Pflege und Betreuung von Demenzkranken
Transcrição
Pflege und Betreuung von Demenzkranken
Pflege und Betreuung von Demenzkranken Orientierungshilfe für Angehörige bei der Entscheidung über die Betreuung von an Demenz erkrankten Angehörigen* Die Entscheidung, ob man für eine an Demenz erkrankte Person die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung oder einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in Erwägung ziehen sollte oder ob die Pflege und Betreuung zu Hause weiterhin möglich und sinnvoll ist, fällt vielen Angehörigen sehr schwer. Jede Familie hat in dieser Situation ihre eigenen Einstellungen, Bedürfnisse und Grenzen, die mit bedacht werden müssen. Die folgenden Informationen sollen Ihnen bei Ihrer Entscheidung als Orientierungshilfe dienen. 1. Was sollten Sie über die Betreuung bei an Demenz erkrankten Angehörigen wissen? Demenz gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter und umschreibt einen Abbau des Gedächtnisses sowie geistiger, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Das Ausmaß an Pflege und Hilfe, die eine an Demenz erkrankte Person braucht, erhöht sich mit dem Fortschreiten der Erkrankung: Alltägliche Tätigkeiten wie das Essen, Anziehen, Baden, Gehen oder die Toilettennutzung werden für die Erkrankten zunehmend schwieriger oder sind gar nicht mehr eigenständig zu bewältigen. Daneben kann es der erkrankten Person immer schwerer fallen, ihre Anliegen, Wünsche und Beschwerden zu äußern. Auch können krankheitsbedingte Orientierungsstörungen und Verhaltensänderungen auftreten, die eine ständige Betreuung oder Beaufsichtigung erforderlich machen. Insbesondere wenn sich Aggressionen entwickeln, stellt dies pflegende Angehörige vor eine große Herausforderung – körperlich und seelisch. * Die hier dargestellten Inhalte wurden von ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Universitätskliniken Freiburg und Hamburg-Eppendorf im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes zusammengestellt. Es liegen keine Interessenkonflikte vor. 1/7 Stand März 2010 Im Rahmen der Erkrankung treten meist deutliche Gedächtnisdefizite auf. Zudem kann der erkrankten Person zunehmend weniger bewusst sein, wer Sie sind, wer sie selber ist und wo sie sich befindet. Solche Situationen und Umstände können die Pflege und Betreuung zu Hause zusätzlich erschweren. 2. Welche Möglichkeiten der Betreuung und Pflege gibt es? Die Pflege zu Hause erfordert viel Zeit und Geduld und geht meist mit erheblichen persönlichen Einschränkungen einher. Wenn die Belastung überhand nimmt, haben Sie die Wahl zwischen ambulanten und stationären Angeboten: 1. Sie können Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige ambulant zu Hause pflegen und zu Ihrer Entlastung zeitweise oder regelmäßig ambulante Pflegedienste oder andere Helfer (z.B. Mobile Soziale Dienste, Nachbarschaftshilfe) in Anspruch nehmen oder die erkrankte Person tag- oder nachtweise in einer teilstationären Pflegeeinrichtung versorgen lassen. 2. Sie können die erkrankte Person stationär in einer Pflegeeinrichtung oder in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft unterbringen. Die Entscheidung darüber, welche Möglichkeit für Sie und die erkrankte Person die beste ist, sollte sowohl die medizinischen Fakten und Notwendigkeiten als auch Ihre persönlichen Gefühle und Bedürfnisse berücksichtigen. Es gibt verschiedene Arten von Pflegeeinrichtungen, die unterschiedliche Angebote zu Grundpflege, Behandlungspflege und Betreuung bereitstellen. Diese Einrichtungen werden von unterschiedlichen öffentlichen, privaten, kirchlichen oder gemeinnützigen Trägern geführt. Für die Pflege oder Betreuung einer an Demenz erkrankten Person kommen, teilweise mit Einschränkungen, verschiedene Wohnformen wie Betreutes Wohnen, Wohnstifte, Altenheime, Pflegeheime oder spezielle Wohngruppen für Menschen mit Demenz in Frage. Es besteht aber auch die Möglichkeit, bei der Pflege zu Hause ambulante Pflegedienste mit einzubeziehen oder die Betreuung in einer Tages- oder Nachtpflege in Anspruch zu nehmen. 2/7 Stand März 2010 Unterscheidungsmerkmale der genannten Möglichkeiten sind vor allem die Intensität, die Ausgestaltung und die Kosten der Pflege- und Betreuungsleistungen. Ein wichtiger erster Schritt bei der Auswahl einer passenden Einrichtung ist es deshalb, sich darüber klar zu werden, welcher Bedarf an Pflege, sozialer Betreuung oder Beaufsichtigung für die erkrankte Person besteht. Hierbei sollten immer auch die individuelle Situation sowie persönliche Gefühle und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Im Folgenden werden die Wahlmöglichkeiten näher vorgestellt: Betreutes Wohnen, Wohnstifte und Altenheime Diese Wohnformen erlauben in unterschiedlichen Abstufungen eine weiterhin selbstständige Lebensführung bei gleichzeitiger Bereitstellung bestimmter Leistungen, z.B. in Form von hauswirtschaftlicher Unterstützung oder Sozialberatung. • Das Wohnen in einer betreuten Wohnanlage ist für ältere Menschen konzipiert, denen eine weitgehend selbstständige und eigenverantwortliche Lebensführung wichtig ist. In der Regel sind die Wohnungen im Apartmentstil behindertengerecht ausgestattet. Grundleistungen wie Notrufanlage, Beratungs- und Begegnungsangebote sowie Zusatzleistungen wie Mittagstisch, hauswirtschaftliche Hilfe und Hausmeisterdienste ermöglichen individuelle Unterstützung. Pflegeleistungen sind nicht im Mietpreis inbegriffen und müssen separat bezogen werden; manchmal steht hierfür ein hauseigener Pflegedienst zur Verfügung. • Wohnstifte unterscheiden sich vom Betreuten Wohnen im Wesentlichen durch erhöhte Serviceleistungen, die durch hauseigene Dienste erbracht werden. Im Pensionspreis sind u.a. Miet- und Nebenkosten, das Mittagessen und die Reinigung des Apartments enthalten. • Das klassische Altenheim (eine Wohnform, die heute nur noch vereinzelt zu finden ist) bietet ein selbst zu möblierendes Zimmer, Vollverpflegung, hauswirtschaftliche Versorgung, leichte bzw. vorübergehende Pflege und Rufbereitschaft im Haus. Andere Alltagsangelegenheiten regeln die Bewohner und Bewohnerinnen selbst. 3/7 Stand März 2010 Erwägt man einen Umzug in eine der genannten Wohnformen, sollte man Vorteile (z.B. barrierefreies Wohnen und Aufzug) und zu erwartende Nachteile (z.B. Verlust von vertrauten Gewohnheiten und verstärkte Orientierungsschwierigkeiten in der neuen Umgebung) sorgfältig bedenken. Es sollte auch unbedingt beachtet werden, dass beim Fortschreiten der Erkrankung ein erneuter Umzug sehr wahrscheinlich notwendig werden wird. Die Unterbringung einer an Demenz erkrankten Person in einer Wohnform, die von den Bewohnern und Bewohnerinnen ein gewisses Maß an Selbständigkeit verlangt, ist aus den oben genannten Gründen in vielen Fällen keine langfristig sinnvolle Entscheidung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Demenz bereits fortgeschritten ist. Der Umzug in eine betreute Wohnanlage oder ein Wohnstift in Begleitung des oder der nicht-demenzerkrankten Angehörigen kann hingegen aufgrund der Zugänglichkeit der verschiedenen Leistungen „direkt vor Ort“ eine große Entlastung bedeuten, die es z.B. einem betagten Ehepaar ermöglicht, möglichst lange und möglichst eigenständig zusammen zu wohnen. Pflegeheim Ein Pflegeheim ist eine stationäre Einrichtung und bietet daher neben Unterkunft und Verpflegung eine umfassende Grund- und Behandlungspflege für alte, kranke, behinderte und/ oder pflegebedürftige Menschen. Häufig gibt es daneben auch unterschiedliche Angebote an Einzel- und Gruppenaktivitäten, wie z.B. Gymnastik oder Spaziergänge. Der persönliche Wohnbereich kann in der Regel mit vertrauten Möbeln und Alltagsgegenständen ausgestattet werden. Manche Pflegeheime bieten spezielle Wohngruppen für Menschen mit Demenz an, in denen mehrere Bewohner und Bewohnerinnen (8-12) in einer Gemeinschaft zusammenleben. Ambulant betreute Wohngemeinschaft Diese idealerweise wohnortnahe Wohnform ist meist in geeigneten Wohnungen oder Häusern untergebracht und zeichnet sich durch rund um die Uhr anwesende Alltagsbegleiter und -begleiterinnen aus. Das alltägliche Zusammenleben in einer vertrauten familiären Gemeinschaft soll den Bewohnern und Bewohnerinnen das Gefühl von „Normalität“ vermitteln und sie dazu anregen, mit anderen in Kontakt zu treten und verbliebenen Interessen und Gewohnheiten nachzugehen. Die pflegerische Grundversorgung erfolgt in diesen Projekten in der Regel durch ambulante Pflegedienste. 4/7 Stand März 2010 Teilstationäre Tages- oder Nachtpflege Es gibt auch Pflegeeinrichtungen, die für Demenzerkrankte die teilstationäre Möglichkeit der Tagespflege bieten. Dabei erfahren die Erkrankten stundenweise oder über den Tag hinweg die notwendige Begleitung und Betreuung, während sie die restliche Zeit in der vertrauten Umgebung zu Hause verbringen. Meist wird in der Tagespflege ein strukturierter Ablauf mit Verpflegung und geselligen Aktivitäten unter Berücksichtigung individueller Bedürfnisse angeboten. Neben der Tagespflege existiert auch die Nachtpflege. Hier verbringen die Erkrankten die Nacht in einer Pflegeeinrichtung, wodurch eine pflegerisch qualifizierte Nachtwache gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme der Tages- oder Nachtpflege ermöglicht es alleinstehenden Demenzerkrankten, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu bleiben und trägt zur Entlastung der pflegenden Angehörigen bei, sodass diese sich anderen, z.B. beruflichen oder familiären Aufgaben und Aktivitäten, widmen können. Ambulante Hilfen Wer sich für eine möglichst lange Pflege zu Hause entscheidet, um dem Bedürfnis der erkrankten Person nach einer vertrauten Umgebung nachzukommen, hat die Möglichkeit, ambulante Hilfen („Hilfen, die ins Haus kommen“) in Anspruch zu nehmen. Der größte Anteil der Pflege, Betreuung und Beaufsichtigung im Alltag wird in diesem Fall weiterhin durch pflegende Angehörige geleistet. Ambulante Pflegedienste können zur zeitweisen oder regelmäßigen Unterstützung bei der Haushaltsführung, der Essenszubereitung oder der Körperpflege engagiert werden. Die über einen ambulanten Pflegedienst vermittelten Pflegefachkräfte können auch Aufgaben der Behandlungspflege übernehmen, z.B. Medikamentengabe, Verbandswechsel oder die Verabreichung von Spritzen. Auch Mobile Soziale Dienste oder die Nachbarschaftshilfe können zur hauswirtschaftlichen Mithilfe, zur Essenszubereitung, für Nachtwachen oder Fahrdienste herangezogen werden. Professionelle Hilfe für eine häusliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch einen Pflegedienst zu engagieren, wäre eine weitere, wenn auch sehr teure Option. Für Verhinderungsfälle (z.B. Krankheit, Unfall, Urlaub des Pflegenden) gibt es die Möglichkeit, über einen ambulanten Pflegedienst eine Pflegevertretung zu organisieren oder die pflegebedürftige Person für einen vereinbarten Zeitraum in einer stationären Kurzzeitpflege unterzubringen. 5/7 Stand März 2010 Mögliche Gründe, den Angehörigen oder die Angehörige in einem Pflegeheim unterzubringen Mögliche Gründe, den Angehörigen oder die Angehörige zu Hause zu pflegen Stabilität bewahren Überforderung Die pflegerische Belastung ist so groß, dass Sie Sie befürchten, dass sich der Zustand der erkrankten Person in einem Pflegeheim ohne zusätzliche Hilfe nicht mehr zurechtkommen schneller verschlechtern könnte als in verund ambulante Hilfsangebote nicht ausreichen. trauter Umgebung. Das Verhalten der erkrankten Person ist ausgeprägt herausfordernd, aggressiv oder belastend für Sie Sie verspüren Schuld- oder Angstgefühle beim Gedanken, die erkrankte Person in eigeworden. nem Pflegeheim unterzubringen, weil sie sich Sie sind körperlich oder seelisch nicht (mehr) in der „im Stich gelassen“ fühlen würde. Lage, die erkrankte Person zu pflegen, zu betreuen oder zu beaufsichtigen. Wegen des zunehmenden Pflegeaufwands müssten Lage, Kosten, Verfügbarkeit Sie Ihre Berufstätigkeit und Lebensplanung stark Die Wunscheinrichtung hat eine lange Warteeinschränken. liste. Es gibt kein wohnortsnahes Pflegeheim, das Ihren Ansprüchen gerecht wird, sodass Sie Räumlichkeiten und Infrastruktur befürchten, die erkrankte Person nicht oft ge Zu Hause gibt es keinen gesicherten Bereich, in nug besuchen zu können. dem sich die erkrankte Person unbeaufsichtigt be Der Eigenanteil an monatlichen Kosten überwegen kann. steigt das Budget des/der Erkrankten. Die erkrankte Person findet sich in der eigenen Wohnung nicht mehr zurecht, sodass es zu Gefahrensituationen kommt, z.B. nachts. Persönliche Ansprache Es gibt zu Hause keine zusätzlichen Räumlichkeiten, Sie befürchten, dass die erkrankte Person in falls eine Rundum-Versorgung durch Pflegekräfte einem Pflegeheim weniger individuelle Aufnötig wird. merksamkeit bekommen wird als zu Hause. Durch eine isolierte Wohnlage kann die erkrankte Sie sind besorgt, dass Interessen, GewohnPerson nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen, heiten, Vorlieben oder Abneigungen der erobwohl sie dies gern täte (z.B. Cafébesuche). krankten Person zu wenig Berücksichtigung finden. Sicherheit und Struktur Sie glauben, dass ein Pflegeheim eine sicherere, besser strukturierte und besser kontrollierte Situation für die erkrankte Person bieten kann. Die erkrankte Person hat weitere medizinische Probleme, die eine ständige professionelle Versorgung nötig machen. Aktivierung und Ansprache Sie glauben, dass das professionelle und vielfältige Angebot in einem Pflegeheim besser dazu geeignet ist, die erkrankte Person sozial zu integrieren und zu aktivieren, als es zu Hause möglich ist. Die erkrankte Persion kommt zu Hause zwar noch alleine zurecht, hat aber kaum noch soziale Kontakte. Vielleicht gibt es noch weitere Gründe, weshalb Sie Vielleicht gibt es noch weitere Gründe, weshalb es in Erwägung ziehen, Ihren Angehörigen oder Ihre Sie es vorziehen, Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige in einem Pflegeheim unterzubringen? Angehörige zu Hause zu pflegen? 6/7 Stand März 2010 Falls Sie weitere Fragen zum Wohnen im Pflegeheim oder in einer anderen Wohnform oder zur Inanspruchnahme von „Hilfen, die ins Haus kommen“ haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt bzw. Ihre Ärztin oder eine örtliche Seniorenberatungsstelle. Diese können Sie mit Informationen zu regionalen Angeboten, Listen von Pflegeheimen in Ihrer Nähe und Informationen zur Pflegefinanzierung versorgen. 7/7 Stand März 2010