihren eigenen Fragen
durch Selbstvermessung auf die Spur kommen und ihre
40
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Erfahrungen in „Show & Tell“-Veranstaltungen, zum Beispiel
im Berliner hub:raum Café – hub:raum ist der Inkubator der
Deutschen Telekom –, mit anderen teilen. Menschen mit Krank­
heiten und auch Menschen, die das Risiko einer Erkrankung­
in sich tragen und erste Symptome erahnen, haben einen viel
privateren Zugang zu Gesundheits-Apps. Hier dienen die
Gesundheitsprogramme und Anwendungen eher als Concierge
und als Therapiebegleiter, um die richtige Behandlung zur
richtigen Zeit anzuwenden.
Datensicherheit ist ein ernst zu nehmendes Thema. Anbieter
von seriösen Gesundheits-Apps und -programmen stellen transparent dar, wer der Betreiber ist, was mit den Daten passiert und
vor allem: wem sie gehören. Die digitale Transformation ist
nicht aufzuhalten, auch nicht in einem sehr widerspenstigen
System wie in Deutschland. Laut einer repräsentativen Umfrage
einer großen Krankenkasse möchte jeder Zweite (52 Prozent)
mit einem Arzt über das Internet in Kontakt treten. Wünsche
wie das digitale Rezept (81 Prozent), Onlineterminvereinbarung
(98 Prozent) stehen ebenfalls ganz weit vorn. 68 Prozent wollen
genau das, was ich oben beschreibe: selbst zu Hause ermittelte
Körpervitalwerte regelmäßig online an den Arzt weiter­leiten.
Befunde vom Arzt online erhalten wollen 60 Prozent der
Befragten.
KURZPROFIL
Juliane Zielonka
ist CEO der Artverwandten GmbH Verlagsund Consultinggesellschaft für Digital Health.
Ihre Ausgründung LARAcompanion steht für
ein auf digitale Trainingsprogramme zur Entspannung spezialisiertes Start-up für Frauen
und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, die
ohne Stress schwanger werden wollen.
www.die-artverwandten.com
www.laracompanion.com
DMR: Kann Digital Health uns aus Ihrer Sicht insgesamt lang­
fristig gesünder machen?
J. Zielonka: Digital Health ist als Metapher zu sehen für den
Menschen im Zentrum des digitalen Gesundheitssystems: von
Technik unterstützt in seinen Entscheidungsprozessen und in
seinem Handeln. Dieser „Mensch-im-Mittelpunkt“-Ansatz ist
neu für unsere aktuell bestehenden Gesundheitssysteme weltweit
und verlangt demzufolge ein neues Denken der Geschäftsmodelle
und -beziehungen von „Patient, Provider, Payer“. Wer von den
drei genannten den entscheidenden Schritt zur Digitalisierung
unternimmt, ist die große Frage. Dient der Mensch der Technik,
haben wir das Worst-Case-Szenario einer dystopischen Gesellschaft, wie uns Filme à la „Terminator” oder „Krieg der Welten”
veranschaulichen. Dort herrschen Maschinen über die Menschheit. Bei manchen Smartphone-Nutzern bin ich mir allerdings
nicht mehr so sicher, ob das nicht schon längst der Fall ist … Ein
kluger Umgang mit den Chancen und Möglichkeiten der rasanten
technischen Entwicklungen kann zu einer angenehmen Lebensgestaltung führen. Hier verschmelzen Internet of Things (IoT)
und Digital Health. Wenn Krankheit erst gar nicht entsteht,
sondern frühzeitig präventiv gehandelt oder diagnostiziert wird,
ist das in meinen Augen eine Errungenschaft, von der wir in
unseren Gesellschaften alle profitieren. In Hamburg ist Digital
Health im Rahmen eines Pilotprojekts für Tinnituspatienten
bereits möglich. Eine deutsche Krankenkasse lässt HNO-Ärzte
Akustiktherapien per App verschreiben. Digital-Health-Produkte
und -Services können bei regelmäßiger Anwendung die
Lebensqualität verbessern. Wie in allen Lebenslagen macht auch
hier die Dosis das Gift. Die Motivation muss aus einem selbst
herauskommen, ein Verantwortungsentzug ist nicht im Sinne
des Erfinders. Verhaltensmuster können auf­gespürt und aus
dem Unbewussten in das sichtbare Bewusstsein geholt werden.
Das gesundheitsbewusste Leben angenehm zu vereinfachen,
statt durch Piepsen der technischen Helfer auf etwas zu reagieren,
das ist für mich exzellent integrierte Digital Health.
DMR: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Andreas Penkert,
Managing Consultant, Detecon International GmbH.
41
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Digital Customer Excellence
Imperativ für
Kundenzufriedenheit
und Kundenloyalität
Begeisternde Kundenerlebnisse in der digitalen Welt
sind heute der Schlüsselfaktor für Differenzierung
im Wettbewerb. Ein klares digitales Zielbild sowie
Verständnis für die Kundenbedürfnisse, individuelle
Angebote und persönliche Betreuung ebnen den
Weg zur Digital Customer Excellence.
42
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Die Digitalisierung eröffnet Unternehmen neue Wettbewerbsvorteile: Nach innen lassen sich Prozesse effizienter gestalten,
nach außen werden neue Geschäftsmodelle aufgebaut (digitale
Transformation). Unternehmen müssen digitalisierte Kontaktpunkte zum Kunden etablieren. Die Zeit dafür drängt, denn der
Kunde agiert bereits digital. Er entwickelt sich vom klassischen
Verbraucher, dem Konsumenten, zum Verbraucher und gleichzeitigen Produzenten, dem sogenannten Prosumenten1. Dieser
Prozess setzt sich fort: „Metaprosumenten“ sind permanent
miteinander vernetzt und erstellen digitale Informationen, deren
Quantität die kommerziellen Inhalte im Netz deutlich übersteigen
kann. Zu den maßgeblichen Treibern dieser Entwicklung zählen
die Omnipräsenz von Konnektivität, die Funktionsvielfalt mobiler
Endgeräte und die Vernetzung „intelligenter“ Gegenstände.
Digitalisierung von Kontaktpunkten heißt:
Kundenbrille aufsetzen!
Viele Unternehmen haben die Digitalisierung von Kontaktpunkten mit Kunden auf der Agenda, einige können bereits
Erfolge bei der Implementierung einzelner digitaler Kontaktpunkte vorweisen. Die Realisierung der digitalen Agenda setzt
sich allerdings oft aus vielen kleineren Transformationsprojekten
zusammen, bei denen der Blick für ein ganzheitliches Bild fehlt.
Im Fokus ist häufig die Backoffice-Organisation, wobei viel Geld
für Software ausgegeben wird, mit enormen Anforderungen an
die IT.2 Fehlt die Koordination von Aktivitäten verschiedener
Unternehmensbereiche im Rahmen einer klaren digitalen Strategie,
entsteht eine Landschaft aus nicht aufeinander abgestimmten
Prozessen, Plattformen, Self-Services und Apps. Dies vermittelt
dem Kunden ein unklares Gesamtbild, das nicht im Einklang
mit seinen Erwartungen steht und ihn häufig mit Fragezeichen
zurücklässt. Darüber hinaus fokussieren Unternehmen mit der
Etablierung digitaler Kontaktpunkte heute vor allem Einsparungen.
Die Integration von Self-Services in den Kundenservice zielt
beispielsweise in erster Linie auf Kontaktverlagerungen und
Kostenreduzierungen ab.3 Eine kundenzentrische Sicht bleibt
auf der Strecke. Keine gute Ausgangsbasis, wenn man bedenkt,
dass Kunden heute Betreuung und eine konsistente Bearbeitung
ihrer Anliegen kontaktpunkt- und kanalübergreifend erwarten.
Umfassendes Wissen über Kundenbedürfnisse und -wünsche
vorausgesetzt, ist die systematische Gestaltung digitaler Kunden­
beziehungen – hierzu zählen digitale Kundenerlebnisse sowie
die nahtlose Integration digitaler Unternehmensfähigkeiten
in die Offlinewelt der Geschäfte, Showrooms oder Servicepoints –
der Schlüsselfaktor für die Differenzierung gegenüber dem
Wettbewerb sowie für eine hohe Kundenzufriedenheit und -loyalisierung. Können Unternehmen dauerhaft digitale Kunden­
erwartungen erfüllen oder gar übererfüllen, erreichen sie Digital
Customer Excellence. Die Sicht des Kunden einzunehmen bildet
das Fundament für ein tief gehendes Verständnis des Kunden. Als
strategischer Bezugsrahmen für die Analyse, Strukturierung und
Optimierung der Kundenerfahrungen bietet sich das Konzept der
digitalen Kundenreise („Customer Journey“) an. Diese lässt sich in
drei zentrale Phasen gliedern: Informieren, Entscheiden und
Nutzen.
Kunde findet Unternehmen – im Netz
Die Digitalisierung macht aus Information suchenden und
empfangenden Konsumenten auch Informationserzeuger.
Nicht mehr nur die Unternehmen selbst stellen Konsumenten
Informationen bei der Produktsuche zur Verfügung. Vielmehr
findet zusätzlich ein intensiver Austausch der Konsumenten
untereinander statt, der durch die digitale Vernetzung angetrieben
ist. Neben der rein positiven traditionellen Werbung für Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen sind vermehrt auch
negative Informationen verfügbar. Im Rahmen der Informations­
suche hat also eine Machtverschiebung hin zum Konsumenten
stattgefunden, da Konsumenten heute deutlich bessere Möglich­
keiten der Information und Bewertung vorfinden.
informieren
„Konsumenten suchen 75 % der
Informationen vor einer Kaufentscheidung
in digitalen Kanälen.“
4
Unternehmen müssen deshalb dort aktiv werden, wo diese
Informationen entstehen und Meinungen gebildet werden:
im Netz. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die eigenen
Produkte in den digitalen Kanälen optimal positioniert sind
und potenzielle Kunden finden, wonach sie suchen. Hierzu
empfiehlt sich die Nutzung eines breiten Spektrums digitaler
Marketingaktivitäten wie Search Engine Optimization (SEO),
Content Marketing, Social Media Sites oder der Einsatz von
Videoplattformen. Akzente bei der Informationsvermittlung
können durch die Verwendung innovativer digitaler Methoden
wie der Einbindung von Links in TV-Spots, beispielsweise über
die Tonerkennung von Shazam, gesetzt werden. Unternehmen
können Kunden auf diese Weise vom Smartphone aus direkt auf
ihre Homepage leiten, wo idealerweise weitere Informationen
Vgl. Toffler, The Third Wave, 1980.
Vgl. Roos, S./Friedrich, O.: Kunden lieben es einfach! Eine durchdachte Omnikanalarchitektur ist das Fundament für erfolgreiche Customer Journeys, DMR Impulse, 2015.
3
Vgl. Penkert, A./Eberwein, P./Salma, V./Krpanic, S.: Customer Self-Services – Effizienz und Kundenbindung im Zeitalter der digitalen Transformation, Detecon-Studie 2014, S. 20.
4
Vgl. Ovum: Social Media Trends in Telecoms, 2014, S. 17.
1
2
43
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
und inspirierende Inhalte zu finden sind. Die Vielfältigkeit der
Kanäle, Kommunikationsmedien und Informationsplattformen
wie Preisvergleiche und Bewertungsportale machen es absolut
notwendig, dass die vom Unternehmen beeinflussbaren Informationen eine eindeutige Nachricht, zum Beispiel „Best-inClass-Service“, Preisführerschaft, beste Qualität, fokussieren.
Nur durch eine konsistente Informationsvermittlung in allen
Kanälen – einschließlich der Offlinekanäle – können Unternehmen
ein klares Bild vor Konsumenten erzeugen.
Individualität und Transparenz in der digitalen
Welt stärken das Unternehmensangebot
In der Entscheidungsphase erwarten Kunden klare Angebote,
Simplizität, Transparenz und Effizienz in der Abwicklung von
Entscheidungs-, Kauf- und Lieferprozessen. Für Unternehmen
ist es deshalb nicht ausreichend, die Hygienefaktoren hinsichtlich
einfacher Verkaufsprozesse zu erfüllen, um beispielsweise beim
Kauf in Onlineshops Frustration zu verhindern. Vielmehr ist es
notwendig, alle digitalen Prozesse in dieser wichtigen Phase
aufeinander abzustimmen und hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit zu analysieren, zu bewerten und zu optimieren. Personalisierte, individuell zugeschnittene Zusatzangebote und Services
schaffen während des Entscheidungsprozesses einen Mehrwert
für die Konsumenten und einen zusätzlichen Anreiz zum Kauf.
Vorgeschlagene Produkte und Services sollten zu den individuellen Gegebenheiten des Kunden, etwa Nutzungshistorie, und
seinem aktuellen Kontext, zum Beispiel Standort, oder seiner
aktuellen Aktivität passen. Damit diese Vorschläge auch im
richtigen Moment adressiert werden, bietet sich der Einsatz von
Echtzeitentscheidungssystemen an, die diese individuellen
Kriterien berücksichtigen. Und auch das Feedback des Kunden
ist wertvoll, um neue Erkenntnisse über den Kunden zu gewinnen.
Diese Erkenntnisse sind in die Analyse einzuarbeiten und bei
der Optimierung zukünftiger Vorschläge zu berücksichtigen.
Mit den richtigen, kanalübergreifenden Vorschlägen können
Unternehmen nahtlose Kundenerlebnisse erzeugen.
entscheiden
„32,7 Mrd. Euro Umsatz haben die
1.000 umsatzstärksten Onlineshops in
Deutschland im abgeschlossenen Ge­
schäftsjahr 2014 erwirtschaftet – seit
2008 eine Verdopplung des Umsatzes.“
5
Persönliche Betreuung, Einfachheit und Erreichbarkeit
in digitalen Kanälen erhöhen Kundenloyalität
In der Phase der Nutzung entsteht die Kontaktaufnahme von
Kunden zu Unternehmen in der Regel bei Serviceanliegen,
Problemen oder sonstigen Fragen. Kunden wechseln hierzu in
die digitalen Medien. Und sie erwarten, dass Serviceanliegen
dort gelöst werden. Die digitalen Kanäle umfassen öffentliche
Foren, Blogs und soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter,
in denen Konsumenten und Unternehmen Informationen
bereitstellen und Anfragen beantworten. Das Spektrum reicht
von Self-Services, zum Beispiel Hilfevideos, bis hin zu E-Mails,
die von Kunden direkt an Unternehmen gerichtet und von
diesen beantwortet werden.
nutzen
„Im Durchschnitt nutzen Kunden bis zu
sechs verschiedene Kanäle, um Unternehmen
zu verschiedenen Kundenservicefragen,
Problemen oder Beschwerden zu kontak­
tieren. Diese reichen von Social Media
über die Unternehmenswebsite bis hin
zur E-Mail.“
6
Kunden nutzen digitale Kanäle, weil sie in ihren Alltag integriert, ständig verfügbar und schnell zugänglich sind. Darüber
hinaus legen Kunden Wert darauf, dass sie ihre eigenen Daten
verwalten können sowie endgeräte- und applikationsüber­
greifend direkten Zugang zu Vertrags-, Rechnungsdaten, Kunden­
programmen oder Statusinformationen bekommen. Die Simplizität, diese Daten zu verwalten, einen passgenauen, aktuellen
Informationsstand zum eigenen Status oder zu Störungsbehebungen zu erhalten und proaktiv über Störungen informiert zu
werden, ist entscheidend für die positive Kundenbewertung.
Die Herausforderung für Unternehmen liegt heute darin, den
Wandel zu vollziehen von digitalen Services, die lediglich auf
Kosteneinsparung ausgerichtet sind, hin zu digitalen Kunden­
erlebnissen. Kunden mit positiven Erfahrungen während
der Nutzung können durch gezielte Loyalitätsmaßnahmen
als Fürsprecher gewonnen werden. Auch bei Loyalitätspro­
grammen erwarten Kunden den Einsatz von endgeräteüber­
greifenden Lösungen, um Bonuspunkte zu sammeln oder
Vgl. EHI Retail Institute e.V. und Statista GmbH, 2015, S. 12.
Vgl. https://callcenter-verband.de/home/news/neue-nice-studie-mediennutzungsverhalten-im-kundenservice-2015
5
6
44
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
kontextabhängige Gegenleistungen wie besondere Produkt­
angebote oder Mehrwertdienste zu erhalten. Digitale Applika­
tionen, über die sich das Kundenverhalten analysieren lässt,
schaffen die Basis für die Identifizierung von speziellen Kundenbedürfnissen oder Loyalisierungshebeln sowie Kundensegmentierung und Reportauswertungen. Beim aktiven Kunden­
management der Programmteilnehmer können dann gezielt
Belohnungen, maßgeschneiderte Dienste und Aktionen adressiert
werden, welche die Partizipation des Kunden („Customer Engagement“) fördern und Abwanderung reduzieren. Gleichzeitig
bietet sich für die nahtlose Integration digitaler Loyalisierungsmaßnahmen in die Offlinewelt der Einsatz von Location-BasedServices an, über die Kundenstandorte identifiziert werden
können und Kunden in Echtzeit Shops in seiner Nähe vorgeschlagen werden. Durch Bonuspunkte können Nutzer für
„Check-ins“ im Shop incentiviert und deanonymisiert werden.
Digitales Zielbild sichert erfolgreiche Customer Journey
Veränderungen in den Kundenerwartungen bringen Chancen
mit sich, die Unternehmen für sich nutzen können. Digital
Customer Excellence wird sich in der Folge als Imperativ für
Kundenzufriedenheit und -loyalisierung etablieren. Um sich
durch ein begeisterndes Kundenerlebnis substanziell in der digitalen Welt vom Wettbewerb zu differenzieren, ist es notwendig,
digitale Kanäle nicht nur zur Kostenreduktion einzusetzen.
Vielmehr gilt es bei allen Entscheidungen und Aktivitäten, die
Kundensicht einzunehmen und den Kundenmehrwert im Blick
zu halten. Daraus muss ein klares digitales Zielbild resultieren,
welches über alle Phasen auf die digitalen Kundenbedürfnisse
ausgerichtet ist und digitale Fähigkeiten in die Offlinekanäle
eingliedert.
Um die Maßnahmen auf dem Weg zur Digital Customer Excellence effizient zu implementieren, ist es trotz der Schnelligkeit,
mit der Kanäle und Medien aufgebaut werden sollten, notwendig,
Entscheidungen bereichsübergreifend abzustimmen und zu
beschließen. Dies dient der Sicherstellung der Konsistenz der
Maßnahmen über alle Kanäle hinweg, erleichtert die Vernetzung
relevanter Daten, beispielsweise die Bereitstellung von Kundeninformationen, und verhindert so „Wildwuchs“ von Apps oder
digitalen Plattformen. Den Weg zur Digital Customer Excellence dürfen Unternehmen nicht nur als ein weiteres Projekt auf
der digitalen Agenda betrachten. Neue unternehmerische
Fähigkeiten in den digitalen Kanälen müssen aufgebaut und
die Art und Weise, in der Unternehmen digital agieren, muss
kundenzentrisch ausgerichtet werden.
AUTOREN
Jens Zimmermann
ist Senior Consultant mit mehrjähriger Projekt­
erfahrung in CRM, Vertrieb und Kommunikation.
Der Schwerpunkt seiner Beratungstätigkeit liegt
in den Themenfeldern Kundenservice, Vertriebs­
steuerung, Loyalitätsmanagement und Digital
­Customer Experience.
Jan Grineisen
ist Senior Consultant im Beratungsbereich Deutsche
Telekom. Der Schwerpunkt seiner Beratung liegt
auf der Entwicklung von Commercial Strategies im
Endkundensegment mit dem Fokus auf Customer
Experience. Er verfügt zudem über tief gehende
Beratungserfahrung in der Entwicklung von Omni­
channel-Geschäftsmodellen und -Vertriebsstrategien.
45
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Interview mit Alexandra Tymann, CFO Sixtyone Business
Digitaler Kundenservice
als Mission
Zeitmangel im privaten Alltag und Frust mit unliebsamen
Erledigungen waren Auslöser der Idee, einen mobilen
Assistenzservice zu schaffen. Mittlerweile ist das Start-up
Sixtyone Business in der gesamten DACH-Region
unterwegs. Geschäftsführerin Alexandra Tymann erklärt
das Kundenerlebnis.
DMR: Der Slogan von Sixtyone Business lautet: „Ihre Kunden leben.
Wir kümmern uns um den Rest.“ Können Sie kurz erläutern, wie
Sie mit Sixtyone Business diesen Slogan mit Leben füllen?
Unternehmen auf die Fahne geschrieben. Was hat der digitale Assistent
mit Retention Management zu tun? Wie können Sie Unternehmen
helfen, ihre Beziehung zu Endkunden zu intensivieren?
A. Tymann: Wir geben Unternehmen die Möglichkeit, ohne
zusätzlichen Personal- oder Prozessaufwand ihren Service
innovativ zu erweitern und ihren Kunden das wertvollste Gut
zu schenken: Zeit. Durch eine (White Label) App bekommen
deren Kunden Zugang zu mobilen persönlichen Assistenten,
die ihnen unliebsame Aufgaben des Alltags abnehmen. Diese
bündeln die vielen am Markt befindlichen Angebote und
suchen die für den Nutzer passendste Lösung, was durch eine
clevere Softwarelösung unterstützt wird. Das Charmante ist,
dass Nutzer nur mit einer Person sprechen und nicht mehr
selbst suchen, recherchieren, koordinieren oder organisieren
müssen. Statt vieler einzelner Apps oder langer Suchzeiten
kann der Nutzer uns die Aufgaben mitteilen. Wir kümmern
uns um die Lösung, während unsere Kunden entspannen oder
anderen Dingen nachgehen.
A. Tymann: Kunden wechseln viermal häufiger zum Wett­
bewerb, wenn sie mit dem Service unzufrieden sind. Also nicht
aufgrund des Preises oder des Produkts. Darüber hinaus erinnern
sich Kunden länger an den Service als an den Preis eines Produkts
oder an eine Dienstleistung. Wissen Sie beispielsweise noch, wie
teuer das Hotel war, in dem Sie zuletzt übernachtet haben?
Wahrscheinlich nicht. Aber an den netten Mitarbeiter an der
Rezeption, der Ihnen gute Tipps für die Erkundung der Um­
gebung gegeben hat, vielleicht schon? Genau das macht den
Aufenthalt erst zum Erlebnis.
DMR: Die Realisierung perfekter Kundenerlebnisse zur Schaffung
einer intrinsisch motivierten Kundenbeziehung haben sich viele
46
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Mithilfe unserer Lösung lässt sich der entscheidende Extra­
service nun ebenfalls in anderen Bereichen anbieten, ohne dass
die Unternehmen dafür großen Aufwand betreiben müssen.
Kunden bekommen zu einem Produkt – sei es ein Auto, eine
Reisetasche oder eine Versicherung – einen persönlichen Service
dazu, der ihnen lästige Aufgaben abnimmt. Das ist eine innovative
Art, Kunden wirklich zu begeistern und dadurch zu binden.
DMR: „Ich vertraue lieber meiner langjährigen Assistentin, die
meine Vorlieben genau kennt und zum Beispiel weiß, dass ich im
Flugzeug lieber am Gang als am Fenster sitze.“ Wie begegnen Sie
solchen Aussagen? Wie kann eine digitale Lösung Vertrauen schaffen?
A. Tymann: Auch bei uns sitzen „echte Menschen“, die die Aufgaben bearbeiten – nur eben mobil. Nutzer haben also auch bei
uns die Möglichkeit, ihre Vorlieben mitzuteilen, die selbstverständlich bei späteren Aufgaben ebenfalls berücksichtigt werden.
Die mobile Lösung ermöglicht es, den Service jedem zugänglich
zu machen. So können Unternehmen Mehrwerte verschenken,
die sie in dieser Form bisher nicht hätten anbieten können.
Ferner legen wir Wert auf eine übersichtliche App, in der nach
Aufgaben geclustert werden kann, statt auf einen einzigen Feed
wie beispielsweise bei SMS oder WhatsApp. Und natürlich ist
uns die Datensicherheit sehr wichtig, weshalb wir uns für ein
deutsches Rechenzentrum mit den hier geltenden Datensicherheitsbestimmungen entschieden haben. Seit August hosten wir
bei T-Systems in München und arbeiten auch sonst aktuell sehr
eng mit der Telekom zusammen.
Das Interview führte Jens Zimmermann, Senior Consultant,
Detecon International GmbH.
DMR: Ohne digitale Transformation würde es Ihre Idee des
digitalen Assistenten gar nicht geben. Wie betreiben Sie selbst
Kundenmanagement?
A. Tymann: Durch eine speziell für unsere Anforderungen
entwickelte Software und mit jeder uns gestellten Aufgabe sind
wir in der Lage, noch schneller Kundenwünsche und -ansprüche
individuell zu berücksichtigen sowie frühzeitig Bedürfnisse und
Trends zu erkennen. Neben der technischen Entwicklung,
die jeden Tag weiter voranschreitet, arbeiten wir mit unseren
Assistenten regelmäßig in Workshops zusammen, um das
Gelernte direkt anzuwenden, weiterzuentwickeln und in die
Softwareentwicklung einfließen zu lassen.
KURZPROFIL
Sixtyone Business
Sixtyone Minutes wurde als erster mobiler Assistenzservice in
Deutschland gegründet (www.sixtyoneminutes.de) und bietet Nutzern über eine App Zugang zu persönlichen Assistenten. Diese
erledigen Aufgaben, die im Beruf, im Familienleben oder in der
Freizeit wertvolle Zeit rauben, mit großer Sorgfalt, beispielsweise
Vertragskündigungen, Reiseplanungen, Tischreservierungen, Arzt­
termine oder Aufgaben im Haushalt – und viele mehr. Mit ihrer
innovativen Businesslösung (www.sixtyonebusiness.de) können
nun auch Unternehmen aufgrund der von Sixtyone entwickelten
Software den Service ihren Kunden und/oder Mitarbeitern im
eigenen Branding zur Verfügung stellen.
Detecon coachte das Start-up Sixtyone Business in Vorbereitung auf die Live-Pitches um das Detecon ProBono-Projekt im
Rahmen der „Langen Nacht der Start-ups“ in Berlin und unterstützte die Gründer im Salesbereich.
A. Tymann
Seit Sommer 2015 verstärkt Alexandra Tymann die Geschäftsführung der Sixtyone Minutes GmbH, die im Juli
2014 von Monique Hoell und Michael Gnamm in Berlin
gegründet wurde. Zuvor hat sie fünf Jahre Erfahrung in
den Bereichen Projektmanagement, Finanzen und Controlling einer namhaften Beratung gesammelt. Aufgrund
intensiver Arbeitswochen und vieler Geschäftsreisen hat sie
sich einen Service wie den von Sixtyone selbst gewünscht.
Da es keine zuverlässige Alternative zu teuren Conciergeservices gab, beschloss sie, zu kündigen und die Lösung
selbst zu entwickeln. Kurz darauf lernte sie das ambitionierte Sixtyone Minutes Team kennen und folgte dem
Vorschlag, von Frankfurt am Main nach Berlin zu ziehen
und mit Sixtyone die Businesslösung zu etablieren.
47
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Messung der Customer Experience
Erfolgsfaktor für die
emotionale Loyalisierung
Customer Experience schafft Differenzierung im Wettbewerb.
Eine prozessübergreifende Messung zeigt Ansatzpunkte für
die Verbesserung des Kundenerlebnisses und damit die
Sicherung der emotionalen Loyalität.
48
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Für die Steuerung der Customer Experience bieten traditionelle
Zufriedenheitsmessungen kein hinreichendes Instrumentarium.
Unternehmen benötigen neue Methoden und Fähigkeiten, um
die Verbesserung des Kundenerlebnisses zielführend zu gestalten
und zu begleiten. Wichtig ist es, die konsequente Bewertung der
Kundenperspektive über interne Kategorisierungen zu stellen,
gleichzeitig aber einen ausreichenden Geschäftsbezug herzustellen.
Erst dann sind Ansatzpunkte für Veränderungen klar zu
adressieren.
Über die Kundenzufriedenheitsmessung wird ermittelt, wie sehr
der Kunde einem Unternehmen, einem Produkt, der Qualität
einer Interaktion oder dem Resultat einer Transaktion zugetan
ist. Ergänzend erfragt man seine Bereitschaft zur Weiterempfehlung, um so nicht nur Indikationen zu seiner Zufriedenheit,
sondern auch zu seiner vermeintlichen Loyalität zu erhalten.
Unternehmen verfügen mittlerweile über mehr oder minder
komplexe Kundenbefragungssysteme, welche die Qualität der
Kundenbeziehung auf dem Weg zur Kundenbindung entlang
der vermuteten oder der klar identifizierten Qualitätstreiber
messen. Solche Systeme bilden eine wichtige Grundlage, um in
einem Unternehmen den Reifegrad der Kundenorientierung
weiter voranzubringen. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass eine große Zahl von Unternehmen ihre CRM-­
Anstrengungen als erfolgreich bezeichnet und einen positiven
Trend bei den Zufriedenheitsindikatoren vermeldet.
Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die intensiv
umkämpften Kunden durchaus gerne in den Nachbargarten
blicken. Die heutige Transparenz bringt es mit sich, dass sich
das Gras jenseits des Zauns als grüner denn je präsentiert. In
Anbetracht der Reizüberflutung ist die Loyalität des Kunden
eine fragile Größe, deren Bemessung nur eine kurzfristige
Momentaufnahme sein kann. Dies bestätigen die konstanten
Abwanderungstendenzen und der deutlich geringere Bindungswille der Kunden.
Customer Experience Management schafft Differenzierung
Customer Experience Management (CEM) liefert hier einen
Perspektivenwechsel. CEM verfolgt das Ziel, positive Kundenerfahrungen zu schaffen und darüber eine emotionale Bindung
aufzubauen, welche loyale Kunden und vor allem begeisterte
Botschafter entwickelt. Weiterhin ist CEM Treiber eines Paradigmenwechsels im Kundenmanagement. Heute steuert der
Kunde das Wann, das Wo und das Wie seiner Interaktionen mit
dem Unternehmen. Unternehmen müssen deshalb bestrebt
sein, dem Kunden einen differenzierenden Mehrwert und ein
sich weiterentwickelndes Erlebnis zu bieten. Entsprechend ist
das CEM als ein Closed-Loop-Mechanismus zu gestalten, der
mittels der gewonnenen Erkenntnisse die Ende-zu-Ende-­
Prozesse so anpasst, dass ebendieser differenzierende Mehrwert
für den Kunden geschaffen werden kann.
Eine überzeugende Customer Experience (CEX) ist ein zentraler
Differenzierungsfaktor im Wettbewerb. Unternehmen, die sich
mit einer durchgängig überzeugenden CEX vom Wettbewerb
abheben, können diese Positionierung in der Regel dauerhaft
sicherstellen. Denn sie schaffen eine emotionale Loyalisierung
und optimieren damit ihre Kosten- sowie Ertragssicht. Um das
effizient zu tun, muss eine gezielte Messung der CEX den Status
und die Entwicklung des Kundenerlebnisses absichern. Im
Hinblick auf die der Erfolgsmessung der Bestrebungen zur
kundenorientierten Ausrichtung bedeutet dies, dass die
­Unternehmen ihre Kundenbefragungssysteme weiterentwickeln
und dabei auf die wesentlichen geplanten Einsatzgebiete
­zuschneiden müssen.
Herausforderung für die Messung der CEX
Konsequente Einnahme der Kundenperspektive
Klare Kausalität zum Geschäftsbezug
Repräsentativität der Messgrößen
Zeitliche Relevanz/Reaktionsfähigkeit
in
Bezug
auf
Nutzung in Reporting/Steuerung
Integration in Zielsysteme
Komplexität/Vielschichtigkeit von CEX
Abbildung 1
49
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Bild zeichnen. Speziell die bis dahin stark fokussierte Messung
der Kontaktqualität über ACCI (After Call Customer Interview)
hat ein durchaus positives Bild der Kundenzufriedenheit im
Kontakt aufgezeigt, welches sich bei der übergreifenden Prozessbetrachtung im Rahmen des Prozesstrackings nicht bestätigte.
Eine detailliertere Betrachtung hat ergeben, dass es wiederholt
zu Fällen kam, in denen der Kunde durchaus rasch und unbüro­
kratisch eine Problemlösung erhielt, welche er in der Zufriedenheitserhebung auch äußerst positiv bewertet hat. Die zeitnah
durchgeführte Erhebung vermochte jedoch nicht zu erfassen,
dass das vermeintlich gelöste Problem mit gewisser Regelmäßigkeit wieder auftrat, was in Summe die Customer Experience
massiv belastete. Auslöser war unter anderem die Entscheidung
mancher Servicemitarbeiter, aufgrund der zeitlich ehrgeizigen
Ziele, die ihnen für die Problemlösung auferlegt wurden, schon
mal die saubere Root-Cause-Analyse auszulassen und dafür
schnell, aber nicht nachhaltig vorzugehen.
Prozessübergreifende CEX-Messung deckt Potenziale auf
Dabei sind je nach Einsatzgebiet der CEX-Messung auch die
Anforderungen auszugestalten und zu gewichten. Neben den
regulären Anforderungen ist erfahrungsgemäß die Möglichkeit
wichtig, dass auch Pilotversuche über die Standardmessung
­beurteilt werden können, verbunden mit der Fähigkeit, Messergebnisse in einem Feedbackloop zu validieren beziehungsweise
diese noch weiter zu vertiefen. Wichtig ist vor allem eine prozess­
übergreifende CEX-Messung. Eine traditionelle, kontaktorientierte Zufriedenheitsmessung greift zu kurz und erzeugt teilweise
Fehlsteuerungseffekte durch Optimierung im (Kanal-)Silo
anstelle einer Verbesserung des übergreifenden Kundenerlebnisses.
Welchen Nutzen und welche Relevanz eine solche prozessübergreifende Messung haben kann, zeigt beispielsweise das vom
Konzernvorstand der Deutschen Telekom angestoßene Customer-­
Experience-Projekt „K1-Kunde zuerst!“, welches wir begleitet
haben. Neben dem Identifizieren, Aufsetzen und Überwachen
von priorisierten Maßnahmen zur Verbesserung des Kunden­
erlebnisses bestand eines der zentralen Ziele darin, neue und
stabile Messlogiken für die CEX-Messung zu etablieren.
Mit dem Prozesstrackingindex, welcher über eine Gewichtung der
Befragungsergebnisse zur Weiterempfehlungsquote über alle zentralen Kundenprozesse gebildet wird, hat die Telekom Deutschland
einen zentralen Indikator, der dort ansetzt, wo d
­ ie Customer
Experience tagtäglich genährt wird: bei den wert­vermittelnden
Kundenprozessen.
Die Erfahrungen im Projekt haben klar gezeigt, dass Zufriedenheitsindikatoren wertvolle Erkenntnisse zu den jeweils betrachteten Aspekten liefern. Sie offenbaren aber auch, dass sie
­insbesondere bei komplexen Kundenprozessen ein lückenhaftes
Erfolgsmessung
Steuerungsgröße
Zuordnung
Prozesse/
Produkte
Identifikation
Mehrfachkontakte
Messintervall
Fokus
Gesamtprozess
Abbildung 2
50
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Analyseinstrument
Konsistenz
mit
Zielsystem
Messung
Pilotversuche
in Standardformat
Differenzierung
nach
Interaktionskanal
Zuordnung
Abteilung/Team
(anonymisiert)
Möglichkeit
zum Feedbackloop
Customer
Experience
Blueprinting
Heat Map und
E2E-Kundenzufriedenheit
• Reduktion der
drängendsten
Kundenenttäuschungen
• Kundenzentrierung im
Unternehmen nachhaltig
verankern
• Dauerhafte Steigerung
der Kundenzufriedenheit
und -bindung
Kompass
negativer Kundenerlebnisse
Abbildung 3
Prozesstrackingindex liefert Basis für operative Steuerung
AUTOREN
Dieser Index wurde im Rahmen des Projekts stärker in den Fokus
gerückt und vor allem dahin gehend weiterentwickelt, dass er
Schwachstellen im Prozess vor dem Kunde ausweist. Damit
finden sich Ansatzpunkte für die Optimierung der CEX im
Rahmen einer sogenannten Heat Map. Der Status wird pro
wesentlichem Prozessschritt in Ampellogik dargestellt. Für die
erkannten Schwachstellen werden über ein Customer Experience
Blueprinting Auslöser für die Bewertung identifiziert und adressiert. Über einen aus der Heat Map abgeleiteten und mit
Geschäftsfallmengen angereicherten Mengenkompass negativer
Kundenerlebnisse wurde im Programm ein hinreichend sensibler
Gradmesser für die CEX-Messung realisiert. Reine Index­
lösungen bergen das Problem, dass ihre Messausschläge meist
zu gering sind, als dass sie Effekte von Maßnahmen fühlbar
ausweisen können.
Joachim Hauk
ist Managing Consultant und Knowledge Leader für CRM,
Sales & Service. Zu diesem Themenkomplex berät er insbesondere
Unternehmen der Dienstleistungsbranche. Sein besonderer
Fokus liegt auf Fragestellungen zu Kanalmanagement, Customer
Experience Management und Kundenbindung.
Peter Tüscher
verantwortet seit 2007 den Beratungsbereich CRM, Sales & Service
bei der Detecon Schweiz. Seine thematischen Schwerpunkte
sind kundenorientierte Strategien und Prozesse, datenzentrische
Geschäftsmodelle, Kundenservice, Omnichannel Management
sowie Customer Experience Management.
Dieses Verfahren hat sich nach unseren Projekterfahrungen als
sehr zielführend erwiesen und in der operativen Steuerung der
Kanäle bewährt. Nach dem grundsätzlichen Aufsatz einer
solchen Messlogik besteht eine sinnvolle Ausbaustufe in der
Ausweitung der Messung durch eine Softwareunterstützung der
Befragung. Diese Lösungen, die gemeinhin als Customer Feedback Management oder operative CEM kategorisiert werden,
erlauben die Eröffnung eines Feedbackloops zum Kunden für
eine detailliertere Analyse besonders herausstechender Kundenfeedbacks. Die Erweiterung liefert damit weitere wertvolle
Ansatzpunkte für eine Optimierung der CEX.
51
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Interview mit Roman Becker,
CEO bei forum!
„Entscheidend
ist der Herzblutfaktor.“
Wie wirkt sich die zunehmende Verbreitung von Onlinekanälen auf
die Kundenbindung aus? Und worauf sollten Unternehmen besonders
achten, wenn sie ihre Kunden über digitale Medien ansprechen?
Roman Becker, Gründer und Geschäftsführer des Marktforschungsund Beratungsunternehmens forum! und Experte auf dem Gebiet
der emotionalen Kundenbindung, gibt Antworten.
52
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Herr Becker, warum sind Kontakte – sei es über analoge,
persönliche oder über digitale Kanäle – grundsätzlich so wichtig für
die emotionale Kundenbindung?
Becker: Das Modell der emotionalen Kundenbindung basiert
auf der Erkenntnis, dass die Zufriedenheit allein kein aus­
reichender Gradmesser für das Kundenverhalten ist. Auch
hochzufriedene Kunden verhalten sich heute zunehmend illoyal,
da Produkte und Leistungen in ihrer Wahrnehmung immer
austauschbarer werden. Vor diesem Hintergrund sind Kontakte
so wichtig. Sie bieten Unternehmen die Gelegenheit, Beziehungen
emotional aufzuladen und für den Kunden einzigartig zu
machen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von dem
„Herzblutfaktor“. Was besonders erstaunlich ist: Wir wissen
heute aus unseren Studien, dass es für diesen „Herzblutfaktor“
nicht entscheidend ist, ob tatsächlich ein direkter Kontakt zum
Kunden besteht, sei es durch persönliche oder telefonische
Kontakte. Auch auf digitalem Weg kann man eine spürbare
Emotionalisierung erreichen. Entscheidend ist, dass der Kunde
die Wahlmöglichkeit hat, also nicht in einen bestimmten Kanal
gezwungen wird, und dass der Kontakt als exzellent erlebt wird.
Wir sprechen in der Schulnotenlogik immer davon, dass nur die
„1“ zählt. Unsere Studien zeigen zudem, dass es einen Zusammen­
hang zwischen Kontakthäufigkeit und Kundenzufriedenheit
oder -bindung gibt: Häufige Kontakte steigern die Zufriedenheit
und Bindung von Kunden – vorausgesetzt natürlich, es geht
dabei nichts schief und der Kontakt wird als exzellent erlebt.
Bank- oder IT-Dienstleister besonders für die Entlastung meiner
Kunden stehe, werden diese mich auch genau daran messen,
sobald sie meine digitalen Medien nutzen. Sehr erfolgreich setzt
dies beispielsweise BMW um. Der Autohersteller hat das Thema
„Freude am Fahren“ zum Markenkern erhoben und sorgt dafür,
dass dieses Versprechen für die Kunden immer wieder spürbar und
erlebbar wird – und zwar an allen Kontaktpunkten: beim Produkt
selbst, beim Händler, beim Service sowie über die digitalen Kanäle.
So gelingt BMW jene Differenzierung und Alleinstellung, die sich
allein mit guten Leistungen kaum erreichen lässt.
Des Weiteren müssen Unternehmen verstehen, dass die Onlinekommunikation nicht nur in eine Richtung läuft wie beispielsweise ein Fernsehspot. Das Web ist interaktiv und online-affine
Nutzer erwarten mittlerweile, dass es auf Internetseiten oder
Social-Media-Kanälen Feedbackmöglichkeiten gibt, beispielsweise ein Chat mit einem Mitarbeiter, ein Forum, einen
geschlossenen Nutzerbereich oder auch das klassische
Kontaktformular.
DMR: Digitale Kanäle wie Internetseiten, mobile Applikationen
oder Social Media gewinnen bei bestimmten Kundengruppen rasant
an Bedeutung. Was sind hier die wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Becker: Dort, wo digitale Kanäle immer beliebter werden, sinken
gleichzeitig die Nutzerzahlen bei den herkömmlichen Kanälen.
Somit schwindet die Chance, im persönlichen Kontakt Emotionen aufzubauen und Kundenbeziehungen positiv aufzuladen.
Es kommt dann entscheidend darauf an, diese Emotionalisierung
auch in den digitalen Kanälen voranzutreiben. Dazu sollten wir
uns vorab anschauen, wie emotionale Kundenbindung entsteht.
Sie entsteht immer dann, wenn ein Unternehmen durch fokussierte und orchestrierte Leistungserbringung und Kommunikation die zentralen Bedürfnisse seiner Kunden an allen Kontaktpunkten besser bedienen kann als jeder Wettbewerber. So
erwächst in den Köpfen der Kunden eine Monopolstellung und
das macht sie zu Fans. Wir sprechen daher auch vom
„Fan-Prinzip“.
Im Grunde sind die Erfolgsfaktoren bei digitalen Kanälen die
gleichen wie bei analogen: Kunden müssen sich abgeholt fühlen
und sie müssen spüren, dass der jeweilige Kanal auf ihre zentralen
Bedürfnisse ausgerichtet ist. Wenn ich beispielsweise als
KURZPROFIL
forum!
forum! ist ein Marktforschungs- und Beratungsunternehmen
aus Mainz, das sich auf die Analyse und Optimierung des unternehmerischen Beziehungsmanagements spezialisiert hat. forum!
unterstützt nationale und internationale Unternehmen aus dem
B2B- und B2C-Bereich dabei, die Beziehungen zu externen und
internen Zielgruppen zu analysieren und zu optimieren und so
wirtschaftlich erfolgreicher zu werden. Zudem bietet forum!
Verbänden und Non-Profit-Organisationen Analyse- und
Beratungsinstrumente zur Steigerung ihrer emotionalen
­
Mitgliederbindung. Stets im Fokus: der Vergleich mit den
­
­Besten. forum! verfügt über ein großes Repertoire an branchenübergreifenden Benchmarkstudien (unter anderem Fanfocus
Deutschland, Mitarbeiterfocus Deutschland) und ist Initiator der
bundesweiten Wettbewerbe „Deutschlands Kundenchampions“
und „Deutschlands Mitgliederchampions“.
53
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Viele Unternehmen versuchen, Kunden kanalübergreifend zu
bedienen und die Integration zwischen Online- und Offlinekanälen
zu verbessern. Welche besonderen Anforderungen stellen Kunden an
eine solche Omnichannel-Kommunikation?
DMR: Sie haben in Ihrer Grundlagenforschung die Bedeutung von
Mitarbeitermotivation und Kundenorientierung für die emotionale
Kundenbindung betont. Welche Rolle spielen diese in der digitalen
Welt?
Becker: Der Ansatz, Kunden kanalübergreifend konsistent zu
bedienen, ist genau der richtige und entspricht dem Fan-Prinzip.
Kundengruppen mit einer hohen Affinität zu digitalen Kanälen
haben dabei besonders große Erwartungen an die Nutzerfreundlichkeit, die Schnelligkeit sowie die intuitive Problemlösungs­
kompetenz. Bei Omnichannel-Konzepten erwarten Kunden vor
allem eine transparente und gut funktionierende Verzahnung zwischen den einzelnen Kanälen. Zum Beispiel sollte ein persönlicher
Berater die Daten des Kunden sofort parat haben, die gleichen
Leistungen zusagen können, die im Internet aufgeführt sind, und
sich auf der eigenen Website gut auskennen. Ein Negativbeispiel
sind manche Mobilfunkanbieter: Sie bieten unterschiedliche Tarife
und Konditionen je nach Kanal – das merkt der Kunde und es
verärgert ihn.
Becker: Beides spielt bei digitalen Kanälen eine ebenso bedeutsame
Rolle wie bei persönlichen Kontakten. Besucher von Webseiten
haben ein sehr feines Gespür dafür, ob sich die Mitarbeiter eines
Unternehmens bei der Gestaltung und Pflege digitaler Kanäle am
Kunden orientieren. Sie können Aspekte wie „Ich fühle mich auf
einer Website aufgehoben“ oder „Den Verantwortlichen fällt es
leicht, sich in die Lage der Besucher/Nutzer zu versetzen“ sehr
genau und differenziert bewerten. Und diese Aspekte haben einen
entscheidenden Einfluss darauf, ob am Ende die bereits zitierte „1“
in der Schulnotenskala steht oder nicht. Häufig stoßen Kunden im
digitalen Kundenservice allerdings auf Mitarbeiter, die wegen ihrer
technischen und fachlichen Fähigkeiten und nicht aufgrund ihrer
ausgeprägten Kundenorientierung rekrutiert wurden. Diesen
Mitarbeitern ist häufig nicht bewusst, wie ihr Handeln auf den
Kunden wirkt. Häufig sind Mitarbeiter aus „klassischen“
Serviceeinheiten besser geschult und auch besser geeignet. Hier ist
meiner Meinung nach ein Umdenken notwendig, sowohl in der
Aus­gestaltung der Stellenprofile als auch in der Entwicklung der
Mitarbeiter, die für digitale Kanäle zuständig sind.
54
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Wie verändert sich durch die digitalen Kanäle das Arbeits­
umfeld der Servicemitarbeiter?
Becker: Mitarbeiter im Kundenservice empfinden es zunächst
als komplexer, da sie digitale Kanäle gezielt einsetzen müssen,
um Kundenbedürfnisse besser zu bedienen. Aber sobald die
Mitarbeiter die Omnichannel-Konzepte verinnerlicht haben
und diese gezielt nutzen, führt das zu einer merklichen Entlastung. Der Beratungsaufwand sinkt, wenn Kunden vertiefende
Informationen auf der Website oder auf spezifischen Apps
nachlesen können. Dazu steigt die Kaufchance, wenn sich die
Kundenservicemitarbeiter auf das Thema Beratung und Verkauf
konzentrieren und Interessenten sich gezielt auf Social-MediaKanälen mit Fan-Kunden austauschen können.
KURZPROFIL
Roman Becker
Roman Becker ist Gründer und Geschäftsführer des Markt­
forschungs- und Beratungsunternehmens forum! aus Mainz
und Pionier auf dem Gebiet der Analyse emotionaler Kundenbindung. Er ist zudem Initiator der bundesweiten Benchmark­
studie „Fanfocus Deutschland“ und des Unternehmenswettbewerbs
„Deutschlands Kundenchampions“. Roman Becker studierte
Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und
war dort zudem viele Jahre als Statistikdozent tätig.
55
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
DMR: Welche Auswirkung hat diese Entwicklung auf Steuerungsund KPI-Systeme der Unternehmen?
Becker: Wir sehen keinen großen Änderungsbedarf hinsichtlich
der Steuerungs- und KPI-Systeme. Denn eine nachhaltige Ausrichtung auf das Fan-Prinzip bedeutet ohnehin, dass Unternehmen
relevante Kontaktpunkte kennen und steuern müssen. Bei den digi­
talen Kanälen sollten Unternehmen die Qualität über kontinuier­
liche Kundenfeedbacks messen. Dabei kommt es entscheidend
darauf an, auch die Treiber zu ermitteln, um ressourceneffizient an
wesentlichen Stellgrößen digitaler Kanäle zu arbeiten.
Insgesamt gewinnt im Zusammenhang mit digitalen Kanälen
der Fan-Kunde als Multiplikator massiv an Bedeutung. Es sollte
Unternehmen also interessieren, wie gut es ihnen gelingt, Fans in
den Social Media zu aktivieren und diese zu ihren Botschaftern
zu machen. Unsere Studien zeigen, dass Fan-Kunden nicht nur
die wertvollsten Kunden sind, da sie mehr und häufiger kaufen,
sondern auch die besten Weiterempfehler. In der Botschafterrolle
der Fan-Kunden steckt der eigentliche Gewinn von Social Media:
Nicht die Anzahl von Likes und Followern ist entscheidend,
sondern die Quote der Markenbotschafter, die bei einem Interessenten für einen insgesamt positiven Gesamteindruck sorgen und
so eine Kaufentscheidung auslösen. Es besteht somit ein deut­
licher Unterschied zwischen einem Facebook-Fan und einem
Fan-Kunden, wie wir ihn definieren.
DMR: Neben der Bedeutung der Mitarbeiter ist die Einbindung
von Kunden in Unternehmensprozesse ein wichtiges Element, sei es
im Peer-2-Peer Support, im Customer Feedback Management oder
bei neuen Möglichkeiten der Innovations- und Produktgestaltung.
Worauf legen Kunden hier besonderen Wert?
Becker: Nicht alle Kunden wollen bei der Innovations- oder
Produktgestaltung eingebunden werden, die Aussage lässt sich
daher nicht verallgemeinern. Viele, auch hochzufriedene Kunden
haben weder das notwendige Wissen noch das Interesse an einer
solchen Einbindung in Unternehmensprozesse. Um Einbindungskonzepte gezielt und erfolgreich umzusetzen und Streuverluste zu vermeiden, sollten Unternehmen die Ansprache auf
ihre Fan-Kunden konzentrieren. Denn diese haben – das zeigen
unsere Studien – eine hohe intrinsische Motivation und bringen
ein hohes Involvement mit. Sie helfen „ihrem“ Unternehmen
gerne. Fatal ist es allerdings, wenn Unternehmen „Fan-Kunden“
mit Potenzial-Kunden gleichsetzen: Nicht jeder Kunde, der auf
den ersten Blick wirtschaftlich attraktiv ist, ist auch ein FanKunde, und umgekehrt. Der Wert von Fan-Kunden entfaltet sich
insbesondere mittelbar durch die extrem hohe und glaubwürdige
Multiplikatorenwirkung. Orientieren sich Unternehmen also ausschließlich an einer klassischen Abc-Segmentierung, fallen echte
56
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Fan-Kunden durchs Raster. Das führt zu enttäuschter Liebe, FanKunden mutieren im schlimmsten Fall zu „Terroristen-Kunden“
und arbeiten gegen das Unter­nehmen.
DMR: Erwarten Kunden auch monetäre Vorteile und wenn ja,
in welcher Form?
Becker: Für echte Fan-Kunden sind monetäre Anreize nicht nur
unnötig, sondern sträflich. Wer lässt sich für seine Liebe schon
gerne bezahlen? Solche monetären Vorteile ziehen in der Regel
nicht die eigentlich wertvollen Fan-Kunden, sondern die SöldnerKunden an. Kunden, die der Gruppe der Söldner angehören,
sind zwar überdurchschnittlich zufrieden, aber nicht an das
Unternehmen gebunden. Diese Gruppe hat hohe Wechsel­
ambitionen zum Wettbewerb. Sie verfügen weder über die
­notwendige Identifikation noch haben sie einen ausreichenden
Informationsstand, um ihren Anbietern wirkungsvoll weiterhelfen
zu können. Wenn sie weiterempfehlen, ziehen sie regelmäßig
neue – preissensible und renditeschwache – Söldner-Kunden an.
DMR: Lässt sich der Grad der emotionalen Kundenbindung über
die Kundenbeteiligung in digitalen Kanälen messen?
Becker: Generell ist eine (positive) Äußerung eine Folge der
emotionalen Kundenbindung. Die Stärke der emotionalen
Kundenbindung ermittelt man auch in digitalen Kanälen am
besten über die Marktforschung, das heißt über eine Kunden­
befragung. Hierfür gibt es etablierte Instrumente. Eine indirekte
Messung über die Beteiligung in digitalen Kanälen ist zwar
möglich, wird aber weniger zuverlässig sein, da es hierbei keine
exakte 1:1-Beziehung gibt. Ideal wäre eine Kombination beider
Herangehensweisen, um die Äußerungen im Social Web mittels
Fan-Port­folio-Gruppen zuordnen und bewerten zu können.
DMR: Wie werden sich Customer Feedback Management und die
klassische Loyalitätsmessung ändern müssen?
Becker: Auch die digitalen Kanäle werden nur dann nachhaltig
zum Erfolg beitragen, wenn Unternehmen ihre Hausaufgaben
gemacht haben. Wer kein fundiertes Verständnis von Kundenbedürfnissen, Kundenwahrnehmungen und Differenzierungsmöglichkeiten zum Wettbewerb hat und diese Erkenntnisse
nicht systematisch an allen Kontaktpunkten zum Kunden umsetzt,
wird auch online keinen Erfolg haben. Hier verwechseln viele
Verantwortliche schlichtweg Ursache und Wirkung. Nicht die
digitalen Kanäle schaffen Loyalität und steigern die Fan-Quote,
sondern umgekehrt: Eine hohe Fan-Quote ist die Garantie dafür,
dass digitale Kanäle als zusätzliche Kontakt-, Orientierungs- und
Vertriebskanäle den Unternehmenserfolg steigern.
Buchtipp
Im April 2015 hat Roman Becker gemeinsam mit
Gregor Daschmann im Verlag SpringerGabler das
Fachbuch „Das Fan-Prinzip. Mit emotionaler
Kundenbindung Unternehmen erfolgreich steuern“
veröffentlicht. Er plädiert dort für einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Beziehungsmanagement
von Unternehmen und stellt das Fan-Prinzip
als neues Managementsteuerungsinstrument für
Unternehmen vor.
57
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Workforce Management (WFM) im Field Service
Machen Sie Ihre
Kunden glücklich!
Viele denken bei Workforce Management (WFM)
an Techniker in blauen Overalls oder an Themen
wie Tourenoptimierung und Kostenreduktion.
Workforce Management ist aber vor allem ein
Treiber der Kundenzufriedenheit.
58
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Wir schreiben das Jahr 2015.
Ich benötige ein Taxi, da ich einen Freund besuchen möchte.
Mithilfe meiner App sehe ich, welche Taxis in der Nähe sind,
und bestelle eines. Auf meinem Smartphone kann ich sehen,
wie sich das Taxi meinem Standort nähert. Ich weiß also, dass es
tatsächlich losgefahren ist, und ich kann erkennen, wo es sich
gerade befindet und wie lange ich folglich noch warten muss.
Ich fühle mich involviert und informiert, da ich während der
Wartezeit kontinuierlich mit relevanten Informationen versorgt
werde. Als mich der Taxifahrer sicher am Ziel absetzt, überlege
ich mir, dass ich beim nächsten Mal wieder denselben Service
nutzen werde. Ich bin zufrieden.
Wir schreiben noch einmal das Jahr 2015.
Ich benötige einen Techniker, der ein Problem mit meinem
Internetanschluss beheben soll. Nach der Terminvereinbarung
per Telefon informiert mich mein Provider, dass der Service­
mitarbeiter voraussichtlich zwischen 8:00 Uhr und 12:00 Uhr
bei mir sein wird. Da ich nicht genau weiß, wann der Techniker
kommt, muss ich mir einen halben Tag freinehmen. Ich stehe
rechtzeitig auf und warte. Um 10:00 Uhr werde ich langsam
unruhig, um 11:00 Uhr sehr nervös und um 11:45 Uhr rufe ich
bei meinem Provider an, um nachzufragen, wo der Techniker
bleibt. Als dieser endlich eintrifft, kann er das Problem nicht
lösen. Ich fühle mich schlecht behandelt, weil mir mein Provider
keinen genauen Termin nennen konnte und ich lange warten
musste. Ich ärgere mich über den verschwendeten Vormittag,
den schlechten Service und vor allem darüber, dass mein Problem
immer noch nicht gelöst ist. Ich entscheide mich, meinen Vertrag
so bald wie möglich zu kündigen und zu einem anderen Anbieter
zu wechseln. Ich bin sehr unzufrieden.
Diese beiden – ein wenig überspitzten – Beispiele verdeutlichen,
worum es im Kern des modernen Workforce Managements
(WFM) wirklich geht: um die Zufriedenheit des Kunden.
Wie sich diese dauerhaft steigern lässt, zeigen die folgenden
Ansätze.
59
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Beziehe den Kunden
in den Termin ein
und informiere ihn!
Wie in unserem Beispielfall dargestellt, verärgert es den Kunden,
wenn er den Status seines Auftrags nicht kennt. Denn es kostet
ihn Zeit und Nerven. Er fühlt sich zu Recht schlecht informiert
und nicht einbezogen. In einem optimalen WFM-Prozess sind
die Eckdaten des Termins, der Status des Auftrags und gegebenen­
falls sogar die Position des Servicetechnikers in Echtzeit für den
Kunden verfügbar. Er kann zu jeder Zeit sehen, wann genau der
Servicetechniker bei ihm eintreffen wird. Außerdem informiert
ihn das System darüber, wie lange der Besuch in etwa dauern
wird. Dem Thema Sicherheit wird durch ein Bild und den Namen
des Technikers Rechnung getragen. Für den Fall, dass der Kunde
den Termin kurzfristig doch nicht wahrnehmen kann, hat er die
Möglichkeit, diesen schnell und unkompliziert zu stornieren
und umgehend eine Alternative zu vereinbaren.
60
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Löse das Problem
des Kunden beim
ersten Mal!
Kein Servicetechniker kann alles wissen. Trotzdem erwartet der
Kunde, dass sein Problem beim ersten Besuch gelöst wird. Oft
sind es nur kleine Wissenslücken, die den Techniker daran hindern,
eine Störung vor Ort abschließend zu beheben und dem Kunden
so ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Moderne WFM-Systeme
verfügen daher über Tools, die es Servicemitarbeitern erlauben,
ihr Wissen via Handy oder Tablet untereinander auszutauschen.
Die Kollegen ergänzen sich gegenseitig und nutzen per Fingertip
das Wissen der gesamten Gruppe. Dieser Know-how-Austausch
ist umso effektiver, je mehr Servicetechniker zur selben Zeit auf
das System zugreifen können. Häufig werden für solche Zwecke
Chatlines verwendet. Die Frage, wie sich das Ausgangs-Set-up
bei einer Fritzbox einspielen lässt, kann so kurzerhand der Kollege
beantworten. Zusätzlich haben Unternehmen die Möglichkeit,
solche Chats nachträglich auszuwerten, um den Weiterbildungs­
bedarf ihrer Servicemitarbeiter zu ermitteln.
Behandle den Kunden
wie einen guten Freund,
berate und empfehle!
Wer sich von dem Gedanken frei macht, dem Kunden irgendetwas
verkaufen zu MÜSSEN, erkennt, welches Kundenbindungs­
potenzial auch im Thema „Sales“ steckt. Idealerweise sollte man
den Kunden wie einen guten Freund behandeln: Einem guten
Freund empfiehlt man in der Regel nur Dinge, die einen Mehrwert für ihn bedeuten. Für den Kunden gilt das Gleiche: Auch
ihm sollte man nur Services und Produkte ans Herz legen, die
seinen Anforderungen entsprechen. Moderne WFM-Tools unter­
stützen Servicetechniker dabei, indem sie abhängig von den
Kundendaten (zum Beispiel gebuchte Bandbreite, gebuchte
Produkte, gebuchte Services oder Servicehistorie) individuelle
Vorschläge unterbreiten. Statt der 70-jährigen Rentnerin ein
Bundesliga-Abonnement zu verkaufen, bietet ein guter Verkäufer
ihr besser das Rundum-sorglos-Serienpaket mit einer leicht
zu bedienenden Hardware an. Denn: Nur kluge, ehrliche und
direkte Empfehlungen machen den Kunden nachhaltig
glücklich.
Unternehmen stehen nur selten in so unmittelbarem Kontakt
zum Kunden und werden so aktiv wahrgenommen wie im Field
Service. Leider nutzen viele Firmen dieses Potenzial noch zu
wenig. Allein durch die konsequente Umsetzung der beschriebenen Ansätze können Unternehmen die Zufriedenheit ihrer
Kunden deutlich erhöhen.
Nutzen Sie die Chance und machen Sie Ihre Kunden durch
umfangreiche Informationen, schnelle Problemlösungen und
interessante Angebote glücklich!
AUTOREN
Florian Bogenschütz
ist vor zwei Jahren als Experte mit Erfahrung in der
Automobil- und Versicherungsbranche gestartet.
Weitere Expertise hat er in Projekten im Bereich
Prozessdesign gesammelt. Sein Steckenpferd ist die
digitale Transformation in Bezug auf Kundenzufriedenheit und digitale Kollaboration.
Hans Gaiser
ist als Managing Consultant seit vielen Jahren als
Projektleiter in verschiedenen Unternehmen tätig und
war selbst viele Jahre Bereichsleiter im technischen
Service. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören das
Thema Workforce Management im Field Service
sowie die Steigerung der Kundenzufriedenheit.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Social Walls & Dashboards
Wie Manager dem Kunden
in Echt­zeit zuhören
Technische Innovationen und neue Kommunikationskanäle – vor allem Social Media –
haben das Kundenverhalten radikal verändert:
Der Kunde von heute pflegt einen aktiveren
Er­fahrungsaustausch über Marken, P
­ rodukte
und Unternehmen als je zuvor. Social Walls
helfen Unternehmen, diese ungefilterten und
ehrlichen Informationen für ihre Organisa­
tion zu nutzen.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Der Elch hat jetzt auch ‘ne Knarre!
Der Kunde hat durch die digitale Revolution und deren Vernetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten deutlich an Informationsquellen, (Meinungs-)Macht und Entscheidungsfreiheit hinzugewonnen. Die Konsequenz: Er verhält sich selektiver, flexibler
und deutlich kritischer. Die Loyalität zu bestimmten Marken
verwässert. Gleichzeitig nimmt die Tendenz, Unzufriedenheit
oder Kritik offen zu äußern, durch den einfachen Zugang zum
Social Web immens zu. Dabei erreicht die Einzelkritik eines
Kunden (Incident Stufe 1 – 2) über soziale Medien deutlich mehr
Menschen als beim klassischen Stammtischgespräch. Eine ein­
setzende Gruppendynamik kann schnell eine virale Kaskadierung
bis hin zum Proteststurm auslösen (Incident Stufe 3 – 4), dessen
nicht angemessene Beachtung gerne im überall präsenten Shitstorm endet (Incident Stufe 5). Firmen erleiden so unter Umständen
empfindliche Imageschäden, die im Extremfall in eine Unter­
nehmenskrise münden können (Incident Stufe 6).
Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen und ihre Lenker
ihr Ohr heute näher denn je am Kunden haben. Es ist ein Muss,
ihm Aufmerksamkeit zu schenken, ihm auf Augenhöhe zu
begegnen und sein Feedback grundsätzlich ernst zu nehmen.
Management-Informationssysteme – von 1.0 auf 4.0
Bisher war nichts älter als die Zeitung von gestern. Im digitalen
Zeitalter ist nichts älter als die (Print-)Zeitung oder mancher
Statusreport von heute. Die klassischen Informationskanäle
des Managements werden den gestiegenen Anforderungen eines
beschleunigten und dynamisierten „Geschäftslebens 4.0“ immer
weniger gerecht.
Vor allem im Unternehmenskontext werden Informationen oft
so stark aggregiert und standardisiert, dass die eigentliche Botschaft den Empfänger zu spät oder gar nicht mehr erreicht.
„Melonenreports“ heißen diese Analysen, die außen eine wunderbar „grüne Ampel“ zeigen, sich jedoch immer mehr ins Rote
verfärben, wenn man eine Ebene tiefer „beißt“. Außerdem werden
die ursprünglich klaren Aussagen und Empfehlungen fachlich
versierter Mitarbeiter häufig durch Korrekturschleifen über
mehrere Hierarchiestufen aufgeweicht.
63
Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Die Lösung: Social Walls & Dashboards
Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten Social Walls und
Dashboards. Sie versetzen das Management in die Lage, mit
einfachen Mitteln an aktuelle ungefilterte Informationen zu
gelangen. Direkte Informationswege zeigen die Stimmungslage
unmittelbar auf und geben einen direkten Einblick im Vergleich
zu Statusberichten, die zum Beispiel durch Aggregation an
Informationsgehalt verlieren. Oder als klassische Gremien­
vorlagen, die im ersten Entwurf zwar oft mit dem ambitionierten
Ziel starten, die Welt (des Kunden) zu verbessern, aber nach
zahllosen Mitzeichnungskompromissen und zur Wahrung des
betrieblichen Friedens am Ende dennoch wieder als zahnloser
Schmusetiger in der Kuschelecke enden. Bei Social Walls und
Dashboards kann Kundenfeedback zeitnah, direkt und unverfälscht in die Chefetage gelangen.
Die Telekom Social Wall ist unter www.telekomwall.de frei zugänglich.
Im Eingangsbereich der Telekom-Konzernzentrale soll sie die Kundenstimme
allgegenwärtig machen und Gesprächs- und Gedankenanstöße liefern.
Auch in der Cafeteria der Bonner Telekom-Zentrale pumpt die Telekom
Social Wall den digitalen Buzz ins Unternehmen.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Social Walls durchsuchen das Social Web anhand von vordefinierten Suchkriterien wie Schlüsselwörter, Hashtags oder Accounts
nach Inhalten und stellen die gefundenen Beiträge visuell dar. Sie
bilden im Vergleich zu Dashboards die qualitative Informationsebene ab. Kennzahlen wie Anzahl der Beiträge, Sentiment oder
Share of Voice stehen also nicht im Vordergrund. Damit bieten
Social Walls einen optimalen Einstieg in die Social-Media-Welt:
Ohne Anmeldung oder Registrierung erhält der Nutzer Zugang
zu unternehmensbezogenen Inhalten aus zahlreichen Social
Networks. Die Inhalte und Botschaften sind in der Regel kurz
und mit Bildern oder Emoticons unterlegt. Zudem ist in der
Regel kein Expertenwissen nötig, um die klaren Botschaften der
Beiträge zu verstehen. Ein Beispiel: „Warum sind Sie unentschuldigt nicht zum Unterricht erschienen? Ich übe für meine
spätere Karriere als Techniker bei @deutschetelekom! “
Es geht in einem ersten Schritt darum, vorhandene Inhalte
sichtbar zu machen. Dazu gehören primär nutzergenerierter
Content, aber auch Unternehmensinhalte, die auf diese Weise
auch für nicht-Social-Media-Nutzer visibel werden. Social
Content lässt sich hierüber noch einfacher außerhalb sozialer
Medien, beispielsweise auf Webseiten, Shop-Displays oder
Veranstaltungsleinwänden, verwerten. Darauf aufbauend
stimulieren Social Walls die User – ob Kunden, Mitarbeiter
oder Partner –, selbst Content zu generieren.
Spielerei oder spielentscheidend – das Beispiel John Legere
Die Nutzung sozialer Medien als seriöse Informations- und
Feedbackquelle ist für manchen Manager noch schwer vorstellbar. Immerhin stecken Unternehmen ein Vermögen in klassische
Marktforschung, um an Feedback zu ihren Produkten und
Marketingkampagnen zu gelangen. John Legere, gefeierter
Managerstar und CEO von T-Mobile USA, bringt es beim
GeekWire Summit 2014 jedoch auf den Punkt: „I learn almost
everything I need to know to run T-Mobile IN TWITTER.”
Sein Erfolg gibt ihm recht. Nachdem er in einer beispiellosen
Aufholjagd jüngst auf Platz 3 der US-Mobilfunkunternehmen
aufstieg und seinen amerikanischen Rivalen immer mehr
Marktanteile abjagt, werden die Fragen nach seinem Erfolgs­
rezept laut. Er selbst verweist auf Twitter als Hauptinformations- und Feedbackquelle für seine strategischen „#Uncarrier“Schritte, die Kundenprobleme systematisch beseitigen. Das
Beispiel John Legere zeigt, dass erste Manager die Chancen von
Social Media erkannt haben und durch deren systematischen
Einsatz ihre Konkurrenten das Fürchten lehren.
Social Walls in Europas Vorstandsetagen
Nicht nur im fortschrittlichen US-Markt, sondern auch in Europa
finden sich erste Beispiele für den Einsatz von Social Media als
Informations- und Feedbackinstrument in der Chefetage. So
ließ sich der Personalvorstand der Deutschen Telekom Christian
P. Illek – ein digitaler Enthusiast – jüngst die Telekom Social Wall
in seinem Bonner Vorstandsbüro installieren. Diese ist auch an
weiteren Telekom-Standorten im Einsatz und zeigt in Echtzeit
alle Beiträge über die Telekom, die in den größten Social Networks
verfasst werden. „Dadurch habe ich die Möglichkeit, mir jederzeit ein Bild zu machen, worüber die Außenwelt in Bezug auf
unser Unternehmen in dieser Sekunde spricht und was unsere
Kunden, Partner aber auch Mitarbeiter beschäftigt“, so Illek.
„Social Media macht Wissen transparenter. Mit der
Social Wall bin ich mitten drin.“
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Social Media Center der Telekom: Analysen in der Chefetage
Wenn der Kunde mit am Tisch sitzt
Im Rahmen des Social-Media-Business-Programms wurde bei
der Telekom seit 2013 ein umfangreiches Social-Media-AnalyseCenter aufgebaut. Mithilfe dieses Centers und dessen SocialMedia-Analysen können automatisch Telekom-relevante Themen
im Social Web identifiziert und kategorisiert werden. Auch die
Stimmung (Sentiment) der öffentlichen Kommunikation lässt
sich so bestimmen. Die Telekom ist dadurch in der Lage, direktes
und ungeschminktes Kundenfeedback einzusammeln und daraus
Verbesserungspotenzial bei Produkten, Services, Technik und
Prozessen abzuleiten. Darüber hinaus können Großkampagnen
sowie Produkt- und Tarifeinführungen analytisch begleitet
werden. Wird im Social Web beispielsweise gehäuft negativ über
bestimmte Themen gesprochen, können die Verantwortlichen
kurzfristig reagieren. Aus Social-Media-Analysen lässt sich zudem
ein zuverlässiges Stimmungsbarometer des Gesamtmarkts ableiten.
Frühzeitig werden neue, innovative Themen, Trends und Hot
Topics der OTT-Player wie Apple, Google, Facebook, Samsung
und Microsoft erfasst und zentral zur Verfügung gestellt.
Das Social Media Center ist darüber hinaus gemeinsam mit den
„Telekom hilft“-Kundenservice-Kollegen wöchentlich mit einem
ausgewählten Thema im Privatkunden-TopmanagementGremium vertreten. Behandelt werden stark diskutierte und
konkrete Schmerzpunkte der Kunden mit Services, Prozessen
oder Produkten der Telekom. Auf diese Weise verschafft das
Social Media Center den Kunden eine Stimme im Top­
management-Board. Eine Unterlage ergänzt das im Hintergrund
laufende Dashboard und enthält Grafiken zu Stimmungstrends,
Handlungsempfehlungen sowie ausgesuchte Kundenkommentare – auch wenn sie manchmal schmerzen. Garantiert sind
dafür lebhafte Diskussionen!
Social Media Dashboards als Informationsverteiler in Echtzeit
Die Echtzeitverteilung der Analyseinformationen wird insbesondere über Social Media Dashboards realisiert. Dabei handelt
es sich um 70-Zoll-Touchscreens, die in den Büros des Top­
manage­ments, aber auch in den Service- und Qualitätszentren
der Telekom stehen und aktiv genutzt werden. Dargestellt werden
Kennzahlen wie die Anzahl der Beiträge im Tagesverlauf, das
Stimmungsbarometer, die Quellenverteilung oder Trends. Viele
unterschiedliche Bereiche innerhalb der Telekom sowie das
Management können sich schnell, zentral und transparent über
die wichtigsten Geschehnisse im Social Web rund um Telekomrelevante Topthemen informieren.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Des Weiteren werden auf Wunsch der Geschäftsführung in einer
wöchentlichen Kurzinformation alle Themen bereitgestellt,
die gerade „Social Buzz“ zu unternehmensrelevanten Themen­
feldern erzeugen.
Der Kunde sitzt mit am Tisch – via Social Wall und Dashboard im Arbeitsraum des Privatkunden-Topmanagement-Gremiums.
Die Telekom Social Wall im Büro von Telekom Personalvorstand
Dr. Christian P. Illek: Er hat jederzeit im Blick, was die digitale Welt
über das eigene Unternehmen spricht.
Die Mischung macht´s
AUTOREN
Die Erfahrungen mit den beschriebenen Elementen des direkten Kundenfeedbacks zeigen, dass es nicht „die eine“ richtige
Darstellungsform gibt, um Wirkung zu erzielen. Mit einer
Mischung aus
•Social Wall als einfachem Einstieg mit starken visuellen
Elementen
•
Dashboard als analytischem Überblick über das SocialMedia-Geschehen und
•Analysen als aufbereiteter Aggregation und Detail­infor­mation
zu einem Thema
lässt sich der Informationsbedarf des Managements hervor­
ragend abdecken.
Alexander Luyken
Kundenfeedback gelangt so unverfälscht und zeitnah in die
Chefetage. Dies hilft dem Management, näher am Kunden zu
sein und bessere Entscheidungen für das Unternehmen zu
treffen.
arbeitet als Social Media Programm Manager der Telekom
Deutschland GmbH und hat langjährige Beratungserfahrung
im Telekommunikationssektor.
Dr. Marco Hetterscheidt
ist Project Manager des Social Media Center der Telekom
Deutschland GmbH.
Dr. Winfried Ebner
leitet das Programm Social Media Business der Telekom
Deutschland GmbH. Zuvor war er in verschiedenen Positionen
als Vorstandsassistent der Deutschen Telekom sowie am
­Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der TU München tätig.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Megatrend Internet of Things
Den Kinderschuhen
entwachsen
Das Internet der Dinge gehört derzeit zu den meistdiskutierten
IT-Trends. Nach Schätzungen von Gartner wird die Anzahl
vernetzter Endgeräte bis Ende 2015 auf weltweit 4,9 Milliarden
steigen. Bis 2025 werden voraussichtlich 20 bis 40 Millionen
Endgeräte miteinander (und mit Servern) verbunden sein. Doch
damit der Trend hält, was er verspricht, müssen Unternehmen
noch einige Hausaufgaben machen.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT)1 besitzt das
Potenzial, die Wertschöpfung etablierter Industrien von Grund
auf zu verändern. Traditionelle Hersteller von „Offline-“Gütern
entwickeln in Zukunft vernetzte, digital angereicherte Produkte
und digitale Services. Sie sind damit in der Lage, Daten über
ihre Kunden zu sammeln und diese zu analysieren, was ihnen
völlig neue Erkenntnisse über das Verhalten und die Bedürfnisse
ihrer Kunden verschafft. Dies eröffnet den Unternehmen einerseits neue Geschäftsmöglichkeiten, andererseits müssen sie sich
aber auch mit branchenfremden Playern auseinandersetzen.
Konsumenten zeigen sich (noch) verhalten
Derzeit steht das IoT noch am Anfang seiner Entwicklung.
Zwar nutzt beispielsweise die Luftfahrtindustrie bereits seit
mehr als einem Jahrzehnt Sensoren, um Flugzeugdaten zu erfassen
und zu überwachen. Doch erst die rasante Verbreitung des Internets und mobiler Endgeräte sowie neue Entwicklungen in
der Netztechnologie ermöglichen es Unternehmen heute, das
Potenzial von IoT voll auszuschöpfen.
Neben Social Media, Mobile, Big Data und Cloud sehen die
Experten von Gartner das IoT auch als wesentlichen Treiber von
Customer Relationship Management (CRM). Doch die Konsumenten zeigen sich noch verhalten. Zwar wecken Entwicklungen
wie Wearables – mobile, tragbare Computer wie Smart Watches
oder Pulsmesser – zunehmend Interesse bei den potenziellen
Käufern, aber in der Realität fehlt es aktuell noch an überzeugenden Anwendungsfeldern. Auch Produkte wie der vernetzte
Rasierer oder der vernetzte Eierkarton führen beim potenziellen
Kunden eher zu Skepsis oder einem Schmunzeln statt zu echter
Begeisterung. Doch egal, welche Use Cases sich am Ende
tatsächlich durchsetzen werden – dass IoT eine wichtige
Stellung im Markt einnehmen wird, darüber sind sich die
Experten einig.
Exemplarisch für die Chancen und Herausforderungen, die das
Internet der Dinge mit sich bringt, stehen die Telekommuni­
kations- und die Automobilindustrie. Während Letztere sich
unter dem Stichwort „Connected Car“ bereits intensiv mit der
Entwicklung von Kundenanwendungen beschäftigt, fokussieren
sich Carrier auf die Vernetzung der verschiedenen Systeme.
Carrier müssen sich klar positionieren
Netzbetreiber nehmen im Zusammenhang mit dem IoT eine
zentrale Rolle ein. Denn die von den Telekommunikations­
unternehmen zur Verfügung gestellte Konnektivität ist für die
Umsetzung mobiler Use Cases zwingend notwendig. Kurz: Sie
ist der Kernfaktor, der das Internet der Dinge zu dem macht,
was es ist. Beim Total Share of Value nimmt die Konnektivität
allerdings mit 15 bis 20 Prozent nur einen geringen Anteil ein.
Die Gefahr für Carrier besteht darin, auf die Bereitstellung von
Managed Connectivity reduziert zu werden – und das bei zukünftig weiter sinkenden Durchschnittserlösen (Average Revenue
per User, ARPU) und steigendem Investitionsbedarf in die
Netzinfrastrukturen aufgrund des erhöhten Datenaufkommens.
Carrier sollten sich daher schnell darüber klar werden, welche
Positionen sie in der IoT-Wertschöpfungskette zusätzlich zur
Konnektivität einnehmen können, um nicht irgendwann als
reine „Dumb Pipe“ zu enden oder sogar vollständig von an­deren
Playern verdrängt zu werden.
Nichtsdestotrotz besitzen Carrier – im Gegensatz zu vielen anderen Branchen – eine breite Präsenz im stationären Handel,
einen stark ausgeprägten Kundenservice sowie umfangreiche
Erfahrungen mit der Administration einer Vielzahl von Kunden
und Devices, zum Beispiel beim servicebasierten Billing. Zudem
bringen Carrier ausgezeichnete Voraussetzungen als Plattformbereitsteller für IoT-Anwendungen mit und sind mit den regula­
torischen Herausforderungen im Zusammenhang mit internationaler Mobilität bestens vertraut.
An der Endkundenschnittstelle tun sich Carrier jedoch oft noch
schwer, passende IoT-Services anzubieten. Selbst naheliegende
Use Cases wie Real Time Promotions, On-Demand Pricing,
Predictive Customer Services und individualisierte In-Store
Experience für die klassischen Telekommunikationsprodukte
werden nur zögerlich angegangen. Erste Endkundenprodukte,
beispielsweise Connected Bikes, bringen die Carrier daher in
der Regel gemeinsam mit Produktherstellern auf den Markt.
Die Resonanz lässt hier jedoch noch zu wünschen übrig.
Automobilhersteller setzen Trends
Eine der ersten Industrien, die auf den IoT-Zug aufgesprungen
sind, ist die Automobilbranche. Sie arbeitet schon länger daran,
Use Cases zu entwickeln, die nicht nur die Funktionalität der
Fahrzeuge verbessern und die Sicherheit erhöhen, sondern auch
den Service für den Endkunden erweitern. Der Begriff
IoT umschreibt vereinfacht das Einbinden von Sensoren in verschiedene Consumer und industrielle Devices mit der Absicht, eine Internet-enabled Connection zu
etablieren und eine weiträumige Vernetzung von Gegenständen zu erreichen, die Daten miteinander austauschen und aufgrund der ausgewerteten Daten entsprechende Aktionen anstoßen.
1
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
„Connected Car“ steht hier häufig für Features wie internet­
gestütztes Infotainment, Vehicle Tracking, Remote Maintenance
oder nutzungsbasierte Versicherungstarife. Zusätzlich öffnen
Unternehmen wie Apple und Google mit ihren Fahrzeugplattformen auch für Fahrzeuge die Welt der Apps.
3. Interaktionen mit smarten Objekten:
Für die Zukunft lassen sich im Automotive-Bereich drei Trends
ausmachen, die aus CRM-Sicht eine wesentliche Rolle spielen
werden: das Zusammenwachsen von Smart Home und der
smarten Fahrzeugwelt, die Integration biometrischer Daten von
Fahrzeuginsassen und das Interagieren smarter Objekte mit
Fahrzeugen. Aus CRM-Perspektive entsteht damit ein noch
reicherer Datenpool, der sich in Zukunft verstärkt für die
Schärfung und Individualisierung des Kundenbeziehungs­
­
managements einsetzen lässt.
In einer Welt, in der physische Gegenstände ihre eigene digitale
Identität besitzen und miteinander kommunizieren, ist auch
eine Reihe von Use Cases für andere Fahrzeuge vorstellbar. Gerade bei „fahrzeugnahen“ Objekten wie Fahrrädern, Taschen,
Koffern, Freizeitequipment und Ähnlichem ist ein Datenaustausch sinnvoll. So könnte das auf dem Dachträger montierte
Fahrrad den Fahrer über eine Fahrzeugschnittstelle warnen,
wenn dieser einen höhenbeschränkten Bereich ansteuert. Der
Fahrzeuginnen- oder Kofferraum könnte zukünftig auch als
Objektzustell- und Speicherort mit Fremdzugang dienen. Er
erkennt jederzeit sein Inventar und erinnert seine Nutzer an
nicht richtig gesicherte oder versehentlich im Fahrzeug zurück­
gelassene Gegenstände.
1. Smart Home Integration:
Ohne digitales Vertrauen geht es nicht
Eine erste digitale Schnittstelle zwischen Gebäuden und Fahrzeugen sind sogenannte Remote-Garagentüröffner. Sie werden
heute bereits häufig genutzt. Mit der technischen Weiterentwicklung vernetzter Häuser und Wohnungen werden sich
­darüber hinaus weitere Anwendungen etablieren. So könnten
Sensoren, die ohnehin in Fahrzeugen verbaut sind (zum Beispiel
Regensensor, Rückfahrkamera oder Außenthermometer), einem
Smart Home wertvolle Daten über seine Umgebung liefern, die
sich beispielsweise für Sicherheitssysteme verwenden lassen.
Umgekehrt könnten Gebäude ihre Statusdaten künftig mit
­angeschlossenen Fahrzeugen teilen und diese auf ihren bevor­
stehenden Einsatz vorbereiten (beispielsweise wärmen/kühlen).
Auch der Fahrzeugalarm ließe sich für den Schutz des Hauses
einsetzen.
Ein wesentliches Thema beim Internet der Dinge sind die
­berechtigten Sicherheits- und Datenschutzbedenken der potenziellen Konsumenten. Schließlich wird beim IoT nicht nur eine
immense Menge an Geräten miteinander vernetzt. Vielmehr
erzeugen diese Geräte zum Teil auch sehr private und personenbezogene Daten, die gespeichert und transportiert werden. Kein
Wunder also, dass digitale Produkte und Services von einigen
Kunden- und Verbrauchergruppen sehr kritisch gesehen und
heftig diskutiert werden. Viele Unternehmen versuchen ihre
Kunden zu beruhigen, indem sie auf den Gesetzgeber sowie­
die in ihren Häusern etablierten Prozesse und Regelungen
(Compliance) verweisen.
2. Verwendung biometrischer Daten von Fahrzeuginsassen:
Das kontinuierliche Monitoring biometrischer Daten wie
Blutdruck oder Herzfrequenz gehört durch die zunehmende
Verbreitung von Wearables bei vielen Menschen bereits heute
zum Alltag. Sensoren in Fahrzeugsitzen, Anschnallgurten und
Lenkrädern könnten in Zukunft ebenso die wichtigsten biometrischen Daten von Fahrer und Insassen aufzunehmen, diese in
Echtzeit analysieren und interpretieren und schließlich dem
Fahrzeugsystem zur Verfügung stellen. So könnte ein Fahrzeug
beispielsweise automatisch die Driving Assistance auf ein höheres
Level schalten, wenn der Fahrer nervös zu sein scheint. Auch
eine Alarmierung des Fahrers bei drohendem Sekundenschlaf ist
denkbar. Je nach Wohlbefinden und Stimmung der Insassen
ließe sich auch das Fahrzeugambiente verändern und die Kommu­
nikation mit dem Fahrer automatisiert steuern.
Aus unserer Sicht greift dieser Ansatz jedoch zu kurz. Er nimmt
die Sorgen und Befürchtungen der Kunden nicht ernst genug.
Unternehmen sollten daher daran arbeiten, über die gesetz­
lichen Vorgaben hinaus mit einem glaubwürdigen und ganzheitlichen Ansatz das „digitale Vertrauen“ ihrer Kunden zu
­gewinnen. Wenn sie diesen Aspekt als elementaren Bestandteil
des Kundenerlebnisses verankern, schaffen Unternehmen eine
wichtige Grundlage für den nachhaltigen Erfolg ihrer digitalen
Geschäftsmodelle. Zudem differenzieren sie sich damit an einem
entscheidenden Punkt von ihren Wettbewerbern, die gerade bei
IoT Use Cases häufig recht technisch und unpersönlich wirken.
Zu diesen „vertrauensbildenden“ Maßnahmen gehören unter
anderem eine größtmögliche Transparenz (Was passiert tatsächlich mit den Kundendaten und wohin werden sie geschickt?),
Garantien sowie das Angebot von Versicherungen für die
­Ab­sicherung in Schadensfällen.2
Vgl. dazu u. a. den Vortrag von PwC im Rahmen der Bitkom-Fachkonferenz „Digitalisierung des Finanzmarktes /Bargeldlose Gesellschaft“, Berlin 2015.
2
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Nichts überstürzen
Weniger konkret, aber nach unserer Auffassung noch wichtiger
ist eine reflektierte unternehmerische Haltung im Hinblick auf
die Chancen der Digitalisierung. Drei Aspekte sind dabei von
besonderer Bedeutung.
1. Die Digitalisierung schafft kein neues Paradies
IoT scheint ein hervorragendes und einfaches Mittel zu sein,
kleine und große Alltagsprobleme zu lösen und die Welt besser
zu machen. Dahinter steckt die durchaus sympathische Idee, die
Welt zu vervollkommnen. Dabei werden jedoch häufig wesentliche Aspekte, nämlich die Problemstellungen an sich und die
(häufig nicht unproblematischen) Implikationen der technischen
Lösungen, ausgeblendet. Es wird blinder „Solutionismus“3
­betrieben. Die Probleme an sich werden dabei als gegeben angenommen, sie werden nicht analysiert, es werden einfache technische Antworten gesucht, bevor die Fragen vollständig gestellt
wurden.
2. Kunde bleibt der Mensch, nicht dessen digitaler Zwilling
So verlockend es auch sein mag, aus den digitalen Spuren einen
digitalen Zwilling des Kunden zu konstruieren – die beiden sind
nicht identisch. Der „wahre“ Kunde kann immer für Überraschungen sorgen und ist (hoffentlich!) weniger berechenbar als
angenommen.
3. Die Forderung nach „mehr Transparenz“ ist ambivalent
Transparenz ist zu einem fast ausschließlich positiv besetzten
Paradigma der Digitalisierung geworden – auch wenn die Algorithmen, die den Kern vieler Geschäftsmodelle bilden, oft alles
andere als transparent sind. Aber es gibt viele Kunden, die sich
den Zauber des Geheimnisses, den Wert des Ambivalenten und
des Zweifels sowie den Charme der verborgenen Ineffizienz
bewahren möchten. Für sie wäre eine vollkommen transparente
Welt eine „ärmere Welt“.
IoT ist dabei, den Kinderschuhen zu entwachsen. Exemplarische
Use Cases zeigen das enorme Potenzial der kleinen digitalen
Helfer. Doch bevor die vernetzten Produkte und Dienste den
Markt erobern, müssen Unternehmen noch einige Heraus­
forderungen meistern – insbesondere im Zusammenhang mit
den Themen Interoperabilität, Konnektivität, Sicherheit und
dem digitalen Selbstverständnis.
Michael Dobbins, Urban Design and People, New York, 2009.
3
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
AUTOREN
Steffen Roos
ist Managing Consultant und unterstützt Unternehmen aus
unterschiedlichen Industrien dabei, die Herausforderungen der
digitalen Transformation zu meistern.
Ingmar Haffke
ist Senior Consultant mit Fokus auf Strategie- und Innovationsberatung, zugehörig zu Detecon’s San Francisco Office. Er
­begleitet Strategieteams von Kunden in Nordamerika, Europa
und aus dem Mittleren Osten auf dem Gebiet digitaler
Innovations­themen wie Digital Business Models, Digital CRM
Strategy, Digital Customer Experience Management oder
­Mobile/Social Strategy.
Sascha Krpanic
arbeitet seit Anfang 2013 als Unternehmensberater. Seine
Schwerpunkte liegen in den Bereichen digitale Services, Omnikanalmanagement, Wettbewerbs- und Marktanalysen sowie
Unternehmensstrategien.
Art meets Consulting
Wir geben Kunst eine Bühne.
Künstler haben unsere Themen neu interpretiert
und unsere neue Webseite mitgestaltet.
Wir stehen mit unseren Geschäftsfeldern
an einer der spannendsten Baustellen unserer Zeit:
Die Vernetzung globaler Information und Kommunikation.
Besuchen Sie uns unter: www.detecon.com
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Big Data im Kundenbeziehungsmanagement
Vertrauensvoll Mehrwert
für Kunden schaffen
Kundenbeziehungen zu verbessern und daraus einen Mehrwert zu
schaffen bedeutet vor allem, das Vertrauen der Kunden in das Unter­
nehmen zu steigern. Unternehmen müssen deshalb mit Kunden über
neue Technologien wie Big Data verständlich kommunizieren, damit
diese die Anwendungen verstehen und mittragen.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Advanced
Analytics with
Self-Service
Delivery
PEAK OF
INFLATED
EXPECTATIONS
ZEIT, BIS
PLATEAU DER PRODUKTIVITÄT
ERREICHT WIRD
> 5 Jahre
Machine
Learning
Citizens
Data
Science
2 – 5 Jahre
Big
Data
Virtual
Personal
Assistants
MOVES FROM
THE LAB
Speech to
Speech
Translation
Natural
Language
Question
Answering
GRADUAL
ADOPTION
Virtual
Reality
Argumented
Reality
TROUGH OF
DISILLUSIONMENT
Abbildung 1: Big Data im „Tal der Tränen“
[Detecon in Anlehnung an Gartner‘s Hype Cycle]
Bislang ist Big Data hinter den möglicherweise überzogenen Erwartungen zurückgeblieben. Nach Einschätzung von Experten
wie Gartner wird Big Data sich daher in absehbarer Zeit durch
ein „Tal der Tränen“ bewegen, wie Abbildung 1 illustriert.
Abgesehen von der Enttäuschung über viele Big-Data-An­
wendungen zieht dieser Tiefpunkt auch den Rückzug mancher
Technologieentwickler nach sich. Was bedeutet das für Big Data
im Kundenbeziehungsmanagement und wie soll künftig mit
diesem Thema umgegangen werden?
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Wertschöpfung für Kunden durch Einsatz von Big Data im
Kundenbeziehungsmanagement
Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen echten Wert Big Data
für Kunden in der Zukunft schaffen kann. Wir liefern Richtlinien
für Unternehmen, damit vertrauensvoll Mehrwert für Kunden
geschaffen wird, sodass für beide – Unternehmen und Kunden
– nachhaltig eine Win-win-Situation entsteht.
Doch zunächst ist zu definieren, was unter Big Data zu verstehen
ist. Da Big Data sich durch viele konkurrierende Technologien
sowie aufstrebende Technologien und eine Konsolidierung in
der Landschaft der Zulieferer auszeichnet, empfiehlt sich eine
technologieneutrale Definition. Wir verstehen Big Data als „die
Wertschöpfung (Value), die durch Analyse der Daten mittels
Volume, Variety und Velocity – die 4 V – erzeugt wird.“
Volume: Die Big-Data-Technologie soll große Datenvolumen
bewältigen können. Das Versprechen von Big Data lautet, dass
es diverse Terabytes im zweistelligen Bereich – das Volumen
einer derzeitigen Speicherlösung – in Minuten verarbeiten und
ein Gesamtvolumen im Petabytebereich (= 1015 Bytes, entspricht der Größe von Tausend aktuellen Festplattenlaufwerken)
managen kann.
Variety: Die Big-Data-Technologie soll unterschiedliche Datentypen bearbeiten können. Sie sollte nicht nur Antworten in
Daten finden, die stark strukturiert sind (zum Beispiel Billingdaten), sondern auch in der Lage sein, aus Quellen mit wenig
oder überhaupt keiner Struktur (beispielsweise E-Mails, Kunden­
anrufe oder Bilder) Informationen zu extrahieren.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Velocity: Die Big-Data-Technologie soll große Datenvolumen
schnell analysieren können. Die Leistung, die von den Big-DataSystemen versprochen wird, liegt in der Unterstützung der
Right-Time-Datenverarbeitung. Unter „Right Time“ verstehen
wir, dass das Ergebnis der Datenverarbeitung dann vorliegen
muss, wenn es betrieblich gebraucht wird. Das muss nicht notwendigerweise im Einklang mit der Echtzeit stehen. Big-DataLösungen müssen zum Beispiel in der Lage sein, die Threads in den
sozialen Medien schnell genug zu interpretieren, um Änderungen
der „Stimmungsbilder“ aufzuspüren. Nur so wird die Steuerung
der Kundenwahrnehmung proaktiv möglich.
Wir konzentrieren uns schwerpunktmäßig auf die Wertschöpfung (Value), die für Kunden bei der Anwendung von Big Data
im Kundenbeziehungsmanagement entsteht. Im Kundenbe­
ziehungsmanagement existiert die Wertschöpfung für Unternehmen erst dann, wenn der Kunde einen klaren Mehrwert
erhält. Die Wertschöpfung für das Unternehmen entsteht in der
Folge aus daraus abgeleiteten Effekten, etwa aus einer verbesserten
Kundentreue.
Abbildung 2 zeigt, wie Big Data Mehrwert erzeugt. Der Mehrwert entsteht durch drei Faktoren. Erstens versetzt Big Data
einen Kunden oder ein Unternehmen in die Lage, einen Sachverhalt besser zu verstehen (Variety, Volume). Zweitens sorgt die
Geschwindigkeit der Analyse dafür, dass diese Information zum
richtigen Zeitpunkt zur Verfügung steht (Velocity). Hiermit
kann man auf einen Sachverhalt schneller und zielführender
reagieren. Dieser zweite Faktor heißt „Entscheidungsagilität“.
Nur wenn Kunden oder Unternehmen durch Anwendung von
Big Data bessere Informationen bekommen und es ihnen
deshalb möglich ist, schneller zu handeln, kann eine Big-DataAnwendung Mehrwert erzeugen.
Der Wert der Informationen mittels Nutzung von Big Data
Bessere
Informationen
VARIETY
Entscheidungsagilität
Wert von
Big Data
Daten schneller verarbeiten
Handhabung unterschiedlicher
Datentypen und Datenquellen
VELOCITY
Verarbeitung großer Datenvolumen
Big-Data-Funktionalität
VOLUME
Große Volumen strukturierter
und unstrukturierter Daten
Abbildung 2: Der Mehrwert der Informationen
mittels Nutzung von Big Data [Detecon 2015]
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Nachhaltig gemeinsam mit Kunden Mehrwert schaffen
Anhand von drei Beispielen im Kundenbeziehungsmanagement
(Big Data Usecases, Barc Research Study 2015; Leitlinien für
den Big-Data-Einsatz, Bitkom 2015) zeigen wir – allerdings ohne
Berücksichtigung eines verbesserten klassischen Loyalitäts­
managements – auf, wie Big Data Wertschöpfung erzeugt:
I. Integration der Customer Touchpoints
Integration von Informationen, die Kunden über die verschiedenen Berührungspunkte mit dem Unternehmen hinterlassen,
womit durch Anwendung von Big Data ein 360-Grad-Kundenbild entsteht
II. Personalisierung der Vertriebskanäle
Anpassung der Vertriebskanäle (gegebenenfalls laufend und
zeitnah) an potenzielle Kundenwünsche
III. Digitale Einkaufswelten
Verbesserung des Einkaufserlebnisses in Verkaufsräumen und
Einkaufszentren durch Informationen über Verkehrsströme und
Anwendung digitaler Technologien
Wertschöpfung für Kunden und Unternehmen entsteht, weil
Letztere durch Anwendung von Big Data in der Lage sind,
schneller und zielführender auf einen Sachverhalt zu reagieren
Beispiele von Big Data Anwendungen im Kundenbeziehungsmanagement,
die Potenzial für Wertschöpfung haben
I.
TouchpointIntegration
Potenzial für bessere
Informationen
Potenzial für
Entscheidungsagilität
Wertschöpfung für
Kunden & Unternehmen
Vollständiges und aktuelles
Kundenbild
Auf aktuelle Kundenanliegen
reagieren können
Kunden:
•Weniger Aufwand, um
Informationen zu liefern
Unternehmen:
• Erhöhte Kundenorientierung
•Zufriedenere Kunden
II.
Personalisierung
von
Vertriebskanälen
III.
Digitale
Einkaufswelten
Auf aktuelles Kundenbedürfnis
zugeschnittene Angebote
machen
Schnellere und bessere
Kaufentscheidung
Das Einkaufsverhalten von
Kunden im Handel besser
verstehen
Agile Optimierung von
Verkaufsräumen und
Sortimenten entsprechend
dem Kundenbedarf
Unternehmen:
•Zufriedenere Kunden
•Höherer Umsatz
•Weniger Retouren
Abbildung 3: Beispiele für mehrwertschöpfende Anwendungen im Kundenbeziehungsmanagement
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Kunden:
•Besseres Einkaufserlebnis
Kunden:
•Besseres Einkaufs erlebnis
Unternehmen:
•Effizientere Regalausnutzung
•Höherer Umsatz
Abbildung 3 zeigt Beispiele, in denen Anwendungen von
Big Data eine Win-win-Situation für Kunden und Unter­
nehmen schaffen. Mehrwertschöpfung entsteht nur, wenn die
bessere Information, die durch Anwendung entsteht, auch agil
eingesetzt wird.
Kundenbeziehungen verbessern und hieraus Mehrwert schaffen
bedeutet vor allem, das Vertrauen der Kunden zum Unternehmen
zu steigern. Unternehmen müssen sich die entsprechenden
Erwartungen der Kunden besser bewusst machen und auf diese
auch eingehen. Folglich müssen Unternehmen mit ihren Kunden
im Hinblick auf neue Technologien wie Big Data offen kommuni­
zieren, damit die Kunden die Anwendung von Data Analytics
besser verstehen und auch mittragen können. Dies ist nur möglich, wenn Unternehmen Transparenz über die Anwendung von
Big Data schaffen und entsprechende Verfahren einvernehmlich
mit den Kunden einführen.
Dabei helfen klare Leitsätze. Die Deutsche Telekom hat ei­gene
Leitsätze zu Big Data aufgestellt (Deutsche Telekom Guiding
Principles on Big Data, DTAG 2014). Ein zentraler Punkt dabei
ist Transparenz für Bürger und Politik. Im Vordergrund steht für
die Deutsche Telekom darüber hinaus die grundsätzliche Verwendung von anonymisierten Daten ohne Rückschluss auf Personen
und unter Ausschluss der Möglichkeit zur Diskriminierung von
Gruppen. Die Deutsche Telekom sucht darüber hinaus den
­Austausch mit Aufsichtsbehörden sowie nicht staatlichen Organisationen. Zudem ist ein aufgeklärter und verantwortungsbewusster
Umgang mit Daten von allen Seiten nötig. Das setzt eine Kultur
des Einverständnisses sowie die konsequente Berücksichtigung
dieser Leitsätze voraus, damit das Vertrauen der Kunden weiter
aufgebaut und gestärkt wird.
Win-win für Kunden und Unternehmen
Im Kundenbeziehungsmanagement ist die Wertschöpfung für
Unternehmen nur existent, wenn der Kunde einen klaren Mehrwert erhält. Big Data schafft Mehrwert für Kunden und Unternehmen, da die Verfügbarkeit von zutreffender Infor­mation zum
richtigen Zeitpunkt bessere und schnellere Entscheidungen
gewährleistet.
Big Data eröffnet durch Proaktivität und Interaktion einen n
­ euen
Horizont im Kundenbeziehungsmanagement.
Da gute Beziehungen auf großem Vertrauen basieren, müssen
Unternehmen mit Kunden über neue Technologien wie Big Data
verständlich kommunizieren, damit die Kunden die Anwendung
von Big Data verstehen, mittragen und im Idealfall sogar selbst
einfordern. Hierfür brauchen Unternehmen klare Leitlinien, die
transparent und konsequent eingehalten werden.
AUTOREN
Dr. Frank Wisselink
ist Interim Manager und Managing Consultant
bei Detecon. Er berät und leitet Innovations- und
Strategiegroßprojekte innerhalb und außerhalb des
Konzerns Deutsche Telekom.
Dr. Ralf Meinberg
ist Senior Experte für Regulierungsstrategie bei der
Deutschen Telekom AG. Er ist dort unter anderem
mit der Strategieentwicklung von Innovations- und
Internetthemen beschäftigt.
Julian Obeloer
ist Berater bei Detecon und im Telekommunikationssektor mit Fokus auf Marketing, Strategie und
Business Analytics . Sein derzeitiger Einsatzschwerpunkt ist in größeren nationalen und internationalen Transformationsprojekten. Zuvor war er für
Vodafone und Miele tätig und hat hier zahlreiche
Erfahrungen gesammelt.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
„Sei aufrichtig;
sei knapp;
sei hartnäckig.“
– Franklin D. Roosevelt
Analogos-Digitalis – Wandel in
der Kommunikationsbranche
Bildung bleibt der Schlüssel
Der Übergang von der analogen in die digitale Welt verlief von vielen
Menschen nahezu unbemerkt. Und auch die Begleitumstände, die mit
den neuen Techniken einhergingen, wurden vielfach nur punktuell,
ohne erkennbaren Bezug zur technologischen Revolution, wahrgenommen. Dass das aber ohne ein konsequent konstruiertes Zusammenspiel
aus Technik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nicht möglich
gewesen wäre, macht der Wirtschaftsjournalist und Kommunikationsexperte Dr. Reinhard Schwarz von der Bielefelder Inforce GmbH am
Beispiel der Kommunikationsbranche deutlich.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Willkommen im digitalen Zeitalter! Ein langer Weg. So manches
musste im Vorfeld erledigt werden, bis wir dort angekommen
sind, wo wir heute stehen. Als in den 80er-Jahren der Startschuss
fiel, diskutierte die Menschheit noch eifrig über den gläsernen
Menschen, die Vernichtung von Arbeitsplätzen, das papierlose
Büro. Derweil nahm die Entwicklung ungerührt ihren Lauf,
auch wenn niemand verlässlich sagen konnte, wohin die Reise
überhaupt gehen sollte. Die großen Technologiekonzerne
witterten ihre Chance, forschten, entwickelten, boten an und
verkauften. Es entstand allmählich eine völlig neue Infrastruktur,
die rein dem Digitalen diente. Aus proprietären Computersystemen
erwuchsen offene. Großrechneranlagen schrumpften auf PCGröße, analoge Netze aus dem „Telefonkoffer“ wandelten sich
erst zum „Motorola-Knochen“, dann bald zu handlichen
Mobiltelefonen. Lange Zeit unbemerkt von der Öffentlichkeit
änderte sich die Arbeitswelt – auch diese Strukturen formierten
sich neu. Ganze Branchen verschwanden sang- und klanglos.
Man denke an Filmhersteller wie Agfa oder Kodak, die den
digitalen Zug immer nur von hinten sahen, oder an die „lithografischen Anstalten“, wie sie sich vielerorts auch nach 2000
noch nannten.
Am Anfang das große Sterben
Eine besonders dramatische Entwicklung durchliefen die Berufe
in der Kommunikationsbranche. Viele Agenturen nahmen jahre­
lang nicht wahr, dass sich eine kleine Revolution vollzogen hatte,
sie wurstelten so weiter wie bisher. Die Folge: molochartige
Agenturgebilde mit bis zu 120 Mitarbeitern schrumpften auf
Normalgröße, das heißt zwischen 5 und 30 Mitarbeitern, oder
sie verschwanden ganz. Was war passiert? Nicht nur in den
Agenturen, auch im Privaten und in den Unternehmen freuten
sich die Menschen über erschwingliche Text- und Grafik­so­ ft­
wareprogramme, mit denen sich trefflich nicht nur Visitenkarten,
sondern sogar Broschüren und ganze Bücher gestalten ließen.
Jeder war plötzlich sein eigener Grafikdesigner, Texter und
Druckvorstufenhersteller. Und es kostete nur einen Bruchteil
dessen, was man vorher für vom Grafiker gestaltetes Briefpapier
oder die Visitenkarte hinlegen musste. Sah zwar meist grauenhaft aus, aber warum auch eine mehrjährige Ausbildung dafür
machen?
Inzwischen waren auch die analogen Fotoapparate verschwunden,
die Digitalisierung setzte ihren Siegeszug fort und kreierte den
Allroundfotografen, der zum Nulltarif draufhielt und massenweise Bildmaterial lieferte. Das motivierte auch den Marketingmitarbeiter in den großen Unternehmen, seinen Teil zur Kosten­
dämpfung beizutragen. Unscharf? Egal! Und man stellte fest,
dass das hochwertige Kundenmagazin nun keine hochpreisigen
Lithos mehr brauchte, man nicht unbedingt einen Profifotografen
einsetzen musste, man auch keinen Textprofi benötigte, denn
„Deutsch haben wir ja alle in der Schule gelernt“, wie es ein
mittelständischer Unternehmer bei der Ansprache an seine
Marketingabteilung einmal formulierte. Das Wissen der Kommu­
nikationsspezialisten wanderte über die Entwicklung von
leistungsfähigen Softwareprogrammen direkt in die Marketingabteilungen, die die Devise ausgaben: „Lieber nicht perfekt,
dafür aber kostengünstig von eigenen Leuten hergestellt.“ Denn
Perfektion von außen zugekauft ist teuer. Agentursterben war
die Folge.
Europäische Wissenschaftstradition:
Immer im Mittelpunkt – und so im Wege!
Derweil tat sich im Bildungsbereich vieles, was den neuen Kurs
stützte. Die Digitalisierung forderte die Vereinfachung. 1996
drückte man dem Volk eine Rechtschreibreform mit ebendiesem
Ziel aufs Auge. Im Auge befand sich aber offensichtlich das
sprachliche Mittelmaß, denn viele Schreibungen und lästige
Regeln wie die Kommaregeln wurden durch andere, teils unsinnigere ersetzt: So blieb zwar die „Grenze“ die „Grenze“, der
„Stengel“ indessen mutierte wundersam zum „Stängel“, was
immer noch zu allerlei Gequengel führt, das aber bloß nicht
Gequängel geschrieben werden durfte.
Und schließlich ging man dem gesamten europäischen Bildungs­
system an den Kragen.
Ende der 90er-Jahre stießen europäische Bildungsexperten den
schon länger geplanten „Bologna-Prozess“ an, der einen homogenen europäischen Bildungsraum mit einheitlichen, verkürzten
Studienabschlüssen realisieren sollte. Gefördert werden sollten
die Mobilität der Studierenden, Lehrkräfte und Wissenschaftler,
die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungsfähigkeit. Gefragt war und ist fortan der „Brotstudent“,
der seinen „Bachelor“ innerhalb von sechs Semestern berufs­
qualifizierend abschließt. Die Fixierung der Studiengänge auf
gängige Berufsbilder sollte die gewünschte „Employability“
sichern mit dem Ergebnis, dass die klassische Bildung auf
dem Altar der beruflichen Ausbildung im Dienste einer hoch
technisierten Wissensgesellschaft geopfert wurde. Die Chefs der
Kommunikationsagenturen stellten indessen fest, dass die
Ausbildung zum Volontär nun plötzlich ergänzt werden musste
mit Grundlagenwissen, an dem es hinten und vorne mangelte.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Digitalisierung revolutioniert die Kommunikation
Siegeszug der digitalen Technik
So griff eins ins andere. Freie Fahrt für die Digitalisierung in alle
Lebensbereiche! Die Technik forderte und bekam, was die Universitäten und privaten Fachhochschulen produzierten: den auf
ein Ziel hin fokussierten, zumeist auf Tagesaktualität hin
abonnierten Geistesminimalisten, der digitale Technik intuitiv
begreift und in der Lage ist, die Themen des gesellschaftlichen
Lebens ganz unbefangen verkürzt auf die Displays der digitalen
Welt zu projizieren. Was nun Standard war, ergriff die große
Welt der Kommunikation. Wo früher ganze Archive in Ordnern
gepflegt wurden, reicht heute bereits ein Smartphone, welches
fast unbeschränkten Zugang zur Recherche gibt, zu Daten­
banken, Wissensportalen und Medien. Wo im Fachzeitschriften­
journalismus früher noch die tagelange Recherche mit ausführlichen Fachbeiträgen und Interviews von Experten gepflegt
wurde, läuft heute die rasche Recherche im Internet, das schnelle
Skype-Interview oder der kostenfrei ins Haus gelieferte PRBeitrag, der massenhaft die Redaktionen überflutet.
Und nichts kann diesen kontinuierlichen Abonnentenschwund
aufhalten, solange Verleger und altvordere Chefredakteure nicht
einsehen wollen, dass der digital verwöhnte Kunde das für die
digitale Zeit adäquate Medium haben will: strategisch geplant,
gekonnt moderiert, möglichst in Echtzeit, mit kurzen, knappen
Inhalten, plakativ, illustriert, unterstützt von Podcasts und
schnellen Responsemöglichkeiten durch Blogs und Fachforen.
Und natürlich eng verknüpft mit der Social-Media-Welt. Da
zeigt die Digitalisierung ihr Können. Tatsächlich bringt sie
Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit mit sich. Was aber kein
Gesetz ist, sondern nur denen entgegenkommt, die das rezipieren
wollen. Wer tiefer in die Materie eindringen will, kann das
besser und variantenreicher, als es in der analogen Welt jemals
möglich war. Er muss nur in der Lage sein, zahlreiche Wissensinseln durch eigenes Know-how und Kombinationsfähigkeit
blitzschnell zu verknüpfen und daraus folgerichtige Schlüsse zu
ziehen. Das aktuelle Bildungssystem fördert oder unterstützt
diese Fähigkeiten aber nicht mehr.
Nicht aber gelitten haben die Auflagen. Nie gab es so viele
Fachzeitschriftentitel wie heute, hier ist Print absolut „in“.
Nicht mehr ganz so sexy sind die klassischen Tageszeitungen,
die schwer unter der gewollten Oberflächlichkeit der Rezipienten
zu leiden haben. Sie haben zum großen Teil die Chancen,
welche die Digitalisierung bietet, verschlafen und schlimmer
noch: Viele haben bis heute nicht die Notwendigkeit erkannt,
ihre Marketingbudgets umzustellen zugunsten der digitalen
Kommunikation. Sie denken immer noch analog und bilden
ihre Zeitung eins zu eins im Netz ab. Leider falsch gedacht –
und deswegen laufen die Abonnenten in Scharen davon.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
So bleibt es einer relativ kleinen Bildungselite vorbehalten, die
Chancen und Segnungen der digitalen Welt nutzbringend und
durchaus genussvoll für sich und ihre Klientel einzusetzen. Für
Unternehmen und beratende PR-Spezialisten eine Herausforderung, die allerdings auch große Chancen mit sich bringt: Dies
könnte die Zukunft der vielfach bedrohten Kommunikationsbranche sichern! Die gesellschaftliche Kommunikation entwic­k­
elt sich in Richtung Direktkommunikation, auch zwischen
Unternehmen und Kunden. Wer in der Lage ist, aufgrund seines
speziellen Wissens mit Social Media so arbeiten zu können, dass
er Produkte, Lösungen und Leistungen eines Unternehmens
authentisch, geschickt und sympathisch, ohne den Umweg über
Medien nehmen zu müssen, platzieren kann, hat die digitale
Herausforderung begriffen und wird sie souverän meistern.
Bildung als Dienstleistung – ob klassisch, breit gefächert, spezialisiert oder auch virtuell – ist der Schlüssel dazu. Das Zeitalter
der schlichten Kommunikation, der Verkürzung und Verflachung
von Inhalten macht es uns einfach, die Stromschnellen des
Mainstreams zu umschiffen. Das ist das erfreuliche Erbe der
analogen Welt.
AUTOR
Dr. Reinhard Schwarz
Jahrgang 1952, hat nach seinem Studium der Germanistik,
Geschichte und einem Aufbaustudium der Kommunikations­
wissenschaften und Journalistik an den Universitäten
Tübingen und Stuttgart-Hohenheim zunächst mehrere
Jahre als freier Journalist und Autor gearbeitet. Seit 1987
ist er Inhaber und Geschäftsführer der Inforce GmbH,
Agentur für Public Relations und Fachpresse­
arbeit in
Bielefeld. Als Kommunikationsexperte berät er Mittelständler und Großunternehmen aller Branchen sowie
Bildungseinrichtungen. Sein besonderer Fokus gilt dem
Wissenschaftsjournalismus mit Spezialgebieten wie Wirtschaftswissenschaften, IT/TK und medizinische Grund­
lagenforschung/Pharmaforschung.
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
Was erwarten Kunden an digitalen
Wie schaffen es Unternehmen zur
#Kontaktpunkten?
#DigitalCustomerExcellence?
Wie sieht die
#DigitaleKundenreise aus?
Antworten gibt eine Studie der
FOM Hochschule Köln
und Detecon.
Die Studie steht hier zum Download bereit:
www.detecon.com/de/Publikationen/digital-customer-excellence
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Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
www.detecon.com
www.detecon.de
Detecon ist die Heimat für Beraterinnen
und Berater, die über den Tellerrand
hinausschauen. Tunnelblick oder gar
Karriere-Egoismus helfen nicht, den
digitalen Wandel für alle Industrie- und
Dienstleistungssektoren global zu
gestalten. Unsere Kultur gibt Freiheiten,
Möglichkeiten und auch Zeit, sich voll
zu entfalten und ein echter DeteconConsultant zu werden. Das gilt für die
Arbeit an allen Firmenstandorten
weltweit, genauso wie für das Leben zu
Hause. Neugierig? Wir freuen uns auf
Deine Bewerbung.
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Detecon Management Report DMR • Special 2015
Wanted:
Digital Minds

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