Zitierhinweis copyright Koller, Christian: Rezension über: Alexa

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Zitierhinweis copyright Koller, Christian: Rezension über: Alexa
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Koller, Christian: Rezension über: Alexa Geisthövel, Intelligenz und
Rasse. Franz Boas’ psychologischer Antirassismus zwischen
Amerika und Deutschland, 1920–1942, Bielefeld: transcript, 2013,
in: Neue Politische Literatur, 59 (2014), 1, S. 145-146,
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Einzelrezensionen
(S. 165), dessen Spuren in vielen europäischen
Staaten sichtbar wurden, lässt sich auch als Antwort auf einen „lokalen Modernisierungsdruck“
interpretieren (S. 166).
Für die Verbreitung der Elektrokrampftherapie und ihres technischen Apparates in Europa
spielten die Wege der Emigration des Berliner
Nervenarztes und späteren New Yorker Professors für Psychiatrie Lothar B. Kalinowsky an den
verschiedenen Stationen seiner Emigration in Europa, eine entscheidende Rolle (Lara Rzesnitzek).
Seine Versuche auch die Patentrechte am Elektrokrampftherapiegerät, dem „Konvulsator“, zu
sichern, scheiterten allerdings. Die Siemens-Reiniger Werke bauten ein leicht verändertes Modell nach, das trotz „drastischer“ Sparpolitik des
NS-Staates weite Verbreitung in deutschen Anstalten fand und zudem exportiert wurde (Sascha
Lang).
Der Tagungsband ermöglicht einen ausgezeichneten Einblick in die Durchsetzung der
Therapien in verschiedenen europäischen Staaten, sowie in die Rolle der vielfältigen, meist informellen Netzwerke zwischen Psychiatern und
Institutionen. Die Bezeichnung „Heroische Therapie“ bleibt allerdings unkommentiert. Die einleitend von den Herausgebern gestellte Frage,
ob die somatischen Therapien in Deutschland in
besonders radikaler Form „ohne Rücksicht auf
die Belange der Patienten“ ausgeführt wurden
(S. 17), ist wohl schwer zu beantworten. Zwar
scheinen die Psychiater anderer Länder geringere Erwartungen an die Therapien zu knüpfen;
zudem lässt sich in Deutschland eine Kontinuität
zwischen der Einstellung zu Schocktherapien im
Ersten Weltkrieg und der NS-Zeit feststellen. Die
Einführung der somatischen Therapien erfolgt
aber in Deutschland – und nur dort – unter den
Bedingungen einer Einpassung in die NS-‚Erbgesundheitspolitik‘, die die Rechte der Patienten
missachtete. Beides ist kaum trennbar. Weiterführen könnte hier allenfalls eine Untersuchung
über eine allfällige Beziehung zwischen Sterilisationspolitik und somatischen Therapien in anderen
Ländern – etwa Dänemark oder der Schweiz. Die
entsprechenden Artikel gehen allerdings anderen
Fragestellungen nach.
Die Artikel sind in sich geschlossen und meist
nicht direkt vergleichend angelegt. Die äußerst
anregende Einleitung der Herausgeber fasst nicht
nur die Ergebnisse differenziert zusammen, sondern schafft zudem Grundlagen für einen weiterführenden Vergleich.
Basel
Regina Wecker
Boasianische Testpsychologie
Geisthövel, Alexa: Intelligenz und Rasse. Franz
Boas’ psychologischer Antirassismus zwischen Amerika und Deutschland, 1920–1942,
330 S., transcript, Bielefeld 2013.
Die Person Franz Boas’ ist als antirassistische
Lichtgestalt im Zeitalter von Kolonialimperialismus, Segregation, wissenschaftlichem Rassismus und Nationalsozialismus bereits Gegenstand
zahlreicher Untersuchungen gewesen. Während
diese sich zumeist auf Boas als antirassistischen
Kulturanthropologen konzentriert haben, versucht
das anzuzeigende Buch, die testpsychologischen
Arbeiten des deutsch-amerikanischen Gelehrten
und seiner Schule erstmals umfassend zu untersuchen und insbesondere auch deren transatlantische Dimensionen zu beleuchten. Die
Untersuchung stützt sich dabei auf einen umfangreichen Quellenkorpus, der nebst wissenschaftlichen Publikationen auch Archivalien, wie etwa
Gelehrtenkorrespondenz, umfasst.
Hatte sich Boas vor dem Ersten Weltkrieg
durch seine kulturanthropologischen, linguistischen und anthropometrischen Arbeiten als
führender Gegenspieler des wissenschaftlichen
Rassismus in den USA etabliert, so stellte der
Aufschwung der mental-testing-Bewegung in
der Zwischenkriegszeit für ihn und seine Schüler
eine neue Herausforderung dar: Die von rassistischen Prämissen ausgehende Psychometrie, die
auf empirisch-quantitativem Weg die intellektuelle Höherwertigkeit der „nordischen“ Amerikaner
nachzuweisen versuchte, bewirkte eine disziplinäre Verlagerung in ein von den Boasianern bislang kaum beackertes Feld. Dies zwang Boas,
nachdem seine zunächst geäußerte Kritik an der
kulturellen Prägung der Intelligenztests wenig
bewirkte hatte, zum eigenen Einstieg in das Feld
der Testpsychologie und mithin zum Rückgriff auf
die Methoden seiner Gegner. Der boasianischen
Psychometrie gelang es dabei, „produktive Unruhe in Fragen der Rassenintelligenz zu stiften“
(S. 242), allerdings konnte sie die intellektuelle
Gleichbegabtheit der „Rassen“ experimentell nicht
positiv nachweisen und konzentrierte sich darauf,
von den Gegnern den gegenläufigen Nachweis
einzufordern.
Nachdem der erste Teil des Buches diese
amerikanischen Entwicklungen bis in ihre disziplinären, methodischen, wissenschaftspolitischen
und nepotistischen Verästelungen rekonstruiert
hat, wendet sich die Verfasserin im zweiten Teil
den transatlantischen Dimensionen des Themas
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– konkret: der Rezeption der boasianischen Testpsychologie in Deutschland – zu. Grundsätzlich
war Boas in der deutschen Wissenschaftsszene
gut vernetzt, hatte er sich doch nach dem Ersten
Weltkrieg sehr intensiv für die Wiederaufnahme
amerikanisch-deutscher Wissenschaftskontakte
und die Beschaffung von amerikanischen Mitteln
für finanziell darniederliegende deutsche Forschungsinstitutionen, Periodika und Bibliotheken
eingesetzt. Trotz seiner zahlreichen und durchaus
auch intensiv gepflegten Kontakte über den Atlantik wurden die testpsychologischen Arbeiten seiner
Schule in Deutschland indessen relativ schwach
zur Kenntnis genommen. Dies lag wesentlich in
unterschiedlichen Zugängen des psychologisch
argumentierenden wissenschaftlichen Rassismus
diesseits und jenseits des Atlantiks begründet:
Während die amerikanische Rassenpsychologie
Intelligenz als messbar betrachtete, dominierte in
Deutschland die primär antisemitisch motivierte
Rassenhermeneutik; die ganzheitliche, intuitive
„Schau“, die nicht graduelle Intelligenzunterschiede, sondern fundamentale charakterliche Differenzen zwischen menschlichen „Rassen“ aufzuzeigen
versuchte. Die Frontstellung der boasianischen
Psychometrie gegen den amerikanischen „Quantitätsrassismus“ lief in Bezug auf den deutschen
„Qualitätsrassismus“ damit gleichsam ins Leere.
Um letzteren zu begreifen und ihn wirkungsvoll
kritisieren zu können, hätte Boas sich ihm, wie die
Autorin als eine Schlussfolgerung festhält, stärker
als Kulturanthropologe nähern sollen.
Insgesamt hat Alexa Geisthövel eine wertvolle Studie vorgelegt, die mit umfassender Quellenkenntnis und frei von unnötigem Jargon erstmals
die Entwicklung der boasianischen Testpsychologie in ihren wesentlichen Kontexten ausleuchtet.
Wenn auch gewisse Ausführungen zu einzelnen
Forschungsprojekten im Sinne einer flüssigeren Lesbarkeit etwas gestrafft hätten werden
können, leistet die Studie ohne jeden Zweifel
einen wichtigen und interessanten Beitrag zur
Geschichte von wissenschaftlichem Rassismus
und Antirassismus und ihrer wechselseitigen
Bedingtheiten.
Zürich
Christian Koller
Women’s Sport Participation
Skillen, Fiona: Women, Sport and Modernity in
Interwar Britain, 270 pp., Lang, Frankfurt a. M.
u. a. 2013.
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Studies on the history of women’s sport participation have significantly increased in the last
decades and led to numerous publications on the
topic. So is this yet another publication on the
national history of women and sport? Fiona Skillen’s book generally deals with “women, sport and
modernity” in Great Britain during the inter-war
period (1919–1938). It is based on the author’s
PhD dissertation and edited by Richard Holt and
Matthew Taylor for their series “Sport, History and
Culture”. However, the author has researched
more than just the increasing level of women’s
participation in sport. She directs her research
focus on the broad, not only the formalised, experiences women made in the chosen time period.
“‘Women, Sport and Modernity’ explores the
ways in which women chose to incorporate physical activity within their lives and in doing so seeks
to understand the ways sport could be used by
women not just as a form of physical recreation
but also as a form of social interaction” (p. 11).
In five equally balanced chapters, Skillen concentrates on different accesses for women to sport in
Britain: physical education in schools (chapter 1),
forms of organised sport (chapter 2), sports facilities (chapter 3), workplaces (chapter 4) and
modernity (chapter 5). While researching these
different thematic aspects, the author does not
stop short of focusing on women of different
class, age, occupation, marital background and
geographical location. She manages to intertwine
elements of a local case study with national aspects. Women’s sport development is on the one
hand described as a phenomenon and its growth
is quantified by using the examples of key sports
like tennis, golf and hockey; on the other hand
also the reasons behind those changes are detected, proving that sport was for women most of
all an important means of socialisation.
Methodologically the study is based on diverse
archival sources embracing “newspapers, magazines, club minutes, local and national government
papers and council reports” (p. 12). The archival
material is mainly taken from the National Archives of Scotland and the City Archives of Glasgow, Edinburgh and Dundee. In addition, voice
is given to a total of ten testimonies (plus three
involved in a round table). This allows drawing a
more complete picture as it not only evaluates the
sports development from an external perspective
but includes personal experiences which make
it easier understandable why women found their
way to certain sport practices, especially to those
of informal nature. The names of the participating interviewees are listed with brief biographical
l Neue Politische Literatur, Jg. 59 (2014)

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