Pflege und Betreuung von Demenzkranken

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Pflege und Betreuung von Demenzkranken
Pflege und Betreuung von Demenzkranken
Orientierungshilfe für Angehörige bei der Entscheidung über die
Betreuung von an Demenz erkrankten Angehörigen*
Die Entscheidung, ob man für eine an Demenz erkrankte Person die Unterbringung in einer
Pflegeeinrichtung oder einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in Erwägung ziehen sollte
oder ob die Pflege und Betreuung zu Hause weiterhin möglich und sinnvoll ist, fällt vielen Angehörigen sehr schwer. Jede Familie hat in dieser Situation ihre eigenen Einstellungen, Bedürfnisse und Grenzen, die mit bedacht werden müssen. Die folgenden Informationen sollen Ihnen bei
Ihrer Entscheidung als Orientierungshilfe dienen.
1.
Was sollten Sie über die Betreuung bei an Demenz erkrankten Angehörigen
wissen?
Demenz gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter und umschreibt einen
Abbau des Gedächtnisses sowie geistiger, emotionaler und sozialer Fähigkeiten.
Das Ausmaß an Pflege und Hilfe, die eine an Demenz erkrankte Person braucht,
erhöht sich mit dem Fortschreiten der Erkrankung: Alltägliche Tätigkeiten wie das
Essen, Anziehen, Baden, Gehen oder die Toilettennutzung werden für die Erkrankten zunehmend schwieriger oder sind gar nicht mehr eigenständig zu bewältigen.
Daneben kann es der erkrankten Person immer schwerer fallen, ihre Anliegen,
Wünsche und Beschwerden zu äußern. Auch können krankheitsbedingte Orientierungsstörungen und Verhaltensänderungen auftreten, die eine ständige Betreuung
oder Beaufsichtigung erforderlich machen. Insbesondere wenn sich Aggressionen
entwickeln, stellt dies pflegende Angehörige vor eine große Herausforderung –
körperlich und seelisch.
* Die hier dargestellten Inhalte wurden von ärztlichen und psychologischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der
Universitätskliniken Freiburg und Hamburg-Eppendorf im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes zusammengestellt. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
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Im Rahmen der Erkrankung treten meist deutliche Gedächtnisdefizite auf. Zudem
kann der erkrankten Person zunehmend weniger bewusst sein, wer Sie sind, wer
sie selber ist und wo sie sich befindet. Solche Situationen und Umstände können
die Pflege und Betreuung zu Hause zusätzlich erschweren.
2.
Welche Möglichkeiten der Betreuung und Pflege gibt es?
Die Pflege zu Hause erfordert viel Zeit und Geduld und geht meist mit erheblichen
persönlichen Einschränkungen einher. Wenn die Belastung überhand nimmt, haben Sie die Wahl zwischen ambulanten und stationären Angeboten:
1. Sie können Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige ambulant zu Hause pflegen und zu Ihrer Entlastung zeitweise oder regelmäßig ambulante Pflegedienste oder andere Helfer (z.B. Mobile Soziale Dienste, Nachbarschaftshilfe) in Anspruch nehmen oder die erkrankte Person tag- oder nachtweise in einer teilstationären Pflegeeinrichtung versorgen lassen.
2. Sie können die erkrankte Person stationär in einer Pflegeeinrichtung oder in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft unterbringen.
Die Entscheidung darüber, welche Möglichkeit für Sie und die erkrankte Person die
beste ist, sollte sowohl die medizinischen Fakten und Notwendigkeiten als auch Ihre persönlichen Gefühle und Bedürfnisse berücksichtigen.
Es gibt verschiedene Arten von Pflegeeinrichtungen, die unterschiedliche Angebote zu Grundpflege, Behandlungspflege und Betreuung bereitstellen. Diese Einrichtungen werden von unterschiedlichen öffentlichen, privaten, kirchlichen oder gemeinnützigen Trägern geführt.
Für die Pflege oder Betreuung einer an Demenz erkrankten Person kommen, teilweise mit Einschränkungen, verschiedene Wohnformen wie Betreutes Wohnen,
Wohnstifte, Altenheime, Pflegeheime oder spezielle Wohngruppen für Menschen mit Demenz in Frage. Es besteht aber auch die Möglichkeit, bei der Pflege
zu Hause ambulante Pflegedienste mit einzubeziehen oder die Betreuung in einer Tages- oder Nachtpflege in Anspruch zu nehmen.
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Unterscheidungsmerkmale der genannten Möglichkeiten sind vor allem die Intensität, die Ausgestaltung und die Kosten der Pflege- und Betreuungsleistungen. Ein wichtiger erster Schritt bei der Auswahl einer passenden Einrichtung ist es
deshalb, sich darüber klar zu werden, welcher Bedarf an Pflege, sozialer Betreuung oder Beaufsichtigung für die erkrankte Person besteht. Hierbei sollten immer
auch die individuelle Situation sowie persönliche Gefühle und Bedürfnisse berücksichtigt werden.
Im Folgenden werden die Wahlmöglichkeiten näher vorgestellt:
Betreutes Wohnen, Wohnstifte und Altenheime
Diese Wohnformen erlauben in unterschiedlichen Abstufungen eine weiterhin
selbstständige Lebensführung bei gleichzeitiger Bereitstellung bestimmter Leistungen, z.B. in Form von hauswirtschaftlicher Unterstützung oder Sozialberatung.
•
Das Wohnen in einer betreuten Wohnanlage ist für ältere Menschen konzipiert, denen eine weitgehend selbstständige und eigenverantwortliche Lebensführung wichtig ist. In der Regel sind die Wohnungen im Apartmentstil
behindertengerecht ausgestattet. Grundleistungen wie Notrufanlage, Beratungs- und Begegnungsangebote sowie Zusatzleistungen wie Mittagstisch,
hauswirtschaftliche Hilfe und Hausmeisterdienste ermöglichen individuelle
Unterstützung. Pflegeleistungen sind nicht im Mietpreis inbegriffen und
müssen separat bezogen werden; manchmal steht hierfür ein hauseigener
Pflegedienst zur Verfügung.
•
Wohnstifte unterscheiden sich vom Betreuten Wohnen im Wesentlichen
durch erhöhte Serviceleistungen, die durch hauseigene Dienste erbracht
werden. Im Pensionspreis sind u.a. Miet- und Nebenkosten, das Mittagessen und die Reinigung des Apartments enthalten.
•
Das klassische Altenheim (eine Wohnform, die heute nur noch vereinzelt
zu finden ist) bietet ein selbst zu möblierendes Zimmer, Vollverpflegung,
hauswirtschaftliche Versorgung, leichte bzw. vorübergehende Pflege und
Rufbereitschaft im Haus. Andere Alltagsangelegenheiten regeln die Bewohner und Bewohnerinnen selbst.
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Erwägt man einen Umzug in eine der genannten Wohnformen, sollte man Vorteile
(z.B. barrierefreies Wohnen und Aufzug) und zu erwartende Nachteile (z.B. Verlust
von vertrauten Gewohnheiten und verstärkte Orientierungsschwierigkeiten in der
neuen Umgebung) sorgfältig bedenken. Es sollte auch unbedingt beachtet werden,
dass beim Fortschreiten der Erkrankung ein erneuter Umzug sehr wahrscheinlich
notwendig werden wird.
Die Unterbringung einer an Demenz erkrankten Person in einer Wohnform, die von
den Bewohnern und Bewohnerinnen ein gewisses Maß an Selbständigkeit verlangt, ist aus den oben genannten Gründen in vielen Fällen keine langfristig
sinnvolle Entscheidung. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Demenz bereits
fortgeschritten ist. Der Umzug in eine betreute Wohnanlage oder ein Wohnstift in
Begleitung des oder der nicht-demenzerkrankten Angehörigen kann hingegen aufgrund der Zugänglichkeit der verschiedenen Leistungen „direkt vor Ort“ eine große
Entlastung bedeuten, die es z.B. einem betagten Ehepaar ermöglicht, möglichst
lange und möglichst eigenständig zusammen zu wohnen.
Pflegeheim
Ein Pflegeheim ist eine stationäre Einrichtung und bietet daher neben Unterkunft
und Verpflegung eine umfassende Grund- und Behandlungspflege für alte, kranke,
behinderte und/ oder pflegebedürftige Menschen. Häufig gibt es daneben auch unterschiedliche Angebote an Einzel- und Gruppenaktivitäten, wie z.B. Gymnastik
oder Spaziergänge. Der persönliche Wohnbereich kann in der Regel mit vertrauten
Möbeln und Alltagsgegenständen ausgestattet werden. Manche Pflegeheime bieten spezielle Wohngruppen für Menschen mit Demenz an, in denen mehrere
Bewohner und Bewohnerinnen (8-12) in einer Gemeinschaft zusammenleben.
Ambulant betreute Wohngemeinschaft
Diese idealerweise wohnortnahe Wohnform ist meist in geeigneten Wohnungen
oder Häusern untergebracht und zeichnet sich durch rund um die Uhr anwesende
Alltagsbegleiter und -begleiterinnen aus. Das alltägliche Zusammenleben in einer
vertrauten familiären Gemeinschaft soll den Bewohnern und Bewohnerinnen das
Gefühl von „Normalität“ vermitteln und sie dazu anregen, mit anderen in Kontakt zu
treten und verbliebenen Interessen und Gewohnheiten nachzugehen. Die pflegerische Grundversorgung erfolgt in diesen Projekten in der Regel durch ambulante
Pflegedienste.
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Teilstationäre Tages- oder Nachtpflege
Es gibt auch Pflegeeinrichtungen, die für Demenzerkrankte die teilstationäre Möglichkeit der Tagespflege bieten. Dabei erfahren die Erkrankten stundenweise oder
über den Tag hinweg die notwendige Begleitung und Betreuung, während sie die
restliche Zeit in der vertrauten Umgebung zu Hause verbringen. Meist wird in der
Tagespflege ein strukturierter Ablauf mit Verpflegung und geselligen Aktivitäten unter Berücksichtigung individueller Bedürfnisse angeboten. Neben der Tagespflege
existiert auch die Nachtpflege. Hier verbringen die Erkrankten die Nacht in einer
Pflegeeinrichtung, wodurch eine pflegerisch qualifizierte Nachtwache gewährleistet
ist. Die Inanspruchnahme der Tages- oder Nachtpflege ermöglicht es alleinstehenden Demenzerkrankten, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu bleiben und
trägt zur Entlastung der pflegenden Angehörigen bei, sodass diese sich anderen,
z.B. beruflichen oder familiären Aufgaben und Aktivitäten, widmen können.
Ambulante Hilfen
Wer sich für eine möglichst lange Pflege zu Hause entscheidet, um dem Bedürfnis
der erkrankten Person nach einer vertrauten Umgebung nachzukommen, hat die
Möglichkeit, ambulante Hilfen („Hilfen, die ins Haus kommen“) in Anspruch zu
nehmen. Der größte Anteil der Pflege, Betreuung und Beaufsichtigung im Alltag
wird in diesem Fall weiterhin durch pflegende Angehörige geleistet. Ambulante
Pflegedienste können zur zeitweisen oder regelmäßigen Unterstützung bei der
Haushaltsführung, der Essenszubereitung oder der Körperpflege engagiert werden. Die über einen ambulanten Pflegedienst vermittelten Pflegefachkräfte können
auch Aufgaben der Behandlungspflege übernehmen, z.B. Medikamentengabe,
Verbandswechsel oder die Verabreichung von Spritzen. Auch Mobile Soziale
Dienste oder die Nachbarschaftshilfe können zur hauswirtschaftlichen Mithilfe,
zur Essenszubereitung, für Nachtwachen oder Fahrdienste herangezogen werden.
Professionelle Hilfe für eine häusliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch einen
Pflegedienst zu engagieren, wäre eine weitere, wenn auch sehr teure Option.
Für Verhinderungsfälle (z.B. Krankheit, Unfall, Urlaub des Pflegenden) gibt es die
Möglichkeit, über einen ambulanten Pflegedienst eine Pflegevertretung zu organisieren oder die pflegebedürftige Person für einen vereinbarten Zeitraum in einer
stationären Kurzzeitpflege unterzubringen.
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Mögliche Gründe, den Angehörigen oder die Angehörige in einem Pflegeheim unterzubringen
Mögliche Gründe, den Angehörigen oder die
Angehörige zu Hause zu pflegen
Stabilität bewahren
Überforderung
ƒ Die pflegerische Belastung ist so groß, dass Sie ƒ Sie befürchten, dass sich der Zustand der
erkrankten Person in einem Pflegeheim
ohne zusätzliche Hilfe nicht mehr zurechtkommen
schneller verschlechtern könnte als in verund ambulante Hilfsangebote nicht ausreichen.
trauter Umgebung.
ƒ Das Verhalten der erkrankten Person ist ausgeprägt
herausfordernd, aggressiv oder belastend für Sie ƒ Sie verspüren Schuld- oder Angstgefühle
beim Gedanken, die erkrankte Person in eigeworden.
nem Pflegeheim unterzubringen, weil sie sich
ƒ Sie sind körperlich oder seelisch nicht (mehr) in der
„im Stich gelassen“ fühlen würde.
Lage, die erkrankte Person zu pflegen, zu betreuen
oder zu beaufsichtigen.
ƒ Wegen des zunehmenden Pflegeaufwands müssten Lage, Kosten, Verfügbarkeit
Sie Ihre Berufstätigkeit und Lebensplanung stark ƒ Die Wunscheinrichtung hat eine lange Warteeinschränken.
liste.
ƒ Es gibt kein wohnortsnahes Pflegeheim, das
Ihren Ansprüchen gerecht wird, sodass Sie
Räumlichkeiten und Infrastruktur
befürchten, die erkrankte Person nicht oft geƒ Zu Hause gibt es keinen gesicherten Bereich, in
nug besuchen zu können.
dem sich die erkrankte Person unbeaufsichtigt beƒ Der Eigenanteil an monatlichen Kosten überwegen kann.
steigt das Budget des/der Erkrankten.
ƒ Die erkrankte Person findet sich in der eigenen
Wohnung nicht mehr zurecht, sodass es zu Gefahrensituationen kommt, z.B. nachts.
Persönliche Ansprache
ƒ Es gibt zu Hause keine zusätzlichen Räumlichkeiten, ƒ Sie befürchten, dass die erkrankte Person in
falls eine Rundum-Versorgung durch Pflegekräfte
einem Pflegeheim weniger individuelle Aufnötig wird.
merksamkeit bekommen wird als zu Hause.
ƒ Durch eine isolierte Wohnlage kann die erkrankte ƒ Sie sind besorgt, dass Interessen, GewohnPerson nicht mehr am sozialen Leben teilnehmen,
heiten, Vorlieben oder Abneigungen der erobwohl sie dies gern täte (z.B. Cafébesuche).
krankten Person zu wenig Berücksichtigung
finden.
Sicherheit und Struktur
ƒ Sie glauben, dass ein Pflegeheim eine sicherere,
besser strukturierte und besser kontrollierte Situation
für die erkrankte Person bieten kann.
ƒ Die erkrankte Person hat weitere medizinische Probleme, die eine ständige professionelle Versorgung
nötig machen.
Aktivierung und Ansprache
ƒ Sie glauben, dass das professionelle und vielfältige
Angebot in einem Pflegeheim besser dazu geeignet
ist, die erkrankte Person sozial zu integrieren und zu
aktivieren, als es zu Hause möglich ist.
ƒ Die erkrankte Persion kommt zu Hause zwar noch
alleine zurecht, hat aber kaum noch soziale Kontakte.
Vielleicht gibt es noch weitere Gründe, weshalb Sie Vielleicht gibt es noch weitere Gründe, weshalb
es in Erwägung ziehen, Ihren Angehörigen oder Ihre Sie es vorziehen, Ihren Angehörigen oder Ihre
Angehörige in einem Pflegeheim unterzubringen?
Angehörige zu Hause zu pflegen?
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Falls Sie weitere Fragen zum Wohnen im Pflegeheim oder in einer anderen Wohnform oder zur
Inanspruchnahme von „Hilfen, die ins Haus kommen“ haben, wenden Sie sich bitte an Ihren
Arzt bzw. Ihre Ärztin oder eine örtliche Seniorenberatungsstelle. Diese können Sie mit Informationen zu regionalen Angeboten, Listen von Pflegeheimen in Ihrer Nähe und Informationen zur
Pflegefinanzierung versorgen.
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