JOSEF GABRiEL RFIEINBERGER

Transcrição

JOSEF GABRiEL RFIEINBERGER
JOSEF GABRiEL RFIEINBERGER
BRIEFE UND DOKUMENTE SEINES LEBENS
I
Herausgegeben von
Harald Wanger und Hans-Josef Irmen
PRISCA VERLAG, VADUZ
1982
© 1982 by PRISCA-VERLAG, VADUZ
(Prisca-Verlag, Vaduz, Fürst Johannesstrasse 25, FL-9494 Schaan)
Alle Rechte vorbehalten / Printed in Liechtenstein
Geburtshaus von Josef Rhcinbergcr
in Vaduz
Bleistiftzeichnung von Anton Rheinherger
Original: Familie Rhcinberger
Vorwor t
Als am 25. November 1901 in München, seiner Wahiheimat, der
Inspektor an der Akadernie der Tonkunst i.R., Geheimer Rat
Prof. Dr. Gabriel Josef Ritter von Rheinberger starb, konnten ehrendes Trauergeleit und zahireiche Nachrufe in Zeitungen und Zeitschriften nicht darüber hinwegtäuschen, dass
sich der einst berührnte und bedeutende Komponist und Lehrer selbst überlebt hatte. Es wurde, mit Ausnahme der Kirchenmusik, immer stiller urn den einst gefeierten Musiker.
Eine neue, junge Generation von Musikern drangte nach, und
die Wirren der ersten Nachkriegszeit taten em Uebriges, die
Werke des Komponisten Rheinberger als überholt abzutun.
Wenn heute Rheinbergers Musik wieder jene Bedeutung zurückgewonnen hat, die ihr seit jeher zustand, so 1st dies nicht
allein dem Umstand zuzuschreiben, dass wir dern 19. Jahrhundert und semen kulturellen Leistungen offener und positiver
gegenüberstehen, als dies noch vor wenigen Jahrzehn ten der
Fall war. Lange bevor Gründerzeit und Jugendstil wieder zur
Mode erhoben wurden, hat sich der Staat Liechtenstein urn
semen grossen Sohn verdient gemacht.
Als einer der wichtigsten Marksteine in dieser Hinsicht dan
wohl die mit staatlicher Hilfe erfolgte Gründung des Josef
Rheinberger-Archivs in Vaduz durch den Fünstlichen Musikdirektor Sevenin Brender und Walter Kaufrnann im Jahre 1944 betrachtet werden. Die mit staatlichen Mittein erfolgte Sarnmlung der gedruckten Werke Josef Gabriel Rheinbergers wurde
ergänzt durch die Sammiung von Briefn und Dokurnenten den
Farnilie Rheinberger in Vaduz.
Durch das Josef Rheinberger-Archiv kam vor rnehr als zwei
Jahrzehnten den eigentliche Anstoss zu einer Neubelebung
des Werkes. Neuausgaben den im Musikalienhandel kaurn mehr
erhältlichen Kompositionen und die Herausgabe von Schallplatten und Büchern fühnten zu einem grässeren Verständnis dieser Musik.
Mit der Venbneitung der Kompositionen wuchs auch das Inter-
II
esse am Menschen Rheinberger. Theodor Kroyers Biographie,
1916 in Regensburg erschienen, ist längst vergriffen und
in weiten Teilen auch überholt. Kurzbiographien, meist zu
besonderen Anlässen in Zeitschrif ten oder als Sonderausgaben erschienen, blieben meist im Anekdotischen stecken oder
mussten - als einleitender Bestandteil von musikwissenschaftlichen Abhandlungen - aus Platzmangel Wesentliches übergehen.
So hoff en wir, eine Lücke zu schliessen, wenn wir hier eine
umfangreiche Brief- und Dokumentensammiung über Leben und
Werk Josef Gabriel Rheinbergers vorlegen. Sämtliche handschriftlichen Unterlage für diese Ausgabe inrden durch das
Josef Rheinberger-Archiv (RhAV) und die Bayerische Staatsbibliothek zur Verfügung gestellt. Beiden Institutionen,
wie auch der Familie Rheinberger in Vaduz, sei an dieser
Stelle herzlich gedankt.
Bei der grossen Fülle an Material war es geboten, in mehreren Fallen eine Auswahl zu treffen. Dabei wurde aber stets
darauf geachtet, dass nur Unwichtiges gestrichen oder jene
Fakten weggelassen wurden, die auch in anderen Dokurnenten
zu finden sind. So darf diese Sammlung den Anspruch erheben,
eine lückenlose Biographie Rheinbergers zu sein, geschrieben von ihm selbst und semen Zeitgenossen. Erklärungen wurden, soweit notwendig, in den Anhang gesetzt, verbindende
Texte so objektiv wie mäglich abgefasst. Die eigentlichen
Texte sollen für sich selbst sprechen; sie können dies besser, als es subjektive, von persönlichen Vorurteilen geprägte Ausschmückungen und Erklärungen irgend eines Biographen
vezmöchten. Im Gegenteil: Durch die authentische Wiedergabe der Dokuinente, zu der sich jeweils auch die personliche
Orthograp'hie der damaligen Schreiber gesellt, entsteht em
unverfälschtes Bild von Leben und Umwelt des Komponisten.
Darüber hinaus zeigt sich uns die 2. .Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Sicht der damaligen Zeitgenossen; das Leben auf dem Lande - in Vaduz -, das beàchtlióhe Kulturlèben
einer Kleinstadt - Feldkirch - und die Lebensformen in einer
damals schon bEdeutenden Stadt - München - werden greifbar.
III
Die Herausgabe dieser DokumentensammiUng ware nicht moglich
gewesen ohne Unterstützung und Hilfe. Besonderen Dank gebührt der Fürstlicheri Regierung in Vaduz. Im Rahmen eines
Forschungsauftrag'eS über Leben und Werk Josef Gabriel Rheinbergers hat sie es ermäglicht, die Materialien, welche die
Grundlage dieser Bände bilden, zu sichten und - soweit dies
noch notwendig war - zu sammein. Den Druck unterstützte sie
durch die Subskription einer grösseren Anzahl Bände. Herzlichen Dank sei auch der Heimatgneinde des Komponisten, Vaduz,
gesagt, die diese Ausgabe durch eine Abnahmegarantie zu sichern wusste, wie auch der "Stiftung Fürstl. Kommerzienrat
Guido Feger", die durch einen grosszügigen finanziellen Beitrag die Herausgabe färderte. Em Dank geht auch an Herrn
Franz Laternser in Vaduz für seine rnaterielle Hilfe.
Herzlichen Dank sagen wir aber auch Frau Elisabeth Irmen. In
sorgfältiger Arbeit hat sie die oft schwer zu lesenden Texte
abgeschrieben und die Vorlagen für den Druck geliefert.
Schaan (Liechtenstein), im Frühjahr 1982
Die Herausgeber
BRIEFE UND DOKUMENTE
1. Tell:
Kindheit bis 9.5.1859
Notizen über den Yater Josef Rheinberger's.
Der Vater wurde geboren am l9. Okober 1789 Morgens Em
Kind der Eltern
Uhr im Zeichen des Skorpions als 2
Johannes Rheinberger u. der Josefa geb. Hartmann
Es wurde noch selbigen Tags in der Pfarrkirche zu Schaan
auf den Namen Peter getauft. Als der taufende Pfarrer die
Pathen fragte, weichen Namen das Kind bekommen solle,
fiel es lhnen em, daB sie vergeBen hatten, die Eltern
darum zu fragen. Der Pfarrer taufte es nun nach dem Tagesheiligen Peter von Alkantara. Als sie nun heim kamen
u. die Mutter den Namen hörte, soil sie untröstlich darUber gewesen sein u.weinend gegen den Namen "Peterie"
so lange protestiert haben bis der Vater od. respective
GroBvater gesagt habe, sie könne ihn ja Hans nennen,
bei welchem Namen es dann nun verblieb. (Sein ganzes Leben lang hat ihn Niemand Peter genannt.)
Diesen Eltern wurden später noch 4 Kinder, 3 Buben u.
I Mädchen geboren, weiche aber sämmtlich im Kindesalter
zwischen 3 und 5 Jahren starben.
Peters Vater od. unser Grol3vater war nicht mit ClUcksgUtern gesegnet, fast em armer Mann; er hatte wohi em
Haus u. ziemlich viei Boden dabei, aber auch viel Schulden darauf, dafUr war er aber em für semen Stand u. die
damalige Zeit sehr gescheidter im Schreiben, Lesen u.
Rechnen wohl bewanderter u. hauptsächlich rechtschaffener u. streng reiigioser Mann, daher auch aligemein geachtet u. angesehen. Von Temperament soil er sehr sanguinisch u. zornig gewesen sein, (was der Vater in frühe.
ren Jahren auch war).
Er hatte den Dienst eines Amtsboten inne d.h. well im
ganzen FUrstenthum noch keine Postanstalt war, muBte das
hiesige Oberamt seine Briefschaf ten durch einen eigenen
Boten auf die nächste Post nach Feldkirch bringen u. die
ankommende von dort abholen laBen. Der dortige Postmeister v. HEusle soil ihm als ganz jungen Mann oft das Compliment gemacht haben: er sel der einzige Liechtensteiner,
der correkt schreiben könne, was freilich nur beweist, daB
der Herr Postmeister in diesen Sachen auch keine AutoritEt war, denn soweit hatte es der gute alteAmtsbotenicht
gebracht. Manchmal hatte er auch Brief e u. Depeschen an
die regierenden u. gnädigen Herren zu Werdenberg, Sargans,
2
Zurich und Chur zu vertragen. Dieser Dienst trug ihm
nun jährlich wenn ich. mich recht erinnere 36 ;f 1 em, dabei hatte er noch einige Acker Deputatgenu1 u. vieileicht
noch etwas FrUchte. Das war em schmaler Verdienst. Dann
war er noch Einzieher von einigen Bündner Kapitalisten,
was ihm auch etwas eintrug u. etwas Ordentliches verdiente er sich noch ais Privatschreiber u. Rechnungsfuhrer.
Aus Allem kann man aber doch entnehmen, daB in seinem
Hause während Vaters Kinderjahre mehr Schmalhans Küchenmeister war. Bis zum 10 t. od. 11 t. Jahr besuchte Vater
keine Schule. Dann schickte ihn seth Vater einen Winter
hinein, ais er aber b.is zum FrUhiing kein buchstabiren
geiernt hatte, soil er sehr erbost gewesen sein u. erklärt haben, er woile ihn nun selber in die Lehre nehmen,
was er auch that u. weiches dem Vater mehr Kopfnul3e u.
Ohrfeigen als Freuden u. Brod eingetragen hat.
Die Jahre 1799 u. 1800 waren aber sonst noch traurige u.
schreckliche Jahre für ihn, noch -mehr für seine Eltern
u. für Liechtenstein mitsainmt der Umgebung. Es war zur
Zeit der französischen Invasion. Nicht genug konnte der
Vater u. frUher auch die GroBmutter erzhlen was sie da
ausgestanden hätten, von all dem Kummer und Sorgen,
Angst u. Schrecken, der furchtbaren Einquartirung von
Freund u. Feind, welche zwar schon 1796 begonnen hatten.
Sie hatten manchmal bis 25 Mann im Haus liegen, u. das
Haus war dazumal noch bedeutend kleiner.
Bis 6. März 1799 waren nur Oesterreicher od. die Kaiserlichen wie sie genannt wurden im Land. Am 6. Närz brachen
die Franzosen bei Trübbach u. Bendern über den Rhein u.
trieben die Kaiserlichen vor sich her. Nein Vater muBte
das Bündel schnüren u. f lob mit der Mutter u. den andern
Geschwistern auf den Triesnerberg. Der GroBvater blieb.
Aber schon am andern oder dritten Tag sei Botschaft gekommen, sie sollen wieder heimkonnnen. Am 22. u. 23 t.
sollen sie den ganzen Tag gebetet haben, daB die Franzosen Feldkirch erobern ( sie haben 2 Tage erbittert darum
gekämpft, wurden aber blutig zurückgeschlagen) denn sie
fürchteten, wenn sie zurückgeschlagen wfirden, würden sie
auf ihrem Rückzuge Alles niedermachen. IndeBen hatten sie
auf ihrem Rückzuge keine ExzeBe verUbt. Der schlimmere
Theil davon, dIe Ohnehosen u. }larodeurs seien zwar nach
Bendern u. von dort dem Rhein nach hinauf dirigirt worden.
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Die Franzosen zogen nun ab aus dem Liechtensteinischen,
dafür kainen aber wieder Kaiserliche in's Land, die puncto
Sicherheit des Eigenthums auch nicht bel3er gewesen sind.
Bald nachher muB seine Nutter an der Auszehrung gestorben sein, ohne das Ende des Krieges erlebt zu haben, urn
das sie so oft mit dem Grol3vater u. den Kindern auf den
Knien gebetet haben soil, urn nur noch einmal eine Suppe
allein essen zu können.
Der Vater u. seine zwei noch lebenden Geschwister, wovon das jüngere 4 Jahre alt war, waren nun ganz verwahrlost, denn ihr Vater war in diesen Kriegsjahren hauptsächlich von 1798 bis 1801 den gröt3eren Theil auBer Haus
beschaftigt. Er war der Einzige im Lande, den man als
EinquartirungscommiBär verwenden konnte, u. daher auch
verwendet wurde; dabei hatte er auch alle Verpflegsrechnungen zu führen. Während dieser Zeit nun wurde Vater
als Hudelbub (od. wie man jetzt sagen würde: Bub für
Alles)beim Rentmeister Fritz angestelit, wo sich eine menschenfreundliche Nagd sich seiner auch korperlich annahm.
Sein Herr, der Rentmeister, hatte ihn u. semen Vater
zwar sehr gerne u. protegirte sie wo er konnte.
Eine Episode aus dieser Zeit, es war 1800 u. die Franzosen
zurn 2. mal im Land, hat er mir oft erzählt. Der Rentmeister lieB ihm em ganz schönes, neues blautuchenes Kleid
machen, mit dem er dann am nächsten Sonntag auf dern Kirchenplatz herumstolzirte. Das sah der urn em paar Jahre
jUngere Sohn des Landvogts Menzinger, Narnens Michi (Michael)
später dann Landesverweser - em etwas gif tiger und hochfahrender Bube, der den Vater schon damals nicht leiden
konnte. Dieser Michi war ihm nun neidisch auf das neue
Kieid u. weil es gerade kothig gewesen sein soil, habe er
elne Hand you Koth aufgenommen u. den Vater darnit beworf en. Dieser habe sich diese Freundschaftsbezeugung zweimal verbeten, da aber Michi keine Ruhe gegeben, habe er
ihn selber in den Koth hinaus geworf en. Dieser Balgerei
habe die Mutter Nichi's mit ihrem Hofmacher, dem alten
Dr. GraB, von ihrem Fenster aus zugesehen u. ais sie wahrgenommen, daB ihr sauberes Bübiein den KUrzeren gezogen,
habe sie em grausiges Zettergeschrei angefangen, sei zu
ihrem Mann gerannt u. verlangt, daB er den Bauerniümrnei
exemplarisch dafUr züchtige. Dieser war, wie spter sein
Hr. Sohn 11ichi, gewohnt zu Ailem ja zu sagen was seine
Frau für gut fand u. s.chickte deshaib den Weibel in Rentmeis.ters Haus urn den. Bauernlünirnel, da er zu Haus doch
nicht gezogen werde, in's Anit abzuholen u. dort durchzupeitschen. Rentrneister Fritz war aber als der Weibel
in's Haus kani u. ihin semen Auftrag mittheilte, anderer
Neinung u. liel3 den Buben nicht abführen, sondern begab
sich selbst zurn Landvogt, urn demselben darüber Vorstellungen zu machen. Als dieser aber keine Vernunft annahm
u. von seinem Vorhaben nicht abstehen wollte, sondern
auf der öffentl. Züchtigung bestand, verfugte er sich
gleich. in das Adlerwirthshaus daneben, wo der Grol3vater
anitirte ii. theilte ihm den Fall -mit. Dieser em zornwüthiger hef tiger Mann fing über diese BrutalitHt gleich
einen gewaltigen Spektakel an, der Adlerwirth Rheinberger der es- auch mit angehort desgleichen u. erzählten
es elnem anwesenden französischen Rittmeister der
Chasseurs aux Chevaux. Dieser ergrimnrnt Uber derartige
Justiz habe ausgerufen: "Was Bub schlagen - will Landvogt
Ubermuth schon a-ustreiben" u. babe Landvogts sogleich
25 14ann Rol3schwgnzler, wie die Chasseurs genannt wurden,
als Einquartirung eingelegt, so da8 die ganze Familie
selber ausziehen mul3te -U. das Prügeln darüber verga2.
1"Iein Vater hat es aber nie -vergessen.
1Iit den wEhrend dieser Zeit zum zweitenmal u. lHnger sich
hier aufhaltenden Franzosen soll sich Vater recht gut vertragen haben, die Soldaten hätten ihn liebgewonnen, ihn
auf ihren SpaziergEngen mitgenominen u. sollen sogar auf
die Ausbildung seines -musikalischen Talents bedacht gewesen sein, indem sie ihn tronunein lehrten. Er habe das
edle Kalbfell prächtig zu behandeln verstanden. Einmal
hätte ihm seine Kunst aber bald Unannehmuichkejten zugezogen, indem er zu unrechter Zeit Generalmarsch geschla-
gen, was- eInen gewaltigen Zusammenlauf der Franzosen zur
Folge gehab.t babe u. von welcher Zeit an niemand ibm das
Kalbfe].l ehr anvertraut babe.
Ani 21. Juli 1801 heirathete der Grol3vater zum zweiteninal
idt Agathe Kil3iing von Die8enhofen, eine Person die 4 Jahre
alter war als- er, aber eine tüchtige, verstEndige u. brave
Hausfrau abgab, hingegen auch wenig Vermogen hatte.
Sie führte vorher ihrem Onkel, der Hofkaplan in Schaan war,
das Hauswesen -u. stanimte -von einem türkischen Grol3en (sie
sagte von einern Prinzen) ab, der bei der zweiten Wiener
Türken-Belagerung gefangen und elnem Graf en Stein geschenkt
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worden sel.
Diese neue Mutter scheint em ziemlich stramres Regiment
mi Hause geftihrt zu haben, aber dennoch keine bose, son-
dern eine sehr sorgsame Stiefmutter gewesen zu sein. Sie
war dem Vater zeitlebens anhängiich und hielt Alles auf
ihn. Der Vater war zu dieser Zeit wieder im Hause. Er
inu2te auch dann u. wann wieder einen Winter die Schule
besuchen, einen Winter bei einem Hofkaplan, einen andern
beim Vater des jetzigen Försters Hartmann (Namens Benedikt), der die nützlichen Berufe eines Kesseiflickers,
Buchbinders u. Schulmeisters vereint od. abwechseind ausübte. Was er bei dem erlernt, kann man sich vorstellen.
Anno 1802 u. 1804 wurden ihm noch 2 Schwestern geboren.
Wie er heranwuchs wurde er auch streng zu alien häuslichen
u. Feidarbeiten angehaiten; die Gelegenheit zum Lernen
mul3te er sich immer mehr 'u. mehr erstehien. Bald stelite
sich bei ihm eine grol3e Neigung u. vorzügliches Talent
für Mathematik heraus. Ich wei8 nicht mehr wie u. woher
er Uberali die Lehrbücher dazu auftrieb. Sein Vater
schaffte ihm keine an, obwohl er sonst auch em grol3er
Liebhaber von Btichern war u. em bedeutendes Sammelsurium
davon beisammen hatte, nur keine mathematische od. wenig-
stens sehr wenige. Der Vater mu8te sie nun von alien
Ecken 'und Enden zusammenschleppen, bettein, ausborgen u.
nicht mehr zurückstelien. Die Botendienste nach Feldkirch
muf3te er nun für semen 'Vater thun. Dieser gab ihm dann
6 Kreuzer Zebrung mit auf den Weg, weiche er sich aber
meistens aufsparte, indem er em Stuck TUrkenbrod von heim
weg mitnahm ii. bei dem Schwabbrunnen (wo gutes Wasser zu
haben ist) zwischen Nendein u. Schaan einbrockte. Die so
ersparten Kreuzer verwandeite er dann zu Büchern u. matheniatisehen Instrunienten. Den ersten Ne8tisch verfertigte
ihin dann em Kaxnerad, der em
Zimmermann u. Rechenmacher
war, den zweiten be8eren em Tischler u. Giaser. Em Kreuz
für ihn war dal3 er bei Tag immer streng zur Arbeit angehalten wurde u. bei Nacht wolite man ihm, wenigstens zur
Sommerzeit, kein Licht gOnnen weil es zu viel kostete.
Ba mul3te er nun Algebra u. Geometrie beiiu Mondschein studiren, wenn soicher war, wenn nicht, erf and er em ande-
res Mittel. Er hOhite Ruben aus, fUilte sie mit Oehi u.
steckte einen Nachtiichtdocht hinein. Dabel fing er auch
zu Zeichnen an u. bekam eine sehr gute Handschrift, so daB
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er auch mit Abschreiben etwas verdienen konnte.
Als er 20 Jahr alt war - anno 1809 als Vorarlberg bayerisch
wurde u. Bayern die St. Luzilehen bei Bendern vermessen
lieI3, übernahmen er ii. sein Vater diese Arbeit, wobei er
täglich, wenn ich mich recht erinnere, 8 fl verdiente, was
für damalige Zeit em schönes Verdienst war, dabei lernte
er Leute u. Verhältnif3e amEschnerberg gründlich kennen.
Anno 1810 u. 11 wo die Grundbücher angelegt wurden, ver-
diente er wieder viel mit Feidmessen, was' zur Folge hatte,
dal3 er dann auch flott lebte. IndieserZeit trat eine Krisis in seiner Gesundheit em. Bis zum 16 t. od. 17 t. Jahr
soil er klein gebiieben sein u. nichts gewachsen haben,
von da an habe er zu wachsen angefangen u. soil binnen
höchstens 2 Jahren ausgewachsen gewesen sein. In Folge
dieses schnellen Wachsens u. angestrengter Arbeit wurde
seine Gesundheit bedeutend erschüttert. Im 21 t. od. 22 ten
Jahr bekam er starken Husten iinter anderen Krankheitserscheinungen, die auf gallopirende Schwindsucht schlie2en
lie6en. Rationelle Arzte waren damais keine in Liechtenstein. Die damaligen sogenannten Drs Gro8 u. Schädler,
Väter der späteren Doctores Gra6 u. Schädler waren nur
Chirurgen. In Werdenberg war aber em Wal3ergucker, Namens
Hilti, auch Doctor ges.cholten, der einen gro2en Zulauf
hatte. Zu diesem ging auch der Vater u. lie8 sich längere
Zeit von ihm behandeln, ohne da8 Be8erung eintrat. Endiich
erklärte ihm dieser Doctor dal3 er ihm nicht mehr helfen
könne, weil er die Auszehrung im höchsten Grade babe u.
da1 es nicht mehr lange mit ihm gehen könne. Er solle noch
nach FiderIs hinein gehen, vielleicht helfe ihm das noch.
}Iit dem Vater sei auch noch. em Auszehrender on Sargans
zu diesem Wassergucker gekommen, den er auch nach Fideris
geschickt, ihin aber umgekehrt die besten Hoffnungen gemacht
babe.
Er ging trostlos heim, erzhlte den Seinigen diese schlim-
me Botsthaft, worüber groIes Jammern u. Wehklagen im Hause
entstanden sei, weil er doch der einzige Sohn und die
Stütze der Familie war. Es wurde aber beschlo8en das letzte
}Iittel zu probiren und ihn nach Fideris zu schicken. Er
konnte zufllIg mit dem alten Dr. GraB, der einen Besuch
in Kaienfeld od. an der ZollbrUcke zu machen hatte, bis
dorthin initfahren. Dieser tröstete ihn dann auf dem Weg
wegen seiner Krankheit, behauptete, daB er nicht auszehre,
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Fideris werde ihm gut anschlagen u. er noch em steinalter Mann werden. Er war em guter Prophet! Er soil
sich gut halten, in 8 Tagen werde er selber auch nach
Fideris kommen u. dann kdnne man weiter sehen. Als der
Vater nach Fideris kam, war der Sarganser, dem der Werdenberger Doctor so tr5stliche Zusicherungen gegeben,
schon da aber in einem soichen Zustande, dal3 ihm der Vater den Rath gab, auf der Stelle nach Hause zu fahren,
wenn er noch lebendig heimkommen wolle. Das Fahren war
aber damals auf den Wegen wie sie bestanden u. mit den
Wägen die man hatte, eine eigene Kurverei; wer auf den
FUBen noch em wenig stehen konnte, zog es vor zu gehen.
Der Sarganser muBte aber fahren u. kam doch nicht mehr
lebendig helm.
Als Dr. CraB dann in 8 Tagen wirklich nach Fideris kam,
habe er den Vater wie närrisch beim Tanzen angetroff en,
so gut hatte er in dieser Zeit gebel3ert
.
Grol3 habe aber
doch den Kopf dazu geschtittelt u. gemeint, das Tanzen
solle er einstweilen doch noch bleiben lassen. Nach 14
Tagen habe er Fideris sozusagen gesund verlassen u. hatte
später keine derleiAffairenmehr zu bestehen.
Er war jetzt auch in das Alter vorgerUckt wo die jungen
Manner mit Vorliebe iiber den blbllschen Spruch nachden-
ken, daB es nicht gut sel, daB der Mann allein stehe,
sondern daB er auch eine Nännin haben milBe. Dieser Ge-
danke scheint ihn viel geplagt zu haben bei Tag u. Nacht,
am Suchen hat er es auch nicht fehien lassen, ebenso
wenig scheint es am Finden gefehlt zu haben, wohl aber
am Festhalten. Nach seinem und anderer Leute Erzählen
(denn er hat mir natUrlich nicht Alles erzEhlt) hat er
beim andern Geschlecht viel Glück gehabt, wurde aber
nach u. nach wegen seiner Unbeständigkeit etwas anrüchig.
Em
paarmal glaubte er die Wahre gefunden zu haben, sein
gestrenger u. weniger romantisch gesinnter I-Ierr Papa aber
woilte von allen diesen HerzensbedUrfniBen noch gar nichts
verstehen u. wief3 ihn immer barsch ab, so oft er sich
unterstand etwa auf den Busch zu klopf en. Auch sah er
fleil3lg nach ob er Nachts auch daheim im Bette sei. Da
mul3te dann mit Vorsicht gehandelt werden, u. so oft er
sich dann Nachts durch das Fenster davon schlich (er
schlief im Kämmerleln neben der KUche, wo Mali sel. ihren
Schmollwinkel hatte), legte er elnen Klotz Holz statt
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seiner in das Bett u. stülpte ihm eine NachtmUtze auf,
wil3end da8 sein Vater beim Nachsehen kein Licht mitnahm.
Da hat jhm das schlechte Gewil3en eininal einen fatalen
Spuk gespielt. Als er einrnal Nachts wieder heirnkehrte,
schlug er einen Ful3weg em, der von der jetzigen Post
durch die Flur, wo hohes Schilf wuchs, hinter unser Haus
führte. Auf einmal raschelte es hinter ibm, er wendete
sich rasch urn u. sah em grol3es, schwarzes Thier mit feurigen Augen, wie ibm sein Hngstliches Gewil3en vormalte,
vor sich stehen. Damals spukte as nHrnlich dort herum noch
ganz gewaltig. Der Spuk hie8 ailgernein das Aulethier u.
trieb sein Unwesen in Gestalt eines schwarzen Hundes od.
Bockes. Der Vater an u. für sich wader furchtsain noch
abergläubisch fühlte sich doch auf unrechter FHhrte und
hielt es für gerathsamer auf der Landstral3e heimzukehren,
wo er bald in schnelleres Tempo und zuletzt in's Lauf en
gerieth. Je mehr er aber lief, in desto gröl3eren Sätzen
setzte ibm das Unthier nach. Als er endlich fast athemlos das Leiterlein vor seinem Fenster erreichte u. schon
den FuB darauf setzte, erwiscbte ibn endlich das Gespenst
an den Hosen. Er hHtte gerne aufgeschrien vor Angst, aber
aus Furcht sein Vater könnte es hören, unterdrückte er
den Schrei u. sah sich nach dern Unthier urn, welcbes aber
anstatt ihn zu zerreil3en od. davonzutragen ihn ganz
freundlich. beleckte ii. vor Freuden winselte. Es war ibr
groBer schwarzer Haush'und.
Im Jabre 1814, in seinem 25ten Jabre trat endlich em
wichtiger Wendepunkt in seinem Leben em. Der Seminar-
Regens von St. Luzi in Chur, Hr. Gottfried Purtscher,
der Gründer u. Aufrichter des Seminars, von Geburt em
Tiroler, der fHhigste, energigste u. populärste Priester
der Diözese, dabei von weltoffenem Charakter sucbte einen
jungen fahigen Mann, der die Landwirtscbaft gut verstehe
u. zugleich im Lesen, Schreiben u. Rechnen gut bewandert
s ei.
Em
gewiBer Tschof en recoandierte demselben den Vater.
Der Regens stelite ibn nun als Oekonom des Seminars mit
dam Titel Hausmeister an. Als Gehalt bekam er freien
Tisch mit den Geistlichen, em anstHndiges Zimmer u. lOOf 1
Bündner Währung a 2 Zwanzigern. Damit hatte. er für seine
gewohnten Verbltnisse u. für die damalige Zeit ein.splen-
dides Auskoinmen, so dal3 er auch noch zeitweise semen Vater
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unterstfltzen konnte. Er wu1te sich bald das ailgemeine
Zutrauen und die Achtung Alier zu erwerben mit denen er
sowohl in geschEftiicher als privater Beziehung in Berührung kam. Einige Geistliche des Seminars, wie z.B.
der Prof ef3or der Physik Ignaz Purtscher, em Bruder des
Regens, sodann Anton Tepfer, Profef3or der Philosophie u.
einiger Disciplinen der Theologie, em Mann der für ebenso fromm ais gelehrt gait u. spEter im Rufe der Heiiigkeit starb, versuchten ihm auch in wit3enschaftiicher Beziehung nachzuheifen. Ersterer war ihm besonders in der
Mathematik behiifiich. Auch muBte er Latein und Itaiienisch
anfangen, was er aber bald wieder auf gab, well er keine
Anlagen zu fremden Sprachen zu haben giaubte. Auch scheint
es sein Vater nlcht gem gesehen zu haben, weil er vermuthete, die Geistiichen beabsichtigten ihn für ihren
Stand zu gewinnen, was nicht ganz ohne Grund gewesen
sein mag.
Auch Werboffiziere suchten ihn zu gewinnen, so em ge-
wil3er Major Sprecher von Chur, der ihn überreden woilte
als Feidwebei in em hoiiändisches Schweizerregiment em-
zutreten, dazu hatte er aber keine Lust u. wohi mit Recht.
Gerne hEtte er sich im Zeichnen ausgebildet, aber gerade
dazu f and er am wenigsten Geiegenheit. Dies ftihlte er
recht iebhaft, als zu dieser Zeit das Projekt der DurchfUhrung der Stral3e durch die Via maia hinter Thusis zur
Sprache kam u. Ingenieure aufgefordert wurden, diesbezügiiche Plane auszubreiten. Der Ehrgeiz kitzeite ihn
auch; obwohl er sich natürlich nicht einbildete, Ingenieur
zu sein, ging er doch frischweg an die Arbeit,machte Studien u. Plane in der Absicht sie der Graubündner Regierung einzureichen. Aber er sah em, dal3 er seine Zeichnungen nicht einreichen durfte. Man rieth ihm die Plane
in Innsbruck zeichnen zu iassen u. sie dann erst der
Regierung zu ubergeben, was er auch that. Das Projekt
soil gUnstig aufgenommen worden sein u. der Hauptsache
nach wenig AbEnderung bei der Durchführung erfahren haben.
Die Ausführung od. der Bau der Stral3e wurde einem piemontesischen Ingenieur, Namens Poccobe lii ubertragen
weicher bei dieser Gelegenheit auch den Vater kennen
iernte u. ihm den Antrag inachte, bei ihm zur Ausbiidung
im Ingenieurfache einzutreten. Der Vater wEre nun diesmal mit Leib u. Seeie dabei gewesen, aber wiederum legte
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sein Vater sein gewohntes Veto em u. er mu8te mit schwerem Herzen auf dieses für ihn so verlockende Anerbieten
verzichten. Das war auch wirklich em Weg für ihn u. bedeutungsvoll für sein ganzes Leben, denn bei semen ausgesprochenen Anlagen für das Ingenieurfach hätte er es
gewiB zu damaliger Zeit zu einem Ingenieur von Ruf gebracht,
auch ohne spezielle theoretische Fachbildung. Für ihn trat
Lanicca em, der sich später als Ingenieur einen europEischen Ruf erwarb, freilich hatte derselbe eine fachwissenschaftliche Vorbildung geno8en. Er wurde später in
den Vierziger Jahren noch em guter Freund des Vaters.
Oberst Lanicca lebt noch geehrt als hoher Achtziger in
Chur.
Urn aber wieder auf Vaters Aufenthalt in Chur zurückzukommen mu1 ich auch noch Eines erwEhnen. Er woilte auch
noch musikalisch werden ii. verlegte sich auf die Flöte.
Er brachte es zu einigen .LHndlern, die er uns Kindern
lang nachher auf unser zudringliches Bettein öfter vorspielte, die Flöte aber immer schnell weglegte mit der
Behauptung, es sei falsch gespielt. Wir glaubten es aber
nicht, od. es kam uns gleich schön vor, ob falsch od.
richtig.
Des Vaters Aufenthalt in Chur dauerte fUnf Jahre, von
1814 bis 1819. Es werden wohi seine schönsten und glücklichsten Jahre gewesen sein u. blieben für ihn zeitlebens bedeutungsvoll, auch für seine Familie. Die tonangebenden u. bedeutendsten Geistlichen im Seminar, die
Tepfer und Purtscher, lauter Tiroler u. der spätere
Bischof Kaspar von Carl bewahrten ihm so lange sie lebten
ihre Hochachtung, Freundschaft u. Liebe. Sie waren in
unserem Haus oft u. gerne gesehene GEste. Das Seminar versah lange Zeit ex currendo die Pfarrei Bendern u. die
Kaplanei zu Baizers u. meistens kamen dann die Tepfer od.
Purtscher herunter, u. am allermeisten so lang er lebte,
der Regens. Ich kann mich dieses l4annes noch ganz gut
erinnern, obwohl er schon im Dezember 1830 starb, wie er
vor das Fenster bei der Hausstiege hergeschritten kam,
einen breitkrempigen Hut über dem ernsten u. strengen
Gesicht u. dann mit der Reitpeitsche an das Fenster klopfte.
Der Vater öffnete dann immer rasch mit einem recht herzlichen u. warmen "Grül3 Gott Herr Regens" das Fenster u.
wir KInder jubelten unisono: der Regens ist da.
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Im Jahre 1819 starb der Amtsschreiber Kirchthaler, Vater
des jetzigen Kirchthaler, weicher schon bei semen Lebzeiten, als er aber merkte, dat3 es mit ihm bald zu Ende
gehen werde, meinen Vater, den er sehr wohl leiden konnte,
dem Landvogt Schuppler als semen eventuellen Nachfolger
empfahl. Der Vater bekam dann auch wirklich diese Anstellung mit dem Titel eines Aktuar u. verlief3 Chur im
J. 1819, ich weif aber nicht ob vorn od. hinten im Jahr.
Auch mu1te er auch noch em Jahr lang öfter, ich glaube
wöchentlich hinauf nach Chur urn semen alten Geschäf ten
nachzusehen bis sich em geeigneter Nachfolger für ihn
gefunden hatte.
Noch während seines Aufenthaltes in Chur machte er die
Bekanntschaft meiner sel. Mutter. Ob die Bekanntschaft
lange gedauert, wel6 ich nicht. Besucht hat er sie von
Chur aus oft. Häufig habe er am Abend sein Pferd gesattelt (beim Regens od. besser gesagt vom Regens, der zuerst bevor er Priester wurde bei den Husaren gedient
hatte u. daher em tUchtiger Reiter war, hatte er auch
reiten gelernt) u. sei zu seinem Meili (Maria) nach
Schaan hinunter geritten, wobei er dann natUrlich verge8en hatte, daheiin zuzukehren. Sei etwa bis 12 Uhr geblieben u. am Morgen wieder in Chur gewesen. Emnigemal
sei es ihm passiert dat3 er im Schiafe vom Pferd gefallen,
ohne sich aber zu schädigen.
Als er nun Aktuar u. nach damaligen liechtensteinischen
Ansichten em Herr geworden, durfte er nun auch an's
Heirathen denken, sein Vater hatte nichts mehr dagegen
einzuwenden; auch hatte er schon das 3Ote Jahr erreicht.
Semen Schwiegereltern war er auch willkonimen. So wurde
dann geheirathet und am 6. November 1820 im Adler zu
Vaduz Hochzeit gehalten.
Am 27t. Febr. 1822 wurde ihm das it. Kind geboren, Joh.
Luzius, am 26t. Juli 1823 das 2t. David, und so ging es
vorwärts bis 4 da waren. Er lebte mit semen Eltern u.
Schwestern, solange diese noch ledig waren, in einer
Haushaltung u. soviel Ich weil3 u. immer gehbrt habe, ganz
in Frieden, was hauptsächlich daher kommen mag, dal3 der
Grof3vater das Heft fest in Händen behielt u. em unpartheiisches Regiment fUhrte. Er kam daher auch billiger
davon, als wenn er eine eigene Haushaltung führte, obwohl er für die damalige Zeit od. im VerhältniI zu jetzt
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anständiges Auskommen hatte. Das Baargehalt war zwar
nur 300 od. 340 fi RW, die Deputate u. AbschriftsgebUhren
em
betrugen aber auch so viel; er stand sich also auf ungefähr 700 fl - was jedenfalls so viel werth war als jetzt
1400 - 1500 f 1. Dabei war Niemand im Hause an Luxus ge-
wöhnt u. Alles arbeitete. Von seiner Frau resp. meiner
Mutter hatte er noch nichts. Vater war zu stolz eine Mitgift anzunehmen, weil em Schwager seines Schwiegervaters
ihn vor der Verheirathung einen Hungerleider (weil er
kein Vermögen besal3) genannt ii. wiewohl vergeblich, die
Schwiegereltern zu bestinznen versucht hatte, ihre Einwilligung zu versagen. Vater war aber bedeutend dadurch vor
den Kopf gestol3en. Am Tage nach der Hochzeit schickte
er auch alle Kleider welche die Mutter mitgebracht hatte,
wieder an ihre Eltern zurück, was von ihm nicht delicat
u. für die Mutter u. ihre Eltern eine unverdiente Kränkung war, da diese letztern nie gegen seine Verheirathung
mit ihrer Tochter waren u. ihm auch ihr ganzes Leben lang
ihre unbedingteste Zuneigung u. treueste Anhnglichkeit
bewahrten. Auf ihre Hilfe u. Unterstützung konnte er
stets rechnen. Em Pferd nahm er später von ihnen doch
noch an.
Nit seinem Chef - Landvogt Schuppler - eine Art tUrkischer
Pascha - kam er wie es scheint im Ailgemeinen recht gut
aus, obwohl derselbe hochmuthig auf Alles herunter sah,
was nicht über ihm stand u. Uber sich erkannte er nur
semen Willen (denn der Himmel war hoch u. der Czar hier der Fürst - weit weg); der Haselstock war sein Gesetzbuch. Wer es nicht glauben woilte bekam ihn zu
schmecken. Daher es denn auch bald allgemein hie1: der
Landvogt hat gesprochen, die Sache ist vorbei. Es konnte
nicht verfehlen, dal3 etwas von diesem diktatorischen Wesen nach u. nach auch auf den Vater uberging, der dazu
Anlagen hatte u. zur Folge, daIs er sich beim Volk auch
vielfach verfeindete. In späteren Jahren verlor sich
diese Eigenschaft freilich wieder u. mit zunehmendem
Alter schlug sie sogar in's Gegentheil über.
Viel Amtsgeschäfte gab es danials nicht, jetzt wUrde man
sagen: rein nichts. Nur an Vormittagen gab es Arbeit.
An Nachmittagen konnte der Landvogt in der Kanzlei den
Cicero Ubersetzen, der Vater Sonnenuhren machen.
Anfangs 1827 mul3te Schuppler endlich weichen; der Bischof
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Buol in Chur, mit dem er während seiner ganzen Amtsdauer in Fehde lag, brachte ihn nach langem Ringen zu
Fail. Schon 2 Jahre vorher hatte er seine Abberufung erwirkt; aber da die Bevöikerung trotz seines gewaitthätigen Gebahrens für ihn u. seine Familie eingenommen war
u. für sein Verbleiben petitionierte, wurde seine Ver-
setzung damals rUckgängig gemacht. Die letzten 2 Jahre
soil er aber dann auch em ganz anderer u. leutseligerer Mann geworden sein; der Haseistock sei viei weniger
mehr in Thätigkeit gesetzt worden.
An Lichtme8 1827 1st Hr. Schuppier auf Nimmerwiederkehr
abgefahren. Und dieser Mann hat eine rUhrende Anhäng-
lichkeit an Land u. Leute, die er so lange knechtete,
bewahrt. Ais er in seine alte Heimath Mähren zurUckkam,
gefiel ihm u. seiner Familie nichts mehr. Seine Famiiie
seiber war aber hier aligemein beliebt. Er seiber war
aber auch nur Pascha im Amt, im Privatieben soil er ieutseiig gewesen sein. Er überlebte seine Versetzung nicht
lange u. starb anfangs der 3Ogr. Jahre. Auf ihn folgte
Landvogt Pokorny, em Mann von zeitgemäf3eren, milderen
u. aufgekiärteren Ansichten. Mit diesem Mann brachen
für den Vater auch die angenehmsten Dienstjahre an. Hr.
Pokorny erwies sich nicht nur als sein wohiwollender Vor-
gesetzter, sondern auch ais sein uneigennütziger, aufrichtiger u. treuer Freund. Beamte waren damais ihrer nur
wenige; das ganze Collegium bestand aus dem Landvogt,
dem Rentmeister u. Aktuar. Es war deshaib auch noch
ieichter einträchtig zusammen zu leben. Pokorny wu8te
aber nicht nur die paar Beamten zusammen zu haiten, sondern auch noch die andern Honorationen, die damals in
Liechtenstein waren, sowie die gesammte Geistlichkeit.
Sie harmonierten Alle herriich zusammen. Arbeit gab es
auch noch nicht viel in der Kanzlei.
(Hier muf3 auch noch gieich angefügt werden, dal3 den Herbst,
bevor der Pokorny kam, unser späterer Onkel Carigiet die
PfarrpfrUnde Schaan bezog - Martini 1826 - u. wurde em
wichtiges Cued in dieser Kette, auch einheiterer Ceseiischafter).
An Nachmittagen wurde aber jetzt statt Sonnenuhren machen und Cicero übersetzen tüchtig gejagt, woran sich
auch Dr. Gras sehr fieil3ig bethätigte. WHhrenddessen be-
reltete sich für den Vater eine bittere Prüfung vor. Die
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Mutter kränkelte schon lange u. starb endlich am 30. März
1828, nachdem ihr der Grof3vater am 16t. Februar in's Jenseits vorangegangen war. Der Vater war nun Witwer mit
4 unmflndigen Kindern, wovon das jUngste
1/2 Jahr alt
der Mutter bald nachfolgte. Des Vaters Schwestern waren
schon seit einer Reihe von Jahren hinaus verheirathet u.
er war nun mit semen Kindern ganz auf seine auch schon
betagte Stiefmutter u. eine etwas einfältige ältere
Schwester Namens Kiara angewiesen. Wir Kinder hatten
aber an unserer Stiefgro8mutter eine sehr sorgf1tige
u. ttichtige Erzieherin behalten u. es kam uns sehr wohi,
da8 sie noch lange lebte.
Im Jahr 1829 im Soinmer theilte man mir mit, da8 ich elne
neue Mutter bekommen solle, die sich im Schaaner Pfarrhof aufhalte u. eine Schwester des dortigen Pfarrers sei
u. ebenso eine neue Gro8mutter, die viel Kaffee trinke
u. immer nit dem Kopf wackele, es wtirden beide auf den
nächsten Sonntag zum Besuch erwartet.
Sie kamen auch u. ich kann mir noch recht gut vorstellen,
wie sie in der sogenannten oberen Stube den Kaf fee getrunken haben, wie ich neugierig ihnen gegenUber am Tisch
gestanden bin u. die beiden Frauen betrachtet habe, von
denen mir die mit dem zitternden Kopf ungemein interessant
vorkam. Ich kann mir die alte Frau auch jetzt noch ganz
gut am Tische sitzend vorstellen,. während mir von der
Mutter aus dainaliger Zeit kein Zug mehr in Erinnerung geblieben ist. Ani (das Datum nicht bekannt) war Hochzeit
u. F(eier) in Rankweil. Anno 1830 wurde der Vater Grundbuchführer, vor ihm war kein soicher angestelit. 1831
war em sehr böses Jahr für die Beamten, em Collega des
Jahres 1848. Nachdem in J. 1830 die Revolution in ganz
Europa herum gespukt hatte, glaubten die Liechtensteiner
auch so etwas nachträglich noch aufführen zu mü8en, ansonsten es das Ansehen gewinnen könnte, als wenn sie
nicht nit der Zeit fortgeschritten wären u. nichts von
den Weltereignissen will3ten. Einen Vorwand gab die Anfangs
1831 anbefohiene neue Rekrutierung. Seit den Jahre 1815
waren die Liechtensteiner nämlich von dem Soldatenspielen
verschont geblieben; im Jahre 1830 sah sich der deutsche
Bundestag durch die Uberall sich kundgebenden feindseligen Manifestationen der V6lker durch sein böses GewiBen
aus seiner faulen Lethargie zur Abrechnung wieder einmal
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aufgeschreckt. Er machte die Entdeckung, da1 das Conzerdt
der politisch militärischen Nachtwächter in Deutschland
noch nicht vollständig ausgeftilit sei, so lange Liechtenstein darin fehie u. der Ukas zur Aufstellung der so
berüchtigt gewordenen 55 Mann erschien aisbald. Die Panik
im Lande als es hiet es mül3e wieder gespielt werden,
war grol3, noch gröl3er aber der Spott im Ausland. Die Leute
glaubten nichts anderes, als es stehe em zweiter Feldzug nach Ruffland od. weif Gott wohin, bevor.
Einen weiteren Vorwand zum Krakehlen gaben die Grundbücher. Obwohl schon seit demJ. 1811 bestehend, hatten
sich die Leute doch noch nicht mit diesem Institut be-
freunden können. Diese Bticher hatten u. haben noch die
bose Eigenschaft, daf3 in ihnen die Schulden u. Revituten
genau vorgemerkt waren. Daher fort mit den Biichern u. denn
auch mit den Schulden. Aufhetzereien von Arbeitern, die
im J. 1830 das Krakehlen in Frankreich gelernt hatten,
kamen dazu, u. der Runtnel brach los als un Frühjahr die
Rekrutenaushebung wirklich vorgenonimen wurde. Ich weil
nicht mehr ob man die Beamten als Mitschuldige wegen des
Militäraushebens ansah od. nicht, es kommt mir aber
meines Erinnerns noch so vor.
Das gesanimte Volk, die Baizener ausgenommen, war wie von
der Tarantel gestochen; man that nichts mehr als Ver-
sammiungen halten, die tolisten BeschlUl3e faBen, herum-
ziehen, lärmen, johien, heulen, die wildesten Drohungen
gegen die Beamten ausstof3en, dann und wann an einem Tag
mit dem Galgen, am andern mit der Guillotine u. am
dritten mit Verbrennen drohen. Am verha2testen waren
der Landvogt u. Grundbuchführer, Rentmeister u. Amtsschreiber wurden mehr ignoriert. Ich kann mir die tobenden Hauf en noch vorstellen, wie sie vor dem Hause vor-
beiziehend, die Fuste gegen dasselbe baliten, alle er-
denklichen Schmähungen u. Drohungen herunterbrüllten,
man werde auf dem Kirchenplatz die Grundbticher aufbringen,
den Grundbuchftihrer daraufsetzen und dann miteinander
verbrennen. Trotzdem hat sich der Vater nie gefUrchtet,
hat sich nie versteckt u. ist nie geflohen. Täglich bekam
er aber Warnungen u. Mahnungen von semen Schwiegereltern
und Schwägern aus Schaan, er solle so bald als moglich
machen, daf3 er in die Schweiz komme, weil sein Leben sonst
in hOchster Gefahr stehe. Em paar Nächte lief3en sich
auch die Schwäger nicht abhalten im Hause zu wachen, weil
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sie einen IJeberfall fürchteten. Es karn aber doch nicht
dazu. Wir Kinder, die Grofmutter u. Mutter fürchteten
uns aber geh6rig. Beschimpfungen u. Mil3handlungen waren
wir immer gewärtig.
Trotzdem ging der ganze Rummel vorUber, ohne da1 uns
eigentlich Thätlichkeiten widerfahren wEren. Der Fürst
schickte eine Commission in's Land, weiche die Beschwerden u. Wünsche des Volkes untersuchen solite. Die gra-
vierendsten Beschwerden gegen die Beamten bestanden darin, daB der Landvogt u. der GrundbuchfUhrer zuviel auf
die Jagd u. zuwenig in die Kanzlei gingen. Es wurde Abhilfe versprochen u. darnit war die Sache vorbei. Die Aufstellung der Nachtwächter blieb aber noch auf 5 Jahre
verschoben.
In diesem unterhaltenden Winter, am 3. Jänner, kam Peter
zur Welt; am 21. August des andern Jahres Hanni.
Im September 1833 wurde Pokorny versetzt u. für ihn karn
Nenzinger her, derselbe, welcher mit dem Vater zur Franzosenzeit Handel gehabt hatte. Er war jetzt freilich em
4Ojähriger Mann u. der Vater urn 3 Jahre alter, aber eine
gewiBe Abneigung u.ein gegenseitiges MiBtrauen konnte
keiner überwinden. Dieses steilte sich zwar erst in den
späteren Jahren heraus, als die Beamtenzahl sich vermehrte, in den ersten Jahren ging wie ich mich erinnere,
Alles freundschaftlich, glatt u. eben ab. Anno 1834 kam
Toni zur Welt.
In diesen Jahren tauchte endlich auch der Gedanke an die
Nothwendigkeit der Entsumpfung des Flachlandes, die Correktion des Rheinlaufes u. Verbindung der Landstral3e durch
NebenstraBen mit dem Rhein bei Bendern u. Trtibbach auf.
Es wurden technische Endhebungen gernacht, zu diesem Zwecke
Ingenieure in's Land geruf en. Zuerst kam Negrelli, Kantonsingenieur von Zurich, weicher em Entwäl3erungsprojekt
entwarf. Das Alles war jetzt Wasser auf Vaters MUhlen,
seine alte Liebhaberei für's Bauwesen erwachte auf's Neue.
Er schlol3 sich schnell Negrelli an u. war ihm behülflich
im Vermel3en und Nivelliren. Anbei entwarf er einen Plan
für die Nendein- Benderer Stra(3e. Der Plan wurde acceptirt
unter der Bedingung, daB der Kostenanschlag von 4000 fl
nicht überschritten wurde. Der Vater fUhrte die Stral3e
sodann auch aus, wobei er noch 100 fl erspardte. Freilich
kosteten die Reparaturen, welche zur Instandhaltung der
StraBe in den nächsten Jahren nothwendig wurden, vielleicht
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auch noch so viel, weil sie theilweise durch tiefe Stimpfe,
theilweise über Torfboden gebaut werden mul3te. Der Vater
sah die Mehrkosten auch voraus, hätte er aber gleich im
Anfang reinen Wein eingeschänkt, ware die Straf3e nie ge-
baut worden. So bekam er aber noch em Belobungsdekret u.
im Herbst 1836 in Anerkennung seiner Verdienste den Rentmeisterposten, wobei ihm noch das sämmtliche Bauwesen Wasser-, StraBen u. Hochbau übertragen wurde.
Das war ibm nun ganz recht, er ahnte durchaus nicht,
welch eine Queue von Unheil u. Unsegen ihm daraus entstehen soilte. Im Jahr 1836 od. 37 baute er auch noch
die Stral3e von Baizers nach TrUbbach. Am wenigsten voran
kam man mit der Entwäl3erung, man wufte kaum wo anfangen,
hatte noch mit viel zu viel Vorurtheilen zu kämpfen u.
zu wenig Erfahrung u. Mittel dazu.
Als im Jahr 1836 die untere Hofkaplanei in Vaduz erledigt
wurde, trachtete Vater aus Leibeskräf ten den damaligen
Benderer Pfarrer Jos. Anton Wolfinger auf die erledigte
PfrUnde zu bringen, was ibm auch trotz allen Gegenbemtihungen des alten Dr. Schädler (Gro1vaters des jetzigen)
der semen geistlichen Sohn, späterer Pfarrer von Bendern,
herbringen wolite, gelang.
DafUr verfeindete er sich aber mit dieser Familie bitterlich u. zeitlebens, besonders der Pfarrer u. sein Bruder
Doctor konnten ibm die, wie sie glaubten, feindselige
Handlung nie mehr recht vergef3en. Etwas Animosität gegen
den geistlichen Schädler war zwar dabei, der Vater hatte
eine gewiIe Voreingenommenheit gegen ihn. Hauptsächlich
hatte er dabei einen andern Zweck im Auge. Die Gemeinde
Vaduz war in geistlicher Beziehung schon lange vernach-
läl3igt, weil sie von jeher elne Filiale der Pfarrei Schaan
war. Die Vaduzer muBten nach Schaan in die Kirche gehen,
wurden dort getauft, getraut und begraben, alle Bestattni1e wurden in Schaan abgehalten, während in Vaduz 2
Geistliche waren, die gar keine andern Verpflichtungen
hatten, als alle Sonntage Mef3e zu lesen, jeden 3. Sonntag im Monat Christenlehre zu halten u. an der Kirchweih
zu predigen. Zwei Sonntage im Monat hatte der Schaaner
Hofkaplan Chrlstenlehre zu halten u. am 4. Sonntag war
keine. Das Kapuzinerkloster in Mels schickte an den 8
höchsten Festtagen des Jahres einen Kapuziner zum Predigen herunter. Was Wunder, dat3 das Volk in religiöser u.
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moralischer Beziehung verwahrlost war. Den Vater wurmte
dieser Uebelstand schon lange u. er beschlo8 alles daran
zu setzen, demselben abzuhelfen u. alle seine Kraft u.
semen Einflu1 bei Hoch u. Niedrig aufzubieten, daB in
Vaduz eine selbständige Seelsorge errichtet werde.
Und als erster Seelsorger schien ibm Wolfinger, der durch
seine Gelehrsamkeit, Selbständigkeit, Tuchtigkeit, Energie u. Lauterkeit des Charakters, sodann durch Unpartheilichkeit u. Wahrheitsliebe bekannt war, eben der rechte
Mann zu sein. Er hatte sich nicht getäuscht in ihm!
Da der Pfarrer von Schaan Vaters Schwager war, setzte er
semen Bestrebungen wenig od. keine Schwierigkeiten entgegen, was em anderer aus Furcht vielleicht, sein Emkoinmen könnte ibm geschinälert werden, gethan hätte.
Widersacher fand dieser Plan am meisten in Vaduz selber,
besonders iinter den Alten, die an das Schaanlauf en gewohnt waren u. anderseits wieder fürchteten, die Gemeinde werde sich durch Errichtung einer Pfarrei bedeutende
Kosten auf den Hals bUrden.
Als Wolfinger am 7t. od. 8t. Dezbr. 1836 die untere Hofkaplanei bezog wurden ihm schon die pfarramtlichen Funktionen übertragen u. er Pfarrer tituliert. Es wurde von
dort an in der Vaduzer Kirche getauft, kopulirt u. begraben. Unsere Lisa sel. die am 7t. Dezember auf die
Welt kam. war glaube ich die erste. die bier getauft wurde od. wenigstens die letzte in Schaan.
Die Verhandlungen zogen sich aber bis in's Jahr 1842 hin,
in weichem Jahre erst Vaduz definitiv von Schaan abgetrennt
wurde, zur Zeit ala FUrst Alois das erstemal als Regent
das Land besuchte. Das Verdienst, daB Vaduz eine selhstthidige Seelsorge wurde. hat sich derVater hauptschlich zuschreiben dürfen, ohne ihn hätte der alte Schlendrian
noch lange fortgedauert- obwohl sich das BedUrfnis nach
Selbstandigkeit auf die Lange der Zeit nicht inehr hätte zuriickd rängeri lass en.
Dank hat er sich natUrlich keinen dabei erworben, auch
keine Freunde, woh.l aber Feinde u.noch nach dreil3ig Jabren
hat es Geistliche in Vaduz gegeben, die das Ganze für eine
Dummheit erklärten u. die Gemeinde EUr einfältig, daB sie
sich babe vom 'Fürsten Uber den Löffel barbiren u. die
Kirchenbau].ast aufbUrden lal3en, weil er ihr die alte Kirche,
die fUrstlich war, in's Eigenthum aber mit der Unterhalts-
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verpflichtung tiberlassen od. vielmehr abgetreten, nachdem sie ihn vorher darum gebeten hatte.
Der Vater hat sich aber deBwegen keine grauen Haare wachsen
lassen u. später noch für die Kirche gethan was er konnte,
so zuerst für die Anschaffung elner neuen Orgel.
Urn diese Zeit wuchs auch das Beamtenpersonal immer mehr an.
Es rekrutirte sich meist aus Böhmen u. Mähren. Nit diesem Elemente konnte der Vater sich nicht gut vertragen.
Diesen Beamten war er überall im Wege, sie bildeten auf
den fürstl. Herrschaften eine elgene abgeschlo2ene Kaste,
die keinen Fremden unter sich duldete. Vater war der erste
Liechtensteiner, der fürstl. Beamter wurde, u. obwohl man
meinen solite, dal3 er als Urliechtensteiner das erste Anrecht auf eine Anstellung im eigenen Vaterlande, sofern
er dazu qualifizirt war, hätte haben sollen, sahen ihn
diese Leute doch als Eindringling an. Er war ihnen Uberall im Wege, bestndig hatte er gegen ihre Intriguen zu
kämpf en. Er ware ihnen wahrscheinlich doch weniger unbequem gewesen, hätte er gemeinschaftlichen Chorus mit
ihnen gemacht, mit ihnen geheult u. ihnen geholfen an
Land und Leuten herurn zurupfen u. zu zupf en ü. tiberhaupt
den Verräther an seiner Heirnath gemacht hatte, dazu war
er denn aber doch zu ehrlich u. zu patriotisch. Er kam
aber im Kampf mit diesen Leuten doch immer zu kurz, weil
er allein stand, zu eckig und zu knorrig u. zu aufrichtig
war. Der Landvogt war gegen ihn, schon aus alter Abneigung, denn obwohl er an u. für sich eine ehrliche Natur
war, war er doch em schwacher, unselbständiger Mann, der
nach der Pfeife seiner Frau tanzte, die eine eitle, hochfahrende u. herrschsüchtige Person war u. sich in Alles
einmischte. Wer ihr schmeichelte, katzbuckelte, die Hand
kUgte u. Klatschereien zutrug, war Hahn im Korb. Dazu war
der Vater nicht der Mann. Daher fast immerwährende Reibereien, Zänkereien u. Feindseligkeiten. Die Folge davon
war auch, dat3 sich der Vater immer mehr zurückzog, mtirrischer und grämlicher wurde. Unter solchen schlechten Händen
hatten wir dann daheim viel zu leiden. Dabei wuchs die
Familie aber noch immer heran. Am 17. März 1839 erblickte
Josef das Licht der Welt. Seine glücklich zu Stande gekommene Geburt gab AnlaI zu der neuen alten Orgel. Ich weiB
nicht ob dir das Wie bekannt 1st od. nicht. Wahrend nHmlich die Mutter mit ihm in der 1-Ioffnung ging, fiel sie
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Uber die lange Hausgang-Treppe hinunter u. blieb bewu1tlos liegen. Der Vater nun voller Schrecken u. 2ngsten
über den Fall rnachte em Geltibde: wenn Ailes ohne Schaden
u. Nachtheil abgehe, wolle er eine neue Orgel anschaffen
od. vielmehr daftir thätig sein. Er hat das Geliibde gewissenhaft gehalten und das Geld zu der Orgel grö8tentheils selbst zusammengebettelt. Am 4t. Februar 1842 kam
Mali zur Welt.
Anno 1846 traf unerwartet em grol3es Unheil el Am Peter
und Paul's Tag frUh brach der Rhein unvermuthet oberhaib
Vaduz herein, und zwar nur bei ganz gewöhnlichem Wasserstand, well der Strom unbeachtet elne ganz ungluckliche
Wendung genommen hatte und senkrecht auf das unbeschützte
u. unbewachte Ufer fiel. Well nun Jemand an dern Unheil
schuld seinmu8te und der Vater damals mit den Rheinwuhr-
bauten betraut war, so lag es am nächsten, da8 ihm
vom
Volke die Schuld daran in die Schuhe geschoben wurde.
Die .Vaduzer, urn sich vor den andern Gerneinden rein zu
waschen, logen denselben vor, sie hEtten am Tage vor dem
Einbruch noch die durchbrochene Stelle schützen wollen,
allein der Rentmeister hEtte sie davon abgehalten, während am besagten Tage auch kein einziger Vaduzer am Wuhrbau beschäftigt war, da Vater am selben Morgen krank im
Bette lag, der Dr. GraB am 1!4orgen ihn besuchte u. em
Brechmittel verordnete. Am selbigen Tag Abends karn auch
Kirchthaler zu ihm und traf ihn noch im Bett. Dr. GraB
hörte diese Ltigen am Rhein selber auftischen, er wuIlte
am besten, da2 es Lugen waren, U. dennoch getraute er
sich nicht dein Volke gegentiber der Wahrheit die Ehre zu
geben und den Lügner als soichen hinzustellen. Ich habe
Dr. GraB diese Feigheit dem Pöbel gegenüber nie verzeihen
können. Der Mann, der die LUge ausposaunte, bezeichnete
sich sonst auch immer als em Freund des Vaters.
Landvogt Menzinger, der die Oberaufsicht über die Wuhrhauten führte, und wenn den Vater elne Schuld getroffen
hätte, er auch nicht ganz unschuldig geblieben ware,
hatte nichts dagegen, wenn das Volk die voile Schuld auf
den Rentmeister wälzte u. ihn mit Verwtinschungen tiberhäufte, wenn nur er ungerupft davon kam. Aber es blieb
nur hel Fitichen und VerwUnschungen und artete in keine
Thätlichkeiten aus, obwohl der Vater immer mitten unter
den Leuten am Rhein war u. obwohl die andern Beamten das
21.
Volk of f en und geheim gegen ihn aufhetzten u. den Unmuth
auf alle Art schUrten u. besonders nicht unterlieBen, ihn
an höchster Stelle anzuschwärzen und zu verdächtigen. Es
gait eben ihn aus dem Sattel zu heben und unmöglich zu
machen; bessere Gelegenheit konnte es keine mehr geben.
Und doch erreichten sie Alle nichts welter, als daf ihm
die Rheinwuhrbauten abgenonirnen u. dem Hauptintriganten
gegen ihn, dem Forstbeamten Gro1 tiberantwortet wurden.
Der Verdrul3 des Vaters darüber war nicht groB, er hatte
die Rhein- und alle anderen Bauten schon lange mehrmals
satt bekommen. Er sah es für em ClUck an, da8 er für
die Zukunft nichts mehr damit zu thun hatte, au1erdem
war es auch eine gro8e Geschäftserleichterung. Das gr6Bte
GlUck war es aber, da es noch nicht 1848 war, denn dann
ware es bös für uns Alle ausgegangen, -man hätte uns emfach wie Katzen ersäuft od. ma2akrirt. Die fremden Ingenieure, die man nun zur Hilfe herbeizog urn den Rhein
wieder hinauszubringen u. für die Zukunft sicherer zu
stelien, kamen ohne Voreingenommenheit hierher und hatten
em unpartheiisches Urtheil. Sie waren sämmtlich auf
Vaters Seite und sprachen ihn von aller u. jeder Verschuldung frei, nachdem sie den Hergang und die Verhältnil3e vorurtheiisfrei geprUft hatten.
Darunter war der schon vorgenannte Oberst Lanicca,
dessen Votum am meisten in's Gewicht fiel. Er blieb von
da an em warmer Anhänger des Vaters. Lanicca wurde das
andere Jahr eingeladen, em Gutachten abzugeben zu einer
umfa8enderen Entwal3erung des Flachiandes (woran man immer
herumlaborirte). Er lieI3 em solches durch seine Ingenieure ausarbeiten und Uberreichte es. Es wurde pflichtgemäl3 bewundert, belobt und die Rechnung dafür mit 1200 fl
honorirt, aber halt nicht ausgefUhrt, denn es kam 1848
heran. Lanicca für seine Person bekam vom FUrsten elne
kostbare gro2e goldene Dose mit den Initialen des fürstl.
Namens A. L. in Brilianten einen Zoll grol3. Die Dose war
800 fi gewerthet.
Urn auf den Rheineinbruch noch einmal zurUckzukommen, mu8-
te das ClavierJosef's,welches der Vater im selben Jahr
angeschafft hatte, circa durch 6 Wochen hindurch schweigen. Denn wenn gespielt wurde, hörte man es auf der Stra2e hinunter u. wenn dann die Leute vorübergingen, wurden
sie noch viel erboster gegen uns, well sie glaubten, wir
seien noch theilnamslos gegen ihr UnglUck, oder schaden-
22
froh und machten ihnen zum Hohn noch Musik. Ueberdiet3
hiel3 es, das Instrument sei doch aus SUndengeld gekauft,
denn die Seveler hätten dem Vater 600 fi gegeben, damit
er den Rhein hineinla1e (als wenn diese elnen Vortheil
davon gehabt batten) sonst hätte er kein so kostspieliges Instrument anschaffen können. Es kostete ja die ungeheure Summe von 120 fi RW.
Es ging auch vorüber und im Herbst waren die Vaduzer froh,
daB Rentmeisters Pepi Clavierspielen gelernt hatte und
nun den Orgeldienst versehen konnte, ansonsten die Orgel
hätte geschlol3en werden miit3en.
Nun kam 1848 heran. Diesinal entlud sich das Gewitter
hauptsächlich Uber die Freniden. Andere Leute batten die
Bewegung in Händen, die mehr od. weniger wuBten was sie
woilten, wenigstens in ibrem Hauptziel, nämlich: für das
Volk em
inenschenwürdigeres Dasein zu erringen, der dominierenden Willkürherrschaft em Ende bereiten und die Herrschaft des Gesetzes anzubahnen. IJeber die Nittel zum Zweck
gab es natürlich viele Neinungen 11. versehiedene Ansichten. Ueber nachstehende Punkte waren aber alle einig:
Ablösung des Zehnten, unentgeltliche Abschaffung der noch
bestehenden Feudallasten, Abtretung des Zolles an den
Staat, Hebung der Volksschule, eine gleichmäBige Berechtigung der liechtensteinischen Geistlichen gegenüber den
Bündnern zu den bischöflichen Ehrenämtern u. WUrden iind
endlich die Hauptsache, eine Constitution.
Der Ftirst fand sich sehr bereitwillig zur Gewährung der
meisten Punkte, soweit die Gewährung in seiner Nacht stand.
Was nicht auf einmal geschehen konnte wie z.B. Hebung des
Schuiwesens und Ablosung des Zehnten wurde wenigstens in
Aussicht gesteilt. Die Ertheilung einer Constitution wurde
versprochen und zu diesem Behufe eine constituirende Versammiung zusammenberufen. Ueber die Stellung der Geistlichkeit hatte er keine Gewalt und es lag den Leuten auch
am wenigsten etwas daran. Mit elner anderen Forderung war
er nicht so ganz einverstanden, nHmlich der Entfernung der
miBliebigen Beamten, Ersetzung derselben durch Landeskinder od. durch Angeh6rige aus den nichtösterreichischen
deutschen Bundesstaaten. Diesen letzteren Punkt wollte
Serenissimus als persönliche Beleidigung ansehen, weil er
ja selber em dsterreicher sei.
Er verweigerte dieses. Die Entfernung der mil3liebigen
23
Beamten versprach er, wenn sie ihm bezeichnet wtirden; es
wurden aber keine bezeichnet.
Ohne Skandale, Lärm und Excesse ging es natUrlich nicht
ab, die Beamten im Ailgemeinen waren in einer sehr unsicheren und precären Stellung, besonders die fremden. Einige, die em schlechtes Gewissen hatten, machten sich aus
dem Staub u. Einer wurde aus dem Staub gemacht, mit Trommel und Pfeife aus der Kanzlei von einem Volkshaufen abgeholt und an die Landesgrenze geleitet. Weiteres geschah
ihm aber nichts zu Leid. Es war em gewil3er Lenger aus
Böhmen, der dem Vater od. eigentlich dem Rentamt als Kanzelist zugetheilt war. Er emanzipirte sich aber bald von
ihm und that was er gem wollte. Lenger war em ächter
Böhme, em unverschämter, arroganter u. gewaltthätiger
Bursche, you Hochmuth und Eigendunkel und dabei em ganz
leerer Kopf, der sich bei der ganzen Bevölkerung verhaft
geinacht, nur nicht bel semen Landsleuten und der GnEdigen, wo em tEglich zum HandkuB erschien und den fleiigen
Zutrger machte. Daher war er Hahn im Korb. Der Landvogt
mute ihm Alles durch die Finger sehen und that es auch
gerne.
Sein Auftreten gegen den Vater wurde immer unverschämter
und unertrEglicher, gegen andere Leute aber auch, bis das
NaB endlich vail war. Eines schönen 11ittags 2 Uhr erschienen die Balzner mit der Trommel, machten vor der Kanziei
Halt, erkundigten sich nach dem Befinden des Herrn Lenger
und erklärten ihm in Gegenwart des verdutzten Landvogts,
daB er fort mUsse und zwar sogleich; sie würden ihn bis
an die Grenze begieiten, weiteres werde ibm aber nichts
passiren. Die Vaduzer schiossen sich dieser Prozession an.
Ich habe es heimlich furchtbar gem gesehen, ich htte
mich genie angeschlossen, wenn ich es gedurft htte. Die
Anstifter des Handels waren auch Vaduzer.
Und wiederum muBte der Rentmeister daran schuld sein.
Weil er em paar Tage vorher einen heftigen Wortwechsel
mit dem Bengei gehabt hatte, so konnte es nach der Logik
von Lenger's Protektorin Niemand anders sein, und weil
sie es behauptete, muBte es lhr Mann auch glauben und verbreitete es weiter auch an Orte hin, wo er voraussetzen
muBte, daB von dort aus dem Vater dafür sehr groBe Ungelegenheiten bereitet werden konnten.
So ging das Jahr 1848 vorüber, von den Beamten waren nur
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der Landvogt - von da an Landesverweser gehei8en Rentmeister und Grundbuchführer übrig geblieben. Auch
das Bundescontingent war auseinandergestoben. Der Coimnandant hatte zur rechten Zeit, noch vor Ausbruch der Bewegung, quittiren mUBen u. der Untercoininandant war davongeritten.
Die Liechtenstejner hatten es fast zu einer Constitution
gebracht, wenigstens zu einer constituirenden Versammlung, die im Jahr 1850 schiafen ging. Die socialen Unbilden, die das Jahr 1848 im Gefolge hatte sowie die vorhergehenden Mil3jahre in Folge des Rheineinbruchs u. der Kartoffelfäule gingen aber für die Amtirung des Vaters nicht
so spurlos vorüber.
Die Leute waren -verarmt, in Schulden gerathen u. theilweise sittlich verwildert. öffentliche Schulden zu bezahien verstie8 gegen ihren Begriff von Freiheit. Zwangsinittel, sie einzutreiben standen dam Rentmeister danials
keine zu Gebot ii. der Landesverweser, wie er nun hiel3,
war em 1Iann ohne Energie u. mochte sich nicht gerne mit
dem Volke verfeinden. Dabei hatte der Vater auch noch die
fixe Idee, daIs das Volk noch viel schlechter stehe od.
viel ärmer sei als es wirklich der Fall war, u. daB es
nicht recht ware, wenn er den Einzug mit der ganzen Strenge u. vollem Ernste betreibe. So kam es nun, daB die offentlichen Rückstände furchtbar anwuchsen, der Einzug von
Jahr zu Jahr schwieriger wurde,ebenso aber das Drängen
von Oben mit den Rückständen aufzuräumen und es wurde ihm
die Haftpflicht für die allenfalls verloren gehenden Posten in Erinnerung gebracht, auch wuchsen ihm die Arbeiten über den Kopf, so daB er sich gar nicht mehr zu helf en wuBte und meinte, sich noch mit Beten heraushelfen zu
kOnnen, was das Schlinnnste war, denn nun that er fast gar
nichts mehr und hoffte wahrscheinlich auf em Wunder, das
aber ausblieb u. nicht kam, wohl aber zu Ostern 1854 endlich em Inquisitions-Commission aus der Buchhaltung, welche die Kassen, Bücher und Rechnungen strenge zu untersuchen und zu prüf en hatte. Diese f and nun zum Glück den
Teufel nicht so schwarz, wie sie sich u. er selber ihn sich
vorgesteilt hatte, d.h. sie fanden nur rückstandige Arbeit
und nichteingegangene Schuldposten. Die BUcher und Kassen
waren bis a-uf den letzten Pfennig u. Heller richtig, sogar noch 600 fl mehr in der Kasse, als sein sollte. Diese
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wolite man ihm als sein Eigenthum zur Verfilgung stellen,
er aber erklErte sie nicht als sein Elgenthum ansehen u.
daher auch nicht annehmen zu können. Aus diesem Vorgange
fa2ten sie Vertrauen zu ibm u. sahen bald em, da2 sie
es jedenfalls mit elnem Ehrenmanne zu thun hatten. Aus
der Untersuchung ging er rein heraus, d.h. auf die Ehrenhaftigkeit der Amtirung fiel kein Makel, man konnte ihm
nur vorwerfen, daB er zu saumselig im Einkassiren gewesein sel u. dann stellte sich auch heraus, daB er den Geschäf ten in ihrem ganzen Umfange nicht mehr gewachsen war
und es wurde ihm daher der gröBere Theil der Arbeiten,
nmlich die Fuhrung der Staatskasse abgenommen u. ihm nur
mehr die Domänenverwaltung überlassen. Im Herbst 1857 endlich wurde er pensionirt im 68ten Lebens- und 38ten Dienstjahre. Er zog nun wieder zurück in sein Geburtshaus.
Nit den Sorgen war es aber noch nicht vorbei. Einzelne der
ausstehenden Gelder wurden strittig od. konnten wegen Verarmung od.Abwesenheit der Schuldner nicht mehr eingehoben
werden, diese fielen dem Váter zur Last und wuchsen auf
600 bis 800 fi an.
Dieses wEre aber noch Alles zu verschmerzen gewesen, wenn
nicht der Fall mit Jakob Quaderer noch dazugetreten wEre.
Den aber noch ganz zu beschrelben, würde wirklich zu welt
ftihren u. ich wüBte nicht, wann ich damit fertig würde.
Genug, er wurde erst nach langem Kunimer, Sorgen u. schiaflosen NEchten im Jahr 1863 bereinigt mit einem Schadensersatz von 4000 fl von Seite des Vaters an die fUrstlichen
Renten, d.h. Vater konnte dem Fürsten em GrundstUck urn
diesen Preis abtreten, das diesen Werth zwar nicht hatte,
dessen Verlust auf diese Art aber doch schmerzte.
Wenn Du einmal wieder herkommst u. mich daran erinnerst,
will ich Dir den Hergang haarklein mündlich erzEhlen.
Die spEteren Affairen kann Dir Dein Mann erzEhlen. Charakter und GemUth des nun Heiingegangenen kennst Du ja auch
und ich schlieBe jetzt, ihn Deinem liebevollen Andenken
empfehlend.
Geschrieben von David Rheinberger
z.Z. Regierungssekretar in Vaduz
im Sommer 1876.
Erhalten in Bad Kreuth d. 16. August 1876.
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Uber Josef Rheinbergers Kindheit sind wenige authentische Zeugnisse erhalten. Die einzigen Nachrichten
verdanken wir der Gattin des Komponisten, die sich im
FUrstentum Liechtenstein urn Quellen aus erster Hand
bemühte. Sie erbat von Josef s Lehrern Augenzeugenberichte.
So schrieb ihr Johann Franz F e t z (1852-1884), der
in Rheinbergers Kindheit Hofkaplan in Vaduz war, nach
Münc hen:
Hochverehrteste Madame!
Sie wUnschen einige ZUge aus Josefs Kindheit. Eine
lebhafte Biographie zu schreiben, habe ich das Zeug,
wie man sagt, nicht; aber was ich erfahren, will ich
Ihnen getreu rnittheilen.
Josef Rheinberger ward geboren d. .17. März 1839 zu Vaduz, FUrstenthurn Liechtenstein. Sein Vater Joh. Peter
Rheinberger war darnals fürstlicher Rentrneister; seine
utter, Elisabeth geborene Carigiet von Disentis im
Kanton GraubUnden, deren Bruder Jacob Anton Carigiet
darnalen Dorndecan an der bischöf 1. Cathedrale zu Chur,
war früher vieljhriger Pfarrherr in unserer Nachbarschaft 'Schaan'. Der Grundcharakter dieser Eltern unsers' Josefs ist beharrliche Religiosität.
Uber den kleinen Josef - oder wie er jetzt noch hier
genannt wird 'Peppe' - waltete die göttl. Vorsehung
wunderbar. Nicht lange vor seiner Geburt hatte seine
Mutter das Ungifick tiber eine lange Hausstiege herunterzustUrzen, so daf man für die Geburt desselben schwere
Folgen ftirchtete. Der ängstlich besorgte Vater rnachte
in diesen bedenklichen Tagen das Versprechen: der Kirche zu Vaduz eine neue Orgel zu widmen, urn eine gltickliche Entbindung zu erflehen. Gegen alle Erwartung hatte jener Fall der Mutter gar keine schlimnrnen Folgen.
Mit dem Bau der Orgel wurde begonnen und ausgeftihrt.
Inzwischen wuchs der kleine Peppe gesund und blUhend
herauf. Seine älteste Schwester Johanna (eine Barmherzige Schwes-ter in Tirol) soilte auf Anregung seines
obgenannten Oncle's, damnals Pfarr in Schaan, sich der
Musik widmen. Er verschaffte ihr hiezu em altes Clavier, em Schullehrer von Schaan herkoimnend ertheilte
Unterricht. Der Vater war anfangs damit nicht einver-
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standen, er sagte: Meine Kinder sind nicht musikalisch,
das haben sie nicht erben können. Er hatte jedoch Unrecht!
Wie der 5jährige Peppe das Geklipper des Clavier's hdrte, mischte er sich allmälig in den Unterricht, probirte mit semen kleinen Fingern die Tasten zu drticken
und war bald nicht mehr davon abzuwenden. Als der Lehrer dies bemerkte, lieI3 er die Schwester Johanna bei
Seiten und nahm den ki. Peppe in den Unterricht. Die
AnfangsgrUnde waren schnell überwunden und die Fortschritte merkwürdig. Nun kam's zur neuen Orgel, da waren aber die FUfe für das Pedal zu kurz, und muBte em
zweites erhöhtes Pedal als Sattel darauf construirt
werden, und Peppe wurde mit dem 9. Jahre Organist. So
war Peppe, dessen Geburt den Orgelbau veranlal3t hatte,
der e r s t e Organist an dieser neuen Orgel. In der That inerkwürdig!
Während des Unterrichts in Clavier und Orgel besuchte
Peppe vom 6. Jahre an die hiesige Dorfschule; was er
hier erlernte, war aber nicht von Bedeutung, denn sein
Kopf steckte mehr beim Clavier und Orgel oder bei den
Kinderspielen. Trotzdem übertraf er alle seine MitschUicr. Als einmal diese vom Lehrer über Mittag Schularrest erhielten, da murrten sie, da8 nur der Peppe
davon gekommen sei; der Lehrer sprach: 'Peppe lernt
auf dem Sandhauf en mehr als ihr alle in einem Tage'.
Unser Peppe pflegte seine Jugendunterhaltungen oft
auf einern Sandhauf en oder in einem kleinen Graben zu
treiben; von der Orgel in den Graben und auf den Sand
- in einem Sprunge. Jemand äu8erte einnial an einem
Sonntag nach dem Gottesdienst vor der Kirche den Wunsch,
den kleinen Organisten zu sehen und erhielt die Antwort: 'Schauen Sie hin dort am Brunnen steht er im
Graben mit dem Wasser spielend!.
Peppe besuchte die Dorfschule nur kurze Zeit, höch1/2 Jahre war er in der Mustens 3 1/2 Jahre; dann
siklehre zu Feldkirch, kam jedoch jeden Sonnabend und
an Vorabenden von Festtagen nach Vaduz urn an Sonn- und
Festtagen die Orgel zu bedienen und ging gleich wieder nach Feldkirch und gewohnlich zu Fu13 3 Stunden
weit. Vom Herbste 1850 bis 51 erhielt er bei mir cmigen Unterricht mit einem gleichjhrigen Cameraden, den
1
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er welt überschaute, oft zum besten hielt, der es noch
nicht welt gebracht hat. Ich weil3 aber wahrhaft nicht,
was er bei mir gelernt, denn wir trieben es nicht so
ernstlich und gar nicht genau. Sein Studien- und Lesezimmer war oft sehr original. Er machte sich auf irgend
einem Baum einen Sitz zurecht und setzte sich unter die
Vogel hin mit einem Buche in der Hand. Nun handelte es
sich urn eine ernstliche und weitere musikalische Ausbildung. Der besorgte Vater sträubte sich lange den jungen
Sohn in die weite Welt hinaus zu entlassen. Herr Pfarrer Wolf inger in Türkenfeld übernahm die Stelle eines
Mentors und Offnete dem Peppe Bayerns schöne Hauptstadt
und so kam er im Herbst 1851 in's Conservatorium nach
MUnchen, wo er bald der Liebling der Herren Professoren v. Mayer und Schaffhäutel wurde. Wie es dorten wel-
ter erging, wissen diese Herren besser als ich zu er-
zEhien. Die Erfolge waren tiber alle Erwartung zur
hOchsten Freude der Eltern, Geschwister, Verwandten
und Freunden - und diesen Erfolgen setzten Sie, Madame,
die herrlichste Krone auf...
Ihr ergebenster Job. Franz Fetz, Hofkaplan
Vaduz, 29. August 1867.
Sebastian P 5 h 1 y, Rheinbergers erster Lebrer, halt
seine Erinnerungen ebenfalls in einem Brief an Franziska Rheinberger fest:
"Hochverehrte, gnädige Frau!
Im Jahre 1844 Im Herbste kam ich nach Schaan mi Ftirsten-
turn Liechtenstein, diente dort als Unterlehrer und hat-
te auch den Organistendienst zu versehen. Der Hochw.
Herr Dekan und Landesschulinspektor Carigiet war em
Bruder von der sel. Frau Mutter Ihres hochverehrten
Berm Gemahls, 'meines lieben Pepi. Dieser ersuchte mich,
ich iuOchte den zwei grSl3eren Schwestern des Pepi doch
em wenig singen iind Gitarre spielen lernen, mit dem
Benierken, ich brauche sle eben nicht musikalisch zu unterrichten, sondern ihnen nur soviel beibringen, da8
sie allenfalls in 'mli1igen Stunden elne kleine Aufheiterung fänden. Ich ging also nach lladuz in das elterliche Haus ineines lieben Pepi, fand seine 2 Schwestern
in der unteren Stube und begann den Unterricht. In
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diesem Zimmer war auch der spanneniange kieine Pepi
gegenwErtig. Ich sagte: Komm her, Pepi, und sieh zu,
wie ich deinen Schwestern die Noten lehre. Er kam
schüchtern herbei, und weil er viel zu klein war, urn
mit semen zwei Schwestern auf das Pult zu sehen, wo
ich ihnen zuerst die 5 Noten auf den Linien, und dann
die 4 Ubrigen auf den ZwischenrEumen beibrachte, so
nahm ich einen Stuhi, stelite meinen kleinen Mozart
darauf, und rtickte selben zwischen seine zwei Schwestern. Nach beendigtem Unterricht fragte ich auch ihn
ilber das Gelehrte, und immer zeigte es sich, dal3 er
die vorgetragene Sache eben so gut aufgefaft habe, wie
seine beiden Schwestern. Als nun diese einige kleine
Ubungen in einem Raum von 3 Tönen mit Begleitung der
Geige singen konnten, sagte ich einmal, ais eben gerade sein sel. Vater gegenwErtig war: Wie, Pepi, singe
auch diese Tone! und er sang sie mit seiner schwachen
Kinderstimme, zu meiner grOl3ten Freude ebenso richtig
wie seine beiden Schwestern.
Von seiner Emsigkeit und guten Aniage tiberzeugt, sagte
ich zu seinem sel. Vater: Mit dem miissen wir Kiavier
spielen anfangen. Der sel. Vater iachte und antwortete mit diesen Worten:
'El, was fällt Ihnen nicht em, was wollen Sie denn
mit einem soichen kielnen Kind anfangen'?
Meine Antwort darauf war:
'Ja, wenn es etwas Rechtes werden soil, so muf3 man
schon in frtihester Jugend anfangen'.
Lassen Sie mein Klavier (es verdiente diesen Namen
wahrlich nicht, denn es war nur eine Kiapper mit nicht
ganz 5 Oktaven, wovon noch tiberdies von einer halben
Oktave oben und von einer halben unten die Saiten fehiten. 0 gOttliche Armut! Denn in meinem ganzen Leben
bin ich noch nie so reich gewesen, mir nur em haibwegsbrauchbares Kiavier anschaffen zu kOnnen), von
Schaan herbringen und wir werdens probieren. Die Kiapper wurde nun von Schaan nach Vaduz gebracht und der
Unterricht begann. In kurzer Zeit sah der sel. Vater,
daB es mit seinem kleinen Pepi schneii vorwrts gehe,
und ais ich ibm erklärte, daB wir auf dieser Kiapper
urxmogiich weiter fortsetzen kOnnen, schrieb er nach
Wien, und es kam in kurzer Zeit em aufstehender Fitigel,
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weicher im oberen Stocke in einem geräumigen, schönen
Zimmer aufgestellt wurde. Von diesem kommt man rechts
in em kleineres Nebenzirniner, wo der anne Toni,dem kleinen Pepi sein Bruder, ich weiB nicht mehr wie lange
schon, das Bett hUten multe. Dieser hörte immer den Un-
terricht und das Spiel seines kleinen Bruders Pepi und
zeigte viel Freude und Vorliebe für Nusik. Daher setzte
ich ibm, sein langes Krankenlager etwas zu erleichtern,
aus Glasspänen, weiche ich von verschiedenen Glasern
sammelte, eine 1 1/2 Oktav umfassende Glasharmonika zusammen, womit er dann mitteist 2 Hämmerchen kleine Stük-
ke auf den Noten spielen lernte, wozu ibm wohi manchmal der kleine Pepi als Lehrer beigestanden sein mag.
Als Beweis seines FleiBes, seiner Tätigkeit und seiner
Bruderliebe lege ich Ihnen die Orgelkompositionen bei,
weiche er mit Bleistift für semen lieben Bruder Pepi
kopierte und die ich, ich weiB nicht wie, unter meinem
übrigen Plunder mitgenommen habe. Ich babe sie immer
als teures Andenken aufbewahrt und bin nun herzlich
froh, da1 ich solche dem rechtmäl3igen EigentUmer zu-
rückstellen kann, da ich nun im Besitze eines noch viel
wertvolleren Andenkens bin.
Von nun an, hochverehrte, gnädige Frau, finden Sie das
Kleeblatt iminer an em- und derselben Stelle versammelt. Sobald der sel. Vater wu1te, daf der Lehrer kommt,
war er gewil alle Male ohne Ausnabme gegenwartig und
horchte, wie wir zwei, Pepi und Lehrer, miteinander
verkehrten. Vater hatte immer semen Platz hinter dem
Tisch unter einem groi3en Spiegel; Ihr hochverehrter
Herr Gemahi als kleines liebes Büberl am Klavier, und
der Lebrer neben ibm.
Wir hatten verschiedene Ubungen in 5 Tönen mit ruhig
stilistehender Hand auf der Kiapper schon ziemlich emgeübt, aber sobald wir den Flügel hatten, gings erst
recht drauf los. Zuerst in 5 Tönen, 5, 10, 20, 30,
auch 100 Nal, so lang es eines Kindes Kräfte nur erlaubten. Dann je 1, 2, 3, 4, 5, 6 Oktaven oder gebro-
chene Akkorde, 100, 500 auch tausend Mal.
Ich mul3te aber urn den Ehrgeiz meines kleinen SchUlers
zu befriedigen immer laut zählen. Wenn ich manchmal
wahrnahm, da1 mein kleiner SchUler von langen, anhal-
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tenden Ubungen erschöpft war und ich ihn fragte, ob
er mUde sei, oder die Arme erschlaffen woliten, nie
kam em Ja zur Antwort, denn sein EhrgefUhl hätte dies
nicht zugelassen; nur aus seinem kindlichen Buck, mit
dem er mich ansah, konnte ich lesen: Ja, Lehrer, ich
bin milde, es ist genug. Bei diesen Ubungen kam mir der
treffliche sel. Vater mit semen Zwanzigern treulich
zu Hilfe.
Wir spielten die ersten zwei Jahre nebst den verschiedenen Ubungen urn die gehörige Gelaufigkeit zu erlangen sehr viel zu 4 Händen, und zwar alles, was ich auftreiben konnte, da wir an anderen passenden Musikalien Mangel hatten.
Erst spater spendierte uns der sel. Vater die Schule
der Geläufigkeit von Czerny, nachdem wir die 100 Ubungsstllcke von selbem schon tüchtig durchgearbeitet hatten. Später zwei Bände Sonaten von Haydn, Don Iuon(!)
von Mozart, kurz alles was uns unter die Hände kam.
Uns, oder vielmehr meinen kleinen SchUler schreckte
nichts mehr, wenn ich ibm nur an schwierigen Stellen
den wichtigsten Fingersatz anzeichnete.
Hochverehrte, gnädige Frau! Nun will ich Ihnen auch
sagen, wo Ihr hochverehrter Herr Gemahl, der gefeierte Tondichter, mein lieber Pepi, das erste Mal öffentlich als Klavierspieler auftrat und aller Augen auf
sich zog. So wie an anderen Orten kam auch in Vaduz
alle Jahre der Fasching. Mehrere Herren Beamte und Btirger ersuchten mich, ich möchte ihnen doch einmal eine
Tanzmusik besorgen. Da aber Liechtenstein zur selben
Zeit an rnusikalischen Kräften arm, ja sehr arm war,
so sagte ich ihnen, sie möchten sehen, vom Kaufmann
Schlegel in Schaan semen Flllgel, den er aus 11Unchen
bezogen und einen sehr kräftigen Ton hatte, zu bekom-men und fUrs Ubrige werde ich sorgen. Schlegel sagte
zu. Dieser Kaufrnann Schiegel hatte em Töchterchen,
welches wenigstens urn 2 Jahre alter war als mein lieber Pepi. Sie besuchte bei mir die 1. Klasse der Yolksschule in Schaan.
Ohne Mitwissen und ohne alle Veranlassung von Seiten
ihrer Eltern, sondern blof zu meinem VergnUgen, unterrichtete ich dieses Mädchen nach beendeter Schulzeit, und zwar schon einige Monate frUher, als ich
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mit meinem lieben Pepi anfing, im Gesang und brachte
ihr auch auf meiner Kiapper die ersten Anfangsgriinde
im Kiavierspiel bei. Als wir uns einmal vielleicht
zu lange miteinander bei unserer Kiapper verhielten,
trat ihr Vater ganz unverhof ft ins Zimmer, und fand
uns bei derselben. Seffele, sagte ich, nun spiele dem
Vater em paar Stückchen vor! Es waren aber diese, die
ich Ihnen beigelegt und die auch Ihr H.V. Herr Gemahi,
der kleine Pepi, zuerstgespielt hat. Der gute Vater
war ganz überrascht. Voll Freude ging er nach Hause
und schrieb urn obgenannten Flügel nach München. Das
liebe Nädchen hatte auf Anraten ihres Lehrers zu Hause nie etwas merken lassen, daB sie ihr Lehrer im Gesang und Kiavierspiel unterrichte.
Ich setzte nun Pepi (der das NHdchen schon weit Uber-
flugelt hatte) zur rechten und Seffeli zur linken Seite am Flilgel und studierte mit ihnen verschiedene
Partien von Lanner und StrauB ohne groBe NUhe em.
Der bestimmte Abend kam. Der gesainte hohe Adel, gemischt mit den angesehendsten BUrgern und allen Beainten des Fürstenturns Liechtenstein und einigen Gä
sten aus Feldkirch waren versammelt. Nach beendetem
Festessen setzte sich Pepi und Seffeli am Flügel,
spielten eine Partie nach der andern von Lanner,
Straul3 u.a.m. herunter, daB es eine Freude war. -
Den Applaus und die Verwunderung von allen Anwesenden
können Sie sich vorstellen. - Das war bis heute der
freudenvoliste Tag -meines Lebens, und das umsomehr,
weil ich diese kostbare Perle, meinen lieben, lieben
Pepi selbst gefunden und ans Tageslicht gezogen habe.
Von nun an bekam Pepi öfters Besuche, besonders von
Musikfreunden aus Feldkirch, denen er vorspielen
muBte. Als einmal der Hw. Bischof von Chur durch
Liechtenstein reiste, lieB er, als er an das elter-
liche Haus meines kleinen Mozarts hier ankam, Halt
machen, stieg aus seinem Wagen, besuchte meinen lieben Pepi und lieB sich von ihm vorspielen.
SpHter reiste Pepi in Gesellschaft seines sel. Vaters nach Chur, aus welcher Veranlassung weiB ich
nicht; inir sagte nur der sel. Vater, daB er sich auch
dort hören lieB und groBes Lob -und Verwunderung her-
vorrief.
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Einmal nach beendigter Lehrstunde sagte der sel. Vater zu mir: Lieber Pöhli, jetzt haben wir unsern Organisten verloren, wo werden wir einen soichen hernehmen? Ich dachte eine zeitlang nach und sagte ihm:
Haben Sie nur em wenig Ceduld, es wird sich wohl einer finden.
Pepi und ich setzten uns zusammen am Tisch vor em
Blatt Notenpapier und ich fing an, ihm den Dreiklang
in semen drei Lagen zu erklären. Nach diesem seine
Umkehrungen, den 6-Akkord und Quartsext-Akkord. Ich
liel3 ihn von nun an viel schriftlich arbeiten, indem
ich ibm auf den angegebenen Grundtönen nur eine Ziffer schrieb, die den betreffenden Akkord andeutete,
und die er dann in vollständigen Akkorden mit Noten
dartiberschreiben mul3te, jedoch so, daB das Ganze eine
Art Nelodie bildete und das Ohr befriedigte. Als ich
llberzeugt war, daB er dies ganz los hatte, erklärte
ich die Verwandtschaft der Tone und Tonarten. Zum Beweise, ob er mich verstanden, folgten wieder viele,
recht viele schriftliche Aufgaben. Em Fehler, den
ich einmal korrigierte, kam zum 2. Mal nie mehr vor.
Ich weiB mich ganz gut zu erinnern, wie ich einmal zu
ihm sagte: Pepi, jetzt kannst du dir den ganzen Freundschaftstonzirkel durch alle 24 Tonarten wohl selbst zusammensetzen? Er schaute mich mit semen lieben, alles
durchdringenden Augen an - und schwieg. Das Wort 'ich
kanns nicht' kam nie Uber seine Lippen. Ich verstand
ihn aber gut, er hatte die Sache nicht aufgefaBt.
Ich sagte dann: Sieh, mein lieber Pepi, wenn du vom
Grundton C ausgehst und das erstemal eine kleine und
dann eine groBe Terz faust und den ersten Akkord Dur,
den andern Moll darUbersetzest, so kommst du durch
alle 24 Tonarten durch, und zuletzt wirst du wieder in
C-dur sein. Erschaute mich an - und sagte nichts.
So konime ans Klavier, ich werde dir die Sache begreiflich machen. Nun also den Grundton C, den perfekten
Akkord in der Oktavlage dazu, jetzt im BaB eine kleine Terz fallen, jetzt hast du den a-moll Akkord in
der Terzlage in der Hand? Jetzt eine groBe Terz fallen - jetzt hast du ja den F-dur Akkord in der Quintlage u.s.f. Mache nur, du wirst es schon zusammen-
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bringen his ich wiederkoinme, niimn nur das Kiavier zu
Hilfe. - Als ich das nächste Mal kam, hatte er den
ganzen Freundschaftstonzirkel zusammengesetzt, nur
einige Male in der Lage gefehit. Die Fehier wurden
korrigiert und die Aufgabe wiederholt, und als ich
das nächste Mal kam, rUckte Pepi geschwind mit seinem
Aufgabenbuch heraus, und der Freundschaftstonzirkel
war korrekt durchgefiihrt. Dies tat er alle Mal, wenn
er ganz sicher daran war, dal3 seine Aufgabe richtig
sei; im umgekehrten Falle mul3te ich selber verlangen.
Als wir oben Besprochenes wieder ziemlich inne hatten, gings Uber den Septimenakkord mit semen Umkehrungen los. Da gabs wieder Aufgaben in HUhle und FUlhe, weiche ahle mit bestem Willen hingenommen und
ausgearbeitet wurden.
Mittlerweile unterhandelte ich mit einem Tischler in
Schaan, einem gewissen Nägehi, ob er mir nicht auf
der Orgel in Vaduz nach meiner Angabe em neues Pedal
über dem schon vorhandenen anbringen könnte, und zwar
so, da1 wenn das obere gedrUckt, auch das untere mitteist eines Hohzstabes mitgedruckt wird. Ich nahm Ma
von meines Schülers kurzen FüBen, gab selbes dem Tischher und das Pedal wurde zu meiner vollsten Zufrieden-
heit hergestehit.
Nach beendeter Klavierhektion gingen wir manchmal in
die Kirche in Vaduz, und Pepi spielte seine Akkorde
oder em Stuck aus beihiegenden Orgelkompositionen
von Martin Voigt.
Wir studierten auch heimhich vor seinem sel. Vater
die grol3e Vokalmesse von selbem em. Zu Schaan hatte
ich em gemischtes Quartett zusammengestehit und die
nämliche Messe gut eingeiibt und am Josefi-Fest, des
sel. Vaters Namenstag, wurde sie zu seiner und zur
Ehren Gottes mit vohister Zufriedenheit in der Kirche
zu Vaduz aufgefuhrt. - (Bei dieser 11esse war es, wo
er Tmir ins Ohr fhüsterte: Heute haben wir gewi3 em
Kalbi bekomnien!)
Auf dem Ball im Bräuhause in Vaduz war auch eine junge,
erst neuverehehichte Frau des fUrstlichen Gehagbereiters anwesend. Wenige Tage nach dieser Abendunterhaltung kam derselbe mit semen 2 Schimmeln und die junge, erst neuverehhichte Frau im Wagen vor dem Schuihaus
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in Schaan angefahren. Herr Gehägbereiter karn zu mir
ins Zimmer (der Unterricht hatte schon begonnen) und
sagte zu mir: Pöhli, heute mUssen Sie so gut sein
und mit mir nach Feldkirch fahren. Die Antwort war,
das darf ich nicht ohne Bewilligung des Hw. Herrn
Schulinspektors.
Er ging, brachte die Bewilligung desselben und setzte
mich zu seiner erst neuverehlichten jungen Frau in den
Wagen und er kutschierte auf dem Bock. Während der
Fahrt redete ich so hin und her, und da ich nicht erreichte, was ich woilte, nämlich den Zweck und die
Ursache dieser Fahrt, so fragte ich, als wir Feld-
kirch immer näher rlickten, die gnädige Frau, was denn
der Zweck und die Ursache dieser Reise sei. Sie sagte
mir: Sie müssen mit meinem Mann em Kiavier kauf en.
Ja, wer will denn bei Ihnen Kiavier spielen lernen?
Das täten Sie nicht erraten, war die Antwort. In kurzer Zeit fragte ich wieder: Ja, wer will denn lernen?
Und sie antwortete: Weil Sie es gerade wissen wollen,
so will ich es Ihnen sagen: 'Ich will es lernen'. Die
2 Kinder, besonders der kleine Pepi von Rheinbergers,
gefiel mir so aul3erordentlich, dal3 .ich den festen
Entschlul3 gefaBt habe, es auch zu lernen. 0 liebe,
gnädige Frau, antwortete ich, Sie haben weder die Geduld noch Zeit dazu. Ich habe mit ineinem Mann schon
gesprochen, sagte sie, er lä1t mir Zeit genug, und
mein EntschluB ist fest gefait, ich werde alles be-
folgen, was Sie mir sagen. Wir waren in Feldkirch angekommen, der Wagen hielt, wir stiegen aus.
Gehägbereiter und ich gingen. Als wir eine gute Strekke vom Wagen entfernt waren, sagte ich: Lieber Herr
Gehägbereiter! Das Geld, welches Sie für em Instrument ausgeben, geben Sie ganz unnUtz aus, das kann
ich Sie auf meine Ehre versichern. Sie können Ihrer
Frau wohl die Zeit, aber die Geduld und Ausdauer können Sie ihr nicht geben, und hätte Ihre gnädige Frau
tausend feste Vorsätze gefaft, es geht nicht mehr,
das sage ich Ihnen noch einmal.
Er stutzte und dachte nach und sagte: Ja, was machen
wir? WirmUssen eine Finte erdenken, sagte ich, und
Ihrer gnädigen Frau weis machen und sagen, es sei gegenwärtig in ganz Feldkirch auch für teures Geld kein
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Klayier aufzutrejben und wir mtissen eine kleine Zeit
Geduld haben. Die gute gnädige Frau muBte sich fügen, denn der Gehägbereiter kam zum zweiten Mal nicht
mehr mit semen zwei Schinunein vor dem Schuihause in
Schaan an.
Nun will ich Sie, hochverehrte gnädige Frau, auf einige CharakterzUge meines lieben Pepi, mit denen er
sich von anderen Kindern unterschied, aufmerksam machen.
Er war schon als Kind you Ernst, nicht leichtsinnig
und flatterhaft wie andere gewöhnliche Alltagskinder,
sprach sehr wenig, und nie habe ich ihn in Gesellschaft mit anderen Kindern oder einem Spielzeug spielen gesehen. Er war entsetzlich lernbegierig und wollte mimer vorwärts. Als ich ihm aber sagte: Lieber Pepi! Aus den Lëuten, die alles nur so oberflächlich
nehmen und die Sache nicht gründlich lernen, wird nie
etwas Rechtes, dies war genug. Nit gutem Willen rezitierte er wieder das Alte. Ich weil3 mich nicht zu
erinnern, da!3 er mir.während unserer ganzen Lehrzeit
nur einmal eine Veranlassung zi.i einer Ruge Oder Zurechtweisung gegeben hätte. Indem ich sonst gewohnt
bin, Kindern, wenn auch ihre Jugendfehler, nicht Ungerügt durch die Finger zu sehen.
Trotz und Starrsinn kannte er nicht.
Er zeigte groBe Anhänglichkeit an semen Lehrer; denn
wenn er nur einigermaBen die Zeit wuBte, wann ich
komme, ging er mir iimner entgegen, reichte mir die
Hand und wir gingen Hand in Hand an unser Werk. Ich
sagte: Er war immer sehr ernsthaft; denn ich habe
ihn niemals lachen gesehen oder gehort; er war em
Mann mit Charakter in seiner Art. Er war em liebes,
unschuldiges Kind, er war em Engel.Danke hundert tausend Hal, für diesen mir so angenehmen Auftrag und für Ihr so wertes Schreiben, das mir
so viele und groBe Freude verursachte. Immer klingen
die Worte: 'Alles, was sich auf die Kinder und Lernzeit meines lieben Nannes, Ihres einstigen Schülers,
bezieht, sind von gröBtem Interesse', und wieder:
'Nicht nur wegen seines Könnens, sondern wegen seines
braven Herzens', in meinem Herzen wieder.
Hochverehrte, gnädige Frau! Nochmals recht herzlichen
37
Dank. Nun weil3 ich, daf, so wie ich eine Perle an ihm,
er eine kostbare Perle an Sie, dat3 er em Herz gefunden, weiches Seiner wert, dat3 er wahrhaft glücklich
ist. -
Dies meine unermet3lich grole Freude. Indem ich Ihnen rneinen untertänigsten Handkul3 melde,
verbleibe ich mit gröf3ter Hochachtung
Euer Hochwohlgeboren dankschuldigster
Sebastian P6hly.
Schlanders am 3. Juli 1876".
Authentische Quellen aus Rheinbergers Lehrzeit bel Ph.
Schmutzer in Feldkirch haben sich nur spärlich erhalten. Einige Brief e des jungen Studenten an semen Bruder Anton geben interessante Hinweise auf das Milieu,
in dem Rheinberger seine ersten Einblicke in professionelle Musikpflege tat. Zugleich zeigen diese Briefe
aber auch, daf3 ihr Schreiber sich durchaus einer "Fremdsprache" bediente, wenn er seinem Bruder in "Schrif tdeutsch" seine Wünsche Ubermittelte:
Lieber Bruder!
Da ich gestern vergessen habe, dir durch den Vater kund
zu thun, da2 du mir die beiden Hefte = Etudes par les
Pianoforte von Chramer (sic)= schicken sollst, so be-
richte ichs dir heute schriftlich; u. bitte dich sie mir
Samstags mit den Variationen von Döhler durch den Bothen
zu schicken. Der Mutter, welche ich herzlich grül3e, sage, sie solle
so gut sein, u. mir Schnupftücher schicken.
Dein Bruder Joseph
Anton Rheinberger Ubernabm für den Musikstudenten ge-
treulich Kopistendienste. Josef schreibt ihm:
38
Feldkirch, den 16. Jenner 1850
Lieber Bruder!
Das Clockenspiel von Schlesinger schicke du inir gleich,
sobald du es abgeschrieben hast; denn ich kann nicht
wissen., wenn es zurtickverlangt wird. Die StrUmpfe habe
ich erhalten, die Wäsche vom Boten erhalten, die Etuden
auch. Dem Peter kannst du sagen: das SilvesterbUchlein
weiches den deutschen }lichel enthlt, ist hier in Feldkirch zu haben; wenn er es will, so soll er es mir berich ten.
Neues - - nichts. Der Hr. Chorregent war vier Tage abwesend. Grül3e mir alle, Vater u. Mutter, besonders
recht herzlich
Dein treuer Bruder Joseph.
NB. schreibe inir bald! Heute morgens habe ich den
2ten Theil angefangen.
Eine Woche später geht em
Anton Rheinberger ab:
ausführlicher Bericht an
Feldkirch, den 22. Januar 1850
Lieber Bruder!
Das Glockenspiel, die 2 Paar Hosen u. die SchnupftUcher u. Apfel habe ich richtig erhalten, u. sage für
das erstere dir, für das andere aber der Mutter meinen innigsten Dank.Ungefähr vor 14 Tagen war em Concert; es wurde von
einer ausgezeichneten Nusikgesellschaft aus Carlsbad gegeben, aliwo ich wieder Gelegenheit hatte, 3
ausgezeichnete Musikanten zu hören, den iten auf der
Flöte, den 2ten auf dem Waldhorn, u. den 3ten auf der
Violine. Die ganze Gesellschaft bestand aus 2 Violin,
einer Flöte, em Clarinett, 2 Horn, eine Viola und
em Violon. Ich durfte frei eintreten. Das Concert
dauerte bis 1/2 12 Uhr Abends. Also Schneider Fischer fort? Was macht Hannibal?
1st es Spal3 oder Ernst, da8 der Vater 2 Pferde gekauft hat? Dem hater kannst du sagen, daB ich den Hr.
Chorreg(enten) gefragt habe, was ich als Gegenstück
39
auf Wettlers. "Et incarnatus est" componiren soil;
er antwortete kurz:" Du kannst noch warten." (wahrscheinlich, well er übei gelaunt war).
Demungeacht, u. ohne sein Wissen, lrnbe ich Varlationen
componirt für 6lnstrumente nmlich: 2 Violin, 2 Horn,
2 Clarinett, eine Viola und Violoncello, wie du es
finden wirst, ii. bitt dich, sie einzeln abzuschrelben,
die Horn (mit Corni bezeichnet) schreibe beide zusammen (so wie ich auch), u. Uberschicke es sodann Herrn
Wettler. Letzten Sonntag war ich bei Beicht und heiliger Kommunion. Grü1e mir alle u. ich verbleibe dein
dich liebender
Bruder Joseph
NB Gelt, ich habe gesudelt, schreibe mir bald.
Schreibe die Variationen für Wettier ab bis zur Ilten
Variation und mit dieser warte bis ich hinaufkomme.
Feldkirch, den 8 Febr. 1850
Lieber Bruder!
Heute habe ich den III. Theil angefangen u. zwei Kapitel gelernt. Dem Schaaner Schneider inuf man sagen lassen, dal3 er
herunter kommen soil urn mir den Rock anzumessen; denn,
da noch mehrere Personen beim Toni auf dem Wagen waren,
konnte er nicht stillhalten. Das Kost- und Lehrgeld
habe ich abgegeben. Hat der Peter, den ich grüfen lasse,
die Pfeife erhalten,? u. du das Rohr zur Stahlfeder.
Notenstahifedern bekommt man hier keine. Nächsten Mittwoch werde ich dir Noten von Hr. Gro2rubatscher zurn Abschreiben schicken. Sind die Pferde zum Ziehen zu gebrauchen? Ich habe eine Messe für 4 Singstimmen angefangen, sobaid selbe componirt 1st, werde ich dir sie
zum Abschreiben schicken, u. aufführen lassen.Kennt das Mali die Noten?
Grüf3e mir alie, besonders den Vater u. die Mutter.
In der Hoffnung eines baldigen Briefes von dir verbleibe ich dein treuer Bruder
Joseph
40
Waren die vorstehenden Briefe sämtlich mit Bleistift
geschriehen, so greift Rheinb.erger im Folgenden zu
Feder und Tinte und malt eine saubere Anschrift auf
semen Brief an Anton Rheinberger in Vaduz:
Feidkirch, den 22.Feb. MDCCCL
Lieber Bruder!
Glücklich kamen ich und der Hr. Postmeister am Diens-
tag hier an ii. die Pferde schwitzten sehr. Bis wann
glaubest dii, mit den Variationen fertig zu werden?
Ich habe wieder in mein früheres Zimmer übersiedeit.
Die }Iaria hat es noch iminer gleich. Dem Hanni sage:
das Gebetbuch werde erst bis zur nächsten Woche fertig. Wann wird die Rekrutirung wieder vorgenommen?
Mu8 Hanni bald auch dazu? Der Mutter sage, sie soil
bald WHsche schicken. Alle Dienstage werden bei Hr.
Bezirkshauptmann Honstetter Qartett gegeben-
Frage die Mutter, oh ich die gerissenen Stiefel hinaufschicken solle?
Das Hanni soil mir dann das Geld zuin das Gebetbuch
bezahlen. Grü8e von Seite Schramels im ttberflusse.
Schreibe recht bald deinem treuen Bruder
Joseph
Dieser sauber versiegelte Brief trägt den Vermerk
auf der Anschriftseite "durch Güte". Der Postmeister hat dem Pepi offensichtiich das Porto erspart.
Der letzte Brief, der aus der Feldkircher Zeit erhalten ist, 1st wieder an Anton Rheinberger gerichtet und hat folgenden Wortlaut:
(ohne Datum) 1850
Lieber Bruderl
Herr Adler kam letzten Dienstag hiar an u. gab, am A-
bend em kleines Konzert, wobei ich auch spielte.
1{ittwochabend produzirte Er sich auch, jedoch nur in
einem kleinen Cirkel von Musikanten, wobei er auch mit
der linken Hand spielte. Er versprach inir, zweckm13ige
Nusikalien von Zurich kommen zu lassen, wofür ich Ihm
em
Quartett komponiren mu8. Am Ostermontag komme er
wieder ii. wird dann em öffentliches Concert veran-
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stalten. Letzten Mittwoch gab Er mir eine Stunde, u.
Donnerstag urn 4 Uhr ,fuhr er weg nach Zurich. Hr. Schramel wurde letzten Mittwoch Abends wHhrend dem Concerte
eine Uhr aus der Westentasche entwendet. Hast du die
Variationen Herrn Wettler zukommen lassen? Hier Uber-
schicke ich die anderen zerrissenen Stiefel. Sage der
Mutter, die ich herzlich grU8en lasse, sie solle mir
Schnupftücher schicken. Das Lehrgeld babe ich Hr. Chorregent gegeben.
Dein treuer Bruder Joseph.
Franziska Rheinberger, die Gattin des Komponisten,
stelite selbst aus dem gesanunelten Quellenmaterial
iiber die Jugendjahre des Komponisten eine kleine Abhandlung zusammen, die em Fragment blieb.
Einige Passagen dieser Aufzeichnungen "Aus der Heimath"
sind nachfolgend wiedergegeben:
Das Jahr 48 brachte viel äul3ere Unruhe und Anderung
in die stillen Verhältnisse. Einen eigentlichen Pia-
nisten hatte Joseph bis dahin noch nicht gehort. Emrnal stand em gro2er Genu8 bevor, indem plötzlich
vom Adlerwirt eine Botschaft kam, der bertihinte Franz
Liszt sei plötzlich in Vaduz angekoinmen und wolle em
Konzert geben; vorausgesetzt, daB em Clavier aufzutreiben sei. Da man wui3te, daB der Rentmeister em
gutes Clavier habe, so seien gleich Trager gekommen,
es zum Adlerwirt zu tragen. Bei dieser Botschaft
gluhten die Wangen des Kindes und aufspringend woilte
Joseph sogleich behilflich sein, das Instrument zu
holen, aber der strenge Vater war andrer Neinung:
"Marsch in's Bett", hieB es, nachdem Joseph gebeten
und fortgeweint, weil er des Vaters lJnlust sah, dem
heiBen Wunsche "den Liszt" zu hören und ihm sein Ciavier zu leihen, nachzugeben.
Der Knabe kroch ins Bett und das Clavier blieb in der
Stube. Anderntags hörte man, dali der "falsche Liszt"
(der echte war weill der Hitnmel wo) durchgebrannt sei,
ohne seine Zeche bezahlt zu haben, nachdem das vom
Pfarrer geliehene Ciavier zu Scherben getrommeit wor-
42
den. Das war für den klugen Vater em Triumph, für den
Sohn em Trost.
Bald darauf kam aber eine andere Gelegenheit, Musik
zu hören, welche diesmal tiefere Folgen für die Zukunft Josephs batten.
Es war am Cäcilientag 1848, als eine kleine Gesell-
schaft von Herren aus Feldkirch zu einem Ausf lug nach
Vaduz kam, sich im Saal des Adlerwirts niederliel3 und
em
Streichquartett spielten. Die erste Violine spiel-
te em Cameralgerichtsrath Schrammel, em österreichi-
scher Beamter Nitte der 3Oer Jahre, der Cellist war
Chorregent Schmutzer von Feldkirch und die ffittelstiinmen 2 österreichische Beamte in Feldkirch.
Als Joseph hörte, da$ l4usiker aus Feldkirch angekom-
inen seien, lief er mit Erlaubnis des Vaters bin, stellte sich neben die erste Geige und bat, iimwenden zu
dürfen. Als er nach einiger Zeit mit grofer Bestiinmtheit behauptete, da1 die erste Geige urn einen 1/4 Ton
tiefer stimme als sein Clavier daheim, wurde er zuerst ausgelacht, oder zur Ruhe verwiesen; dann aber
bat der Knabe so dringend, der Herr tnöge sich selbst
davon uberzeugen und mit ibm nach Hause gehen,
dal3 sich dieses feine Gehör zurn Staunen des Violin-
spielers als ganz richtig erwies; denn die Violine
sti-mmte in Wahrheit inn 1/4 Ton tiefer. Voll Freude
Uber diesen Beweis fing nun der Knabe vor dern Herrn
zu spielen an und nicht nur seine Technik, mehr noch
sein musikalischer Ausdruck tiberraschten Herrn Schrarnmel so sehr, daB er dciii Vater ernste Vorstellungen
über die Verantwortung machte, em solches Talent nicht
zur rechten Zeit ausbilden zu lassen, und er bot sich
an, den Knaben zu sich nach Feldkirch zu nehmen, wo
seine !utter, bei welcher der noch ledige Beamte -mit
einer kleinen Nichte wohnte, gewissenhaft für sein
leibliches Wohl sorgen werde, während dem kleinen Mu-
siker die Gelegenheit zu tUchtiger Ausbildung nicht
fehlen werde. Dem Vater leuchtete dieser Vorschlag em; doch -muBte
noch Verschiedenes wohl überlegt werden: -vor allem,
daB sein Sohn bereits eine kleine Anstellung als Organist un Kirchlein St. Florin hatte. Es ware nehinlich em sehr tuchtiger Lehrer, Namens Falk, in Vaduz
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nicht angesteilt worden, da er die Bedingung, den
kirchlichen Organistendienst zu versehen, nicht erfUllen konnte, wenn nicht der "kleine Organist" ais
dessen Stelivertreter die Dienste Ubernommen htte.
Ging nun Joseph nach Feldkirch, so war auch Lehrer
Faik gezwungen, abzugehen, oder einen eigenen Orga-
nisten zu suchen...
Nach einiger Berathung meinte aber das iernbegierige,
thatendurstige Büblein: ich komme halt alle Sanistag
von Feldkirch hertiber, mach meinen Dienst und geh Sonntag Nachmittag wieder zurUck. Das ware nun heutzutage,
wo die Eisenbahn eine haibe Stunde nahe bei Vaduz
(Schaan oder Sevelen) landet, nichts so besonderes gewesen: damals aber betrug die Entfernung 3 /2 Stunden!
Keine Kleinigkeit für den Knaben - bei Wind und Wetter
- bei Sturm und Schnee! Aber die Liebe zum Lernen,
vieiieicht auch die Freude, jede Woche sicher ins liebe Elternhaus zu den Geschwistern zu kommen, Uberwand
alle Bedenken, und das Mtitteriein machte sich still
(betend und wohl auch seufzend) daran, Wäsche und Klei-
der ihres Lieblings in Ordnung zu bringen und ihn rei-
sefertig herzurichten. Am schmerzlichsten empfand wohi
der kranke Bruder Anton die LUcke, weiche durch den
Wegzug Josephs für ihn entstand; doch hatte darum seine
Mithilfe ais Notenkopist - oder wenigstens als "Heftbinder" noch kein Ende.
Eine Schwester hatte einen religios heroischen Sinn,
und von klein auf eine grol3e Neigung zum "Opfer aus
Liebe zu Christus". Dies zeigte sich, als einmai em
Bergsteiger verungitickte und, da seine Leiche nicht
zu Thai gebracht werden konnte, in einer Berghütte
untergebracht wurde. Der Gedanke, dal3 der Mann da oben
so veriassen iäge, daB niemand für seine Seele bete,
bewog die junge Heldin auf den Berg zu steigen, em
geweihtes Licht neben sein Lager zu stellen und die
ganze Nacht wachend und betend bei der Leiche zu verweiien.
DaB eine soiche Gottes- und Nächstenliebe sich in
gröBeren Opfern Bahn brechen wtirde, lieB sich denken;
auch wurde sie spater "barmherzige Schwester" in Tyrol,
und sie 1st die einzige, welche aile andern Schwestern
Josephs überlebt hat. Gegenwärtig wirkt sie als Sekre-
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tärin der Oberin von St. Josef sburg in Zams bei Landeck, wo sie nicht nur Kranke, sondern auch Kinder zu
pflegen und zu unterrichten haben. Die Geschwister
sind sich allerdings fremd geworden: sie haben sich
(Joseph und seine Schwester) seit beide erwachsen sind
nur zweimal gesehen und sich das erste Ial nicht wieder erkannt. Sie hat, dadurch daf sie so wachsam war
und am Vorabend des Herz-Jesufestes die Capelle schmuckte eine Brandstiftung entdeckt, weiche zwar das alte
Closter für immer zerstörte, aber doch daB die schiafenden Kinder nicht ins Verderben stürzen konnten,
denn auf die Hilferufe der Schwester Maxentia. wurden
die armen Kleinen noch rechtzeitig aus den Betten gerissen.
D a v i d war damals als PrHdicant daheim. Seine geistige Begabung und seine Belesenheit, wie auch sein
angeborenes Talent zum Historiker hätten ihm einen bedeutenden Wirkungskreis eröffenen können; doch liebte
er seine Heimath und half auch dem Vater.
P e t e r bef and sich im Jahre 1849 als Bundesmilitärmann im badischen Feldzug und half, den Insurgenten die Köpfe zurechtzusetzen. Er hatte viel technisches Talent, war aber ziemlich barsch in seiner Jugend und hatte gerade für die "trHumerische" Seite
seines Bruders Joseph nicht viel Verständnis.
E 1 1 s a b e t h war damals auch zu Hause, em liebes, zartfarbiges Mgdchen, sehr geschickt für feine
Handarbeit und für die Pflege der Blumen.
J o s e p h a , eine Stiefschwester, war lungenleidend und die Qual der Entwicklung dieses Leidens war
dem Bruder Joseph namentlich in späteren Jahren eine
unsäg],iche Pein.
A in a 1 i e, im Jahre 1842 geboren, also nur 3 Jahre
jünger als Joseph, sollte ihm urn ferneren Leben und als er einige Zeit in Nünchen selbständig lebte,
am nHchsten stehen.
Nun kam der Tag des "Auszugs" nach Feldkirch. AusgerUstet mit semen Clavierstudien und einigen Compositionen, bestehend in Messen iind andern Ubungen, gut
45
versorgt mit liebevollen Lehren seitens der guten fürsorglichen Mutter - namentlich was das brave Kirchengehen etc. betraf - ward das Wäglein bestiegen, welches den hoffnungsvollen Knaben zurn ersten Schritt in
die Welt führte. Der Camerairath Schramrnel nahm den
Knaben in ganze Pension, aber er hatte schon auch sein
besonderes musikalisches Interesse für seine eigene
Person daran, denn allabendlich nahm er seine Violine
aus dem Kasten, legte eine Violinstimme und irgend
eine Orchesterbassstimme oder auch keine Begleitstimme auf das Kiavierpult, und während er mit seiner Ceige die Melodie und Ubrige Geigenstimme fiedelte, muate
Joseph die richtige Begleitung ohne Stottern und Besinnen dazu auf dem Clavier finden. Durch diese Ubung
der musikalischen Geistesgegenwart und Erfindung ward
seine Auffassung so geschärft, dat3 er schlieglich mit
grofer Leichtigkeit das Accompagnement erfand und
durchführte. Das war die Abenderholung. Unter Tags
wurde tEglich eine Harmoniestunde bei dem am Prager
Conservatorium ausgebildeten Chordirektor Schmutzer
von Feldkirch genommen.
Im Orgeispiel hatte Joseph in Feldkirch keinen Lehrer
mehr; doch spielte er öfters in der Pfarrkirche von
Feldkirch, obgleich die FUf3e des Organisten nicht
recht gewachsen waren.
Das Clavierspiel durfte auch nicht vernachlässigt werden iind so war mit Einschlut3 der täglichen Harmoniestunden und Aufgaben, wie auch der Clavierstudien der
Tag nie zu lang für Joseph - wohi aber litt er oft an
Heimweh urid versHumte deshaib auch nie semen Sonn-
tagskirchendienst in Vaduz.
Am meisten interessierten ihn in Feldkirch die Häuser,
wo er em gutes Clavier vermutete. Da ging er dann
ganz offenherzig hin und f rug - wenn ibm die Familie
auch sonst nicht bekannt war - ob es erlaubt sei, auf
ihrein FlUgel zu spielen. Da verrannen ihrn dann die
Stunden gar schnell - zumal er den Schatz der Weber'schen ClavierstUcke und Sonaten zu heben begonnen.
Der kleine Spieler konnte sich da kaum losreit3en und
raffte erst in letzter Frist seine Noten zusanunen,
wobei es ibm öfters vorkam, daB er später schüchtern
zurUckkehrte, urn seine Mütze oder Hütlein zu holen;
46
denn in Vaduz belästigte er sein Haupt selten mit
einem Schutzdeckel.
Einnial erschien em fremder Virtuose Vincenz Adler,
weicher aus Pest kommend auf Umwegen nach Paris gehend
(ohne sich irgendwie in der Zeit zu drängen) in Feld-
kirch em Concert gab und na-mentlich dadurch den klei-
nen Musikus verblüffte, daB er schwere Virtuosenstükke mit der linken Hand allein vortrug.
Eine Zeit lang spielte dann Joseph nicht mehr anders,
als die rechte Hand in die linke Brusttasche geborgen, mit der Linken frei und wild phantasierend und
Riesenaccorde harpegirend. Vincenz Adler lernte den
Knaben sofort lieben, begab sich zu dessen Vater nach
Vaduz und bot ihm an, semen Uberaus begabten Jungen
mit nach Paris zu nehmen, -urn ihn auf seine Kosten
vollständig als Virtuose I. Ranges auszubilden. Aber
der kluge Vater, der sich schon damals das Clavier
nicht vom "falschen Liszt" zusammenschlagen lieB, vertraute urn so weniger sein kostbares Kind dem fremden,
wandernden Pianisten an, so dringend dieser auch ge-
beten, und so ehrlich er es gemeint hatte.
Joseph blieb zu gründlichen Studien in Feldkirch.
Nahe der Wohnung H. Schrarnmels hauste em pensionier-
ter Gymnasiallehrer, welcher in einer Truhe auf dem
Speicher musikalische Schätze verwahrte. Dieser etwas
mtirrische alte Herr riihmte sich, daB er in seiner Ju-
gend den bertihrnten Mozart gekannt und gesprochen. Herr
Noritz hatte närnlich eine gewaltige BaBstimme, zu deren Ausbildung ihm die Freunde rieten - und zwar kön-
ne er vielleicht bei Capellmeister Mozart in Wien,
wenn auch nicht Unterricht, so doch einen ehrlichen
Rat erhalten.
"Ich ging also hin", erzählte Herr Moritz, "sang ihm
mit voller Stimme aus voller Brust vor, und glaubte,
dem Capellmeister sehr zu iinponieren. Dieser hielt
sich zwar em paar Mal die Ohren zu, sagte aber dann
sehr höflich indern er vorn Clavier auf stand zu -mir:
'Mein lieber Herr von Moritz, nehmens -mir's halt net
übel, aber schauen's anen Ochsen kann ich's singen
net lernen".
Trotzdem das Compliment für das Gebrüll kein erfreuliches war, so blieb Herr Moritz doch immer stolz
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darauf, data er noch zu den wenigen Lebenden zählte,
mit weichen Mozart gesprochen - die er eigenhändig
zum Gesang begleitet.
Nit kiuger MäBigung gab Herr Moritz, nachdem er des
kleinen Rheinbergers grofes Interesse an seiner Musiktruhe erkannt, ibm immer nur em Heft Bach und versprach erst dann den Austausch des Heftes, wenn Joseph
das geliehene studirt hatte, daf er es ibm auswendig
vorspielen konnte. Und da der Ehrgeiz des Knaben -
nein, das musikalische Ehrgefuhl des trefflich erzo-
genen Kindes die WUrdigung soicher Cute ohne besondere Mahnung verstand und empfand, so quoll jetzt "Bach"
Strom in die Brust iind aus den Fingern des
eifrigen Studenten.
wie em
Zurückschauend auf Rheinbergers Kindheit, mut es dem
denkenden Beobachter auf fallen, wie grof3en Einflu1
nicht nur KUnstier, als auch Kunstliebhaber auf die
frUhe Ausbildung des Knaben hatten. Durch soich einen
"Dilettanten" lernte er Mozart, wenn auch in flötenhafter Zubereitung - so doch in seiner geistigen Tiefe kennen. Em anderer Dilettant veranlal3te den Vater,
semen Knaben ganz für Nusik ausbilden zu lassen. Der
dritte Dilettant endlich vermittelte ibm die genaue
Kenntnis von Bach.
Dazu kam noch das Leben an kleinen Orten, wo allerdings wenig oder keine Gelegenheit geboten war für
Theater oder Concert, wo aber die Erholung in schöner
Natur, der unbewulte Einflul3 segenreicher Stätten
(wie die Schattenburg bei Feldkirch etc.) der poetisch
musikalischen Empfindung sehr förderlich sein muBte,
ihr wenigstens das Erdreich für koinmende Saat und
Frucht trefflich vorbereitete.
Dazu kam die Treue in Erfüllung seiner Organistenpflicht in Vaduz und auf dieser Wanderung bei wechselndem Wetter - die wechselnde Stinimung in Natur und
Gemüth. Manchmal zog er trumend semen Weg, dessen
Abkürzungen er nun "wie blind" f and - manchmal pressierte es seinem Herzen nach Hause zu kommen, so daI3
er durch Wiesen und Wald, Uber Bäche und Gräben sprang
immer war's eine Wonne, das Thürmchen von St. Flo-
rin wieder zu sehen, den kleinen Ton der geliebten
Glocke wieder zu hören:
48
S
i
e
-- I I -- 1f11
0
-
süs-se Hei - math, wie so schön
liel3 er später, spater seine Elsbeth (die treue Schwe-
ster der sieben Raben) singen - und damals mag es
schon so in seiner Seele gekiungen haben. Niemand verstand ihn ganz - und manchmal scheint es mir, als Ware das - vielleicht -mit einer einzigen Ausnahme auch heute (13. November 1891) noch nicht -viel anders.
Eines Tages woilte Herr Schrammel eine Landpartie machen und zwar in das über Rankweil gelegene Uebersaxen. Seine Mutter blieb zwar zu Hause, aber die Nichte und Joseph nahmen freudigen Antheil an der lang besprochenen Partie. Die schöne Lage dieses hochgelegenen Dorfes und der herrliche Ausblick in das Rheinthal
gewährte der kleinen Gesellschaft grofen Genu8; aber
leider zogen Wolken herauf und Herr Schramrnel konnte
sich nicht entschliel3en, den Heimweg anzutreten, wollte vielmehr in Uebersaxen übernachten. Dagegen pro-
testierte der Pflegling, welcher urn keinen Preis des
andern Morgens 8 Uhr die Harmoniestunde in Feldkirch
versHumen woilte. Gleichzeitig -mit Schrauuiiel war auch
eine andere Gesellschaft angekoimnen, welche jedoch
ebenfalls vorzog die Nacht iinter sicherem Obdach zu-
zubringen, und dem drohenden Wetter nicht die Stirne
zu bieten. Sie hatten einen Führer mitgebracht, anscheinend em Jagdgehilfe, dem sie mehr als nötig war,
Wein aufsetzen liefen, der aber noch Abends zurUck-
iriul3te und es übernahm, den Knaben heimzubringen.
Die Beiden gingen flott; der Jäger hatte eine Flinte
über der Schulter und sein wankender Gang, sein unvorsichtiges Stolpern ohne Rücksicht auf die Flinte Waren Joseph nicht vertrauenerregend, auch kam es ihm
vor, als verlören sie in einbrechender Dunkeiheit den
Pfad, auch ging es aufwärts statt abwHrts und der
Wald wurde immer dichter. Joseph sprach seine Vermuthung aus, da8 dies nicht der rechte Weg sei. Aber der
JHgerbursche gab fluchende Antwort und lailte wie em
Trunkener. Da fiel er hin und die Flinte kollerte vor
49
ibm her: Halt! em Auerhahn! rief er, fafte die Flinte
und schof3. Wieder raffte er sich auf, die Dunkeiheit
des Waides nahm aber zu - ais piötziich der Nond durch
eine Lichtung brach und der Jager stehen bleibend, seinen "SchUtzling" scharf in's Auge fal3te und frug, ob
er em Sohn des Herrn Schrammei sei? "Nein". "Von
wem denn?" "Ich bin aus Vaduz", sagte Joseph. "Aus
Vaduz?!" schrie der Jäger "und wie heift du?" "Rhein-
berger" - "So!" brülite der Jäger, "vielieicht vom
Rentmeister?" Und hier folgten Flllche und Schimpfreden auf diesen, da1 dem Sohn das Biut in den Adern
stockte. Entsetzt sab er in das zornentbrannte Gesicht
des Jgers - und wie von wunderbarer Hilfe durchzuckt,
glaubte der Knabe zu erkennen, dieses Gesicht sei ordentlich mit dem eines Gärtners, welchen sein Vater
vor em paar Jahren des Diebstahls überwiesen, habe
einsperren lassen: em Fail, der wegen seiner Seltenheit in Vaduz umso mehr Aufsehen gemacht, ais dieser
unheimliche Mensch als äul3erst rachstichtig gait. Wie
Biitz durchfuhr den Knaben diese Erinnerung em
und, ehe er sich recht besann, antwortete er auf die
Frage: vieileicht der Sohn vom Rentmeister? "Nein!
vom Löwenwirt Rheinberger!"
Der JHger aber fuhr fort zu fiuchen und auf den Rent-
meister zu schmähen und dem Knaben kiopfte das Herz
starker und banger. Jetzt war der Wald zu Ende und
drunten - in stiilem Mondesgianz lag eine Miihie - hinter dieser zog die Landstral3e von Aitenstadt nach
Feldkirch. Nur einen Augenbiick besann sich Joseph dann rannte er mit Windeseiie bergab der MUhle zu der Jager nach - da fiel em SchuB - der zweite aus
der Doppeiflinte - die Angst ieiht Flügei - piötziich
sah der fiiehende Knabe den wassergefUiiten Mtihlgraben vor sich - des Jagers Stimme nahte - keuchend,
fiuchend - em Riesensprung und der Joseph lag mit der
Stirne gegen das drübere Ufer gedrückt. Alles war
stiil, tief stiii, da raffte er sich auf, erreichte
die Landstrafe und sah - zu seiner nicht geringen Erieichterung in kieiner Entfernung vor sich einen Fuhrwagen ziehen. Er hieit sich in dessen Nähe (ohne jedoch den Fuhrmann anzureden) und dachte: kommt -mir
der Jäger nach, so bitte ich den Knecht urn semen Schutz,
50
sonst aber nicht. Aber dern Verfolger war, wie es
scheint, der Athem ausgegangen -und Joseph konnte sich
allmählich von seinem Schrecken erholen. Als er endlich Feldkirch erreichteund am Haus des Schrammel anläutete, und Herrn Schramrnel's Mutter erschrocken offnete, war es 2 Uhr Morgens! Aber urn 8 Uhr saB der eifrige Studiosus, als ob nichts geschehen ware, in seiner Harmoniestunde.
Die Familie Schrammel bewàhnte das sogenannte Lau-
sche Haus nicht sehr weit -von der Johannespfarrkirche. Einige Zeit waren die unteren Stockwerke unbewohnt und nur die dritte Etage -von Josephs Hausleuten
eingenonixnen. Nach einige'r Zeit zog em einzelner, -miir-
rischer alter Pensionist em, Namens Reiner, der nie
-mit Jemandem sprach, nur eine Zugängerin hatte, die
seine kleine Häuslichkeit in Ordnung hielt und das FrühstUck besorgte. Im ubrigen war der alte Herr die PUnktlichkeit selbst. Gar -inanchen Abend, wenn es 10 Uhr
schlug und Joseph noch wach lag, hörte er am Hausthor
den SchiUssel einsetzen - dann die schlürfenden Schritte des Sonderlings durch den langen Gang zur Treppe
gehen; hOrte den stöhnenden Atem des Alten und zählte
unwillktirlich die einzelnen Stuf en, von denen die siebente einen ächzenden Thon unter der Sohle des Alten
gab.
An einem schOnen Sommerabend kam der kleine Organist
ausnahmsweise schon am Sonntag von Vaduz herüber
(während er sonst bis Montag Morgen blieb). Als er an
das Schrammel'sche Haus kam, f and er die Thur ver schiossen. Alle batten einen Sonntagsausf lug gemacht,
und da war es unwahrscheinlich, daB sie bald zurUckkämen. Dennoch wartete Joseph vor dem Hause und als
es abends 10 Uhr war, erschien der sonderbare, schweigsame Junggeselle und war erstaunt, den Knaben vor der
Thur auf der StraBe zu finden. Nach kurzer Erklärung
lud er ihn em, bei ibm zu Ubernachten - richtete ibm
schweigsam em Lager auf dem Sofa zu recht - gab ihm
sogar andern Norgens em FrUhstUck und entlieB ihn
dann. Bald darauf reiste der Schweigsame nach Carlsbad ab.
Es mochten acht Tage vergangen sein und wieder lag
Joseph wach in seinem Bette. Da hOrte er unten am Thor
51
den Schitissel einsetzen, hörte des Schweigsamen schleifenden Gang, zählte in Gedanken die Stufen - richtig!
die siebente ächzte und nun war wieder alles still.
Beim FrtihstUcke sagte Joseph zu Herrn Schrarnmel:
"Herr Reiner ist heute Nacht wieder gekommen!" Man war
erstaunt, frug die Zugängerin; diese wutte nichts,
auch blieb seine Wohnthflre yerschlossen. Nach zwei
Tagen kam die Nachricht aus Carlsbad, Herr Reiner sei
vor zwei Abenden urn 10 Uhr plötzlich yerschieden. Es
rnachte dem Knaben einen eigenthihnlichen Eindruck;
denn daf3 er ganz genau den Schritt nnd das Heiinkommen des sonderbaren Herrn gehört, dessen war er sicher.
Es war eine "Neldung des Sterbenden".
Das musikalische Feldkirch interessirte sich für den
kleinen Komponisten und Virtuosen. Einigemale durfte
er als Pianist in Concerten auftreten und einmal cornponirte er für den Nännergesangverein, weichen em
Geistlicher dirigirte, einen Chor, welcher auch zur
AuffUhrung karn. Die Sanger zogen sogar einmal nach
Schlo3 Vaduz, sangen dort oben den Chor und brachten
dem kleinen Componisten em Hoch aus, für welches dessen Vater in einer kleinen Rede den Dank sprach. Diese naive Kundgebung war vermuthlich nicht so geräuschvoll wie der Applaus für die Clavierleistungen
eines modernen Claviertechnikers, aber angesichts der
dainaligen Verhältnisse und der abgeschiedenen Vaduzer
Welt und Natur doch em Ereignis, von weichern man
einige Zeit sprach.
So endete - nach etwa 5/4 Jahren die musikalische
Lehrzeit in Feldkirch -und nun wurden bei Hofkaplan
Fetz die Studien von Geschichte und Geographie, französisch und lateinisch mit e'rneutern Eifer aufgenonunen
diesbezUgliches
und fortgesetzt. Noch fand ich em
Schulzeugnis:
"Vorweiser dieses, Joseph Rheinberger von hier besuchte, nachdem er der Nusik wegen aus dasiger Gemeindeschule entlassen, bei-in Unterzeichneten seit anderthalb Jahr Privatunterricht in der Religion, deutscher Sty}übung, in den Anfangsgrtinden der lateinischen und französischen Sprache.
Sein anhaltender FleiI3, Benehnien und Fortschritte
52
waren in jeder Beziehung ausgezeichnet.
Dieses bezeugt hiernit mit eigenem Siegel und Handschrift:
Joh. Fr. Fetz d. z. Provisor
Vaduz den 6ten Oct. 1851
der fürstl. Hofcaplanei.
Für die Aechtheit dieses Zeugnisses und Eigenhändig-
keit der Schrift und Unterschrift des H. Provisors
Joh. Frz. Fetz hier
Bezirksamt Vaduz den 6. October 1851
Nenz inger
Landesverweser".
Während seiner Privatstudien in Vaduz karn ubrigens
Rheinberger oft nach Feldkirch, denn, wenn es galt in
einem Concerte eine künstlerische l4itwirkung zu erwerben, so wandten sich die Feldkircher fleil3ig nach Vaduz.
Bel solcher Gelegenheit lernte Joseph den spateren Musikdirektor von Innsbruck, Herrn Nagiller kennen. Dieser hatte in Paris einen Chorverein (Mozartverein) geleitet; doch rnachten sich im Jahre 1849 die revolutionären Bestrebiingen so breit, daf3 Nagiller mit vielen
Anderen Frankreich verlieB und - auf der Reise Feldkirch berührend, dort em Concert gab. Zu seiner Uberraschung f and er als Mitwirkenden den kleinen Rheinber-
ger, für den er sich sofort thätig interessirte, indem
er einige Tage nach dem Concerte nach Vaduz kam und dem
Rentmeister anempfahl, die höhere Ausbildung dieses
Talentes am Münchener Conservatori-urn geschehen zu las-
sen. Noch war Joseph zu jung, aber im Herbste 1851 wurde doch sein Ränzel geschnürt.
Nagiller, welcher zungchst am Dom in Bozen und später
als Director des Musikvereins in Innsbruck angestelit
war, empfahl noch im letzten Lebensjahre - vielleicht
kurz vor seinem Tode, es rnbge em talentvoller Bozener Knabe Ludwig Thuille, für den er und seine Frau
sich lebhaft interessirten, nach MUnchen in die Schule
Rheinbergers (an weichem seine musikalische Hoffnung
nicht getäuscht worden) gebracht werden. Frau Witwe Nagiller hielt treu das gegebene Versprechen und kam
eines Tages nach Kreuth, dann nach München, urn ihren
Pflegesohn zu bringen. Auch sie folgte ihrem Manne bald
im Tode.
53
Am gleichen Tag ward ihm auch em Zeugnis über erfoigreiche im Jahr seiner Geburt 1839 bestandene Schutzpockenimpfung durch Landesphysikus Dr. Schädler ausgestelit. All dies zur Vorbereitung auf die bevorstehende Reise nach München an das dort unter Director
Franz Hauser errichtete Conservatorium für Musik. So
kam dann die zweite Trennung von Hause heran, und diesmal war sie ernster, denn von nun an konnte man nicht
mehr an den Sarnstagabenden zum Organistendienst bin
und zurticklauf en. Das Bangen - ob er auch an einern so
grol3en Conservatorium Aufnahme finden würde?
Bruder Peter, Lieutenant in der Liechtensteinischen
kleinen Bundesarmee, solite semen Studiosus nach Winchen begleiten. Eisenbahn gab es dazumal nicht im October 1851 - wenigstens nicht in Vorarlberg und drüber
hinaus. So fuhren die Beiden mit eigenern Gefährte aus
der schönen Heimath fort.
Wie mag ihnen alien zu }Iuth gewesen sein? Den Eltern
und Geschwistern? Und dem kleinen l2jährigen Joseph?
Es ward immer flacher - zurn erstenmal hätte er den See
sehen können, ware es nicht finster gewesen als die
Feidkircherpost Uber Bregenz fahrend, Lindau erreichte.
Dort blieb man über Nacht. Andern Tages fuhren die Beiden nach Kaufbeuren - mit Post - und dann nach Augsburg. Die Bahn brachte sie hierauf nach Naunhofen, von
wo aus sie mit einern Wagen nach Türkenfeld, wo em
Liechtensteiner Narnens Wolfinger als Pfarrer wohnte,fuhren.
Joseph solite em paar Tage bei diesem bleiben und
eine Art Ubergang von der Heimath zur Fremde durchieben; denn Bruder Lieutenant Peter war nach München vorausgegangen, 'urn vorerst einen kleinen Einblick von der
ihm neuen Stadt zu gewinnen.
Der gute Pfarrer geleitete dann semen Landsmann nach
München. Irn Gasthaus zurn Stachusgarten stiegen sie ab,
der neue Director Hauser ward besucht. Er wohnte damais
in der Fürstenstral3e Nr. 13.
Dieser höchst originelle und geistreiche Mann war em
Freund Moritz Hauptmann's und wird durch die höchst
interessanten Brief e, weiche dieser an ihn geschrieben,
seibst zu einer unverget3lichen Persbniichkeit. Während
eines Zeitraurns von 40 Jahren, 1825 begonnen, wuchsen
54
die Brief e zur stattlichen Zahi von 400 und enthalten
wahre Schätze an Kenntnif, Erfahrung und kiuger, praktischer Auffassung, weicher stets die ideale Auffassung
der Kunst zu Grunde liegt. Franz Hauser, der soicher
Freundschaft Hauptmann's gewUrdigt war, zählte 57 Jah-
re, als Rheinberger bei ihm eintrat.
Geboren 1794 zu Prag, erhielt er eine vollständige
Gymnasialbildung und begann Jurisprudenz zu studiren,
später die Nedizin. Nachdem er privatim in der Nusik
praktisch a-usgebildet war, bewegte ihn die Liebe zur
Tonkunst und eine herrliche Stiuuiie, sich der Sängerlaufbahn zu widmen. 1817 betrat er zuerst die Bühne
und war bald em gefeierter Barytonist in Kassel, Dresden, Wien, London, Leipzig -und Berlin, bis er 1846 als
Gesangslehrer und Director an das neu errichtete MUnchner Conservatorium kam, wo er bis 1864 blieb.
Zwar hatte Franz Hauser em gröBeres Interesse für San-
ger, als für Clavierspieler, fürchtete auch, es möch-
ten Orgel- und Clavierspiel die Singstirnme beeinträch-
tigen; allein er hatte gute Lehrer an der Seite - na-
mentlich Julius Josef Maier - auch em "fertiger" Jurist, den die Liebe zur Tonkunst, namentlich zum historischen Theil derselben nach Leipzig zog, wo er unter Moritz Hauptmann studirte und dann nach München
als Compositionslehrer kam.
Also die Aufnahmsprufung im Odeon sollte stattfinden.
Pünktlich f and sich Joseph em - nicht ohne pochendes
Herz, ob er auch wohl bestehen würde. Als er jedoch
durch die geschlossene Thüre die Spieler heraush6rte,
dachte er bei sich: "So kann ich's auch". Und als er
seine Prufung bestanden, trat Franz Hauser heraus und
sagte zu den Andern: "Giovinotti, jetzt nehmt euch zusaimuen; da ist einer - der Kleinste von euch, der über-
holt euch alle schon jetzt".
Clavierspiel, Treffen in Spiel und Gesang, alles war
für Joseph scheinbar em leichtes Spiel. Carl Bärinann,
nunmehr Virtuose und Lehrer in Boston, war damals auch
"Aspirant" und hatte sogleich eine liebende Bewunderung für Joseph gefal3t.
Der junge Musikus ward nun in der Findlingsstral3e bei
einer kleinen Beamtenfamilie, Namens Perstenfeld, unter-
55
gebracht und hatte tg1ich einen ordentlichen Narsch
ins Conservatoriurn zu machen. Die FU13e waren aber behend, von Feldkirch - Vaduz her, das muBte einmal em
"Wächter des Gesetzest' zu seinem Verdrul3 erkennen, da
Joseph beim Baumklettern in der Nähe des Krankenhauses
ertappt, durch den Gendarnien verfolgt, aber von diesem
im Schnellauf nicht erreicht wurde. Dieser wackere
"Schandemuckel" hatte seine Kietter- und Sprungstudien
nicht im Bergwalde und nicht auf der LandstraIe von
Valdulsch gemachtl
Der damalige beste Clavierlehrer (in Ermangelung eines
besseren) war Professor Christian Wanner und er wurde
nattirlich am Conservatorium angestelit. Auch Joseph war
sein SchUler und erhielt Anleitung zu grol3erer Fingerfertigkeit, Geist konnte aus diesem trockenen Gesicht
nicht hertiberströmen.
Der Harmonielehrer Professor Wohigemuth war dem Schnupf-
tabak und blaukarirtem Schnupftuch gleichfalls nicht
so abhold, dai3 nicht die Begeisterung der Schtiler da-
runter litt.
"Habens denn gar keine Gedanken", sagte er einst zu
einer SchUlerin, weiche em Motiv erfinden solite, während er, mm Zimmer auf und ab marschirend, seiner Nase
die ausftihrlichste Pflege angedeihen 1ieI. Das Mädchen,
etwas schwärmerisch angelegt, blickte traurig auf das
riesige Nasentuch und sprach seufzend: "Ach nein, Herr
Professor, gar keine"!
Später sang ich als eifrige Dilettantin oftmals unter
seiner Leitung am Chor der Basilika S. Bonifaz, erinnere mich aber stets mit Humor der Wohlgemuth'schen Art
zu respondiren. Vom Altare her tönte es:
Tenor
Do - mi - nus vo - bis - curn
und Wohigemuth antwortete vom Chor, das Taschentuch schon
in Nasenhöhe haltend
*
et curn Schpiritu
'I
Nasenschneuz tu - o
Trompetenstoss
56
fiber diesen Hariuonielehrer war aber Rheinberger schon
hinaus und er kairi in die Contrapunktstunden von Dr.
jur. Julius Josef Naier, weicher aus Leidenschaft für
die "alte Nusik", Volkslied und Bach seine juristische
bei Hauptmann in Leipzig
Laufbahn verlassen hatte,
zu studiren.
Dieser gelehrte }Iann war durchaus nicht einseitig, sondern mit scharf em Verstande begabt. ("So gescheid ist
der Herr Naiert?, hatte einst seine Haushlterin gesagt, "dal3 sein Verstand auf der andern Seiten schon
bald wieder nunter geht"!) Leider mul3ten die Stunden
oft wegen seines schweren Kopfleidens unterbrochen
werden, doch war er für Rheinberger, für den er sofort
groBe Theilnahme fa8te, em ausgezeichneter Lehrer,
nicht sowohi im Rahmen des Contrapunktes als auch für
die aligeineine 11usikbildung. Julius Maier versorgte
ihn mit Büchern und Partituren und regte ihn durch seine manchmal sarkastischen Bemerkungen zu eifrigsten
Studien an.
Wie er über semen Schüler dachte, was er von ihm hielt,
beweist das erste Jahreszeugnis, welches er ihm am
8. August 1852 ausstellte:
"Der Zogling des Königl. bayr. Conservatoriums für Musik
Joseph Gabriel Rheinberger von Vaduz
hat in dem Schuljahre 1851/52 den Lehrcursus des Unterzeichneten über einfachen Contrapunkt besucht und darin
bei seinem ausgesprochenen musikalischen Talente und
seineni musterhaften Fleiae die befriedigendsten Fortschritte geniacht, so dal3 er sich bei der in diesen Tagen abgehaltenen Jahresprüfung auf das Rühmuichste auszeichnete".
Das zweite von Julius Josef Maier ausgestellte Zeugnis
lautet noch günstiger:
"Der Eleve des Königl. bair. Conservatoriums für Musik,
Joseph Rheinberger von Vaduz
hat mm Schuljahr 1852/53 meinen Cursus über doppelten
Contrapunkt bis zur Doppelfuge zu 4 Stimmen mit musterhaf tern Fleil3e besucht und sich dadurch eine für sein
Alter so überraschende contrapunktische Fertigkeit und
Sicherheit erworben, dat3 derselbe bei seiner ausgespro-
57
chenen musikalischen Begabung zu den schönsten Hof fnungen berechtigt.
Nünchen 12. Juli 1853
Jul. Naier
Professor am C."
Die Zeugnisse der andern Lehrer lauteten diesen entsprechend, so konnten die Eltern schon zufrieden sein,
als sie den Studiosus Nusici wieder durch das niedere
Gartenpförtchen in sein Heimathshaus eintreten sahen.
Das war eine Freude! Und Joseph... so glUcklich in der
herrlichen Heimath und an seinem FlUgel!
Gelegentlich einer Prüfung im Conservatorium fungirte
Professor SchafhHutl als Staatskommissär; es war ihm
im Auftrage des Königl. Ninisteriuxns (1853) der Auftrag eines ausfUhrlichen Referates über das Königl. Musik-Conservatorium geworden.
Der Verehrer Abb Voglers und Caspar Etts hatte sofort
em scharfes Auge und Verständnis für den begabten,
ihn in selaufgeweckten Joseph, und lud denselben el
ner Wohnung zu besuchen. Dieses traute und interessante Helm im alten DamenstiftgebHude (Aitheimereck) mit
dem sonnigen Blick in den schönen, stillen und weiten
Garten des klosterartigen Baues bot eine wahre Auslese
von interessanten Dingen; denn Professor SchafhEutl,
damals von gro8en Reisen in Frankreich zurUckgekehrt,
war als Professor der Geologie und Conservator der geognostischen Staatssammlungen, als Oberbibliothekar der
über 300 000 Werke zählenden Universitätsbibliothek
wegen seiner umfangreichen Kenntnisse für Jung und Alt,
für Gelehrte und Ungelehrte, für Reich und Arm eine
höchst anregende, belehrende, erfrischende und wohithätige Persönlichkeit.
Joseph kam in diese Gemächer mit staunendem Blick: in
eine neue Welt. Schönste Stunden brachte er lernend,
schauend, beobachtend, zuhörend in dieser für ihn so
überaus anregenden, kostbaren Umgebung zu und der emste Ausdruck seines Gesichtes mochte dem Professor
auch wohlgefallen haben - sonst hHtte er ihn nicht am
30. Juni 1853 photographiren lassen.
Da sitzt er vor mir, der ernsthafte Student, den
linken Ellbogen auf den Tisch, die linke GesichtshHlfte
58
auf die Hand gesttitzt und in der Rechten em beschriebenes Notenblatt haltend und schaut hinaus in die weite
Zukunft - dennoch its Buck die innerliche Concentration, die ibm sein Leben lang treu blieb - wie auch die
verständnisvolle Verehrung für Mozart, dessen Statue
vor ibm auf dem Tische steht: eine Mahnung oder Ahnung,
wo das Ideal der Tonkunst für den angehenden Componisten
zu finden sei.
Auf der Rückseite des Bildes steht von Schafhäutl's
Hand geschrieben:
"Joseph Rheinberger, geboren zu Vaduz am 17. Närz 1839.
(photographiert am 30. Juni 1853)
Seinem lieben jungen Freunde als Erinnerung an den
18. lylai 1853.
Prof. Dr. Schafhäutl".
Dieser Erinnerungstag bezog sich auf eine ausgezeichnete Leistung Josephs bei einer Orgelprüfung. Der "liebe junge Freund" durfte nun seine Erholungsstunden in
belehrendster Weise bei Prof. Schafhäutl zubringen. Da
wurden alte Noten durchgenouimen, alte Steine betrachtet
- auch des fteren bei Schafhiutls Hausherrn und Freund,
dem alten Theobald Böhm Flötenbegleitungen zurechtgemacht etc.. Freilich ging man auch gerne zu einem guten Diner zu Zunemanns, wo em Kreis illustrer Jungesellen der soliden Gastronomie frönte. Der spätere
Minister Freiherr v. Pfretzschner war damals der Adonis
der Gesellschaft. Fleii3ige SonntagsausflUge nach Nymphenburg oder der alibeliebten Menterschwaige boten
kSstliche Erholungsstunden und manchmal krönte noch
die Abhörung einer Oper den genul3reichen "Freundschaftstag".
Ich hab' die jungen Studenten immer gem urn mich gesehen", sagte Schafhäutl spEter einmal, "aber einen
zweiten Rheinberger hab' ich nie getroffen, weder vor
noch nach ibm. Dieser gesetzte, liebenswUrdige Ernst,
dieses intelligente, charaktervolle Wesen"! Und in weicher Gesellschaft ware der junge angehende
Componist besser aufgehoben gewesen als in dieser?
Die erste Oper, welche Rheinberger in }1ünchen aufführen hörte, war Mozarts "Zauberflöte" und man kann sich
vorstellen, mit weichen Erwartungen er diesem Genusse
entgegensah. Allein die Enttä'uschung blieb in so ferne
59
nicht aus, als die AusfUhrung des Werkes von Seite der
Sänger, wie auch in der Klangwirkung des Orchesters den
idealen AnsprUchen des jungen Hörers nicht entsprach.
In seinem Sttibchen zu Vaduz, an seinem kleinen, aufrechtstehenden Flugel hatte er sich eine wahre Flue
von Kiang und Schönheit vorgesteilt - und nun klangen
die Stimmen ehrfurchtslos - vieles wurde im Vergleich
zu seiner Nozart wlrdigenden Empfindung gleichglltig
heruntergesungen, die Feinheiten gingen verloren auch in der äul3eren Erscheinung der Musiker vermil3te
er jene Hingabe, die s e in e r musikalischen Empfindung so selbstverständlich schien.
Wie solite das erst später sein, da er als Solorepetitor der Hofoper hinter die Kulissen und das "Handwerk"
mit schndder Hand in die Rechte der heiligen Kunst
greifen sah!
Der Hauptlehrer für Orgel war Professor Herzog. Nun waren Josephs FU13e lang genug geworden, urn ohne Aufsatzpedal arbeiten zu können und die Bach'schen Präludien,
Fugen und Passacaglien, die ganze Welt des Grotmeisters
that sich auf in Uberwältigendem Klang. Geläufigkeit
und Sicherheit im Partiturspiel war für Rheinberger em
selbstverständliches Ding. So währte es nicht lange,
bis auch Herzog semen SchUler wahrhaft schätzen lernte. Bisher hatte Joseph mit gewissem Respect zu seinem
Orgelprofessor aufgeblickt, einmal lernte er ihn jedoch von sehr fideler Seite kennen:
Herzog lud ihn zu einem Spaziergang der Isar entlang
Ach! das war ländlich und schön! Zuerst lag eine
el
grofe Wiese vor ihnen. In Herzog brach die Jugenderinnerung sich Bahn, die aufgestapelten Heuhaufen waren
gar zu einladend. Quer lber die Wiese rennend sprang
er lbermuthig lber die Heuberglein - Joseph ihni nach.
Wer konnte es behender, wer sprang höher? Die RIcke
ausgezogen - und nun Purzelbäume Uber die Heuhauf en kein Lauscher war ja nah. Und nun kamen die Uberfälle
an der Isar. Balken schwamrnen im Wasser, des F1ofdienstes harrend. Auf diesen zu balanciren - welche
Lust! Der leichtflf3ige Rheinländer sprang von Balken
zu Balken, der gewichtigere Organist ihm nach - o weh!
der Stiefel war zu plump - er rutschte aus, und Herzog
fiel ins Wasser.
60
"Ja, du kannst gut lachen", klagte er komisch, "dU
hast keine Frau zu Hause, die dich auszankt! Aber ich"l
Nun wurden die Kleider und Strtimpfesorgfältig getrocknet und Joseph konnte sich nicht genug Uber die
Variationen im Gesichtsausdrucke seines Lehrers verwundern. Es war wirklich eine unvergel3liche Stunde!
Als Professor Wanner sich vom Conservatorium zurückzog, wurde Emil Leonhard Rheinbergers Klavierlehrer.
Dieser gutmUthige Sachse mit wallend schwarzem Haar
und nicht immer motiviert ausplatzendem zischendem
Lachen und eingestreutem "Nun ja" wurde bald em intimer Freund von Julius Josef Maier, und wenn die beiden mit ihren blonden resp. schwarzen Mähnen nebeneinander im Concertsaal erschienen, so konnte man viel
treffende Weisheitsspruchlein hören. Es war em originelles Freundespaar, deren Frauen spter das Duo zu einem liebenswürdigen Quartett verdoppelten. Die Character waren zwar verschieden; während Julius Maier eine
durchweg kritische Natur war und seine treffenden Bemerkungen mit gründlichen Tabaksprisen unterstützte,
sprach Leonhard - allerdings mit fragenden Blicken nach
der Gutheil3ung seiner Frau - in milderer Tonart. Sein
Oratorium "Johannes" war em
tflchtiges Werk, wenn
auch manche Chore etwas bieder endigten.
Rheinberger nutzte seine Zeit aus.
Frühzeitig selbständig zu sein - sich im Unterrichten
zu üben - Bach, HEndel, Weber - selbst Mendelssohn
durch Abschrift genau kennen zu lernen - welch eine
Schule!
61
Rheinbergers Vater bediente sich der Hilfe seines Vetters Wolf inger, der Pfarrer in Türkenfeld war, urn für
semen Sóhn in München die notwendigen Verbindungen zu
knUpfen.
Wolf inger schreibt Uber seine Bemühungen nach Vaduz:
Türkenfeld, den 24. Septbr.1851
"Euer Hochwohlgeboren!
Geehrtester Herr Vetter!
In Ihrem sehr verehrten Schreiben, womit Sie mich den
18.d.M. beehrten, suchen Sie Ihre WUnsche bezuglich
Ihres jilngsten Sohnes zu erkennen zu geben, wonach Sie
diesen hoffnungsvollen Knaben ins Musikalische Conservatoriurn nach MUnchen zu bringen beabsichtigen.
Geehrtester Herr Vetter! was ich in dieser Beziehung
für den guten Joseph, sollte derselbe wirklich nach
MUnchen kommen, zu thun im Stande seyn werde, wird mit
der gröl3ten Bereitwilligkeit geschehen, u. es wird mich
freuen Veranlassung zu finden, Ihre mir stets frUher
zugewandte Liebe und Freundschaft an Ihrern jungen Sohn
einigerrnal3en erwidern zu können.
Die Vorstände der fraglichen Anstalt sind gegenwärtig
noch in Urlaub, ich konnte demnach noch nicht Gelegenbelt finden mit ihnen persönliche Rucksprache zu nehmen, dieselben werden jedoch bald retour erwartet, wo
ich dann nicht ermangein werde theils directe, theils
rnittelst guter Freunde mich an sie zu wenden.
Inzwischen erlaube ich mir die Statuten der Anstalt in
Abschrift anliegend mitzutheilen, u. bitte wohl darauf
Bedacht zu nehmen, daf3 neben den gehörigen Schulzeugnissen auch
a) Geburts= b) Impf= c) Armuthszeugnil3
mitgebracht werden soll.
Für höchst billige Logie, Kost und gute Aufsicht wird
vorläufig das Nöthige eingeleitet werden, u. gewil3 in
jeder Beziehung zu Ihrer volisten Beruhigung. Mit der
Zeit werden auch mehrere Wohlthäter gewonnen werden
können, urn so die Auslagen viel möglichst zu erleichtern.
Bleibt der Knabe bray und fleil3ig, wofUr bereits die
Ubersandten Zeugnisse sprechen, so wird er sich selbst
In kurzer Zeit empfehlen, und bald mit leichten Kosten
62
sich in MUnchen durchzubringen im Stande seyn.
Die nächsten Tage hoffe ich Ihnen über das Weitere genügenden Aufschlul3 ertheilen zu können.
Genehmige Euer Hochwohlgeboren inzwischen die Versicherung besonderer Hochachtung u. Verehrung,
womit zu zeichnen die Ehre hat
Ihr ergebenster J.T. Wolf inger, Pfarrer
N.) bitte aufrichtig Empfehlungen u. Grtiie vermelden
zu wollen."
Drei Wochen später erbittet Wolfinger amtliche Unterlagen, urn Josef Rheinberger in München ordnungsgemäI
etablieren zu können:
Türkenfeld den 6ten Oktobr.1851
"Euer Hochwohlgeboren
Geehrtester Herr Vetter!!
Beehre ich mich zu benachrichtigen, daIs Peppi wenn er
nach MUnchen komnien will, die nächsten Tage in TUrken-
feld eintreff en möchte - indem schon den 12. d.M. die
Prüfungen behufs Aufnahme der Zöglinge ins MusikConservatorium vorgenommen werden.
Für Logie, Verpflegung etc. 1st bereits das Nöthige
vorbereitet, die def3falsigen Ausgaben könnten auf circa
11 fl per Monat kommen.
Ob in Bezug des Honorars per 40 fl an die Anstalt em
ganzer oder theilweiser Nachlal3 erwirkt warden wird,
kann an der Hand noch nicht bestimmt warden, jedenfalls werden aber in diesem Betreff die geeigneten
Schritte gemacht werden, zu welchem Zwecke jedoch unabläIlich em Armuthszeugnil3 zur Vorlage ans K. Mini-
sterium benothigt wird.
Der Director der Anstalt 1st noch nicht von seiner Vakanzreise zurückgekehrt - ich konnte mithin noch nicht
Gelegenheit finden, mit ihm zu sprechen. - Was übrigens die Aufnahme betrifft, so wird es keinem Anstande
unterliegen.
Die Raise nach Türkenfeld kann am leichtesten Uber
Lindau, Kempten nach Kaufbeuren auf der Eisenbahn u.
mittelst der letzteren über Augsburg nach Naunhofen,
welcher Ort zwischen Augsburg und München und nur 3
63
Stund von TUrkenfeld weg liegt, gemacht werden.
Ihrer verehrten Familie, dann Herrn Pfarrer Vetter Wolfinger wie alien geistlichen, weitlichen Freunden u.
Bekannten herziiche GrU8e u. Empfehiungen zu vermelden
bittend gepaart mit besonderer Hochachtung u. Verehrung
Euer Hochwohlgeboren
ergebst. J.T. Woifinger, Pfarrer".
Nach erfoigter Aufnahme berichtet Wolf inger dem Vater
des frischgebackenen Musikschuleleven:
TUrkenfeid, den 25ten Oktobr. 1851
"Euer Hochwohigeboren!
Geehrtester Herr Vetter!
Es freut inich herzlich die Ihnen durch Herrn Sohn Peter
bereits gernachten Mittheiiungen in Betreff auf Pepi bestätigen zu können. Der junge Paganini hat wirkiich
die Prüfung mit Auszeichnung bestanden, u. ist nach eigener Versicherung des Hr. DirectorsHauser,den ich noch
nachgehends zu sprechen die Ehre hatte, der beste von
Alien, weiche dieses Jahr ins Conservatorium aufgenommen worden sind. Herr Director versprach sich dieses hoffnungsvolien
Knaben besonders annehmen zu woilen, u. so werden auch
nicht wenige der Ubrigen Professoren ihm ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Herr Director wilnscht den Knaben in einer Logie zu sehen, wo er seibst auch im Famiiien=Kreise zu sociaier
u. musikaiischer Ausbildung Gelegenheit fände. Die
Frau Directorin bemühte sich seibst eine soiche solide
Familie zur Aufnahrne des Knaben zu bewegen, ailein
Herr Peter und ich getrauten uns ohne Ihr Vorwissen
nicht auf die gernachten Forderungen einzugehen, man veriangte per Monat für Kost, Logie, Mitgebrauch
der musikaiischen Instrumente 22f1, kEme noch Wasch
und Hoiz dazu, so machte es monatlich die Summe von
24f 1. Das war uns zu viel. - Ailerdings wtirde Pepi ungemein viel profitiren, und unter der Leitung eines
Farnillenvaters wie Herr Schöngen 1st, zu dem er kommen soilte, gewi8 in kurzer Zeit em tüchtiger Mann in
seinem Fache werden. Soliten Euer Hochwohigeboren diese grof3en Kosten nicht scheuen, so bitte ich urn baidige
64
Nachricht, bis dahin wird Pepi in dem bis jetzt inha-
benden Quartiere bleiben, wo, wie Ihnen. Herr Peter gesagt haben wird, er monatlich für die ganze Verpflegung incluslo des Kiaviers nur 16f 1 zu bezahien hat.
- Für das Klavier allein fordert man an andern Orten
2 - 3 fi per Monat. Die Familie, wo Pepi jetzt 1st, ist auch sehr bray, es
fehit nicht an guter Aufsicht. Allerdings hat Pepi ei-
nen weiten Weg ins Conservatorium u. leider nicht diese sehr gewfinschte Gelegenheit bey Familien=Concerten
mitzuwirken.
Uber bisherige Zufriedenheit des Herrn Pepi bin ich
so frei em Briefchen einzulegen, weiches er mir gestern zukoinmen lief3.
Pepi wird zwey Jahre das Conservatorium bis zu seiner
gehörigen Ausbildung zu besuchen haben - andere Zog-
linge müssen oft 3 - 4 und 5 Jahre darin seyn. Pepi hat
sich auch etwas irn Violin=Spiel zu üben, in so welt es
nemlich zu musikalischen Compositionen nothwendig 1st,
es wird auch gut seyn, wenn er die Zeit, die ihrn bey
seinem Fachstudium übrig bleibt, auf deutsche Styl=
Ubung verwendet, wozu ihm Gelegenheit gegeben werden
wird. - Ich werde nHchstens wieder nach München kommen, und sehen, was nach dem Erachten der Herrn Professoren weiteres zu thun. Von den 40f 1, weiche ans
Conservatorium zu zahien sind, 1st kein Nachlal3 für
Pepi zu erwarten, well er - "Ausländert' 1st.
Wenn nun auch einmal em Bayer auf elne Liechtenstelnische Akademle koinmen solite, wird man wohlweislich
nicht vergessen "Repressalien't zu üben.
Titl. Herrn Vittorlo Forense in Schaan bitte ich melne
Empfehlung zu vermelden, mit dem Bemerken, daB ich
nächstens in der ihm bewuf3ten Angelegenheit günstigen
Bericht ertheilen zu können hoffe. -
Unter 2000 GrUBen Ihrer verehrten Familie, dem Titi.
Herrn Vetter Wolfinger, Herrn Doktor Gra2 und Schädler zeichnet mit besonderer Hóchachtung
Euer Hochwohlgeboren
Ihr Vetter Pfarrer Wolf inger".
Josef Rheinberger selbst greift am 27. Oktober zurn
ersten Mal zur Feder, urn über sein Befinden in der
65
bayerischen Metropole zu berichten:
"Theuerste Eltern!
Ich halte es für meine kindliche Pflicht, Euch bald
Nachricht von mir zu geben. Ich ergriff demnach freudig die Feder, weil ich nur Gutes schreiben kann.
Am l6ten d.M. verlieI mich der Peter, wenige Stunden
hierauf Hr. Pfarrer Wolfinger. Dies fiel mir em wenig schwer. Denn ich stand nun ohne Bekannte in einer
fremden, grol3en Stadt. Aber die Freundlichkeit u. herzliche Aufnahme meiner Quartierleute stimmten mich bald
wieder heiter, so, daf3 ich ganz ohne Heimweh davon gekommen bin. Mir ging es bisher, Gottlob! immer nach
Wunsche. Hr. Perstenfeld sorgt für mich, wie für sein
einziges Kind, an Leib u. Seele, so kann ich Euch gewil3 versichern, u. er wird em paar Zeilen für Euch
beilegen.
Am l6ten d.M. ging ich mit Hr. Pfarrer Wolfinger zum
Herrn Grafen Torring-Seefeld, weicher die Güte hatte,
mir eine 10 fi Banknote zu schenken, mit dem Bemerken,
da ich em Glas Bier auf Seine Gesundheit trinken
solle. Auch salle ich zu Ostern auf sein Schlof3 Seefeld kommen, versehen mit einem Zeugnisse des Hr. Di-
rektors Hauser. Falle dieses gut aus, so wolle er
für's Weitere sorgen. (So drückte er sich kurz aus).
- Diese grEfliche Banknote kam mir sehr wohi zu Statten. Denn als ich dem Hr. Direktor Hauser den 1/4 jähr-
lichen Betrag des Schulgeldes (10 fi) entrichtete, be-
merkte er, ich müsse noch 5 fl 24+er für den Gebrauch
der Bibliothek u. weiter 2 fi 24+er als Einlage ent-
richten. (Die 5 fi u. 24+er bekomme ich jedoch am Ende des Schuljahres zurUck).
Ich habe nur 2 FHcher der Musik, Klavier u. Harmonie
u. Kontrapunktlehre. In beiden Fächern sind tuchtige
Meister meine Lehrer. Die Kiavierstunde habe ich mit
2 Erwachsenen, mit einem l6jahrigen, weicher sehr gut
spielt, und einem l4jahrigen. - Harmoniestunden ebenfalls mit 2 Erwachsenen. Die 4 Erwachsenen können so
ziemlich nicht viel für ihr Alter, denn ich will alien
gleichkommen.
Dem Hr.Pfarrer Wolf inger habe ich schon geschrieben.
Im Ganzen gefälit as mir in München. - 1st noch
66
nichts von Frankfurt gekonimen? - wie geht es dem Hanni?
u. Euch alien? GrUf3t mir alle, besonders die Mutter,
den David, den Peter, die Josepha, das Hanni, den Toni,
das Lise, das Male u. alle Verwandte u. Freunde. Gott erhalte alle, u. besonders Euch noch lange u. gesund.
Ich verbleibe Euer dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger
Meine Adresse: An Joseph Rheinberger, Zögling des Conservat. der Musik zu MUnchen, Maxiniilians-Vorstadt,
Findlingsstral3e Nr. 1/1 links, nchst der protestantischen Kirche".
Einen ausführlicheren Bericht schrieb Rheinberger
einen Monat später nach Vaduz:
München, den 2ten Dez. 1851
"Theuerste Eltern!
Durch Euren Brief vom iten vorig. M. erfreut, halte
ich es für meine Pflicht, Euch nicht lange unbeantwortet zu lassen, da ich weil3, dal3 Ihr gewi8 schon Antwort erwartet habet.
In Eurem Schreiben drUckt Ihr Euer Verwundern aus, daB
ich nichts von der Orgel geschrieben habe. Dies that
ich def3wegen, weil ich bisher noch keine Orgelstunde
genol3en habe. Es wird Euch der Peter schon gesagt haben, daB an meiner Aufnahmsprufung der Hr. Direktor
glaubte, daB Clavier= Harmonie= Contrapunct= u. Orgelstunden zu viel für inich sei, wel3wegen ichletzteres
weglassen solle, da ohnehin der Anschlag auf der Orgel u. dem Claviere so verschieden ist, daB durch den
Orgelunterricht der des Klavieres beeinträchtigt werden könnte - so lieB ich mich wirklich em wenig emschUchtern. Als ich aber sah, daB die Unterrichtsstunden so spärlich ausgetheilt werden (es werden nämlich
in der Woche für jedes Fach nur 2 Stunden gegeben,
deren jede 2 Stunden dauert) u. mir bei allen Aufgaben noch Zeit zu einem Gegenstande der Musik übrigbliebe, so ging ich zweinial zum H. Direktor u. bat
ihn, inir zu erlauben, Orgelunterricht genieBen zu dUrf en. Das erstemal fruchtete es nichts, das andere mal
lieB er aber nach u. gab inir die Erlaubnif3. Ich werde
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also ktinftighin 6 Unterrichtsstunden haben, was mir sehr
lieb ist, da der berUhmte Herzog Orgelunterricht ertheilt.
An der Slngstunde möchte ich nicht theilnehmen, da kelner von meiner GröI3e dieses thut, sondern nur lauter
Erwachsene. Von Aestethik und Akustik habe ich bisher
weder etwas gesehen noch gehört. In der Harinonie= und
Clavier=Lehre bin ich in der höchsten Kiasse. Bel dem
Orgelunterricht werde ich wahrscheinlich von vorn anfangen müfen, weil zwischen dem wahren und dem unsrigen
Orgelspiel em gro1er Unterschied ist. -
Hier in Ntinchen ist eine theure Polizei, da mich die
Aufenthaltskarte schon vierthaib Gulden kostete u. noch
ferner monatlich 12+er kosten wird. Herr Pfarrer von Türkenfeld hatte das monatliche Kostgeld richtig geschickt u. mir schon einmal geschrieben.
Mein Quartierherr 1st sehr liebreich gegen mich u.
brachte es zu Stande, dal3 ich bel Bräumeister von Knorr,
der ems der besten Kiaviere in München besltzt, spie-
len darf, so oft ich will, was mir sehr lieb ist, da
das unsrige Klavier so beschaff en 1st, wie das, weiches
ich in Feldkirch gehabt habe. Auch muI3 ich in's Conservatorium ein starke 1/2 Stunde welt gehen, was im
Winter sehr unangenehm 1st. Hier liegt seit Allerheiligen Schnee u. herrscht gro2e Kälte u. furchtbare
Theuerung. Herrn Lampert und H. Fetz habe ich die Briefe abgegeben, beide nahmen mich freundlich auf u. bin zu keinem
seither gekommen.---
Wie 1st bei Euch die Weinlese ausgefallen? 1st es in Vadutz auch so strenger Winter? Spielt Falk
noch mimer Orgel? Wie geht es Euch alien, dem Hanni und
dem Vetter Ludwig? GrW3t mir alle Verwandte und Be-
kannte. Ihr seid gewil3 alie gesund,
was Gott Lob auch
1st Euer dankbarster Sohn
Josef Rheinberger.
Viele Empfehlungen u. Grtif3e nebst elnem Brief e von
H. Perstenfeld."
Der beiliegende Brief von Rheinbergers Quartierherrn
hatte folgenden Wortlaut:
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"Euer Hochwohlgeboren!
Da Ihr Sohn Joseph Ihnen ohnedie8 gerade schreibt, so
kann ich umhin nicht anders, als diese Gelegenheit benützend, an Euer Hochwohlgeboren einige Zeilen zu
rich ten.
Gleich zum Voraus will ich Ihnen berichten, daB es mit
Ihrem Pepi, ineinem geliebten Schtitzling, in jeder Beziehung sehr wohi stehet, und daB wir ihn lieben wie
unseren Sohn. Weil Sie mich aber in Ihrem letzten
Schreiben aufgefordert haben, Ihnen in Bezug auf die
Heranbildung Ihres Sohnes meine Erfahrungen und mein
Gutachten initzutheilen, so will ich dieses un aufrichtigen Pflichtgefühle der Nächstenliebe ganz unverholen
thun, und schreiben wie mein Herz denkt. DaB Pepi em inunenses Talent zur Musik besitzt, ist un-
bestreitbar, und er 1st somit ganz am rechten Platz,
wo er semen Zweck erreichen kann. Doch hat es mit
dem Zweck so seine eigene Bewandtnil3; denn den Zweck,
tüchtiger Musiker zu werden, erreicht er schon,
aber ob er auch den Zweck erreicht, daB die Musik allein ihn versorgen wird, daB ist etwas Anderes. Kapellmeister und Chor= respective Orchester=Direktor wird
man nicht alle Tage, und die Organisten=Stellen sind
selten so einträglich, daB man davon standesmäBig leben k&inte, sohin sind die Organisten gewöhnlich geem
zwungen, zur AufbeBerung ihrer kümmerlichen Verhält-
nil3e, Klavierunterricht zu geben. Weil ich dieB aus eigener Erfahrung besttigen muI3, so
schrieb ich neulich an Hr. Hochwürden Titl. Herrn
Pfarrer von Türkenfeld, daB man dem Pepi wenigstens
die französische Sprache erlernen lassen möge, well
grol3e Herrschaf ten - weiche natürllch am besten bezahlen - gewöhnlich fordern, daB man den Musikunterricht in französischer Sprache geben soll. Of t bekömmt man derlei Kinder zu unterrichten, weiche
von fremden Herrschaf ten sind, und gar nicht deutsch
sprechen, nun aber sprechen doch alle, sie mögen Russen, Engländer etc. seyn, gewil3 französisch; es ereignet sich daher oft, daB der tüchtigste Musiklehrer,
weil er nicht französisch kann, nicht genonunen, em
Stümperer in der Nusik aber, weil er nur der Sprache
mächtig 1st, aufgenonnnen und gut bezahlt wird.
69
Uber diesen Gegenstand sprach ich zwar mit erwähntern Herrn Pfarrer schon am ersten Abend, als wir uns
kennenlernten, aber in anderer Art.
Ich sagte nämlich damals, dat3, wenn der Knabe mein Ware, ich denselben studiren lieI3e, und die Musik als
Nebensache betrachten würde. - Da aber hier em anderes Verhältni8 besteht, so möchte ich doch jedenfalls
dazu rathen, dal3 Pepi doch allerwenigstens die 4 Vorbereitungsklassen der Lateinschule durchmachen wUrde;
denn er kann in seiner Eigenschaft einmal eine Stelle bekommen, was nicht selten der Fall ist, da er
Chorregent, Cantor und Organist zugleich 1st, da
braucht er dann das Latein so nothwendig als den Choralgesang. - Würde er aber sogar das Gymnasium absolviren, und immer nebenher die Musik fortsetzen, so
wUrde er freylich em wissenschaftlich gebildet vollendeter Mann dastehen. Es sind diel3 nur einlge UmriBe, einige Andeutungen,
welche aber allerdings einiger Berücksichtigung in
so ferne wUrdig seyn dUrf ten, da sie auf Erfahrung gegrUndet sind. Ich stelle es Ihrem weisen Ermessen anhelm, was Sie hierUber zu verfugen für gut finden werden, und stelle mich zufrieden, meine Pflicht in der
Art gethan zu haben, daB ich meine Erfahrungen Ihnen
hiemit mittheilte; und empfehle mich in ausgezeichneter Verehrung und Hochachtung
als
Euer Hochwohlgeboren!
München, den iten Dezember 1851
ergebenster Diener
Johann Ev. Perstenfeld,
Magistrats funktionär
Viele Empfehlungen von
meiner Frau und meinem
Sohn Ludwig."
Wolfinger berichtet von einer Visite bei seinem Schutzbefohlenen in Nünchen an Rheinbergers Vater nach Vaduz:
70
TUrkenfeld, den 8. Dez. 1851
Post Inning.
"Euer Hochwohlgeboren!
Geehrtester Herr Vetter!
In den letzten Tagen befand ich mich in München, traf
den Pepi gesund u. zufrieden, - sprach iiber sein Verhalten mit den Herren Prof e1oren, von denen ich alles
Gute u. Rührnliche vernehmen konnt, u. hiemit mit vielem Vergnilgen zu berichten die Ehre habe. Urn die frelen Stunden auszufüllen, genieit Pepi nun
auch Unterricht in der französischen Sprache. Da diese Sprache in dem Conservatorium der Musik nicht
gelehrt wird, so inu1te anderwärts eine Instruction gesucht werden, man forderte jedoch für 4 Stunden in der
Woche 4 his 5 f 1, was mir zu theuer vorkam, u. mich
deshaib an mehrere gute Freunde wendete, wodurch ich
Gelegenheit f and einen Sprachlehrer zu vermögen dem
Pepi für nur 1 fi 30+er per Monat alle Tage elne Stunde zu geben, wobey jedoch der kleine Mozart zu dem
Lehrer in's Haus gehen muf3 wozu er Zeit und Gelegenheit genug hat. Die monatlichen Auslagen, Bücher etc. abgerechnet, machen nun 17 fi 30+er. Dabei kann Pepi auch in einem
Privathause em schönes und sehr gutes Kiavier unentgeitlich benützen. - Zur italienischen Sprache hat
Pepi nHchstes Jahr im Conservatorium Gelegenheit. Ich zweifle nicht, daB Euer Hochwohlgeboren mit dem
bisherigen Arrangement einverstanden seyn werden?
Es 1st mein Streben, so wohifeil als möglich zum erwünschten Ziele zu kommen, wobey natürlich Zeit und
UmstHnde wohi zu berücksichtigen sind. Dadurch hoffe
ich auch, wenn nicht in diesem Jahre, doch im nchsten es dahin zu bringen, noch auf billigere Weise
für Pepi sorgen zu können. Alles Schöne Ihrer werthen Familie zu melden und zugleich die herzlichsten Wünsche zum nahen Jahreswechsel entgegenzunehrnen
bittend zeichnet
Mit vorzUglicher Hochachtung und Verehrung
Euer Hochwohlgeboren
ergbst. J.T. Wolfinger, Pfarrer".
71
Am Sylvestertag 1851 schreibt Josef Rheinberger, das
erste Mal zum Jahreswechsel nicht in der Heimat, elnen
dankerfUliten Brief an seine Eltern:
"Theuerste Eltern!
Ich kann das neue Jahr nicht besser beginnen, als wenn
Ich mich mit einem, mit all' den Gefühlen erfUlle, welche Eure elterliche Gilte mir von zartester Kindheit an
eingeflöl3t hat. Ihr bemühet Euch, meine Wohlfart zu begründen. Vor allem habt Ihr mich gelehrt, den hohen
Werth Eurer Wohithaten zu fUhlen, weiche mir die heisseste Dankbarkelt einflöl3en. Gott belohne Euch dafür
durch Alles, was Euch das Leben versül3en kann. Möchte
mich doch seine Gnade einstens in den Stand setzen, Euch
zu beweisen, dal3 Ihre Sorgfalt nicht umsonst gewesen.
Ich werde trachten, durch FleiI u. gute Sitten Eure
Hoffnungen zu rechtfertigen, die Ihr in mich setzt. Eure zwei Brief e habe ich erhalten u. daraus mit Freu-
den entnommen, daB Ihr alle Euch wohi befindet. Am Ende d. Mnts. Nvmbr. besuchte mich H. Pfarrer von Türkenfeld und empfahl mich dem H. Baron von Perfall, den ich
mit dem Quartierherrn besuchte. - Dann erkundigte er
sich beim H. Direktor,den H. Professoren, ob sie mit
mir zufrieden seien. Die Zahi der Professoren des Conservatoriums beträgt 13, u. die der SchUler 110. Die
Orgel im Cnsrvtm ist zwar klein, aber einzig in ihrer
Art. Sie hat 2 Manuale, em gewohnliches, em Crescendo-pedal und 22 Register und kostete 6000 f 1. Die hiesige Kirchenmusik 1st nicht besser (oft noch schiech-
ter) als in Feldkirch, auBer in der Allerheiligenhofkapelle u. in der Basilika. Auch die Militärmusik ist
nicht so gut wie die österreichische. Bisher war ich
in der kgl. Residenz u. in der Pinakothek. Auch in der Bavaria bin ich gewesen. Dieser KoloB 1st
mit FuBgestell 95' hoch, ohne daBelbe 65'. Das KopfstUck wiegt 200 Cntnr. Die Breite des Mundes betragt
15'', die des Auges 11''; die LEnge der Nase 1,11'',
die Lange des Gesichtes 5,3''; die Lange des Zeigef ingers 3,2''; der Umfang des Arms 5,1''; die Lange des
Armes mit dem Kranze 24,9''. Der Nagel der kleinen Zehe
1st 3'' breit. Zum Kopfe empor fUhren 124 gul3eiserne
Staffein. In demselben finden nur 6 erwachsene Personen
72
Platz, aber nicht jnehr, wie ich mich selbst uberzeugt
habe. Nit dein französischen geht es mir sehr gut, wenn
ich nur inehr Zeit darauf verwenden könnte. Auch mu8te
ich eine andere Grammatik und em kleines franz. Lesebuch kauf en, beide für I fi 6+er. Wie geht es Euch?
Eure 12 fl habe ich erhalten u. werde sie nur langsam
anwenden. 1st der neue Aintsschreiber auch musikalisch.
Saget dem H. Fetz, ich werde ihm auf Ostern schreiben.
Lebet wohl; der Himmel segne Euch das neue Jahr.
Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger.
München, den letzten Tag des
Jahres 1851."
Die Briefpa-use, die nun eintritt, beunruhigt die Eltern
in Vaduz.
Nach zwei Nonaten schreibt Josef:
München, den 27. Febr. (1852)
"Theuerste Eltern!
Am 3ten Februar habe ich Euern Brief erhalten sammt den
10 f 1. - Ich weil3 wohl, da8 Ihr sehr viel Ausgaben für
mich habet, und da8 Ihr theuerste Eltern, dieses Geld
schwer erlanget. Ich glaube, da8 ich meine Dankbarkeit
dadurch am besten bezeigen könne, wenn ich Euern Ermah-
nungen stets eingedenk, flei!3ig u. sparsam bin. Ich ermangle deI3halb nicht, täglich Gott zu bitten, da8 seine heiligste Gnade mir Kraft u. Ausdauer hiezu verleihe,
und mir Euch, beste Eltern, recht lange in voller Gesundheit erhalte. Zu Eurer Beruhigung darf ich Euch versichern, daI3 ich in der }{usik nicht zurUckgeblieben bin,
sondern da8 ich, wie mir Herr Professor Wanner sagte,
schon zwei seiner SchUler eingeholt habe. Auch die andern Herrn Prof. u. selbst der H. Direktor bezeugten
mir ihre Zufriedenheit. Musikalische Schulbücher darf ich mir keine anschaffen.
Aber ich werde noch den II. Kurs der Grainmaire de Sanquin u. noch zwei andere kleine Lesebücher von Christoph Schmidt, zusanunen für ungefähr 1 fl 30+er, anschaff en mUssen. -
Ich geniee tägl. I französische Stunde nit zwei andern
SchUlern, die zwar vor mir angefangen, aber mich noch
73
nicht überholt haben. Den H. Baron v. Perfall kenne ich nur als einen guten
Musiker u. Komponisten. Auch gehe ich öfters In das
Haus, wo ich die Bewilligung zum Kiavierspielen er-
halten habe. - - -
Das Mali soil sich nur fleil3ig in den Tonleitern üben,
auch wird es wohi die ganze Klavierschule auswendig
gelernt haben? - Der Tod des Lehrers Jehly hat mich
sehr betroffen; er wird wahrscheiniich vom Nervenfleber dahingerafft worden sein. - Koimut nun der Pöhiy
wirkljch nach Schaan? - (...)
Ich bin gottlob gesund, was Ihr alle hoffentlich auch
sein werdet. Schreibet bald einen Brief,
Eurem dankbars ten Sohne
Jos. Rheinberger."
Zwischenzeitljch hatte sich der Vater an den Quartierherrn Josef s gewandt und erhieit folgende Antwort:
"Euer Hochwohlgeboren!
München, den 8ten März 1852
Auf Ihre geehrte Zuschrift vom 5ten praes. 7ten 1. Mts.
beehre ich mich zu Ihrer Beruhigung zu erwidern:
dal3 Pepi allerdings am 2ten 1. Mts. seiner Pfllcht
nachgekommen 1st und geschrieben hat; von nun an aber
mul3 derseibe schon em
paar Tage vor Abiauf des Monats
schreiben. Befürchten Sie ja nichts, und quälen Sie Ihr iiebendes
Vaterherz nicht mit unnöthigen Sorgen; denn wenn es
nur im Geringsten nicht recht herginge, so wUrde ich
Ihnen unfehibar Anzeige erstatten. Zu Ihrer Freude will
ich Ihnen bei dieser Gelegenheit eröf.fnen, dal3 ich vor
5 Tagen mit Hr. Profe2or Mayer tiber Pepi erkundigte,
weicher sich Uberraschend gtinstig Uber Ihn aussprach,
so daB ich entnahm, er habe seine MltschUler welt Uber-
fitigelt. -
Indem ich Sie auch versichern kann, daB ich auch pflichtgemH2 für sein Seelenheil besorgt war, und Pepi nicht
bloB elnen ausgebildeten Verstand sondern auch em für
das Christenthum veredeltes Herz besitzen wird,
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empfehle ich inich gehorsamst, und ininier niich
Euer Hochwohlgeboren!
unterth. Diener
Job. Ev. Perstenfeld
Magis trats fktn.
Viele herzl. Empfehlungen von meiner Familie.
Grü!3en Sie uns besonders auch Ihre liebe Frau als Unbekannt."
Pfarrer Wolfinger aus TUrkenfeld verwaltet das für
Josef vom Vater geschickte Geld und gibt diesem im
März 1852 folgenden Rechenschaftsbericht:
Türkenfeld, den l2ten Närz 1852
"Hochwohlgeborener Herr Rentmeister!
Hochgeehrter Herr Vetter!
Hiermit habe ich die Ehre den Empfang der am lOten
d. N. mitteist Post erhaltenen 81 fl /Achtzig Einen
Gulden/ zur Verwendung für Ihren Herrn Sohn Pepi zu
bestätigen.
Ich erlaube mir nachstehend die bisherigen Auslagen
zu bezeichnen:
für den 1/2 Monat Oktober v.J
für den ganzen " Novbr.
für Dezb. inclusiv des Instructionsgeldes für französische Sprache
für ....
Januar
für Februar, inclusiv des Quartal-
Honorars ins Conservatorium
für den Monat Närz /Vorausbezahlung
8 fi
16
U
17 U 30+
17 " 30"
27 " 30"
.17 " 30"
104 fi
Mit den 22 fi, weiche Euer Hochwohlgeboren dern Pepi
uninittelbar zu überrnachen die Güte hatten, wird derselbe so die kleineren Studenten=Ausgaben bestritten
haben?? In Summa
Pepi steht unter guter Aufsicht, die Quatierleute sind
fleil3ig, 11. in jeder Beziehung urn sein Wohi besorgt.
Von groBem Vortheile in Bezug auf musikalische Vervollkoinmnung ware es allerdings für Pepi, wenn derselbe
bey einem Klavier=Virtuosen in Kost und Logie konimen
75
könnte, wo öfters Familien=Concerte stattfinden; das wiirde jedoch bedeutend höhere Kosten verursachen
u. den Betrag voncirca 24 fl per Monat erreichen. Pepi soilte auch das Latein nicht ganz vernachl13igen,
für heuer hat er jedoch keine Zeit dazu, ja würde sein
Fachstudium dachirch verkUrzen nach dem alten Sprichwort: "Sensus ad plura adtentus, ad singula minus". Konimendes Jahr dUrfte bel3ere Gelegenhe.it bieten. -
Die Herren Professoren habe ich schon mehreremal gesprochen, dieselben äuIerten sich iinmer mit vieler Zufriedenheit tiber den kleinen Mozart.
}Iit nur 1 fi 30+er Instructionsgeld per Monat kann sich
der französische Sprachlehrer deswegen begnligen, weil
derselbe mehrere Zöglinge hat, welche miteinander eine
tgliche Lernstunde bezahien.
Nit meinem verkauf ten Rittergut werde ich nicht mehr
lange renommiren, die Gemeinde Türkenfeld hat sich bereits -mit mir in Kaufs=Unterhandlungen eingelassen, behufs Erwerbung eines neuen Schul= dann Armen= Feuer=
und Gemeinde=Versammlungs Hauses, wozu sich die geräumigen Locale der dermaligen Schlofgebäude mit wenig
Unkosten einrichten laBen.
Urn der Gemeinde den Ankauf zu ermöglichen, sind durch
Wohlthätige schon 1600 fi gratis zusanimen gekommeri,
auch ich werde em kleines Opfer bringen mUl3en urn den
schon lange erstrebten guten Zweck zu erreichen. DaB das Entwässerungs=Werk in Baizers gute Fortschritte
rnacht, habe ich auch in letzter Zeit mit vielem VergnUgen vernommen; die Balzner haben die Gelegenheit einen
neuen Beweis zu liefern: "was vereinte Kraft vermag".
Die spätere Zeit wird ihre MUhe lohnen. DaB nicht Alles mit der Ausftihrung dieses groBartigen
u. gerneinnUtzigen Projectes einverstanden ist, finde
ich natUrlich: quilibet, Cicero pro Domo sua. Die Oster=Ferien wird Pepi in Türkenfeld zubringen,
wozu ich Euer Hochwohlgeboren freundlichst einlade,
u. soilte es da nicht rnöglich seyn, so geben wir uns
der angenehmen Hoffnung hin, daB Sie uns wenigstens
auf den Herbst mit einern schätzbaren Besuche beehren
werden.
Titi. Herrn Peter, wie Ihrer ganzen verehrten Familie,
dem Titi Herrn Landes=Verweser, - Herrn Vetter Pfarrer
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Wolf inger; Dr. Gra1 Dr. Schädler meinen gehorsamsten
Respekt zu vermelden
bittend zeichnet:
Mit besonderer Hochachtung u. Verehrung
Euer Hochwohlgeboren. ergebst.
J.T. Wolf inger, Pfarrer.'t
Am 30. März 1852 schreibt Rheinberger an seine Eltern:
Mtinchen den 30. M.
"Theuerste Eltern!
Es wundert mich sehr, daf Ihr diesen Monat nichts von
Euch habt hören lassen. Euren letzten Brief bekam ich am
7ten Februar. Es sind del3halb bald 2 Monate, seitdem ich
keine Nachricht von Euch erhalten babe. Ich /weii3/ daher
nicht, was ich davon denken soll; Ihr werdet doch nicht
krank sein? Oder habt Ihr viellejcht meinen letzten Brief vom 28ten
Febr. nicht erhalten? Ich habe Euch dief3mal nicht viel zu berichten, da ich
Gottlob! immer gesund bin. Vorn 2ten bis l6ten nchsten M. werden unsere Osterferien
sein, weiche ich theils auf Einladung in Türkenfeld,
theils in Seefeld zubringen werde. (denn der Hochw. Herr
hri besuchte mich v. N. mit deni jungen hri von Eschen.) -
Letzten Samstage war ich in einem Conzerte, welches von
dem Virtuosen im Violonzellspiel C. Coldtermann veran-
staltet wurde u. sehr glänzend war. Ich u. em Schüler
des Cnsrvtrums bekamen Freibillete von unserm Klavierlehrer Hr. Wanner. -
Gestern frUhe kamen hier zwei ruBische Grol3ftirsten an,
denen zu Ehren heute grol3e Revue gehalten wird, wozu em
Kuirassier-Regiment von Freising u. einige ChevauxlegersRegimenter von Augsburg hieher beordert sind. Wird Hr. Pöhly Lehrer zu Schaan werden? - Spielt das Mali
noch fleil3ig? Und was macht der Toni? die Josepha u. das
Lise? Sind alle Geschwister u. die liebe Mutter wohl auf? In Erwartung eines baldigen Briefes von Euch
verbleibe ich Euer dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger."
Genau einen Monat später berichtet er wiederum nach Hause:
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teTheuerste Eltern!
München den 3Oten Ap. 1852
Euer werthes Schreiben vom l5ten April erhielt ich den
l7ten gl. N., nachdem ich nun von Ttirkenfeld zurückgekehrt bin. In Seefeld war ich nicht, well H. Direktor zu Ostern keine Zeugnif3e austheilte, u. well H.
Pfarrer Wolfinger nicht Zeit hatte, mit mir dorthin
zu gehen. Ubrigens hatte ich mich in Türkenfeld sehr
gut unterhalten. Der H. Pfarrer erwartet täglich einen
Besuch von H. Ochsenwirth in Feldkirch. - Hn. Lampert
vom Schlo1 habe ich hier noch nicht gesehen - kommt
er viellelcht gar nicht nach MUnchen? In den Studienfächern geht es mir ganz gut. Nur in der
Harmonie=lehre krnkt mich sehr, daf3 ich immer auf die
/andern/ warten mu1 - so z.B. blieb einer 14 Tage lang
aus - lernte ich immer vorwärts, nun muB ich wieder
die nämlichen Aufgaben machen, bis er auch so welt gekommen ist, als ich - dessen ungeachtet sagte mir der
Professor der Compositions=Lehre, H. Meier, dal3 ich
die besten Aufgaben eingeliefert hätte. - In den Klavierstunden aber lernt jeder unabhänglg vom andern,
u. so kommen alle schneller zum Ziele, was von H. Professor Wanner sehr zu loben ist.
Herr Direktor kam einmal in die Orgelstunde u. sagte
zu mir, daI3 er es lieber sehen wUrde, wenn ich mit
den Orgeistunden aussetzen wUrde, weil sie die Klavierstunden henimen wUrden. Als Herr Professor Herzog
einwendete, daf3 ich aber gute Anlagen zu einem Orga-
nisten hätte, u. es Schade ware, wenn ich mit der Orgel aussetzte, bekam er eine derbe grobe Lektion vor
allen SchUlern. Unter andern sagte er auch, dal3 er es
uberhaupt nicht leiden kUnne, wenn em SchUler Klavier= u. Orgelstunden zugleich nehme. Das nächste Jahr
könnte ich wieder Orgelunterricht haben. H. Herzog
sagte dann mir, da2 er mir (heimlich von dern H. Di-
rektor) Privatunterricht ertheilen wollt, u. zwar unentgeltlich auf der Orgel der evangelischen Kirche. Hier herrscht grofe Theuerung, so z.B. kostet das
Pfund Schweinef 1. 15+er, das Kalbf 1. 11+er, das Rind-
fl 12+er, das Klafter Holz 13 fl, das Pfund Nehi
10 +er, das Schäffel Kartoffel 6 fl, das Pf. Schmalz
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28 +er, das Pfund Kaffe 40 +er, das Pfund Zucker
24 +er, em Wohnung von 3 Ziimnern jährlich 130 - 50
fi. -
Wie geht es dem Toni? Wenn er hier ware, hätte er
viel Gelegenheit, sich für's Zeichnen u. Nalen auszubilden. Wenn ich einmal Zeit babe, werde ich ihm recht
viel schreiben, das ihn interessieren würde. Viele
GrüI3e an ihn. Wie geht es den andern Brüdern u. Schwe-
stern? Und Ihr, theuerste Eltern, seid ihr gesund?
Der lieben Schwester in Zams babe ich schon geschrie-
ben. Für's Schuhflicken bezahlte ich bis jetzt dein
Schuster über 3 f 1, der Schneider aber profitirte von
mir noch keinen +er, denn an den Kleidern ist noch
nichts zerrissen, aber der alte blaue Rock ist inir em
wenig zu klein, u. die graue Hose em wenig zu kurz.
- Am l5ten Ap. mul3te ich das Lehrgeld für's 3te
Quartal (10 fi) bezahien. GrüIt mir alle lieben Geschwister u. Bekannte, indem
ich in Erwartung eines baldigen Brief es von Euch,
verbleibe ich Euer dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger.
Viel Empfehlungen von Seite meiner Quartirleute."
Auch im Mai weii3 Josef nichts Wesentliches zu berichten
und fal3t sich daher sehr kurz:
79
München den 26.5.52
"Theuerste Elternl
Euer werthes Schreiben voin 16. 1. M. babe ich erhalten
und daraus mit Freuden gesehen, daf Ihr Euch gesund und
wohl befindet, was auch beimir, Gottlob! der Fall 1st.
Ich babe Euch dieJmal nicht viel Wichtiges zu berichten,
aul3er daB es inir in den Lehrgegenständen wohl geht. -
Auf das nächste wahrscheinliche Prüfungs-Konzert babe
ich das betreffende Stuck schon zum ElnUben erhalten.
Es 1st für zwei Kiaviere gesetzt; ich muB es mit einem
andern Eleven einstudieren. Unser Professor der Harmonie, Hr. Maler, 1st sehr oft
krank, wodurch natUrlich der Unterricht sehr gestört
wird. Auch 1st neulich em Professor des Conservatoriums
gestorben. Hr. Pfarrer Wolf inger von TUrkenfeld schickt
das Kostgeld piinktlich, jedoch hat er das Geld für das
3te Quartal nicht geschickt. Das Hanni hat inir noch nicht geschrieben, u. da Ihr mir
nie davon etwas schreibt, so weiB ich nicht, wie es Ihr
geht. Jedoch hoffe ich, daB sic gesund sei. Wie geht es dew Toni? Da es nun inuner schön Wetter 1st,
hat er gewil3 viele Gelegenheit, Im Garten herumzuarbeiten. Lernt das Mali viel unter seiner Direction?
Stehen bei Euch die FeldfrUchte schön, was bei so sch6nem
Wetter zu hoffen 1st?
In der Hoffnung elner baldigen Antw. von Euch,
verbleibe ich Euer
dankbarster u. dankschuldigster
Sohn
Joseph Rheinberger.
Viele GrtiBe an die 1. Mutter.'t
Der Juni - Rapport beinhaltet den Bericht Uber die Pfingstfeiertage und flber den Besuch seiner ersten Oper:
80
Nünchen, 28.6.52
"Theuerste Eltern!
Well ich das letzte mal den Brief so kurz. gemacht habe,
werde ich die8rnal lHnger im Geiste bei Euch verweilen.
- An dem närnlichen Tage, als ich Euch schrieb, reiste
ich nach Seefeld, theils urn dort die Pfingstfeiertage
zuzubringen, theils urn der Einladung des hochw. H.
Pfarrers öhry Folge zu leisten; - ich halte es aber
für unnothig, Euch d-urch elne lange Beschreibung dortiger Gegend zu ermüden, ich beschrHnke mich bloB da-
rauf, Euch zu sagen, dass es rnir dort sehr gefiel u.
dass ich auf dem h. Berg Andechs war, wo eine groBe
Orgel 1st, weiche ich probiren durfte. Am h. Pfingstsonntag u. Pfingstmontag spielte ich Aint u. Vesper in
zwei verschiedenen Dörfern. Der junge öhry hat grol3e
Fortschritte in der }fusik gernacht, u. denke, daB er
em
tüchtiger Lehrer werden kann. In Mitte dieses Monats überraschte rnich H. Wolfinger
aus Feldkirch mit einem Besuche, u. machte mir Hof fflung, dass Ihr, bester Vater, mich auf den August nach
meinem lieben Vadutz abholen würdet.
Vor 14 Tagen hörte ich zum ersten Male eine Oper:
"Die Zauberflöte"! Dieser herrliche Kunstgenul3 läBt
sich nicht beschreiben, (besonders, da nur 15 +er unter
ihm litten). -
Irn Conservatorium wird schon tüchtig an einer guten
PrUfung vorgearbeitet. Hr. (Harrnonie-)Professor Maier
war 3 Wochen lang krank, also wir ohne Unterricht; zu
guter Letzt nimmt er noch 4 Wochen Urlaub, während
weicher Zeit wir zu einem andern Lehrer u. andern Methode gekoinmen sind. - Aber wo's zurn Zahlen geht, da
sind diese lieben Leute vorn dran. -
So zum Bspl. wurde der Betrag des 4ten Quartal's urn
elnen ganzen Monat zu früh gefordert. (Das habe ich
schon Herrn Pf. Wolf. geschrieben, welcher mir die 10 fl
schicken wird). Ich bereite mich nichts desto weniger
zur Prüfung gut vor, u. werde das selbst ersetzen,
was durch Prof. Maier abgeht. In Betreff des Andrioli werde ich mich ganz so verhalten, wie es mir David schrieb.
Meiner Kassa 1st der Nagen ganz zusammengeschrumpft.
81
Jetzt gibt's bei Euch gewiB viele Kirschen?! -- Ich
bin Gottlob gesund wie Ihr es hoffentlich auch sein
werdet. -Grüsset mir alle meine lieben Geschwister, vorzüglich
aber die liebe Mutter, weiche jetzt in Disentis sein
wird. Lebet wohi, theuerste Eltern, u. gedenket oft
Euers dankbars ten Sohnes
Jos. Rheinberger."
Josef Rheinberger hatte sich bei der Mozart-Stiftung
in Frankfurt a. Main urn em Stipendium beworben und
war zur Prilfung zugelassen worden. Da er aber während
der Schuizeit in Mtinchen die PrUfungsarbeiten nicht
sofort fertigstellen und einreichen konnte, bat sein
Vater den Verwaltungs-Ausschul3 der Stiftung urn Aufschub:
"An den Löblichen Verwaltungs-Ausschul3 der Mozart-
Stiftung zu Frankfurt a./M..
Am gestrigen karn mir von dem Löblichen VerwaltungsAusschut3 die angenehme Nachricht zu: daI3 mein Sohn Joseph in Betreff Bewerbung urn das Stipendium der Mozart-
Stiftung zur Zulassung der hierfür vorgeschriebenen
Prtifung gewUrdigt worden sey.
Indem ich nun für diese Gnade Narnens meinem Sohn den
verbindlichsten Dank ausdrUcke, muf3 ich zugleich mit
Bedauern anzeigen: da8 sich derselbe gegenwärtig nicht
bei mir zu Hause, sondern in dem Conservatorium für Musik in München befindet; und da8 er erst nach beendigtern Schulkurse, nämlich in Mitte künftigen Monats Aug.
wieder zu Hause eintreff en wird. Unter folgenden Umständen sehe ich mich nun veranlal3t Euer Löblichen Verwaltungsausschu6 höflichst zu bitten: mir geneigtest anzeigen zu wollen: ob bis dorthin nicht noch em Aufschub gestattet werden könnte? oder ob es vielleicht
nicht gefälligst sein möchte die fraglichen Prüfungsarbeiten bei dem Directorat des Conservatoriums in MUnchen vornehrnen zu lassen?
Für jeden Fall habe ich das verschlossene Schreiben an
den Musikdirektor P. Schinutzer in Feldkirch sogleich
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zustellen lassen, und von ibm die Nachricht erhalten:
dal3 er sich dem ihm beehrend anvertrauten Geschäfte
mit Vergnügen unterziehen werde.
Wegen verursachender - jedoch unverschuldeter Ungele-
genheit höflichstens abbittend empfehle ich mich und
meinen Sohn Joseph Ihrer Geneigtheit und zeichne mich
mit voilkommenster Hochachtung
Johann Peter Rheinberger.
Vaduz, den 14. Juli 1852."
Zum Ende Juli 1852 erwartet Rheinberger semen Vater
in München, der ihn während der Ferien in die Heimat
holen will.
Gleichzeitig möchte sich der Vater das Prtifungskonzert
im Konservatorium, bei dem Josef mitwirken soil, anhören.
Doch zum gröl3ten Verdrut Josef s fällt das Konzert aus.
Er berichtet ärgerlich nach Hause:
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Mtinchen 28.7.52
"Theuerste Eltern!
Kaum hatte ich Euren werthen Brief erhalten, so beeilte
ich mich, mich zu erkundigen, wann die Prtiffungen u.
wann das Prtiffungsconcert seien. Aber erst gestern erfuhr ich, dat3 meine PrUffung Samstags
den 7ten nächsten Monats sein werde, u. daB gar kein
Pruffungslconcertl stattfände, weil Hr. Direktor vor
kurzer Zeit abgereist ist, woraus folgt, daB em Professor
die PrUffungen leiten wird. Uber alles diesesbln ich nun
sehr argerlich geworden, theils weil Ihr Euch gewil3 schon
darauf gefreut habt u. weil wir das Concert für 3 Klaviere
von Bach schon eingeUbt hatten. Auch sind die Professoren
in letzter Zeit fleiBiger geworden, als früher. -
Heute erfuhr ich auch, daB die Schulen schon Ende Septembers ihren Anfang nehmen werden, u. daB auch em Concert
im November stattfinden werde - so viel ist gewiB, daB
man un Conservatorium nichts sichers sein wird. Hier gibt es Ubrigens nichts Neues.
Wie geht es der Mutter in Tyrol?
Was machen alle lieben Geschwister?
Ich hoffe Euch recht bald zu sehen, wo Euch dann
mehr sagen wird
Euer dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
(Ich hoffe von Euch noch em Schreiben, wo Ihr mir die
Zeit Eurer Ankunft genau berichten soiltet.)
Viele GrtiBe von Perstenfeld."
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Zum Ende des Schuljahres 1851/52 schickt der Magistratsfunktionär Perstenfeld, bei dem Josef wohnt, Vater Rheinberger die Zeugnisse seines Sohnes mit folgendem Brief:
"Hochwohlgeborener, Hochzuverehrender
Herr Rentmeister!
Theuerster Freund!
In der Anlage übermache ich Ihnen, in Erledigung Ihres
Auftrages, das bewul3te Zeugnil3, und freue inich über den
herrlichen Inhalt desselben.
Sie sind wirklich em glUcklicher Familienvater; denn
wen der Herr mit so guten Kindern segnet, der muI3 auch
bei ihm besonders in Gnaden seyn.
Nicht minder wird sich aber auch Pepi tiber das vollen-
dete Schuljahr freuen, in weichem sein Flei2 mit so
herrlichen Zeugnil3en gekrönt wurde; aber - möge er deBwegen ja dem Hochmuthsteufel in seinem Herzen nicht
Platz greifen lassen, und nie vergessen, da8 er nur Alles vom Herrn empfangen hat; nie die edle Perle, die
Tugend der Demuth von sich werfen; denn nur mit dem De-
mtithigen 1st der Herr, dem Stoizen entzieht er seine
Gnade und verwirft ihn. Ach wie wird sich Ihre edle Gattin über ihren Sohn gefreut haben? ich meine ich sehe ihre Freudenthränen.
GrUl3en Sie ndr dieselbe recht herzlich, obwohl als persönlich unbekannt; grtil3en Sie mir auch alle Ihre Kinder, besonders aber den Josef recht herzlich, und sagen Sie ihm, da6 jetzt unsere Abende recht monoton seyen - wir langweilen uns nach ihm. Für Winter-Lektüre sey bereits wieder gesorgt.
Mich Ihrem ferneren Wohlwollen empfehlend, verharre
ich hochachtungsvollst
Euer Hochwohlgeboren!
Sie herzlich liebender Freund
Johann Ew. Perstenfeld, Magistratsfunktionär
Nünchen, den 12. August 1852.
Wenn ich nur das Vaduz vor Augen hätte, wo Pepi gerad
auf einem Birnbaum sitzen wird.
P. Sctr.: Recht viele GrtiI3e von meiner Frau und meinem
Ludwig. -
Ludwig freut sich schon wieder auf die Ankunft des Josef,
weichen er herzlich grtil3t.t'
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ZeugniI
Der Zögling des Königl. Bairischen Conservatoriums für
Mus 1k,
Joseph Gabriel Rheinberger von Vaduz,
hat in dem Schuljahre 1851/52 den Lehrkursus des Unterzeichneten über einfachen Contrapunkt besucht und danfl bei seinem
ausgesprochenen musicalischen Talente und seinem musterhaf ten Flei2e
die befriedigendsten Fortschritte gemacht, so da2 er
sich bei der in diesen Tagen abgehaltenen Jahresprufung
auf das Rühmlichste auszeichnete.
Diel3 bezeugt auf Pflicht und Gewissen
Julius Maier
Professor der Composition am Königl.
Bairischen Conservatorium für Musik.
MUnchen d. 8. Aug. 1852.
Zeugnif3
Joseph Rheinberger, fUrstlich Lichtenstein'schen Rentenverwalters Sohn aus Vaduz, hat die Unterrichtsstunden
des Unterzeichneten im k. Konservatorium für Musik im
verfiossenen Schuljahre 1851/52 flei1ig besucht und bei
ausgezeichneten Fähigkeiten, unermüdetem Fleif3e
einen ausgezeichneten Fortgang gemacht.
Dief3 bezeugt den Wahrheit gemaB
Ch. Wanner
Professor des Pianoforte-Spiels
am k. Konservatoriuni f. Musik
München, den 11. August 1852
In legaler Abwesenheit des k. Direktors
A. Wohimuth.
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In diesem Jahr 1852 verschiebt sich die Semesteranfangszeit am Konservatorium in München. Johann Perstenfeld erinnert den Vater Rheinbergers gerade noch
rechtzeitig:
München, am 6ten September 1852
ttEuer Hochwohlgeboren!
Ich erlaube mir Ihnen zu berichten, daB das Conservatorium für Musik am l5ten September l.Js. wieder eröffnet, dafür aber am l5ten Juli k. Js. wiederum geschlot3en wird. -
Well ich befürchte, daB Ihnen dieses viellelcht nicht
bekannt werden möchte, so erachte ich als pfllchtgemHl3, Ihnen diesen auBergewöhnlichen Fall zu benachrichtigen.
Für Pepi wird es kein besonderes VergnUgen seyn, seine
Vakanz so verkUrzt zu sehen, allein dafür wird er im
nHchsten Jahre eher los, was auch sein Gutes hat. Wir freuen uns schon wieder auf seine Ankunft, umso
mehr, wenn Sle selbst ihn wieder hierher begleiten.
In der Hoffnung baldigen Wledersehens verbleibe ich
Ihr
ergebenster Jo. Ev. Perstenfeld
Viele GrüBe an Ihre Frau Gemahlin und
Kinder.
Vater Rheinberger wuBte aber durchaus von der geänderten Anfangszeit des Semesters und hatte seinerseits
Herrn Perstenfeld ersucht, belm Conservatorlum elne
Verlängerung von Pepis Ferlen bis zum 1. Oktober zu beantragen. Die Brief e hatten sich gekreuzt, Perstenfeld antwortete postwendend:
"Hochwohlgeborener, Hochzuverehrender
Herr Rentmeister!
Ihr verehrl. Schreiben vom 5ten praes. 7ten d.M. habe
Ich richtig erhalten, und daraus ersehen, daB Sie
glückllch Ihren heimathlichen Herd erreicht, und die
Ihrigen Im erwünschten Wohlseyn wieder getroffen haben.
Es hat mich sehr gefreut, daB ich aus dlesem Briefe
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entnahrn, wie Sie und die Ihrigen sich freundlich meiner
und meiner Familie erinnern, und wie Pepi sich sogar wieder nach seinern Studium, sohin nach München sehnt; er
sey uns herzlich willkommen, denn auch wir freuen uns
auf seine Ankunft. Was Ihre Bitte urn Urlaubsverlängerung für Pepi anbe-
trifft, so babe ich derselben augenblicklich zu ent-
sprechen gesucht, und heute Morgens urn 1/2 8 Uhr war die
Sache schon bereiniget: Pepi darf noch bis zurn iten Oktober ausbleiben, nur mu8 dem Direktorium von Ibrer Seite angerneldet werden, da8 er urn diese Zeit wieder
kömrnt. -
Nun aber hätte auch ich eine Bitte, deren Gewährung für
mich und die Meinigen die wohlthätigsten Folgen haben
würde, und mich zu grof3ern Danke gegen Sie verpflichten
mül3te. - Ich befinde rnich nämlich in einer sehr bedrngten Lage, und wei2 fast meine Zahiungen nicht mehr
aufzutreiben, well schwere Lasten auf melnen Schultern
ruben. - Dazu habe ich noch elne ungluckliche Schwester,
welche sich schon 5 Jahre im Irrenhause befindet, cine
weiche nicht gut verheirathet ist, und eine arme Mutter; denen ich Sohn und Bruder auch der That nach seyn
mut3. - Uberall soll ich helfen, und wie ware das mit
meinem schwachen Einkommen rnöglich, wenn nicht Gott rnir
manchrnal eine Hilfsquelle öffnen würde. Glauben Sie
nlcht, daB, wenn Sie meiner Bitte, die ich kaurn auszusprechen wage, auch nicht willfahren können, ich deBhalb nur irn Geringsten gegen Ihr Kind anders handeln
werde, als bisher; nein - del3ungeachtet bleibt Alles
beim Alten. Ich stelle närnlich die herzliche Bitte an Sie, wenn es
Ihnen möglich ist, mir einen Vorschut3 von 100 fi zu
entrichten, wo dana irn Voraus bezahlt ware bis zum Monate April, auf welches noch 4 fl hinübergingen, so
daB ich also im Monate April die erste Zahlung mit 12 fl
wieder erhalten würde. Ob Sie mir diese meine Bitte
Ubel deuten oder nicht, weif3 ich zwar nicht, aber das
weiB ich, daB, wean Sie es rnachen können, auch thun
werden, und dafUr das selige Bewuf3tsein in sich tragen, einer bedrangten Familie geholfen zu haben. SchlieBlich bitte ich urn baldgefällige Nachricht hierüber, und empfehle mich mit der vollkommensten Hoch-
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achtung und Verehrung mit der ich mich zeichne
Ihren
ergebenst treuesten
Freund Job. Ev. Perstenfeld
Magistratsfunktionär.
München, den 8ten September 1852
Viele herzliche Grü8e von den Meinigen an Ihre liebe
Frau u. Kindern, besonders an Josef.t
Der Bitte Perstenfelds um einen Vorschul3 wurde entsprochen und dankerfUllt schreibt er nach Vaduz:
MUnchen, den 2Oten September 1852
tEuer Hochwohlgeboren!
Freudig überrascht war ich, als vorgestern durch Ihre
Güte meinem kaum ausgesprochenen Wunsche wil.lfahrt
wurde, und ich fühle mich verpflichtet, Ihnen hierfür
ineinen wärmsten, innigsten Dank zu zollen. lodurch ich aber diesen Dank zu bethätigen suchen werde, ist Ihnen bekannt, und wird Ihnen wohlgefälliger
seyn, als viele Worte; - ich will nämlich fürderhin
em
gewissenhafter Pflegevater Ihres inir anvertrauten
Kindes seyn. Das angelegene Schreiben an das Direktorium des Conservatoriums für Nusik ist gleich des andern Tages
besorgt worden, und so erwarten wir denn unsern Pepi
mit off enen Armen und liebevollem Herzen, und verbleiben
Ihre dankschuldigen Freunde
Johann Ev. Perstenfeld
und dessen Frau.
Ludwig und Albert grül3en Pepi freundlich."
Zum Ende des Monats Oktober 113t sich auch Pfarrer
Wolfinger aus Türkenfeld wieder hören. Er schreibt
seine neuesten Nachrichten:
TUrkenfeld, den l8ten Okt. 1852
"Hochwohlgeborener Herr Rentmeister!
Hochgeehrter Herr Vetter!
Ihr werthes Schreiben vom 29. 1. N., worm Sie mich
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über die Abreise Ihres Herrn Sohnes u. d. ti. Herrn
Fetz hierher in Kenntnil3 zu setzen die Cute hatten,
erhielt ich erst den l3ten d. M., warum derselbe so
lange liegen geblieben, 1st mir unbegreiflich. Herr
Fetz kam nicht nach TUrkenfeld, u. es war mir die Ehre
nicht gegönnt ihn zu begrül3en. - Den Herrn Pepi besuchte ich in München, traf ihn wohi u. munter, gerade bemüht sich auf em Conzert im Musik-Conservatorium vorzubereiten, wo er als kleiner "Mozart" sich rUhrnlichst
zu produciren Gelegenheit finden wird. Herr Perstenfeld hat also, nach Bericht, das Quartiergeld mit 100 fl schon auf einige Monate antiupirt diese "Freiheit" scheint mir etwas zu städtisch, wahrlich ich hätte ihm nicht zu entsprechen vermögen; die VerhHltnisse mögen sich gestalten wie immer - lieber frel - als - gebunden!! Ihr gnHdiger Herr Schwager Carigiet Ubersendete, auf
gesteliten Antrag hin, 50 Me2intentionen /25fl/, welche ich zu Gunsten Pepi besorgen werde - andere 25f 1
legte H. Carigiet noch giltigst co proprius hinzu; es sind somit 5Ofl, die für Pepi verwendet werden
können. Meine bekannte Schlo8angelegenheit in TUrkenfeld 1st
nun auch beendet, - Schul- Armen- und Gemeindehaus
sind hergestelit, ich habe Gesundheit u. Geld zum Opfer
gebracht, dafUr auch geerndtet den Weltlohn: "schwarzen Undank". So bald möglich werde ich von TUrkenfeld
weg zu kommen suchen.
Das kielne Schwesterkind "Agathie" habe ich einstweilen in die Berge nach Landsberg zu den Klosterfrauen
gebracht, em Schwesterchen desselben 1st unlängst von
Balzers hierher gekommen, hab' also nun auch für dieses zu sorgen. Ihrer werthen Familie, dem Titl. Herrn Landesverweser,
H. Vetter Curat. Wolfinger, Dr. Gras, Dr. SchHdler,
Frick in Eschen, und namentlich auch an Weiland: "Lu!
Lu! Lu!!! usw.
1000 Grül3e zu vermelden bittend zeichnet mit
der Versicherung besonderer Hochachtung u. Verehrung
Euer Hochwohlgeboren
bereitwilligst
J.T. Wolfinger, Pfarrer".
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Einen Monat nach seiner Ankunft zum Semesterbeginn in
MUnchen schreibt Josef Rheinberger, nun bereits das
zweite Jahr in dieser Stadt, an seine Eltern in der
Heimat:
MUnchen, 29.10.1852
ItTheerte Eltern!
Nun ist bereits wieder em Monat verfiossen, seitdem
ich von Ihnen fort bin, und verging mir die Zeit sehr
schnell - ich will Ihnen nun in KUrze erzählen, wie es
mir in dieser Zeit ergangen:
Hr. Fetz wird Ihnen die Reise beschrieben haben u. hat
Ihnen gewi! auch gesagt, dal3 ich nicht Abschied von
Ihm nehmen konnte. Nämlich an dem Tage, als er verreiste hatten wir im Conservatorium eine kleine PrUfung
zu bestehen, bei weicher wir auch unserm Clavierlehrer
vorgestelit wurden. Seit meiner Anwesenheit bei Ihnen
wurde vieles geändert, so zum B. mtissen alle Wochen
einmal alle Conservatoristen zusammen kommen, wobei
unter der Leitung des Hr. Direktor's Ensemble-Ubungen
abgehalten werden. Hr. Direktor Hauser veranstaltete letzten Montag em
Concert, wo jedoch nur Gesang für Violin und Violoncello, - unter andern erschien auch dabei König Ludwig u. Königin Therese, Prinz u. Prinzessin Luitpold.
- Alles war mit der Leistung voilkommen zufrieden, besonders König Ludwig; - durch dieses Concert hat das
Conservatorium viel gewonnen. Es werden im Laufe dieses
Jahres noch 3 Concerte von den Zöglingen gegeben. Meine Orgelstunden nehmen ihren erfreulichen Fortgang,
da ich wöchentlich 3 Orgeistunden habe, wodurch meine
Zeit ganz ausgefUllt wird. Herr Pfarrer Wolfinger besuchte mich vor 14 Tagen u. sagte, da1 es ihn kränke,
daI3 Hr. Fetz ihn nicht besucht. Da1 auch Hr. Lampert
mich mit einem Besuch erfreut, werden Sie auch wissen.
- Warum schreibt mir der Peter nicht? Was macht der
Toni? Treibt er noch wacker die Buchbinderei? Das
Heft, das er mir gemacht, ist schon mehr als haib you
Orgelstucke.
Grü2t mir den David, u. auch alle andern Geschwisterten u.vorzüglich die liebe Mutter.
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Ich verbleibe Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger".
Die Tage des jungen Musikstudenten sind
dai3 er nicht öfter als einmal im Monat
tern und Geschwistern von seinem Leben
metropole MUnchen zu erzählen.
Der Bericht zurn Ende des November 1852
so ausgeftilit,
dazu kommt, Elin der Kulturlautet:
MUnchen, den 30.11.52
"Theuerste Elte.rn!
Ihr Brief vom 4. des M. freute mich sehr, besonders,
da Hr. Fetz mir auch schrieb. Hr. Baron v. Falkenhausen besuchte mich nicht persönlich, sondern schrieb an
mich von Gurzenhausen - daIs er durch Katharr u. Schnupdaran verhindert worden. - Hat Peter den Brief
f en
von Hr. Lampert erhalten?--Hr. Direktor Hauser empfing mich sehr freundlich u.
sagte, ich hätte an der SchlufprUfung sehr bray gespielt - vom Orgeispielen sagt er nichts mehr. Hr. Professor Leonhard, welchen ich an der Stelle des
Wanner bekam, hat eine ausgezeichnete Methode, und 1st
der beste Kiavierprofessor am Konservatorium. - Hr.
Professor Herzog gibt mir u. noch einem SchUler (Depross) wöchentlich 3 Stunden Unterricht. Hr. Prof.
Maier 1st dieses Jahr wieder mein Professor der Harmonie; er fragte bisher nicht nach Frankfurt, obschon
ich öfters zu ihm in die Wohnung gekommen bin. W(hrend diesem Monate hörte ich den Don Juan von Mozart
u. "Den FreischUtz" von C.M. Weber. Cestern Abends war
Concert der sämmtlichen Hofmusik im Odeon, weiches ich
auch hörte. - Das Heft, weiches der Toni mir machte, 1st schon gänzlich ausgefüllt. Da ich sehr viel zu thun habe, kann
ich nicht mehr schreiben - em andermal mehr. Lebet wohi, theuerste Eltern u. Geschwister u. gedenket oft Eures dankbarsten Sohnes u. Bruders
Joseph Rheinberger
Einen Gruf an Peter u. an David u. Toni."
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Die monatlichen Berichte an die Eltern verschweigen
einige nicht unwesentliche Momente aus dern Leben des
jungen Musikers, die er später in einer.etwas schwillstigen "Lebensbeichte" niederlegt und seiner zukünftigen Frau widmet.
Dieser Bericht .beginnt mit einern Dialog zwischen Perstenfeld und dein aus den Ferien nach Miinchen zurückkehrenden Rheinberger und gibt das Mtinchner Milieu authentisch wieder:
"Aus meinern Leben - Wahrheit - nicht Dichtung.
October 1852
'- Ah! Guten Morgen! Schön, dal3 Sie wieder da sind,
junger Herr! Wie steht's zu Hause, Alles wohl?'
'Danke! Viele GrU2e. Und bei Ihnen?'
'Auch. Geben Sie Acht! Diesen Winter werden Sie bei
uns nicht langweilig finden - Sie werden sehen!
'So, warurn denn?'
'Nun, unser Fräulein, die jetzt bei uns wohnt - was
die lustig ist - und gescheidt - und hübsch - jetzt
werden Sie gerne bei uns wohnen - jeden Abend komrnt
sie zu uns herüber, da wird Schwarz-Peter gespielt, geplaudert, gelacht bis neun, halb zehn.'
'Nun, ich bin sehr begierig auf heut Abend.'
So empfing mich die treue Duenna, als ich mit neuem
Nuthe aus den herrlichen Ferien zurUckkam.
un Grunde genommen interessirte mich das 'Fräulein'
wenig, ich war noch zu voll von den Eindrticken der lieben Vakanzzeit, dem Wiedersehen der theuren Eignen mit elnem Wort, ich hing noch zu sehr am häuslichen
Herd, zu schwer war dem jugendlichen Herzen noch der
Abschled vorn Heimathhause geworden, was ich aber urn
keinen Preis gestanden hätte. O gewil3, zu beniitleiden ist Jeder, der die Wonne des
Wiedersehens nach längerer Trennung im holden Kindesalter nicht gefühlt; wie wichtig kommt man sich nicht
vor, wenn man von den Seinigen mit etwas rnehr Auszeichnung als sonst behandelt wird. Es wird der Koffer
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aufrnerksam ausgepackt, die kleinen Geschenke vertheilt,
Alles Neue aus der grol3en Stadt genau betrachtet und
für schön hefunden. Endlich fragt Papa:
'Wie steht es mit den Schuizeugnissen!'
Das ist der grol3e, lngst heimlich ersehnte Moment.
Mit geläufigem Griffe werden sie präsentirt - drei
auf einmal. Ja, schaut mich nur an, in dieser Minute
wachse ich urn elnen halben Zoll. Papa setzt sich urnständlich die Bridle auf, nimmt neben dem Fenster Platz,
urn besser zu sehen; die Schwestern als neugierige Evastöchter machen einen, aber energisch vereitelten Versuch, ihm über die Schultern zu gucken. Papa rEuspert
sich endlich, ruft der Mama, weiche mit Wäscheauspak-
ken beschEftigt, zu, und liest dann laut vor, während
der Student em wenig, aber freudig errötend am Of en
steht. Siegel und Unterschrift als recht befunden,
steckt nun Papa die Schrif ten zu sich, urn sie im Lauf
des Tags noch zehnmal wohibehaglich zu lesen. Abends
kann er sic auswendig - ich wette!
Ich Ubergehe die goldenen Monate August und September,
es hei8t in 8 Tagen wieder zur Stadt - bereits ist
Abschied genotnmen, Mama gibt aus Versehen statt der
Ublichen 3 Küsse ihrer fUnfe, und wendet sich weinend
ab. - Papa aber verzählt sich nicht.
'Sei bray, wie letztes Jahr! Schreibe alle vier Wochen
- Gott befohien!'
Während die Pferde, von der kräftigen Hand des Bruders
angefeuert, durch den Hof hinaustrotten, sehe ich,
rUckwärtsblickend noch Alle, Abschied winkend, das
Weibervolk die Schürzen an den Augen und es rnacht MUhe,
dem nebenan Sitzenden im Wagen nicht merken zu lassen,
dai3 auch ich Jucken in den Augen bekomme.
Zwei Tage später - beim Schwarzen Peter.
Felicia mir vis a vis. Sic war acht Jahre alter als ich,
ungefEhr einundzwanzig, schön gewachsen, von lebhaf ten
Gesichtszugen, helter und gesprEchig und den fremden
Buben als Kind und fremd behandeind. Das verdro2 mich
gewaltig, das war Ich nicht gewohnt, indem ich etwa
drei Jahre vorher in einer Landstadt bedeutend verhatschelt wurde - das durfte nicht ungeahnt bleiben, und
indem ich irn Schwarzen Peter elne nie geahnte Virtuosi-
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tat entwickelte, brachte ich es dahin, daf3 Felicia die
stoize Stirne you schwarzer Striche bekam, während
ich unbernalt blieb.
Die kleine, aus sechs Personen bestehende Gesellschaft
unterhielt sich lebhaft und es war schon spat, als
ich von Felicia em kurzes 'Gute Nacht' bekam, das
ich noch ktirzer erwiderte. Mir träumte sodann noch von
dern Abschjed von Hause - und die Weiber hatten schwar-
ze Striche auf der Stirne.
Hüte dich vor den Gezeichneten! Vierzehn Tage später waren Felicia und ich bei jedem
Schwarzen Peter bereits Verbündete und bekamen gar
bald die Oberhand in jedem Spiele; waren wir auch im
Gespräch kalt und förrnlich, so wurden doch die Striche redlich getheilt; im Ganzen aber spielten wir
nicht redlich, denn wenn der Schwarze Peter im Besitz meines rechten Nachbarn war, fühlte ich einen leisen Tritt auf ineinem rechten Fufe, wenn beim Linken,
so auf dern linken Fu2. Soilte ich mir ungestraft auf
den Fu13 treten lassen? Ich nicht! Beim Kartenwerf en
war ich sehr ungeschickt. Jedesmal traf ich die Finger
Felicias.
Sie war em ungewöhnliches Mädchen, voll Geist und
Energie und wunderbar selbständigen Wesens. Durch eine
bose Stiefmutter aus dem elterlichen Hause verbannt,
lebte sie in fremdem Hause von dem Jahresgeld, weiches
sie aus ihrem mütterlichen Erbe zog unabhängig ihren
Grillen; so erschien sie stolz und unnahbar.
Doch empfand sie bald das Bedtirfnil3 mit Leuten zu verkehren und sich of f en auszusprechen, kurz, in einiger
Zeit hatten wir so viel zu plaudern, dal3 wir nie fertig werden konnten und immer wieder einen neuen Abend
herbeiwünschten.
Dabei versäumte ich rneine Studien nicht, von denen
sie bisher durchaus keine Notiz genommen, was rnich
nicht wenig verdroI.
Urn so mehr überraschte es mich, als Felicia inir eines
Tages ganz trocken erzahlte, sie hätte meine Professoren aufgesucht, urn sich nach rneinem Lernen zu erkundi-
gen. Sie sei mit dem Resultat zufrieden, sehr zufrieden. Nicht so sehr zufrieden war ich mir ihr, denn sie
fing an mich zu hofrneistern - ich mu1te mich sorgfältiger
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kleiden; schrecklich: sie lehrte mich sogar, mich
besser zu frisieren, meine Notenhefte mul3ten schön
geheftet sein (das that sie aber selbst), keine Tin-
tenflecke wurden geduldet, auch das Schneeballwerfen
wurde mir verwiesen, statt tiber das Stiegengeländer
zu kiettern muf3te ich Uber die Stiege gehen, alle Unarten wurden abgewöhnt; tägl.ich erhielt ich eine
strenge Schreibstunde, meine schlechte Schrift zu verbessern, wir studirten zusammen Französisch, gingen
miteinander in Theater und Concerte, zur Kirche und
Besuchen usw..
Einmal, es war, wenn ich nicht irre em Weihnachtsabend, ersuchte sie mich zum ersten Male ihr etwas
vorzuspielen; ich spielte Webers Variationen Uber:
"Vien qua Donna bella". Gegen Ende der Piece hörte
ich sie laut weinen und fUhlte mich von riickwärts urnarmt und heftig auf die Stirne gekUf3t; obschon noch
halb Kind, wuf3te ich nicht, wie mir geschah; denn ich
war ungernein ergriff en, Felicia', die mich sonst so
stolz hofrneisterte, so weich und leidenschaftlich zu
sehen - noch dreimal mu1te ich das Thema spielen und
wurde zum Danke von Ktissen fast erstickt. Felicia erzählte mir, daB sie sich an diesem Abend so sehr an
frUhere Weihnachtsabende erinnerte, an früheres, gluckliches Farnilienleben und sich nun zurn erstenmale so
recht einsam fUhle.
'Du rnuBt nun mein Bruder sein! Nein, du bist es schon
langst!'
Noch erinnere ich mich, wie ich das erste 'Du' sagte,
weiches mir bald geläufig wurde. Vor der Welt. 'Sie',
unter uns 'Du', volle 3/4 Jahr und nie eine Verwechslung oder em Vergessen, das sich fatal genug.ausgenominen htte. Ihr Einflul3 auf mich war wirklich unbegrenzt, ebenso konnte sie keinen Tag mehr ohne meine
Gesellschaft zubringen, wir waren lustig wie Kinder
- oder traurig wie die Kinder und doch studirte ich
damals so fleil3ig wie nie, denn Felicia duldete kein
Versäurnen - sie erinnerte auch, wenn es Zeit war, den
Eltern zu schreiben, lehrte mich unter alien VerhEltnissen meine Selbständigkeit zu wahren, so daB ich bald
meine sämtlichen Camaraden (es waren zwar nicht Viele)
unter den Pantoffel. bekarn.
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Anfangs FrUhjahr 1853 (ich glaube, es war noch Februar) erkrankte ich ziemlich heftig. Nit heftigen Kopfschmerzen stellte sich em Fieber el
so da8 ich bald
irre redete. Felicia war untröstlich und wich nicht
von meinem Krankenlager; sie pflegte mich Tag und Nacht
und duldete eifersüchtig keine andere Pflege. Als es
besser wurde, las sie mir Wilhelm Meister, wobei sie
hofmeisternd bemerkte:
'Eigentlich sei dies Werk nicht für so junge Leute doch mache ich eine Ausnahme'.
Mignon machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich,
kaurn genesen, versuchte ich zwei ihrer Lieder: 'Kennst
du das Land' und 'Nur wer die Sehnsucht kennt' musikalisch wiederzugeben.
Nit der Genesung hatte ich auch die Kinderjahre abgeschüttelt und fing an reifer zu componiren. Wie vieles
hatte ich Felicia zu danken - wie unermüdet hatte sie
sich meiner angenoinmen und doch konnte ich ihr nicht
dankbarer sein als sie es inir war.
So selbständig und energisch sie in ihren Handlungen
war, so war sie doch nie unweiblich, lieB sie es sich
doch nicht nehmen an meinem Geburtstage mir meine Lieblingsspeise zuzubereiten. Stand ihr doch die weiBe
Küchenschürze gar zu allerliebst.
Noch im nHrnlichen Frühjahr (1853) verliel3 Felicia unser
Haus, urn bei Verwandten Wohnung zu nehmen - das war
em harter Schlag für mich, denn wenn ich sie auch
tHglich besuchte und ganze Nachmittage dort zubrachte,
so fehite mir dagegen zu Hause Alles - sie - der es
übrigens nicht viel besser ging. Mit doppeltem Eifer
erfai3te ich. mein Studium, nur urn ihr davon erzählen
zu können - wie gerne hörte sie mir zu - obschon sie
Alles nur halb verstand.
Nach einiger Zeit fiel es mir auf, daB Felicia selten
mehr helter wurde, obschon ihre Herzlichkeit die frühere blieb, ja sich noch steigerte. Urn die Ursache dieser Veränderung befragt, weinte sie heftig und verbot
mir zu fragen. Diese Verschlossenheit kränkte mich
nicht wenig, waren wir doch längst gewöhnt keine Geheimnis-se unter tins zu kennen, alle kleinen Tücken, jede List, Schmeicheleien, nichts blieb von mir unversucht, doch ohne Erfoig, zeigte ich mich auth gekrankt,
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so konnte mich em Buck von ihr besHnftigen.
Eines Sonntags gingen wit, statt wie gewohnlich in den
Kunstverein in den englischen Garten.
'Wir ge.hen heute zum ietztenmale miteinander, lieber
Bruder', sprach Felicia mit erzwungener Heiterkeit,
'und wenn du nicht weinst und muthig bist, so will ich
nicht mehr so verschlossen sein.'
'Ich weine ja nicht, Felicia, obschon mir jede Trennung näher geht als dir, das weit3 ich gewiB.'
'Wie trotzig! Ich habe dich aber so verzogen!'
'Du hast mich weder erzogen noch verzogen - ich bin
kein Kind mehr, Felicia, ich werde lachen was du mit
auch zu sagen hast!'
'Das wirst du nicht' - sie hatte Recht.
'Lieber, theurer Bruder, du gehst in zwei Tagen wieder
zu deinen Eltern, du glaubst unsere Trennung daure nur
zwei Monate - sieh mich nicht so an - nein! Sonst kann
ich nicht welter reden - wenn du zurückkonmist bin ich
nicht mehr hier - weit, weit von hier.'
'Wo gehst du hin?' fragte ich mit geprefter Brust.
'Ich habe dir nie von melnen Familienverhltnissen
gesprochen, habe dir verboten mich darUber zu befragen
- du hast mir gefolgt, obschon es dir manchmal schwer
wurde - bist eben mein lieber Bruder, das einzige,
theure Wesen, das ich kenne, du bist die einzige Erinnerung, die ich aus Europa nach der neuen Welt mitnehme!'
Fast schrle ich laut auf.
'Still, sei ruhig' Dein Schmerz wird nicht lange dauem, du bist jung, deine Kunst erfUilt dich ganz - bist
du erst in meinem Alter, oder etwas alter, so wirst
du dein Glück im eigenen Familienkreise suchen - und
finden - mich vergessen, die ich im fernen Westen taglich, stUndlich an dich denken werde.' Wir sprachen lange nichts mehr; bei den Wasserfällen
setzten wir uns auf eine Bank. Felicia war ruhiger geworden und erzählte tair, dais sie, durch Familienereignisse gezwungen, nach America mUsse - dort einem
Nanne, den sie kaum kenne, die Hand reichen und sehr
unglucklich sein werde.
'Soliten wit uns in dieser Welt wiedersehen, so bitte
ich, beschwöre ich dich, bleibe mir, was du mir warst
98
- das soil meine einzige wenn auch schwache Hoffnung
sein, die mich in der fernen Farm aufrecht erhalten
soil - glaube mir, ich werde dich in allen Verhältnissen wieder kennen. Kiisse mich noch einmal - Nun Lebewohl für immer.'
Wir trennten uns - wie ich den Weg nach Hause gefunden, weil3 ich nicht mehr. Ich hatte Kopfschmerzen und
legte mich früh nieder, nachdem ich zuvor meine Reise-
effekten gepackt hatte - ich schlief die ganze Nacht
nicht, der Kopf brannte - weinen konnte ich nicht,
ich mufte aufstehen urn nicht zu ersticken, immer sah
ich nur Felicia zu Schiffe, das so liebe Gesicht dem
Ufer zugewandt, auf dern ich trostlos stand. Friih 5 Uhr kam -mein väterlicher Freund mich mit dem
Wagen zur Eisenbahn abzuholen. Der Empfang zu Hause
war wie sonst, nur Vater war trotz der glänzendsten
Schulzeugnisse etwas strenger gegen mich. Aus neckenden Anspielungen der Geschwister erkannte ich mit Erstaunen, dal3 Vater schon seit Wochen durch einen böswiiligen entstellenden Brief von meiner Zuneigung zu
Felicia in Kenntnii3 gesetzt war. Ich wul3te den Brief
trotz seiner guten Verwahrung heimlich zu lesen er war gut gemeint von dem Warner, aber voll Unwahrheit, wie hätte Jemand uns verstehen können. Vater
erwähnte keine Silbe gegen mich, nur vor der Abreise
bekarn ich em scharfes Kapitel gegen das andere Geschlecht zu hören - ware unnötig gewesen, denn ich
trug Felicia ais eine Heilige in der Erinnerung.t'
In den Zeiien, die Perstenfeld zurn Jahreswechsel nach
Vaduz richtet, kommt Sorge urn das moralische Wohlverhalten des l4jährigen Rheinberger zurn Ausdruck:
"Euer Hochwohlgeboren!
Der herannahende Jahreswechsel legt nir die angenehme
Pflicht auf, Ihnen für die erwiesenen Gefälligkeiten
des vergangenen Jahres herzlichen Dank abzustatten,
und Ihnen em rech,t gesegnetes neues Jahr zu wünschen.
Ernpfangen Sie -und Ihr ganzes Haus meine herziichen
Glücks-. und Sëgenswünsche zum neuen Jahre, und seyen
Sie überzeugt, daI3 dieselben im GefUhle der reinsten
christljchen Nächstenliebe ihren Grund haben. -
99
Es thut mir zwar sehr leid, dal3 ich nicht ungetrtibt
und rein diesen Boten der Segenswünsche Ihnen absenden
kann - leider babe ich demsel.ben einige Kiagen mitzugeben, durch weiche die Neujahrsfreude in Ihrem Vaterherzen e.twas gestort werden wird. -
Pepi hat sich gewaltig verEndert; er fängt an stolz,
zurückhaltend, im höchsten Grade mi2trauisch zu werden. Einen grofen Theil der Schuld dieses MifverhE1tnil3es trägt der Umstand, dal3 er einem Frauenzimmer von
19 Jahren, weiches bei uns wohnt, Unterricht in der
französischen Sprache gibt, wofUr er if 1 3Oxer per
Nonat empfängt. Diese Person hat sich so in sein Herz einzuschleichen
gewul3t, und streut ihm so viel Weihrauch in ihren Lobeserhebungen, daB uns der Knabe ganz entfremdet wurde. - Beide nisten den ganzen Tag zusammen, und wo
eines 1st, ist auch das Andere; 1st sie nicht zu Hau-
Se, so hat er auch GEnge zu machen. Ich kann erst nicht viel einwirken, denn die Weibsperson kann ich erst im Monate März aus dem Hause entfernen, vielleicht - wenn es mir möglich wird, im Februar, und so mtil3en wir uns viel ärgern.
Diese Person 1st erst fast zu fürchten, denn sie hat
eine hose schlüpfrige Zunge, und ich habe mich schon
uberzeugt, daB sie die Nebenmenschen unbarmherzig
durchhechelt. Allein, was will ich hier machen, wollte ich ihr gleich aufktinden, so verliere ich zwey Monatsgelder; und da ich mich ohnedieB hart thue, so
bin ich rathlos. -
DieB der Wahrheit zum Zeugnht3. Ubrigens - was nämlich
das Conservatorium anbetrifft, 1st Alles in der schOnsten Ordnung, und Pepi ist bei den ProfeBoren sehr
beliebt, well er eminente Fortschritte macht. Indem ich Sie ersuche, Uber eben erwEhnte VerhältniBe
mir klugen Rath zu ertheilen, wie wir dieses MiBverhEltni2 zerstreuen kOnnen, verbielbe ich
Euer Hochwohlgeboren!
ergebenster Diener
Joh. Ev. Perstenfeld, MagistratsfunktionEr
Miinchen, den 3Oten Dezember 1852."
100
Josef Rheinbergers gleichzeitiger Rapport schweigt selbstredend über dergleichen Herzensgeheimnisse:
MUnchen, 30.12.52
"Theuerster Vater!
Schon wieder ist em Jahr verfiossen und ich erinnere
mich mit dankbarstem Herzen an die vielen Wohithaten,
weiche Sie mir erwiesen haben seit meiner Kindheit an.
Aber ich befleil3e mich auch, mich dieser Wohithaten
würdig zu machen und bitte Gott, mir darin beizustehen
und Sie mir recht lange zu erhalten. -
Nach den Worten des Hr. Prof. Herzog habe ich im Orgelspiel alle diejenigen ingeholt, welche em Jahr lan-
ger lernen. -
Durch seine Empfehlung bin ich nun zum Vice-Organist
bei St. Ludwig avancirt und werde den Dienst dort am
Neujahrstag antreten, wel.ches mir von Nutzen sein wird.
Auch in der St. Michaels-Hofkirche und in der Kirche
in der Herzog-Nax-Burg. Die Andern, Prof. Leonhard
und Maier, sind gleichfalls sehr zufrieden mit mir auch das Französische geht sehr gut, obschon ich keine
schöne Aussprache babe. Die öffentlichen BlHtter versichern, daf das Conser-
vatorium an Hr. Edward Doctor aus Wien einen berühmten und ausgezeichneten Professor gewonnen, er aber
hat zur Genüge in einem Konzert bewiesen, da8 dem
nicht so sei und da2 nichts hinter ibm stecke, - kaum
wurde er applaudirt. -
Etwas Neues und doch Altes 1st es, dal3 es seit dem
5. Oktober hier nicht mehr geschneit hat und wir das
herrlichste Herbstwetter geniel3en. Obschon wir 8 Tage Vakanz haben, so haben wir doch so
viel Aufgaben bekommen, daB Sie mir verzeihen werden,
wenn ich jetzt nicht fortfahren kann. Dem Bruder Peter danke ich für die 6 fl, undwenn noch mehr Ahnli-
ches von ihm folgt, werde ich es bereitwilligst annehmen. Bekommt der David einen Platz? Ich wünsche
ibm, der lieben Mutter und alien lieben Geschwistern
em herriiches giückbringendes neues Jahr und
verbleibe Ihr dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger.
101
Hat der Nikolaus viel gebracht?
Mich hat er scheints vergessen."
Der EinfluI3 der jungen Dame auf den Musikstudenten
äuBert sich im Erstarken seines SelbstwertgefUhls und
seines Ordnungsstrebens: er legt em Verzeichnis seiner Musikalien an. (RhAV)
Gleichzeitig trägt er die entstehenden ersten KomposiWerkverzeichnis em.
(Vgl. Rheinberger-Verzeichnis)
tjonen aus MUnchen in em
Im Januar des Jahres 1853 erkrankte Rheinberger schwer.
Nach seiner Genesung schreibt er an seine hesorgten
Eltern:
MUnchen, 1. Februar 1853
"Theuerste Eltern!
Sie werden besorgt gewesen sein, dal3 ich Ihnen nicht
eher schrieb. Sie sollen aber sogleich vernehmen, dat
es mir früher unmöglich war. - Seit gestern acht Tage
lag ich krank. Es zeigten sich alle Symptome elner Halsentzündung, welche mich hinderten, das Bett zu verlassen; dann em ganz neues libel, nEmlich DrUsen, vollendeten noch mein Unwohisein. Nun aber, da alle diese
libel gehoben sind, ist es meine erste Aufgabe, Ihnen,
theuerste Eltern! zu schreiben. Da ich während dieser
Zeit einige linterrichtsstunden versäumen mu1te, so seien Sie versichert, da2 ich es mir werde angelegen sein
lassen, das wenige VersEumte eifrig nachzuholen. Letzten Samstag, als am Namenstage des Hr. Directors,
mu2te ich mein Unwohisein überwinden und an dern Concerte
teilnehmen, und spielte zwei Plecen. Sonntags muf3te ich
wieder das Bett hiiten, gestern und heute aber kann ich
die Unterrichtsstunden besuchen. Sie fragten mich in Ihrem letzten Briefe, wie's urn das
Orgelspielen stehe, - aber ich schrieb ja schon frUher,
dal3 ich auf Empfehlung des Hr. Prof. Herzog in der Ludwigskirche den Orgeldienst versehe, aber natUrlich ohne
Gehalt und bbs der Ubung wegen. Im Hoftheater sah ich vor kurzem "Die Stumme von Portici"
und "Guido".
102
Ich habe sehr viele Ausgaben zu bestreiten, bald dieses, bald jenes, weiches sich gleich summirt. Es freute mich sehr, erfahren zu haben, dal3 Anton
schon so geschickt und flei2ig ist; wie oft mul3 ich
ihm aber.sagen lassen, daIs er mir schreibe. WeiI man
noch nicht, ob David eine Anstellung bekommt?
Wie geht es Ihnen , theuerste Eltern, und meinen lie-
ben Geschwister. Es ist schon lange Zeit, daB ich
nichts von der lieben Mutter hörte; darausschlief3e
ich, daB sie gesund 1st. Spielt Mali fleiBig Klavier
oder vergiBt sie alles? FUhrt Anton die Aufsicht noch
mit der eisernen Strenge wie damals? Ich schlieBe in der sichern Hoffnung, bald von lieb'
BrUderchen em
... zu erhalten.
Leben Sie wohl und entziehen Sie nie Ihre väterliche
Liebe
Ihrem ewig dankschuldigen Sohn
Joseph Rheinberger."
Die Schönschreibübungen, die Josef auf Wunsch Felicias
begonnen hatte, tragen erste Früchte. Der Vater will
nicht glauben, daB sein Sohn den letzten Brief selbst
geschrieben hat. Perstenfeld muB die Echtheit beglaubigen:
"Euer Hochwohlgeboren!
München, den 9ten Februar 1853
Mit Freuden willfahre ich Ihrem Ansuchen, und kläre Sie
über Ihre Zweifel durch die angenehme Uberraschung auf,
daB der fragliche Brief wirklich von Pepi selbst geschrieben wurde, und er sich schon seit elniger Zeit
wacker im Schönschreiben iibt. Pepi 1st wieder ganz wohl, und besucht fleiBig das Conservatorium, wohin er jetzt auch einen tEglichen Begleiter hat, well mein Sohn Ludwig jetzt auch als E1.eve
dort eingeschriehen ist. -
Was die Kurkosten betrifft, so wollen wir ihrer Unbe-
deutenheit wegen davon Umgang nehmen, und die Erztlichen Besuche gehen ohnedieB auf meine Rechnung. Eine Bitte aber hätte ich; nämlich ich m5chte so gerne
Vaduz in München haben, und da dieses nicht wohl seyn
kann, so möchte ich halt wenigstens em Bild davon in
103
meinem Zimmer prangen sehen. WUrde vielleicht em Herr
Bruder Pepi's die Freundschaft haben, und mir em Bud
von Vaduz verschaffen, so würde ich mich sehr dankbar
bezeugen. Mich Ihrer werthen Freundschaft empfehlend
verbleibe ich
Ihr
Sie hochschätzender Freund
J.E. Perstenfeld
GrUl3en Sie mir alle die Sie die Ihrigen nennen."
Ende Februar schickt Rheinberger semen Ublichen Mo-
natsbericht an die Eltern:
"Theuerste Eltern!
München, d. 26. Febr. 1853
Ich habe Ihnen dieses mal nicht viel zu berichten, au8er
daI3 ich mich immer wohi und zufrieden befinde, was ich
auch von den lieben Geschwistern, besonders aber von
Ihnen hoffe. Deswegen bitte ich täglich Gott, mir die
Kraft zu verleihen, inich Ihnen stets dankbar zu bezeigen. Die 20 f 1, weiche Sie mir geschickt haben, habe
ich erhalten, und das III. Quartal bezahit. Am 16. d. erfreuten mich Hr. öhry, Pfarrer von Dress-
ling nebst seinem Bruder aus Eschen mit elnem Besuche.
Ich hörte zu meiner gröf3ten Freude Ihr Wohibefinden und
zu ineiner Verwunderung die Vermehrung der Grenzzollwacht und da8 Lichtenstein auf den Herbst sterreich
einverleibt werde. T.ch bitte Sie, mir darUber im nächsten Briefe Aufschlul3 zu ertheilen, indem ich darauf sehr
neugierig bin. -
Im Konservatorium werden jetzt wdchentlich zweimal. Ensemble-Ubungen, wobei ich immer auf der Orgel accompag-
fire. Auch habe ich gestern bei solcher Gelegenheit em
schönes, sehr schweres Concertstück von Joh. Seb. Bach
gespielt. Seit Anfang dieses Monats wurde ich auf Veranlassung des Sohnes des Herrn Directors den Chorsängem eingereiht, wo ich II. Sopr. od. Alto singe. Die
Titi. Professoren sind mit mir zufrieden - besonders
Hr. Herzog, weicher mich einmal in der protest. Kirche
nach dem Gottesdienst eine schöne, von ihm omponirte
Fuge spielen lie8. -
104
Warum schreibt mir denn Anton, Doktor der Buchbinderkunst und wirkliches quieseirtes Ehrenmitglied der
Notenabschreiberakademie, nicht? Denkt er bisweilen
an mich? Da13 Peter an mich denkt, hat er bewiesen. Was
macht David und die ubrigen Geschwister, besonders Kammervirtuosin Amalia.
Viele GrUBe und Empfehlungen an Alle, besonders aber
an Sie, beste Eltern
von Ihrem dankbaren Sohn
Joseph Rheinberger."
Die Osterferien verbringt Rheinberger bei Pfarrer
Wolfinger in Türkenfeld.
MUnchen, 29. Mrz 1853
"Theuerste Eltern!
Da ich soeben von meiner Vakanz aus Türkenfeld zurückkomme, so ist es mein erstes, Ihnen geliebte Eltern,
zu schreiben. Die Osterferien begannen Freitag vor Palmsonntag. Ich ging aber erst Montag den 21. nach Türkenfeld, nachdem ich abends zuvor Haydn's unUbertref fliche Schöpfung gehort. In Türkenfeld nahm mich Hr.
Pfarrer sehr freundlich auf, und mir viele Empfehlungen
aufgab. Auch gab er mir die 50 f 1, obschon ich sagte,
er möchte sie inir von Monat zu Monat schicken. Davon
ubergab ich sogleich 44 fi den Perstenfeld'schen aus
der Zinszeit Georgi, also jetzt April, Mai, Juni bezahit. Heute Mittwoch begannen die Unterrichtsstunden
wieder.
Als Aufgaben machte ich einen Quartettsatz mit Schluf3fuge, em 4stlmmiges Sanctus und eine Orgelfuge. Jetzt
arbeite ich an elner Klaviersonate, deren erster Satz
sich schon dem Ende neigt. Unsere Arbeiten in der Composition umfa6ten im I. Semester alle Arten doppelten
Contrapunkts, alle Arten Canons und Imitation, womit
ich schon mehrere Hefte ausgefUllt habe. Auf Georgi, den 24. April ziehen wir aus jetziger Wohnung aus in 'MUllerstral3e Nr. 35/3 rechts'.
Da mir der braune Rock viel zu gro8 1st, wollte ich Sie
fragen, ob ich ihn nicht Endern lassen dürfte. Auch
werde ich bald neue Stiefel brauchen. Die neue graue
Hose ist mir viel zu kurz. Insoweit tiber meine Garderobe.
105
Da Herr Perstenfeld beabsichtigt, em Kiavier zu kauf en und Geld dazu nicht hat und vielleicht Ihnen darum schreiben könnte, ohne mir em Wort davon zu sa-
gen - so halte ich es für nöthig, Ihnen zu sagen, dal
sie 1300 fi Schulden haben und daf3 Sie ja nichts
schicken! Auf der Türkenfelder Reise brauchte ich 4 fl 30+er. Hr. Perstenfeld laf3t sich dem Anton für 'VADUZ' bedanken.
Indern ich nun alle lieben Geschwister grüIe und Ihnen,
geliebte Eltern, herzlich danke,
verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger".
Ende April zieht Rheinberger mit semen Münchner Vermietern in eine neue Wohnung urn.
Sein Brief an die Eltern Anfang Mai 1st voller Nachrichten und Fragen.
Er lautet:
MUnchen, 3.5.53
"Theuerste Eltern!
Ihren Brief mit dem Gelde erhielt ich am 19.d.M., weil wir
aber am Samstag, den 30. in die neue Wohnung zogen (MUller-
str. Nr. 35/3), war es mir unmoglich, eher zu schreiben. Hr. Grundbuchführer meine höfliche Empfehlung und freue
mich ungemein, ibm eine kleine Gefalligkeit dadurch erwei-
sen zu können, dal3 ich die Statuten des Institutes bellege. - Die Sonate, welche ich früher erwähnt, ist nun als
mein op. I fertig geworden. Nun habe ich eine OuvertUre
für's ganze Orchester in der Arbeit, welche bis in 2 Monat
fertig werden muf.
Uber das Conservatorium hEtte ich diesmal sehr viel zu
schreiben, aber weil die Zeit mich drängt, genUge es, dat3
gestern der 4. Zahltag im Conservatorium war. Die Oper
'Sacontola' des nämlichen Baron v. Perfall, bei weichem
ich war, habe ich gehort und kann nur soviel davon sagen,
dal3 sie einzelne gute Arien hat, aber im Ganzen ist zu
wenlg Einheit. Die OuvertUre ist nicht schlecht gearbeitet, aber nicht für's Publikum geschrieben. Auch hörte ich
in diesein Monate den 'Prophet' von Meyerbeer; diese Musik
1st pompös, aber entbehrt gröl3tentheils elner harmonischen
Grundlage und hascht zu sehr nach Effekt.
106
Nach hiesigen Zeitungen war ktirzlich em Erdbeben in Chur,
Ragaz und Thusis, ich möchte gerne mehreres wissen. Wenn Toni so gefällig 1st, mir em wunderschönes Notenbuch
zu machen, so soil er Quer-Format 12 L. nehmen.
Ich erzählte Hr. Prof. Herzog von dem besten Organisten
Europas und er sagte, wenn er in 4 Wochen die 'Passacaglia'
von Bach einstudire, so wolle er ihm glauben. Dieses Orgelstuck werde ich auf der feldkircher Orgel spielen, wenn
das Pedal 2 Oktaven hat, was ich sehr gerne wissen möchte.
Jedenfalls ware es em gro8er Fehler. Das Neueste, was es hier gibt, ist, da8 - ich mir meine
Stiefel vorschuhen lie6, was 2 fl 42+er kostete. Es freute mich sehr, zu vernehmen, da8 Sie sich wohi befinden, und da1 Sie sich freuen auf die baldige Ankunft
Ihres dankschuldigen Sohnes
Joseph Rheinberger.
Am 20. März 1853 berichtet der "Münchener Punsch":
"Der Hofschauspieler Hr. Jost hat semen bisher am
Conservatorium ertheilten Unterricht eingestellt. Mangel an Ubereinst.immung zwischen ihm und der Direction
dieser Anstalt soil die Ursache sein. Man frägt sich
Uberhaupt zum of tern: wie es denn kommt, da1 das Conservatorium der Bühne so blutwenig Früchte bringt?!
Wie sehr seufzt unsere Oper nach em paar jugendlichen Sängerinnen und wie sparlich 1st die Arnte aus
jener ziemlich theuren Pflanzschule des Gesanges!"
Zwei Monate später meldet das gleiche Blatt:
"Die artistischen Verhältnisse unseres Conservatoriums
sollen der Art sein, da8 zur Prüfung und WUrdigung der
obschwebenden Differenzen elne eigene, aus unpartelischen Männern gebildete Commission niedergesetzt ist".
Rheinberger selbst berichtet dazu:
Nünchen, 31.5.53
Theuerste Eltern!
Ihren werthen Brief vom 18. erhiel.t ich am 20. d. Monats, und es freute mich sehr, zu vernehmen, da8 Sie
sicK recht wohl befinden. Auch ich erfreue mich, Gott
sel es gedankt, einer bestandigen Gesundheit, so daB
ich auch dieses Jahr keine Stunden versäumte. Seit Monat Mai nehme ich auch Kompositionsstunden bei
107
Hr. Hauser (Sohn des Direktors) - auf seine Veranlassung. Merkwürdig ist, dai3 zu Ostern der beste Bassist, der
beste Tenorist, die beste Altistin und Sopranistin
(diese geben nun im Hof theater zu Karisruhe Gastrollen)
ferners der beste Violinist und der beste Cellist ausgetreten sind - ebenso einer der besten Clavierspieler und em Violinprofessor.
Dieser nun erhob beim Ministerium des Innern so viele
Kiagen gegen Hr. Direktor Hauser, dat3 wir alle glaubten, er werde pensioniert. (Worm eigentlich die Kiagen bestanden, konnten wir jedoch nie zusammenhHngend
erfahren). Es wurde eine Commission vom Könige abge-
ordnet, welche diese Klagen untersuchen, die Zöglinge
prUfen und alles zu Papier nehmen solite, was auch geschah. Diese PrUfung begann am Pfingstdienstag und dauerte bis Samstag, also 5 Tage von 8-1 Uhr und von 3-8
Uhr. Die Kommission bestand aus einem Ministerialrat - einem
Professor der Universität, welcher em sehr strenger
Musiker ist und alle PrUfungen leitet, ferners em
Schulinspektor und em Oberkonsistorialrat und Hofsänger
Härtinger.
Die I. PrUfung, bei weicher ich etwas zu tun hatte, war
Instrumental-PrUfung, wo ich vom Blatt spielen mufte,
was ganz gut ging. Dann war aber Contrapunkt. Da wurde nun mein Quartett
aufgefUhrt, Hr. Direktor spielte Viola und ich muBte
dirigiren. Und die Herren hatten die Geduld, es ganz
zu hören und fragten mich noch hernach, ob ich es ganz
gewiss selbst gemacht hatte. Die Orgelprüfung dauerte nur 2 Stunden, weil nur 4 Schüler waren, mich traf davon voile Stunde, weiche mir
ziemiich heil3 machte. Da mutte ich registriren, präiudiren, die Passacaglia von Bach produziren, ferners
mu6te ich in den 6 griechischen Tonarten Ubergänge ma1
chen, und als ich gl.aubte fertig zu sein, schrieb der
Prof. der Universität em Fugenthema auf, welches ich
im Stegreif zu Fuge machen sollte (das allerschwerste
einer PrUfung). Ich spielte und sie sagten, es sei sehr
gut gegangen. Well ich seit dem Oktober spielte, war
ich dr erste, und gleich nach mir flel elner total durch,
108
welcher4 Jahre lernte. Darnach sagten sie, ich hHtte
die schwerste und beste PrUfung gemacht.
Die Clavierprufungdauerte von 5 - 9 Uhr abends. Es waren 12 Schüler des Hr. Prof. Leonhard, und sein Ritester (weicher 26 Jahre alt ist) wurde als jUngster anerkannt. Ich mul3te noch zuletzt em Stuck von Mozart
vom Blatt spielen, welches der Reihe nach herum ging,
wer es spielen wolle - und Ende gut, alies gut. Gestern,
(Montag) kam die kgl. Commission zum letzten Male und
wohnte der Ensemble bei, wobei ich auf der Orgel accompagnirte, und noch gestern wurden die Ergebnisse der
Prüfungen fort an den K3nig geschickt. Der Prof. der
Universität hatte -mich eingeladen zu ihm zu koinmen.
Ich ging auth hin und blieb 3 volle Stunden bei ihm.
Da mul3te ich nun Partituren lesen, nämiich 'Iphigenie
in Tauris', 'Aiceste' von Gluck und mehrere Ouverturen von Mozart, alle aus 16 Zeilen. Da sagte er, diese
Ouverturen hätte ich gewii3 schon geubt und brachte nun
Partituren -von Abbe Vogier, welche nur er allein, und
zwar die Handschrift, besitzt, und es freute ihn sehr,
da2 ich sie eben so gut spielte wie die andern. Nun sind die Prüfungen vorbei und ich danke Gott, daB
alles so gut ging. Ich glaube, es wird Ihnen nicht unwilikommen sein, wenn
ich hier die Stunden schreibe, weiche ich im Conservatorium beschHftigt bin:
Montag
von 8 - 10 Uhr Ubung auf dem Pedal-FlUgel,
10 - 11 Klavierstunde, 11 - 12 Orgeist.,
2 - 4 Contrap.-Stunde, 4 - 1/2 5 Bibliothek, von 1/2 5 - 6 Instrumental-Ensemble.
Diens tag
von 8 - 10 Ubung, 2 - 4 Compositionsstunde,
4 - 6 Gesang-Ensemble. -
Mit twoch
von 8 - 10 Ubung, von 10 - 12 Orgelstunde.
Donnerstag
von 8 - 10 Ubung, von 10 - 12 Clavierstunde, von 4 - 6 Instrumental-Ensemble. -
Freitag
von 8 - 10 Ubung, 10 - 12 Orgeistunde,
2 -. 4 Contrapunkt, v. 4 - 1/2 5 Bibliothekverleihung, 1/2 5 - 6 General-Ensemble. -
109
In den Instrumental-Ensemblen tibernehme ich immer die
Clavier-Partien. In den Gesang-Ensemblen rnul3 ich immer
die Sänger auf der Orgel accompagniren. Weil ich nun
dieses Jahr mehr Stunden (also auch mehr zu tun) ha-
be, wird es Ihnen leicht erklärlich sein, daB ich gezwungen war, gegen Mitte Mal die französische Stunde
aufzugeben. Urn jedoch nichts zu vergessen, Ube ich
mich iminer in freien Stunden.
Was die Ausgaben betrifft, welche ich noch haben wer-
de bis zur Heimreise, kann ich nicht leicht angeben,
denn die vielen kleinen Ausgaben sind schwer imVorhinein zu berechnen, wahrscheinlich werde ich mir noch
Paar neue Stiefel machen lassen müssen. em
Hr. Professor Herzog hat gesagt, ich solle in der Va-
kanz eine Kunstreise mit ihm machen, urn Orgelkonzerte
zu geben. Er glaubt, wir würden die Kosten schon heraus-
schiagen. Vielleicht schreibt er Ihnen darUber, weil
er gesagt hat, ich solle ihrn Ihre Adresse geben. Hr.
Prof. Herzog hat auch em Werk in Druck gegeben, welches mir gewidinet ist.
Für die Feldkircher Orgel 1st es ewig schade, daB das
Pedal nur 18 - anstatt 27 Tasten hat, weil sie nun zum
Concertspielen untauglich ist. Ich habe mich schon so
darauf gefreut, nun aber ist es nichts. Ich habe nun
schon 5 Hefte Orgelkonzertstiicke abgeschrieben und ge-
lernt, irn Falle ich mit Hr. Prof. Herzog gehen könnte.
- DaB Hr. Grundbuchführer Hassur bei den 400 fi geschnupft haben wird, habe ich schon gedacht. Ich denke, daB mein opus II gut, obschon langsam vorwarts geht, denn ich kann natUrlich nur mit Unterbrechung daran arbeiten. Auf der Ludwigsorgel spiele ich
noch immer, auch auf der protestantischen Orgel 2 mal
wöchentlich von 7 - 8 f rUb. In der neuen Wohnung ist
die Entfernung die nämliche (vom Kons.) wie in der alten. Ich habe em schönes Zimmer, schöne Aussicht u.
viel zu thun. -
Was macht die liebe Mutter? - Ich glaube, ich sehe den
Toni schon arbeiten an meinen Hef ten. - Was macht der
David? Was die Josepha, das Lise und erst die Virtuosin AMALIA mit ihren Tonleitern; freut sie sich, bis
ihr Plaggeist wiederkommt; daB sich's der GEOMETER,
RHEINBERGER PETER, nicht schlecht gehen läl3t, denk ich
110
mir schon. Indem ich alle von Herzen grU1e, und Ihnen,
theuerster Vater, herzlich danke für die vielen Wohithaten, die Sie mir angedeihen lassen,
verbleibe ich
Ihr dankschuldiger Sohn
Joseph Rheinberger."
Die Uberprüfung der Verhältnisse am Konservatorium
brachten es mit sich, daI3 man allerseits auf den glänzend begabten Rheinberger aufrnerksarn wurde und sich
urn sein weiteres Fortkommen mühte.
Rheinbergers Orgellehrer Johann Georg 1-Ierzog wendet
sich direkt an semen Vater:
MUnchen, den 27. Juni 1853
"Hochgeehrter Herr!
Schon lange woilte ich inir die Freiheit nehmen, an Ew.
Wohlgeboren einige Zeilen zu schreiben, aber iuimer
wurde mein Vorsatz wieder auf einig. Zeit verdrängt.
Ihr Sohn, weicher bei mir Unterricht im Orgeispiel erhalt, sagte mir näinlich, daf sein Vater wahrscheinlich die Absicht habe, ihn im nkhsten Jahre zu Ha'use
zu behalten. Da inir an diesem höchst talentvollen und
beseheidenen kleinen Burschen unendlich viel gelegen
ist, so wollte ich hiemit bei Ihnen anfragen, ob es
denn gar nicht rnöglich ware, da8 er noch em Jahr hier
sein könnte? Ich an Ihrer Stelle wUrde Alles aufbieten,
denn der kleine Patron verspricht einer der glänzendsten Orgelspieler zu werden, die je gelebt haben. Urn
aber so welt zu kommen, dal3 er auf seiner Laufbahn selbstHndig wird und sich mit Gliick und zweifelsloser Festigkeit durch alle Irrsal des inusikalischen Lebens
hindurch zu winden versteht, braucht er gewil3 noch em
volles Jahr tuchtige Leitung. Sehen Sie darum die paar
Hundert Gulden nicht an, Sie werden es zu keiner Zeit
zu bereuen haben. Bei elner Prüfung in Gegenwart einer
}Iinisterialkonmjission hat er allgemeines Aufsehen gemacht und sich die persönliche Freundschaft eines der
Herren, Prof. Dr. Schafhäutl erworben, die lhm nur forderlich sein kann. Auth habe ich vor, wenn er im nächsten Jahre fix und fertig ist, mit ihrn eine kielne Reise
111
zu machen und ihn als Orgelspieler einzufiihren in die
musikalische Welt.
Er könnte auch heuer während der Ferien hier bleiben;
ich wlirde mich gerne mit ihm abgeben, damit er seine
Zeit gut anwendet!
Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr, hierüber urn gefälligSte Mitteilung.
Euer Wohigeboren
ergebener
J.G. Herzog, Professor."
Vor allem die Bekanntschaft mit Prof. Dr. Karl Emil
von Schafhäutl (1803 - 1890), dem Leiter des Inspektionsausschusses, wurde für Rheinbergers weitere Entwicklung wichtig.
In einern Brief an die Eltern vom 1.7.53 schreibt Rheinberger:
München, 1.7.53
Theuerste Eltern!
Ihren werthen Brief mit dem Gelde erhielt ich am 19.
v. M., und es freute mich ungemein zu vernehmen, daI3
Sie sich recht wohi und zufrieden befinden. Heute früh sagte Hr. Direktor zu mir, es würde ihn sehr
freuen, wenn ich das nächste Jahr wieder käme. Er hätte
mir schon lange eine Freistelle 'in Anbetracht meines
FleiIes und guten Betragens' verschafft, wenn ich kein
Ausländer ware. Heute noch wolle er mit dem Minister
v. Zwehl darüber sprechen und es dann Ihnen schreiben.
Jener Professor der Universität (Dr. Schafhautl) hat
mich öfters eingeladen, bei ihm zu essen, mitihm an
Feiertagen auf das Land zu fahren, was ich natürlich
immer annehme; dann nimmt er öfters Partituren, Messen
usw. mit mir durch, und nachdem er mich nach seinem
Ausspruche genug gepeinigt hat, nimmt er mich mimer in
die Oper mit (Faust, Entfflhrung, Vestalin, Iphigenia).
Er ist ferner schon 3 mal in Vaduz gewesen, benannte
alle D6rfer und Alpen und konnte sich erinnern, Brief e
gelesen zu haben, weiche Sie Hr. Director geschrieben.
- Bei Tisch war auch em General Salis-Solio, gewesener Anführer der SonderbUndler. Dieser sagte, er sel
vor einigen Jahren mit Ihnen im Bade St. Moritz gewesen.
112
Er lobte die Liechtensteinische Armee ungemein und
habe deren Tlten Befehishaber Rheinberger in Bregenz
beim FUrsten Schwarzenberg gesehen.
Hr. SchafhHutl will mir auf's nHchste Jahr den Unterricht des Generalmusikdirektor Lachner C!!) verschaff en. Er zeigte mir die Hof- und Universitätsbibliothek
und gab imir daraus theoretische Werke zum Durchstudiren
Hr. Prof. Herzog habe ich eine Orgelfuge komponirt und
gewidmet, woran ich 14 Tage gearbeitet habe. Ich denke, die Heimreise werde 15 - 16 fl kosten, ohne
die verschiedenen kleinen Ausgaben, weiche ich bis dahin haben werde. Was soil ich mit dem Koffer anfangen?
Ich bitte, mir recht bald zu schreiben. Hr. Pf. Wolfinger ist schon seit Anfang l4ärz nicht mehr in München
gewesen. Ich weiB wohi, dal es für meine Ausbildung gut ware,
wenn ich noch em Jahr hierher käme, wei1 aber auch,
was es kostet. Ich habe schon so viel nachgedacht und
studirt, weif aber nichts zu finden, denn hiesige Studenten geben Unterricht zu 6 +er per Stunde! Gott jedoch wird weiter helfen, hat er ja bis jetzt auch geholfen. Ich meinentheils werde wie bisher trachten,
fleil3ig und bray zu bleiben - denn nur dadurch 1st es
mir möglich, Ihnen, Bester Vater! meine Dankbarkeit
für ihre väterllche Liebe einigermal3en an den Tag zu
legen - gebe Gott semen Segen dazu.
Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger.
Die Zeugnisse nach zweijährigem Studium in München belegen die Fortschritte desNusikstudenten.
Sie lauten:
"Da13 ich mit den Leistungen meines Schülers
Rheinberger
in jeder Beziehung Ursache habe meine volikomniene Zufriedenheit auszusprechen, bezeuge ich demselben hierdurch
mit VergnUgen. Die Fortschritte, die er seit der Zeit,
wo er meinen Unterricht geno2en, gemacht hat, stehen im
Einklang -mit seinem F1e113, wie mit seinem Talent.
Grö2ere kUnstlerische Rube u. Besonnenheit wird die Zeit
113
mit sich bringen, doch habe ich auch in diesem Betracht mit Freuden em anerkennungswUrdiges Streben
sich selbst zu bemeistern, namenti. in der letzten
Zeit, bei ihm wahrgenommen.
MUnchen, den l2ten Juli 1853
Der konlgl. Director
J. Emil Leonhard
Prof.
Franz Hauser
ZeugniB
Der Eleve des Kdnigl. Bair. Conservatoriums für Musik
Joseph Rheinberger von Vaduz
hat im Schuljahr 1852/53 meinen Cursus über doppelten
Contrapunkt - bis zur Doppelfuge zu 4 Stimmen - mit
musterhaftein Fleit3e besucht und sich dadurch eine für
sein Alter so flberraschende contrapunktische Fertig-
keit und Sicherheit erworben, da2 derselbe bei seiner
ausgesprochenen musikalischen Begabung zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt.
Diei3 bezeugt auf Pflicht und Gewissen
MUnchen, d. 12 Juli 1853
Der königl. Director
Julius Maier
Franz Hauser
Professor am Kgl. Bairischen Conservatorium für Musik."
Der nachfolgende Brief 1st sehr flUchtig geschrieben:
München, d. 15.7.53
"Theuerster Vater!
Weil nun die Prilfungen geendet und ich meine Zeugnisse
schon elngesammelt habe, so denke Ich, morgen Samstag,
den l6ten 6 lThr frUh abzureisen und 9 1/4 in Lindau emzutreffen; wUrde also wahrscheinlich Sonntag Mittag in
Feldkirch ankommen, wo es mich sehr freuen würde, wenn
Sie mich mit dem Peter abholen wtirden.
Viele herzliche GrU6e an alle Unsern - mtindlich mehr
von Ihrem dankbarsten Sohn
Joseph Rheinberger (In grö2ter Elle)."
114
Schafhäutl kümmert sich in der Folgezeit intensiv urn
Rheinberger und bemüht sich, semen Gesichtskreis behutsam und konsequent auszuweiten.
Schafhäutl war mit der Tradition der Mtinchner Kirchenmusik wie kein zweiter neben ihm vertraut. Er hatte in Landshut und Ingolstadt Naturwissenschaf ten, hesonders Physik und Chemie, studiert, wurde 1827 Scriptor an der Kgl. Universittsbibliothek zu München, wendete sich im Oktober 1834 zur Verwertung seiner akustischen und rnetallurgischen Arbeiten nach England (Dr.
phil 1835, Dr. med 1838) und erf and dort mit Theobald
Böhm 1836 eine Puddelmaschine, entdeckte 1838 die Anwesenheit des Stickstoffs im Eisen und erarbeitete eine
Methode, das Eisen durch cheinische Mittel zu reinigen.
1840 konstruierte Schafhäutl em Vibrationsphotometer
und erhielt im gleichen Jahr die silberne Talford-Medaille. Im April 1841 kehrte er nach München zurück und
wurde im August 1842 Mitglied der dortigen Akademie,
1843 zum Professor der Geognosie, Bergbau- und Hüttenkunde ernannt, grUndete er das geognostische Kabinett.
Als Oberbibliothekar seit 1849 Vorstand der Münchner
Universitätsbibliotheken, war Schafhäutl 1850 Commissär für die Industrieausstellung zu Leipzig, in gleicher Eigenschaft 1854 in Nünchen gehörte er 1851 der
Jury für die Nusikinstrumnte auf der Weltausstellung
in London an, erfand 1853 em Phonometer (1860 em Taschenphonometer), baute zusainmen mit Th. B5hIU em durch
Tonstärke und -schönheit hervorragendes Pianoforte und
lieferte die Berechnung für die Flite Böhm.
Neben semen geognostischen, technischen und akustischen
Arbeiten, bei denen er zu neuen Erkenntnissen über die
Ursache der Klangfarbe kam, verfa1te er literarische
und musikhistorische Schriften.
In den Ferien schreibt der 5ojährige Schafhäutl an seinen l4jährigen Schützling, der in Vaduz in Perien
weilt:
München, den 22.Juli 1853
"Nein liebster Herzensjunge!
Dein Brief hat mir grol3e Freude gemacht. Ich sah aus
ihm, dal3 Du wohierhalten bei Deinen Eltern angelangt
bist, ich sah, wenn auch nicht Dich selbst, doch Deine
115
Handschrift, ich erhielt zugleich einen Brief von Deinem Vater, der sich freut, dal3 wir gute Freunde geworden sind. Du hast mir Deine Reiseschicksale von Immenstadt nach Vaduz erzh1t - ich will Dir nun die meinigen von Immenstadt nach München zurUck erzählen.
Sie sind viel einfacher gewesen, als die Deinigen; denn
ich kam nicht aus dem Wagen, ausgenommen zu Augsburg,
wo der Train gewechselt wurde. Ich fuhr von Immenstadt
mit mehreren Fremden in demselben Wagen, in weichem
wir zu Immenstadt angelangt; aber ich war dennoch allein und nichts weniger als gut gelaunt. Die Fremden
beriethen sich, was in drei Tagen alles In München zu
sehen ware. Em Schwabe, der einen Verwandten in Nunchen hatte und schon öfters in MUnchen gewesen war,
gab den Mitreisenden die wohigemeintesten Rathschläge,
freIlich oft verkehrte, die ich leicht hätte berichtigen können, aber ich war, wie gesagt, viel zu verstitnmt dazu, drUckte mich in eine Ecke des Wagens,
schlief bald ganz, bald haib, streckte den Kopf zum Wagen hinaus, wenn meine alten, lieben gigantischen Tyroler und Vorarl Berge ihr Haupt wieder über die nahe
liegenden grUnen Hügel emporhoben, und kam so in Augsburg an, wo ich nach einer halben Stunde mit demselben Zuge nach Mtinchen abfuhr, weicher den König von
Sachsen nebst Gefolge etc. nach demselben Ziele zu bewegen hatte.
Ich hatte MUhe mich durch den Haufen schaulustiger Personen nach meinem Wagen zu drängen, und warf nur einen
halben Buck auf den König von Sachsen, den das Jahr
48 zum alten Mann gemacht hatte. Unter uns gesagt:
warst Du in dessen Wagen gewesen - das hHtte uns mehr
Vergnügen gemacht als der Anblick all der Könige von
Sachsen, die bis jetzt geherrscht haben und noch In Zukunft herrschen werden.
In MUnchen war bei unserer Ankunft gar der Teufel los.
Es wiinmelte von Hofwagen, Zuschauern, Vorreitern; an
em Abendessen (?) war nicht zu denken. Ich ware beinahe von den koniglichen Vorreitern überritten worden
und vertrat mir dabei den Fu13, neuerdings den ich schon
frUher übertreten hatte. So hinkte ich nach Hause und
wUnschte den Vorreiter nach alien vier Winden. Es war
gerade 1/2 Zehn Uhr abends, als Ich den SchiUssel em-
116
steckte: ich ging noch zu Quermann(?), referierte da,
wie ich Dich nach Imrnenstadt expediert und ging hierauf urn 1/2 zwölf zu Bette.
Am nächsten Sonntage führten wir in der St. Michaelshofkirche Mozarts schöne, wenn auch eben nicht sehr
kirchliche Messe in C-dur auf, des Nachmittags fuhr
ich mit Pentenrieder nach der Menterschweige, die Du
wohl kennst. Wir waren da sehr lustig; aber schöner
wars doch gewesen, wenn Du Dich mit uns da gefreut hattest. Indessen tröstete ich mich damit, daB ich Dich
zu Hause unter Deinen Lieben dachte, mir die Freude
vorinalte, mit welcher Dich Deine Eltern, Brüder,
Schwestern und Freunde umpfingen und daB ich im Geiste
mit Dir auf Deinen grUnen Hügeln und Bergen herumkletterte. Von Deinem Leben und Treiben zu Hause hast Du
mir in Deinem Briefe nichts gemeldet, das wirst Du
natUrlich in Deinem nächsten Briefe desto ausführlicher thun. Erschrick nicht, lieber Junge, Uber diese
Anforderung: Du brauchst Dich bel Deinen nächsten Brief en nicht so abzumtihen. Den ersten hast Du schön geschrieben, wie em Söhnchen, daB seinem Papa zum ersten
Male schriftlich zum Namenstage gratuliert. Im nächsten hoffe ich, schreibst Du, wie Dir der Schnabel gewachsen ist, mit flüchtigen Zugen, - ich kann alle
Schriftzuge entziffern, obwohl's mir mit den meinigen
am allerschwierigsten zu gehen pflegt. Auch laB die
nichtssagenden Titel 'Euer Wohlgeboren' und dergl. weg
und schreibe Professor, oder wie Du willst und fühlst.
Erinnere Dich nur an das, was Du mir versprachst!
DaB Mozart in semen jungen Jahren so hart über Vogler
urtheilte, lag daran, daB er ihn für semen Nebenbuhler hielt, oder daB er ihm seiner Anstellung halber im
Wege stand. Der junge Mozart stand damals bloB mit seinem Genius allein, ohne alle ubrige Bildung. Vogler
war em gelehrter Nusiker, em tiefer Denker, em Mann,
der die Musik von ihrem Beginn bis zu seiner Zeit herauf genau kannte. In dieser Beziehung stand Vogler
schon damals wie em Riese an Gelehrsamkeit dem jungen Mozart gegenüber, der sich natürlich in dieser Beziehung nicht mit Voglern inessen konnte. Mozart nennt
Voglern einèn Hexenmeister auf der Orgel! Warum hat
117
er ihn denn nicht todt gespielt, wie er das spater mit
Hailer zu Dresden that? Er hütete sich im Gegentheile
wohi, nach Vogler die Orgel zu splelen.
Em anderer Umstand war, da1 Vogler die Kräfte des Mannheimer Orchesters genau kannte, wuBte was jedes Mitglied desselben zu leisten vermochte und genau leistete; er schrieb deshaib weiter seine Compositionen mit
dieser RUcksicht, und so kam es, dal3 die Vogler'schen
Compositionen stets besser gefielen als die von Mozart.
Selbst als der unsterbliche Idomeneo Mozarts nach Voglers Castor und Pollux gegeben wurde, fiel er durch.
Mozart änderte in späteren Jahren seine frühere Meinung
In dieser Hinsicht gänzlich.
Als beide kurz vor Mozarts Tod im Hause des Barons van
aufgegebenes Thema wechselweise auf
Swieten Uber em
dem Flugel phantasierten, ergriff Vogler das Thema zum
achten Male, worauf sich Mozart für überwunden erklärte, Voglern stets Papa nannte und immer demselben zur
Linken ging.
Du hast ja das Kyrie der Messe, von welcher Mozart
sagt, es habe darin gar nichts gestimnit, bei mir selbst
gespielt, und kannst also am besten urtheilen, wie gegründet oder ungegründet des jungen Mozarts Urtheil
darUber war.
Die Biographie Mozarts von Oulibicheff 1st wirklich die
beste Biographie von Mozart, denn das Nissen'sche Werk
liefert blol3 Materialien zu einer Biographie. Sie ist
voll Sachkenntnis, voll GefUhl und voll Begeisterung
für den unsterblichen Meister, ich sage voll Gefühl,
denn höchst selten versteht der Verfasser einer musikalischen Biographie die Gottersprache der Musik; er
komint gewöhnlich Uber die Noten (die Buchstaben) nicht
hinaus. Indessen 1st auch viel Halbheit in den Urtheilen Oulibicheffs und manchmal IrrthUmliches, namentlich was Geschichte der Musik betrif ft. So 1st was er
Seite 109, I. Thell, über griechische Musik sagt ganz
irrthUmllch, eben so falsch 1st, da1 Vogler die Sucht
besessen haben sollte, die Musik der Alten wieder aufleben zu machen. Vogler lehrte den Charakter des ursprünglichen Gesanges der kath. Kirche genauer kennen,
er zelgte wie unsere katholischen Choralmelodien, die
einzigen wahrhaft kirchlichen, welche existieren,
118
durch unsere modernen Harmonien begleitet werden können und niüssen - ohne dal3 sie ihren eigenthumllchen
Charakter verlieren, und das hat er so vollständig,
so systematisch und logisch gethan, da1 ibm bis jetzt
wenigs tens noch kein zweiter auch nur nahe kommen konnte.
Was Seb.Bach empyrisch that, das hat Vogler nach Gründen ausgeführt, weiche in der Natur der Sache lagen;
Du kannst auch hierüber em Urtheil fallen, denn Du
hast gleichfalls die Seb. Bach'schen Chorale und deren Umarbeitungen von Vogler durchgespielt und sie mit
der Weber'schen Analyse verglichen. Eben so ungerecht
ist, was Oulibicheff z.B. über den Text der Zauberf 15te sagt. Die Diction, Sprache und Wortftihrung ist freilich darin in der Regel wienerisch, läppisch, gemein,
lächerlich, aber der Grundgedanke der durch die ganze
Oper weht, ist sehr poetisch, den besten Beweis davon
gibt, da8 Goethe einen zweiten Theil der ZauberflSte
schrieb, dabei 1st das Sujet der Oper selbst vom moralischen Standpunkt aus em durchaus unverfängliches,
Reines, wie es sich - Nhuls Joseph und seine BrUder
und etwa die WeiBe Dame, Graf Armand ausgenommen, in
keiner zweiten modernen grS2eren Oper wiederfindet.
Uber mehreres in diesem Bändchen Enthaltene sprechen
wir ausfUhrlicher, wenn wir wieder beisammen in unserer Stube zuMUnchen sitzen.
DaB Dein Vater die Photographie von Dir sehr ähnlich
f and, freut inich, sie muf3 wohl ähnlich seyn, die Na-
tur hat sich ja bier selbst gemalt, aber etwas fehlt
ihr doch, was ich stets an ihr vermisse wenn ich an
ihr vorubergehe.
Es fehlt ihr Dein freundliches Lacheln, und Dein sonst so lebendiges seelenvolles Auge
ist bier starr auf einen Punct in unbestiimuter Ferne
geheftet. So 1st denn auch dieses Portrait wie unser
Bischof Sailer sagte, nur des 'Schattens Schatten'.
Damit bin ich jedoch, lieber Junge, der Du in der schSnsten BlUthe Deines KSrpers und Geistes stehst, nicht
gemeint, Dich mein 'Schatten' zu nennen. Das Wort in
des, Bischofs Munde deutet auf das Vergehen und das Vergängliche alles Geschaffenen, auf das schattenhafte
VorUbergehen und Verschwinden alles dessen, was uns
119
auf Erden als schön, gro8 und herrlich entzUckt. Aber
nicht allein auf der Erde, auch durch die ganze Schöpfung wird es einst dämmern, Nacht werden und nichts
mehr seyn als Gott - und die guten und bösen Thaten,
die wir gethan.
Doch Raum und Zeit erinnern mich an den Schlul3.
Lebe somit recht wohi, lieber Junge, und denke manch-
mal an uns in München.
Der Hinimel schütze Dich, ich aber kiisse Dich im Geiste
und bin und bleibe
Dein alter Freund Schafhäutl.
N Schr. Du muft sehen, wie Du mit meiner Schrift zurecht koimnst und ich bin begierig, ob Du meinen Brief
lesen konntest. Ich trage ihn gerade zur selben Stunde
auf die Post, in der wir vor 8 Tagen (zu Augsburg) in
der Restauration sa2en.
Die Arie 'Spinn du arme Margarethe' 1st hier nicht zu
haben. Ich schicke Dir deshalb den Dir bekannten Klavierauszug ganz. Ich besitze noch einen zweiten. Diesen Nachmittag, wenn ihn August, der Dich sowie Hr.
Vater herzlich grW3en lä2t, eingepackt hat, gebe ich
ihn auf die Post und da lege ich auch einen Brief an
Deinen Vater bei.
Gott befohlen."
Auch an Rheinbergers Vater wendet sich Schafhäutl mit
einem aufschlu8reichen Brief, der auf die Persönlich-
keit des jungen Rheinberger em von Sympathie und Für-
sorge genahrtes Licht wirft:
Miinchen, am 22ten Juli 1853
"Wohigeborener, verehrter Herr Rentmeister!
Ich hörte öfters viel des Lobes über das hohe musikalische Talent Ihres mir später so lieb gewordenen
Sohnes; aber erst durch eine Inspection u. Prüfung ex
officio an unserem Conservatorium lernte ich ihn näher
kennen. Er ragte durch Physlognoinie und Haltung so
weit Uber seine Ubrigen Mitschüler hervor, daB ich beim
ersten Anblick zu meinem Nachbar sagte: 'Das muss unser
Rheinberger seyn'. Ich schrieb ihm bei der PrUfung em
Thenia auf, das er auf der Orgel auszuführen hatte, und
120
er that dies mit so viel Gewandtheit, dal3 alle Cornmissionsmitglieder in Erstaunen geriethen. Da ich seine übrigen Verhältnisse nicht näher kannte, wolite ich
ihrn em
Zweiguldenstück als Andenken geben (em
Experi-
ment, das mir gewil3 bei keinem seiner MitschUler mi2-
glückt wEre); allein er war nicht zu bewegen, dassel-
be anzunehmen, und dieser Zug machte mir den Knaben
noch von anderer Seite her interessant.
Bald nach der Prüfung kam ermit einem seiner Mitschüler, der mich schon früher kannte, und der ihn wahrscheinlich dazu ermunterte, in meine Wohnung, urn mir
zu zeigen, daIs er rnehr in musikalischer Hinsicht zu leisten verstünde, als er wEhrend der Prüfung zu zeigen
vermochte. Ich setzte ihn nun ans Clavier und beschEftigte ihn da zwei Stunden lang. Ich bemerkte da noch
mehr, daB meinjunger Freund in Hinsicht auf musikalische Begabung eine aut3erordentliche'Erscheinung sey;
ich lud ihn deshaib em, mich öfters zu besuchen, indem ich ihrn zugleich versprach, ihn, wenn eine kiassische Oper gegeben wUrde, ins Theater zu fUhren, da
bei seiner so weit gediehenen Vorbildung das Anhören
klassischer Meisterwerke das einzige und gröBte Mittel
zur Ausbildung und Vollendung 1st.
Allein seine Mischung von Schüchternheit und Zartgefühl lieB ihn auch von dieser Einladung keinen Gebrauch
machen, sodaB ich ihrn endlich durch semen mir bekannten Mitschüler em Theaterbillet sandte und ihn zu
Tische lud. Wir fuhren des Nachrnittags spazieren - und
dainit lernte ich ihn auch von der Seite seines Herzens
kennen, die für mich nicht minder anziehend war als
die seines Geistes.
Der Knabe hat wirklich in seinem so zarten Alter in
musikalischer Hinsicht Schwierigkeiten überwunden, die
mancher sonst gute Musiker wEhrend seines ganzen Le-
bens nicht zu besiegen lernt; dabel hat er em ungeheu-
res musikalisches GedEchtnis und das feinste GefUhl für
höhere musikalische Schönheit, sodaB es gar keine
Schwierigkeiten macht, ihn in die tieferen. Tiefen musikallscher Schöpfungen einzufUhren, ja ich kann dabei
eine Sprache führen, deren ich mich gewöhnlich nur irn
Umgange mit gereif ten musikalischen ?IEnnern bedienen
kann. Er ist für seine Jahre auBerordentlich gebildet,
121
richtig denkend und schliel3end, liest gerne, hat schon
sehr viel gelesen - kurz, er würde, wenn er studiert
hätte, em ebenso vorzUglicher Student geworden seyn;
dabei ist er so gut erzogen, so liebenswUrdig, so gutmUthig im Umgange, so bescheiden, da2 ich ihn mit der
volisten Wahrheit das begabteste liebenswilrdigste Kind
nennen kann, das mir während meines langen Lebens vorgekommen ist.
Bei all dieser hervorragenden geistigen Entwicklung 1st
er doch immer noch em fröhlicher vierzehnjähriger Knabe, er läuft und rout mit semen Kameraden im Grase
herum und unterscheidet sich von ihnen nur dadurch, dat3
er auch da starker, tUchtiger und gewandter 1st, als
sie. Dabei ist er noch so unverdorben, daf3 ich bei mehreren seiner naiven Fragen im Don Juan achthaben mut3te,
einer passenden Antwort halber nicht in Verlegenhelt
zu gerathen. Leider 1st unser Theater nichts weniger
als das, was es seyn soilte, eine Schule der Sitten,
die, wie Shakespeare sagt, gleichsam der Natur den Spiegel vorhält, der Tugend ihre eigenen Ztige zeigt und
der Heuchelei die Maske abzleht. Gerade unsere gröf3ten
unsterblichen Opern sind in Hinsicht auf den Text voll
Liederlichkeit und Leichtfertigkeit; ja es bedurfte
des gro2en musikalisch unschuldigen Mozarts, urn aus dem
giftigen Texte des Beaumarchais die unsterbliche Oper
'Figaros Hochzelt' zu machen.
Indessen man muf3 sich eben auf die FUgung des Himmels
verlassen. Jedes Kind scheint semen eigenen schiitzenden Genius zu haben, und Ihr Sohn ist zwei Jahre in
München gewesen als zartes Kind ohne eigentlichen Freund,
ohne Rath und Helfer, und zwar in einer Anstalt, die
bisher nichts weniger als geeignet war, dern Zögling
hohe Beispiele von Sittlichkeit vorzuhalten - der Himmel wird ihn auch ferner bewahren und so wollen wir
der frohen Uberzeugung leben, dal3 er nicht nur em
groBer Musiker, sondern auch, worauf denn zuletzt doch
alles ankömmt, em guter Nensch werde und bleibe.
Und somit empfehle ich mich Ihnen, indem ich Sie noch
bitte, unsern lieben Jungen in meinem Namen zu küssen
und bleibe
Ihr
ergebenster Freund Schafhäutl."
122
Einen weiteren Brief an Rheinberger in Vaduz beginnt
Schafhäutl mit der Arie des Jakob aus Mhu1s "Josef
in Agypten":
"Mein lieber Joseph!
MUnchen am l6ten August 1853
0 mon Jo - seph chèr en - fant de mon coeur!
Die Hälfte des Zeitraumes, der Dich von mir trennte,
1st nun vorüber, und Du glaubst nicht, wie sehr ich
wUnsche, da6 auch die zweite Hälfte vorüber seyn möchte, urn wieder einmal in Dein liebes, freundliches Auge schauen zu können. Natürlich schreibst Du mir noch
öfter und zuletzt genau den Tag, an weichem Du in München eintreff en wilist und mul3t. Wenn nicht unübersteigliche Hindernisse in den Weg treten, nehme ich
dann meinen Weg aus unserem Bayerischen Gebirge Uber
Bregenz oder Feldkirch nach Vaduz und nehme Dich da
eigenhändig in Empfang. Man hat mich nämlich zum Corn-
missionsmitgliede der grofen Zollvereins-Industrieausstellung gemacht, die im Jahre 1853 in München stattfinden wird, und da bitihen mir denn Plagen, Arbeit,
Verdru8 und andere dergleichen angenehme Dinge im Vollàuf
Ich bin bereits 14 Tage von Morgens 7 Uhr bis Abends
6 Uhr in meiner Uniform eingezwängt gesessen und habe
die Endprtifungen unserer polytechnischen Schule gelei-
tet; jetzt nach Beendigung dieser lastigen Arbeit dro-
hen mir wieder neue Conimissionssitzungen der ktinfti-
gen Industrieausstellung halber. Durch zwei bin ich
bereits glticklich gekomnien; heute Abend 1st die dritte.
Wenn ich mich jedoch em Bischen los machen kann, gehe
ich ins Gebirge und gegen den 15. September zu mit
August Böhm nach Vaduz, d.h. zu Dir, lieber Junge!
Musikalisch Neues gab es während Deiner Abwesenheit
123
nichts; Du hast also noch nichts versäumt. Wir hatten
hier unsern gewöhnlichen Jahrmarkt, der viel Spektakel
machte aber auch nichts Neues oder nur wenigstens Sehenswtirdiges gebracht hat. Auch er ist vorilber und nur noch
einige Buden mit Schaustiicken, em Wachsfigurencabinet
und der Seiltänzer K... von Wien sind zuruckgeblieben.
Deprosse habe ich wenig gesehen. So viel ich erfuhr studirt er Contrapunct bel Pentenrieder, namentlich die
ftinf Gattungen des zweistinimigen strengen Satzes nach
Albrechtsberger, zu welchem ihr im Conservatorium noch
nicht gekommen seid, da Mayer in umgekehrter Ordnung
anfing, nämlich mit dem 4stiminigen strengen Satze, während die alten Contrapunctisten mit dem zweistimmigen
anfangen.
Da1 Du in Oulibicheff manches Einseitige finden wflrdest,
habe ich Dir ja vorausgesagt; es verhlt sich auch da
so wie mit alien Dingen, die von Menschen gemacht sind;
gerade das Quintett, weiches nach der gewöhnlichen Numerierung der ClavierauszUge 11 hat, enthält elnige
der allerreizendsten Partien, die gerade wieder dar-
thun, weichen ungemeinen Zauber die alleralltäglichsten Accordfolgen ausUben können, wenn sie in einen
originellen musikalischen Gedanken aufgelöst werden.
Darin, in dieser Erfindung eines musikalischen Gedankens iiegt das, was em MusikstUck zum Kunstwerk macht
und dem Werke selbst wie dem Tondichter seines Namens
Unsterblichkeit sichert.
Stelle Dir vor: im ersten Takte der C-dur Accord, dann
in der zweiten Hälfte C-dur, im zweiten Tacte wieder
G-dur, im 3ten D-dur, wozu sich im ietzten Viertel die
frei angeschlagene None geseilt, im Sten wieder D-dur
und G-dur und so weiter. Vergleiche nun im Quintett
Nro. 11 den 113. bis zum 130. Tacte, und Du wirst Sehen, welch reizendes melodisches Gemälde Mozart tiber
diese Accorde gesteilt hat, Accorde welche von alien
Organisten legionenmal gegriffen worden sind und noch
gegriffen werden:
124
IWir
a.
-
müs - - sen
r
r
6
4
sie
mit Schaam
rz-r
-
ver-las - sen
r
I
9
Welch unbeschreiblich reizende Wirkung macht hier die
frei als Vorschlag angeschlagene None. Wie steigt der
Effect mit der musikalischen Bewegung im 120. Takte,
obwohl wieder der G-dur Accord, im 122. & 23. der Septaccord aus G-dur, im 124. Tacte G-dur u.s.w. nacheinander folgen. Welch nur alltglich-gemeine Folge! und
doch, wie unbeschreiblich schön 1st die Wirkung, wie
hier Papageno und Tamina und die 3 Damen - jene:
Sie mUssen uns mit Scham verlassen - diese:
Wir mUssen sie mit Scham verlassen - in stetem Wechsel
zusammen singen u. dergl.
Da2 Du zu Hause allmählich etwas Langweil empfindest,
1st mlr sehr begreiflich, da Du aus Deinem gewöhnlichen Leben und Treiben in musikalischer Hinsicht herausgerissen bist, und etwa auch der Lehrer oder höchstens noch der Herr Pfarrer oder einer seiner Kaplth-ie
sich Ins Reich der Tone versteigt, in dessen grOl3ten
Tiefen oder HOhen noch Uberdies auch von den Fachgenossen sich nur wenige gem langer verweilen.
Dennoch hast Du Etwas in Deinem heimischen Vaduz, was
Du sonst nirgends so wiederfinden wirst, Du bist am
Herzen und in den Armen Deiner Eltern. Sie halten Dich
mit elner Liebe, die sich unter alien Wechselfällen
des Lebens nie ändert, und die auf Erden höchstens mit
dem Tode aufhOrt. Darum freue Dich des ClUcks, Deine
Liebsten noch so wohl und frisch zu genieIen und ihnen
so nahe zu seyn so recht von ganzem Herzen und kehre
dann wieder frisch, kräftig und zur Arbeit gerüstet
zu uns nach MUnchen zurück. Daf Du auch auf einer Schweizer Reise begriffen warst,
125
dachte ich mir wohi, da Du mir schon von hnlichen früheren Reisen erzEhltest, und auch nach unserer Trennung
im Sinne hattest, durch die Schweiz nach Hause zurUckzukehren.
Bei einem technischen Gutachten bei unserein hiesigen
Magistrate oder elgentlich schon frUher habe ich nun
noch die Bekanntschaft Deines Hausherrn gemacht. Er begegnete mir gerade an der Ecke der Stra8e, die von dem
St. Peterskirchhofe nach dem Obstmarkt hinunter fUhrt.
Er sprach sogleich von Dir, und als ich ihn dabei sehr
befremdet ansah, gab er sich mir als Deinen Hausherrn
zu erkennen.
Bisher sind wir noch jeden Feiertag in der Menterschwaige gewesen und es hat uns dabei nur der bekannte Rheinberger gefehit.
Du hast mir kein Wörtchen geschrieben, wie Du mit melner Handschrift zurecht gekommen bist - hast Du meinen
Brief vollstnd1g entziffert, oder hast Du Vieles dabei als unenträthselbar Uberhüpfen mUssen?
Der junge und alte Böhm und General Salis Soglio senden
Dir die freundlichsten Grüfe. Gruae mir dagegen auch
recht freundlich Deine lieben Eltern und la8 bald wieder Etwas von Dir hören.
Indem ich mich auf den Augenblick freue, in dem ich
Dich wieder in meine Arme schlief3en werde,
kllsse ich Dich im Geiste und bin
Dein
alter Freund Schafhutl."
Im Herbst 1853 1st Rheinberger wieder In MUnchen und
schreibt an die Eltern:
München, den 24.9.53
tiThe erste Eltern!
Durch Ihre Gilte wieder in den Stand gesetzt, mein Studium fortsetzen zu können, ist es meine erste Pflicht,
Sie von meiner Ankunft dahier in Kenntnis zu setzen.
Nachdem ich in Lindau von Ihnen Abschied genomrnen, besichtigte ich alles (wenige) Merkwirdige der Stadt,
besonders aber den Eisenbahndamm. Hernach dachte ich
immer nur daran, wie Sie jetzt wieder nach Hause gefahren seien und begleitete Sie in Gedanken nach der
126
lieben Heimath, wo Sie hoffentlich bald recht wohl an-
gekommen sein werden.
Abends 7 Uhr fuhr ich (nachdem ich mich schon etwas gelangweilt) per Post nach Kempten, wo ich urn halb 5 Uhr
früh anlangte. (Denn die Post nach Stauffen fährt erst
12 Nachts von Lindau und der erste Zug von dort fährt
erst 7 1/2 Uhr nach MUnchen). Halb 11 Uhr lvlittags kam
ich nach }Iünchen, aber mit hungrigem TMagen, denn ich
konnte erst 12 Uhr mittags frühstUcken. Von Seiten
der Perstenfeld'schen f and ich die freundlichste Aufnahrne, ja die Frau sagte, ich sei so grof geworden,
daf sie mich kaurn gekannt! Hr. Perstenfeld hat nun im Sinn, em Clavier zu kauf en.
Der kleine Albert wird nun nicht mehr lange hier bleiben, sondern wird am 18. Oktbr. d. J. in das Institut
nach Scheyern konimen. -
Gestern Abends wolite ich noch zu Hr. Professor Schafhäutl gehen, traf ihn aber nicht zu Hause; desshalb
ging ich heute frUh hin und f and ihn gerade irn Begriffe
abzureisen; er war so freundlich wie immer und sagte,
er habe von Tag zu Tag abreisen wollen, sei aber wegen
der 'Industriellen Geschichte' mimer aufgehalten worden. Heute reise er nun doch ins Gebirg und werde bis
in 12 - 16 Tagen elnen Abstecher nach Vaduz machen,
urn Sie Theuerste Eltern! kennen zu lernen. Gleich darauf traf ich auf dem Wege Hr. Salis-Soglio.
Ich richtete ihm alles aus, was Sie mir aufgetragen;
und er sagte, er lasse alle, besonders aber Hr. Bruder
Lieutenant grül3en, und fragte, ob recht exerzirt werde, er kenne den General Hess recht wohl u. glaube,
er könnte stündlich in Vaduz eintreffen. Ich sagte ihm
auch, da1 der Bruder Lieutnant ihnim Saale des hiesigen Kunstvereins gesprochen - worauf Hr. Salis sagte,
es sei ihm schon früher einmal eingefallen. Hierauf ging ich zu den Hr. Prof. Herzog und Leonhart
(den Prof. Maier traf ich im Conservatorium) und präsentirte mich ihnen fUrs nächste Jahr. Letzterem mu2te ich mneine Messe auf em paar Tage zumn Durchsehen
geben. Soviel ich hörte, seien noch nie so viele Schti1cr eingetroffen wie dieses Jahr. Hr. Direktor habe
ich noch nicht gesehen. Sein Sohn wird nun bald austreten, ob freiwillig oder nicht, weil3 ich nicht. -
127
Montags frUh gehen meine Stunden an und ich hoffe zu
Gott, da1 er sie auch dieses Jahr segnen werde, dai3
diese Zeit zu meinem Nutzen und zu Ihrer Freude angewendet werde.
Dem Toni werde ich bis in 14 Tagen schreiben und ihm
das GewUnschte schicken; er soil diese Zeit über mich
nicht bose werden und geduldig warten.
Dem Peter muf ich noch sagen, daf meine Bekannten hier
sagen, dal3 ich besser aussehe, als wie ich fortgegangen sei, daf3 inir also das Obst doch nicht so schlecht
angeschlagen habe, wie er so brUderlich besorgte und
daB 2tens der General Hess nicht so bose u. streng u.
genau sei, wie er so soldatisch besorgte und daB 3tens
- Doch er wird jetzt schon sagen:
'Das sieht halt dem Pepi gleich, em Witz schlechter
als der andere'.
Sie, Theuerste Eltern! werden sehen, daB ich dieses
Jahr fleiBig und bray sein werde und daB Ihre Ermahnungen nicht auf unfruchtbaren Grund gefallen sind.
Indem ich nochmals alle Lieben zu Hause herzlich grüt3e,
verbleibe ich
Ihr dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger."
Perstenfeld gibt die gestiegenen Unterhaltskosten
prompt an Rheinbergers Vater weiter:
"MUnchen, den 26ten September 1853
Euer Hochwohlgeboren!
Meine Zeilen werden Ihnen dieBmal freilich nicht die angenehmste Kunde verschaffen, allein ich bin halt doch
durch die Umstände gezwungen, Sie auf einen Punkt aufmerksain zu machen, der inir selbst so unangenehm wie Ih-
nen ist. -
Es wird Ihnen nicht fremd seyn, was wir in Mtinchen in
allen Dingen für eine Theuerung haben. Die Wohnungen
sind urn 30 fi theurer als vor 3 Jahren, das Getreide hat
schon einen enormen Preis und wird von Sommer zu Sommer
theurer, das Fleisch ist per Pfd. urn 3 fl theurer als
vor 3 Jahrn und das GemUse fast gar nicht mehr zum kau-
fen. -
Pepi bewohnt das schOnste Zimmer meiner ganzen Wohnung
128
es steht em Flügel darin, den ich urn fast 300 fl kaufte, worauf er spielen kann wie er will. Aber der Ziffer des Geldpunktes mu8 sich jetzt ändern,
denn aufrichtig gesagt, habe ich in wenigen Jahren
schon einen nicht unbedeutenden Schaden durch das wenige Monats-Geld, das Sie bisher für Pepi bezahiten, erlitten. Sie sind zu edel, als da8 Sie meinen Schaden
verlangen könnten, und ich ersuche Sie daher, für dieses Jahr per Monat 24 fl für Pepi zu bezahien. Pepi
überbrachte mir 3 Nonatgelder mit 48 fi, und ich muB
Sie daher bitten, denselben die fehienden 24 fi beizufügen. Ferner mu1 ich Sie auch noch ersuchen, daB Sie dem Fepi 1 Klafter Holz kauf en, denn ich ware es nicht im
Stande, zwei f en zu heizen, da die Klafter Holz mit
machen und tragen auf 14 fl kommt.
Uberlegen Sie und berechnen Sie die Sache, und Sie werden finden, daB ich keine unbillige Forderung mache.
Es thut mir zwar wehe, Sie mit dieser Bitte belästigen
zu mü6en, aher ich kann nicht anders, ich bin dazu gezwungen.
Baldiger Nachricht hierüber entgegensehend
verharre ich hochachtungsvollst
Euer Hochwohlgeboren!
ergebenster Johann Ev. Perstenfeld,
Magistratsfunktionär."
Das herzliche VerhEltnis der Geschwister im Hause Rheinberger bekunden die nachfolgenden beiden Brief e von Josef an semen Bruder Toni in Vaduz:
"München, den 11.10.53
Theuerster Bruder!
Hiebei erhaltest Du Deinem Verlangen gemEB em Buch
'KUnSt BUcher zu binden' mit einem Anhang vom Vergolden
u. Futteralmachen; somit glaube ich Deiner Anforderung
zu entsprechen; das Buch muBte erst von Leipzig geschickt werden und kostet 2 fi 15+er. Nit den Fileten
ging es mir hart; ich war bei vielen Graveuren, bekam
aber nirgends Abdriicke. Endlich bekam ich sie beim Silberarbeiter N. Wimmer, aber nur die ganze Musterkarte
mit 400 verschiedenen FiletenabdrUcken. Auch diese bekam
129
ich nur mit grol3er Mühe u. ich muJ3 sie Sonntags den
l6ten d. M. wieder zurUckstellen.
Der Preis ist auch Uberall angegeben z.B. 1/12 heii3t
Gulden 12+er - 2/15 = 2 fl 15 u.s.w. em
Wenn Du die Fileten bezeichnest, so schreibst Du mir
die Nummer. Es würde mir sehr angenehm sein, wenn Du
die Musterkarte am nmlichen Tage mir zuschicken wiirdest, wo Du sie bekommst; wenn Du noch Geld erUbrigen
kannst, so schicke es, darnit Du desto mehr Fileten bekommst. -
Sage den lieben Geschwistern viele GrUBe von mir, besonders aber den 1. Eltern; dern Vater noch besonders
viele Ernpfehlungen von Hr.Dr. Schafhaeutl, welcher
mich diese Tage mit elnem Besuche iiberraschte, nun
aher wieder nach Traunsteingereist ist, urn em Darnpf-
schiff zu probieren. Hr. Perstenfeld, weicher alle griiBen läI3t, hat nun ei-
nen schönen FlUgel gekauft. Hr. Pfarrer Wolfinger hat mich diese Tage besucht u.
läI3t alle schönstens grtit3en, den 1. Vater u. Petern
auch besonders. 1st General He angekommen? Heute Abends wird hier Kai-
ser Franz Joseph I. erwartet. -
Deprof ist beim Schafhäutl verabschiedet worden, mit
der Bemerkung, wiederzukommen, wenn er geruf en wtirde.
- Das Oktoberfest ist nun vorUber, ich war öfters da-
bei - Samstags wird die Ruhmeshalle eingeweiht. An dem
Industrie=Gebäude wird fleiIig gearbeitet. Was macht die 1. Mutter? sie spinnt gewil3 fleiI3ig,
dörrt 0 b s t (au, web!) ? Wie ist die Weinlese ausge-
fallen (D I e T r a u b e n) /au weh!/ (die N u s s)
/au weh!).
Landesverwesers Louis u. Kommissär's Peppi sind gewif3
nicht mehr in Vaduz?
Was macht das Lisi, Mali, die Seffa, das (das Maxentzili)
der David, Peter u. der
Toni!
130
Hof u. Kanzlei = Buchbinders KUnstler der Haupt = u.
Residenz Vaduz.
Lebt wohi
Euer Bruder
Bepi od. Pepi od. Joseph Rheinberger."
"Miinchen d. 19.10.53
Theuerster Bruder!
Dein Brief hat mich sehr gefreut, aber nicht deEthalb,
weil er gar so kurz, sondern well er von Dir war.
Das nächste mal falist Du in lingnade, wenn Du nlcht
mehr schreibst. Ich an Deiner Statt wUrde mich schmen.
Die Fileten hätte ich gleich haben können, aber ich
muI warten bis die Stempel gravirt sind (erst bis in
8 Tage). Well die Fileten die Du bezeichnet zusammen
nur 7 fl ungef. 30+er gekostet, alle 5 Stempel graviren auch nur 2 fl 42+er kosten werden, und Du mir noch
8 fi schicktest, so kaufte ich hier noch für Dich em
Buch: 'Die Fabrikatlon von Portefeuilles, Etuis und
Ledergalanteriewaren von Kirsch'. Well diese Sachen
mit den Buchblnderkünst].ern im Iten Grade verwandt
sind, so glaube ich, wlrd es für Dich nicht uninteressant sein, nichtwahr? Der Kaiser von sterreich 1st Gestern wieder fort von
hier nach Possenhofen zu seinerBraut. Sonntags war
Revile über 12.000 N. auf demNarsfeld, wobei em Generaistab von 120 Personen war. Es waren dabel 3 Regimenter Infanterien, em Jägerbataillon, 2 Regimenter
Kuirassier, em Regiment Chevauxlegers, 3 Batterien
Fu13=Artlllerie, em
Regiment reitende Artillerie u.s.w.
- Der Kaiser war in bairischer Uniform welche ihm nlcht
so gut steht, wie die verschiedenen österreichischen.
- General He13 ist nun nach Deinem Schrelben in Vaduz?
Trotz der Kälte wird Peter, (den Du mir briiderlich
grul3est) doch schwitzen mUssen.
Diese Tage sah Ich zufEllig hier em Buch betitelt:
Erinnerungen aus dem Leben Cans, letzten FUrstbischofs
von Chur u. ersten St. Gallen's von - Fetz In Vaduz.
Sage dem lieben Vater ich werde ihm in 8 Tagen schreiben.
131
Du, bester Bruder Bruder, wirst mir ohne Zweifel gleich
antworten, und Lisi, od. Mali werden gewil3 em Briefchen beifügen, nicht wahr?
Dem nichtgerntonleiternspielenden Mali - woilte ich
dieser Tage em schönes StUck kaufen, erhielt es aber
nicht, deahalb werde ich ibm in 8 Tagen em anderes
auch schönes kauf en, wenn es bray lernt.
Dem David lege ich hier mit einem gewil herzlichen
Grut bei verbunden mit einem Angebinde, mit einem
Goliaths = Stuck Tintenradirguinmi, von welchem ich schon
das letzte Mal em Sttickchen ins Paket warf, weiches Du
aber nicht beinerktest.
Dein liebender Bruder
Joseph Rh."
Vater Rheinberger hat die Mieterhöhung Perstenfelds
für Josef s Wohnung akzeptiert.
Perstenfeld bedankt sich und weist gleichzeitig auf
die groBe Bedeutung Schafhutls für semen Schutzling
hin:
MUnchen, den l8ten Oktobr.53
"Euer Hochwohlgeboren!
Ihr verehrl. Schreiben vom l4ten 1. Mts. erhielt ich
richtlg, und ersah aus demselben, daB Sie den Forderungen der Billigkeit entsprechen, und zwar bis auf den
Holzpunkt, und damit auch dieser ausgeglichen werde, so
tragen wir ihn miteinander, und ich begnüge mich mit der
Hlfte, nämlich mit 7 fi. Pepi ist am 23ten September 1. Js. bei mir eingetroffen,
sohin ist für ihn bereits voraus bezahit bis zum 23ten
November, wo ich Sie dann bitte, mir an dem letztgenannten Tage wieder und sofort das Monat voraus zu bezahlen,
well wir uns bei dieser namenlosen Theuerung sonst zu
hart thun. Was den kgl. UniversitätsprofeBor Dr. Schafhäutl betrifft,
so kann Ich Ibnen nur berichten, daB er em Mann von Gewicht und Einfluf3 1st, und der viel für Pepi zu thun vermag, daher es nicht UberflUBig ware, wenn Pepi ihn ersuchte, er möge bewirken, daB er unentgeltlich das Conservatorium benützen könnte. -
132
Mit der Hilfe Gottes werden wir auch dieses koinmende
Jahr segensreich durchbringen und auf diese Art den vorgesetzten Zweck, nämlich die Ausbildung des Pepi you-
enden.
Indem ich alle Ihre Angehorigen herzlich grul3e,
verbléibe ich
Ihr Sie liebender Freund
J.Ev. Perstenfeld. U
Rheinberger schreibt nach Vaduz:
den 1. November 1853
"The erst Eltern!
Soeben, wie ich die Feder ergreife, wird an der Thüre
gèlutet, der Briefträger fragt, ob hier nicht em 'Joseph Rhbgr' wohne, ich gehe hinaus und sehe eine Schachtel Trauben, wovon mir elne whrend dern Schreiben sehr
gut mundet. Ich danke daher der lieben Mutter und dern
Lise diesen, mir so raren Genul3. Nachmittags werde ich
einige der schönsten Herrn Prof. Schafhäutl bringen,
weicher mich eben so freundlich behandelt wie frUher.
Die Messe op. II von mir werde ich Freitags als an seinern Namenstage tiberreichen. Bisher batten die Herren
Prof. Herzog, Leonhard und Naier die Messe zurn Anschau-
en, weichen sie auch gefiel. Die beste Arbeit 1st das
Kyrie,.Credo, Sanctus,, Benedictus; das Gloria die geringste Arbeit - was ich auch wul3te - denn das Gloria
gefllt nur Lalen am besten. -
Nit Hr. Director kann man nichts reden, weil er nicht
weII3, an welchem Tage er abgesetzt wird. Hr. Professor Herzog hat einen Ruf ais Organist nach
Russland bekommen, dern er auch gefolgt ware, wenn sei-
ne Frau gem von bier fortginge. Da13 Perstenfeld mich urn 8 fl gesteigert, wu1te ich nicht,
bis durch Ibren werthen Brief. Bis jetzt spiele ich noch nicht in der Ludwigskirche
Orgel, denn Hr. Schafha'utl wtinscht, dal3 ich die Kirchenmusik bei St. 1Iichael höre, welches urn dieselbe Zeit
ist. -
Heute Abends wird em Oratoriurn von Beethoven im Odeon
ausgeftihrt, wohin inich Hr. Prof. auch rnitnirnmt. -
133
Diesen Monat stifteten einige der besseren Schtiler des
Conservatoriurns einen kleinen Mozartverein, dessen Direktor Jos. Rheinberger heif3t. Es wurde letzten Sonntag,
als am Vorabend von Mozarts Namenstag, von uns em Concert gegeben, wobel ich dirigirte und mehrere Personen
eingeladen waren. Die nächste Woche werde ich meine Sonate op. III endigen. Da der Toni mir nichts sagen laft, daf er das 2te Buch
bekommen, so hoffe ich doch, daf3 er es erhalten haben
wird. Seine Fileten und Stempel werden Donnerstag fertig. Im gleichen Grade wie der Peter die schnelle, habe ich die langsame Kathrina. Malls Stticke babe ich
schon gekauft, werde es aber erst schicken, wenn es mir
geschrieben.
Well es jetzt 2 Uhr 1st, ich zu Hr. Schafhäutl inuB, werde ich mit den Fileten auch noch mehr schreiben.
Ich bin, Gott sei es gedankt, immer gesund u. verbleibe
Ihnen, Theuerste Eltern!
stets dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger, Direktor des Mozartvereins."
Josef besorgt seinem Bruder Anton die besteliten Buchbinderstempel zum Aufdrucken von Gol.dverzierungen und
schlckt sie ihm mit folgenden Zeilen:
den 8ten Nov.
"Lieber Anton!
Endlich bekam Ich die Fileten, die Du Dir gewUnscht auch die Stempel, weiche, wie ich glaube, gut gravirt
sind. Alles mitsammen kostet 12 fi 33+er - wie Du aus
der Rechnung ersehen wirst. Die Fileten schickte ich
auch heute fort - aber nach Sevelen, lauten St. Gallen
im Rheinthal - an Hr. Peter Rheinberger, post restande.
Well nun die Fileten bezahit sind, dichtete ich mir em
Lied, das wahrschelnlich so heiIt:
'Ach ilebes Goldbeutelein,
Warum so klein,
Warum denn gleich
so mager sein?!
134
Ach liebes Buchbinderlein,
Erbarm Dich mein
IJ
Doch mu ich Dir sagen, dal3 es hier sehr kalt ist - den
ganzen Tag liegt der Nebel so dicht, dal3 man oft Tags
Licht brauchen könnt. Mein Paletot 1st nun schon abgeschossen, zu klein und
die Trauben waren gut - die 'hen mer gschmeckt'.Die hiesigen Trauben werden erst urn Heiligdreikönig
reif. Meine Messe gab ich Hr. Prof. SchafhEutl an seinem Namenstag - er hatte eine ungemeine Freude.
Zu meiner Sonate op. III fehit nur noch der Sch1ufsatz,
weicher aber noch bil3chen braucht. Dann habe ich noch
eine Mottete gemacht, welche Hr. Prof. Maier korrigirte, und wenn sie in den Proben gefällt, an dem Namenstage des Hr. Directors aufgeführt. Hr. Falk spielt gewi die Orgel immer noch meisterhaft,
ich werde nächstens ihm u. seinem Chore eine Messe widmen, welche er mit oder ohne Register spielen kann, doch die Trauben waren gut u. das Papier wird gar grUl3 mir die lieben Eltern herzlich u. ich verbleibe
Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger, Director des Moz.V.
NB. Notabene. Dern Mali schicke ich sein Stuck, wenn es
mir geschrieben hat.
Lieber Toni!
Ich schreibe Dir nochmal diesen Nonat, aber Du must
auch schreiben!
Nachschrift: Grug mir die Nutter u. ich laI ihr vielmals danken für die Trauben u. die 2 Nu1
u. die dürre Zwetschk."
Die drei folgerden Briefe Josef Rheinbergers an seine
Eltern beschliegen das Jahi 1853:
NUnchen, den 30.11.53
"Theuerste Eltern!
Uberzeugt, da dieser Brief alle Lieben, hauptsächlich
aber Sie, Beste Elternl im erwünschten Wohlsein treffen
135
werde, 1st meine Freude doppelt so grot3, wieder einige
Zeilen nach Hause zu schicken. Hat meine liebe Schwester
Amal.ia ihr StUck bekonunen? Weil sie es nun haben mu6, vergif3t sie nattirlich, an mich zu schreiben.
Nächsten Montag werden die Eleven des Conservatoriums
em
kleines Concert veranstalten, bei welchem ich mit
meinem Verein auch mitwirken werde.
Nächsten Samstag 8 Tage sollte meine Cantate im Conservatorium aufzuftihren probirt werden, wenn ich mit Stimmenabschrei.ben bis dahin fertig werde; dieses 1st sehr
langweilig und zeitraubend, indem ich nebenbei 3 Ouver-
turen von Mozart für Streichquartett arrangiren und mit
dem Verein einstudiren mut3, nebenbei die Aufgaben nicht
versäumen darf, in alien Conservatoriumsensemblen mitwirken muI3, dann soll ich noch mein Quartett und meine
Kiaviersonate endigen und im Auftrag von Hr. Professor
Leonhard em Offertoriumn componiren: Dieses alles gibt
Arbeit bis Weihnachten - wer spielt und singt die Rorate
in Vaduz?
Hr. Professor Schafhäutl ist eine Zeit her etwas unpäf3lich, ich besuch ihn alle 2 Tage und er 1st sehr gütig
gegen mich; er läl3t aile schön grti2en.
Auf die Weihnachtsfeiertage hat mich der Chorregent von
St. Michael zum Orgeispielen eingeladen. Hr. Salis sagte: General Hess sei aul3erordentlich zufrieden gewesen mit den Leistungen der Li&chtensteiner;
Uher alle Erwartung (Peter, pass auf! das gilt Dir!).
Am Namenstag der lieben Mutter hatten wir zum ersten-
male Schnee! Aber jetzt 1st das Papier wieder zu klein,
ich werde dafür auf Weihnachten schreiben.
Ich verbleibe Ihnen, Theuerste Eltern!
Ihr stets dankbarster
Sohn Joseph Rheinberger
Direktor."
14. Dezember 1853
"Theuerste Elternl
Meinem Versprechen gemi3 beeile ich mich jetzt, an Sie
zu schreiben, ailein wenig Neues - das beste ist, daB
ich mich immer wohi befinde, ausgenonnuen, daB ich vor
einigen Tagen nicht ausgehen konnte, well mir em Nagel
136
in den Zehen wuchs, nun aber kuriert ist, jedoch mu1te
ich zwei Unterrichtsstunden versäumen, die ersten in
diesem Jahr.
Prof. Naier schenkte mir 6 groBe Orgelsonaten von Mendel.ssohn. Seit einiger Zeit befinden sich zwei polnische
Virtuosen hier, zwei Brüder, von welchen der eine auf
dem Kiavier, der andere auf der Violine eine wirklich
unerhörte Fertigkeit besitzen. -
Nächsten Samstag soil in der groen Ensemble meine Cantate probirt werden, bis dahin muf ich noch 16 Stimmen
u. eine Partitur davon abschreiben, em höchst langweiliges, zeitraubendes Geschäft . -
Für Hr. Prof. Schafhäutl, welcher sich allen höflichst
empfehlen läl3t, componire ich zum 'Kristkindl' (wie man
hier sagt) em Offertorium, mit welchem ich mir viele
Mühe gebe; uberhaupt habe ich zu kirchlichen Kompositionen mehr Lust und Talent als zu andern.
Hr. Pf. Woifinger war vor 14 Tagen bei mir und laft alle
recht schön grUf3en.
Morgen (l5ten Dezember) sollte ich das 2te Semester bezahlen, deshalb würde ich Sie, Theuerste Eltern! bitten,
mir das Geld zu schicken, indem es mir unangenehm ware,
wenn ich vom Direktor gemahnt würde. Auch mul3 ich diesen
Monat noch die Aufenthaltskarte verlängern lassen.
Ich werde gewif wenn moglich meinen Fleif3 vergröl3ern,
denn ich weil3 gewii3, was es Ihnen für Opfer kostet ich unterlasse nie, den Himmel anzuflehen, mir es bald
inoglich zu machen, es Ihnen nach Wunsch zu vergelten. Hat Mali das
erhal ten?
Von Lise u. Toni erwarte ich zum Christkindl amen langen Brief - und indem ich hoffe, daf mein Brief Sie in
erwfinschtem Wohlsein treffe, verbleibe ich Ihr dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger."
137
den 30.12.53
"Theuerste Eltern!
Der Jahreswechsel erinnert mich wieder an die heilige
kindliche Pflicht, den Eltern, weiche mit so vieler Aufopferung die Ausbildung ihres Sohnes verfoigen, die herziichste Danksagung darzubringen und Sie darum ferner zu
bitten.
Ja, Theuerste Eltern! ich weii3 es, weiche Opfer ich Sie
koste, weiI es, dal3 dieses nur die aufopfernde, väterliche und mütterliche Liebe thun kann; aber ebendeswegen bestrebe ich mich inmier mehr, mich dieser Ihrer
Opfer wUrdig zu bezeigen. Nicht durch Worte kann ich all
dieses ausdrUcken, nein, nur durch That kann ich's Sie werden sehen, es soil Ihnen, sobald es in meiner
Macht liegt, so viel es mögiich 1st, vergoiten werden.
Darum fiehe ich Gott immer an, mir die nöthige Gnade dazu zu verleihen und meine Theuersten Eltern gesund zu
erhalten, bis sie gute Frtichte meines Fieif3es sehen werden. Der Hinunel weil3 es, es sind dies nicht ieere Versprechungen; nein, es sind die Worte des festesten Vor-
satzes. -
fiber die Weihnachtsferien (8 Tage) habe ich em gro8es
Offertorium (op. V) componirt und den Professoren vor-
gelegt. Hrn. Professor Schafhäuti, weicher alie freundlichst grüf3en iHl3t, habe ich auch em
Exemplar geschenkt
und semen Beifali erhalten. Er befindet sich längst
wieder wohi. Meine Cantate hat Samstag die Freude erlebt, aufgeführt
zu werden. Hr. Dlrektor hat mich sie nicht auf der Orgel begleiten lassen - (wegen dem Saiis'schen Groll) dafür habe ich ihm's Dirigiren em biSschen sauer gemacht.
Die Cantate hat sehr gefailen - die Professoren drflck-
ten mir die Hand - elner hat mir gar gratulirt, aber am
meisten freuten mich elnige süI3-saure Gesichter unter
den Koilegen.
Die 28 fi habe ich erhaiten - den Christkindlguiden der
Mutter habe ich dem Conservatoriumsdiener ais Trinkgeld
gegeben (fUrs Orgelziehn). Das Geld vom Peter habe ich
zu Handschuh verwendet.
Alien meinen herzlichsten Dank. Ich befinde mich immer
munter u. wohi u. lal3 alle, besonders die liebe Mutter,
grül3en.
138
A glöckseligs neus Jahr, I kornm an Krtizer öbr, I bi a
Vadozner.
Ich verbleibe Ihr dankschuldigster
Sohn
Joseph Rheinberger."
Pfarrer Wolf inger gibt Rheinbergers Vater zum Jahresbeginn 1854 einen Bericht Uber das Befinden seines Schtitzlings:
TUrkenfeld, den 2ten Januar 1854
"Euer Hochwohlgeboren
Hochgeehrtester Herr Vetter!
Auf Ihr sehr verehrtes S. v. 25ten Sept. v. J. erlaube
ich mir bey Gelegenheit des neu angehenden Jahres Antwort zu geben mit dem herzllchsten Wunsche: dal3 der gütige Gott bey Abwendung lles UnglUcks nur Heil und Segen spenden wolle. -
Herrn Pepi besuchte ich seither zweimal, er befindet sich
wohl u. munter, 1st sehr flei8ig und bray u. verdient
sich dadurch die ehrsamste Anerkennung von Seiten Aller,
weiche mit ihm in Berührung kommen. -
Die Titl. Herrn Professoren sprechen sich mit grol3ten
Lobeserhebungen über sein Benehmen u. musikalischen Leistungen aus; eben so gro1 ist aber auch mein Vergnügen,
Titl. Herrn Papa solch' erfreuliche Nachrichten kund geben zu können. Die Beilage resp. Bedenken am Schluf3 Ihres Briefes betref fend, dürf en Sie durchaus keiner ngstlichkeit Raum
geben - in fraglicher Beziehung konnte ich über die Anstalt nicht un Geringsten etwas Nachtheiliges in Erfahrung bringen. - Titl. Herr Profe8or Schafhäutl scheint
mir auf vielleicht einzelne Individuen des Profet3oren
Collegiums anspielen zu wollen; worm er gerade nicht Unrecht haben mag, in dem was die Anstalt selbst betrifft,
1st nichts zu befürchten. -
Profe8or Schafhäutl ist ubrigens em sehr braver im Ansehen stehender Mann, dem jedenfalls gro8es Vertrauen geschenkt werden kann. Herr Perstenfèld sucht, wie ich vernehme, das Quartier u.
Kostgèld immer inehr zu steigern; - mir scheint derselbe
will Ihre Güte so ziemlich auf die Probe setzen; - er
139
woilte auch bey mir in gewissen Angelegenheiten Versuche machen - allein der Pfarrer von Türkenfeld ist nicht
immer zu erwUnschten Zeiten zu Hause - Steigerung des
Quartiers,der Kost u. etwa gröBere Vorauszahlungen würde
ich mir durchaus nicht rnehr gefallen lassen - em bier
allbekanntes Sprichwort sagt: daB nur kleinste Stadtleute
in ihren AnsprUchen und ihrer Unverschämtheit keine Grenzen kennen. Urn das Geld, was Pepi jetzt .bezahlen muB, sind ohne viel
Complirnente die schönsten u. besten Quatiere zu vermittein. Dern Pepi wUnscht ich groBere Vervollkommnung in der £ ranzösischen Sprache, was für ihn in Zukunft gewil3 von grossem Werthe ware - doch dieB wird sich etwas später leichter machen lassen. Die Osterferien wird Pepi, auf Verabredung zu meinem VergnUgen in TUrkenfeld zu bringen. Tjtl. Herr Jauch von Baizers besuchte mich auf seiner Relse von Wien her. - Wenn alle die grof3artigen Projekte,
Uber die er mich in nicht geringes Erstaunen setzte in Erfullung gehen, gratuliere ich dem ganzen Lande, - Baizers
dürfte in kurzer Zeit das alte 'Athen' werden. Durch Herrn Vetter Wolfinger, vulgo Mih1enhans, vernehme
ich leider selten etwas Erfreuliches von meinen Geschwisterten in Baizers. Schuld über Schulden; u. niir wird natürlich stets die Ehre
zugemuthet, dieselben zu zahien - neuerdings erhielt ich
wieder zum guten neuen Jahre die angenehme Meldung von
150 fl, weiche sich noch vom Vater sel. datieren sollen
u. noch - aymol zu bezahien seyen.Currentschulden der Geschwisterten habe ich alle Jahre in
Mengen zu bezahien. Urn diesen Geschäf ten einrnal em
Ende zu machen, ware mir
nichts erwUnschter als einmal die Erledigung resp. Bereinigung der väterlichen Verla6enschaft, urn demnach frerndern
leichtsinnigen Schuidmachen vorzubeugen - Ich bitte Sie
hierUber gelegentlich mit Titi. Herrn Grundbuchftihrer und
Titl. Herrn Landesverweser zu reden und diese Angelegen-
heit in förderliche Anregung gütigst bringen zu wollen gegebenenfalls wUrde ich u. ineine Schwester bier, dem
Herrn Vetter Wolfinger in der MUhie all unsere Stellenpatente bevollniächtigen. -
140
Schlie2lich Alles Gute u. Schöne Bekannten u. Verwandten
namenti. Titi. Herrn Peter - Titi. Hr. Carigiet Canoniko,
- Titi. Hr. Dr. Grai, SchHdler, dann Lu, Lu, Lu!!! zu vermelden bittend
zeichnet mit besonderer Hochachtung und Verehrung
Euer Hochwohlgeboren
ergbst. J.T. Wolfinger, Pfarrer."
Zu Beginn des neuen Jahres erkrankt Rheinberger an einer
schweren Grippe.
Er berichtet nach Vaduz:
den 30ten 1.54
Theuerste Eltern!.
Nachdern ich nun 14 Tage krank war, bin ich Gottlob! wie-
der so weit, daB ich des Vormittags das Bett verlassen
kann, urn Ihnen wieder Monatsbericht abstatten zu können.
Sonntags den l5ten nach der Kirche befiel mich nämlich
Kopfweh, Frost etc., so daB ich mich Mittags niederlegen
rnul3te. Ich hoffte, daB es montags wieder vergehen werde,
hatte inich aber stark getäuscht; das Kopfweh nahrn zu, ich
bekam starke Husten, Gliederreil3en u. Leibweh - nun wurde
zurn Doktor geschickt - nun rnu2te ich Pulver und Medizin
nehmen und durfte gar nichts essen, sondern mul3te rein
vorn Zuckerwasser, Lirnonade, Tee leben - diese Kur bekam
inir so gut, daB ich nun spinnendUrr bin und bei meinem
ersten Aufstehen bei jedem Schritt zusammenfiel. Die Be-
dienung war gut, besonders seit dem l7ten, wo die 72 fl
eintraf en.
Es freute mich, zu vernehrnen, daB alle sich wohi befinden,
und ich konnte nicht begreif en, daB Sie, Theuerster Vater!
glaubten, Hr. Prof. Herzog sei mir nicht gut. Warum denn
nicht? Er hat mich ja so gem, wie sonst - er besuchte
mich 3fters - oder schickte einige Collegen zu rnir, sich
zu erkundigen.
Anfangs dieses Monats muBte ich mit ihm eine neue, schöne
Orgel (in der Franziskanerkirche) von 30 Registemn probiren. Auch mul3te ich ihm 3 Orgelstiicke componiren, welche er in em groBes Werk aufnimmt, weiches bald herauskommen wird. -
Hr. Prof. Schafhäutl besucht mich alle Tage, und gab sich
alle Nühe, inich zu unterhalten. Hr. Prof. Leonhard ist
141
schon seit Weihnachten krank, elne Zeit lang fürchtete man
sogar für sein Leben, jetzt aber ist er au8er Gefahr. Meine Coilegen besuchten mich oft. Seit gestern darf ich
wieder Bier trinken und Kaibfleisch essen; jedoch bin ich
noch so schwach, daB ich nicht ordentlich Kiavierspielen
kann.
Gestern wurde der Namenstag des Hr. Direktors musikaiisch gefeiert, ich hatte auch etwas einstudirt, aber
muBte zu Hause bleiben. Hr. Prof. Schafhäutl sagte mir, er schreibe Ihnen auch
dieser Tage, ich werde ihn beim Wort nehmen.
Indern ich aile lieben Geschwister und die Mutter grUBe,
verbleibe ich Ihr dankschuldiger Sohn
Joseph Rheinberger
NB. Jetzt werde ich bald wieder ins Bett müssen, denn
ich bin schon miMe.
Der Doktor machte mir bis jetzt 12 Besuche."
Perstenfeld ergHnzt diesen Bericht mit foigendem Brief an
Rheinbergers Vater:
Miinchen, den l6ten Februar 1854
Euer Hochwohlgeboren!
Schon ingst nahm ich mir vor, Ihnen zu schreiben, und
über Ihren Pepi Bericht zu erstatten, so wie ich es Ihnen
versprochen habe, daB es von Zeit zu Zeit geschehen soil.
Gott sey es gedankt, er 1st jetzt wieder kerngesund und
krHftig; aber es ist sehr bedenklich urn ihn gestanden,
und Ich bin jetzt froh, daB ich Ihnen nicht gleich geschrieben habe, denn die Wahrheit hätte ich schreiben rnUssen,
und das wUrde Ihnen kumtnervolle Tage verursacht haben.
Nun können Sie aber ganz ruhig seyn. Im Gegentheile zu
rneinem vorjährlgen Neujahresbericht kann ich Ihnen auch
versichern, daB er heuriges Jahr mit ganzer Aufrichtigkelt uns wieder zugethan 1st; Ubrigens thun wir ihm auch
aiies Mögliche, was wir ihrn an den Augen ansehen. Durch
seine Krankhelt wurde mein HoizstoB sehr in Anspruch genoten, und die fortwHhrende strenge Käite verursacht
demseiben voilends die Schwindsucht; well sein Zimmer sehr
groB 1st. In München 1st jetzt elne Noth und em Jaier, daB es kaum
142
mehr zum Aushalten 1st; die schreckliche Theuerung aller
Lebensrnittel und dazu der sehr strenge Winter richten
viele Farnilien zu Grunde. Man dürfte jetzt verhältni1mRl3ig em
dreyfaches Einkommen haben, urn nur einigermal3en
anständig leben zu können. Gott bessers!
Hätte ich nicht den Trost, dal3 Sie uns auf Georgi den
Rest für Pepis Hierseyn schicken würden, fUrwahr! ich
brächte den schweren Miethzins nicht zusammen, so aber
sehe ich Ihrer gütigen Willfährde entgegen, und verharre
mit der volikommensten Hochachtung
Euer Hochwohlgeboren!
ergebenster Diener
Joh. Ev. Perstenfeld
Magis tratsfunktionär
Viele Grül3e von meiner Frau und meinem Ludwig.
Ernpfehlen Sie uns auch den Ihrigen recht herzlich."
Die Schwestern erhalten einen launigen Brief in Versen:
"An Fräulein Elisabeth, geb. Rheinberger!
Cara sore ha mia!
All die weilen was mal3en
sage mir wia
Euer Liebden Brief mich
es dir geht!
der gestalten inniglich
Ohne dir zu schrneicheln,
gefreuet, da ich denselohne nur zu heuchein,
ben
sothan gelesen, wiesage ich, dass das Hütchen,
herrlich dir wol'steht.
Deine Neuigkeiten
Aus der Residenz
Und voll Pfiffigkeiten
Was ich ohne Reverenz
Dir nun schreibe hier
ohne erst dafür
den Dank abzuwarten
(Sag, ob mein Gedicht nicht
wie em Messer ohne Scharten
schneidt und sticht?)
Soiche Verse machen,
Ei! ist's nicht zuin Lachen
die Rippen krachen?
Soiche närrische Sachen
da
derumb gelesen, und noch=
malen (notabene!) zurn
drittenmale (nicht) gele-
sen, was hiemit Euch kund
gethan, und, urn ohne Umbschweife zu reden, Euer
Liebden mit Rehspeck zu melden, das Ganze sodann in
forma eines (sozu=sagen)
Briefes eingekleidet,
(auf lateinisch:) merket
auch die2 dictum, cacaturn
non est picturn; urn endlich
darauf zu kommen (venire)
Ew. Liebden diese (hic, haec,
143
schreibet man im Schiaf
und nicht im Wachen,
nun, urn kein Schaf,
sondern dein Bruder zu se in
schreib in Prosa ich
dies Brieflein fein''7'
hoc) Antwort in forma eines
geschriebenen, sogenannten
Schreib=Briefes zu Ubersenden.
(Hier wird das Blatt umgekehrt,
das folgende klingt nicht so
gelehrt:) Vice versurn.
Da13 Du zur Faschingszeit SO viel getanzt, macht Dir Ehre
ich "
U
wenig
"
'
mir
Wie geht es dernRannimaxentiabarmherzlosigeschwester?
Was macht Amaliamatscherliclaviersowenigspielendeschwesterli?
It
I,
und "
Antonbuchb inderbücherempfangenhabendeb ruder?
It
Davisancelistthalerversendendesallerljebstesbrüderlein?
SeffagernbUcherlesendemirsoviel Strtimpfestrikkendeschwester?
LisigernfassnachttanzendeaberdieRechnungohne
denWirthgemachthabendeschwes ter?
Wenn Du das Alles beantwortest, hast Du Stoff zu einem
so !langen Brief!.
Da ich jetzt nichts mehr weil3, schwarz, blau, grün, geib,
so verbleibe ich
Dein, rnein, sein unser und Euer Bruder
r e gre b n I e h R s o J,
nicht Schellenberger, den so und so vielten, Mtiüiitinchen.
Liebes Mali!
Ich habe Dir schon lange nicht rnehr geschrieben, det3wegen schreibt Dir diesen grol3en Brief,
Dein auf Antwort harrender Bruder
J Os ef R e n e g r
hibre
(Das tJbrige steht auf der andern Seite:)
144
Die Krankheit 1st gut überstanden, und Rheinberger berichtet nach Hause:
München,. den 20.2.54
Theuerste Eltern!
Gestern (Sonntag) mittags wurde ich sehr angenehrn durch
die zwei Brief e (von Peter und Hr. Fetz) überrascht und
konnte daraus entnehrnen, daI3 Sie sich wohi und munter
befinden, was gottlob bei mir auch der Fall ist. Jedoch
wunderte ich mich, wie Peter schrieb, da1 alle so besorgt urn meine Gesundhéit seien, da ich in meinem letzten
Briefe versicherte, daB ich wiederhergestellt sei!? Ich kann nun, Gott sei Dank, schon seit Anfang Februar
die Tinterrichtsstunden wieder besuchen und bin seit meiner Krankheit viel wohler als zuvor. Bei meinern ersten
Ausgehen aber ineinte ich mehrere Male, ich könne nicht
rnehr nach Hause kommen, so rnatt und krank fühlte ich
mich. Sobald ich wieder Bier trinken durfte, gewann ich
wieder Krfte und bin jetzt starker als zuvor. Darnit Sie sehen, Theuerste Eltern! daB ich nicht faul
war, so will ich Ihnen meine Kompositionen herzählen:
Sonate aus F-rnoll für Pianoforte, op. I. - Missa zu
4 Singstirnrnen und Orchester aus D-rnoll und dur, op. II.
- Offertorium aus Es-dur für 4 Singstimrnen und Orchestre,
op. III. - Sonate für Pianoforte aus C-moll, op. IV. Grand Quatuor für II Violinen, Viola und Cello aus
F-dur, op. V. Aul3erdern noch: GroBe Fuge für die Orgel
in F-moll (Herzog gewidmet) - em Kyrie zu 5 - und em
zweichöriges Sanctus zu 6 Stimmen - eine Motette zu 4
Stimmen in A-dur - eine Menge Fugen, Versetten - Endlich habe ich em Concert für 2 Klaviere angefangen, kostet aber viele MUhe und Geduld - alles dieses war nur
Nebensache, keine Aufgaben. Hr. Professor Leonhard wird morgen früh zurn erstenmale
wieder ausgehen, nachdern er 9 Wochen lang krank war zum
Bedauern aller, die ihn kennen. Heute früh überraschte mich Hr. Pf. Wolfinger von Türkenfeld; er meinte, ich sei noch krank, denn Hr. Wolfinger (Muller) von Balzers habe ihm geschrieben, ich
sei krank und der Vater habe seine Besorgtheit ihin
(Muller) rnitgeteilt. Hierauf sei es sein erstes gewesen,
145
mich zu besuchen und er f and mich Gottlob! nicht irn Bette, sondern gar nicht zu Hause, bis heute frUh 10 IJhr
beirn Probst. Er lal3t alle schön grUl3en u. fuhr urn 2 iJhr wieder fort. Gestern holte mich Hr. Prof. Schafhäutl ins Theater ab
(Freischütz) und - läl3t alle grtif3en. -
Heute, nachdem ich urn 4 Uhr nach Hause kam, setzte ich
mich, urn zu schreiben, jetzt 1st es bald 1/2 6 Uhr und
wird finster, Morgen trag ich den Brief auf die Post,
weicher Ihnen, Theuerste Eltern, die Nachricht bringt,
dai3 ich bin Ihr
dankbarster gesunder Sohn
Joseph Rheinberger.
(Ich habe Lisis Schlinge mit Freude begrUft. Herrn Fetz
meinen und Hr. Wolf ingers GruB).
und dem Toni - jetzt sieh ich nichts mehr."
An semen älteren Bruder in Vaduz richtet Josef folgende
Zeilen:
München den 27.2.54
"Lieber Anton!
Well heute Fastnachtsrnontag 1st, wo wir Vakanz haben,
dachte ich mir, wolle ich Dir schreiben, gleichviel ob
ich etwas weil3, oder nicht - zudem wirst Du es mit dem
Briefstyl nicht so genau nehmen.
Ich will Dir also erzählen, wie ich den Fastnachtssonntag zugebracht, aber einschlaf en darfst Du nicht.
Gestern früh ging ich in die Kirche, hatte urn 11 Uhr Unterricht bei Hr. Professor Maier, ging nach Haus, af3
Mittag, lieB mir 'a MaBerl' holen that mich gütlich,
dachte an Vaduz, an die KUcheln 'Nidla' und Fackelschwingen an Mali's 'oinfaBle' usw. Dann nahm ich die
Leipziger musikalische, las die schon 60 Jahre alten
Neuigkeiten u. an die Fastnachtsdununen neuen Altigkeiten.
Dann wurde es schön Wetter, ich ging spatziren über den
Dultplatz, Obelisk, dann (schiaf nicht em!) schnelte
es - ich ging zu Haus, trank noch eine Halbe u. blieb
den ganzen Nachmittag zu Hause bis 1/2 4 Uhr, da fuhr
em
Schlitten vor, wo ich 'a la grosser Herr' zu Hr.
Prof. Schafhäutl u. fuhr nach der 'Menterschwaig'
146
(1 1/2 Stunden von München) bier waren trotz dem Schnee
und den Bäiien doch eine Menge MUnchner sogar Prinz
Adaibert, weicher wie em Bürstenbinder soff und sehr
lustig war. Das Bier war herrlich, dann gabs Wildenten
Burgunder auf das Wohi der Vaduzer und Kaffe.
1111 Nachhausefahren war die Unterhaltung lebhaft, auch
vom 'Matscherle' wurde geredet. 1/2 9 Uhr war ich schon
wieder zu Hause, trank wie gewöhniich mein Bier und
unterhielt mich mit mir selbst, denn Hr. Perstenfeld war
noch nicht da, sondern blieb ohne Eriaubni1 aus, was er
aber theuer bü$en soil, denn zufoige einem Gerüchte
(seiner Frau) soil er zur Strafe morgen em Ma8 weniger
bekommen.
Endiich kam er auch, jedoch ziemlich 'bewaffnet' und
kreuzlustig, er woiite gar nicht ins Bett und während
der Unterhaitung hatte ich oft Nühe nicht iaut iachen
zu müssen. Heute urn elf Uhr werden die ersten (gu1ei-
semen) Säuien aufgesteiit, wahrscheiniich werde ich
hinausgehen. Heute ist hier der 'Metzgersprung' em Volksfest der
Metzger, weiches aile Jahr wiederkehrt, unter anderm
müssen sie auch in einen Brunnen springen, ich mag gar
nicht hingehen. Ais ich mich urn den 'Doktor konto' erfuhr ich, da8 Hr.
Prof. Schafhäuti ihn bezahit habe.
Ich iaI3e aile, besonders die 1. Eltemn herziich grüten,
und hoffe, daI3 der Brief Dich gesund in Deinem Kleister-
Atelier treffe
Dein Dich liebender Bruder
Joseph Rheinberger."
Von Zeit zu Zeit mu13 Rheinberger semen Vater bitten,
ihm zusätzlich Geld für Nebenausgaben zu schicken:
München, den 9ten März 1854
"The erste Eltern!
Diese Tage sagte mir Hr. Professor Leonhard, (weicher
jetzt volikommen hergestelit ist) ich mül3te mir zur nöthigen Ausbildung noch verschiedene Werke anschaffen,
vorerst aber nur särntliche Sonaten furs Pianoforte von
C. Maria von Weber, welche zusanimen weniger als einzeln
147
kosten; da diese aber 8 - 9 fi kosten wUrden, so sagte ich, ich mü8te zuerst dem Vater davon schreiben. -
Gewil3 würde ich es nicht gewagt haben, Ihnen, Theuerste
Eltern! mit neuen Ausgaben beschwerlich zu fallen, wenn
ich nicht einsehen würde, daI3 obiges Werk mir jetzt un-
entbehrlich sei. Ich bitte Sie daher, mir bald zu ant-
worten. Hr. Prof. Leonhard gibt sich viele MUhe mit mir, so z.
B. gibt er mir öfters Instructionen im Instrumentiren,
worm er sehr geschickt 1st. Letzthin verbesserte er
die Partien der Blasinstrumente an melnem Offertorlum
('Universi, qui te ex ectant...') und sagte, diese Arbeit sei mir vorztiglich gelungen. Jetzt corrigirt er
mein Quatuor op. IV. Bis jetzt habe ich wieder em Miserere zu 8 Stimmen od.
2 Chore - em Stabat mater op. VIII auch zu 8 Singst.
od. 2 ChOre, dann em grol3es 'Vaterunser' in Es-dur zu
ebenfalls 8 Singst. - und wieder em gro8es Praeludium
und Fuga für Hr. Herzog komponirt - alle diese Arbeiten
zeige ich zuvor Hr. Professor Schafhäutl, weicher alle,
vorzüglich aber Sie, Beste Eltern! grüt3en läl3t. Letzten Sonntag waren wir wieder in der Menterschwaige
und besichtigten bei Grosshesslohe den Riesenbau der
EisenbahnbrUcke über die Isar. Gestern kam Kaiser Franz Joseph hier an. Bei dem Industrieausstellungsgebäude werden immerfort
die eisernen Säulen aufgestellt - bereits 1st jetzt das
Bud davon erschienen. Jetzt wimrnelt die ganze Stadt von Rekruten. Hat der Toni
meinen Brief erhalten? Die alten Stiefel sind mir jetzt
zu klein geworden, gestern im Iten Abonnementsconcert
drUckten sie mich so, da2 ich bald em mozart'sches
Lied iiberhört hätte - ich muf3 sie deshaib in einen Antiquitatskasten schicken und em Paar andere machen lassen. Die Semmein sind jetzt so klein, dat3 ich beim FrUhstUck oft nicht wei2, ob ich sie schon verzehrt oder
nicht.
Ostern werde ich wohl in Tflrkenfeld zubringen.
Letzthin waren hier 200 Kälte - gewif3 sehr selten. Der
Toni soll mir schreiben, wen bei uns das Los getroffen,
Soldat zu werden, und das Mali soll die cramerschen Etudes
148
Ich bin Gottlob! inmier wohl, was ich auch hofspielen.
fe, dal3 Sie es, Theuerste Eltern! sein werden und urn
was ich Gott tagllch zu bitten ich nie versäume - und
indem ich meine obige Bitte wiederhole und baldige Antwort erwarte,
verb leibe ich Ihr
dankschuldigster Sohn
Joseph Rheinberger.
NB. Ich bin begierig, ob die liebe Mutter nicht auf das
Osterel vergi8t?!
"An das Wohigeborene Fräulein Lisi Rheinberger in Vaduz,
Per Gelegenheit",
schreibt Josef die folgenden Zeilen:
München, den soundsovielten
27 .3. 54
"Liebe Schwester!
Weil Du es einrnal so haben willst, so ist es so - daIs
ich Dir schreib - und well mir nichts Gescheits elnfallt
so schrelb Ich halt was Dumrns. Meinen Narnenstag brachte ich bel Hr. Schafhaeutl zu war bei ihm zurn Essen elngeladen, hernach fuhren wir In
die Nenterschwaige (2 Stund von Hier) und tranken unterschiedlichen Champagner.
Heute ist em trüber Tag, es regnete Vormittags - jetzt
1st es sehr kalt und windig, so daB ich meine gewöhnlithe Sonntagsprornenade gar nicht machen mag. Jetzt ist es in 10 Ninuten 2 Uhr Nachmittags - jetzt
möchte ich em paar Stunden In Vaduz oder sonst wo zubringen, weil Ich es jetzt langweilig hab. Gehst Du alte 'Schnalana' noch in die Sonntagschul??
Was macht die Seffa - ich laB sie herzlich grüf3en und
'sHerrvettersagatli - wenn Du nach Schaan kotnmst. Was
macht der Peter? Der Falkenhausen laBt sich noch nicht
blicken. Was inackt der flavid. und
Nats-cherle
Toni -und das
GruB mIr (die) liebe Mutter und sag ihr, ich habe ihr
Geburts oder Naiuenstagsgeschenk schon erhalten und jetzt
149
PhUat na Gott und schriban bald
Eurenem liaba Bruadar
Bebi.
Die Karriere des Musikstudenten wird durch den im folgenden Brief zum ersten Nai genannten Kontakt zum Munchner Generaimusikdirektor Franz Lachner entscheidend beeinflul3t.
Rheinberger schreibt:
München, den 27.3.54
"Theuerste Eltern!
Es freute mich unendlich, aus Ihrem letzten Brief e
(welchen ich mit den 26f 1 empfing), entnehmen zu können, daf Sie sich alle wohi befinden; Gottlob! ich kann
diesmal auch nur das Ngmliche von mir berichten. Hr. Lehrer dhry von Vaduz schrieb mir auch im Laufe dieses Monats grof3e Neuigkeiten - von denen ich bioss mehr
die Bestätigung erwarte.
Hr. Landesverweser Menzinger soil Hof rat unseres Fürsten
(in Wien) werden??! Ich möchte doch gerne Näheres wissen. Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz 1st Domherr geworden mu2 er sich nun nach Chur begeben? Hr. Amtsschreiber Kessler soll in Innsbruck sich bef inden - von all dem las ich in Ihrem letzten Briefe nichts,
vermutlich ist ersteres nicht wahr. Hr. Professor Maier sagte letzten Mittwochs zu mir: er
habe hier einen Freund - welcher elnen Bekannten in der
Umgebung des Fürsten Liechtenstein habe und vieles tiber
ihn vermöge - em Kenner und Freund der Musik sei...
Durch dessen Vermittiung giaubt Hr. Maier nun, mich aufs
Jahr nach. Wien zu bringen, und zwar auf folgende Weise:
Unser regierender FUrst Aloys kennt Hr. Generalmusikdirektor Lachner persönlich - daher soil ich meine besten
Compositionen ihm (Lachner) vorlegen und urn sein Zeugnis
bitten - welchem Zeugnis dann er (Maier) noch eines (gewiss kein schiechtes) beifugen würde - so glaubt er mü1te ich am ehesten UnterstUtzung bekonznen, und zwar
in Wien, wo ich nach seiner Ansicht hinkommen mUt3te. Er sagte -mir, ich solle ja niemand etwas davon sagen
150
(natürlich mit Ausnahme der Eltern, weiche aber gewil3
keinen Gebrauch davon machen). Gestern (Sonntags) war ich nachmittags bei Hr. Maier und
handigte ihm meine bessern Compositionen el
Hr. Professor Naler und Leonhard beraten sich oft wegen
mir und zeigen sich immer meine Compositionen, wenn ich
Einein oder dern Andern sie zeige. Hr. Direktor Hauser
laft mich jetzt in Ruhe und ich ihn auch, jedoch vertritt
Hr. Herzog oft meine Stelle bei ihm.
Hr. Professor Schafhäutl lud mich an meinem Namensfeste
zu Mittag em - wo ich inich mit Hr. Salis-Soglio sehr angenehm unterhielt - ich wilrde noch mehr schreiben, aber
well Fräulein Lisi Rheinberger auch einen Brief will, so
ist es billig, da2 ich nicht alles verplaudere.
Ich lal alle und besonders Sie, Theuerste Eltern, herzlich grül3en, und vielleicht bald mehr von Eurem dankbaren Sohn
Joseph Rheinberger."
Zum Ende des dritten Studienjahres, das Rheinberger In
München verbringt, ergreift sein Lehrer Julius Maier die
Initiative, urn Rheinbergers Vater in Vaduz davon zu überzeugen, da$ eine Fortsetzung der Ausbildung in MUnchen
unerlElilich 1st.
Er schreibt an Johann Peter Rheinberger:
"Verehrtester Herr!
Als Sie mich im August 1852 mit einem Besuche beehrten,
und mich urn em ZeugniI3 für Ihren Sohn angingen, sprachen wir von den Möglichkeiten, für Ihren Josef em Stipendium oder eine UnterstUtzung irgend einer Art zu erlangen, weil es Ihnen, wie Sie mir sagten, zu schwer fiele, auf dieses Ihr Kind gegenUber den andern rnehr zu verwenden. Schon seit Beginn dieses Jahres äu2erte mir Josef, daB er mit dein Ende des laufenden Schuljahres unsere Anstalt verlassen müsse.
Josef 1st 15 Jahre alt und (ich sage Ihnen dieB of fen
und mit herzlichster Theilnahme) mit einem so ausgesprochenen Talente und elner für seine Jugend so Uberraschenden Fertigkeit, Kühnheit, ja fast männlichen Besonnenheit aus-gestattet, daB von lhm Glänzendes zu erwarten
1st, wenn seine Studien und Fortschritte nicht unterbro-
151
chen werden, wenn er nicht, bis er mindestens das 18.
Jahr erreicht hat, blo8 der Kunst leben kann. Mül3te aber
Josef vom nächsten Herbst an die schreckliche Laufbahn
betreten, zu seiner Erhaltung irgendwo Privatunterricht
zu ertheilen u. zwar, wie jeder Neuling, urn einen Spottzins, soinit von Morgens bis Abends, so ware nicht nur
der Erfolg seines schönen Talentes in Frage gestelit,
sondern auch sehr unwahrscheinlich, ob und wann er sich
eine seinem Talente, .seinen .Kenntnissen entsprechende
Stellung erringen könnte. Diese Erwägungen veranla8ten
mir manches Nachdenken darüber, wie man an Ihren Landesberm gelangen könnte, urn für Joseph elne UnterstUtzung
zu erzielen. So Gott will habe ich den Weg gefunden.
Herr von Schwind (Professor an der Maleracademle hier)
1st em Jugendfreund eines Herrn Alexander Baumann in
Wien und dieser steht in sehr vertrauten Verhältnissen
zu dem künftigen Fürsten von Lichtenstein, Fürst August.
Herr von Schwind hat an Baumann geschrieben und ihn im
Allgemeinen gefragt, ob für Josef etwas zu erwarten sei.
Baumann erwiderte: er werde mit Vergnügen thun, was in
semen Kräften stehe u. hoffe zurn Ziele zu gelangen. Da-
mit aber der (unmusicalische) FUrst von der Zweckmät3igkeit der Verwendung Uberzeugt werde, bedUrfe es glanzender Zeugnil3e, namentlich auch eines von dem hiesigen
weithin berühmten Ceneralmusikdirektor Lachner und überdiel3 em Nachweil3 Uber das Nationale, die Vermögensver-
hältnisse etc. von Vater und Sohn.
Ich brachte den Josef zu Hr. Lachner; dieser sah Compositionen desselben durch u. äul3erte sich mir sehr erfreut u. erstaunt Uber Talent u. Kenntnisse des jungen
Menschen u. wird Josef em glänzendes ZeugniB ausstellen.
Ebensoiche Zeugnisse besitze ich schon von den Conservator. Professoren.
Während ich schreibe, habe ich nun auch das Lachnersche
Zeugni1 erhalten und schicke Ihnen samtllche. Wie mir
aus der Antwort des Hermn Baumann hervorgegangen scheint
(entschieden spricht er sich darUber nicht aus) wird er
durch Vermittlung des Fürsten August bei dem regierenden Fürsten 'urn die UnterstUtzung nachsuchen. Ich wilrde
Ihnen daher rathen, eine Ihre u. Josefs Personal= resp.
Unterthanen= und Vermögensverhältnisse nachwei1ende
152
Eingabe an den Fürsten zu machen, soiche mit den hier
beiliegenden 4 Zeugnissen an errn Alexander Baumann
(Wien, Passauerhof No. 365, 4 Stock) zu schicken, mit
einigen Zeilen, worm Sie sagen Hr. von Schwind hätte
Sie durch mich wissen lassen, da er (Herr Baumann) die
betreffenden Schritte beim Fürsten zu thun sich gütigst
erboten hHtte. Soliten Sie aber Ihre Eingabe direct an
den FUrsten abschicken wollen, so rnut3 ich das ganz Ihrem
Ermessen anheimstellen.
Wundern Sie sich ja nicht, daB ich Ihnen die ganze Sache in fast aufdringlicher Art gleichsam ins Haus werfe. Nachdem ich aus Ihrem eigenen Munde weiB, daB Sie
jede Gelegenheit ergreifen woilten, urn für Josef's Ausbildung einen Zuschul3 zu erlangen, so hielt ich es bei
meiner groBen Vorliebe für Ihren Sohn für Pflicht, die
oben dargesteilte Gelegenheit zu ergreifen u. habe Ihnen von der ganzen Sachiage erst jetzt bloB darum geschrieben, urn nicht Zeit zu vergeuden, da ja schon am
15. Juli unser Schuljahr zu Ende ist.
Soliten Sie in irgend einer Beziehung einen Anstand haben, so bin ich zu jeder Auskunftsertheilung bereit.
Mit dern aufrichtigen, herzlichen Wunsche, es möchte gelingen, die beabsichtigte Unterstützung für Ihren Josef
zu erlangen,
grüBt Sie hochachtungsvoll
Julius Naier
Professor am Kgl. Conservator.
Schwanthalerstr. No 23
I4ünchen 21. April 54
NB. Herr Bauinann will dahin wirken, daB der Fürst Ihrem
Sohn für 3 Jahre eine Unterstutzung reicht; dahin
würde sich also auch Ihre Eingabe zu äuBern haben.
Oh Sie eine bestite Sune angeben, oder solche der
Gnade des Fürsten überlassen wollen, muB ich Ihrem
besten Ermessen anheimstellen."
Diesem Schreiben lagen die folgenden Zeugnisse bei:
Z e u g n i
f
Der Eleve des KönigI. Conservatoriums für Musik
153
tJoseph Rheinberger aus Vaduz'
besucht meine Unterrichtsstunden über Contrapunkt seid
dem Schuljahr 1851. Unterstützt durch em ausgesprochenes musicalisches Talent & unausgesetzten Eifer & FleiI3,
brachte es der erst i5jahrigeltheinberger in dieser Zeit
zu einer soichen technischen Gewandtheit, dal3 er sich,
selbst in den combinirtesten, contrapunctischen Gestaltungen mit einer für sein Alter überraschenden Leichtigkeit & Sicherheit bewegt. Da hiernach von Rheinberger
Glänzendes zu erwarten ist, er aber zur Fortsetzung
seiner Studien keine Mittel besitzt, so halte ich es für
Pflicht ihn zu einer Unterstützung als in hohem Grade
wilrdigzu empfehlen, zumal da Rheinberger mit semen musikalischen VorzUgen em untadeihaftes bescheidenes Benehmen verbindet.
Munchen den 14
ten
April 1854
Vst. Königl. Direktoriuin des
Conservatoriums
Miinchen 16. April 1854
Julius Maier
Professor am Königl.
Bair. Conservatr.
für Musik
Franz Hauser
Z e u gn i 13
Joseph Rheinberger aus Vaduz,
zur Zeit Zogling des Conservatoriuins für Musik zu MUnchen
ist seid Oktober 1852 bis jetzt dem Unterricht des Unterzeichneten im Kiavierspiel überwiesen gewesen. In dieser
Zeit hat sich der Genannte sowohi durch em tadelloses
sittliches Betragen überhaupt, als auch im Besondern bezUgllch des gedachten Unterrichtszweiges durch unausgesetzten beharrlichen Fleil3, unterstützt von einem Talent,
welches mitletzterem im Einklange steht, fortwährend
ausgezeichnet & somit auch die erfreulichsten Fortschritte gemacht. Der Unterz. kann ihm daher vorliegendes ehrenhaftes Zeugni2 nicht versagen & im Interesse seines
Zöglings nur wUnschen, dat3 alle Gönner & Freunde der
Kunst, welche sich im Stande befinden, der Weiterbildung
dieses noch so jugendlichen Talentes, irgendwie förderlich zu sein, persönlich sich von der Wahrheit des vorstehend Gesagten überzeugen inöchten.
154
München den 15
ten
April 1854
J.E. Leonhard, Prof.
Vst. Königl. Direktorium des
Conservatoriums
München 16. April 1854
Franz Hauser
Josef Rheinberger aus Vaduz, 15 Jahre alt Schüler im
königl. Conservatorium für Musik, hat sich dem Unterzeichneten als eine jener seltenen Erscheinungen auf
dem Gebiete der Musik beurkundet, wo sich Entschiedenheit des Berufs aufs Unzweideutigste ausdrUckt. Theoretisch u. praktisch durchgebildet leistet er auf dem
Pianoforte u. der Orgel jetzt schon VorzUgliches, namentlich aber sind es seine Compositionen, die zu den
schönsten Erwartungen berechtigen. Der Unterzeichnete
empfiehlt demnach genannten Rheinberger auf's Wärmste
u. steht nicht an demselben, wenn er in semen Bestrebungen nicht gehindert wird, das erfreulichste Prognostikon zu stellen.
21ten
München den
April 1854
Franz Lachner
K. General-MusikDirector."
Auf diesen Brief Maiers, den dieser mit den obenstehenden Zeugnissen nach Vaduz schickte, ohne daB Josef
Rheinberger selbst Kenntnis von ihrem Inhalt hatte, antwortete der Rentmeister mit folgenden Zeilen, die nur
in einem Entwurf erhalten sind:
ttwohlgeborener,
verehrtester Herr Professor!
Sie werden mir inein längeres Stillschweigen auf Ihr verehrtestes Schreiben, welches mir schon am 23. v.M. zukam, erstheute beantworte und Ihnen für Ihre so warme
Theilnahme an dem Schiksale meines Kindes danke zu gute
halten; wenn ich Ihnen die Ursache hirvon mittheile.
Einige Tage vor dem Einlaufe Ihres Schreibens wurde ich
155
von unserer fUrstlichen Hofkanzelei in Wien verständigt:
dal3 die Bestimmung getroffen worden sey durch eine
fürstliche Buchhaltungs=Comission das hiesige Rentamt
in loco zu untersuchen, und alle ruckstandigen Rechnungsgeschäfte, die nicht unbedeutend sind, aufarbeiten zu
lassen. Gleich darauf langte die Comission auch wirkliäh
hier an, weiche sich zu meinem Leidwesen vernehmen lief:
daB S. Durchlaucht über meine Rechnungsruckstände (an
denen ich ubrigens nlcht allein Schuld trage) sich sehr
ungndig ausgesprochen haben sollen. Aus dem Ganzen mag
ich wahrnehmen, daB ich gegenwärtig nicht in Gnaden
stehe. Will aber auchzuglekhzu Gott hoffen: daB sich
dieses trübe Gewitter bald verziehen, und uiir wieder
Sonnenschein werden wird.
Unter diesen Uinständen werden Eure Wohlgeboren die Ansicht mit mir thei'len: daB es in dem gegenwärtigen Moment
nicht gerathen sein dürfte mich in Gnadensachen weder
direkt noch indirekt an den FUrsten zu wenden, sondern
solange zu warten zu sollen bis sich die Verhältnisse
wieder gilnstiger herausstellen werden, wofür ich alle
Hoffnung babe. Ich behalte also die von Ihnen für melnen Sohn Joseph gütigst besorgten Zeugnisse bis dahin,
und bis zu jenem Zeitpunkte zurück, wo ich mit und durch
dieselben, so Gott will das gewünschte Ziel zu erreichen
hoffe.
Indem ich Ihnen nun verehrtester Herr Profef3or! für Ihr
liebevolles Wohlwollen das Sle meinem Kinde bisher ge-
schenkt, überhaupts, dann aber insbesondere für Ihre
letzteren inehr als väterlichen Sorgen und BemUhungen
mit gerührtem Herzen danke, erlaube ich inir noch die
Bitte anzufugen, womit Sie ihm auch für Zukunft gleich
zugethan blelben, und ihin Ihren Rath nie entziehen
wollen.
In welch tröstender Erwartung sich hochachtungsvoll
zeichnet und empfiehlt
Euer Wohlgeboren
(Johann Peter Rheinberger)"
Das vorstehend wiedergegebene Dokument 1st nicht näher
datiert.Da13 Maier dieses Schreiben erhalten hat, geht
aus seinem Schreiben vom 10. Juni 1854 hervor.
156
Die Fragen der materiellen Sicherung seines Lebensunterhaltes und der Fortsetzung seiner Studien in München beantwortet Rheinberger sehr eindrucksvoll mit der Inten-
sität seiner Produktivität als Komponist in dieser Zeit.
Es scheint geradezu als wolite er dokumentieren, wie sinnalle weiteren Aufwendungen für seine Ausbildung angelegt werden können.
So entstehen vor dern Hintergrund einer ungewissen Zukunft
you
des l5jährigen Studenten in der ersten Hälfte des Jahres
1854 folgende Werke:
em
Streichquartett in F-dur, JWV 6; das "Sanctus" für
sechs Singstimmen, JWV 8b; das "Capriccio in E-dur", JWV 9;
"Praeludium und Fuge in D u. e" für die Orgel, JWV 10 u. 11;
em "Miserere für Doppelchor und Orgel", JWV 11 und das "Stabat
mater", JWV 12.
Diese Werke legte er auch u. a. Lachner vor. Man versteht,
daB ihn der Inhalt der diesbezüglichen Zeugnisse interessiert. Darüberhinaus ninimt er aufgeschlossen Anteil an
den Sorgen der Eltern in Vaduz, deren Ursache ihm of f ensichtlich unbekannt 1st.
"München, 29.4.54
Theuerste Eltern!
Aus Ihrem letzten Briefe ersah ich mit nicht wenig Kum-
mer, daB Sie so vielein Verdrul3 'irnd Unannehmlichkeiten
ausgesetzt seien - ach! Gott weif3 es, wie sehnlichst ich
wünschte alle diese schmerzlichen Eindrücke von Ihnen,
bester Vater! ferne zu halten, wenn es mir möglich ware doch will ich gewiI3 befleiBen, daB Sie von -air nie Kummer
erleben werden. Ich würde den Peter oder David daher bitten,
mir em Näheres zu schreiben, indein ich darob nicht wenig
erschrocken bin, und -air im -mindesten nichts erklären
konnte. Auf Ostern war ich diesmal nicht in TUrkenfeld - denn
gab -mir Hr. Prof. 1Iaier die ganze Vakanz hindurch
tJnterricht,
sagte Hr. Herzog, daB er -mich die Osterferien hindurch
nicht entbehren könne, well es so -viel Orgel zu spielen gab (z.B. Grundonnerstag ii. Charfreitag von 8 - 11
unausgesetzt),
157
3.
liei3 mich Hr. Schafhäutl nicht fort, indem er sagte: andere Musiker reisen auf die Charwoche hierher, urn die grotartigen Produktionen zu hören, indem
ich fortginge.
Ich habe mich bei Hr. Wolf inger schon entschuldigt.
Doch nun die Hauptsache:
Meine Zeugnisse, von denen ich nichts zu Gesicht bekam
- werden in Vadutz angekommen sein - jenes von Hr. Generalmusikdirektor Lachner ward nicht ieicht verdient:
ich ging nämlich bin, meine Compositionen unterm Arm,
zeigte sie ibm (er war sehr freundlich, ich etwas schüchtern) und indem er alles genau durchsah (ich war 2 voile
Stunden dort) ftxirte er mich öfters scharf - sagte haiblaut vor sich: 'Viel Talent, groBen FleiB' und 'Sie sind
auf einem guten Wege, ich werde thun, was in meinen Kräften steht', dann muBte ich ihm meine groBe F-moli Fuge
zu 3 Thema vorspielen, weiche er aul3erordentlich lobte.
Dann muBte ich ihin versprechen, so oft ich etwas compoflirt habe, zu ibm zu kommen. Als ich mich für's Zeugnit3
bedankte, stelite er mich einigen Freunden vor mit den
Worten 'Sehen Sie, das 1st mein kieiner Vaduzer Compositore'.
Ich möchte doch wissen, wie das Zeugnis lautet: wenn man
mir es schreiben würde, indem ich es hart verdient babe.
Den Vorwurf, daB ich Hr. Schafhäutl noch nichts davon gesagt habe, verdiene ich nicht, indem mir Prof. Maler verboten hat, jemand etwas zu sagen.
Das- Neueste 1st mein Offertorium op. IX, was Hr. SchafhHutl ais meine beste Composition erklärte - doch jetzt
konime ich zu spat in die Kiavierstunde, muB abbrechen
und verbleibe
Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rbeinberger."
Am gleichen Tag wie den vorhergehenden Brief schrieb
Rheinberger noch an semen Vater:
Theuerster Vater!
Eben, als ich den Isten Brief auf die Post trug, begegnete mir Hr. Prof. Maier und sagte: ich solle Ihnen unverzuglich schreiben, daB Sie die Eingabe nebst Zeugnissen
158
sogleich nach Wien schicken sollen, well der FUrst zur
Vermählungsfeier des Kaisers von Slavonien eigens nach
Wien gekommen und bald abreisen werde - dal3, wenn Sie
die Eingabe nicht an Canzleidirektor v. Baumann schicken
wollten, es an S. Durchl. selbst schicken, jedoch v. Baumann davon benachrichtigen sollen, weil er die Sache lei-
ten will. -
Hr. Professor Maier lass sich empfehlen. Was macht die
liebe Mutter? und der Toni? David und Peter - sie sollen mir wieder einmal schreiben. Soeben hat mir Hr. Herzog den Probedruck der inir gewidmeten Orgelstiicke ge-
zeigt - bis 14 Tag werden sie öffentlich erscheinen. Ich
bin Gottlob! immer gesund - was ich auch von Ihnen hoffe.
Ihr dankschuldigster Sohn
Jos. Rheinberger.
Dem Mali, Seffa und Lisi meine Grtif3e u. allen Bekannten."
Zu dieser Zeit trifft Rheinberger den Tiroler Komponisten Matthäus Nagiller in ?{ünchen bei einem Konzert wieder, das im Ntinchner Punsch mit folgenden Zeilen angekündigt ist:
"Der GriJnder und Direktor des Pariser Mozart-Vereines
Hr. Nagiller, durch seine im vorigen Jahre dahier in der
Ludwigskirche aufgeführte grol3artige Messe noch in frischem Angedenken, veranstaltet tiber 8 Tage im grol3en
Odeonssaale unter Mitwirkung der k. Hofkapelle und eines
tüchtigen Sängerchores em Vokal- und Instrumentalkonzert von ausschlie8lich eigenen Kompositionen, darunter
eine Sinfonie in c-moll (in Paris und Berlin mit grol3em
Beifall wiederholt), Göthe's Lied 'Kennst Du das Land'
und eine Ouvertüre in D."
In seinem folgenden Brief kommt Rheinberger auf das Wiedersehen mit dem Mann, der sich 5 Jahre zuvor für seine
musikalische Fachausbildung verwendet hatte, zu sprechen:
159
Ntinchen, den 29.5.54
"Theuerste Eltern!
Es freute mich unendlich, aus Ihrem letzten Briefe
(den ich sammt beiliegenden 26 fi letzten Samstag empfing) entnehmen zu k6nnen, daB Sie sich wohi und zufrieden befinden. Jedoch befreindete mich Ihr Stillschweigen ilber 2 Dinge sehr, nämlich wegen jener unangenehinen Commission und wegen meiner Märsche - solite
sie Peter denn nicht erhalten haben? - was mir sehr
unlieb ware. Es freute mich auch, daB wir nun keine Kuhschellen von
Glocken mehr haben. Hr. Pfr. Wolf inger, dachte ich, habe sich wegen dem Fis-ton, wenn nicht ganz unrichtig,
doch etwas stark ausgedrückt - allerdings hat Fis-dur
nicht das Erhabene des C - das Feierliche des Es - das
Freudige des D, oder das Fromme des A dur-Akkordes,
sondern etwas Düsteres, ingstliches in der Klangfarbe
- jedoch hat nicht der blol3e Fis-dur Akkord das Verzweiflungsvolle, sondern das Verzweiflungsvolle läBt
sich in Fis-dur leichter ausdrUcken, als in manchen
andern Tonarten. Seien wir indessen froh, daB wir nun doch (gegen friiher)
eine Tonart haben (dies ist schon em Zeichen des Fortschrittes, es ware gut, wenn manches in Liechtenstein
nur ei n e Tonart hätte, wenn's für jetzt auch Fisdur ware). Das Konzert Nagillers hat gröl3tenteils sehr gefallen,
mir auch. Er kam mit Hr. Maier auf mich zu reden, ohne
zu wissen, daB ich hier sei, dann lieB er mich einladen,
ich kam hin - und plauderte so manches. Er ist noch hier.
- Sehr interessant sind die neu erfundenen Instrumente
von Kaufmann aus Dresden, als Orchestrion, Symphonion
und Chordanlodion. Gestern im Theater (Wasserträger von Cherubini) sagte
mir Hr. Prof. Schafhäutl, der alle schön grüBen läBt es sei em Industriegegenstand von Liechtenstein eingetroffen, und zwar OFENRöHREN, (ich erriet gleich, die
mül3ten von TonkUnstier Schaedler sein, ohne Zweifel bekomint er die goidne Nedaille).
Der Peter soll mir bald schreiben, was es mit den Marschen ist. -
160
Auf Pfingsten werde ich, wenn schön Wetter, nach Tür-
kenfeld fahren. Der Toni lasst nichts von sich hören.
Der Industriepalast ist fertig, beiliegend das Bud.
Der Peter mul3 koinmen, sonst geh ich nicht nach Hause.
Ich freue mich kindisch, ihn zu sehen und dann bald
Ihnen Beste Eltern! mUndlich die Versicherung zu geben,
wie sehr ich bin
Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger."
tJber die im vorstehenden Brief erwähnten Ka'ufmannschen
I4usikautomaten hatte Schafhäutl in der Neuen Münchner
Zeitung Nr. 118 voin 18. Mai 1854 einen Aufsatz geschrieben und sich "über ihren hohen Werth auf's rühmendste
geäul3ert".
Der "Punsch" schrieb i-ni "Artistisch-Literarischen Theil"
seiner Ausgabe -vom 14. Mai 1854:
"Nächsten Nontag (d. i. 15.5.1854) findet un gro8en
interessantes Conzert von elnem leblosen Orchester statt. - Der l4usiker und Nechaniker Kaufmann aus Dresden, der sich schon zur Zeit der IndustrieAusstellung in London am englischen Hofe mit semen
Kunstwerken produzirte, wird an jenem Abende seine Instrumente spielen lassen. Die Krone derselben ist das
grol3e Orchestrion, das em vollständiges Musikcorps ersetzt, und mit semen Trompeten, Pauken, Troinmein, Kiarinetten und Flöten die schwierigsten Compositionen ausführt, und sogar die Crescendo's, Ritardando's, kurz die
feineren Nuancen vernehmen l!3t. Das conzertgebende N5bel hat die OuvertUren zur 'Stuinmen', zu 'Frau Diavolo',
Variationen aus 'Robert' u.s.w. auf sein Repertoire geOdeonssaale em
setzt."
Rhemnbergers Eltern in Vaduz hatten 1854 em schweres
Jahr zu überstehen.
In dieser Zeit war Rheinbergers Vater grundlos in den
Verdacht gekommen, den fürstlichen Weinkeller veruntreut zu haben. Eine Revision von allerhbchster Stelle
deckte schlie2lich auf, daB die entstandenen Verluste
defektes FaB zurückzuführen waren.
Rheinberger in l4Unchen nahin an dieser Sache, die den
Vater sehr bedrückte, -mitfUhiend Anteil.
auf em
161
Auch 1st nicht zu übersehen, daf Johann Peter Rheinberger
sich dutch diese Belastung, die seine Existenzgrundlage
zu bedrohen schien, aul3erstande sah, der weiteren Ausbildung seines Sohnes in München die Wege zu bereiten.
Vor der Sommerpause wendet sich Rheinbergers Kontrapunktlehrer Maier noch einmal an Johann Peter mit folgendem
Brief:
"Verehrtester Herr Rentamtmann!
Ihr verehrliches Schreiben hat mich recht betrUbt, indem
die Stipendiumsangelegenheit für Joseph nun auf einlge
Zeit verschoben wird.
Hoffentlich werden Sie recht bald von der lastigen Revision befreit werden und dann die Sache betreiben können.
Soliten Sie in dieser Angelegenheit irgend weiche Auskunft
oder BeihUlfe wünschen, die in meinen Kräf ten steht, so
rechnen Sie sicher auf mich: ich halte es für Pflicht,
für Josephs Fortkommen alles mir Nögliche zu thun!
Solite es Ihnen mbglich werden, Joseph nach Ablauf dieses
Schuljahres (Juli) noch etwa 1/2 Jahr oder gar Jahr hier
zu lassen, so würde das für seine Laufbahn von dem unberechenbarsten Vortheil sein.
Er wird dieses Jahr mit dem sogen. Schulunterricht fertig;
es ware aber nun unerlHl3lich nothig, daB er unter den Au1
gen eines tUchtigen ehrsamen Meisters gröBere Compositi-
onen entwirft und durchbildet (dazu hat er hier bei Pro-
fessor Leonhard und bel Generalmusikdirector Lachner Gelegenheit) und diese theilweil3e auch hören kann.
Ebenso nothig ist ihm gerade jetzt das häufige Anhören
guter Musik. Ersteres beides ist ihm hier möglich und ich
bin überzeugt, daB sich Hr. Generaldirector Lachner sehr
für ihn interessiren wird.
Soilte aber Joseph unmittelbar nach SchluB dieses Schuljahres genothigt sein, in Vaduz Unterricht zu ertheilen,
so 1st, ich mu2 Ihnen das wiederholen, seine künstlerlsche Zukunft sehr in Frage gestelit.
Hit dem aufrichtigen Wunsche, Sie möchten diese Zeilen nur
meiner herzlichen Theilnahme für Ihr Kind zuschreiben,
grül3e ich Sie.
Ihr ergebenster
Julius Maier. Munchen,1O. Juni 1854
162
Rheinberger selbst meldet zwei Tage später nach Hause:
München, den 12.6.54.
tTheuerste Eltern!
Weil ich jetzt gerade einige MuIe habe, weiB ich nichts
Besseres zu thun, als wieder em paar Zeilen nach Hause
zu richten. Freitag vor Pfingsten nahm ich auf em paar Tage Urlaub,
ging oder fuhr nach Türkenfeld, wurde sehr freundlich aufgenommen, blieb bis Dienstag früh, wo Hr. Wolf inger sich
mit mir nach Seefeld begab.
Hr. Oehry kannte mich im Anfange gar nicht mehr, so sei
ich gewachsen (wenns wahr war). Nachmittag hatte ich die
Ehre, dem Graf en sowie der Gräf in und Mama Cv. Gumpenberg)
vorgesteilt zu werden. Ich war etwas Hngstiich, aber sobald ich das Klavier erblickte, so wars vorbei - spielte
mehrere briliante Stücke aus dem Kopfe, und sonderbar,
eine meiner Compositionen hattedie Ehre, am besten zu gefallen, ohne da sie es wul3ten, daB es von mir sei. Frau
Gräf in ist gut musikalisch, legte mir Verschiedenes vor,
und so spielte ich voile zwei Stunden; dann brachte die
Gräf in em Tässchen Kaffee.
SpHter spielte ich auch beim Sekretar des Graf en, der legte mir em Concert von Herz vor und sagte nur 'na, s'is
aus, das vom Blatt zu spielen, s'is aus'....
Freitags früh kam ich wieder hieher. NHchstens werde ich mit einer 'Oper' beginnen, wozu mich
Hr. Prof. Schafhäutl ermunterte.
Wie ist's denn mit den Märschen? Peter soll mir nochmai
schreiben for er kotmnt. Jetzt ist's Papier wieder gar und ich wiiBte noch so viel.
Lebt wohi, Theuerste Eltern und Geschwister,
bald mündliches von Eurem Sohn und Bruder
Jos. Rheinberger."
Die Schwestern erhalten folgende mundartlich gefärbte
Zeilèn:
"Am Matscherle, Lisi, der Muatter und der Seffa a Briafle
von München. Am Matscherle! 0 noch as Brief le.
I muaB doch noch luaga was s' Matscherle noch ails thuat,
denn es hHtt mer scho lang nUmma gschreba. Duast fliBig
Tholätera 'schlaga' und net rEra dabei? Was duat den s'
Lisi dem muaB i oh noch schriba.
163
Lise! warum hast du mir nicht mehr geschrieben, ihr habt
ja doch mehr Zeit als ich, und ich hab es so gem, wenn
man mir schreibt, als ihr. Wenn ich diel3 Jahr zu Hause
komm und du wieder in der Alp bist, so paa auf, dann gehe
ichauch schnurstracks hinein und bleib bei dir, so lange
du kochest.Letzte Tage war ich in Türken- und Seefeld, hab der grf-
lichen Familie vorgesptelt, jetzt 'gibts in Seefeld bald
a jungs Gräfle.'
Redet dem Peter doch zu daI3 er auf die Industrieausstellung
gewil3 kommt.
tSesseledadm? für die liebe Mutter und Seffa.
Aber die Federa got nümma, und i mag o nürnma meh.
Gott befohla!
Jos. Rheinberger."
Julius Maier hatte inzwischen in MUnchen einige Mäzene
zur Sicherung der weiteren Ausbildung des jungen Musikers
gefunden. Er berichtet darüber nach Vaduz an Rheinbergers
Vater:
Geehrter Herr Rentarntmann!
Vor etwa 14 Tagen schrieb ich Ihnen, mit der Bitte urn
baldgefällige Antwort. Da ich inzwischen keine erhielt,
mu ich befürchten, daf3 Sie den fraglichen Brief garnicht
erhalten haben und schreibe Ihnen daher dasselbe noch
einmal.
Davon ausgehend, daB es für Ihren Joseph sehr schlimm wäre,wenn er jetzt schon München unwiderruflich verlassen
müBte, habe ich mit Herrn von Perfall, der mir zuerst
ihren Sohn vor 3 Jahren empfahl, gesprochen. Dieser hat
sich erkundigt ünd das Resultat unserer Bemühungen ist
das: Herr Director Lachner, von Perfall, eine Familie
von Lerchenfeld etc. sind geneigt, für den Fall Sie einen langeren Aufenthalt Joseph's in München nicht erschwingen könnten, Ihren Sohn zu unterstützen . Doch müBte den Genannten zuerst in bestimmter Zahl gesagt werden
können, wieviel Sie als maximum, für das nächste Jahr
Ihrem Joseph zukommen lassen könnten, und das Uebrignö-
thige würde durch freiwilligbeitragende Familien lelcht
gedeckt.
164
Von Perfall, der den Damengesangverein hier dirigiert,
will den Joseph nächsten Winter als Begleiter am Clavier
anstellen, natürlich gegen em honettes Honorar, wodurch
Joseph bekannt wird u. Gelegenheit erhält, sehr Viel zu
lernen.
Ich bitte Sie nun, mir sobald wie Ihnen immer möglich,
zu wissen zu thun, wieviel Sie im nHchsten Jahr zu einem
Aufenthalt Josephs in München beisteuern können. Sobald
ich diese Ihre Antwort babe, werde ich die Familien, welche meinem Vorschlage bereitwillig entgegenkommen, davon
in Kenntni8 setzen und dieselben schriftlich urn eine bindende ErklHrung bitten, wieviel sie monatlich zu Joseph's
fernerer Ausbildung beisteuern woliten. Sobald ich das
beisanimen hätte, wUrde ich Sie zu Ihrer Beruhigung davon
in Kenntnif3 setzen.
Mit der wiederholten Bitte, wie in meinen frtiheren so
auch in diesen Zeilen nur meine herzliche Theilnahme für
Ihren Sohn, meinen aufrichtigen Wunsch, ihm semen Weg
zu erleichtern, zu erblicken
zeichne ich mit gröl3ter Hochachtung
Ihr ergebenster Julius Maier
Schwanthalerstra8e No. 26
München 7. Juli 1854."
Rheinbergers Vater antwortet auf dieses Schreiben
"Vaduzden 9. Juli 1854
Wohlgeboren,
verehrtester Herr Professor!
mr letztes mir sehr geschätztes Schreiben 1st mlr am
l2ten vorigen Monats zugekommen. Soliten Sie mir seit
dieser Zeit wiederholt geschrieben haben, dann ware mir
dieses Ihr Schreiben wirklich nicht zu Handen gekommen.
Für jeden Fall mu8 ich recht sehr urn Vergebung bitten,
da8 ich mit der Beantwortung des gedachten erhaltenen
Schreibens so lange zögerte. Mein älterer Sohn Peter,
welcher sich entschlol3en hat, semen Bruder nach geschlossener Schule von MUnchen abzuholen, wollte der
Ueberbringer der Antwort sein, und Ihnen verehrtester
Herr Professor in meinem Namen mUndlich den innigsten
Dank auszudrüken für die so warme und väterliche Theilnahme die Sie an dem Schiksale meines Sohnes Joseph nehmen, und ferner zu nehmen willens sind. Möchte ich
165
einstens in die Lage kommen Ihnen meinen tiefgefühlten Dank
werkthätig erzeigen zu können!!Für jeden Fall wird gedachter mein Sohn Peter, vielleicht
einen Tag nach dem Einlauf dieses Schreibens in MUnchen
eintreffen, und sodann mit Ihnen alles Erforderliche meinen Sohn Joseph betref fend mündlich besprechen. Schon aber
in vorhinein mu! ich inir die Bemerkung erlauben da ich
fUrs nächste Jahr für ineinen Musikanten Joseph mehr als
200 fi nicht aufzubringen und zu verwenden im Stande sein
werde, und diese nur schwer; für jeden Fall aber niöchte
ich ihm diese Summe zusichern.
Indem ich nun das Weitere Ihrer lieben FUrsorge anheim
stellen mul3, erlaube ich mir schliBlich nur die Bitte anzufUgen: daB Sie meinein Sohn Joseph Ihr einmal geschenktes
Wohlwollen nie wieder entziehen wollen. In welcher angenehmen Hoffnung sich Ihnen hochachtungsvollst
empfiehl t
Euer Wohlgeboren
dankb ars ter Freund
J. P. Rheinberger
Rentmeis ter
Pfarrer Wolf inger unterstUtzt das Vorhaben, Josef Rheinberger zur weiteren Ausbildung in München zu belassen:
TUrkenfeld, den ilten July 1854
"Euer Hochwohlgeboren!
Hochzuverehrender Herr Vetter!
Mit groBem VergnUgen nehme ich mit die Ehre Ihnen von den
ausgezeichneten Fortschritten Ihres Herrn Sohnes Pepi Kunde zu geben, weiche derselbe in semen musikalischen Fächern letztere Tage wieder gemacht hat. Die Resultate der bereits geendeten PrUfung sind tiberaus
glHnzend, und die Herren Professoren sprechen voll ehrender Anerkennung Uber die ausgezeichneten Leistungen des
jungen Mozarts. Von vielen Seiten wird auch deshalb der
Wunsch geäuBert, Pepi noch im Juli in MUnchen zu sehen,
urn ihn dann nach dieser kurzen Zeit als vollendeten Virtuosen mit urn so gröBerer Freude in die Vater-Arme zu
entlassen.
Diesen Wünschen so gut sie gerneint, konnte ich nicht zu-
166
sagen indern ich meinen Zweifel Uber Ihre väterliche Zustimmung zu erkennen gab, - von wegen den alizu gro2en
Auslagen etc..
Hierauf gaben rnehrere gute Freunde u. Gönner ihre Augerung dahin ab, mit meiner Mithilfe, - zur Bestreitung der
Kosten für nächstes Jahr einen narnhaf ten Theil beitragen
zu wollen; so da1, wenn Hochzuverehrender Herr Papa uns
noch circa 100 fi zurn Opfer zu bringen sich bereit erkläre, für das Ubrige bier eingestanden, d.h. alle vorkommenden Mebrauslagen vollstandig gedeckt werden sollen. -
Herr Vetter! Was sagen nun Sie dazu!! In solcher Weise
glaube ich an Ihrer Zusage gar nicht mehr zweifeln zu
dUrf en - u. ich beeile mich urn so rnehr Sic von diesem
Proj ekte in Kenntnif3 zu setzen. Die noch von Ihnen aus
zurn Opfer bringenden 100 fi werden wirklich nicht zu ermessende Siege tragen, narnentlich weil Pepi, wie darauf
angetragen werden wird - zu dern berUhmten Componisten und
K. Capeilmeister Lachner zu konirnen das Glück haben wird.
Herr Vetter! wollen Sie hierüber mir gefälligst so bald
rnöglich Ihre Erklärung zugehen lassen, urn die hierauf bezüglichen Schritte welter verfolgen u. zu Gunsten des guten Pepi realisieren zu können.
Soliten Sie, oder Herr Peter mich diesen Herbst mit angenehrnem Besuche beebren, so würde es mich wohi herzlich
freuen, das Vergnugen haben zu können Sic nach München zur
Industrie-Ausstellung begleiten zu können, - denn auch
Liechtensteins Ehre 1st da gerettet und glänzend vertreten.
Inzwischen rnit 1000 Grül3en und Einladungen Ihrer RUckäusserung entgegen sehend zeichnet
Nit ausgezeichneter Hochachtung u. Verehrung
Euer Hochwohlgeboren
ergebst. J.T Wolf inger, Pfr.
N.S. Falls Sic es für geeignet ersehen, bitte ich von diescm Projekte wegen Pepi Ihrein Titl. Herrn Schwaer Cangiet Notiz zu geben - ich zweifle nicht an seiner Zustirnmung, und an - - - Besondere Empfehlung bitte ich auch Titl. Hr. CuratCanonico Wolf inger daselbst zu vermelden."
167
Rheinbergers Quartierleute in München melden Perspektiyen und Anspruche an, die kaum geeignet erschienen, den
Vater des Musikstudenten für elnen weiteren Aufenthalt in
der bayerischen Kunstmetropole zu bewegen:
"Euer Hochwohlgeboren!
Mitten in den Drangsalen einer ernsten und bedrängten Zeit,
in weicher der Herr die Schalen selnes göttllchen Zornes
ilber die Erde ausgegossen hat, wo er auch über unserer
Stadt die Geisel einer heilsarnen Züchtlgung schwang, wage
ich es, Sie mit meinen Zellen zu belastigen, gleichsam urn
darin einige Beruhigung zu finden. An mir und meiner Familie 1st der Würgengel vorflbergegan-
gen, ohne uns zu beschädigen, aber viele mir theure Freunde hat er hinweggerafft. Ich machte von dein Mittel Gebrauch,
das unser erhabener Oberhirt semen Diözesanen anempfahl,
nämlich der leidigen Cholera em gutes Gewil3en, Vertrauen
auf Gottes Barmherzigkeit und Ergebung in semen hell. Willen entgegenzusetzen - und - Gott sey gelobt - ich schlief
so ruhig wie zuvor.
Bereits hat diese Pest in München und Umgebung seit iten
August 2000 Menschen dahingerafft, und nun fängt sie an abzuziehen. Seit vorgestern kahmen die Vogel wieder zurück
- das 1st em Beweis, daB die Luft wieder rein 1st; denn
den ganzen Monat August sah man bier keinen Vogel mehr.
Vorgestern war auf dem Hauptplatze an der Mariensäule em
Bittamt urn Abwendung dieser Plage, und die Mutter der Barm-
herzigkeit scheint unser Flehen erhOrt zu haben, well die
Sterbefälle nun bedeutend im Abnehmen sind. In der Anlage Ubermache ich Ibnen aus Auftrag des Herrn Dr.
Beer die Rechnung desselben in Bezug auf die Krankheit des
Pepi im vergangenen Winter. Ich glaubte zwar, daB Hr. Pro-
fef3or Schafhäutl dieselbe schon langst bezahlt haben werde, und begab mich deBhalb zu ibm, wo ich im Verlauf der
Rede Erwähnung that von dieser Rechnung, aber er sagte
nichts daB er sie bezahlen wolle, und meines Wissens versprach er es doch dem Pepi, daB er den Dr. bezahien
wolle. So viel mir Ihr Herr Sohn, der Lieutnant gesagt hat, wird
Pepi noch em
Jahr nach MUnchen kontmen.
Wenn nun das der Fall seyn wird, so bitte ich Sie jetzt
in meiner BedrängniB, mir wieder elnen Vorschuf3 von em-
168
hundert Gulden zu überschicken, und ich gebe Ihnen die
aufrichtige Versicherung, sobald die Lébensmittel-Preise
wieder zuruckgehen, daf3 ich den Pepi auch billiger behal-
ten werde. Bis jetzt ist nur der Getreidepreis etwas ge-
wichen, alle andern Lebensmittel aber stehen noch sehr
hoch, namentlich Fleisch und Gemüse, und das Bier.
Ich sehe es wohi em, dal3 esfür Sie eine furchtbare Last
ist, kann Ihnen aber auf Ehre und Gewil3en versichern, dal
wir von Pepi nicht einen Kreuzer Gewinn hatten, abgesehen
von der Wäsche u.s.w. die er gleichsam gratis erhielt. Die furchtbare Theuerung im vergangenen Jahre hat mich in
meinem Haushalte weit zurückgeschlagen, und dazu der enorme Hauszins von 130 f 1.
Noch einmal bitte ich Sie recht instHndig, mich in dieser BedrängniB nicht zu verlassen, oder mir wenigstens
umgehend zu wissen zu thun, ob wir das Ziimner für Pepi
bestimmen oder anderwärts verfügen sollen. Hätten wir immer Fremde gehabt, wie am Anfang der Industrie-
Ausstellung, so hätten wir den Zins leicht herausgeschla-
gen, so aber haben wir seit dem 2ten August keinen Menschen
mehr bekommen, und so gehts allenthalben. Es ist em fürchterliches Elend dahier, und der Jammer grenzenlos.
Man schätzt hier Jeden glücklich, wer nur der Krankheit
auskam, und es 1st auch em Glück.
In der angenehmen Hoffnung, keine Fehibitte gethan zu haben,
verbleibe ich.
Euer Hochwohlgeboren! ergebenster Freund
Joh. Ev. Perstenfeld
MagistratsfunktlonHr.
München, den 30ten August 1854."
Johann Georg Herzog, Rhemnbergers Orgellehrer, der im
Herbst 1854 NUnchen verlief3 und nach Erlangen ging, spricht
in seinem Abschiedsbrief an semen bedeutendsten Schüler
die wesentliche Perspektive an, die Rheinberger in München
fehite: die künstlerisch-schöpferische Kompetenz seiner
Lehrer am kgl. Bayerischen Konservatorium der 11usik.
169
München, den 23. Sept. 54
"Lieber Rheinberger!
Deine lieben Zeilen haben mich sehr erfreut, und bedaure
nur, daf ich nicht frUher an die Antwort koinmen konnte.
Das Dir gewidmete Orgeiheft ist noch nicht eingetroffen;
Du kannst daraus. ersehen, wie die Buchhändler mit einem
armen Komplonisten/ umgehen. Es ist Dir aber jedenfalls
gewiI3. -
Deine Sachen hat Körner noch und scheint sich nach seinem
letzten Briefe dafür entschlie2en zu wollen, aber Jahr
Geduldprobe wird wahrscheinlich damit verbunden sein. Die Cholera liei3 mich ui-id mein Haus bisher, Gott sey dank,
verschont; Manchen, den Du viellelcht kennst, hat sie un1
erbittlich dahingerafft. -
Hr. Leonhardt 1st hier u. gesund, doch von Hr. Maier weif3
ich nichts Bestimmtes zu erfahren.
Meine Abreise nach Erlangen 1st auf den 6. Okt. festgesetzt. Wann werden wir uns einmal wieder Im Leben begegnen?
Nach Deinein Schreiben scheinst Du Lust zu haben wieder
nach München zu kommen (Unter uns gesagt!!) Ich bin nicht
daftir. Du hast im Orgelspiel so viel Fertigkeit, daB Du
keinen Lehrer mehr bedarfst, und das fleif3ige Selbststudium wird fortan Deine 1-lauptaufgabe sein. Hr. Maier ist
em vortrefflicher Lehrer im Contrapunkt, aber auch em
eingefleischter Scholastiker. Du wirst nach Verlauf eines
Jahres nicht welter sein, als jetzt.
Hast Du Geld und Zeit, so halte ich furs Gerathenste,
wenn Du noch kurze Zelt wohin gehst, wo em bedeutender
Comp/onlst/, ausgerüstet mit vieler Erfahrung wie z.B.
Spohr etc. lebt, das wird Dir das Letzte verschaffen. Du
bist jetzt auf der Stufe, wo die contrap/unktlschen/
Uebungen auch mehr schulmä2ig betrieben werden dürf en;
Du mu2t jetzt Musik machen lernen, selbststEndige Tonstücke, bel denen die Poesie vorherrschend 1st. Dahin gehören Lieder, Notetten, Quartette etc. Ob Du soiches Im
Conserv. in Nünchen errelchen wirst??
Das Hören, wozU hier wohl viel Gelegenheit 1st, reicht
noch. nicht aus.
Es fehlt im Conserv. eli-i Nann, der selbst em bedeutender
Comp/onist/ 1st.
170
Das ist meine Meinung, habe ich Unrecht, so halte es der
Liebe, die ich zu Dir habe, zu gute. Dazu glàube ich noch, da!3 München uberhaupt nicht der Ort
ist, wo man bereitwillig Talente unterstUtzt und grof3
zieht. Es gibt nicht viele Dr. SchafhHutl.
Mache aber von diesen Zeilen keinen Gebrauch. Sic kommen
aus dem Herzen. Du kannst bedeutende Fortschritte machen,
wenn Du fleil3ig für Dich fortstudirst und die Wahrheit
nicht auf3er Augen lH2t: daB zum künftigen Künstler Demuth
gehort.
Viele haben diesen Satz vergessen und hier bald alles Talent zu Grunde gezogen.
Dein ergebenster
Herzog
Prof. d. M/usik/."
Den Herbst verbrachte Rheinberger in seiner Liechtensteincr Heimat.
Maier konnte endlich Anfang November folgende Liste von
Mäzenen prEsentieren:
"Geehrtester Herr Rentamtmann!
Es freut mich, Ihnen über Joseph's Angelegenheit heute
Näheres und zugleich Erfreuliches melden zu k6nnen. Ich
babe elne schriftliche Darstellung von Josephs Verhältnissen, Kenntnissen u. Talenten herausgehen lassen. Als
monatliche BeitrHge für das Jahr v. 1. Nov. 1854 - 1. Nov.
1855 haben unterzeichnet:
Ihre Excellenz Frau Adelgunde von der Pfordten per Monat
1
Therese von Zwehl
FrHul. v. Lerchenfeld
Fräul. Laura Dürck
Fräul. Elise v. Pacher
Hr. Generaldirector Lachner
Hr. v. Perfall
Hr. Oberappellgerichtsdirector Nolitor
Hr. Regierungsassessor Gertner
I
I
I
I
1
I
fl
fl
fl
fl
fl
fl
fl
30 kr
30 kr
8 fl
171
Hinzu kommen laut mUndlichen Versprechens:
Ihr Verwandter Hr. Pfarrer in TUrkenfeld
Hr. Graf Pocci
Hr. Angelo Knorr
2 fi
fi
fi
1
1
12 fi
Zusammen per Jahr: 144 f 1.
Nun aber habe ich die Liste Hr. Professor Schafhaeutl zu
elgener und einiger Freunde Betheiligung noch gar nicht
zukommen lassen können.
Nach Hr. v. Perfalls Aul3erung, der mit den Vorstandsmitgliedern seines Gesangvereins RUcksprache genonmien, unterliegt es keinem Zweifel, da6 Joseph die Stelle des Ciavierbegleiters in diesem Verein erhalten wird, und zwar
je nachdem sich die Einkünfte des Vereins gestalten werden, mit einem monatlichen Honorar von 4,5 oder mehr f 1.
Aus ailem dem geht hervor, daf auf einen hier zu erwartenden Gesammtzuschuf3 von circa 200 fi schon bis jetzt
sicher zu rechnen 1st. Unter diesen Umständen kann ich
Ihnen u. Joseph nur rneine Freude bezeugen Uber den bisher
guten Fortgang unseres Unternehmens und den aufrichtigen
Wunsch äu6ern, Sie möchten Joseph gleich hierherschicken,
eininal weii ihm gut ist, wenn er sobaid wie mögiich wieder
In tuchtige Arbeit kommt, u. zweitens det3wegen, weil die
Proben des fraglichen Gesangvereins schon begonnen haben
u. Hr. v. Perfail semen neuen Ciavierspieler sehnlichst
erwartet.
Solite ich Ihnen in Joseph's Angelegenheiten irgend et-
was besorgen können, so wenden Sle sich ja direct an mich.
}Iit herziichen GrUBen an Sie, den Hr. Lieutenant und Joseph
Ihr ergebenster Julius Naier
Schwanthalerstral3e 26
MUnchen 1. Nov. 54."
Die endgUltige Entscheidung Uber Rheinbergers Zukunft war
unterdessen in Vaduz gefalien.
172
Der Rentmeister antwortet J.J. 11aier:
"Vaduz den 5, Nov. .1854
Wohlgeborner!
verehrtester Herr ProfeBor!
Indem ich mich beeile Ihnen für Ihre liebevollen BemUhungenin Betref meines Sohnes Joseph den verbindlichsten
Dank abzuhalten, gebe ich Ihnen zugleich die Nachricht
dal er in den ersten Tagen der künftigen Woche in München
eintreffen wird. Einstweilen wird er sein Abstiegquartir
wieder bel Hr. Perstenfeld nehmen; auch würde ich es nicht
ungern sehen, wenn er dort bleiben würde.
Noch einmal verehrtester Herr Profe1or! empfangen Sie
meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank für alle.Ihre
gro2en Bemühungen. Werden Sie aber nicht ungehalten 'ienn
ich demselben zugleich wieder die neue Bitte anfüge:
ineinem Kinde fernerhin Ihr Wohiwollen nicht entziehen
und ih-m stets sein väterlicher Freund und Rathgeber bleiben zu wollen. Trösten Sie mich -mit der Gewährung dieser
ineiner Bitte, wofür Sie mich zum doppelten Schuldner
verpf 1 ichten.
Hölichstens empfiehlt sich Ihnen
Ihr
dankbarst ergebener F/reund/d
J. P. Rheinberger, Rentmeister
Höflichst dankend grü2en Sie meinen Sohn Joseph und
Peter, den Lieutenant."
Neben Julius- Joseph Maier war es besonders Karl Emil von
Schafhäutl, der sich unablässig urn Rheinbergers Fortkoxn-men bemühte.
SchafhHutl freut besonders, dal3 Rheinberger nach Absol-vierung des Konservatorluins nun seine Studien in 11ünchen,
das irn So-miner und Herbst von der Cholera heimgesucht wurde,
173
fortsetzen kann. Er berichtet:
München, den 7. Nov. 1854
"Mein lieber, lieber Peppi!
Ich habe soeben Deinen Brief und Dein Ave mans stella
erhalten und beides hat mich mehr gefreut, als Du Dir
vielleicht vorstellen magst, urn so mehr als sie em sächlicher Vorbote Deiner selbst sind.
Während Du in Deinem schönen Liechtenstein vielleicht unter den Dreischwestern safest, hatten wir hier Plage, Jammer, Seuche, Tod und nur Ketten von Leichenfeierlichkeiten gehabt. Auch die StraBen, sonst von einern fröhlichen
geschaftigen Menschengewirre erfUilt, waren gleich nach
Deiner Abreise leer geworden und nur Geistlichen mit der
letzten Wegzehrung, LeichenzUgen, Karren you mit Todtensärgen gefUilt begegnete man, wohin man immer seine Schnitte wenden rnochte. Todesangst lag auf der Bevölkerung,
ganze Häuser sind ausgestorben und em Drittheil der Bevolkerung war aus der Stadt geflohen.
Ich blieb gliicklicherweise verschont, taglich morgens
7 Uhr rneine Schritte nach der Ausstellung lenkend und
abends 7 oder 8 Uhr wieder nach Hause kehrend, sodaf3 ich
während des ganzen Sommers und Herbstes keinen Tag aus
der Stadt entfernt bleiben konnte.
Auch das Ausstellungsgebiet war natürlich während die
Cholera wtithete schauerlich leer;-mansah nur die blauen
Tressen unserer Aufseher und hier und da eine fremde Gestalt aus irgendeinem Winkel des Glaspalastes entflohen.
Der Himmel auf weichen man bei der Eroffnung am allerwenigsten dachte, hat auf eine unerwartete Weise alle unsere Vorarbeit zu Schanden gemacht, und als unsere konigliche Famiuie im Glaspalaste war, spielte ich auf der hier
errlchteten Orgel den alten lutherischen Choral:
'Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst, da arbeit't jedermann umsunst', eine gereimte Version des l26ten Psalms:
'Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanurn laboraverunt
qui aedificant earn'. Freilich ahnte kein Mensch, was der
Text des Psalms predigte.
Mit unserem kgl. Hof theater sieht (es) sehr schlecht aus.
Die letzte Bravour Sängerin Rettich ist an der Cholera
gestorben und keine Person hier, die sie ersetzen könnte,
unsere 3 Tenöre sind immer krank; Härtinger wird vielleicht
174
gar nicht mehr singen können. So 1st es denn gekoien,
da2 wir höchstens noch einige Schrei- und Spectakel Opern
gebenkönnen, wo man eben nicht singen zu können braucht,
wenn man nur eine gute Lunge besitzt.
Wenn uns auch das Theater nichts mehr in künstlerischer
Beziehung bieten kann, so haben wir doch noch nebenher
Concerte, Quartett Unterhaltungen am Conservatorium und
das Kränzchen dazu, sodal3 es also den Winter über an Mu-
sik nicht fehien wird.
Deine alten Kameraden fragen mich so oft sie mir begeg-
nen, ob ich nichts von Dir gehört, ob Du nicht wieder kämest und werden sich herzlich freuen zu hören, daB Du
bald in Miinchen eintriffst. Kein Mensch freut sich aber
mehr, Dich noch in seine Anne schlieBen zu können als
ich,
Dein alter Freund Schafhäutl.
GrtiBe mir den Vater und Frau Mutter herzlichst.
Adieu auf baldiges Wiedersehen!"
Nach seiner Rückkehr schreibt Rheinberger aus München nach
Vaduz:
MUnchen, den 18.11.54
"Theuerste Eltern!
Durch Ihre CUte in den Stand gesetzt, meine Studien wie-
der fortsetzen zu können, halte ich es für meine Pflicht,
Sie nicht lange in Ungewissheit zu lassen. Dienstags früh
wurde ich in Feldkirch zu spat geweckt, versäumte also den
Poststellwagen. 1/2 Stunde später fuhr ich jedoch mit dem
Stellwagen nach Bregenz. 1/2 11 Uhr mit Post nach Lindau,
von 1/4 nach 12 Uhr bis 10 Uhr abend mit Eisenbahn bei
einer KHlte von 18° nach MUnchen. Die Reisekosten betrugen inkl. allem 10 fl 48+er. Diese Nacht blieb ich im Stachus. Anderntages wurde ich bei Perstenfelds auf's freundlichste aufgenonimen. Die Napoleons d'or sind 9 fl 18+er
gegenwartig. Nachmittags (Mittwoch) traf ich Hr. Maier
nicht an. (Notabene trage ich jetzt einen Hut!!!) Ging deshalb zu Hr. Leonhard, welcher sehr groBe Freude bezeigte.
Abends ging ich ins Konzert - traf Maier, Schafhäutl...
alles beisainmen. Hr. SchafhHutl hatte eine ungeheure Freude, ich muBte nach dem Konzert mit zum "Shampagner"...
175
Gestern (Donnerst.) früh ging ich zu Hr. Maier. Er sag-
te mir uianches - unter anderm: daI3 SchafhHutl von ailem
wisse, und zeigte mir jene Liste: wo ich schneli hineinblickte und SchafhHuti - 2 fi monati. las. Er 1st ganz
der Aite.
Hernach ging ich zu Perfail mit Hr. Maier. Er war erfreut
mich zu sehen und ungernein freundlich. Sagte mir rnanches
Uber den Verein...
Heute frUh ging ich mit meiner 'Oper' zu Schafhäuti und
spielte sie ihm vor. Er sagte, ich müsse sie Hr. Lachner
zeigen und ich solle recht oft kommen und viele GrUf3e...
Hr. Maler sagte, ich brauche die Beiträge nicht selbst
zu holen, auch nicht hingehen, er werde jemanden hinschikken. Nur zu Lachner soil ich gehen und ihm danken. Dienstag werde ich hingehen.
Morgens samstags bekam ich meinen Uberrock. An der Chole-
ra sterben hier nur wenige mehr tHgiich. Von meinen näher
Bekannten beinahe niemand. Hier 1st es ganz warm wie im April. Hr. Herzogs Nachfoiger
in der protestantischen Kirche und Conservatorium 1st bestlmmt: em W. Scherzer aus Stuttgart.
Jetzt werde ich sogieich Hr. Herzog und Wolf inger schrei-
ben. Bisher ging alies gut, gebe Gott, daIs es nur so gut gehe.
Lisis Besteiiung werde ich dieser Tage ausrichten und ihm
dann zuvor schreiben.
Es grtit3t alie und besonders Sie, teuerste Eltern
Ihr dankschuidiger Sohn
Jos. Rheinberger."
Eiisabeth und Amalie Rheinberger, Josephs Schwestern, er-
halten folgende Zeiien:
Liebes Lisi!
Jetzt habe ich mir ge-
Liebes Matscherle!
chen, schreibe ich beiden.
1st es so recht?
-
dacht elnem von Euch 2
mU2te ich schreiben, und
urn es noch besser zu ma-
be
to
176
Doch was solle ich noch schreiben? I wäB ger nüd meh!
Dieses Jahr babe ich erst elne Birne gegessen, das 1st
das Wichtigste.
Und wie viele Du?
Und wie viele 1000 Du?
Mats cherli!
Das Wetter ist bier sehr schön, wahrscheinlich in
Faatutz auch, ich gehe beinahe alle Täger zum Baden.
Letzten Sonntag war hier em schreckliches Ungewitter,
davon im 2ten Theile - dad der Fetz saga - - -
0 du ar
-
mer mar
gar
eh
ta
2ter Theil.
Ich ging mit 2 Freunden in den englischen Garten. Nachdem wir ungefähr bis haib 5 Uhr dortgewesen waren, kam
em entsetzlicher Wind, so dal3 die Bäume rechts und links
einstürzten und Uber die Wege hinfielen, auch fing es an
zu regnen. Jetzt hättest Du sehen sollen, wie alle Leute
zu lauf en anfingen! Besonders aber, wenn wieder em Baum
prasseind abbrach und über den Boden fiel, so schrien die
Frauenziinmer vor Schrecken ganz entsetzlich. Den Durcheinander kannst Du Dir denken, als diese vielen 1000 Personen, die an diesem Tage im englischen Garten waren,
durch die Anlagen, Wege, Zäune hin auf Tod und leben zu
lauf en anfingen. Wir waren in Brunnthal (wo ich vor 3
Jahren mit dem Vater, Lampert, Marxer war) als dort auch
Bäume einstürzten und eine ganze Reihe Sommerhäuschen zusammenschhig, glücklicherweise waren die Leute schon davongelauf en, unglucklicherweise für die Wirthe gröltentheils ohne zu bezahien, nur zerbrochene Gläser hinterlassend. Nun fing es auch noch zu hagein an. Die Fiaker
waren in Verzweif lung, überall, wo sie hinfubren, versperrten soiche Bäume den Weg, durch die Gesträuche konnten sie nicht fahren, umkehren gröl3tentheils auch nicht!
Die Leute stiegen alle aus! Nun beim Hageln sah man nichts
als zerfetztesonnen-und Regenschirme, weiche viele Leute
177
aufgemacht, trotz dern wüthenden Winde. Die Meisten brachten von den Schirmen nur noch einen
Spatzirstock helm! Nun beim Hagein verbanden sich die elegantesten Damen
Sacktücher und SchUrzen urn ihre Htite. Diejenigen weiche
das nicht thaten, deren Htite sahen aus wie Potchambern.
Dieses ewige Schreien, laufen; Uberall Leute, soweit man
sah, rUhrte sich alles; und als em paar Besoffene noch
zu jauchzen anfingen, das Donnern, Hagein, Blitzen, Bäume einfallen, machte einen tragikomischen Effekt. Im Hofgarten f and ich elnen Hagelstein von der Gröl3e meiner
Faust! Das hat gewil3 vielen HUten die Gopfen gekostet.
In der Ludwigsstraf3e schiug es 4 mal hintereinander em,
jedoch ohne zu zUnden, es krachte beständig wie eine
Batteriesalve. Einmal schiug es mitten in der LudwigsstraBe em Loch von 10' Lange und 5' Breite bis in den
Straf3enkanal hindurch, wobei eine Frau vorn Blitze gestreift wurde und darüber den Verstand verlor.
Wir kamen noch ganz passable durch. Die Pferde waren alle
scheu und die Kutscher ganz wtithend. Das war blol3 auf der
nördlichen Seite der Stadt, auf der südlichen (wo Ich wohne) war den ganzen Nachmittag Sonnenschein. Mn Argsten
soil es beim chinesischen Thurm gewesen sein. (Da war
ich nicht dabei) Da suchten eine Menge Menschen Obdach,
als 4 ungeheure Bäume auf denselben fielen, und da er
ganz von Hoiz ist zum Wanken brachten; das Geschrei soil
furchtbar gewesen sein; wenn er eingesturzt ware, mütten
einige 100 Nenschen ihr Leben verloren haben! Das schönste nun im 3ten Theile!
3ter Theil
Am nämlichen Nachinittage war bei Pasing (Eisenbahnstation,
2 Stunden von hier) em Ehrsamer MUnchner Burger beim Baden, in einem kleinen Fliif3chen. Während dem Baden nun
kam der furchtbare Wind und nahm ihm die Kleider plotz-
lich davon, auBer den Stiefein, welche er sogleich anzog
und ganz triefend den Kieldern nachjagte; 'unglucklicherweise nahm der Wind die Kieider gegen die Eisenbahnstation, wo elne ungeheure TMenge Nenschen auf die Eisenbahn
warteten. Der lJngiuckliche inul3te nun in seinem Anzuge
(vielmehr Nicht anzuge) gegen die Leute rennen, kam ganz
rasend durch die Menge hindurch und fing endlich das
1 78
Gilet auf, zog es an und fing von neuem zu laufen an unter einem furchtbaren Getächter his er nach langem das
Hemd erwischte! Der anne Tropf. Wahrscheinlich konnnt er
noch in die Fliegenden Blätter.
Ende von der Predigt! Anm:
Nun bist Du eingeschlaf en? Ful's Lisi!
1st Lisa Schauer h o f f e n t 1 i c h Deine Freundin?
Viele Grül3e an alle Beknnte. Schreibt mir bald, Du und
das Matscherli. Was macht der Toni und die Seffa? Seid
ihr innner gesund und schnupft die Mutter recht viel?
Das letzte Jahr urn die Zeit da wurde Obst vertilgt.
Gelt Mali, diel3nial hast Du doppelte Arbeit!
Pfüat'ne Gott! An anders mal.
Zwei Zeugnisse bekunden den neuen Arbeitskreis, den Rheinberger nun ausfüllt:
ZeugniB
HerrJoseph Rheinberger
geb. aus Vaduz in Lichtenstein
war frilher Zögling des hiesigen Conservatoriurns für Musik,
und in soicher Eigenschaft während der Jahre 1852/54 em
Schüler des Unterzeichneten. Der Obengenannte hat sich zur
Zeit wiederum nach München gewendet, urn unter der speziellen Aufsicht und Leitung des Endesunterschriebenen seine
weitern musikalischen Studien zu vervollstandigen, was
demselben hierdurch auf Verlangen hezeugt, und durch Narnensunterschrift bekräftigt wird.
NUnchen, den 2lsten Novb., 1854
J.E. Leonhard
Professor am kgl. Conservatorium
für Nusik.
179
I'
Unterzeichneter bezeugt hiermit, daf3
Joseph Rheinberger von Vaduz
bei dem erst am 11. November 1. Js. ins Leben getretenen
Chor - Gesangs verein/Oratorien Verein zu MUnchen benannt/
weicher aber die seinerzeitige polizeiliche Genehmigung
noch zu erwarten hat, nach Beschiul3 vorn 18. November ais
Chorrepetitor beschäftigt und honorirt wird.
Mtinchen, den 22. November 1854
Karl Bar. von Perfail.
Neben der praktischen Tätigkelt als Organist und Chorrepetitor widmet sich Rheinberger nun der Komposition.
Er schreibt darüber nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Sie werden ineinen ietzten Brief gewil3 erhaiten haben, obschon ich keinen von Vaduz erhielt. Ich habe diesmal wefig Neues hinzuzufUgen - ais daB ich immer mit melner Oper
beschäftigt bin. Hr. Leonhard hat sie gegenwärtig in Korrektur und ist auf3erordentiich damit zufrieden.
Hr. Prof. Schafhäutl läl3t alie grüBen. Ich bin oft dort.
Vorgestern (Montag) lud er mich el mit ihm zu essen -
urn mich Hr. Graf Sails zu präsentiren, weicher nach mir
einigemaie gefragt haben soil. Auch er läBt aile grüBen.
Ferners war ich bei Lachner. Er war sehr freundlich, gibt
mir nun Blilette in alle Konzerte und Unterricht, so oft
ich hinauf gehe. Ferners bei Hauser (Direktor), weicher
sehr frappirt war, daB ich ihn besuchte. Ubrigens war er
freundiich, teiite mir seine Ansichten mit - die Ubrigens
unsinnig genug waren. Maier seibst sagte mir, daB er mir
schaden werde!
Hr. Prof. Maler hat mir schon einmal 13 fl 30+er eingehandigt - Wolfinger habe ich geschrieben, und er mir mit
10 beigefUgten Gulden geantwortet.
Beirn Oratorien-Verein bin ich nun angestelit ais 'Chorrepetitor', mit wiekriei Douceur weiB ich noch nicht.
Wir hatten schon einmal Versammlung; wöchentlich einmal. Mein Uberrock 1st sehr warm und kostete 10 f 1. -
Bei Perstenfeid, welche allen sich ernpfehlen lassen,
muf3te ich 8 fi für Holz bezahlen - auch 2 Guiden Aufent-
180
haltskarte. - Nit der Cholera ist's noch nicht rein vom 15. bis 20ten Nov. starben noch 31 Personen, übrigens schone ich mich gut - die i4ünchner thun, wie wenn
nichts gewesen ware, reden nie davon. Hr. Herzog habe
ich geschrieben und erwarte tägiich einen Brief von ihm.
Ich könnte ihn leicht besuchen, man braucht per Eisenbahn nur elnen halben Tag - obschon es 60 Stunden weit
1st. - Bisher hatten wir wenig Schnee - und ziemlich
warm, jetzt aber schneit es.
Hoffentlich befinden Sie sich, Theuerste Eltern! sehr
wohl, auch. ich bin gesund und zufrieden und erwarte baldige Nachricht - verbleibe
inzwischen ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
Chor-Repetitor des Oratoriums-Vereins.
Nünchen, 29.11.54."
Julius Naier fügt folgende Zeilen am gleichen Tage bei:
"Hochgeehrter Herr Rentamtmann!
Die monatlichen UnterstUtzungsbeiträge für Joseph bestehen in 13 fi 30. Die Beiträge pro Nov. habe ich ibm schon
eingehHndigt. Ich möchte nun Ihre Ansicht wissen, ob ich
nach jedern Nonat die fragl. 13 f 30 dem Joseph einhändigen, ober ob ich die Nonatseinkünfte zurückhalten und
erst in Folge einer von Ihnen ausgehenden Anweisung oder
Im Falle eines nothwendigen augenblicklichen Bedürfnisses
dem Joseph auszahlen soil?
Indern ich beifüge, da8 unter obigen 13 f 30 die 4 fi Honorar des Perfall'schen Singvereins nicht begriffen sind,
und Ihnen zugleich die freudige Mittheilung machen kann,
daI3 Joseph recht fleil3ig 1st, bitte ich Sie urn Antwort
auf Obiges.
Nit herzilchen Grüi3en an Sie und Herrn Lieutnant
Ihr ergebenster
Julius Maier
Schwanthalerstra8e 26
29. Nov. 54."
181
Der Rentnieister antwortet:
'tVaduz den 8. Dez. 1854
Wohigeborener
verehrtester Herr Professor!
Auf Ihr werthestes Schreiben vom 29ten v. Monats in Betreff der UnterstützungsbeitrEge für meinen dort weilen-
den Sohn Joseph mul3 ich es ganz Ihrem gütigen Erme2en
anheini stellen, wie Sie ihm selbe wollen zukommen lassen.
Für jeden Fall aber dürfte es, urn Ihre Naal3nahmen hiernach treff en zu können, nothwendig sein, Sie nit den
rnuthmaa2lichen Kassastand des Joseph etwas näher bekannt
zu machen. Bel seiner Abreise von Hause habe ich ihrn
90f1 mitgegeben. Hiervon hat er die Unkosten bestritten
lOfi 48kr
mit
-
für einen Hut und Uberrock ausgegeben
14f 1
für Holz zur Zmmmerbeheizung
8f1 80f 1 48kr
für Kost und Quartir auf zwei Monat, nämlich bis
48f1 15. Jäner in vorhinein ausgezahit
(vielleicht nur 44f1)
zusammen
9f 1 l2kr
Es sind ihrn sohin nur noch geblieben . . .
zähle ich aber zu diesern Rest die ihm vom Hr. Pfarrer
in Türkenfeld überschikten
lOf 1 die ihm von Ihnen für den Monat November be13f 1 3Okr
händigten
dann noch weitere von Hause miterhaltenen .
.
8f 1 so dürfte sein Ka8astand noch in
40f 1 42kr
bestehen; wenn nicht etwa mir noch unbekannte nothwendige
Ausgaben meine Rechnung stören. Für das nächst wieder zu
zahien kommende, 2. Monat-Kostgeld werde ich ihm den nothwendigen Betrag bis l5ten Jäner überschiken. Die Nachricht
da8 der Knab fleissig sei hat mich sehr gefreut. Gott
gebe daf3 er es fernerhin bleiben werde, urn sich der genossenen Unterstützungen wtirdig zu nachen.
Inden ich Ihnen verehrtester Herr Professor! rnein Kind in
alien semen Anliegen bestens empfehle, bitte ich schiief3lich nur noch rneinen wiederholten Dank, den ich Ihnen aus
wrmstem Herzen bringe, so wie -ineine nie eriöschernlé Hochachtung genehrn haiten zu wollen.
182
Mit dem herzlichsten Gru1 von mir und dem Sohn Lieutenant
Ihr dankbarster Freund J.P.Rheinberger, Rentmeister.
Meine Angelegenheiten in dienstlicher Beziehung scheinen
sich zu meinen Gunsten enden zu wollen."
Rheinberger selbst versorgt die Geschwister mit Münchner
ModenovitHten und lustigen Brief en. Er schreibt an Elisabeth:
"Hierbeierhaltest Du Deine gewUnschte Bestellung: Elnen
Damenhut nach Aller neuester Façon, die es hier gibt.
Er kostete 6 fi u. 6 +er Trinkgeld; die Schachtel kostet
22 +er u. das Papier, wo drin 1st 2 +er das Briefpapier
für Dich u. Mali 1 +er - Du bist mir also schuldig: fl
31 +er (denn die 2 vielgeliebten BrUder gaben nur 5 fl
mit für Dich). Dem Toni sag, ob er nichts zu bestellen
hab, seine 2 fi warten darauf. Ich hoffe da8 der Hut nach
1
Deinem Geschmacke sei. -
Hier sterben noch täglich Leute an der Cholera - so eben
hörte ich, da sie den Vater eines meiner MitschUler (Barmann) gepackt habe.
Seid indessen wegen meiner aul3er Sorge, S' Unkraut ver-
dirbt net, sagt der Peter. Ich trage jetzt elnen schönen
Hut - Uberrock, trotz den Vaduzer Noblessen.
Das Bier ist hier dieses Jahr billig und sehr gut. -
Heute hat es Schmutz bis an die Knie - und ist ganz warm
draul3en.
Was macht die liebe Mutter? Sag ihr: Ii d'jaden Anton yin
cal cup aufs Kristkindl - verstanden?
Morgen wird Dein liebes 'Nigle' zu mir einziehen, was
mir gerade keine grof3e Freude macht.
Dem Toni Gruf und ich werd ihm bald schreiben. Peter und
David ebenfalls - wenn sie die schuldigen 1 fl 31+er
nicht vergessen, denn ich mu1 diel3 Jahr sparen. Meine Feder geht so schlecht, weil es eine Notenfeder 1st
- sonst kann ich auch schön schreiben, z.B.
'Tanze nicht zu viel mit Kielschwezli'. Gelt das ist schön!
Was macht die Seffa, liest sie fleiig? und strickt sie
kleine Socken - ? Ich lasse sie herzlich grüBen. Hr. Tschavoll schrjeb ich elnen französisthen Brief.
Grol3erbatscher 1st nicht inehr in Feldklrch sondern nach
Dornbirn versetzt.
Sobald Du den Hut erhalten, inu1t Du 'inir schreiben, sonst
gehts Dir schlecht und i 'mUBt, wenn ich zu Hause käme
Dich prügeln,
183
Dein Bruder
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor des Oratoriurnvereines.
München - - -.
"Ihro Hochwohlwohlgeboren
Fräulein - ma - ma - ma - Matsch
wohnhaft in
Vaduz
FUrchtigdumms Liachtasta.
Mein lieber, schöner, guter, angenehmer, braver, folgsamer, flei2iger, überhaupt bester, selten rotznasiger
Matsch!
I
Aufgepasst''
'
'
'
Weil's jetzt grad Gelegenheit gibt, so schreibe ich Dir
a's Briefle. Sonst weil3 ich aber nichts -.
Für Dich habe ich 2 Stücke gekauft, möchte Dir noch em
paar kaufen, aber ich darf das Geld nicht so hinausgeben,
sag also dem David - er solle Dir einen Gulden geben u.
Du legst noch einen halben dazu u. schickst mir's, so bekommst Du noch 2 StUcke. 2 und 2 sind - - - 3, néin 4
StUcke also. (Jetzt kehr das Blatt urn, jetzt kornmt was Wichtiges:) BhUti Gott!
Dein Bruder
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor des Oratoriuinsvereins."
"Liebe Schwester!
Dein Briefchen hat mich sehr erfreut,
sowie die Nachricht, daf3 Dein Hut glUcklich eingeschwärzt
geworden, sowie - dal3 das mir gewidmete Stuck von Herzog
angelangt, sowie dal3 die Mutter an meine Tabaknase denkt,
sowie da8 der David die Adresse höchst eigenhändig geschrieben, sowie daB der Vater Uber jenes Stuck so erfreut sel, sowie daB ihr mich nlcht vergessen habt, aber
am meisten daB ihr Alle wohl seid.' Hat es bei Euch schon
184
Schnee? Hier nicht, aber kalt 1st es! An den Sonntagen
denk ich iinmer am meis ten an euch - da habe ichs immer
langweilig, auBer an Vormittagen, da spiele ich immer
em paar 2cmter! abet am Nachmittag ist's langweilig, gewöhnlich regnet's - so dal3 man nicht aufs Land fahren
kann, nur Abends gehe ich immer mit Hr. Schafhäutl ins
Theater. Nit meinen ehemaligen ConservatoriumsschUlern
mag ich wenig mehr in Berührung 1ommen, höchstens mit
E. od. B. - die Andern sind falsche Tropfen. Briefwechsel habe ich keinen, als mit euch, au8er mitTschavoll in
Feldkirch - wir schreiben uns fleiaig französische Briefe. Für die Brief e vom Toni kann ich gar keinen Platz mehr
finden!! Wie gehts der lieben Mutter, sie soil ja nicht
bekümnmert sein; hier in München redet kein Mensch von
der Cholera, obschon im Monat November noch 100 Personen daran starben - man denkt hier gar nicht daran sie soil ja unbekümmert sein, das Unkraut verdirbt nicht,
ist em wahres Sprichwort.
Viele Grül3e von Doris Perstenfeld, mit Respekt zu melden
'Nikle'. Was macht der Peter und der David, 'Herr Kanzelist'????
Sag dem Vater, da ich aufs Neujahr ihm und Hr. Onkel in
Schaan schreiben werde.
1st Hr. Falkenhausen mit Frau u. Familie angelangt, ihr
schreibt mir ja gar nichts. 1st Lisa Wolf inger noch nicht
an Sgir verheirathet? So eben holte ich noch em StUck
für Arnalie und komme gerad nach Hause - schreibe Dir wieder, muf3 aber bald aufhören, denn es wird finster und
ich mu das Paquet noch vor 5 Uhr auf die Post tragen wenn ich was wei8, will ich Dir schon wieder schreiben.
Du hast mir nicht geschrieben, wie Dir der Hut gefalle,
vielleicht 1st er nicht nach Deinem Geschmacke, was mir
ieid thHte obschon ich es nicht hoffe.
GrUi3e mir Alle, die mir nachfragen - natUrlich alle lieben Geschwistern und Eltern!
Dein Bruder
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor d. OratorienVereins
NUnchen 26.12.54."
185
1854 7
"Theuerster Vater!
Gestern Abends kam die .Schwiegermutter von Hr. Herzog
zu mir, sagte: Sie komme soeben von Erlangen, viele
Grtil3e von ihm und beiliegendes Heft, weiches mich ungemein freut. Sogleich beeile ich mich, es, nachdem ich's
Hr. Schafhut1 gezeigt, Ihnen zu schicken; da ich nur
dieses Exemplar besitze, werde ich eines, oder mehrere
kaufen. Sie werden hoffentlich meinen letzten Brief, weichen ich
Einem von Hr. Maier beischlot, empfangen haben; jedoch
erhielt ich bis jetzt keine Rückantwort von Vaduz, was
Maiern auch befremden mul3.
Lise schreibt nicht, Mali schreibt nicht, Toni schreibt
nicht - nur der gute Pepi braucht so viel Postpapier.
Meine Opera gefalit alien jenen, weichen ich sie gezeigt.
Sie umfa1t 300 Seiten und wird ungefähr noch 30 andere
bekotnmen.
Jetzt leben Sie wohi, theuerste Eltern! und schreiben Sie
bald Ihrem
dankbarsten Sohn
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor.
(Lisi! es ist nicht schön von Dir, mich, der ich Dir
Deine 7 Sachen schon besorgt, ohne Antwort zu lassen!
Bessere Dich!)
In gro3er Eile, sonst hätte ich mehr geschrieben."
186
Am Jahresende schickt Rheinberger dann wieder einen Rapport
samt Bilanz nach Vaduz:
"Verehrteste Eltern!
Ich kann nicht umhin, Theuerster Vater! Ihnen beim Jahresschiusse meinen tiefgefuhlten Dank und herzlichste Wllnsche
für Ihr Wohiergehen darzulegen - besonders, da ich wei6,
und es nit dankerfülltem kindlichem Herzen anerkenne, wie
sehr und mit weicher Aufopferung Sie für mein leibliches
und geistiges Wohi sorgen.
Theuerster Vater! gebe der Allmächtige, da1 Sie noch viele,
viele Jahreswechsel gesund und f rob sehen, und Freude,
grol3e Freude sowohl an mir, wie an meinen andern Geschwistern erleben möchten. Gott wei8 es, daB dieses mein emziger, innigster Wunsch ist, und daB ich mich bestrebe,
mich dieser seiner Gnade besonders wUrdig zu zeigen. Theuerste, beste Eltern! ich bin, Gottlob, immer gesund
und, ich darf es ohne mich zu rühmen sagen, auch fleil3ig
genug, mein Ziel baldigst zu erreichen. Meine Lehrer und
Gönner sind alie, so weiB ich es gewiB, mit mir zufrieden.
Viel Vergnügen verursachte es mir namentlich, daB jenes
StUck in Vaduz angelangt, weiches Herzog mir gewidmet,
und Ihnen so viele Freude gemacht habe, wie mir Lisi
schrieb. Meine Opera 1st fertig und gef alit alien, die sie gesehen,
sehr wohi - nun wird sie schön eingebunden trotz dem Toni,
und wenn es mein ganzes Vermögen kosten solite, und Hr.
Lachner gebracht, weicher mir sagte, daB er sich darauf
freue. Hr. Leonhard babe ich auf's Neujahr eine Sonate komponiert.
Mit Tschavoli jun. unterhalte ich bestandig eine französische Korrespondenz. Hr. Naler ist gegenwärtig in Karisruhe bei seiner Nutter.
Herr Schafhäutl läBt alle schön grUBen, Salis auch, H. Perstenfeld ebenfails - ibm bezahie ich monatlich 22 fi, well
Ludwig bei mir wohnt.
Hier fUge ich nun noch in Kürze meine Ausgaben bis Neujahr
an:
187
fi
Dem Doktor
Perstenfeld
Für Holz
einen Hut
Uberrock
in 2 Concerte
Für Hausschuhe
Notenschreib- u.
Packpapier
elne ZahnbUrste
n Kamm
8
-
44
-
8
-
3
10
fi
+er
2
-
-
36
Für Siegellack
Kerzen
Bleistifte,Federn Malis Musikalien 2
'I
Aufenthaltskarte 2
Krankenhauskarte 1
"
Hosenträger
einen Kalender
Briefmarken
Lisis Hut, mir
nachzubezahlen
Auf der Reise
11
It
1
12
-
15
-
18
1
Suinmarum
99
+er
12
12
24
42
24
30
42
15
36
30
25
59
Vom l5ten Nov. bis Neujahr 1855.
Ich dachte mir zuvor, mir auf das Kristkindl etwas zu kauf en
aus dem Gelde, weiches ich von Hr. Vetter in Schaan hatte,
nachdem ich aber die Ausgaben berechnet, dachte ich, jetzt
lasst du es bleiben! Was macht die liebe Mutter? 1st sie gesund? Lisi und Mali
sollen mir schreiben, was der 'Samiklos' gebracht; auf
die Feiertage erwartete ich von ihnen Briefe, weil ich's
so langweilig hatte. Besonders am Stefanstage; es regnete
und windete den ganzen Tag, nicht einmal das Bier hat mir
geschmeckt. Die Mette vom Weihnachtstage wurde nicht um
12 Uhr, sondern 5 Uhr früh gehalten, denn man befürchtete
wegen der Brechruhr. Weihnachten Abend wurde im Concert
Haydn's 'Jahreszeiten' gegeben. Dem Toni schreibe ich auf
semen Namenstag. - Jene 10 Gulden, welche mir Wolfinger
schickte, waren Monatgelder; ich habe sie, sowie die 13 fl
30 +er dieses Monats, noch nicht abgeholt. Sind Malls Musikalien angekommen? Spielt es sie oft? Was macht Peter,
David, Seffa? Heute (Freitag) zum erstenmal Schlittbahn. Ich gebe jetzt
eine Harmoniestunde, welche mir wöchentlich 2 Vergeltsgott
bringt! Ich freue mich recht auf Vaduzer Briefe - indem
ich obige herzlichen Wünsche nochmals wiederhole, verblèibe ich Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
MUnchen, 29.12.54.tt
188
Inzwischen 1st Josef Rheinberger häufig als Gast und
Schüler im Hause des Generalmusikdirektors Franz Lachner.
Rheinberger legt ihm seine Kompositionen vor, zumal jetzt
seine ersten Werke öffentlich aufgefuhrt werden.
In seinem ersten Brief des Jahres 1855 berichtet Rheinberger folgende Neuigkeiten nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Ihr Brief mit den beiliegenden 50 fl war mir em neuer Beweis Ihrer vHterlichen GUte und Sorgsamkeit gegen ndch.
DaB ich sie erhalten habe, wird Toni Ihnen gesagt haben,
wenn er meinen Brief erhielt, weiches ich hoffe, obschon
er mir ihn nicht .beantwortete, was nicht schön von ihm
ist.
Neues kann ich diel3ma]. eben nicht viel schreiben, als daB
ich mich wohi befinde, und (ohne mich zu ioben, sagen
kann) daB ich fleil3ig bin. Nachdem meine Oper eingebunden
war, trug ich sie zu Hr. Generalmusikdirektor Lachner. Er
war ausgezeichnet zufrieden und bedauerte, daB meine Wahi
auf einen so unbedeutenden Text gefallen, sonst hHtte er
sie aufführen lassen. Letzten Sonntag vor 8 Tagen war ich bei ihm, Lachner, zu
Tische geladen; er steilte mich seiner Mutter, Frau, Tochter und Sohn vor - mit welch' letzterem ich nun seit der
Zeit nHher bekannt worden bin und öfters zu ihm komme. Bei jener Gelegenheit hätte ich, wenn ich em paar JHhrchen alter gewesen ware, eine Direktorsstelle mit 1000 fi
bekommen, weiche es nicht alle Tage schneit; es konnte
imich dieses ungeheuer ärgern. Hr. Lachner gibt sich viel MUhe mit mir, ich war heute
schon das 6te Nal in diesem Monate bei ihm, und lieB ihn
em Offertorium durchschauen, weiches ich, schön geschrieben und eingebunden, als op. 18 H. Prof. Naler gewidmet
habe. Hr. Lachner gefiel es gut und morgen bekommt es
Hr. Naier. Wie ich das letzteival bei ietzterem war, sagte
ich ihm, daB Sie, Bester Vater! ihm geschrieben hHtten,
ailein, er hatte keinen Brief erhaiten und sagte, Sie
möchten nochmals schreiben! - Bei ibm liegen nun 27 fi und
mit jenen von Wolfinger 37 fl für mich wieder bereit. Zu Hr. Leonhard koimne ich auch oft. Hr. Herzog soil es,
so viel seine Schwiegermutter sagt, sehr gut gehen; auf
Ostern konunt er sicher. Der Sohn des Hr. Direktors vom
189
Conservatorium hatte mich letzthin, nachdem er mich 1 1/2
Jahre ignorirt hatte, sehr freundlich eingeladen, ihm
meine Oper zu zeigen; allein Hr. Schafhäutl sagte, ich
solle nicht hingehen, indem ich bei Lachner an Credit embU8en würde. Zu Hr. Schafhäutl gehe ich 2 Mal wöchentlich
und wir machen oft Schlittenpartien. Der Oratorien-Verein
gibt nächstens Concert; als Chorrepetitor bin ich sehr beliebt. Nächsten Freitag (Lichtmess) wird em Offertorium von mir
in der Basilika aufgeftihrt, und nächsten Sonntag em anderes mit Orchestre in der Ludwigskirche. Gegenwärtig habe ich einen Schüier in der Composition und
Kiavier, Konrad Muggli aus Luzern, em früherer SchUler
von Schnyder v. Wartensee. Gegenwärtig macht hier eine
spanische Tänzerin, Pepita de Oliva, Furore. Man dachte,
man hätte hier der spanischen Thnzerinnen genug gehabt.
Bei ihrem ersten Auftreten machte sie wenig Enthusiasmus,
aber nur del3wegen, weil gerade die Nachricht ins Theater
kam, da2 es brenne; rlchtig brannte bei der griechischen
Kirche em Haus ab. Seit Neujahr 1st es sehr kalt, heute
hatte es 16° Kälte. - Von Tschavoil jun. erhielt ich noch cinen Brief vor seiner
Abreise nach Strassbourg. Nun weif3 ich nichts mehr. Hier folgen meine Ausgaben in
diesem Nonate:
Für Handschuhe
'I
em Taschenmesser
It
Kerzen
I,
'S Haarschneiden
I,
Federn
I,
Haaröl
I'
einen Stempel
(für Toni)
Summa
- 48
- 36
- 12
-
Für den Brief trager
em Musikstück
Dem Buchbinder (Oper) -
9
- 18
3 15
3
12
42
(Offer-
6
6
2
torien
Für Bleistifte
Notenpapier
-
Ub er trag
3
15
Summarum
6
51
24
-9
-6
Was machen die lieben Geschwister und Mutter? Sind sie alle
gesund? - Der Toni soil mir bald schreiben, oder wer will!
In der Hoffnung, da2 alle, vorzüglich aber Sie, Beste Eltern! sich gesund u. wohl befinden, verbleibe ich Ihr
dankschuldigster Sohn
Jos. Rheinberger
München, 29.1.55."
Correpetitor d. Orat. V.
190
Im neuen Jahr schickt Rheinberger monatlich eine genaue
Liste seiner Ausgaben nach Hause, urn zu beweisen, da8 er
keinen Kreuzer unnötig ausgibt. Im Oratorien-Verein hat
er sich eingearbeitet und ist mit Arbeit you ausgelastet.
Der Februar-Bericht nach Vaduz lautet:
"Theuerste Eltern!
Es freute mich ungemein, von Ihnen, Bester Vater und von
Toni vernommen zu haben, daI3 Sie sich alle des besten
Wohiseins erfreuen. Gottlob! da8 ich das von mir auch sagen kann. Vorerst habe ich viele Empfehlungen von den Herren Maier
und Schafhäutl; welch letzterer nicht auf die Pariser
Ausstellung geht, denn er sagte, er htte deren dieses
Jahr genug gehabt. Zu Hr. Maier gehe ich wöchentlich emmal, urn ihm Rechenschaft von meinen Arbeiten zu geben,
womit er immer ausnehinend zufrieden ist. Sonntag nachmittags wird gewöhnlich bei Hr. Leonhard rnusiziert. Zu Hr. Generalrnusikdirektor Lachner komme ich gewöhnlich
alle Wochen eininal - in der Zwischenzeit besieht er meine
Kompositionen und sagt mir immer, was daran auszustellen.
Vorgestern (Sonntags) war ich wieder bei ihm zu Tische geladen und rnufte nachher meine, Leonhard gewidmete Sonate
vorspielen. Jene Stelle, zu der ich hätte gelangen können,
war in Zweibrücken in der Pfalz. Gestern gab unser Oratorienverein sein erstes Konzert mit sehr groBem verdientern Beifalle. Dieser Verein rnacht mir viel zu tun, denn
oft haben die Darnen, dann wieder die Herren allein Probe;
jedoch lerne ich vieles dabei und bin auf meinern bescheidenen Pos ten nicht ohne Neider. Diese Wochen traten die
letzten Industrieausstellungsgaste ihre Heimreise an,
närnlich die der Cholera zum Opfer gefallenen, welche ausgegraben und in ihre Heirnat geeisenbahnt wurden. Letzten
Samstag vor 8 Tagen fiel hier soviel Schnee, dal3 man in
der Stadt die Kommunikation nur rnir Mühe erhalten konnte,
an manchen Stellen 4 - 5
tief. Letzthin erhielt ich eine Vorladung auf die Polizei. Man
sagte mir, es sei noch em junger Hr. Rheinberger aus
Vaduz hier, lerne auch Nusik, wohne auch in der Mullerstrage: ob dieser mein Bruder ware? Ich fragte, wie er
heil3e? Gabriel! Dann bin's ich selbst! sagte ich. Nun
ging's Uber den armen Schreiber los, er hatte beirn Passabschreiben Josef u. Gabriel geschrieben.
'
191
Hier noch das Verzeichnis der Ausgaben:
fi
Für Papier
"
einen Stock
Stahifedern
Notenpapler
Kerzen
Dem Buchbinder
Für Umschlagpapier
elnen Hut ausbügeln
eine Hutschachtel
Handschuhe
It
Konzertzetteln
Briefmarken
em MusikstUck
1
-
+er
9
42
12
12
12
24
6
12
30
42
6
9
1
(Für Hr. Amtsschreiber, es war nur em Exemplar noch vorhanden, das andere ist bestelit, sie sollen bald kommen)
Summa 6 fi.
Das sind die Ausgaben des Februar. Für Fastnachtsbelustigungen 1st, glaube ich, wenig darunter.
Wie geht es zu Hause? Von Hr. Kanzelisten und dem urn 9
}tann verstärkten Hr. Lieutnant höre ich garnichts. 1st Lisa
verheirathet mit Hr. Oberfbrster?
Leben Sie wohi, theuerste Eltern! und schreiben Sie bald
ihrem dankbarsten Sohne
Jos. Rheinberger
Chorrepetitor des Orv.
München den 27.2.55."
In Nünchen besorgt Rheinberger Nusikalien für Vaduzer Bekannte und fügt folgende Zeilên hinzu:
"Verehrteste Eltern!
Urn dern Wunsche des Hr. Amtsschreibers Kessler zu gentigen,
tiberschicke ich hiemit die verlangte Musik; es that mir
leid, nicht eher ihrn dienen zu können, ich bitte, mich
ihm höflichst zu empfehlen. Ich freue rnich recht auf Briefe
von Ihnen, Theuerster Vater! von Anton und den Schwestern.
Ich erfreue mich bestEndig der besten Gesundheit, wofür
192
man Gott nicht genug danken kann.
Die Cholera macht wieder einige Fortschritte, jedoch ohne
TodesfHlle. Der Mutter lass ich sagen, es freue sich auf
semen l6ten Namenstag ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
MUnchen, 6.3.55."
Josefs Schwester Lisi bekommt auf ihren Brief elne ausführliche Antwort mit Münchner Neuigkeiten von ihrem
Bruder:
"Liebes Lisi!
Soeben wolite ich inich niedersetzen, so lEutet's an, und
ich bore elne BaBstiine fragen, ob hier nicht em Herr
Schein, Fein, Klein, oder Reinberger wohne. Es war der
Brieftrager. Er brachte mir 54 fi und zwei Brief e, einen
vom 1. Vater, wofür ich ihm herzlichst danke, und einen
Brief von Dir. Vorerst sage dem Vater, daB ich bis jetzt 150 fi von zu
Hause, 13 fi 30 +er von H. Maier und von Herrn Vetter in
Schaan auch noch etwas gehabt habe, es also seine Richtigkeit mit den Ausgaben gehabt (hat). Der leise Vorwurf von
Verschwendung that inir etwas wehe, denn man wird unter
ineinein Ausgabenverzeichnil3e wenige (Posten) finden, die
entbehrlich sind, wenn man nur etwas honnet unter angesehenen Familien erscheinen will. Letzthin zeigte mir Hr.
Prof. Maier eine Büchse, weiche mit Geld angefüllt war,
schüttelte sie, und meinte lächelnd, das klinge erfreulich
für mich. Es waren meine BeitrHge; wie viel ich vom Verein
(Oratoriuni) aus beziehe, weil3 ich nicht. Das Alles sagst
Du deni 1. Vater und der guten Nutter, weiche ich herz-
lich grüBen lasse. -
(Ende der Rede d. Finanzministers).
Herr Prof. Maier besorgt inir nun wahrscheinlich einen guten Operntext. Bel F. Lachner u. Frau Generaldirektorin fragten besonders
dem Natscherle nach! ! I Der junge Lachner ist em Jahr
alter wie ich, und hat gegenwErtig die Grippe, weiche sehr
stark hier auftritt. I-rn Industrieausstellungsgebaude werden
gegenwärtig Rekruten einexerciert. - Hier 1st das Wetter
alle Tage gleich, in der Früh scheint die Sonne, wie mm
193
Sommer, Mittags regnets, Abends schneits, und in der Nacht
Mondschein. Was soil ich Dir noch schreiben??
Auf meinen Namenstag habe ich schon 2 Einladungen erhalten,
(eine von Hr. Schafhäutl u. eine vom Vater jenes Deprof3e,
welchen der Peter schon kennt.) Der frUhere Buchhalter
der Mangnerschen Buchhandlung 'Rosolt' (der Peter kennt
ihn schon) von Feldkirch 1st jetzt bier, wenigstens hab
ich ihn gesehen. Er kennt mich nicht mehr, was auch nicht
nöthig 1st. Nagiller ist jetzt wieder bier, ich sehe ihn
alle Sonntage; er sagte mir, er komponire bier eine Oper;
er fragte besonders, wie es Hr. Schmutzer gehe, den er
grüt3en lasse.
Von Herrn Tschavoll jun. erhielt ich bis jetzt noch keinen
Brief von StraBbourg aus, er schrieb mir Im Ganzen 3 mal. Jetzt wirds dunkel, es ist zwar erst halb 5 Uhr, aber es
schneit. -
Grüf3e mir die Frau Oberförsterin 'Madame Elisa Schaner',
welcher ich am Fastnachtsmontage em MaB1 Doppelbier steigen liet3.
So Lisi, jetzt mach auch, daf3 Du bald nach kommst, verstanden?! Du meinst ich habe Dir nicht geschrieben wegen
Mangel an Papier? Dummheiten! Dem Mali schick ich bier
elnen Bluzger, der sich, weil3 Gott wie, hierher verirrt
hat, damit es sich elnen Bogen Papier kauf en kann, mir
zu schreiben.
tibrigens freute es mich von ibm zu vernehmen, daIs es so
flel$lg lerne.
Was machtder 'Giggermarti'? Ich lal3 ihn grül3en; und der
Hr. Buchbindermeister Toni? und Kanzelist David? und Generalissimus Peter? er wird wahrscheinlich auch zum Bundesfeldherrn vorgeschlagen sein. Seine Bestellung werde ich
baldigst besorgen. Jetzt sebe ich gar nichts mebr; wer
hat es dIel3 Jahr verspielt? auf dem SchloI.
Jetzt grü2 mir die Sepha und nun leb' wohl
Dein Bruder Jos. Rheinberger
Chorrepetitor.
München den 13.3.55."
194
MagistratsfunktionEr Perstenfeid, bieder und bigott wie
eh und je, sieht Rheinbergers charakterliche Qualifikationen in einer Gioriole, die deutlich von Interessen beieuchtet ist:
"Euer Hochwohigeboren!
Nach rnehrmonatiichern Stilischweigen erlaube ich mir, dasselbe zu unterbrechen, und Euer Hochwohlgeboren mit diesen
Zeilen zu behelligen. Da2 in Ihrer Familie Alies im besten
Wohiseyn sich befindet, hat mir Pepi schon gerneldet, und
ich danke Ihnen für die herziichen Grü1e, die Sle mir durch
denseiben mitbringen iiel3en. Auch in unserer Familie ist - Gott sey es gedankt, Alles
sehr gesund, und ich habe Ihnen herzliche Gruge an Sie
und die Ihrigen von meiner Frau und meinem Ludwig entgegen
zu biethen. So viel ich wahrnehrne., wird Pepi's Aufenthalt in München
nicht mehr von sehr langer Dauer seyn, und ich denke daher
jetzt schon -mit bangem Herzen an die Scheidestunde, wo ich
diesen mir so ileb gewordenen Sohn - denn ais soicher gait
er in unserer Familie - verileren soli. Er 1st mit den zunehmenden Jahren iiebenswilrdiger geworden, und sein edies
Herz spiegeit sich in seinem AuBeren, sein Charakter ist
fest, sein Benehmen augerst soiid, sein ganzes Wesen fiogt
Zuneigung und Wohiwoilen auf seine Urngebung em.
Wenn es nicht Sünde wEre, so wiirde ich Sie urn das Giück,
einen soichen Sohn zu besitzen, beneiden.
Da13 er elne Zierde - ja vielieicht der Glanzpunkt Ihrer
Farnilie wird, 1st fast auIer aliem Zweifel, denn sein Name wird vielieicht bel der Nachwelt so ehrenvoll kiingen,
wie die Harmonien, die sein junger schöpferischer Geist
schafft. Die Verehrung, die ihm hier durch ausgezeichnete
l4Enner gezolit wird, 1st mir Bürgschaft für den eben ausgesprochenen Satz, und Sie werden einst an meine Worte
denken, wenn auch durch die LEnge der Zeit mein Name anfEngt sich in Ihrern GedEchtnige zu verwischen. Uns wird sein vierjEhriger Aufenthait in unserer Mitte unverge2lich bleiben, und ich habe den sehnlichsten Wunsch,
wieder - nach seiner dereinstigen Abreise - einen jungen
Menschen zu bekommen, der ihm doch nur einigermal3en gieicht.
Haben Sie vieiieicht in der Folge einmai Gelegenheit, mir
elnen Knaben oder JUngling, der aber kathoiisch seyn mug,
195
zukommandiren zu können, so wird es mich recht freuen;
ich habe gerne junge Leute urn mich, die Kopf und Herz
auf dem rechten Fleck haben.
Freilich rnii8te es em
ganz gut erzogener Junge seyn, damit er es auch behaglich bei uns finden kann; denn em
Schwindlèr: würde es bei uns nicht aushalten können, dem
ware es zu langweilig. In den langen Winterabenden z.B.
wird zur Erhebung aus irgend einem guten Buche vorgelesen, und an Sonn- und Feyertagen Nachmittags begnugt man
sich mit einem Spaziergange auf em nahegelegenes Dorf.
Karneradschaf ten werden in der Regel nicht, sondern nur
ausnahrnsweise geduldet, wenn nämlich unzweideutige Beweise von Rechtschaffenheit vorhanden sind. Das Honorar richtet sich nach den Zeitverhältnissen. Es
wird mir sehr angenehm seyn, wenn Sie mich mit einem
Brief e beehren, und in Erwartung dessen empfehle ich mich
mit der volikommensten Hochachtung,
und nenne mich
Euer Hochwohlgeboren! ergebensten Freund
Joh. Ev. Perstenfeld
München, den l5ten März 1855."
Zum Ende des Monats MHrz erhalten die Eltern von Josef die
Ubliche Ausgabenliste und einen kurzen Rapport.
Er schreibt:
"Theuerste Eltern!
Da Ihnen Lisi wohi gesagt haben wird, was ich ihr in meinem letzten Brief vorn (ungefahr) l3ten dieses Monats geschrieben babe - so babe ich nur noch wenig Neues beizufUgen - d.h., da8 ich mimer gesund bin und nicht weniger
fleil3ig. -
An meinem Namenstage war icb bei Hr. Prof. SchafhHutl zu
Tisch geladen, wobel ich auch Hr. von Salis-Sogilo spracb;
hernach fuhren wir auf's Land, in die Menterschwaige, wo
Ich -mit Peter auch gewesen bin. (Peters Bestellung babe
ich nachgefragt und inne geworden, daB eine soiche SHbelkuppel mit doppelten Borten und weiB Gott noch was 13 fi 30 +er koste). Letzthin batten wir a la Mentschikoff scbönes Wetter und
sonst - nicht Neues; jetzt schneits wieder und ist ziemlich kalt. Uber Ostern werde ich nicht nach TUrkenfeld
196
gehen, well Hr. Herzog nach Nünchen kommen wird. Hr. Prof.
Maier geht nach Greifenburg und von da nach Türkenfeld.
Wenn ich den Toni seine Bestellung (die ich übrigens noch
nicht kenne) schicke, werde ich dann auch noch zwei Photographien schicken; eine Ansicht von Vaduz und eine von
meiner Vaduzer-Wenigkeit, die mir elner meiner Freunde
(Sohn des kgl. sgchs. Hofr. Hanfstangl, der mich früher
für Hr. SchafhHutl photograpiert) umsonst verfertigt hat.
Tschavoll jun. von Feldkirch hat mir nun wieder von StraBbourg geschrieben, ich mu8 ihm nun eine Composition für
Violine schreiben. Wir sind nun per Du.
Meine Ausgaben Monat März
fi
+er
Den Brieftrger
-
18
den Schuhmacher
das Notenheft für Hr. Kessler
Notenpapier
Kerzen
Haarschneiden
für Seife
2
1
-
-
48
-
12
4
33
Sumrna
9
6
NB. An meinem Geburtstag 19 +er verlumpt !!!
Schlief1ich lasse ich alle nochmals herzlichst, vorzUglich die liebe Mutter, grüf3en und danke Ihnen, Theuerster
Vater! für alles empfangene Gute und verbleibe Ihr dankbars ter Sohn
Jos. Rhèinberger.
München, 30.3.55."
Einen Monat spHter lautet der Bericht ins Elternhaus:
"Theuerste Eltern!
Ich hEtte diesmal gem gewartet mit schreiben bis Toni
mir geantwortet hätte, allein darüber ware der Monat zu
Ende gegangen. - Hat Peter denn seine SHbelkuppel nicht
erhalten, well ich keine Antwort bekam? Theuerste Eltern! Oft denke ich, werde ich dieses ganze
Jahr hier in München bleiben können, oder wohin sonst?
197
Hr. Prof. Schafhäuti spricht freilich davon, wie von einer
ausgemachten Sache, aber ich will ihn auch nicht geradezu
fragen. Wenn ich hier nur elne kieine Steile hätte, das
Ubrige ware meine Sorge, - wenn ich nur urn 3 - 4 Jahre
alter ware - hörte ich schon oft. - - Letzthin wurde im Saaie des kgi. Conservatoriums em Quintett (op.l9) von mir aufgefuhrt, was sehr gefiel. Ich bekam darüber verschiedene Complimente.
Dass Herzog hier war, habe ich schon geschrieben. Gestern
begegnete ich Hr. Salis-Soglio. Er fragte inich unter anderm
ob Peter wohi Lust hHtte, in österr. Dienste zu treten;
ich sagte, ich wilsste es nicht, worauf er bemerkte, wenn
dem so ware, würde er mit FUrst Schwarzenberg reden, der
wUrde lb-rn nichts abschiagen. -
Ich befinde mich sehr wohi, was ich auch von zu Hause zu
vernehmen hoffe, besonders auch von Ihnen, teuerster Vater! Morgen, (1. Mai) werde ich, well das Wetter hUbsch ist,
nach Starnberg fahren. Nächstens ist wieder Concert des
Oratorien-Vereins, wobei ich auf der Orgel (noch iminer mein
Lieblingsinstrument) auch mitwirken werde, wozu ich mir
einen schwarzen Rock anschaffe. Der Toni soil mir bald schreiben, oder der brave Hr. Kanzelist.
Was -macht die Liebe Mutter, - spinnt sie fleissig?
Indem ich auf einen baldigen Brief von Ihnen, Theuerster
Vater! hoffe, verbielbe ich Ihr dankschuldlgster Sohn
Jos. Rheinberger
Ntinchen, 30.4.55."
Im folgenden Brief kündigt Rheinberger die Komposition
einer grofen Oper an. Dieses Werk, nach einem Text von
G.A. Hemmerich, wurde nur bis zum ersten Akt fertiggestelit.
"Theuerster Vater!
Soeben erhielt ich die lieben Briefe von zu Hause und da
ich gerade em Stündchen Zeit habe, beelle ich mich, Ihnen
zu antworten. Ihr Fussleiden hat mich tief betrUbt, gebe
Gott, dass es bal4 vorüber gehe. Das Lisi oder sonst jemand soil mir ja recht bald schreiben, wie Sie sich, innigstgeliebter Vater befinden; ja recht bald!
Nein Rock hat 16 Gulden gekostet, jedoch 1st es durchaus
198
nicht nöthig, dass Sie mir jene 10 fi schicken, denn so
viel, als ich ausserordentliche Ausgaben babe, yerdiene
ich mir schon.
Einen Operntext babe ich nun glucklicherweise gefunden,
und zwar bei einein jungen, beinahe blinden Dichter; er ist
gesonnen, ihn mir nach folgendem Bedingnisse zu überlassen,
dass ich ibm, im Falle die Oper aufgeführt würde, die Halfte des Honorars zukommen lasse, weichen Contract ich mit
ibm sogleich schloss. Die Oper wird gross, wenn es gut geht,
kann ich damit in einem Jahr fertig werden. GegenwHrtig
componire ich eine Symphonie op.22, weiche sehr den Beifall des Hr. Generalmusikdirektors hat.
Es freut mich, zu vernehmen, dass die Kuppel dem Peter gefallt; ich werde Hr. Salis genau ausrichten. Dem Toni Gruss
u. das nämliche. Die Mutter soil mir jenen Thaler nicht
schicken, sie soil's es für geschehen betrachten und sich
eine gute Prise Tabak anschaffen, wovon ich auch schnupfe,
im Falle ich dieses Jahr nach Hause kame. Indem ich den lieben Gott bitte, Sie, Verehrtester Vater!
baldigst von diesem Ubel zu befreien, verbleibe ich Ihr
dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
München 8.5.55."
Uber das Konzert des Oratorienvereins, bei dem Rheinberger
als Organist mitwirkte, schreibt der "Münchener Punch" in
seinem artistisch-literarischen Teil vom 20.5.1855:
"Em
schöneres Lebens- und Strebenszeichen konnte der unter
Frhrn. v. Perf all's unermUdlicher Vorstandschaft bestehende
Oratorienverein nicht von sich geben, als die Auffuhrung
des Händel'schen "Simson"(comp. 1741), worm wir die emfache aber unwiderstehliche Wahrheit und Klarheit der Melodie, den kraftvollen Schwung der Chore und die Gewalt meisterhafter Ensembles bewundern. Die ChOre selbst, mit Orchester- und Orgelbegleitung, gewannen vorzUglich dadurch,
dass sie von jungen frischen Stimmen vorgetragen wurden.
Zwei ausgezeichnete Mitglieder besitzt dieser Verein in
Fr. v. Mangstl-Hetzenecker 'und Hrn. Diez: erstere sang den
Flicha, letzterer den Simson. Besoners origmnell und drastischSt der Trauermarsch mit obligater Orgel und Pauke."
199
Vom 15. April bis zuxn 15. Juni, also in einem Zeitraum
von genau zwei Monaten, schrieb der i6jährige Rheinberger
seine erste Sinfonle in D-dur, JWV 41, für grol3es Orchester.
Das im nachfoigenden Brief erwähnte Streichquintett in
D-dur, JWV 35, war zu Anfang des Jahres entstanden. Rheinberger berichtet nach Hause:
"Theuerster Vater!
Aus Ihren verehrten Zeilen ersah ich zu meinem Leidwesen,
dass sich ihr Fussleiden noch nicht gehoben hat, hoffentiich aber wird es seit dieser Zeit besser geworden sein. Nun zu meiner Symphonie. Letzten Freitag nachts wurde ich
damit fertig. Hr. Prof. Schafhäuti glaubt, sie werde sehr
gefallen. Sie beträgt 160 Seiten und 1st die angestrengte
Arbeit von 2 Monaten. Nun ist sie beim Buchbinder und wird
trotz einem Ant. Rheinberger, Ritter des Papier- und Lederordens etc. sehr schön eingebunden. Von deren Gelingen kann
vieiieicht manches abhängen. - - -
iJberinorgen wird sie Hr. Lachner vorgelegt. Dann zur Oper:
Zwei Akte habe Ich von meinem Dichter erhalten, zwei soil
ich noch bekommen. Die Ouvertüre babe ich schon skizziert,
und noch manches andere, aber in Partitur zu setzen werde
ich noch warten, bis ich's beisammen habe. Vieileicht bald
Näheres darüber. - - Lisis Bestellung gab ich heute post. rest. Sevelen an Fräulein Elise Rheinberger auf die Post, nebst den Photographien
von Vaduz und meiner Wenigkeit; Donnerstag kann es jedenfails nach Sevelen gehen; auch babe ich dem Mali em Brief-
chen beigeschlossen. -
geschiossenes,
nur den ausserordentiichen Mitgliedern zugängliches; deswegen konnte nichts in der Aug. Ztg. sein. - Hr. MUller
von Baizers bedaure ich sehr und wiinsche ibm von Herzen
Besserung; ibm und seiner werten Familie viele Grüsse von
Das Konzert des Oratoriumsvereins war em
mir. - - -
Der Nachfolger des Hr. Herzog heisst Scherzer, em Verächter unserer Kunstheroen, was Zeugnis genug 1st; er
macht mir bei jeder Gelegenheit Complimente über mein Quin-
tuor, weiches er zufällig hörte; auf der Orgel jedenfalls
nicht schlecht, aber könnte kaum eines Herzog's Kammer-
lakai sein.
200
Von Toni habe ich noch keine Rückantwort, hoffentlich wird
er seine Sendung zu seiner Zufriedenheit erhalten haben. - Was machen Postmeiers? Besuchen sie uns oft? Viele Grüsse
an alle. Nach der Auffuhrung -meiner Symphonie werde ich jedenfalls
gleich schreiben und Bericht erstatten. Doch nun 1st es Zeit, in den Oratoriums-Verein zu gehen.
Indem ich Ihnen, Theuerster Vater! vielmals meinen kindlichen Dank für Ihre -väterliche Sorge erstatte, verbleibe
ich Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
11ünchen, den 18.6.55 bei April-Wetter.
Die Mutter lass ich grUssen!!"
Die Schwester Elisabeth erhält zu gleichen Zeit elnen launigen Brief. Rheinberger schreibt ihr:
"Lie- - - -bes Lie - - si!
Dein Briefchen hat mich Uberrascht, besonders aber, da8
die Titl. Hr. Brüder so spleen- -did sind, und dir Widder
Ei- -nen neuen Hut kauf en. Das Wirth Hitz gekostet haben!
Es freut -mich zu vernehmen, daB Ihr Alle Euch so wohl
findet und kein fl Euch Dissonanzen hören laf3t; und daB
das Nat-scherli so f--läusig ist.Gestern hatten wir hier Feuer--tag(Samstag), es war hier
"Kelbe" (St. Benno). Es regnete den Gans--en Tag, und ich
hatte Laa- - - -nge Weile -.
Nachmit tags war ich bei einem Regierungsrath El--nladen zu einer Soirée musicale, wo ich mit--würgte.
Abends ging ich mit Ei--nemFrei--nde zum Baden nach der
Georgensschwaige, einer Badnstalt, eine Stunde von
hier. -
Heute 1st Sonn--talg, es regnet Widder. Ich koimne soeben
aus Theer Kirche, und will vor dem Essen Thier noch Schrei-ben.Sinstag Abends 8 Uhr .wurde ich mit der Symphonia fertig sie hat gerade 160 Säu--ten; das 1st a "Bumma-Arbet"
dHth der Hans sagen. Ich weiB nicht, das mir Haute nichts
Scheit--es- Ein--fallt.
(Die Fee--der gehtMüh--sehr--Abel schlecht, und ich schrei-
201
be doch so schön!!) Hieit Ehr--halt--est du auch meine
Faut--o--Graf--i nun.
Ich mach da gerade El--n so Sau--res Gesicht, well ich
eben an Dich Dach--te.
Letzthin muBte ich mit Eu--neer Gräf in Luxburg oft Kla-Feuer spielen, jetzt ist sie A--Beer aufs Land
gegangen.
tin Oratorien-Vö--rein geht nicht Meer flel zu--Saamen,
weil Allee Frau--unzlefer aufs Land gehen.(Ich baa--b das Teu-dtsche gans ferlernt, well ich nur
Neer - MUnch - närrisch röthe.-)
Das BUr ist jeezd Soeur Theuer, es kostet das Ma131 elnen
6öhr und em Lodwiks dr. .erl und 2 Pfe- - -ninge, summarum 7 1/2
er.
Frau Auber--first--Ehr--Inn laB ich krU-s-s-en und - - 6 Takte Pausen.
Jetz Wirth aufdekt, und zsoppastootufamdesch - und nach
dem
sen Widder 11eer.
NehrereiYhiesigen Dr.. .Componisten 1st es nicht recht daB
melne Symphonie aufgeführt wird, sie können mich - - - gem haben.
Jetz Gseagsgottfl!
So jetzt war ich fertig; jetzt was Hanni gessa - a Soppa,
a Brötle und an Salötle und 1/2 bir; und Du an Rebal und
Polenta und an Erbssoppa und Koirabe und melun, fuldieival
romanisch bon a sera, bien-di, sessel ed ada, grando land
amnia piestch. Ii d'iakob antoni vien cal potschambeeli,
oder so nänmds
Letzthin erhielt ich von elner Baronesse Riederer für
Orgelspielen em See--rschönes Haistuch zum Geschenke,vielleicht bekomme ich noch em paar stoppane souvenir
Vaterinörder zum Präsident oder a Böxle voll Bartsalbe.Auchwirthleperstenkeingeld lot dl grüzza, und gibt dir a
Schmatzerli, halt,johalt,johalt a guats, jtzt bhUatigott,
befohlazgrUl3a und schrieben bald a seen broder
gentleman englishman
Renomonte . -
202
Julius Josef Maier, der sich urn die Finanzierung von Rheinbergers Ausbildung in Münchenweiterhin bemühte, schrieb
am Ende des Semesters an Rheinbergers Vater:
"Verehrtester Herr Rentamtrnann!
für Joseph habe ich eingenommen:
freiwillige vom Novbr. 54 bis mci. Juni 55 erhobene
13 fi 30kr) = 108 fi
Beltrage (8 Monate
freiwillige Beiträge der Oratorienveremnsrnitglieder für
=
42 fi
Joseph's Ciavierbegleitung
150 fi
Hiervon hat Joseph folgende Posten erhoben:
13 fi 30 kr
22 fi 22 fi 4 fi 30 kr
15 fi 30 kr
30 fi 107 fi 30 kr
Es verbielben somit bei mir noch 42 fi 30 kr.
(Der ietzte von Joseph erhobene Posten von 30 fi ist für
Monat Juli, August u. Anfang September bestinimt, denn:)
Anfangs August werde ich München veriassen und erst zum
10.f12. Sept. wiederkehren. Nun woilte ich Sie fragen, ob
ich die betreffenden 42 fi 30 kr und die Beiträge pro Juli
u. August = 27 fi Joseph seibst baar aushändigen oder bei
meinen Bekannten deponieren soil, wo Joseph, fails sich
eine aul3ergewöhniiche Ausgabe ergeben soiite, das Nothige
erheben könnte? Ich möchte hierüber, ohne Ihre Einstirnmung,
nicht beschiie8en.
Joseph 1st sehr fiei8ig, er hat eine überraschende Anzahi
gröl3erer Compositionen gemacht, die einen sehr erfreulichen
Fortschritt bekunden und die schönsten Hoffnungen berechtigen. Ich freue mich herziich, Ihnen dief3 rnittheilen zu
können. Nun möchte ich mir unmaBgeblicherweise aber eriauben, zu wünschen, daB Sie Joseph während der Zeit, ais der
Oratoriurnsverein keine Proben halt (- 1. Oct.) hier iassen
und nicht nach Hause ruf en rnöchten. Die Gründe hierfür sind
einfach foigende: Joseph hat 2 Privatstunden, diese würde
er wahrscheiniich einbüBen, indem die 2 Schüler bel einer
soiangen Unterbrechung sich wohi urn einen anderen Lehrer
203
uxnsehen wUrden. Elne Symphonie Josephs wird aufgefUhrt
werden, frUhestens Anfangs August, möglicherweise auch
kurz oder lang nachher u. es ware sehr gut, wenn Joseph
nach ihrer AuffUhrung hier bliebe, well er in Folge dessen
Privatstunden erhalten könnte. Da Joseph's Interesse es
verlangt, daB er hier bekannt werde, Terrain gewinne, so
1st auch nöthig, daB er inmier vorhanden 1st, denn nach
einer Abwesenheit von 2 - 3 Monaten mUBte er in vielem
wieder vorne anfangen. Erarbeitethier ungestörter und
angeregter als zu Hause, denn er hat fast taglich Gelegenheit gute Compositionen u. em tUchtiges Orchester zu
hören, woran er lernen kann und muB. Und überdieB kann er
Herrn Generaldirektor Lachner täglich zu Rathe ziehen. Ich
möchte Ihnen daher, im Interesse elner bald zu erlangenden
selbstHndigen Stellung Josephs rathen, ihn hier zu lassen.
Ich würde Ihnen schon längst geschrieben haben, hätten
mich nicht Prlvatstunden u. die Vorbereitungen zu unseren
SchluBprUfungen so gar sehr in Anspruch genoinmen.
Nun leben Sie ferner wohl - mit Freude habe ich von Joseph
erfahren, daB ihr FuBtibel beseitigt 1st - grUBen Sle mir
Ihren SohnLeutnantund schreiben Sie mir gefHlllgst noch
vor meiner Abreise über die Geldf rage.
Ihr dienstergebener Julius Maler
SchwanthalerstraBe 26/2
München 19.Juli 55"
Johann Peter Rheinberger antwortet auf das vorstehende
Schreiben mit folgenden Zeilen:
"Wohigeborener,
verehrtester Herr Professor!
Auf Ihre an mich in Ihrem werthesten Schreiben vom l9ten
dies in Betref der Kassaangelegenheit meines Sohnes Joseph
gestelite Frage, muf3 ich die hierinfallsnothwendige VerfUgung ganz und urn so mehr Ihrer gütigen Ansicht anheim
stellen, well Sie den Knaben und seine dortigen Verh4ltnisse am besten kennen. Ebenso, well ich weil3 daB Sie mehr
als väterllche Sorge für das Wohl meines Sohnes tragen,
fUge ich mich recht gerne Ihrem Rath, und werde ihn in
Folge desselben noch auf elnige Zeit, und bis die Verhältnisse etwas anderes gebieten werden, In MUnchen belassen.
204
Eingetrettene rnil3beliebige Urnstände dringen niir zwar
das Bedauern ab daB ich rücksichtlich seiner Unterstützung
sehr schwer thun werde. Was inir aber mimer möglich sein
wird, werde ich zur Lohnung seines FleiBes, dessen Sie
inich schon früher, und in Ihre-mletzten lieben Schreiben
zu meinein innigsten VergnUgen wiederholt versicherten,
zu thun inich bestreben.
Indem ich Ihnen nun, verehrtester Herr Professor! für Ihre
groBen. und au2ergewöhnlichen BeinUhungen den tiefgefuhlte-
sten Dank erstatte, bin ich schon wieder gezwungen Sie mit
der neuen Bitte zu belastigen: -meinein Sohn Ihre bisherige
liebevolle Gewogenheit nicht entziehen 'und ihn ferner derselben würdig halten zu wollen.
Urn die Gewhrung dieser ineiner Bitte bittet Sie auch mein
Sohn, der Lieutenant, welcher Sie -mit -mir recht herzlich
grüBt , und Ihrem ferneren Andenken empfiehlt.
Nit nochinaliger Wiederholung -meines herzlichsten Dankes
ernpfiehlt sich Ihnen hochachtungsvoll
Euer Wohlgeboren
dankverpflichtets-ter Freund
J.P.Rheinberger. Rtmstr.
'Vaduz den 25. Juli 1855."
Rheinberger selbst schreibt nach Vaduz:
"Theuerste Eltern!
Obschon ich schon lange keine Nachrichten von Vaduz hatte,
so hoffe ich doch, dass Sie sich immer wohl und gesund be-
finden, wie es bei imir der Fall 1st. -
Hr. Maier wird wegen meines Hierbleibens geschrieben haben!?
Die Aufführung meiner Symphonie musste auf heute (30ten)
über 8 Tage verschoben werden; sie wird schon gefallen, da-
für stehe ich. -
Zwei Sonaten (eine für Clavier, die andere für Violine.
und Clavier) schickte ich vor Tagen nach Leipzig zum Drukken,ich erhielt natUrlich bis jetzt noch nicht Nachricht.
Vielleicht bekomme ich auch Honorar; für jetzt natürlich
darf ich noch keine Anspruche machen. -
205
Prof. Maier geht auf 4 Wochen aufs Land, Prof. Schafhäutl
wahrscheinlich auch. Gestern war ich wieder mit ihm in
Starnberg. Gegenwärtig versehe ich die Kirchendienste in
2 Kirchen (St. Michael und Basilika), wo die Hr. Organisten
nicht viel können und faul sind, da wissen sie mich schon
zu finden.
An meiner Oper kann ich a prêsant nur wenig arbeiten, weil
ich jetzt zu viel zu thun habe. War die SHngerin Wernike-Bridgeman, weiche hier Konzert
gab, nicht die Schwiegertochter des Bischofs Bridgeman in
Feldkirch? Sie hat nicht besonders gefallen.
Hr. Nagiller sehe ich öfters. - Er erkundigt sich sehr urn
Hr. Schmutzer in Feldkirch. Jetzt hHtte ich wieder eine
Hose und em Gilet nötig. Nach der AuffUhrung meiner Symphonia werde ich sogleich
schreiben, dem Toni, dem Matscherle und dern Lisi. Was macht
Peter, David und Josepha? Und vor alien die liebe Mutter?
Einer baldigen Nachricht entgegensehend verbleibe ich,
Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
MUnchen, 30.7.55"
In den Sommerferien, die Rheinberger in Mtinchen verbrachte,
schickt er nachfolgenden Bericht nach Vaduz:
"Theuerster Vater!
Soeben, wie ich nach Hause komme, liegt Ihr theures Schreiben auf dern Tische. - Heute früh sagte mir Hr. Professor
Maier etwas von Ihrem Briefe; die Zögerung ist mir sehr
begreiflich, denn Hr. Maier war vor 14 Tagen (ungefähr)
nach Karisruhe verreist und kam erst gestern zurück; wird aber morgen wieder fortreisen; er lasst alle grUssen.
In Betreff der Symphonia habe ich nur zu berichten, dass
die AuffUhrung nicht stattfinden konnte, weil grosse Besetzung noch nicht zu haben war und ich dem Direktor geradezu sagte, dass ich sie mit kleiner Besetzung nicht geben
lasse. Der Direktor sagte, es sei ihm sehr viel daran gelegen, dass sie gut gegeben werde; er versprach sie mir
mit grosser Feierlichkeit am Namenstage der Königin Marie
(Maria Geburt) gewiss aufzuführen; Schafhäutl freut sich
206
umgemein darauf und sagt Beif all voraus, was mich mehr
freut, als 100 besteilte Bravoschreier; jedenfalls miete
ich mir auf jenen Tag einen schönen Frack und studire
"Verbeugungen" em. Lachner gibt sich viele Mühe mit mir
und hat mich genie, so wie auch seine Familie. Mit Tschavoll habe ich toujours corrspondence francaise;
er schrieb mir vor 3 Tagen; er hat eine Violine urn 3000 fr
gekauft. Ich muss mich wieder photographieren lassen, ihm
mein Bud und em Violinkonzert (von mir noch zu componiren), schicken. Stunden zu geben habe ich wöchentlich 5
(3 dem Schweitzer und 2 einem würtemb. Schullehrer, auch
Schüler von J. Maier) und soll daftir monatlich (von beiden) 8 fl einnehmen; jedoch ist auf diesem Punkt der Schweitzer (em geld- und talentarmer Tropf) sehr vergesslich,
dass ich oft sage, die oder jene Stunde gelte nichts, weil
ich nur eine 1/2 Stunde ihm gegeben habe, wobei er oft
froh ist; (solche Leute meinen immer, wenn sie zu einem
Schuster nichts taugen, so werden sie Componisten, gehen
1/2 Jahr in die Lehr und sind 'tfertig"; Pfui!) Der Wiirttembergerist fleissig und bray, obschon erst 45 Jahre alt.
Dann nehme ich seit einem Monate beinahe täglich englischen
Sprachunterricht; nämlich em Freund von mir lernt es bei
seiner Schwester, welche 6 Jahre in England war und deni es
allein zu langweilig, sagte, ich solle mit ihm lernen, was
ich auch that; oft lachte Schafhäutl, wenn wir Sonntags
fortfuhren und ich englisch sprach. - Was Maier mit den
30 fl meinte, verstehe ich nicht, ich erhielt 45 fl, er
muss sich verschrieben haben. Frilher einmal brauchte ich
4 1/2 fi für den Notenschreiber meiner Symphonie.
Letzthin las ich in einem hiesigen Lokaiblatte beiliegende
Todesanzeige: das Liese soll Frau Oberstforstmeisterschauerlise fragen, ob das nicht die Klavierspielerin-Tochter der
Feldkircher Assmann, welche vis a vis dem Ochsen wohnte,
war; - und soll es mir dann schreiben. Neine Garderobe ist en bon tat. Auf's Oktoberfest wird
im Glaspalaste em Riesenkonzert veranstaltet. Von nieinem
Verlage in Leipzig babe ich bis dato noch nicht Antwort.
Die Liebe }Iutter lasse ich vielmals herzlich grtissen, sowie die Ubrigen. Ihnen verehrtester Vater! danke ich vielmals für das tiberschickte Geld und bitte Gott, Ihnen stets
Gesundheit und Zufrieclenhejt zu erhalten! Nochmals alien
meinen Gruss! Jos. Rheinberger
Munchen,7.8.55
207
Während Pheinberger an semen beiden Opern komponierte,neben der grot3en Oper hatte er auch noch die Opera buffa
"Die Wette", JWV 46, in diesem Herbst in Arbeit - ging
die Münchener Erstauffuhrung von Richard Wagners "Tannhäuser" tiber die Hofbühne, em Ereignis das als Muster-
vorstellung in der Presse (vgl. MUnchner Punsch v. 19.8.
1855) gepriesen wurde und sicherlich die jungen Musiker
lebhaft beschaftigte. Ob Rheinberger diese Aufführung
gehört hat, ist nicht belegt; dal3 er den Besuch den Eltern
gemeldet hätte, ungewil3. .Sein Bericht am Ende des Monats
jedenfalls ist von prosaischer Ktirze:
"Verehrteste Eltern!
Sie werden mein letztes Schreiben wohl erhalten haben. Ich
befinde mich immer wohl und gesund, was ich auch hoffe,
von Ihnen zu htiren. Die Herren Schafhäutl, Maier, Leonhardt sind nicht hier
gegenwärtig, umso einförmiger ist nattirlich meine Lebensweise.
mimer gebe ich meine Stunden, studire die englische Sprache
und schreibe hauptsâchlich an meinen zwei Opern. Die eine
nämlich ist sehr klein und komisch, deswegen ich auch bald
fertig sein werde, die andere ist die grosse Oper: Lucius
Aula. Gegenwartig spiele ich bestandig auf der St. Michaeliskirch.-Orgel. General Salis-Soglio ist gegenwärtig in der
Schweiz (Chur?). Letzthin machte ich Bekanntschaft mit ei-
nemSchweizer Kull aus Lenzburg (Aargau), dessen Töchterchen
hier Violoncello lernt. Salis hatte ihm von mir gesagt.
In 14 Tagen wird nun meine Symphonia aufgefuhrt, wenn nicht
wieder etwas dazwischenkoinmt. Täglich erwarte ich Antwort aus Leipzig wegen dciii Drucke
zweier meiner Werke. -
Das Wetter ist gegenwärtig sehr schön und furchtbar heiss,
weswegen ich beinahe täglich zum Baden gehe.
Was macht der Peter?
'I
U
ti
Toni ?
U
U
U
David?
Und die liebe Mutter? Jetzt ist gerade em Jahr vorbei, dass
wir unsere Sesseigrandama-Reise machten; da denke ich oft
daran. Wie ich höre, sollen die Wein-Aussichten im Rheintale wieder ungUnstig scm?
208
Bis nach Auffuhrung meiner Symphonia werde ich Ihnen wieder
schreiben, Theuerster Vater! GrUsse an alle Bekannten! Nun, Theuerste Eltern! leben Sie
wohi; auf baldige Antwort harrend verbleibe ich Ihr dankbarster Söhn
Jos. Rheinberger
Nünchen, 30.8.55.1?
Nach der Aufführung von Rheinbergers Streichquintett in
D-dur im Conservatorium fand er mit der zum Namensfest
der Königin am 15. September 1855 im Privat-Musikverein
erfolgten ErstauffUhrung seiner I.Sinfonie grof3en Erfoig
und öffentliche Anerkennung:in Nünchen. Sein Bericht nach
Hause hat folgenden Wortlaut:
"Theu&rster Vater!
Ihrem Wunsche gemäss beeile ich inich, sogleich nach der
AuffUhrung meiner Symphonia zu schreiben. Als die Probe
(Letzten.Freitag) war, bekam ich wohi etwas Angst: nicht
wegen der Symphonie, sondern wegen den Musikern, weiche
gewohnlich die Werke jüngerer Compositeurs nicht gem und
auch schlecht spielen; als sie aber das Werk in der Probe
kennengelernt, spielten sie mit Eifer und Liebe; schon in
der Probe klatschten mir die Musiker zu, als ich dirigierte.
Gestern holte ich mir vom Kleiderverleiher elnen passenden
Ballanzug, der mir ausgezeichnet gut stand, und begab mich
in den Concertsaal "zur Tonhalle". Als es nun halb 8 Uhr
war und der ganze Saal you Leute, sprang ich you Freude
auf die Erhöhung, wo das Dirigentenpult steht, machte dem
Publico eine Verbeugung und fing an. Es ist em erhebender
Gedanke, so an der Spitze von 80 Musikern zu sein, wenn
sie alle auf das Zeichen zum Anfangen warten. Nun, alles
ging gut, nach jedem der 4 Sätze stieg der Beifall und zuletzt wurde ich, weiss Gott wie oft, geruf en: mit dem Orchestre bin ich sehr zufrieden. Ich versichere Sie aber,
Theuerster Vater! dass ich. bei der Aufführung nich.t eine
Spur von Angst hatte, denn ich war meiner Sache gewiss,
was mir Herr Schafhäutl sagte,welcher die giöste Freude
hatte, mich. als' Dirigent und Componist zugleich auftreten
zu sehen. Ala ich nun nach der Symphonie, welche 3/4 Stunden dauerte, zu den Zuhörern herabkam, drängte alles zu mir,
209
urn mir zu gratulieren, Bekannte und Unbekannte; besonders
das Adagio entzückte Alles; es hätte mich aber noch mehr
erfreut, wenn Sie, Theuerster, bester Vater! anwesend gewesen wären. Hr. Schafhäutl hörte ich hernach zu einem
andern Professor sagen, es sei dies em Werk, wie es nicht
em Knabe, sondern em Mann von 30 Jahren mache. Dieses
Urtheil freute mich am meisten. Auch Hr. Herzog war anwesend. - Ich danke Gott, dass alles so gut gegangen. Gestern erhielt ich einen Brief von Hr. Pfarrer Wolf inger:
er schreibt: zwei Balzner Studenten Nigg seien bei ihm gewesen. Er seibst ist gesund und freut sich auf Peters Ankunft.
Peter soil vorerst nur bei Perstenfelds seine Wohnung nehmen.
Das Zimmer wird schon renovirt - und gefalit es ihm nicht
da, so können wir dann noch immer ausziehn. - Peters Brief
hat mich wirklich aufs Angenehmste Uberrascht und ich freue
mich ungeheuer auf seine Ankunft. Hr. Prof. Naier ist noch in Karisruhe und war leider an
elner LungenentzUndung krank; jetzt soil es besser sein.
Ich konnte seine Adresse nicht bekonimen, sonst hätte ich
ihm geschrieben. - Herrn Salis meine Empfehlungen und es
sei schade, dass er gestern nicht anwesend gewesen. Und nun, Theuerste Eltern! leben Sie wohl, grüssen Sie mir
die lieben Geschwister, ich verbleibe Ihr dankschuldiger
Sohn
Jos. Rheinberger
MUnchen, 16.9.55."
Quartierherr Perstenfeid liefert einen eigenen Kommentar
an Rheinbergers Vater in Vaduz:
"Euer Hochwohlgeboren!
Im Voraus einen herzlichen Dank für die gUtige Ubersendung
des 3nionatlichen Betrages für die Verpflegung Ihres Sohnes
Joseph. Es ist jetzt bezahit bis zum 15. Dezember 1. Js.
Sie sind wirklich recht gUtig gegen uns,aber wir werden es
auch Ihrem Sohn gewil3 an Nichts mangein lassen, wir lieben
ihn ja selbst als wie em Glied unserer Famiiie.
In Bezug auf seine Fortschritte und sein Betragen dürfen
Sie auBer aller Sorge seyn, er bildet sich in jeder Hlnsicht
zum wackeren Mann heran. -
210
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unberührt lassen,
was sich am vergangen Samstag den l5ten dfh Nts. Abends
ereignet hat. Es wurde nHinlich zur Nachfeyer des hohen
Namensfestes unserer Konigin in einem gro8en Saale gro1e
musikallsche Produktion veranstaltet, wo die von Joseph
componirte gro1e Simphonie gleich anfangs aufgefUhrt wurde. HHtte ich Sie herwünschen können, urn Augen- und Ohrenzeuge
gewesen zu seyn, welch herrlichen Triumph Ihr Sohn an
diesem Abende gefeyert hat. Urn 1/2 8 Uhr bestieg dieser junge Mozart bei glänzend beleuchtetem und Uberfülltem Hause die Dirigententribüne,
und mit kräftigem Arrne den Taktstock führend dirigirte er
das erste grol3e Produkt seines schönen Geistes, und nach
jeder der 4 Abtheilungen wurde er stürrnisch geruf en und
applaudirt. -
Herr - ich kann diese rührende Scene nicht welter beschreiben, denn meln Herz ist noch zu voll von dleser Freude. Nir
sind dle.Freudenthränen gleich einein Bache den Augen entstflrzt, ich hätte lhn gerne vor der ganzen Versaunniung in
meine Anne schliel3en und ausrufen inögen: Hell dem Vater der
einen so hoffnungsvollen Sohn besitzt. Seine Freunde und Gönner, z.B. Herr Profe8or Schafhäutl,
der eben auch hler anwesende Profel3or Herzog u.v.A. batten
ganz von Freude strahiende Gesichter, und wer lhn auch
frUher nlcht kannte, dem 1st jetzt seine Person und sein
Name ehrenvoll.
Ich glaube, da1 Ihr Vaterherz in einem Freudenmeer geschworn-
men ware, und erst das noch vIel zartere Mutterherz, das
hätte gar zerplatzen müssen. Mehr Uber Ihren Sohn zu schrelben verinag ich nicht, die Feder versagt mlr den Dienst,
weil, wie gesagt, mein Herz noch zu you 1st. Damlt schliel3e ich meine Zeilen, und überlasse sie Ihrer
freudenvollen Herzenserwägung, Uberzeugt, dal3 eine gewich-
tige Frendenthräne dieselben benetzen wird. Ihrer freundllchen Erinnerung mich empfehlend, verbleibe
ich mit aller Verehrung Euer Hochwohlgeboren! ergebenster
Diener und Freund
J. Ew. Perstenfeld,
Viele herzliche Grül3e von ineiner Frau u. Ludwig
TMUnchen, am l7ten September 1855."
211
In der Beilage zur "Neuén Münchener Zeitungt' vom 18.9.1855
findet sich folgende Rezension:
"Der hiesige P r i v a t = M u s I k v e r e I n
gab Sonn-
abends den 15. September zur Feier des Nainensfestes Ihrer
Majestät der K ö n I g i n em grotes Concert, weiches mit
der Composition eines l6jährigen JUnglings eröffnet wurde,
Joseph R h e I n b e r g e r (aus Vaduz Im Lichtensteln'schen), elnes jungen Künstlers von seltener musikalischer
Begabung und wahrein, hohen Ktinstlerberufe, der als zwölfjEhriger Knabe nach Mtinchen ins Conservatorium kam, wo dessen auBerordentliches Talentbald von den HH. Professoren
Herzog, Meyer und Leonhard bemerkt und gepflegt wurde, wHhrend Hr. Generalmusikdirektor Lachner den JUngling später
unter semen besonderen Schutz nahm. Die erwähnte Composi-
tionisteine Symphonie (in D-dur). Schon im ersten Satze
findet der Kenner nicht etwa den Versuch eines wankenden
Anfängers, sondern eine Composition, die eben so sehr durch
schön erfundenes Thema als durch die kunstgewandte Ausund DurchfUhrung desselben elner gereif ten Individualität
Ehre gemacht haben wilrde. Noch gröl3eres Interesse erregte
das Menuett mit originellem Thema, das durch sinnreiche,
gerundete Instrumentirung noch reizender gemacht wurde.
Das Adagio, der schwierigste Theil einer Symphonie, bildet
elnen rtihrenden Wettgesang zwischen dem Streichquartett
und den Holzblasinstrumenten, unter weichen die Clarinette
schon mit dem ersten Takte das schöne Thema begmnnt, whrend das zweite Thema von der Violine vorgetragen wird.
Nur selten tritt der Chor der Blechinstrumente dazu, den
Effect des Ganzen auf eben so Uberraschende als ungesuchte
Weise steigernd. In dem feurig gehaltenen Finale, das als
Krone der ganzen Composition erscheint, herrschen wieder
zwei Hauptthemen, weiche durch die Kunst des doppelten Con-
trapunktes verschlungen sich bald verfolgen, bald nähern,
und bald von den Blaseinstrumenten, bald von den Saiteninstrumenten aufgegriffen und durchgefiihrt werden, wobei
das Hauptthema sogar in der Verkehrung erscheint.
Die Symphonie wurde vom Orchester mit sichtbarer Liebe aufgefUhrt und der junge Componist, weicher selbst dirigirte,
vom erfreuten Publicum nach jedem Satze rauschend begrtit3t
und am Ende zweimal gerufen. Moge der junge Künstler, der,
von dem -verderblichen Hange frei auf anderm als dem Wege
der Kunst neu und interessant zu werden, sich als leuch-
212
tendes Vorbild die ewigen Neisterwerke Haydns und Mozarts
gewhit hat, und dessen ganze Compositionen so verständlich, so ansprechend und bei alier Mannigfaltigkeit doch
so kiar geworden, dal3 sich jedes Gemüth, weiches nur einigen Sinn für 7Musik besitzt, daran erfreuen wird, durch unabiässige Arbeit und iinermüdetes Streben sich zu dem hohen
Ziele aufarbeiten, das er sich gesteckt. Sein erstes Werk
gibt Zeugnhl3 von dem Drange, der in ihm arbeitet und der
ihn nicht ruben lassen wird, auf halbem Wege stehen zu
bleiben. Nach der Symphonie trat Hofsänger N. H i e b e r
mit einer sehr schön vorgetragenen Concertarie von Jos.
Haydn auf. Diesem folgte eine ungewohnte obwohi liebenswürdige Erscheinung. Em 13 - l4jähriges Mädchen aus der
Schweiz, Anna K u 1 1, SchUierin unseres Hofmusikus H.
Muller, errang sich ais Violoncelispielerin durch seelenvoilen Vortrag und für soiches Alter bewundernswürdige
Kraft und Fertigkeit den rauschenden Beifall. Den SchiuB
des Concertes bildete Webers Ouvertüre zu Oberon, weiche
mit grof3er Vollendung ausgeführt wurde. Die kunstsinnige,
edle Richtung, weiche der Privatmusikverein erstrebte,
hatte an dem Abende giänzenden Ausdruck gefunden."
Die"Neuesten Nachrichten" vom 20.9.1855 brachten eine
kurze Rezension des Konzertes:
"Der PRIVAT=MUSIK=VEREIN feierte am Samstag den 15.d.Mts.
das ailerhöchsteNamensfest Ihrer Najestät der Königin mit
einem groBen Concerte. Dasselbe wurde mit einer Symphonie
in D von Joseph Rheinberger eröffnet, die der geniale, erst
16 Lebensjahre zählende Compositeur seibst dirigirte und
dabei von dem vortreff lichen Orchester wahrhaft con amore
unterstützt wurde. Die Kenner lieBen der Reinheit des Sat'zes,sowie der 0riginaiitát der melodiösen Motive, voile
Gerechtigkeit widerfahren iind stimmten in den ailgemeinen
Beifall em, den die zahireiche llersammlung nach jedem der
vier Sätze dem jungen Tonsetzer spendete und der nach Beendigung der Symphonie zweimal stürmisch geruf en wurde. In der zweiten Abtheilung brachte ein von dem k. Hof- und
Kapelisänger Herrn Michael Hieber vorgetragene Arie für
Tenor von Joseph Haydn den erfreulichen Bindruck hervor,
weicher einen lange anhaitenden Applaus und das Hervorrufen
des GesangkUnstiers zu Folge hatte. - Eine angenehme über-
213
raschende Erscheinung war die aninuthige junge Violonceilistin Fräulein Anna Kull aus Lenzburg, Schülerin des Herrn
H. Muller, die sich durch den gelungenen Vortr.ag einer
Salon=Pice für Violoncello aus der Oper: "Lucia di Lammermoor", auszeichnete und nach öfters wiederholten Beifallsbezeigungen dreitnal gerufen wurde. - Die zum Schlusse des
Concertes unter der Leitungdes k. Hofmusikers Herrn Carl
Hieber meisterhaft ausgefUhrte Ouverture zu "Oberon" von
C.M.von Weber, ist mit ailgemeinem Beifall aufgenommen
tqorden. - Der hierauf stattgehabte Fest=Ball war glänzend
und die Tanzmusik, welche dem Vernehmen nach von dem, unter
dern Prädikate "Die }IUnchner", neu=gebildeten Orchester besorgt wurde, ausgezeichnet schön und gut."
Die vorstehenden Kritiken übersandte Rheinberger nach Vaduz
mit nachfolgenden Zeilen:
"Theuerste Eltern!
Obschon ich auf meinen letzten Brief noch keine Antwort
erhielt, -. so hoffe ich doch, dass Sie sich wohi und gesund befinden. Hiemit schliesse ich 2 Kritiken Uber meine Symphonie bei
- aus der "Neuen MUnchner Zeitun" und den "Neuesten Nachrichten" - welche beide sich noch in dern hiesigen "Theaterjournal" und "NUnchnerboten" befinden. Hr. Kull (dessen
Tochter in jenem Konzerte spielte) machte mir das Ansinnen,
mit ihm nach Augsburg zu gehen, (wo er Concert gibt) urn
dann auch dort meine Syniphonia aufzufUhren - soil ich oder soil ich nicht? Da Prof: Maier noch nlcht hier ist,
fragte ich Prof: Schafhäutl. Er sagte: wenn am Conzertzettel geschrieben ware: aus Gefälligkeit wird Rheinberger
seine Symphonie auffUhren - dann solle ich gehen; jedenfails
mtisse der Zettel so lauten, dass man nlcht meine, ich sei
reisender Virtuos; indern das meinem Ansehen schaden wUrde.
Die Kos ten wären, einige nothwendige Copiaturen eingerechnet, höchstens 12 fl. - Soil ich - oder soil ich nicht? Jedenfails bitte ich urn baldige Antwort, da Herr Kull am
5. - 8. Oktober fortréisen will - und ich ihn nicht vor
den Kopf sto8en m6chte. Er hat in Genf auch Hr. Adler (der
in Feldkirch war) kennengelernt, und scheint mir jedenfalls
em braver Schweizer zu sein. Mali und Lisi sind mir Briefe
schuidig; und der Peter soil recht bald kommen, da jetzt
214
herrliches Wetter 1st. - Der David soil seine Nase (wel-
che wunderschön sein muB) durch "neuen Suser" nicht noch
röter ;färben. In Erwartung, dass aile gesund sind und mir
bald schreiben werden, verblelbe ich, Theuerste Eitern,
Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
München, den
26.9.55.
P.S. DaB ich nicht vergesse - Hr. Schafhäuti wtinscht Hr.
Saiis's Adresse zu erfahren, urn ibm wegen der AuffUhrung
meiner Syrnph: zu schreibenl!!"
Am 4.
und
5.
Oktober
1855
f and in München em
MUSIKFEST
unter der Leitung des Generairnusikdirektors Franz Lachner
statt, das tage- und wocheniang die öffentiichkeit und die
NUnchener Presse beschaftigte. Obwohl Rheinberger Lachner
und dessen Familie seit Beginn des Jahres personiich nahestand, erwähnt er dieses Ereignis nur beiiäufig in seinem
Brief Anfang August und erspart sich einen weiteren Kommentar, obwohi Lachner wegen seiner angeblichen ausschiieBlichen Voriiebe für kiassische Werke irn Mitteipunkt des
Interesses und der Kritik stand.
Nach der erfoiglosen Teilnahme an der Konkurrenz urn das
Stipendium der Frankfurter Mozartstiftung irn Jahre 1852
denkt der Rentmeister Rheinberger in Vaduz daran, die
öffentliche Anerkennung nun in bare Münze umzusetzen. Auf
sein Vorhaben reagiert Julius Maier mit foigenden Zeiien:
"Verehrtester iieber Herr Rentamtman!
Ihre Ansicht, sich jetzt urn em Stipendium aus der 11ozart-
Stiftung für Joseph zu bewerben, theile ich voliständig.
Es wird zur Unterstützung des Bewerbungsgesuches zweckmäBig
sein, wenn Sie Joseph aul3er den von mir irn vorigen Jahre
Ihnen übersandten Zeugnissen noch einen Geburts- oder Taufschein und vielieicht auch em VerrnögenszeugniB oder vieimehr em iegaies ZeugniB darüber schicken, daB Sie ihrn mit
Nühe nur eine geringe Summe per Jahr znschieBen können. Das
ietzte Zeugnhl3 halte ich insofern für sehr zweckdienlich,
well im llorstande der ozartstiftung ganz gewil3 2/3 der Mit-
glIeder Kaufleute sind, für die em soiches ZeugniB em
nicht zu übersehender Bestinirnungsgrund sein wird.
215
Wenn Sie nichts anderes bestimmen, will ich die Bewerbungsschrift für Joseph sehr gerne machen.
München d. 21. Oct. 1855
Wie immer Ihr dienstbereitwilliger
Julius Maier
SchwanthalerstraBe 26/2"
Rheinberger selbst berichtet von der Reaktion seiner befreundeten Gönner:
"Theuerster Vater!
Da Herr Prof. Naier zurflckgekehrt, sagte ich ihm von der
Nozartstiftung; er, sowie Hr. Schafhäutl sind voilkomnien
einverstanden. Nun sollen Sie, Bester Vater! die 3 letzten
Zeugnisse von Leonhard, Maier, Herzog beilegen zu jenem
vom Lachner und sobald wie inöglich mir schicken. Er wird
das Nähere schon in beiliegendem Briefchen geschrieben
haben. Auch das Taufzeugniss werde ich haben mül3en, bis
Samstag - Sonntag sollen die Zeugnisse schon bier sein. Der Oratorienverein hat wieder begonnen und zwar mit einer
6stimmigen Notette von Rheinberger; welche sehr gefiel,
wie Frau v. d. Pfordten mir sagte. -
Herr Herzog wird diese Tage wieder nach Erlangen gehen. Von meiner grossen Oper werde ich diese Woche den ersten
Akt schliel3en. Hr. Lachner sagte, der Text gefalle ihm sehr.
(Ich babe ihn ihm gezeigt). Es herbstelt hier berelts sehr da ich aber pressirt bin, mul3 ich schlief3en. Ihr dankbarster
Sohn
Jos. Rheinberger.
Viele Griii3e
Nontag, den 22. (Oktober 1855), NUnchen."
Auf obigem Brief finden sich auf dem letzten Blatt fàlgende Zellen:
"Dem Herrn Joseph Rheinberger von -Vaduz wird hiemit auf
sein Ansuchen bestätigt, dass er kein eigenes Vermögen besitze, und dass ibm seine Eltern nur mit Mtihe einen germgenjahrlichen Betrag zur Bestreitung seiner Studlenkosten
216
leisten können.
Reg. Arnt. Vaduz, den 24 8ber 1855.
N. Kel3ler, Amtssubstt."
EndeOktober reiste Rheinbergers Bruder Peter nach Mtinchen,
urn sein Studiutn am Polytechnikum aufzunehmen. Er schreibt
über seine ersten Eindrücke in }fünchen nach Ha'use:
Nünchen, den 1. Novbr. 1855
"Theuerster Vater!
Montag Abends 6 1/2 Uhr kam ich glUcklich mit einem langweiligerL Güterzug, der von Lindauaius 12 1/2 Stunden brauchte,
hier an. Joseph, der zur Zeit meiner Ankunft im Museum war,
erwartete ich dorten. Er hatte ziemlich gewachsen; in seinem Winterrock eingehUllt, seinem Zilinder, u. semen langen
KUnstlerhaaren a la Fliegende BlEtter hEtte ich ihn so leicht
nicht erkannt. Er grüBte mich zuerst - ich stund, und schaute den tJnbekannten mit der Bal3stimme an - und ich erkannte
erst beim Schein einer Lampe das Gesicht meines Bruders.
Mein Soinmerrock, der inir etwas zu klein war, pal3t ihm wie
angemessen, was ihn nicht wenig freut. Seine Künstlerhaare
aber sind auf ineine Veranlassung etwas kürzer geworden.
Bei Hr. Perstenfeld traf ich alles zu meinem Empfange bereit und da das Ziinmer ganz nett hergerichtet ist, zog ich
gleich am andern Tage dort em und abonnirte mich dort unterdessen zu gleichen Preisen, wie Josef, für em Monat Kost
und Logis...
Rheinberger selbst ergEnzt dieses Schreiben seines Bruders
mit folgenden ZeIlen:
"Theuerste Eltern!
Da Peter heute geschrieben, so dachte ich auch noch em paar
Zeilen hinzuzufUgen. Ich weiI3 aber nicht viel. Zu rneinen
vielen ZeugnIl3en zur Eingabe brauchte ich noch em Leurnundszeugnil3 von der hieBigen Polizei. Zuerst wurde es mir verweigert; Ich aber ging zurn OberkommissEr und erhielt es dann.
MaIer machte, ich schrieb die Eingabe, und nun 1st Alles in
Frankfurt. -
217
Ende dieses Monats ist wieder Oratorienvereinskonzert;
auch von meiner Wenigkeit wird dabei etwas zur AufUhrung
kommen. Peter geht fleissig in die Schule, ist em braves BUblein
und bekommt keine Tatzen. Von den Trauben habe ich einige Hr. Schafhäutl präsentirt. Meine Garderobe 1st zwar noch gut; allein da ich doch hie
und da in em angesehenes Haus kornme, so brauche ich freilich wieder eine neue Auflage (vermehrt und verbessert).
Hr. Prof. Maier wird auf Ostern heirathen. Seine Braut ist
aus Carisruhe. Der erste Act meiner gro2en Oper ist bei
Lachner. Die kleine Oper 1st auch beinahe fertig. Der Herbst ist hier schön, obschon wir schon einmal Schnee
hatten. Wie geht es Ihnen, Theuerste Eltern! so Gott will, hoffe
ich gut!
Was -macht die liebe Mutter?
Haben Mali und Lisi meine Briefe erhalten? Dem Toni muss
ich auch einmal schreiben. (Der Peter erhielt gerade elnen
Brief vom Feidwebel vom Schloss). Nun lebet wohi, Theuerste Eltern! Euer dankbarer Sohn
Jos. Rheinberger.
Nünchen, l3ten 11/55"
Rheinbergers Schwestern Mali und Lisi (Anialie und Elisabeth)
erhalten elnige gereimte Zeilen, die dem "offiziellen" Brief
beigefUgt wurden:
Malls und Lisis Briefe niachten mir Freude,
drum schreibe ich nun an Euch beide:
denn wül3te ich nichts zu schrelben,
so lieBe ich es wohl bleiben.Als Peter am Sonntag zum Thor kam herein,
da war ich soeben im Oratorienverein;
Er stieg dann beim Oberpollinger aus,
und fuhr dann gemUthlich in d'Miillerstral3 raus.
Der Pepi war aber nicht zu Haus,
drum bat sich der Peter den Nikia aus.,
der führte den Peter zum Museum hin,
wo der Oratorienverein 1st drin.Der Peter ging nun mit stir
zu elneni Gläschen Bier.
218
Wir tranken zum Wohie unserer Lisinka,
die(wie Mali schrieb) duath allewil sti.. .a.
Wir tranken zum Wohie des Mali,
das moeth mit Singeris Nikla aali.Jetzt wohnt nun der Peter bei mir,
und hat's Heimweh schier
nach seinem Freunde Falkenhausen,
welchen seine Frau dhuat zausen.
Die Trauben, die schmecken mir gar so gut,
und der Peter, der tragt einen Cylinderhut.
so lang wir noch haben einen Stotza Geld,
es uns in München gar sehr gefällt.
Der Frau Oberforstmeister,
die immer wird feister,
einen schönen Gru8,
(wenn's halt seininu8.)
Die Mutter schnupft aus der Schnupftabakbüx,
(das inöchte ich auch), aber daraus wird nix.
Der David hat auch ,einen Cylinder,
(vielleicht auch unser Buchbinder.)
Der Seffa viele GrUaB,
den Brief ich nun schlie8,
well nun wel8 nichts mehr,
dein Bruder Rheinberger.
hatt's 12 g'schlagen,
jetz zwickt's mich halt im Magen.)
Notabenee,
jetzt wei8 i nut meh."
(Jetz
Am
13. November 1855 berichtet Peter Rheinberger seinem
Vater in Vaduz eingehend Uber die wirtschaftliche Lage
seines Bruders Josef und über die diesbezügllchen Prognosen für die nähere Zukunft.
"The erster Vater!
Vorgestern wurde Josephs Gesuch nach Frankfurt gesendet.
Hr. Prof. Maier that sein}Iöglichstes urn es zu begünstigen.
Das Paket bestund aus einer Menge bester Zeugnisse, ich
wünsche nur, dal3 sie die gehoffte Wirkung machen mögen.
Heutigen Tages gibt man aber für solche Papiere wenig mehr
219
und von denselben wird, wie auch Maier glaubt, wenig abhängen; deswegen wird Hr. Lachner sich schriftl. beim Vorstande des Vereins für Josef verwenden.
Solite Josef auch das Gliick haben und das Stipendium erhalten, so wird es nach Naier's Dafürhalten, doch noch
allerwenigstens 1/2 bis 3/4 Jahr gehen, bis es entschieden
und verabfolgt wird. Er treibt daher eine andere Frage em:
Wie ist Josef's Existenzmittel bis dahin gesorgt? Seine
Monatsgelder werden nicht mehr fliel3en und was er sich
durch semen Privat=Unterrlcht etc. erwirbt, reicht kaum
zu seinem Sakgelde und in dieser Hinsicht 1st gar keine
Hoffnung auf eine Besserung, den er hat jetzt schon so
viel zu lauf en, daI3 ibm die schönste Zeit geraubt und nur
elnige LUcken im Tage zu semen Compositlonen und Studien
bleiben. Er fragt sich nun bester Vater ob es Ihre Krfte
vermögen seine Existenz bis dahin In MUnchen zu decken.
Seine Anwesenheit hier 1st eben sehr notwendig; von Vaduz
aus wilrden seine Compositionen wahrscheinlich nie an's
Tageslicht koinmen, wären sie auch noch so gut. Hr. Maier
wUrde es auch für kein groi3es Glück Josef's ansehen, wenn
er das Stipendium bekme und Nünchen, wo er nun gekannt
und von so vielen Musikern geachtet ist, verlassen mugte.
Josef's Kielder sind sehr heruntergekommen, theils verwachsen und theils abgetragen. Hosen hat er nur elne, die
Röcke sind ihm viel zu klein, bis auf einen, den er sich
bier kaufte, der aber - schon sehr abgenutzt 1st und seine einzige Weste 1st auch nicht im besten Zustande. Da man
bier etwas delikater im Tragen der Kleider ist, als zu
Hause und Josef sich namentlich öfter in noblern Husern
und Zirkeln sehen lassen mua, so dUrfte es nicht Uberflllssig erscheinen, wenn Sie ihm so viel Geld zukommen liefen,
daI3 er sich einen ordentlichen Anzug machen lassen könnte
und nicht genöthiget ware, sein Geld, das bei Maier liegt
und für einen anderen Zweck bestimmt ist, anzugreifen.
Ich babe mich in MUnchen schon ziemlich eingebUrgert und
meine Lebensweise bald geregelt, so dal3 ich mich recht behaglich fUhle. Norgens von 8 - 9 Uhr habe ich immer Nathemathik und von 9 - 12 Uhr wohne ich dem Ingenieur=Kurs bei
und zwar in den Vorträgen über Strat3en=Wasser=und BrUckenbau,ferner in den Ubungen vom Konstruieren und Entwerf en
der Stral3en, BrUcken etc.
Nachmittags: Civil=bau nebst Zeichnen, Maschinenbau und
220
Maschinenzeichnen und Situationszeichnen. Leider kann ich
nicht Physik hören, weil es mir die Eintheilung der Stunden nicht erlaubt. tibrigens habe ich. mit den gewählten
Fächern genug zu thun, urn mit ihnen zurecht zu kommen. Zu
meinern VergnUgen bleibt mir daher wenig Zeit. Ich kauf-
te mir daher Bücher und 1 Klftr. Holz, der (nebenbei gesagt) nur 14f1 36kr kostete, lasse am Abend einheizen und
studiere. Freilich vergil3t man auch nicht, wenn's nicht
mehr recht gehen will, mit einem guten Zug Bier sich's zu
erleichtern. - Neine Vorkenntnisse leisten inir treffliche
Dienste, so da2 mir manches sehr leicht wird, aber urn em
ganzes zu bekommen miifte ich nothwendig beide Semester die
Anstalt besuchen. -Hr. Recktor inachte groI3e Augen und
schüttelte den Kopf als ich den Ingenieurkurs beizuhören
verlangte, da klopfte ich bei Hr. Schaffhäutl urn HUlfe
mid - es ging wie geschrniert. Für meine 6 Fächer bezahite
ich. (für's ganze Jahr) 36f 1 und die Herbeischaffung von
Zeichnungsmaterialien, Büchern, Kleidern und andern nothwendigen Einrichtungen riefen bei meinem Geldbeutel dermaBen eine Ebbe herbei, daB er em betrübender Anblick gewährt und es mir erdenklich gruselt, wennich ihn zu Rathe
ziehen muB."
Anfang Dezeinber schrieb Rheinberger folgenden Brief nach
Hause:
"Theuerste Eltern!
Da ich. auf heute einen Brief von Ihnen erwartete (was je-
doch.vergebenswar).so schreibe ich erst jetzt. - Meine
Petition wegen Kleider scheint, nach. David's Brief an Peter
nicht durchgegangen zu sein. Hr. Prof. Maier schrieb mir gestern folgenden (beiliegenden)
Brief; meine Zeugnisse sollen (laut Privatbericht) dort
sehr gefallen haben, auch sei inein Name dort nicht unbekannt (?), wie, wuBte Naier und ich nicht. -,
Ich. frene mich auf die Preisaufgabenl wenn sie nur bald
gestelit wUrden! -
Meine }!otette 1st in Museum vom Oratorienverein aufgefuhrt
worden, wie Sie, bester Vaterl aus den beiliegeiden Prograen ersehen können. (mein Name wurde nicht recht gedruckt). Sie erhielt am meisten Beifall; schon in der Probe
221
wurde ich gerufen. -
Peter 1st sehr fleissig; er lal3t bitten, ibm seine Gage
auf Neujahr zu schicken, da er viele ausserordentliche
Ausgaben habe; der David soll an seiner statt Hr. Vetter
Oberförster wegen seiner kindlichen Kleinigkeiten gratuliren; er werde dem David dafür em Christkindl schicken. Wir haben kalten, schönen Winter und gute Schlittbahn. Hr.
Prof. Schafhäutl lasst Alle grüssen. - Wie geht es Hr. Wolfinger in Balzers und dessen Bruder? 1st er noch krank?
1st Peter's Urlaub noch nicht eingetroffen? Sind Sie, theuerste, beste Eltern! imnier gesund? wir sind es, Gott sei
Dank, immerfort. Was macht der Toni und die Seffa? Mali und Lisi mUssen mir
bald schreiben. Was macht die liebe Mutter? man schreibt mir gar so wenig
von Ihr. - Bei Lachner bin ich oft. (Hier schicke ich, weil
ich es gerade bel der Hand babe, dessen vortreffliches Portrait, einem hiesigen Blatte entnommen). Nun weiss ich
nichts mehr. Sie, beste Eltern! herzlich grUssend, verbleibe
ich Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
4.12.55, München"
Der erwähnte Brief J.J.Maiers an Rheinberger 1st von sibyllinischer Kiirze:
"Lieber Joseph!
Ihre Sache steht in Frankfurt gut!
Ihr
Julius Naier
2. Dc. 55"
Worauf Naier seine Hoffnungen baute, ist nicht bekannt.
Jedenfalls versetzte sein Optimismus semen SchUtzling in
erwartungsfrohe Stintmung, die auch aus deni folgenden Brief
Rheinbergers an seine Schwester Anialie spricht:
222
"Liebes Matscherle!
Gelt, der Münchner Sauiikios steilt sich besser em, als
bei mir der Vaduzer - Hier hast Du zwei Stücke, die Du zu
Deiner Freude spielen darfst, Du wirst sie bald können.
Das andere Heft enthält nur Etüden, die auch alleine em-
studiren kannst, weil der Fingersatz dabei ist - alle 3
kosteten 2fl 42+r
Dein Briefchen hat inich sehr gefreut, vielmehr als der,
den mir der Toni - nicht geschickt hat. Du mul3t mir schrei-
ben, was Dir der Vater für Dein "Orgeln" geschenkt hat:
"Wenn ian StozaGelthätt," Duinüitest so schöne Sachen bekoinmen, ja - - - . Was mul3 ich Dir noch schreiben? - He -?
Ich weil3 nichts, was für Dich pal3t, als da1 ich immer wohl
u - gesund, u - das Bier sUl3 u - gut, und Du fleissig und
s'Lisi stolz ist mit seinem Hut! aber erst mein Hut! und
mein Uberrock, und die Brillen, ich wette dal3 mich keins
von Euch -mehr kennen würde. Nir chlägt das Klima gut an,
ich bin ganz breit und fett u. dick! Die Cholera kann mich
gem
haben, wenn's will! Gelt! jetzt kehr
Was soil ich Dir schreiben? da1 ich fleissig componire da1 ich oft ans Mats-cherle denke, sogar oft davon rede, obschon ich's zu Hause recht von Herzen gem geprUgeit hab nicht wahr? wegen dem bleiben wir doch gute Freunde! Schreibe Du nur viei, und wenn Du nichts weil3t, so schreib voin
Schnutz und vom Roili, oder garvom Gigermarthi " gelt, Du
hast's halt können an der "Kelbi", gelt, alter Natsch!
Was
sagen die Leute in Vaduz, dal3 Du Orgelgespielt habst? La13
Du die Klosterfrauen nur schwätzen, so was verstehen sie so
wenig, als der Rolli - oder der (bitt um Verzeihung) der
Peter, dem ich melne
tiefs ten
Dein Bruder
Kompl imente
mache
Joseph Rheinberger
''''''
Chorrepetitor des Oratorienvereins
J1ünchen den 22ten Okt-No-Dezenjber
223
Jaso, jami, jawäger, ja Hier ist ja noch me Saite leer.
Aber der Pepi wei8 nichts mehr.
Adio, püati Gott,
Lebesiewohl,
schickans der Brief träger bald wieder.
GrUf3e alle schön!Toni,
Peter,David, Seffa
nur S'Mali und Lise net,Gelt,so
Adieu und
der Hans duast mer grUBa."
Rheinbergers Bruder Peter berichtet dem Rentmeister in Vaduz aus Niinchen unter darn 23.Dezember 1855 vom musikali-
schen Treiben selnes Bruders Josef:
"Pepi komponiret, spielt Klavier, gibt a bez Unterricht
od. begleitet em paar Gräfinen auf Klavier, was weil3
ich - - - raucht, schnupft nimmer(Tonis Büchs.ist erst
halb leer) u. ist schon längst den Jahren entwachsen, urn
sich von inir hofmeistern zu lassen; denn er ist ohne Cilinder 5 Fu8 3 1/2 Zoll Wiener MaaI3 hoch, was freilich
auch in Anschlag zu bringen 1st.Er grUl3t Sie und alle recht herzlich u. will Ihnen zum
Neuj ahr schrelben."
Dieser Brief hat folgenden Wortlaut:
"Theuerster Vaterl
Gibt es em Fest der Dankbarkeit eines Sohnes gegen seine
Eltern, so muss es gewil3 der Jahreswechsel sein, welcher
ihm die Wohithaten der elterlichen Liebe auf's Lebendlgste
in's Gedächtnil3 ruft. Das 1st auch, Theuerste, beste Eltern!
bei mir der Fall, bei inir, welcher so viele Wohithaten von
Ihrer Seite geno8, daB ich nie irn Stande sein werde, Ihnen
genügend zu danken. Da ich aber weiB, daB FleiB und Tugend
für Sie die schönste Dankeserweisung sein wird, so will
auch ich mich bestreben, Ihnen meine unbegrenzte Dankbar-
keit durch Erfüllung jener Pflichten zu bekräftigen - wozu mir Gott semen Segen nicht versagen wird, well wir ihn
224
ja täglich darum bitten. -
Zurn neuen Jahre wünsche ich Ihnen, Beste Eltern! das, was
em dankerfUlltes Herz nur allein fühlen kann, - närnlich:
Gesundheit, Zufriedenheit und em langes Leben, urn zurn
Wohie der Ihrigen recht viel wirken zu können, was Gott
geben rnöge! -
Ich bin Gottlob! iinrner gesund und wohl, wie Peter. Dass
ich Ihren letzten Brief und Geld (vom 2ten Dez. ) erst am
7ten erhalten habe, hat Peter vielleicht schon geschrie-
ben; den Stand meiner Kassa bei Hrn. Maier konnte ich nicht
erfahren, da Maier seit elniger Zeit in Karlsruhe bei seiner Braut 1st. Was dasozartei in Frankfurt betrifft,
so wei2 ich. noch nichts NHheres, als laut einern Artikel
in der Frankfurter tIDidascaliaIu wo närnlich stund, dass
an den StIpendiaten jedes Vierteljahr lOOf 1 (jährlich 400f 1)
bezahit wiiden; und daI3 der nächste Stipendiat schon vorn
1. Januar 1856 an gerechnet werde. (Das Kapital des MozarteumsbetrHgt 28900f 1 und wirft jahrlichlaut;:jenei.:statistjk
997fl ab). Also, wenn ich das Stipendlum erhalten würde,
ware es von diesein Nenjahre an. -.
}Ieine 2 Schüler sind diesen l'Ionat abgereist, ich habe gegenwärtig keine Stunden. 11eine kleine Oper kann in 14 - 20
Tagen fertig sein. GegenwHrtig habe ich eine Ouverture geschrleben, .die Hr. SchafhHutl und Lachner sehr gefiel; ich
werde sie später auch im Privatrnusjkverejne aufführen lassen. Meine neue Hose kostete 6f 1 48+r und rnein neuer Rock
1f 1 = 25fl 48+r. Vom Oratorienvereine aus 1st inein Gehalt
auf 6f.l per Monat festgestellt. Sonst nich.ts Neues.
Der Winter war bis heute wunderschön, kalt und hell, einmal
hatte es 20 Grad Rauniur; heute aber regnet es. Dass ich
allen lieben Geschwistern "a glückseligs neus Johr" wünsche
(auch.mir), versteht sich von selbst. Der lieben }Iutter
rneinen. herzlichen Dank für das Kristkindl, welches meine
Erwartung bel weitein üb.ertraf. Der Peter lal3t alle grü2eri
und dem David für semen Brief a gl. n. Jahr wUnschen und
fragen, ob Landesverweser Louis noch in Vaduz sei. Einen
baldigen Brief -mit lJngeduld erwartend, verbleibe ich, Theuerste Eltern Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
Münchèn, 31.12.55."
225
Uber die zweite Aufführung der D-dur-Symphonie am 7.Januar
1856 1st nur die folgende Briefnotiz von Peter Rheinberger
vorhanden, die vom 18.1.1856 stammt.
"Der Zufall wolite gerade, dal3 an diesem Tage Josef's
Simphonia zum 2ten male aufgeführt wurde, obschon ich mich
nichtganz gesund fühlte, wohnte ich doch mit Hr. Wolf inger
bei. Der Saal war gedrEngt voll, besonders waren viele
Musik=kenner zu bemerken: Schaffhäutl, Maier, Leonhart, sogar Direktor Hauser etc: Josef dirigirte nicht, danach wurde er stUrmisch gerufen. Der Privat=Nusikverein gibt keine
öffentlichen Konzerte, daher erhalten in dieselben nur diejenigen Zutritt, weiche von semen Mitgliedern Billiette
bekommen. Josef darf sich jedoch Glück wUnschen, dal3 ihm
der Direktor dieses Vereins Hiber gewogen ist und seine
Compositionen zur AuffUhrung bringt. Em of fenes Konzert
1111 kgl. Odeon zu geben, ist hier für den Compositeur oder
Virtuosen nicht gerade mimer rentabel. Ich wohnte letzten
Montag elnem soichen Concerte bei, (eben weil ich em Freibilliet erhielt) weiches em Hr. Paur aus London, frUher
Schüler von Lachner, gab. Man schilderte dasselbe als sehr
gelungen. Er brachte mit dem Hoforchester, das vielleicht
mehr als 100 }tann stark, auf weichem Instrumente er Virtuos
1st etc: Dies 1st alles recht schön zu hören, besonders für
soiche, die Freibillietten haben, deren Zahl sich vielleicht
Uber 200 belaufen niag, weiche jedoch sammt denen mit den
Kassa=billletten den Saàl nicht haib füllten, weil man eben
zu viel Musik zu hören Gelegenheit hat. Die dankbaren Zuhörer riefen Hr. Paur stürmisch und wir klatschten, daB die
Finger zu erbarmen waren, Hr. Paur aber muBte für diese
Ehre an die Hofmusiker und für Beleuchtung etc: Uber seine
Einnahme noch 150f 1 drauf zahien. Nun haben Sie einen Begriff vom Concertgeben, denn ihnliches wiederholt sich hier
genugs am.
Josef, der recht wohi ist und Sie Alle tausendmal grüBt,
1st mit seiner kleinen Oper fertig; er wird sie morgen Hr.
Lachner zur Einsicht vorlegen. - Von Frankfurt noch nichts,
wird aber nicht ausbleiben."
Am 26.1.1856 gab die "Musikallsche Akademie" im Kgl. Odeon
aus AnlaB des l00jährigen Geburtstages von W.A.Mozart em
Konzert, das Rheinberger besuchte und von dem er berichtet:
226
"Theuerster Vater!
Ihren werthen Brief yoiu 20ten d. erhielt Peter sammt dem
Gelde, wofür wir Ihnen herzlich danken. Nur war es auffallend, dass es 40f1 zu viel waren, worüber der Peter eben
auch keine Thräne -vergoI. Sams.tag Abends war Mozart-Concert, wobei das Requiem herrlich executirt wurde. Gestern (Sonntag) nachm. 3 Uhr gaben
die Schfller der 0berklasen des Max. Gymnasiums zu Ehren
ihres Rectors em gro1es Concert, für weichen Zweck ich
einen grol3en Fest=Chor componirte, weicher dann gestern
von 50 Sängern und eben so vielen Instrumentalisten auch
vorgetragen wurde, und sehr viel Effekt niachte. - Von Frankfurt ist noch nichts da. Geduldl Neine kleine fertige Oper hat gegenwärtig Hr. Lachner zur
Eurchscht. Sie 1st mir gut gelungen. Ich weiB gar nlchts
Neues mehr; auch 1st es noch finster. Peter studirt die
Ofen=Theorie gegenwärtig, und kann schon bald einheizen.
Da ich nun zum Generaldirektor gehen inul3, mu13 ich abbrechen.
Lisi und Mali soll.en mir schreiben. Sowie von Frankfurt
etwas koinmt, werde ich Ihnen, Theuerster Vater! sogleich
schreiben. Indessen leben Sie wohi und gesund; auch einen
herzlichen GruI an die liebe Mutter von Ihrem dankbaren
Sohn
Jo8. Rhemnberger.
MUnchen, 28.1.56."
kleines Streiflicht auf die Form der Mozartfeier, an
der Rhemnberger "als Direktor des Mozart-Vereins" teilnahm,
wirft folgende Notiz aus deni "Nünchner Punsch", die als
Abschlul3 der Rezension des Mozartkonzertes am 3.2.1856 erEm
schient
Die Krone des Abends war das Requiem. Jede der fünf Abtheilungen rief lauten Beifall hervor. Die Ausfuhrung war eine
meisterhafte, und die Kapelle zeigte sich wahrhaft begeistert. Während der Pause überraschte em Nitglied der Kapelle, Hr.
Hoiuusikus: Ignaz S I g 1 , seine Kollegen mit einer interessanten Mozart'schen Reliquie. Hr. Sigl zeigte nHmlich
jenes kleine Violincello vor, auf weichem Mozart als Knabe
von 6 Jahren gespielt hatte, und mit den er auch unter der
grossen Pastete sass, die der Fürstbischof von Salzburg
227
über ihn hatte machen lassen und unter weicher er versteckt
auf die Tafel gebracht wurde. Man denkt sich das Erstaunen
der Gäste des KirchenfUrsten, als dem Innern der Pastete
jene wundervollen Harmonien entstiegen, durch die Mozart
als Wunderkind die Welt entzUckte. Als Sigi, ebenfalls im
Knabenalter, i.J. 1804 mit semen Geschwistern in Salzburg
musicirte, und nur eine Viola hatte, worauf er die Cellostimme spielte, schenkte ihm Mozart's Schwester, Frau Sonnenburg, dieses kleine Violincello, das einst Mozart's Händchen
beherrscht hatten. Auch der anwesende König Ludwig betrachtete dieses theure Andenken irtit Wohlgefallen."
Ende Februar schrieb Rheinberger nach Vaduz:
"Theerte Vater!
Da ich. soeben dem Toni verschiedene BUcher etc. zu schicken
habe, will ich diese Gelegenheit nicht vorubergehen lassen,
an Sie, Bester Vater zu schreiben, obschon ich nicht viel
Wichtiges weil3. -
Das Beste 1st jedenfalls, da2 Peter und Ich gesund sind; was
wit auch von allen lieben Angehörigen hoffen. Da13 meine kleine Oper fertig ist, habe ich bereits geschrieben; für spHter
werde ich schauen, sie lrgendwo auswärts auf die Bühne zu
bringen, wozu mir auch Hr. Prof. Schafhäutl gerathen hat;
Lachner hat sie nicht ganz durchgesehen. Gegenwärtig arbeite
ich an einer neuen Sinfonie, deren erster Satz schon fertig
ist. -
Heute (Montag) Abends 1st Oratorienvereinsconcert, wo ich
auf der Orgel mitwirken mul3. Peter hat Hr. Pfarrer Wolf inger in Türkenfeld den Tod des
Balzner Muller's gemeldet. Von Frankfurt aus 1st noch nichts Näheres bekannt. - Peter
hat seine Photographie hauptsächllch wegen der Gröt3e seines
Schnurrbartes geschickt. - Hr. Prof. TMaier ist wohi und gesund; seine Frau war bedeutend krank, 1st nun aber auch besser. Das 1st so ziemlich Alles, was ich weil3! Von Weihnach-
ten bis vor 14 Tagen mu8te ich Organistenstelle In der St.
Michaelskirche vertreten, well der Chordirektor krank war. Bei Lachner habe ich wöchentlich 2 - 3 inal Zutritt; Uberhaupt kann er mich wohileiden. - Dem David für 12f1 Dank
für semen Thaler! Wie geht es der lieben Mutter? 1st sle
228
iinrner gesund? Warum schreibt man mir so selten von ihr? -
Sie, Bester Vater! sind hoffentlich immer gesund, urn was
ich den Hinznel täglich bitte, - Peter ist inmier kreuzfidel
und hat schon em hübsches Bierbäucherl, so dal3 er seine
Uniform urn einen Fu13 weiter machen lat3en mul3. -. Nun mu8 ich
beschliI3en; es wird schon finster. Allen lieben Geschwistern
herzliche Grii2e, vorzuglich aber Ihnen, Theuerster Vater,
von Ihrern dankbaren Sohne
Jos. Rheinberger.
München, 25.2.56."
Gleichzeitig schrieb Rheinberger an semen Bruder:
"Lieber Anton!
Deinem Wunsche zufolge schicke ich Dir hiemit:
Das Buch der Arbeit I ti. II Theil (wovon jeder Theil nicht
54+r, sondern ifi 30+r kostet. zus. 3f1
Das Kriegsspiel zu
Den gewUnschten Einband -
18+r
2f1 20+r
5f1 38+r
(Die BUcher von Leischner waren nicht vorrätig, mul3ten erst
von Leipzig bestelit werden und sind bis data noch nicht an-
gekommen. Da dachten wir, Du möchtest ungeduldig werden, und
schickten diese 7 Sachen voraus.,) Dem David meinen Dank für
semen wohlklingenden GruI3, soiche Grül3e wünschte ich mir
"an Erdöpflsakvoll" Er solle nur so fortfahren. Dem Lisi
werde ich bei nEchster Gelegenheit einen geschriebenen Schreib=
Brief schreiben, so dern Matscherle. So, lieber Toni! Das ware im Reinenl Wie geht es Dir iunner?
Wie geht Dein GeschEft? Sowie die andern Bücher von Leipzig
kominen, werde ich sie Dir sogleich schicken; darauf kannst
Du Dich verlaBen. Wie geht es der lieben Mutter? Spinnt sie
fleil3ig? Ich möchte sie nun bald wieder einmal sehen - -
Peter und mir geht es gut, das Wetter ist bier meist sehr ge-
linde, oft sogar warm. (Du siehst schon, dal3 maine Neuigkeiten diesmal "mager" -sind,) Peter wird mimer dicker. (liii Augenblick geht er auf die Polytechnick; und brunimt und schimpft
übers Reisbrett, daf er's so witt träga muaf3. Hie und da duan
mer denn noch liachtastEnerla zor Uabig. So, Tonele, jetz
wei8 i nut meh'.
229
Wenn ich eirimal etwas Interessantes weil3 will ich dem Davigoliath schreiben; wenn ich dann nach Hause konime, bringe
ich ihm eine schöne Uhrkette; konime ich aber dieses Jahr
nicht, so bringt sie dann der Peter.
Jetz wäI3 ich aber bigoscht nUt meh'. Grüge mir die Seff a und das Mali, s'Lisi aber net, denn dem
schreibe Ich dann selbst.
Zum Finale wUnsche ich, daa Du mit den Bestellungen zufrieden
seiest und mich bald wieder mit einem Briefe erfreust.
Grüf3e die l/ieben/ Eltern herzlich;
Dein Bruder
Jos. Rheinberger
München 25.2.56."
Die Mozartstiftung in Frankfurt gibt Rheinberger die Bewerbungsrnodalitäten bekannt:
Herrn Jos. Rheinberger
"Frankfurt a/}1 d. 25ten Febr.1856
in Ntinchen
Ihre Bewerbung urn das Stipendium der Mozartstiftung ist durch
Beschlul3 des Verwaltungs=AusschuIes für zulässig erkannt worden. Das nun einzuhaltende Verfahren wjrd Ihnen nicht unbe-
kannt sein, indeB wird die Feststellung desselben nicht UberflUssig sein. Sle haben nämlich nach §27 unserer StiftungsStatuten unter der Aufsicht eines Neisters der Tonkunst die
Composition eines Liedes u. eines Instrumentalquartettsatzes
als PrUfungsarbeiten zu fertigen.
In der Voraussetzung daB Hr. Kapelimeister Fr. Lachner in
MUnchen sich dieser Aufsicht unterziehen werde, haben wir mm
beigefUgten Schreiben denselben hierum ersucht. Sie wollen
daher ihm dies Schreiben gefEll. behandigen u. das Weitere
von deinselben entgegennehmen.
Die von Ihnen zu fertigenden Arbeiten sind nach Verlauf von
längstens 2 Monaten u. in 4facher Ausfertigung zu liefern.
Hr. Kapelimeister Fr. Lachner wird Ihre Arbeiten nach deren
Vollendung sogleich an uns einsenden u. der Verwaltungs =
Ausschuf3 wird dann nach Vorschrift der Statuten welter damit verfahren.
Achtungsvoll der Verwaltungsausschul3 u.i.d.N.
Dr. Ponfick, PrEsident"
230
Den genannten ModalitEten, die Rheinberger berelts seit
seiner Bewerbung im Jahre 1851 kannte, glaubte der hoffnungsfrohe Bewerber entsprechen zu können. Er war sich
seines Erfolges sicher. An semen Bruder Anton schreibt
er:
"Lieber Bruder!
Kaum hatte ich das Paquet fortgeschickt, kam von Leipzig
der Ite Band "Papparbeiten von Leischner". Der lIte Band
sei bereits vergriffen, also nicht mehr zu haben. Soil ich ihn Dir gleich schicken, oder warten, bis ich
mehr zu schicken habe? Wie bist Du mit der Waare zufrieden,
die ich Dir schickte?
Dem lieben Vater sage: daB mir letzthin die Aufgabe von
Frankfurt gestelit worden sei, und zwar brief lich. Ebenso
war von Hr: Lachner em Brief beigeschioBen, welcher den
zu componirenden Text enthielt. Ich arbeite bereits an der
Aufgabe. Herr Begger, Kioster=Musiklehrer von Disentis, weichen Peter und ich daselbst kennengeiernt, hat uns dahier besucht,
sagte, er wolle hier ins Conservatorium gehen; und ist vor
8 Tag hier am Schleimfieber gestorben! - - Der Peter sagt, man solle ihm seine Fragen bald beantworten. Mein lieber Bruder! schreibe mir recht bald, wie /Du/ mit
meiner Sendung zufrieden bist, wie es Dir und Deinem Geschäfte ergeht, und wie's in Vaduz Uberhaupt steht. 1st die
liebe Mutter immer gesund? ich lasse sie herzlichst grUBen.
Was inacht Hr: Hofcaplan Fetz? Meine Empfehlung! (Nicht zu
vergessen: Befola z' griltza !) Das Wetter war hier herrlich bis heute, wo es em wenig
schneit.
Der Peter wird jetzt "förchtig gschied". Gestern hat er mir
von einem Gestirn erzählt, das aus gar keinen Sternen bestehe; und da ich's ihm nicht glaubte: hat er g'schimpft
wia Rohrspätzie, was sehr fidel war. Ha, mänst net o? - GrüBe -mir aile Bekannte, welche nach mir fragen; bleibe gesund, lebe wohl, und schreibe bald Deinem Dich liebenden
Bruder
Jos. Rheinberger.
München den 6.3.56."
231
Der Milnchner Punsch (Nr.9 vom 2. März 1856) erwähnte das
Konzert, in dein Rheinberger mitwirkte, nur kurz, ohne sei-
nen Namen zu nennen:
I,
Der hiesige Oratorien=Verein, unter Frhrn. von Perfails
Leitung auf's beste gedeihend, brachte mit seiner Elite von
Dilettanten auch heuer wieder em gröl3eres Werk Mendeissohns:
"Elias" zur Aufführung, weiches alien Mitwirkenden zur besonderen Ehre gereicht. Der Gesainmt=Vortrag gab ZeugniB von
der Sorgf alt der Vorbereitungen und von dem regen Eifer, der
alie Einzeinen beseelt. Die Hauptparthien waren vertreten
durch Frau v. Mangsti=Hetzenecker und Frau Professor Riehi;
dann einen kiangvollen Tenor, Hrn. Hauptmann Reu1, und einen
jungen taientbegabten Baryton, Hrn. Degele aus Stuttgart.
Das gewählte Auditorium zeigte sich sehr entzückt."
Das eigenhändige Werkverzeichnis Rheinbergers, in dem er
die in dieser Zeit entstehenden Kompositionen datiert emtragt, verzeichnet für das Jahr 1856 eine Reihe von Werken,
unter denen sich die Preisausaufgaben für die Frankfurter
Mozartstiftung befinden, ohne daf dies mit Sicherheit zu
sagen ware. Jedenfaiis sind foigende Kompositionen vorhanden: Fuge und Toccata in e-moii, JWV 50, komp. 22.2.1856;
Messe in E$-dur für 4 Singstiinmen a cappeiia, JWV 57, komponiert}lUnchen, den 23.5.1856; Schauspieimusik zu Schiilers
"Jungfrau von Orleans't für Orchester, komponiert Vaduz 1856;
Streichquartett in Es-dur und eines in c-moii, beide in
einem Satz, von denen nur das zweite genau datiert ist: 21.
6.1856. Em weiteres Streichquartett, in d-moii, JWV 59, in
d*ei Sätzen, datiert 22.11.1856,iiegt vor. Unter diesen
em
Werken kommt der Streichquartettsatz in Es-dur, JWV 63,ais
Konkurrenzaufgabe in Frage. Daneben ist das Lied "Kennst
du das Land, wo die Citronen biühn", JWV 67, datiert 1.5.
1856, wahrscheiniich die weitere Preisaufgabe. Eine beson-
dere Originalitat in der Erfindung ist beiden Werken nicht
eigen.
Anfang April schreibt Rheinberger nach Vaduz und berichtet
über seine kompositorische Tätigkeit. Aus diesem Schreiben
geht hervor, daB er stets am Ende des Manuskriptes das AbschiuBdatum vermerkt, so daB der genaue Entstehungszeitraum
offenbleibt:
232
"Theuerster Vater!
Vorgestern übergab inir der Peter in Ihrem Namen 50f 1, für
die ich Ihnen, Bester Vater! herzlichst danke. Ich werde
44f 1 davon Hr. Perstenfeld (prom.: 15. April his 15.Juni)
zukonmen lassen, weil er mir sagte, da2 er sich mit dem Hauszins hart tut. Peter las inir aus Ihrem Briefe nur Weniges
vor, tinter anderem auch,. dal3 Sie, Bester Vater! wissen möchten, wie Tmeine Finanzen bei Banquier TMaier u. Comp. stünden.
Ich. weil3 es so genau nicht, habe aber seit 14aiers Reise emmal 27, eininal 20f 1 (=47f 1) bezogen. Auch hat Hr. Pfarrer
Wolf inger durch. den Peter mir lOf 1 einhEndigen lassen, die
also auth zu Naier's Rechnung gehören. Gegenwärtig habe ich noch immer an der Frankfurter Aufgabe
zu thun, weiche bis Ende dJI. 4fach abgeschrieben, eingeschickt sam inuB. Wenn Hr. Generaldirektor Lachner sich nicht
so Zeit liege, ware sie schon abgeschickt. - Nein Nächstes
wird as sodann sein, -meine Conzert=Ouvertüre zur Aufführung
zubringen, und meine gro2e C-moll Sinfonie fertig zu arbeiten.
Der Text -meiner kleinen Oper ist an die Königstädter Bühne
In Berlin eingeschickt worden, und sollte er conveniren, so
wird-meine Partitur nachgeschickt und dort aufgefUhrt. Vorerst weIf3 nur Hr. Prof. SchafhEutl darum. Es muB nun jeden
Tag Antwort eIntreffen,die - vielleIcht auch abschlagig sein
kann. - Hr. Prof. Herzog in Erlangen soll leider schwer
krank sam. Ich hatte mich auf seine Ankunft zu Ostern gefreut, nun aber konnte er nicht konunen. - (Auch Pfingsten
gehe ich nach TUrkenfeld!) Peter war über Ostern in Türkenfeld, ich konnte aber leider nicht mitgehen, weil der Oratorienverein auf den h. Gründonnerstag em Niserere einstudirte, und in der Basilika auffUhrte - auch am 31.1.14. im
groen Odeonsconcertsaale em Concert zum Besten der Armen
gab, wo ich die Orgel mit spielen -mugte. Für die Basilika componire ich. gegenwärtig eine kleine Nesse
für 4 stimmigen Chor; für später bin ich willens eine grol3e
Nesse -mit Orchester zu comp/oniren/ und alle -meine Kräfte
dazu aufzubieten. Auf den Monat Juli freue ich mich sehr, nEmlich: wegen der
Heimfahrttt wo ich. hoffe, alle 1/Ieben/ Angehörigen, besonders aber Sle, Geliebteste und Theuerste Eltern! gesund und
zufrieden anzutreff en, was der Allmächtige -verwIrklichen möge!
Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
3.4.56.
(:Mali, Lisi und Toni sollen Neuigkeiten schreiben!)"
Acht Wochen später schreibt Rheinberger:
233
tlTheuerste Eltern!
Da ich Ihnen schon Uber 1 Monat nicht mehr geschrieben,
(well Peter Anfangs Mai schrieb) so will ich alle Neuig-
keiten von dort erzEhlen, wenn sie den Namen "Neuigkeiten"
verdienen. Ende April beendigte ich die Preisaufgaben und
schickte sie in 4 facher Abschrift nach Frankfurt, was Peter
Ihnen, Geliebtester Vater! schon geschrieben haben wird.
Ich glaube, da1 diese Compositionen gelungen sein werden,
auch gefielen sie den Hr. Lachner, Maler und Schafhäutl
sehr. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort von Frankfurt
bekommen. Gebe Gott! daf3 sie den erwarteten Segen bringen. Da13 wir zwei aüch tiber Pfingsten in Türkenfeld waren, dort
einen Balzner, (Nigg) getroffen, werden Sie, Bester Vater!
von jenem selbst erzHhlen gehört haben.
Neine 4 stimmige Nesse habe ich beendigt; meine Ilte Synfonie werde ich aber erst in Vaduz vollenden. Theuerste
Elternl trotzdem, dal3 ich von Hause solange keine Nachrich-
ten erhalten, hoffe ich nichts desto weniger, daI3 Sie sich
alle wohl und gesund befunden haben werden, so wie ich und
Peter dahier. Pfarrer Durigiai 1st noch nicht eingetroffen. - Hr. Lieut.
Nenzinger schrieb dem Peter, da1 er ihn am 3Oten besuchen
werde, ist aber heute früh (3lten) noch nicht hier. Peter
-möchte gern-wissen, ob er einen Schnurr=Knebel, Baken=Bak's
oder sonst einen Bart trage, worauf ich gar nicht neugierig
bin. Das sind Alle MUnchner Neuigkeiten. - - - -
Die gro1e Frohnleichna-msprozession war heuer sehr glänzend. -
David schreibt dem Peter fleiig; warum schreibt denn mir
Niemand mehr? - - -
Was inacht die liebe Mutter? Ich freue mich sehr sie bald zu
sehen; geht es ihr auch so? - Nun, Theuerster Vater! leben
Sie wohl; ich wtinschte, Sie bald mit den besten Frankfurter=
Neuigkeiten erfreuen zu können, weichen Wunsch der Hinnnel
bald erftillen möge. In Erwartung eines lieben Briefes Ihr
dankschuldigster Sohn
Jos. Rheinberger.
Niluchen, 31.5.56.
NB. Grül3e von Peter!
NB. Auch einen Grut3 von meiner Garderobe, welche sich wohl
befindet, mit Ausnahme der Hosen und Stiefel, weiche einer
Reserve=Nannschaft bedarf!
(Sonntag, d. 1.6.56.)"
234
Gleichzeitig erhält der Bruder in Vaduz gereimt Ungereimtes:
"Nein lieber Tone!
Sieh! ohne
Auch nur einen Brief von
Dir abzuwarten, schreib' ich Dir schon!
Verdient das nicht 50 Prügel
Nit einem Ochsen=Striegel?
Ich dhua d'r schrieba, welle nut wä1,
(Im Nonat Mai ist's förchtig hä1)
DeIwegen schreib ich Dir in Hemd
Arniel, ohne dal3 i mi hätt gschâmt
Vor Dir. Ntindlich will ich Dir dann mehr noch sagen,
Du solist nicht über Nangel an Neuigkeiten klagen.
(Sieh, ich gehöre auch zu dem Gelichter
Schlechter Wasser=Dichter).
WeiB schon:
SpEter niehr davon!
Jetzt bitt i urn Pardo,
ich rnua1 uf an -- go!
Jetzt bin ich schon wieder da,
Foha mer weeder vo forna a!
Wie geht Deine Buchbinderei,
Tragts' viele Batzen el?
Bist Du immer gesund
Gewesen -- und
1st d'Nutter sch5,
dhua'ts viel Kriasi ge?
Git's öpfl I der Esla?
(Jetz han i müasa bschnesla!)
I ha denkt an a guata Schnopftabak,
und ha net amol a Prisle liii Sak,
(well I saga) i der Box,
ja, do ist o nix!--Jetzt will i Dir a Gschechtle verzella!
Eirirnal sind zwei Handwerksburschen nach Türkenfeld gekonrnen und haben dort einen Balzner getroffen, welcher
ste nicht kannte. (Dia Gschecht ist wohr!)
Der Balzner hat geglaubt, es seien 2 Herren aus NUnchen.
Er hat nicht glauben wollen, da sie schon in Liechtenstein
gewesen seien:
235
Balzner: Jo, wenn lar scho z'Liachtaschtä gse sind, so
duan der Nama von a ma Liachtaschtäner Sega.
Handwerksbursch: Der Rentmeister!
Balzner:Jo, das isch an grofa Ma, der dhuat ma öberal
kenna.
Handwerksbursch: Der Balzner Muller!
Balzner:Jo, das hat ne der Pfarrer gset!
I. Handwerksbursch: Aber dr Egidi z Baizers met sina Koga!
Balzner: Jez glob is aber, daB er dtiart gse sind;
aber mine Herra! Sind sie net d'Rempmästers Buaba?
I han is doch grad am Modi a kennt.
Dia Gschecht is wohr,
schreib mir bald, mein lieber Bruder,
Euer Hochwohlgeborn
inalleruntherthänigkeitganzergebenster Diener
Jos. Rheinberger
Mflnchen 31.5.56
P. Peter erwartet, daB man ihm das Geld schicke, weiches
die Eschner bezahlen sollen.
Wie genau der Musiker Josef Rheinberger bei der Wiedergabe derartiger harmioser Genreszenen semen Landsleuten
aufs Maul schaute, ergibt sich nur für denjenigen erkennbar, dem dieseverschiedenen idiomatischen Nuancen geläufig sind. Wie tief Rheinberger in seiner liechtensteinischen Heimatverwurzelt war, geht aus diesen Briefen an
seine Geschwlster hervor. Hier auch gibt er AufschluB
Uber seine GefUhie und seine Bindungen an die Familie.
Imnier wieder fragt er nach dem Befinden seiner Mutter; obwohi von dieser stillen Frau nicht em einziges Wort in
den zahireichen Briefen aus Vaduz Uberliefert ist, entsteht
ihr Bud.Ohne Zweifel sind auch die einschneidenden Entscheidungen,
die Rheinbergers Vater immer wieder bezüglich der musikalischen Ausbildung seines Sohnes in MUnchen zu treffen hat,
von der Mutter mitgetragen und entscheidend beeinfluBt.
Die Hoffnungen, die Rheinberger zu dieser Zeit auf das
Stipendium der Mozartstiftung setzte, wird sie geteilt
haben.
Der Umstand, daB Rheinberger das Ziel nur knapp verfehlte,
ist besonders schmerzlich.
236
Die Mozartstiftung teilt ihren Beschlul3 mit:
"Herrn Joseph Rheinberger, Mlinchen.
Im Laufe der vergangenen Woche ist der letzte gutachtliche
Bericht von Seiten der für die Arbeiten der urn das Stipendium a'ufgetretenen Bewerber erwählten Preisrichter eingegangen. Der Verwaltungs=AusschuI3, weicher in seinern definitiven Beschluf3 sich strenge an das Ergebnh1 der Gutachten
u. an die Bestimmungen der Statuten zu halten verpflichtet
ist, hat in seiner Sitzung vorn 6ten d.N. dern Verfa!3er der
Arbeit No.3 Joseph Brambach von Bonn das Stipendiurn zuerkannt.
Es ist inde2 weniger noch diese Mittheilung, weiche ich mich
beeile an Sie ergehen zu lal3en, als vielrnehr die Absicht,
Ihnen zu sagen, daB wenn Ihre Arbeit auch nicht durchgängig
als die bel3te anerkannt worden 1st, man ihr doch besonders
von einer Seite her rühmliche Auszeichnung angedeihen liel3.
Schon bei der früheren Bewerbung haben Sie concurrirt. Auch
dainals nicht ruhmlos, nicht ohne eine ehrende Anerkennung
davon zu tragen. Dies kann, dies muB Sie nur ermuthigen, u.
auch wir möchten nach unserem Theil gem mit einem SchErf-
lein dazu initwirken. Wirkennen Ihre Verhältnisse nicht;
wissen nicht, ob Sie ferner in München bleiben werden, ob
Sie vielleicht eine spEtere Bewerbung urn unser Stipendium
nochmals zu versuchen gesonnen sind. Wir unsererselts würden uns nur freuen, elne soiche Zusicherung von Ihnen zu
erhalten u. würden Sie gerne wilikommen heiBen.
Derenfalls aber glaubt der Verwaltungs=AusschuB Ihnen seine
wohimeinende Gesinnung In irgendeiner Form nach semen KrEften bethätigen u. Ihnen eine gewiBI3e Anerkennung bieten zu
sollen - em Anerkenntni2 Ihrer Tüchtigkeit u. Strebsamkeit,
indem wir Ihnen em Zeugnil3 ausstellen für Ihre wackere Arbeit, zur Ermuthigung u. zur Einpfehlung für Sie. Es solite
nur freuen, wenn Sie dies freiwillig gegebene freundliche
Erbieten annehmen, doppelt freuen, wenn es Ihren Zwecken,
Ihrer kUnftigen Laufbahn fbrderlich sein kann. Wir haben bei
elneni verwandten Falle in ähnlicher Weise gehandelt und zwar
mit dem bel3ten Erfolge für den Kunstjünger, der jetzt bereits
eine ehrenvolle öffentliche Stellung einnimrnt.
Lal3en Sie uns in dieser Bez.iehung ganz of f en Ihre EntschlieBungen u. Thre Wünsche vernehrnen, u. halten Sie sich ver-
sichert, daB wir stets genie bereit sind, Ihnen in jeder Weise nach Kräf ten förderlich zu sein.
237
Nit aller Wertschätzung der Verwaltungs=Asuschul3
der Mozart=Stiftung
Dr. Ponfick, Präsident
u.i.d.N.
Frankfurt a./M. d, 9ten Juni 1856."
Tief enttäuscht tibersandte Rheinberger dieses Schreiben nach
Hause:
"Theuerster Vater!
Hiemit sende ich Ihnen Antwort aus Frankfurt, die, wenn auch
ehrenvoll genug, doch nicht das GewUnschte enthält. Eine Abschrift davon zeigte ich den Herren Lachner, Schafhäutl und
Maier, natürlich mit Auslassung der 5.-8. Zeile auf der 2ten
Seite des Briefes. Man rieth mir aligemein an, dem Anerbieten
des Mozart=Vereins Folge zu leisten; demnach werde ich dieser
Tage dahin schreiben. Die ganze Geschichte hat mich auf lange
Zeit verstimmt. Fir: Maier ist nicht mehr Professor am Conservatorium, sondern
bei der Kgl: Hofbibliothek angestelit, wie ich höre, mit bedeutendein Gehalt, was ich ibm herzlich wünsche.
Es freut mich sehr, wenn David kommt. Das Mali schreibt mir
nur immer, bevor ich nach Hause komme, es wei8 schon warum,
aber so pfiffig bin ich auch. Ich werde ibm einen ganzen Paèk
Nusikalien mitbringen.
Von Berlin hat mein Dichter.noch keine Antwort. - Ich habe
wieder eine Menge Sachen in Arbeit, worunter auch die Musik
zu Schiller's "Jungfrau von Orlans". - Für die Fakanz (vielleicht auch etwas länger;) Arbeit genug. Fir: Lieutenant Menzinger war auf einen Tag bier. Es hat mich
sehr gewundert, wie Gotta Sepp auf den Einfall kam, mir zu
schreiben. Ich werde ibm auch schreiben; sowie ebenfalls an
Hr: Schmutzer. Ich freue mich sehr, Theuerster Vater! Sie, und alle uns Angehörigen baldigst, und, so Gott will, recht wohi und gesund
zu sehen, weiche Hoffnung wohl nicht vereitelt werden wird,
wie die Eingangs meines Briefes? Euer dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
}lUnchen, den 19.6.56.
(Der Mutter viele, viele GrUf3e !!!)"
238
Johann Peter Rheinberger entwarf für semen Sohn folgendes
Antwortschreiben an die Mozartstiftung:
"Löblicher VerwaltungsausschuB!
Wohigeborener Herr Präsident!
In dem mir von Ihnen zugegangenen sehr verehrten Schreiben
vom 9ten des Nonats hatten Sie die Güte mir die statt gefundene Vergebung des ausgeschriebenen 1Iozart'schen Stipendiums, urn weiches auch ich mich beworben habe, mitzutheilen, wofür ich Ihnen anmit den höflichsten Dank erstatte.
Wenn ich auch nicht so glUcklich war mit meinen Leistungen
in Ausarbeitung der mir vorgelegten PreiBaufgaben den gewünschten Sieg zu erringen, so darf ich mich dennoch schon
dadurch hinlng1ich belohnt finden: daB meine gelieferten
Arbeiten vor kompetenter Behörde Anerkennung gefunden, und
mir die Zulieferung ihrer höchstschätzbaren Gewogenheit erworben haben. Denn nebst dem daB Sie mich aufmuntern später
wieder als Bewerber auftreten zu sollen, was ich durftigen
falls nicht versäumen werde, wird inir auch noch em empfehlendes ZeugniB zugefuhrt, welche Zusicherung urn so willkommener sein muB, weil mir em soiches unter meinen gegenwärtigen Verhältnissen sehr nUtzlich werden dürfte, und urn
dessen Erfolgung ich also auch recht ergebenst bitte.
Genehmigen Sie schliel3lich bitte für die mir zugesicherte
Gewogenheit, welche mir stets schätzbar bleiben wird, meine
aufrichtige Danksagung, und indem ich recht ergebens bitte
inir dieselbe nicht wieder entziehen sondern mir bei einer
sich etwa zeigenden Gelegenheit mit Ihrer gewichtigen Empfehlung förderlich sein zu wollen, geharre ich mit aller
Hochachtung als dankbarer Diener
Jos. Rheinberger
MUnchen d /4./Juli 1856
Ob mir es die Verhältnisse gestatten werden zu meiner weiteren Ausbildung ferner in München bleiben zu können, bin
ich gegenwärtig nicht im Fall zu bestimmen, für jeden Fall
werde ich mich urn Mitte Juli nach Hause begeben, und dorten
den weiteren Bestimmungen entgegen harren.t'
239
Der Verwaltungsausschi derMozartstiftung Ubersandte unter
dem 5. August 1856 em Ehrenzeugnis für Rheinberger mit
den wenig trostreichen Worten:
"Möge das ZeugniB selber von recht gutem Erfolge für Sie
sein: Stets werden wir die günstige Gestaltung Ihrer Verhältnii3e mit VergnUgen vernehmen, u. stets wird es uns em freudiges Bewuftsein gewähren, wenn wir uns sagen dürfen, data auch
wir nach Kräf ten unser Schärfiein dazu beigetragen haben."
Das Dokument hat foigenden Wortlaut:
"Ehren = Zeugnii3
Herr Joseph Rheinberger, aus Vaduz, im FUrstenthurn Lichtenstein, 1st bei der Bewerbung urn das von dem unterzeichneten
Verwaltungs Ausschu1 zu vergebene Stipendium der Mozart Stif-
tung zu Frankfurt a./M. sowohi bereits vor 5 Jahren, im J/ahre/
1851, wie jetzt neueriich als Mitbewerber aufgetreten u. hat
beide Male durch die Gediegenheit der eingereichten Probe=
Arbeiten sich von Seiten der erwhiten Preisrichter eine
ehrenvolie Erwähnung zu verschaffen gewuI3t, so zwar, daIs besonders bei der ietzen Bewerbung seine Arbeit von sämtlichen
Preisrichtern: Kapeilmeister Et3er in Wien, MusikDirector
M. Hauptmann in Leipzig u. MusikDirector Mef3er in Frankfurt
a.IM. als eine vorziigliche anerkannt u. der gekrönten zunächst u. dicht angereiht wurde.
Unter soichen Umständen erkennen wir es ais eine Pflicht der
Gerechtigkeit, der wir uns mit wahrem Vergnügen entledigen,
auf die reichen musikalischen Anlagen u. auf die hoffnungs-
voile Befähigung des Hr. Joseph Rheinberger nachdrUcklich
hinzuweisen, u. ihn Allen, denen es durch Stellung oder EmfluI vergonnt sein dUrfte, mit irgend welcher Beihülfe oder
UnterstUtzung auf die fernere Entwicklung u. Ausbildung seines schönen Talentes hinzuwirken, mit voller Uberzeugung u.
auf's angelegentlichste zu empfehlen.
Der Verwaltungs-Ausschur
der
Mozart Stiftung zu Frankfurt a.IM.
Dr. Ponfick, Präsident
D.A Giar, Sekretair
Frankfurt a./M. d. 5ten August 1856 "
240
Nit dieseni ehrenvollen Zeugnis, das semen weiteren Aufenthalt in TMünchen kaum sicherte, reiste Rheinberger im
Sonimer 1856 nach Hause. Von Vaduz aus schreibt er an J.J.
}laier, urn die wirtschaftlichen Grundlagen für semen Verbleib
in der bayerischen Netropole zu erkunden. Naier antwortet
Rheinberger:
vLieber Joseph!
Ich würde Ihr freundliches Schreiben v.25.v.N. sogleich
beantwortet haben, hätte ich damals nicht sicher geglaubt,
Herrn von Perfall bald hier sehen und sprechen zu k5nnen.
Ich habe ihn inzwischen 2rnal vergeblich aufgesucht und muI3
Ihnen nun doch zu Ihrer Beruhigung schreiben.
Ihre Vernehung, dal3 Sie bei täglich 2 Privatlectionen mit
dern Oratorienvereins=Gehalte sich durchbringen könnten, halte
ich für richtig. Wenn Sie nun meinen, es würde die Habhaf twerdung von je 2 täglichen Unterrichtsstunden schwer haten,
so mögen Sie auch hierin für den Anfang Recht haben. Es ist
abereinealte Erfahrung, dai3 wenn em angehender Lehrer,
falls er mit Sachkenntni8 und innerem Eifer versehen 1st,
nur erst einige Stunden hat, dann bald deren mehrere bekomint.
Dazu gehort nun vor allem ., da8 er sich darurn bewirbt und
möglichst bekannt giebt, daB er die Absicht habe, Privatunterricht zu ertheilen, nicht aber zuwartet, ob und wieviele
Stunden em gütiges Geschick ihm zuwendet. Ich sollte nun
meinen, daB Sie, falls die Herren Böhm, Schafhäutl, Perf all
etc. urn Ihre specielle Verwendung angegangen würden, falls
überdiel3 die Herren Berthold und Pentenrieder von Ihrem Vorhaben in KenntniBgesetztwerden, dann doch per Tag zwei Unterrichtsstunden erhalten wilrden. Ich selbst glaubte Ihnen durch
Vermittelung des Hr.Heucherner wenn auch nicht anfangs, so
doch un Laufe des Sch'uljahres Privatstunden verschaffen zu
können, da Hr. Heuchemer schon eine Reihe von ihm angebotener
Privatstunden bisher, ohne Jenianden an seine Stelle zu empfehlen, zurückweisen muBte und, wie ich als wahrscheinlich glaube,
gem
geneigt sein wird, Sie für derartige Fälle zu empfehlen.
Von vornherein läl3t sich rnehr nicht sagen. Sie müBten eben in
Gottes Narnen vor Allern hier anwesend sein u. zwar am zweckmäl3igsten so von Ende oder.Nitte October an, dann muB es sich
zeigen, wieviele Schüler sich an Sie adressiren. Ende dieses
1onats etwa wird Hr. Schafhäutl zurückkehren, mit weichem
241
ich Uber Ihre Angelegenheit sprechen werde, so da8 ich dann
Ihnen oder vielmehr Ihrem Herrn Vater in der ersten Woche
des Octobers Weiteres in dieser Sache werde mittheilen kdnnen.
Das Ihnen von Frankfurt aus zugeschickte Zeugni8 ist sehr
schätzenswerth. Durch einen Brief von Hr. Hauptmann 1st mir
aul3er Zwelfel, dais er derjenige Preisrichter war, weicher
sich für Ihre Arbeiten entschieden hat.
Da13 Sie fleif3ig gearbeitet haben freut mich, ich war davon
aber ohnehin Uberzeugt. Bringen Sie seiner Zeit nur recht
viel mit hierher!
Den beabsichtigten Besuch in Vaduz konnten wir leider nicht
in Meran vorgefundener Brief eilig nach
Constanz rief.
Nun empfehlen Sie mich alien den Ihrigen und seien Sie hen-
machen, da mich em
lichst gegrü8t von
Ihrem treuergebenen
Julius Naier
l4Unchen 12. Sept. 1856."
Der Rentmeister in Vaduz holt sich beim Münchner Quartierherrn
Perstenfeld zunächst einen Kostenvoranschlag, urn semen Entscheid
Uber den Verbieib Josef s in München zu begrUnden.
MUnchen, am lOten Oktober 1856
"Verehrungswürdiger Herr und Freund!
Ihrem Wunsche entsprechend, beeiie ich mich, den so eben erhaltenen Brief zu beantworten. Pepi kann bey uns wieder seine Herberge aufschiagen, und es bleiben die Verhältnisse beim
Alten - nur mit dern Unterschiede, dat3 ich Sie bitten mu8 weil die Lebensmittelpreise gar nlcht sinken, sondern eher
sich steigern - 24f 1 per Monat zu entrichten, für Holz und
Licht wie bisher seibst zu sorgen, u. auch den Pepi zu veranlassen, dal3 er die Leibwäsche einer Wäscherin ubergebe,
weil wir jetzt die Wäsche seibst bezahien mUssen, da wir sie
aus dern Hause geben, da meine Frau wegen öfteren Unwohiseyns
dieselbe nicht mehr prestiren kann. -
242
Wir glaubten schon seit Anfang Oktober nicht rnehr an eine
Rückkunft des Pepi, und machten schon Ausschlagzettel urn
das Zinuner zu vermiethen, und gerade 1/2 Stunde nach Ankunft Ihres Briefes meldeten sich zwey Polytechniker urn
das Zimmer - ware der Brief 1/2 Stunde spater gekommen, so
ware das Zimmer weg gewesen. Grü1en Sie mir herzlich den
Joseph, und sagen Sie ihm, da1 bald nach seiner Abreise em
Bedienter des Grafen Arko=Zineberg zu uns kam, und ihn haben
wolite.
Daf Hr. Lieutenant so glucklich ist so schnell zur Praxis
gekoinmen zu seyn, freut uns Alle recht sehr - rnöchten Sie
ihm wohi bei Gelegenheit einen freundlichen GruI von mir
entbiethen. -
Ebenso winschte ich, dal3 Sie mir den sanf ten David herzlich
grüBen, ich mu2 noch rnanchmal lachen, wenn mir seine Anek-
todten einfallen. -
Endlich gru1en Sie mir noch einmal den Joseph und sagen Sie
ihm, dal3 er bei seiner Ankunft mit Neuigkeiten von München
überschwemmt werden wird, besonders von Ludwig. Leben Sie nun recht wohi, und gedenken Sie oft
Ihres
aufrichtigsten Freund
Joh. Ev. Perstenfeld
Viele Grül3e von meiner Frau und meinem Ludwig."
J.J.Naier gibt über die zukünftigen Einkommensverhältnisse
Josef Rheinbergers in München folgende Prognose:
München d. 25.Octob. 1856
"Hochverehrtester Herr Rentamtmann!
Endlich bin ich in der Lage, Ihnen über die bewul3te Angelegenheit Näheres mitheilen zu können, da erst vorgestern
Herr von Perfall mir seine, in dieser Sache fast den Ausschiag gebende Antwort ertheilt hat.
Hr. v. Perfall wird dieser Tage eine Subscriptionsliste
für Joseph eröffnen. (Ich hatte im vorigen Jahr gar so ausdrücklich Beitrage für nur 1 Jahr erbeten, daf3 ich selbst
die Sache nicht wieder angreif en kann). Die frühere trug
monatlich 13f 1 3Okr. wir haben nun noch inehr voraussicht-
243
liche Theilnehmer gefunden, so daf3 wir die monatlichen Belträge auf 16 bis 20f 1 zu bringen zuversichtlich hoffen.
Nach der Erklärung des Cassiers des Oratorlenvereins kann
das Honorar für Joseph nur erhöht werden, wenn rnehr Mitglieder eintreten u. dadurch die Elnkünfte des Vereins wachsen. An gutem Willen fehit es dabei nicht, da der ganze Vorstand den Joseph sehr gerne hat.
Hierin mu3 vorerst also zugewartet werden.
In Betreff der Lectionen habe ich mit Hr. v. Perfall und Hr.
SchafhEutl gesprochen. Beide werden, wo sich Ihnen irgend
Gelegenheit bietet, den Joseph angelegentlich empfehlen.
Auch den Geistl. Rath Professor Koch besuchte ich defwegen,
welcher mir dasselbe zusagte mit dem Bemerken, daf3 er bei den
unter ihm stehenden Schulpräparanden oft Gelegenheit haben
werde, zu deren Nachhülfe den Joseph zu empfehlen. Herrn
Capeilmeister Pentenrieder hat mlr Hr. Schafhäutl versprochen in KenntniB zu setzen. Hr. Prof. Leonhard 1st auch in
Kenntnif3 gesetzt. Hr. Heuchemer konnte ich noch nicht tref-
fen, da dieser auf Joseph viel halt, 1st an seiner Bereitwilligkeit nicht zu zweifeln.
Der Oratorienverein hat schon begonnen u. Hr. v. Pen all
wünscht natUrlich sehr, dal3 Joseph dabei sei.
Sie sehen, verehrtester Herr Rentamtmann, da2 alle gute
Hoffnung vorhanden 1st, da1 sich Joseph binnen kurzem hier
wird halten können und Sie ihm wohl nur für die ersten Wochen
werden eine UnterstUtzung reichen müssen. Nun mu1 Josephs
Augenmerk darauf gehen (und er 1st so gescheut, daf er das
kiar einsehen wird) sich Stunden zu verschaffen und diese
nicht bios zu ertheilen, sondern so zu ertheilen, daB er
sich selbst empfiehlt d.h. in kurzer Zeit em besseres Hono-
rar anzusprechen befugt und damit in der Lage 1st, möglicherweise etwas zurückzulegen, was wenn die Subscription unseren Enwartungen gemäB ausfällt, wohl bald eintreffen könnte.
Unter diesen Umständen 1st es wohl das Beste, daB Joseph
jetzt bier wieder eintrifft, was dem Oratorienverein gegenüber schon geschehen muf3. Es handelt sich bei Joseph darum,
daB er noch 1,2 Jahre alter wird, dann 1st mlr nicht mehr
bange für ihn; vorerst 1st der eingeschlagene Weg der emzige, der vermeidet, daB Joseph zurUckkönne und somit alle
von Ihnen bis jetzt gebrachten Opfer vergeblich gewesen wEren.
Ich brauche wohi nicht beizufUgen, daB ich zu jeder weite-
244
renAuskunftsertheilung, Besorgung etc. die Sie irgend wün-
schen können, herzlichst gerne bereit bin. Mit dieser ernstlich gemeinten Versicherung grül3t Sie und alle die Ihrigen
Ihr dienstbereitwilliger
Julius Maier
Frauenhoferstraf3e No 2/2
Johann Peter Rheinberger antwortet auf das vorstehende
Schreiben mit nachfolgenden Zeilen an Julius Josef Maier:
Vaduz den 29. Oktober 1856.
"Wohlgeborner!
Verehrtester Herr Professor!
Ihr verehrtestes Schreiben vom 25ten dieses Monats ist mir
gestern zugekommen, woraus ich mit dem wrmsten DankgefUhl
entnahm, dal3 Sie nicht aufhören wollen mein lieben Sohn Joseph auf seiner angetrettenen Laufbahn zu unterstützen, und
ihm zur Erreichung seines vorgestekten Lebenszieles beför-
derlich zu sei. Erlassen Sie mir, verehrtester Herr Profes-
sor! den Ihnen schuldigen Dank gebllhrend auszudrücken, ich
habe keine Worte hierfür !! Stets werde ich aber Gott bitten daI3 er Sie für Ihre aul3ergewöhnlichen Bemühungen mit
seinem Segeñ lohnen wolle.
Getrost schike ich nun meinen Joseph wieder nach München,
da ich weil3 daB Sie sich seiner wieder mit Rhat und That
annehmen, und ihm Tmit den einem jungen in die Welt eintrettenden Nenschen nothwendigen Mahnungen stets zu Hülfe kom-
men werden.
Freitag Abends wird er unter erbettenem Gottesgeleit dort
eintreffen, und wird zu seiner einstweiligen Existenz, nach
bestrittenan Reisekosten, noch circa 80f 1 mitbringen.
Indem ich ihn nun Threr dauernden Gewogenheit angelegenst
empfehle, bitte ich schlül3lich nochmals den aufrichtigsten
Dank annehmen zu wollen, mit welchem zeitlebens mit aller
Hochachtung verharren wird
uer Wohlgeborn
dankschuldigster Freund und Diener
J.P. Rheinberger Rtmstr."
245
Die Rückkehr Rheinbergers nach München in diesem Herbst
markiert eine Zäsur in seinem Leben. War bisher immer noch
die Moglichkeit of fen geblieben, daIs er sich durch eine
besondere Leistung vor semen MUnchner Fachkollegen quail-
fizieren könnte, so hat sich diese Gelegenheit bisher nicht
erfUilt. Er fristet sein Leben mit Stundengeben und Komponieren und schreibt nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Damit Sie durch iängeres Stiilschweigen nicht urn mich besorgt werden möchten, schreibe ich das Wenige, was ich zu
berichten habe. - In Sevelen 1st nach Davids u. des Hr.
Oberförsters Heimkehr gleich der Commandant eingeschlafen,
und ich langweiite mich bis 10 1/4 Uhr, wo mich der Postwagen erlöste, und mich bis 4 Uhr nach Rorschbach brachte;
erst urn 10 Uhr fuhr das Dampfboot nach Lindau, weiches jetzt
prachtvoii aussieht. Wegen der grol3en Kälte nahm ich Eisenbahn II. Kiasse, und von Augsburg bráchte mich der Eiizug
in 5/4 Stunden, nEmlich urn 1/2 11 Uhr nach MUnchen. Die
Herren Maier, Perfall, Schafhäuti etc. empfingen mich äus-
serstfreundschaftiich, und - nun sitz ich in meiner aiten
Wohnung bei Perstenfeld's und habe schon Mehreres componirt.
Auch habe ich einen SchUler aus Wiirzburg in der Harmonie-
iehre zu unterrichten.
Herrn Generaidirektor Lachner habe ich noch nicht zu Hause
getroffen. - Ich befinde mich ganz wohi, und hoffe mich mit
Gottes Hilfe durchbringen zu können. Ich habe em 2/3 Kiafter Hoiz zu 9f 1 und einen warmen Winterrock gekauft (zu
16f1). Perstensfeids Ludwig hat das Clarinett=Spielen aufgegeben.
Die Frau Oberförsterin wird ihren Hut nchsten Sonntag in
Sevelen holen können. Den Toni und David werde ich auch
bEldestens befriedigen. Unter meinen sonstigen Ausgaben steht auch em Regenschirrn
zu 6f 1 - dann Handschuhe, Stiefel, Aufenthaltskarte, Noten-
papier, Licht etc., so geht es immer fort. Was macht der Peter in Chur?
Und alle lieben Geschwister, sowie auch Sie, Theuerste Eltern?
Nit den Besteliungen werde ich auch einen Brief schicken,
und verharre indel3 ais Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
NUnchen, 10.11.56.
Viele Grül3e von überailher."
246
Eine besondere Vorliebe Rheinbergers war seit seiner Lehrzeit bei Johann Georg Herzog das Orgeispiel, das er in besonderem Nai3e beherrscht haben mu1. Der Dienst an diesem
Instrument, wie Uberhaupt die Kirchenmusik, haben ihm von
Kindesbeinen auf stets Freude gemacht. Der folgende Brief
bestatigt dies:
"Theuerste Eltern!
Ohne etwas Neues, Bernerkenswerthes zu wissen, schreibe ich
Ihnen diesmal blof, urn Sie von meinem immerwährenden Wohibefinden zu unterrichten. Ich habe nun bereits 3 Schüler,
wovon nur einer 30, die andern 24+r per Stunde bezahien;
was sehr wenig ausmacht; da sie noch AnfHnger sind, so ist
das urn so langweiiiger. Auch bin ich nun wieder wie vor 3
Jahren Organistenstellvertreter; ob ich dafür bezahit werde,
wei1 ich seibst noch nicht. Auch ist es in die St. Ludwigs=
Kirche sehr weit zu gehen. Nein Oratoriuin ttJephtas Opfer"
habe ich im Clavierauszug fertig. Hr. SchafhHuti gefiel es
sehr.
Heute werde ich mit meiner gro1en Ouverture fertig, weiche
ich dann irn Privatrnusikvereine zur Auffuhrung bringen werde.
}leine Es-dur Messe wird im Januar in der Ludwigskirche aufgefiihrt, besonders auf Verlangen des Hr. Prof. Schafhäutl.
Auch em grofes Streichquartett habe ich fertig. Die Frau
des Hr. Prof. Herzog sei gestorben, worUber dieser ganz
trostlos geworden sein soil. Sind die Bestellungen Davids
und Lisa's angekoinmen, oder nicht? 1st man damit zufrieden?
Ich inuf3 mich nun urn noch rnehr Stunden u'rnsehen; und das ist
em langweiliges GeschHft. Wie geht es Peter? HanfstHngi
und Cucurnus lassen ihn herzlichst grüf3en. Nun kommt mein
30+r=SchUler.
Leben Sie wohl, Theuerste Eltern und Geschwister, und vergessen Sie nicht Ihren Sie liebenden Sohn und Bruder
Jos. Rheinberger.
München, den 2.12.56.
Solite unter der Zeit etwas
Besonderes vorkoinmen, so werde
ich im Laufe des }lonats
noch einmai schreiben."
247
Rheinbergers Bruder Anton, der sich als Buchbinder betätigte,
wird aus NUnchen mit dementsprechendem Handwerkszeug versorgt:
"Lieber Anton!
Davids Brief zufolge bist Du auf mich (el) bose, well ich
Die Deine Bestellungen so la
nge nicht schicke, auch
glaubst Du, ich hätte Dein Geld verlangt; (sehr schmeichelhaft für mich!) Erstens mul3t Du wissen, daB ich viel zu thun
habe und die Bestellungen in I/Il Tagen nicht abgemacht werden konnten; auch sind Deine Vieh=löthen (Fileten) schon
la
nge bei Wimmer besteilt; ich bekomme sie erst nach
Wein=8ten. Von der G. Lorenz'schen Schriftsetzerei komine ich
soeben und bringe Dir em PreuB=Kuh=Rant (zen) mit, weiches
ich beilege. Du kannst es behalten, nur 1st es gut, daB Du,
wenn Du die Wahi getroffen, mir die gewünschten Lettern so
genau als möglich bezeichnest, damit Du nicht die Unrechten
bekommst. Das Buch der Erfindungen beiliegend. Es enthaltet 7 Lieferungen a 18+er = 2 fi 6+er in einem Bande. Die Buchdecken
sind nicht so billig, als Du glaubst. Das Dutzend kostet
3 fi, daher habe ich vorerst zur Probe 1/2 Dutzend zu ifi
30+er beiglegt. Verzierene babe ich noch keine bekommen kOnnen. Die Schnitzer, Vieh=LOthen und schriftgegossene=Schreib=
Schrift=Lettern werde ich Dir dann zu saamen nach Hause
schicken.
DaB Euch die Kochlerjobben nicht gefallen, thut mir leid!!!
Ihr Euch etwas anderes darunter vorgesteilt, " "
zu Euren brrreiten Buckein die MaaBe
nicht geschickt,
"
nicht wiBt, daB die Joppen zu weit
und nicht anschlieBend sein sollen, "
ich Davids Schlinge nicht belgelegt, sondern darauf vergessen babe,
ich noch keine Anstellung mit 10,000 fi
babe," " sehr
Summa 6 Leider!
Toni's Buch und BUcher=Zettel kosteten zusaimnen 3 fi 36+er,
248
klso habe ichnoch 16 fi 24+er von Deinem Gelde zu Deiner Verfügung.
Ich habe nun nur zwei SchUler mehr, dern ersten gebe ich 2,
dem andern 3 Stunden wöchentlich,
Summa 5 Stunderer.
Der andere SchUler war schon gescheid genug und ist nach
WUrzburg gereiset.
(Schiller I. Band Seite 117)
"Von Mannheim noch keene Nachrichter" dies diene zur Nach-
richt.
Seit ich hier bin habe ich componirt: em Streichquartett,
eine gr. Kiaviersonate, einen 8stirnmigen Psalm, den Klavierauszug von "Jephtas Opfer", eine Ouverture zu Schiller's
Fiesko. (Wenn ich einmal zu viel Geld habe, lasse ich die
Stimmen ausschreiben und bringe sie zur Aufführung im Privatmusik=Verein. Bei Kaulbach war ich bisher noch nicht.
(Ovid II. B. pag: 23)
Schreibe mir bald wegen den Lettern. 1st Lisa mit dem Hut zifriedener als die Kochler? Ich hätte
aber auch nichts dagegen (gewiI nicht!) wenn sie diese Kopfbedeckelung bezahlen wUrde. (Wenn es hier schneit, so schneit
es schneeigen Schnee!) Jetzt läutet es Mittag, Perstenfeld's
Locomotiv schnaubt über die Treppe, und ich habe Appetit!
Noch diesen Schluck Bier, - Druck - jetzt ist's vortiber.
Wohl gespeiBt zu haben! Wie geht es in Vaduz? Die Laden sind
auf Wein8ten so schtin und honorieuse als wie noch nie, ausgestattet. Samikios! (die schönen Tage von Aranjuez sind
vortiber). Letzthin fragte mich im Oratorienverein em junger
Herr, ob ich mit dem kleinen zornigen Menzinger der in Lautrach
gewesen, bekannt sei*. (*Er war bei ihmim Institut, und
wul3te, daIs Menzinger und ich, beide aus Liechtenstein sind).
Er meinte den Winck, wi, wie, wie geht es in Vaduz?
Prof. Leonhard heirathet nun auch.
(Kehr urn!)
Hiemit schleuBe (Btihel Hiltis Schlol3) ich den Brief und
lasse unsere liebenEltern und Davidseffalisirnalipeter herz-
lichst grti2en; wenn ich tiber Wianächta dahäm war, hett a dar
noch viel z'säga. WUsch a glöckselig's neu's Johr!
Ich befinde mich immer Dein Bruder
Jos. Rheinberger.
Vaduz den 18.12.56
(NB. Wei2t mir rappelts manchmal irn Kopfe.)"
249
Der "Münchener Punsch" schrieb in seiner Ausgabe vom 23.
11. 1856:
"Vor einer zahlreichen und gewählten Versamnilung (Se. Maj
den König Ludwig ander Spitze) fand vergangenen Montag
(17.11.1856) das Concert des Oratorien-Vereins statt. Frhr.
von Perfall, der Grilnder des Instituts, filhrte die Direktion.
Die AuffUhrung sHrnrntlicher Piecen war eine exakte; die
Chore verriethen viele frische und kraftige Stimmen. In
Gluck's "Armide" sang Frau Professor Riehi die Soli mit
schOnem Ausdruck und Gefühl; auch Frin. Agêron und der Ba-
ritonHr.Harlanderwaren in ihrenParthien trefflich. In der
Beethoven'schen Phantasie zeichnete sich der Pianist Hr.
Whiner durch sein schOnes Spiel aus. (Das Instrument war
em
Biber erster QualitEt)."
Rheinberger erwHhnt dieses Ereignis in seinem folgenden
Brief nur mit einem Satz. Er ist iEngst davon abgekommen,
die Dinge, die ihn tatsEchiich bewegen, den Eltern gegenUber zur Sprache zu bringen:
"Theuerste Eltern!
Nicht urn zu gratuliren schreibe ich Ihnen, Beste Eltern!
sondern urn den tiefgefuhlten Dank eines Sohnes, der Ihnen
Alles verdankt, darzubringen.
Möge es Ihnen, Theuerste Eltern! Gott iohnen; ich kann nie
gentigend diese Schuld abtragen. Sicher werde ich aber Alles
das volibringen, was Eltern von einem sie kindlich liebenden Herzen verlangen können. Ich wUnsche Ihnen daher
ailes Gute, was der Geber alles Guten Ihnen nur spenden
mag, nicht nur zuin neuen Jahre, sondern für Ihr ganzes Leben. Doch mit biof3en WUnschen 1st nicht viel gethan, darum bitte ich Gott, die Wünsche meiner hei8geliebten Eltern zu gewähren. Gestern Abend hatten wir Oratorien=Vereins=Concert, wobei
ich auch zu thun hatte. Ihre Najestäten beehrten den Verem mit Ihrer Gegenwart.
Prof. Herzog ist von Erlangen hieher gekommen, und hat mich
auch besucht.
Prof. SchafhRutl und Maier laI3en Alie herziichst grhl3en.
141t Schrecken sah ich an dem ausgebliebenen Christkindl,
daf3 durch den Schweizerkrieg schon die Posten unterbrochen
250
sind. - Hat Toni mein Paquet mit Brief erhalten, oder, hat
es etwa em kriegesmuthiger Schwitzerhoppma aufgefangen?
Von hiesiger Hochschule sind alle Schweizerstudenten abgezogen, urn in ihrer Heirnat den Morgenstern zu handhaben;
(das nämliche aus WUrzburg und Erlangen). (Tel=Dep:v. heute Morgen:"Die hohie Gasse ist mit Pulver geladen worden,
well man lieber die ganze Schweiz in die Luft sprengen will,
als dal3 em fremder Tyrannen=Söldling diesen spartanischen
Boden betreten darf. Duf our hat auf aligemeinen Wunsch den
Namen ttLeonidatt angenommen").
Vorgestern sah man hier einige preuB. Off iciere. Muf Liechtenstein auch den Rhein besetzen? Was schreibt unser Ex=
Lieutenant aus Chur darUber? Hier freut man sich, bis die
Geschichte losgeht, damit es wieder zu lesen gibt.
Der Toni tind der David und Lisi und Nali sollen mir schreiben
Was tnacht die liebe Mutter? 1st sie gesund? Wir haben hier
einen herrlichen Winter. Es ist kalt, aber immer schön.
Alle Bekannten lasse ich gru1en; dem Herrn Vetter in Schaan
alles Schöne.
In Erwartung eines ungeheuer langen - (nicht Neujahrszopf) Briefes verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
München, auf Davids=Tag 1856"
Am 23.1.1857 schreibt Rheinberger nach Hause:
"Theuerster Vater!
Nachdem ich Ihren lieben Brief vom l9ten d.N. gelesen und
abermals gelesen, und - ich sag' es unverholen - es mich
wirklich sehr geschmerzt hat, da1 Sie Mit3trauen in meine
Aufrichtigkeit setzten: - so beéile ich mich unverzüglich,
Sie, Theuerster Vater! urn die Gründe zu bitten, welche die-
ses mich so kränkende Miftrauen hervorzuruf en im Stande
waren. Sollte ich inde8 wirklich dazu Anla8 gegeben haben,
so 1st es, das weif3 Gott, nicht wissentlich geschehen - obschon ich mich nicht entsinnen kann, inwiefern. Ich weil3
wohi, dal3 ich, wie Jeder, meine Fehier habe, glaube aber
niemals Ihnen, Theurer Vater! gegenüber, das kindliche Vertrauen auf3er Acht gelassen zu haben; indent ich meine Eltern
vor Allem ehre und liebe, und de1wegen inu8 dieses i1i1trauen
251
von Ihnen mein GeinUth eben am schmerzlichsten angreif en. -
Ihr Vermuthen in Betreff des Februar-Monatsgeldes ist richtig. Die Subscription betrHgt im Oratorienvereinsgehalt
20-21f1 monatlich. Uber Toni's Angelegenheit habe ich in
dem Briefe an Lisi berichtet. Lisi kann seine Bestellung am
Montag den 26ten d.M. in Sevelen abholen, und dann den der
Bestellung beiliegenden Brief dern Toni mittheilen. Peter zu schreiben, war schon lHngst meine Absicht, aber ich
bin noch nicht dazu gekommen. Für sein 20 francs-StUck meinen
Dank, ich werde ihin dafUr bald Recensionen schicken können,
indem Ich schon die Stiminen zu meiner Fiesko=Ouverture schreiben lasse, urn sie im Privatmusikvereine zur AuffUhrung zu
bringen. - Letzten Freltag vor 8 Tagen war ich bei Hofmaler
v. Dtirk eingeladen, und spielte mehrere Compositionen .ron
mir mit gröl3tem Beifalle, componirte für diese Soire zwei
Gesangsquartette, weiche ungemein gefielen. Es waren einige
noble Herrschaf ten anwesend. Letzten Freitag ging ich mit
Frau v. Dürk zum Academie-Director v. Kaulbach (dem berühmten
Maler) wo ich
Es war noch em
bekannter Klaviervirtuos dort, was mich nicht
abhielt meine Compositionen zu spielen. Hr. Kaulbach verlangte
immer noch etwas zu hören und ich f and immer Beifall. Ich bin
dort wieder eingeladen. Nit den Herren Lachner, Schafhäutl,
Maier, Leonhard stehe ich immer so gut als früher. Hr. Prof.
Schafhäutl sagte mir, meine Compositionen seien nun so reif,
daB ich unbedenklich einiges drucken laBen kdnne; worUber ich
mit Herrn Maier sprach. Von Mannheim gar keine Nachricht. Sind
alle gesund zu Hause? Auch Sie, Theure Eltern?
Ich verbleibe Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
(Dem Hanni, Peter, David, Mali, Toni werde ich nächstens schreiben, sowie auch Hr. Tichy)."
Für die Schwester Elisabeth legt Rheinberger diese Zeilen dem
Brief an den Vater bei:
"Liebes Lisi!
Anbei erhälst Du das gewUnschte Kleid. Es kostet der Stoff 9f1
das Machen 5f1 40+r und mit Schachtel circa l6fl 30+r, von
diesen erhielt ich lOfi = bleiben mir gut = 6f1 304-r.
nur kein so la-
(Mach
nges Cesicht.) Wie Du aus
252
quittirterRechnung ersiehst 1st ja bezahit. Die Kleidermacherin, (Schwester von Hr. Perstenfeld) sagte
mir, daB das Maas ungenau gewesen, besonders die Mittweite
und Brustweite nicht verzeichnet waren. (Ich sagte, sie solle sehr viel zugeben.) Ubrigens lasse sich das leicht ändern.
(Das Kleid 1st des Verpackens wegen in zwei Theilen.) Du
muBt's halt "zsemma büatza". David's Schlips ist dabei.
Dem Toni seine Filetten lidgen schon lange in meinem Kasten.
Es sind sieben Stuck und kosten 4fl 30. Er hEtte mir sollen
den Preis seiner ausgesuchten Alphabeth=Pfunde beilegen,
damit ich wissen könnte was sie kosten. Well ich zu Deinem
Kleide zulegen muBte, so hätte die Schrift=Giel3er=Rechnung
meine Kasse leicht in Verlegenheit bringen können. Der Toni
hat bei mir noch 12f 1 liegen. 0b diese für seine Schrif ten
reichen, kann ich ja nicht wissen. Der Toni kann also mir
schreiben, ob seine Schrif ten inehr als 12f 1 kosten, wenn al-
so mehr kann er mir das Geld schicken und sogleich erhElt
er seine Sachen. Meine Schrift 1st so schön, well es ganz
dunkel 1st. Dem Mali werde ich sowie ich Zeit und Geld genug hab, Antwort auf sein liebes Briefchen geben.
Nun sollte ich dem Peter, David, Hanni, Toni Briefe schreiben, dannsjndnoch auswErts Briefe schreiben, hab' auch
sonst viel zu thun, deBwegen wirst Du es nicht übel nehmen
wenn Dir Adieu sagt, Dein Bruder
Jos. Rheinberger
Spediteur von: Damenhüten, Kleidern, Kochlerj'obben, Filetten, Schrif ten, Nusikalien, Büchern,
Schreibe mir: ob Dir das Kleid gefällt.
Vaduz /fälschlich statt München/ den 21 od: 22ten Januar 1758."
/1857/
Der folgende undatierte Brief Rheinbergers trEgt den Poststempel Nünchen, 30.IAN 1857:
"Theuerster Vater!
Soeben erhielt ich durch Ihre vEterliche Cute 50f 1, welche
ich Ihnen auf Ihren Wunsch sogleich anzeige. Anfangs März
wird eine grof3e Ouverture von mir im Privatmuslkverein aufgeführt. Von Nannheim habe ich leider gar keine Nachricht.
Prof. Leonhard will em Streichquartett von mir im Conser-
253
vatorium aufführen. Es fehlt hier an einer Gelegenheit etwas
von sich Uberhaupt aufgefUhrt zu hören, darUber beklagen
sich alle jUngeren hiesigen Componisten, deren es hier mehrere
recht gute gibt. Da heil3t es zuwarten und zuwarten ohne Ende.
Mit General=Director 1st in diesem Punkte nicht gut reden.
Er fUhrt nur ältere, aber ausgezeichnete Werke auf und 1st davon nicht abzübringen. Ich war bisher im Punkte der AuffUhrungen von einigen Compositionen noch einer der glUcklichsten
der hiesigen jungen Componisten. Die Stimmen zu meiner Messe rnul3 die Ludwigskirche bezahlen,
und da diese die ärmste, foiglich sparsamste der hiesigen
Kirchen ist, so dauert es so lange wegen der Aufftihrung. Seitdern DepröB wieder bier ist, bin ich nicht mehr zur Ludwigs-
kirche geruf en worden. (Sein Vater 1st em guter Freund von
Pentenrieder und sieht wahrscheinlich semen Sohn lieber dort
als mich, und er hat auch Recht). Ubrigens stehe ich mit Pentenrieder auf sehr gutem Fusse. Die Beiträge samt Orat.-vereinsgehalt bringt Perf all alle Monate zu Hr. Maier (bei welchem ich oft zu Tisch geladen bin) mehr wei2 ich nicht davon. Hat Lisi seine Bestellung erhalten, warum keine Antwort? und
Toni?
Ich werde nun wieder eine Stunde bekoinmen zu 36+r und zwar
durch Hr. Schafhäutl. (Jetzt 1st es 3/4 auf 2 Uhr, urn zwei
Uhr mul3 ich Stunde geben, daher die schlechte Schrift). Theuerster Vater! Leben Sie wohl und grUl3en Sie die liebe Mutter
von Ihrem dankbars ten Sohne
Jos. Rheinberger."
Rheinbergers Schwester Amalie erhält wieder einen Mundart-
brief:
"Liebes Mali!
Also so groI bist Du nun geworden, daI3 Du auch auf Bälle
gehst? Du bischt gwöl3 a rechte magare Hopfastang worda! Ha!
net wohr! S'Lisi ht mers scho gschreba. Du heiest mm Polka
birn Landvogt gschpelt , gwöI recht schö? Hscht Du o danzt?
Haa. Du Gespele, Du dunners maitele?
Duast Du o flil3ig Klavier spela?
Duast Du
argia? Gelt, der Lehrer ka gwöf3 mine Me13 recht
schö schpela! Die wUaren schö singa. Und mm Häli=Gäst der
gfallt dena dumnia Nosikanta o nUmma; ischas wohr daf3 a nUm-
254
ma singa duand? Wenn i met der Zit weder a mol ham komm, i
well dena Lumpa aber scho zäga was ma för a Häli=Gäst singa
muaI; der Pfarrer data gwö13=gwoI o liaber höra, as das ander Dudl=Dum.
Jetz han i gmEhnt, daIs a met der Zit All Lüt i der Kircha
met anander singa sölland; aber for des Mosikantagsindl duane
o nut me componiera, kE Nöttele meh, ka Schwenzle von a
ma NOttele, förwohr, fOrwohr! Han i Oppa Oppa net recht?
Die Lilt verschtond halt an Dr - - - - 1
(das ischt an Eck.)
Ischt der Wagus scho bi Eu gse? I han am brühawarme GrUaI3le
a d' Matscherle met ge. Gelt, das ischt a schO's Herrie,
und fascht so grog, as dar David - Hett er ne recht viel verzeilt?
Kunnt der Peter vielmohi gi Vadoz ahi? I han am o amol a
Brief le gschreba, daB er net alawiel z'säga brucht, I sei
an fula Borscht. I ha halt o alawiela und Oberal uma Brief
z'schrieba, und ha halt o viel z'dua, I kan net alawiel hEm
schrieba, bal am David, bal am Lisi, bal am Toni, bal am
Peter, bal am Tatsch und bal am Natscherle.
Jetz muaB i Dir, weni viel obrigs Gelt ha, Nusikalia schecka,
und o das II. Heft vo's Kramers Etilda. Do ka's Gespele weder
uf am Kiaviar uma haspla und net zella und rera, wenns net
grad well, wenn I dahEm wer, wet I Dir's scho zEga, 0 SO
muascha's halt allah lerna, I ka dar halt o net alawiel helLa, förwohr, fOrwohr!
Jetz sag der Nama, I hei se recht gem, und sie soll diar
für miar ah' Prisle Daback i d' Nasa ufischopfa, oder am
Lisi, es duat gewUB o hämlig schnopfe; I ha wega dem der
Nelere, wo nam sin Rock gmacht het, gset, sie sOil am o
noch a stoppenes THschle a slBalkleid machafOr a Tabakbox;
und d' Nelere hEtt inehr's o verschprocha, ma muaB halt o a
all's denka, und's Lisi kam er's net verdenke,
wenn am hHtt s011a das Ander schecka,
aber s'LIsI ischt a guata l4eanka,
und hEtt der grad d' Feder I duanke,
und hEt mer s'Restie vom Geide gescheckt,
und wega dam bin i o net verr
t.
(das ischt o an Eck.)
Jetz bhüat Gott! Und bis bray, fOrwohr, fOrwohr, so schribi
dar nümma a Brief le vo dim BrUderle
255
Jos. Rhybärgerle
z'Münka am so und so vielten Febra Hornig anno 7581."
/1857/
Der Nonatsbrief an die Eltern geht diesmal punktllch ab:
"Theuerster Vater!
Obschon ich eigentlich wenig oder nichts Neues zu schreiben
weil3, so weia ich nlchts destoweniger viel zu fragen, wenn
anders etwas Wichtiges darunter ist.
I
1st Herr Wagus schon in Vaduz gewesen?
II Hat Peter meinen Brief erhalten?
III Hat Hr: Tichy die gewünschten Blechpatronen, und Toni
mit denselben die Fileten erhalten?
IV Hat der Toni seine Lettern mit Schriftkasten erhalten?
Theuerster Vater! meinem Versprechen gemE(, werde ich im
Laufe dieses }Ionats meine Fiesko=Ouverture aufführen, und
zwar 2mal. Einrnal im Privatmusikvereine und einmal in einemneugegründeten Orchestre=Vereine, dessen Director, Herr
Seidel, em guter Freund von mir ist. Für den Beifall will
ich gutstehen, wenn die AuffUhrung entsprechend ist.
Auch habe ich im Sinne, im phllharmonischen Verein einmal
als Kiavierspieler aufzutreten, und zwar mit einer schon
fertigen Concert=Sonate; jedoch weil die Sache noch nicht
bestimmt ist, so babe ich noch niemand etwas davon gesagt.
Vor den hiesigen Pianisten scheue ich mich, beiläufig gesagt,
durchaus nicht. Die Herren Naler und Schafhäutl lassen Sie
schön grü1en, sowie auch den Peter.
Seitdern ich wieder hier bin, habe ich schon vieles componirt,
urn für Alles gerUstet zu sein.
Von Hr. Prof. Herzog babe ich letzthin einen Brief erhalten.
Die erste Aufführung meiner Ouverture wird, wenn kein HinderniB eintritt, am l5ten sein. Gleich nach der Auffuhrung werde
ich Ihnen, Bester Vater! berichten.
Der Winter ist heuer wunderschön; ich babe seit November den
Regenschirm nur an zwei Tagen gebraucht.
Sind Sie, Theuerste Eltern! iuimer wohi? indem ich dieB hoffe
verbleibe ich auf linmer Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
Ntinchen, den 1.3.57."
256
Der Niederrheinischen }{usikzeitung vom Januar 1857 ist zu
entnehmen, da8 der Baron von Perfall mit der künstlerischen
Gestaltung seines Privatkonzertes seine liebe Not hatte, em
Faktum, das die Mtinchner Zeitungen verschweigen:
"Der Oratorien-Verein hat in einem kleinen Concerte am 29.
Dezember v.J. die jüngst erlittene Niederlage wieder vergessen zu machen gesucht, und es war uns recht erfreulich,
unsere Ansicht bestatigt zu hören, dass mit den vorhandenen
Kräf ten etwas Gutes geleistet werden kann. Der Vortrag eines
Madrigals von John Bennett, eines geistlichen Liedes von
Eccard und das "Ave verum" von Mozart war recht bray; auch
einige Quartette von Hauptinann, Mendelssohn und J. Maier
gingen schon; nur die Wahi der StUcke, welche etwas sehr
bunt war, konnten wir nicht ganz billigen: uns will bedünken,ein Oratorien-Verein solle sich ausschliel3lich der ernstesten Musikrichtung zuwenden. Derselbe Verein wiederholte
am Syivester-Abend in der Bonifacius-lUrche das Dettinger
"Te Deum" von Handel, dessen unglückliche erste Auffuhrung
wir neulich rügen mussten. Die Chore waren dieses Mal besser
einstudirt und klangen gut; aber den Uebelständen in der
Instrumentation war nicht abgeholfen. Trompete und Contrabass tanzten nach wie vor ihren "Pas de deux", und die armen
Solo-oboen waren sehr ergOtzlich anzuhOren. . ."
Ebenso kritisch lHf3t sich der Rezensent Uber em Konzert vernehmen, bel welchem Rheinberger selbst als Komponist zu
Wort kam.
"Mit dieser zweiten Soiree collidirte em Concert des Herrn
Christian Seidel,der sich vorgenonunen hat, das mUnchener
Publikum mit neueren, bedeutenden Compositionen bekannt zu
machen. Es ware das em vortreffliches Unternehmen wenn es
ordentlich angefasst würde.Da wir in der Lauterbach-Wüllner'schen Soiree waren, so konnten wir uns nicht von der Leistungsfähigkeit des Herrn Seidel und seines Orchesters überzeugen.
Sein Programm aber entsprach weder semen Versprechungen,
noch. unseren Erwartungen. Er brachte allerdings neuere Compositionen, d.h. eine Ouvettüre von sich und eine von einem
anderen hiesigen, recht talentvollen, jungen Componisten,
Herrn Rheinberger, ausserdem abet eine bunte Zusammenstellung
257
von Namen, wie Donizetti, Servais u.s.w. Wenn Herr Seidel
in diesern Geiste fortfEhrt, so lEsst sich seinem Unternehmen kein giinstiges Prognostikon stellen..
Fr. Ihlau schreibt über den Konzertgeber:
"Christian Seidel ist die eigenartigste Erscheinung unter
alien Ktinstiern jener Zelt. Seine BemUhungen soliten ailerdings besonders in der ersten Zeit (Friihjahr 1857) der Verwirklichung seines Planes nicht restios anerkannt werden.
Inimerhin hatte Chr. Seidel Aufmerksamkeit erregt. Eine
iebhafte Rekiarne der "Neuesten Nachrichten" veranlasste
einen zahlreichen Besuch des drittenKonzerts. Nach der beliebten Haydn-Sinfonie in G-dur brachte das Orchester ausschliesslich Werke einheirnischer Tondichter, und zwar von
Ortner und Rheinberger, der schon damais grosses Anfsehen
erregte und ausserordentlich geiobt wurde, Seidel und den
bisher unbekannten Komponisten Ludwig."
"Theuerster Vater!
Meinem Versprechen gemäl3 schreibe ich Ihnen also nach der
ersten AuffUhrung nieiner OuvertUre. Ich woilte noch die
Recensionen abwarten, da aber in den meisten Zeitungen die
Fassung derseiben ganz kurz 1st, so schienen sie mir unbedeutend, urn sie zu schicken. Sie lauten aile verschieden
günstig. Wenn ich nicht irre, so war in der Beilage der
Aug. Zeitung vom l8ten MErz auch eine Erwhnung. Die Auffuhrung war gut und besonders Hr: SchafhEutl ausgezeichnet
zufrieden. Von alien Seiten erhielt ich viel Lob. ZufEllig
kam Hr: Vetter Carigiet an diesern Tage hieher, und es freute
much, ihn in das Conzert fUhren zu können. Wir hatten emander recht lieb gewonnen und Dutzbruderschaft gemacht.
Auf meinen Wunsch blieb er vom Sainstag bis Montag hier.
Es dürfte Sle, Bester Vater! vielieicht freuen, wenn ich
das Concert=Prograinm beilege. Die zweite AuffUhrung (mm
Privat=Musik=Vereine) wird ungefEhr in 14-18 Tagen sein.
Die lieben Briefe von David, Toni und Ihnen habe ich erhalten, und es freut inich, daf3 Toni mit den geschlckten
Sachen zufrieden 1st. 1st die Frau Oberförsterin auBer Gefahr? Hr: Feuchtwanger (weicher für Hr: Tichy die Blechpatronen verfertigte) sagte inir, daB Hr: Tichy ihin geschrieben habe, daB er mit nEchstens schreiben werde. Ich habe
258
jedoch bis jetzt noch keinen Brief, (auch die Auslagen
(14l 36+r) nicht) von ihxn .erhalten. Jedoch bitte ich Hr:
Tichy nicht zu inahnen, weil er es doch schicken wird. Ich
bin Gottlob immer gesund, und componire sehr viel, trotz
meinen anderen Geschäf ten. Meinen l8ten Nainenstag habe ich
fröhlich bei Hr: Prof: Schafhä'utl mit Champagner gefelert.Was macht der Peter? 1st die liebe Mutter immer gesund?
Hat der Toni dein Mali meinen Brief gegeben? Und Sie, Theuerster Vater! sind Sie immer wohi? Da ich wei2, daB es Sie
immer freut, wenn ich Compositionen von mir zur Aufftihrung
bringe, so will ich hierin inein TMöglichstes thun. Jedoch
ist es mit mehr Schwierigkeiten verbunden, als man glaubt.
Nagiller ist wieder hier und laBt Hr: Schmutzer grüssen,
sowieichauc1-j.}Jr;Onke1inSchaan laBe ich auch griil3en, sowie Alle Bekannte. Nun leben Sie wohi, Beste Eltern! Ich
verbleibe auf immer Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
München, Sonntag den 22.3.57."
In der Beilage zur Aug. Zeitung Nr. 77 vom 18. März 1857
ist zu lesen:
"Zu gleicher Zeit war im Museum Chr. Seidels erstes Concert,
unter Mitwirkung der russischen Hofsängerin Fr.v.d. Bergh,
weiche Fr. Lachners stets reizendes "Waldvöglein" vortrug.
AuBer diesem verdienen noch Wagners herrlicher Friedensmarsch
aus "Rienzi" und des jungenRheinbergers Ouverture zu Schillers
"Fiesco" Erwahnung; fast alle übrigen waren Compositionen
des Concertgebers." Das Abendblatt zur "Neuen MUnchener Zeitung" vom 19.3.1857
schreibt Uber Rheinberger's Ouverture:
"Die Concertouverture "Jägers Liebe" von Seidel und zu "Fiesco"
von Rheinberger trifft der Vorwurf, der Musik eine Aufgabe
zugemuthet zu haben, die sie nicht leisten kann
1st
das Werk des Herrn Rheinberger kiarer in seiner thematischen
EntwicklungundDurchfiihrung, so ist es auf der anderen Seite
viel ärmer an UrsprUnglichkeit -und gestaltender Phantasie
als das Seidel's; und hat hinwieder die solide Instrumenta-
259
tion des Hrn. Rheinberger etwas philisterhaftes an sich,
so hat sich auf der anderen Seite Herr Seidel zu hUten,
urn nicht dern Sirenengesange der Basstubas zu eriiegen.. ."
Uber das letzte Konzert, das Seidel in dieser Saison veranstaltet, berichtet Rheinberger nach Hause:
"Theuerster Vater!
Gestern erhielt ich David's Brief,und kann nun auch Ihre
Frage, ob ich nichts mehr zur Aufftihrung gebracht, gleich
mit "ja" beantworten.
In dem lilten Seidel'schen Conzerte iieI3 ich em neues
Streichquartett aufführen, weiches so gefiel, daB ich nach
dern ietzten Satze gerufen wurde. Ich bekam welt rnehr Applaus,
ais alie tibrigen Piecen. Die Hr. Lachner, Perfall, Schafhäuti, Maier, Leonhard sagten mir viel Schmeichelhaftes,
und del3 andern Tages kam sogar em Hofmusiker in meine Woh-
flung, urn inir zu gratuliren. Eine Recension lege ich hier
bel; es sind noch nicht alle erschienen, jedoch werde ich
die andern in meinem nächsten Brief einschliel3en. Die an-
dern auf dem Programrn vorkommenden Côrnponisten sind Mtinche-
ner,mit Ausnahme Ludwig's, weicher Eleve des Prager Con-
servatorium's war. Uber Ostern war ich nicht in Ttirkenfeld,
erstens konnte ich wegen meinen SchUlern nicht fort, und
zweitens wegen dem Oratorienverein, weicher, urn gleich nach
Ostern em Conzert geben zu können, in der Charwoche rnehrereProben hielt und Ilitens auch noch wegen dern Stimmenschreiben zu meinem Quartett und den Proben zurn Iliten
Seidel-schen Concerte. Jedoch hatte ich Herrn Pfr. Wolfingerauf Ostern geschrieben und er hat inir mit lOf 1 geantwortet. Auf Pfingsten ging ich gerne hinaus, wenn ich
wegen meinen Schülern fort könnte.
An Kleidern habe ich mir wieder angeschafft: Hosen, Gilet,
Paar Stiefel englisiren, und die anderen vorschuhen
lassen: zusammen für 17f1 30+r; jedoch werde ich mir dieseiben bald wieder-verdlent haben. Em Compositionsschtiier
und em
steht wiederinAussicht. Letzthin erhielt ich aus Lichten-
steig von der Frau Anette Wirth-Ackermann einen Brief, wo-
rin sie mir schreibt, daB eine Fri. Schwester von ihr (die
ich gar nicht kenne) durch Mtinchen kommen werde; ich solie
die CUte haben, ihr die 11erkwtirdigkeiten NUnchens etc. zei-
gen. -
260
Peter hat mir (wegen Nivellirinstruxnenten) von Uznach geschrieben, ich habe ihm sogleich geantwortet; ich wul3te
bisher nichts, daf3 er von Chur fort sei.
Hieniit, Theuerster Vater hätte ich so ziemlich meine weni-
gen Neuigkeiten abgethan; und das Beste 1st, da!3 ich mich,
Gott sei Dank! immer gesund und thätig befinde. Und da mir
der David das Nämliche von Ihnen geschrieben, so freut es
niich, daf3 es Allen gut geht.
Hr. Tichy's Auftrâge habe ich längst erledigt, im Ubrigen
lasse ich ihn grii8en. Dem Toni und David werde ich circa
Nitte Mai schrelben.
Wie geht es der lieben Mutter? Ich schicke ihr mimer Grti8e,
und erhalte keine zurück.
Auf die Ankunft des Hr. Adjunkt freue ich. mich sehr.
Hr. Pfarrer Wolfinger lasse ich besonders grü8en, da wir
nun nicht mehr in "d'Miile" spazieren gehen können.
Hr. Onkel in Schaan lasse ich auch gru8en, wenn die liebe
Mutter eirimal nach Schaan kommt, kann sie es ausrichten.
Nun, bester Vater! leben Sie wohl, nnd erfreuen Sie bald
mit em paar Zeilen
Ihren Sie dankbarst liebenden Sohn
Jos. Rheinberger
MUnchen, d.1.5.57.
(In Allg. Z. No.118 1st meines Quartettes gedacht)."
Die Notiz in der Beilage zur "Ailgememnen Zeitung",Mtinchen
vom 28.4.1857 lautet
"Alle neueren Compositionen, der Marsch von Ortner, das
Quartett von Rheinberger, die Ouverture von Ludwig und die
Lieder des Concertgebers entsprachen und zeugten von der
Fahigkeit der Tonsetzer.. ."
Der "1Iünchener Punsch vom 3.5.1857 schreibt:
"Das 3. Concert des Hrn. Seidel mm 'Nuseum' erfreute sich
besserer Theilnahme. Unter den vorgefUhrten Novitâten
jUngerer Tondichter überraschte namentlich em StreichQuartett von Rheinberger durch einfache Schönheit und Anmuth der Composition."
Em
positives Urteil gibt auch das Abendblatt zur Neuen
NUnchner Zeitung vom 28.4.1857 ab:
261
"Einen ungleich günstigeren Eindruck nacht em Streichquartett von Rheinberger. Auch bel ihm erkennt ruan die Vorbilder,
allein Rheinberger weif genau, was er will: er ninmit semen
Ausgangspunkt von Haydn und Mozart und daraus resultieren -
wenn auch noch kein individueller Styl - wenigstens für die
drei Cardinaltugenden eines angehenden Componisten: gesunde
Empfindung, Sinn für Kiarheit und Sinn für Ebenmat3. Die Aufführung von Seiten der H.H. Nast, Koch, Renner und Werner
war recht exact, nur etwas mehr Ruhe ware zu wUnschen gewesen."
Die Neuesten Nachrichten vom
Konzert:
2.5.1857
berichten tiber das
"Die für uns interessanteste Nummer war aber unstreitig das
Streichquartett in d-moll von Joseph Rheinberger. Wenn man
erwägt, dat3 em Streichquartett den Prtifstein eines guten
Tonsetzers ausmacht, so willfahren wir nur der Gerechtigkeit,
wenn wir behaupten, daI3 Hr. Rheinberger dieses schwierige
Problem in glänzender Weise gelost und damit einen Beweis da-
für geliefert hat, dat3 er nicht (wie dies in einem hiesigen
Blatte unlängst mit vollem Unrechte gesagt wurde) philister-
haft bei semen Arbeiten zu Werk gehe, sondern den Nagel auf
den Kopf zu treffen wisse. Die AusfUhrung des Quartettes war
so trefflich, dal3 em Vergleich der Spielenden mit dem Lauter-
bach'schen Streichquartett - urtheilt man unparteiisch - gewiss nicht zu Ungunsten der ersteren ausfallen kann."
Der Briefwechsel mit deni Elternhaus in Vaduz 1st spärlich
In diesem Frtihling. Rheinbergers erste Lieder entstehen.
Ihre Texte verraten den Grund: "Nur wer die Sehnsucht kennt",
und "So 1a13 much scheinen, bis ich werde" aus Goethes "Wilhelm Meister" und Heinrich Heines "Dein Bildnis wunderselig
trag ich im Herzensgrund". Auf dem Autograph der Goethelieder
steht zu lesen von fremder Hand: "Vom Componisten erhalten.
Mit ihin gesungen. 10.6.57. Fanny." Diese Aninerkung stammt
von Franziska von Hoffnaal3, die damals noch mit dem Lieutenant Ludwig von Hoffnaal3 - seit 1852 - verheiratet war und
bei Rheinberger Kompositionsunterricht erhielt. Ob diese
Werke ihr gewidmet sind, läf3t sich nicht belegen. Rheinberger
heiratete sie 1867, nachdem sie zwei Jahre verwitwet war.
Aus dem gleichen Jahr stammt em Gedicht, das G. Dirnast
262
"Herrn Rheinberger zur freundlichen Erinnerung" widmete:
"Im Hochiand
Wir
Sie
die
die
ich
das
zogen durch's Hochlandsofröhlich, so jung!
wies mir mit Lächeln der Wässerlein Sprung,
Alpen und Wolken in sonnigem Glüh'n,
träumenden Seen in dem herrlichen Grün,
wies ihr in Lüften den kreisenden Weih ist nun schon lange, schon lange vorbei!
Es war eines Abends, schon spielten im Traum
die Firnen nur still mehr mit purpurnem Saum.
Es kiangen zurn Felsen in unsrer Ruh
so sehnsuchterrégend die Glocken uns zu Da rang unsere Liebe im Kusse sich frei!
Das 1st nun schon lange, schon lange vorbei!
o Liebe im Hochland, so frisch und so rein,
wie die Luft urn die Höhn, wie der Quell vom Gestein,
mit dern wonnigen Flüstern wie Waldhauch so leis,
mit den lieblichen Kränzen von Edelweil3,
du hobst his zum Ather uns selig und frei Und bist nun schon lange, schon lange vorbei!
Vertauscht sind die Alpen mit Stadt und mit Tal,
vertauscht ist das GlUck mit Leid ohne Zahi,
Fast vergessen die Alpen, vergessen das Glück
nur manchmal noch ruf ich mit tränendem Blick,
wenn die Alpen fern schiinmern so hehr und so frei Ach die Alpen sind fern und das Glück ist vorbei."
Rheinberger schreibt nach Vaduz:
ttTheerste Eltern!
Schon lange erhielt ich keinen Brief mehr von Vaduz; dal3 ich
ebenfalls schon lange nicht inehr geschrieben habe, findet
semen Grund darin, daB ich nichts zu schreiben hatte; ja
doch; etwas babe ich zu schreiben, und das 1st die Ankunft
des Hr. Adjunkten Kessler nebst Gattin (geborene Netti). Er
sagte nir, daB Sie sich, Theuerste Eltern! ganz wohl befänden, was ich von alien Vaduzer=Neuigkeiten immer am Liebsten
höre.
263
Ich ging mit Hr. Kessler tglich aus; er war etwas langwei1, wie immer: er sagte im Sinne zu haben nach Frankfurt,
Stuttgart, Sigmaringen etc. zu gehen. Auch babe ich ibm
GriiBemltgegeben, obschon er keine mitbrachte. Doch, er wird
schon in Vaduz angekommen sein., und kann selbst diese Unwichtigkeiten erzählen, wenn er mag.
Was Peter hat, daB er mir auf meinen Brief, der ihm so sehr
pressirte, noch keine RUckantwort ertheilt hat, weiB ich
nicht. Will er vielleicht die Bestellung anderswo machen.
1st er noch in Uznach?
Mir geht es gut; ich bin immer gesund und thätig. Herrn Lachner habe ich letzthin wieder Compositionen zur Anslcht gebracht, in welchen er einen wesentlichen Fortschrltt erkennen will; ich brachte ihm em neues Streichquartett und
einen doppelchörigen Psalm. Er war ausnehmend zufrieden und
freundlich. Ich babe nun Aussicht, mein Oratorium "Jephtas Opfer" im
Herbst durch den Oratorien=Verein zur Auffuhrung zu bringen;
was mir bier bedeutenden Namen machen wUrde. Jedoch bitte
ich, hievon noch Niemandem etwas zu sagen; es 1st mir auch
verbothen, bier es Jemandem mitzutheilen.
Seit Samstag regnet es unaufhörlich Tag und Nacht. Ich ware
deBhalb nicht nach Türkenfeld gegangen, wenn ich auch nicht
durch die Gottesdienste in der Sanct Ludwigspfarrkirche gebunden gewesen ware. Ich werde dies dem Hr. Pfarrer Wolf inger
dieser Tage scbreiben.
Neuere Recensionen, worm auch mein Dm-Quartett beurtheilt
1st, sind noch mehrere da, als im "Punsch", "Neuesten Nachrichten", Landboten, Münchner Theaterjournal, Landbötin,
weiche ich bei Gelegenheit schicken kann. In elner Krltik
heit3t es: Die interessanteste Nummer des Concertes sei mein
Quartett gewesen. In der Neuen Leipziger musikalischen Zeitschrift steht, daB
em Hr. Egli aus Chur in dein dortigen Prüfungsconcerte des
Conservatoriums eine ausgezeichnete Stiinme an den Tag gelegt
habe.
Nun, Liebe Eltern! weil3 ich nichts Neues mehr von München,
und hoffe, bald von Vaduz etwas zu erfahren.
David und Toni meine herzlichsten GrüI3e. Ich bin beiden noch
Briefe schuldig. Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz und Hr. Vetter
in Schaan meine Empfehlungen.
Was inacht die liebe Mutter? Theuerste Eltern! ich verbleibe
264
für immer Ihr dankbarster Sohn Josef Rheinberger
München, Pfingstsonntag 1857."
Die folgenden Zeilen sind beigefügt:
"Liebe Schwestern Lisi und Mali!
I
I
I
I
Il
I
I
I
I
I 9999999...
Ha
Es ist schon lang her,
drum freut's mich umsomehr
Euch zu schreiben heut
Ihr faulen, lieben Lent!
Hm !
Fin
!
,
tschi
!
,
,
,
,
,
,
Gsundheit.
Besuch hab ich bekommen,
Von zwei jungen Frommen
Vaduzer Eheleuten,
Und zwar von sehr Gescheidten.
Sankt Markus hieB der eine
Und Netti Kessler seine
Liebe, theure Frau
Schau, schau, schau
"S'mUf3t s'enk fein benemma,
Wenn mer zsamma kemma,"
Sang schon Lehrer Pdly
Nit heiterem Gejöhle.
Ich hab mich fein benommen
Als man zusammengekommen,
Netti war sehr schüchtern
Kessler war sehr nüchtern.
Netti hat mir gesagt, Du, Mali! seiest eine sehr flei8ige
Clavierspielerin ., und habest viele Tgnze zur Carnevalszeit
bei Landesverwesersgespielt. Von Dir, Lisil hat sie mir
nichts erzählt, inmer nur von den Bällen, welche in Feldkirch gewesen und weiche (von mir aus) der Teufel holen darf.
265
(Was interessieren mich auch Feldkircher Bälle?)
Jetzt weit3 ich nichts mehr.
GrWt mir vor Allen die liebe Mutter!
Ich denke alle Tage oft an sie.
Wenn die Mutter a Prisle ntirnmt, so söll sie am Mali od:
Lisi vör mi o ahs ge.
Jetzt Adieu, ich mu6 in die Vesper in die Ludwigskirche.
Lebt wohl und schreibt bald Eurern Bruder
Jos. Rheinberger
München am Pfingstsonntag 1857."
psychische Situation des jungen Komponisten erscheint
aber von "Erster-Liebe-FlochgefUhlen" weit entfernt. Am Fronleichnamstag komponiert er das BuBlied von Gellert ("An Dir
allein hab ich gesiindigt.") und im Juni komponiert er em
Requiem in f-moll, das unvollendet blieb.
Schlie2lich schreibt er an den Bruder ungewohnt ernst:
Die
"Lieber Toni!
Da ich Dir schon lange nicht mehr geschrieben habe, so wollen wir nun em wenig plaudern. Das Neuste 1st, daf3 wir heute den l4ten Juni haben, und gestern die Welt nicht untergegangen ist.
Soeben erhielt ich Vaters lieben Brief, und ersah daraus zu
meiner gröf3ten Freude, dai3 Ihr Alle Euch wohlbefindet. Was
Wagus betrifft, so kann ich Dir sagen, daB unsere Freundschaft darin besteht, daB wir (wie Peter) "per Du" sind.
Ich habe mich nie viel urn ihn gekUnunert, da er mir nie gut
gefiel. Ich kann mich vielleicht auch irren, denn errare
humanum est (Das kann Dir der David Ubersetzten.) Was ihm
Hanfstängl tiber mich geschrieben haben wird; wird sein: daB
er niich den Winter wöchentlich 1 mal im Oratorienvereine gesehen babe; seit Monat März kam er jedoch nicht
rnehr hin. Ich kUmrnere mich gar nicht urn alle diese Leute,
besuche keine und laB mich nicht gerne von ihnen besuchen,
weil doch die Meisten "falsch" sind. Am ärgsten sind die
Musikanten, denen gehe ich Allen aus dern Weg, well ich den
Neid dieses Gesindels kennen zu lernen, hie und da Gelegen-
heit hatte. Ich lebe überhaupts ziernlich einsam, gebe meine
Stunden, oder spiele Orgel in der Ludwigskirche und spiele
266
hie und da Schach, das 1st Alles. Sonst komme ich nur zu
Maier, Schafhäutl, Lachner, Perf all, Böhrn, Kaulbach, Dürk
oder bin hie und da bei andern (angesehnen) Familien emgeladen, (weiche ich im Oratorienvereine kennengelernt) urn
Compositionen von mir vorzutragen, und in diesen Circeln
bin ich gerne gesehen.
In diesen Circein herrscht bei aller Vornehrnheit doch mehr
Einfachheit und Herzlichkeit, als bei den weniger vornehmen.
Hier trifft man Leute, die für die wahre Kunst Sinn haben,
hier wird man geschätzt und fühlt sich wohler, als in so
halbvornehrnen Gesellschaf ten.
Wenn man so dieses "Handwerkmusikantenvolk" kennen gelernt
hat, so mu2 man mit der Zeit noch Philosoph werden, oder
ttrnft den Wölfen heulen", was einem lieber ist. (Jetzt wirst
Du sagen: das 1st em langweiliger Brief!) Hast Recht! aber
das kurzweilig sein möchte elnem, oft vergehen. Dir nicht
auch? Oder dem David? Der l/iebe/ Vater schrieb mir vom Nachhausekonirnen. Ich werde mit Hr. Maier darüber sprechen, und
dann dem i/ieben/ Vater schreiben. Neine Freude, Euch sehen
zu können, ware grol3, aber das übrige Vaduz zieht much nicht
sehr an. Eure jetzige Kirchenmusik mul3 doch etwas sonderbar
sein,besonders da die Sängerinnen nach 50 jährigern Dienstjubiläum feierlichst zurUckgetreten sind. Wird mein Hi. Geist
nicht rnehr gesungen? Spielt das Mali ordentlich? Oder duathts
no grad a so örpla?
Wie geht es Dir? Hast Du viele Kundschaf ten? Wenn Du Bücher
oder so etwas brauchst, so bestelle nur wieder bei mir, ich
will es gerne übernehmen, wenn nur nicht wieder 20 - 30 Bestellungen zusanimentreffen. Ich wollte noch dem David schreiben aber soeben erhalte ich eine Vesper angesagt urn 3 Uhr,
und jetzt ist's schon 2 1/4 IJhr, irnd in die St. Ludwigskirche ist's eine 1/2 Stunde zu gehen, also Lebewohl, und
zeig dém David diesen Brief, weil ich zu seinem Briefe keine Zeit mehr hatte. Es grül3t Alle, besonders aber Dich, Dein
Bruder
Jos. Rheinberger
München den
14.6.57.
Bhüati Gottfl!"
Offensichtlich auf Betreiben der Frau von HoffnaaB beginnt
Rheinberger die Komposition einer Kantate ("Jephtas Opfer"),
die im Herbst mm Oratorienverein aufgeführt werden soil. Er
267
gewinnt semen Optimismus wieder und schreibt dem Bruder:
"Lieber Toni!
Das ist doch rnerkwürdig, daI3 ich Dir heute wieder schreibe,
nicht wahr? Weil3t warurn? Weil mir langweilig 1st. (Diesen
Brief schreibe ich am Peter u. Pauls=Tag, er geht aber erst
am Mittwoch mit dem Brief an den l/ieben/ Vater ab.) Nach
Hause zu kommen ist mir, so leid es mir 1st, aus den an den
Vater geschriebenen Gründen nicht wohi möglich. Doch was
thut's? Ich hab' mich nichts verändert, bin em wenig gewachsen, das 1st Alles. Heute 1st es so herrlich heif (27'
Grad Reaumur) das man gar nichts Gescheidtes denken oder
schreiben mag. Demnach wirst Du mir verzeihen, da1 ich Dir
Armeln schreibe.
in Hemd
Dein u. Lisi's Brief haben mich serr keffrewedd.
Das Mali wird doch nicht kränklich sein? Ich werde ihm bald
"a rechta lustig's Briefle schrieba." Was macht d'Seffa und
ha! mual3 ma doch gahna! Do kunnt
d's Dovadle? bih
ma Dorst öber, wenn's aso häf3 ischt. (Jetzt ist's 1/2 2 Uhr!)
Letzthin war ich wleder bei einer vornehmen Dame eingeladen,
und da hat sie Lieder von mir gesungen, die ihr so gut gefielen, daf3 ich sie ihr sogleich schenken muBte. Do häscht
an Profit, jetz kann i's nochamol abschrieba!
Goht di Gschäftle guat; soil' a dr amol an Gseli schecka?
Gestern hat es gebrannt (zu der Hez!) und dabin ich auch
hinausgegangen urn zuzusehen, as hätt aber net amol ordelig
brennt, die dumma Lüt hens net amol brenna loh' sie hens
in a ra 6/2 Stund scho gioscht ka. Grad vis-a-vis von dem
brennenden Haus war em Biergarten und da sind die Leut hin-
urn zu zuschauen, und haben angefangen mit Bier zu lOschen; die dummen Leut aber haben aus Versehen das Bier in die
Gurgel geschuttet (und i o!) und s'dflinrnst ist gse, daB ma
für s'lOscha noch zahia hat rnüBa. Dem Direktor Hauser sein Sohn (früher mein Professor) ist
in KOnigsberg ais Kapelirneister gestorben. Jetzt laufen die
Frauenzimmer mit so breiten ReifrOcken herum, daB letzthin
Eine in einer engen Gasse stecken geblieben 1st mit ihrem
stählerndern Reif. Da hat man zuerst eine Locomotiv vorgespannt,
man hat sie aber nicht herausgebracht; zuletzt muBte man die
Gasse abbrechen, urn sie zu befreien; selbst gsehen hab ich
das nicht, fOrwohr, fOrwohr. Auch tragen sie jetzt soiche
em
268
Hüte
mit Fransen daran. Diese Hüte heil3en Amazonenhüte,
irn Volke aber "Letzte Versuche", was viel richtiger ist.
Deswegen mül3en sie auch viel Spott erdulden. (Dief Capitel
darfst Du auch Lisi und Mali zu lesen geben, wenns'Lisi so
einen "Letzten Versuch" will, so wei8 es, da6 ich schon
öfters Spediteur war. Nix für ungut, ich hab es gut gemeint.)-
Wenn Du Deine Gelder regulirt und vermehrt hast, so schreibe
mir, damit ich Dir den Hr. Reineke schicken kann. Du wirst
aber wahrscheinlich die Holzschnittausgabe wollen, da die
Stahistichausgabe auf einige 20f 1 kommt.
Gestern habe ich zum erstenmale neue deutsche Vereinsthaler
(zu if 1 45+r) gesehen, diese sind herrlich geprägt. Ich wünsche Dir davon die ganze "Helena" voll.
Wie stehen in Vaduz die Feldfrüchte?
Macht heuer der Rhein keine Angelegenheiten? Sonst müBte man
den Peter wieder beruf en, der würde den Rhein schon mores
lehren. Heuer werden wir nicht wieder "Sebastopol" spielen,
und das ist gut für Deinen Geldsack!
Net wohr?
Jetzt, Brüderle, bhüati! Am Fritig urn 9 Uhr Abends, trink
I a Schöppli (oder 2) uf di's und's David's Wohi. Und am
Fritig (den 3ten Juli) urn 9 Uhr mul3t Du und der David (wenn
er net Schtrucha hat) a Gläsle trinka uf's Wohl vo dim
Bruader
Peppi Rhibrgar
Münka, am so und sövelta."
/28. Juni 1857/
"Dienstag, den 30. Juni /1857/, 1/2 9 Uhr Fr/au v/on/ H/of fnaaB/ gehört Mignon Lieder singen," notiert Rheinberger in
scm Notizbuch. Es besteht kein Zweifel, data diese Frau den
18 jährigen Musiker in diesem Sommer in München halt.
Rheinberger schreibt nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Obwohl ich mich sehr gefreut hHtte, Sie heuer wiederinVaduz
zu sehen, so thut es rnir leid, nicht kommen zu können. Ich
habe mit Hr. Prof. Maier darüber gesprochen. Erstens würde
ich alle rneine Stunden verlieren, zweitens würde es doch
auch so viel kosten, hin und herzureisen, als em Monat Aufenthalt dahier. Drittens kann ich auch wegen der St. Ludwigskirche nicht fort. Sie sehen demnach, rneine Theuersten El-
269
tern! daf3 ich über diesen Sommer nicht so leicht nach Vaduz
kommen kann, als sonst. Ich hoffe aber, daf3 Sie nichtsdestoweniger oft in Gedanken bei mir sind, als wie ich bei Ihnen.
Da13 Hr. Wolf inger von Vaduz kommt, freut mich sehr, obschon
er mich abzuholen vermeint.
SchUler habe ich gegenwärtig drei (zwei Schillerinnen von 8
u. 10 Jahren) und elnen SchUler ( Sohn des Directors der
Staatsbibiiothek). Diesen zusammen babe ich 7 Stunden wöchentlich zu geben. Diese sind verschieden bezahlt. Von diesen
7 Stunden sind 5 a zu 24+r, und 2 a zu 40+r bezahlt. Mein
WUrzburger HarmonieschUler ist in die Vakanz dorthin abgereist. Von nächster Woche bekomme ich wieder 2 SchUjer, Söhne
eines Grofhändlers, mit welchem ich eben in Unterhandlung
bin. Letzten Monat (Juni) habe ich mir Geld zusammengespart
zu Kleidern, und kaufte mir eine graue Hose
7fl 48+r
zu
=
3f1
30+r
em
Gilet
=
3fl
einen Seidenhut (Cylinder)
48+r
=
Halstuch
zu
und em
Summa
l5fl
6+r
Zu elnem neuen schwarzen Rock, den Ich nun brauchte, hat's
nicht mehr gereicht. -
Im Juni babe ich em Requiem angefangen, und arbeite jetzt
schon am Benedictus. Wenn man solche Sachen nur immer gleich
zur Aufführung bringen könnte, dann würde ich mehr Kirchen=
Musik componiren.
Der Toni schreibt mir, dat3 das Mali so schlecht aussehe; es
wird doch hoffentlich nicht krank sein? Auch Peter sei nicht
gesund? Ich erfreue mich, Gott sei Dank gesagt, einer ungetrübten, festen Gesundheit. Und so will ich nun fleil3ig arbeiten, damit ich bei der nächsten Concertsaison mit neuen
Werken gertistet bin.
Sollte ich Sle also, Theuerste, Beste Aeltern! diesen Herbst
nicht sehen, so hoffe ich doch, dal3 mich häufigere Briefe
dafür em wenig entschädigen werden. Die liebe Mutter soil
deBwegen mir nlcht zUrnen, da3 es mir heuer mein Beruf erschwert, in ihre Arme zu ellen, und daf ich sie immer kindlich liebe, weif3 sie ja auch.
Und nun, Theuerster Vater! indem ich dartiber Ihre Entscheidung erwarte, verbieibe ich Ihr dankbarer und dankschuldiger
Sohn
Jos. Rheinberger
Mtinchen, den 1.7.57."
270
Während der Komposition seinerKantatevollendet Rheinberger
am 5.Juli 1857 in München beziehungsreich die Ouverture zu
Shakespeares "Komödie der Irrungen".
An semen Bruder schreibt er:
"Lieber David!
Da der l/iebe/ Vater wfinschte, da6 ich semen letzten Brief
mit Banknoten nach Empfang deselben (der Sicherheit wegen)
besttbge, so schreibe ich bei der Gelegenheit Dir, weil ich
das letzte mal dem Vater und Toni geschrieben.
Du wirst also so gut sein, und dem Vater meinen herzlichen
Grul3 und Dank auszurichten. Sonst habe ich aber nichts Wichtiges inehr zu schreiben. Es geht mir gut; auch habe ich viel
zu thun. Heuer hEtte es mich sehr gefreut, wenn Du heraus
(nach MUnchen) gekommen wErst; denn wenn Du hier auf dem
Steinpf laster herungelaufen wrst, so hEtt's es for a Alpaparthiele thua. Die neue }laximiliansstrage soiltest Du jetzt
sehen, wie schOn die 1st
Fast as wia derKaspariGass' in
Vaduz!! Gibt es heuer wieder eine soiche Freitag=Abend=Gesellschaft auf dein Schlof3, wie letztes Jahr?
Gestern und vorgestern war es schauderhaft heiI3, ich ging
noch Abends 3/4 auf 9 TJhr in das grof3e Isarbad. (Gelt, das
sind Neuigkeiten!)
Nach Vaters Brief 1st es also noch nicht einmal bestiinint,
daB Hr: Pf: Wolfinger von Vaduz hierher konmit?
Meine Schüler bei GroBhändler Lekling sind prHchtige Kerls.
Bei der ersten Lection war ich nach 5 }linuten schon auf dem
Punkt, den Hut zu nehmen und zu gehen. Bei de-m einen geht
es jetzt em wenig besser, wHhrend der Andere zum Verzweifein starrkbpfig ist, mid nicht lernen will. Seine Mutter
sagt, ermüsse aber Kiavier lernen, well Musik das menschliche Gemüth veredle und zur Erziehung nothwendig gehOre.
Ich dachte, daB hier eine Haselstecken rnehr veredeln würde
als die arnie, gute Musica; ich sagte és aber nicht. Da schau
ich (in dieser Stund) fleiBig auf die Uhr und wenn es zwOlf
Uhr schlEgt, so nehme ich meinen Cylinder zur Hand, und gehe. Ubrigens sind die andern Leut in dieseija Hause sehr angenehm und honett, nut etwas zu grol3städtisch vornehm.
Neine tibrigen Schüler sind viel talentvoller und folgsamer,
besonders die k1e±ne Tochter des bekannten Schriftstellers
Prof: Riehi. Jetzt mu13 ich fort, und Stund geben, es 1st
!
271
höchste Zeit. Leb' wohi, schreibe mit bald sowie auch der
Toni.
Dein Dich liebender Bruder
Jos. Rheinberger
Mtinchen 17.7.57.
Viele GrtiBe an alle."
Der Monatsbrief im August geht pUnktlich ab:
"Theuerste Eltern!
Ich kann Ihnen heute nur Weniges berichten, und zwar - well
ich fast nichts des Aufzeichnens Werthes weil3. Gesund und
wohi, wie ich bin, hoffe ich auch von Ihnen, Theuerste Eltern und Geschwister es zu vernehmen.
Zwei von meinen SchUlern gehen auf das Land, bis September;
bleiben mir in loco noch 3 SchUler. (6 Lectionen per Woche).
Vielleicht, daB ich noch Schüler während dieser Zeit bekomme. Wenn man so einen SchUler hat, weicher ohne Talent
und Lust Klavier lernen mul3, so 1st das eine äuBerst unangenehme Quälerei zwischen Lehrer und SchUler. Da 1st man
froh, wenn auf der Uhr der Zeiger die Erlösung anzeigt.
Doch noch viel lieber das, als einem talentlosen Schüler
Harmonie- oder Contrapunkt-Begriffe beizubringen. Doch genug davon!
Endlich am l5ten August (Maria Hlmmelfahrt) soll meine Messe
in der St. Ludwigskirche losgelassen werden - - so sagte
mir Pentenrieder - ka si, aber globa duane's net, well Hr.
Pentenrieder zuerst elne Probe halten, und diese selbst bezahien mW3. Hier steckt der Knoten, das sagte mir Hr. Prof.
Schafhäutl. Nun, wollen wir sehen. Heuer 1st es furchtbar hell3, und im ganzen Juli war kein
Regentag, höchstens alle 8 Tage em klelnes Gewitter. De13wegen geht Alles auf's Land. Die einen In's bayerische Hochgebirge, nach Salzburg, Tirol etc. Von meiner Bekanntschaft
ist fast Alles fort.
In der Schweiz sollen alle FrUchte so ausnehmend schön und
reichlich stehn; 1st das auch bel un in Liechtenstein der
Fall? Hier gibts vom l5ten Mal bis l5ten August Kirschen.
Kommt der Peter oft nach Vaduz? Auf meinen Brief vom Mal
schrjeb er mir noch nicht. Dem Toni werde ich von nun an
272
alle 8 Tage einen Brief unfrankirt schreiben, bis er mir
einmal zu schreiben beliebt. Von Hr. Pfarrer Wolfinger von
Vaduz habe ich nichts welter gesehen oder gehört.
1st Mali im Toggenburg? Was macht die liebe Mutter? Sie sind
hoffentlich, Theuerste Eltern! iunuer gesund, und meiner emgedenk, und in dieser Meinung verbleibe ich für iimner Ihr
dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
Viele GrU6e an Alle.
München, den iten Sonntag im Monat August /1857/
/Datum des Poststempels: 3. Aug. 1857/"
In diesen Sommerferien schreibt Rheinberger die Sinfonie
in C, .JWV 81, und die Klaviersonate in f, JWV 56, und meldet
die Fertigstellung nach Vaduz:
"Theüerste Eltern!
Weil es vielleicht nach Ihrem Wunsche ist, so schicke ich
hiebei meine Rechnungsablage. Hr. Prof. Maier, weicher Anfangs dieses Monats nach Schachen (am Bodensee) verreiste,
schrieb mir noch an dem nämlichen Tag, und schickte mir
den Rest meiner Kasse. Ich konnte nicht mehr Abschied von
ihm nehmen, well er zu schnell verreiste, mir jedoch versicherte, bis 1. September zurück zu kommen. Ich habe demnach im Ganzen durch Hr. Maier bezogen 149f 1 36+r. In diesen hundertneunundvierzig Gulden ist das Oratorienvereinsgehalt mit eingerechnet. An Perstenfeld hátte ich wHhrend
10 Monat bezahlt 240f1. Meine Schüler sind alle aufs Land bis auf zwei, und das sind
gerade jene, zu denen ich am unliebsten hingehe. Riehi's
sind nach Starnberg, Oldenbourg nach Genf, und Halm's nach
Lausanne, und zwar alle mit Familie, also auch mit meinen
Schülern. Bei diesen verreisten Schülern hab' ich etwa noch
lOf 1 zu gut, welche ich natUrlich erst im Verlauf der weitern Stunden nach ihrer Rückkehr bekomme. Nun, da ich diesen
Monat nur sehr wenig Geld verdienen konnte, so betrEgt meine
jetzige Baarschaft etwa 21 - 22f 1, wHhrend ich am 1.September allein für Perstenfeld's wieder 24fl vorausgaben soll.
Demnach bin ich gezwungen, Sie Theuerster Vater! um Geld
zu ersuchen, indem der ite September immer nHher rückt. Im
273
Herbst und Winter werde ich jedoch mehr Geld verdienen kön-
nen, weil in dieser Zeit eher Stunden zu bekommen sind, als
im Sommer, wo die haute volêe Mtinchen's abwesend 1st.
Da ich im Monat August weniger mit Stundengeben geplagt war,
konnte ich desto mehr componiren. Ich habe nun eine neue
grof3e Sinfonie "fertlg" gemacht und habe Aussicht, selbige
im Winter zur AuffUhrung zu bringen. Nun babe ich schon angefangen, Stimmen zu schreiben und schreiben zu lassen, was
sehr hoch kommt. Del3halb könnte mir der Peter (der ttRiechtt)
die Stimmen schreiben lassen, wie er es bei meiner Fiesko=
Ouverture gethan hat. (Hr. Schafhäutl habe ich diese Sinfonie
gezeigt, Maler und Lachner noch nicht, well beide nicht bier
sind). Auch habe ich eine grol3e Klavler='Sonate fertig, deren ersten Satz ich schon frUher bei DUrk und Kaulbach mit
Beifall gespielt habe. Diese Sonate suche ich jetzt bei ei-
nemVerleger anzubringen. "Jephtas Opfer" arbeite ich gegenwärtig urn.
Bei der grof3en Juli=Hitze ist fast ganz München ausgewandert.
Im August waren 12 Tage Regen mit ziemlicher Kälte, und nun
ist es wieder sehr heiB. Dem Toni laB ich danken fUr semen
Brief, welchen ich Anfangs September beantworte. Weil ich
nun in die Ludwigskirche rnu2, beeile ich mich den Brief zu
schlieBen. Was macht die Mutter? 1st Mali gesund und von
Lichtensteig zuruckgekommen?
Ich hoffe, daB Sie, Theuerster Vater! sich immer wohi befinden, sowie auch meine lieben Geschwister. Ich bin immer
kerngesund und thatig, und spiele auch mehr Klavier, als
sonst, well ich jetzt rnehr Zeit habe.
Doch nun leben Sie wohl, Bester Vater! bleiben Sie immer
gesund und behalten Sie immer irn Andenken
Ihren dankbaren Sohn
Jos. Rheinberger
MUnchen, den 25ten August (1857)"
Folgende Bemerkung von Rheinbergers Vater findet sich am
SchiuB des Briefes: "Beantwortet am 28.Aug. mit 48f1 Beilage."
Der Bruder erhlt einen endlosen Brief In homerischen Hexametern:
274
München den 31.8.57.
"Lieber Toni!
Gerade jetzt koinrnt des Vaters Brief. Du wirst so gut sein,
und ihm meinen aufrichtigsten Dank für semen Brief und das
beigeschlossene Geld anzusagen, nebst meinern herzlichsten
GruB auch an die Mutter.
Da Du mir, lieber Bruder! das letzte Mal einen Brief, so
groB als wie ganz Liechtenstein, geschrieben, so beantworte
ich denselben mit wenigstens so viel Worten, als unser Vaterland Einwohner hat. Das beweist aber noch nicht, daB ich etwas Interessantes zu schreiben habe. Da man gebührender Weise
zuerst nur von den wichtigsten Personen berichtet, so fange
ich mit öhry, wohlbestelltem ländlichen Pdagogen in und zu
Vaduz, an.
Donnerstag der 27te war der in den Annalen Münchens ewig
denkwUrdige Tag, an weichern obgenannte hohe Personalität in
hiesiger Residenz einfuhr. Nachmittags 3 Uhr besuchte öhry
meine unwilrdige Behausung, bemerkend, daB zu Haus' ich nicht
war. Er hinterlieB meiner Hausfrau den Auftrag, den Wichtig'n,
daB er Abends bestimmt wieder kommen werde zu Rhemnberger,
dem unglUcklicherweisegarnichtzuHausegewesenseienden. Ich
harrte seiner, sehnsüchtigen Bucks vom 3ten Stockwerk die
MüllergenanntestraBe genauiglich musternd. Ich harrte seiner, von 5 Uhr bis 8 TJhr schlug die Glocke der nahegelegenen
evangelisch=lutherischen Kirche. Doch dhry, Erzieher der
hoffnungsvoll wachsenden Jugend von Liechtensteins Hauptort,
nicht erschien er, der Wortnichthaltende. Ich setzte auf sodann, entschlossenen Muthes voll, den neuen, schwarzseidenen
Cylinder und wandle geflUgelten Muthes dahin zu Oberpollinger's
frequenter Behausung, vermuthend zu finden allort biervertilgend öhry, den Martin.
Doch nicht zu erforschen er war. Als anderntag's ich las die
Fremdenanzeige, ich ersah den gefeierten Narnen, unter der
Rubrik des Stachusgarten; doch öhry, er fuhr schon auf dampfbeschwingtem Wagen Starnberg, dern ländlichen zu, urn zu besuchen den wohlbepfrtindeten Pfarrer, welcher wohl voll des
Stolzes empfangen wird den Neffen, der seines Bruders Sohn,
und Martin zubenamset. Doch wenn der Tage 8 verflossen,
wird öhry kehren zurUck von Seefeld nach München, und nebenbei auch besuchen mich, den dem nämlichen Lande entsproB'nen.
Doch nun läutet es 12 Uhr, nun wird mein Magen, der knurrende,
275
suchen zu stillen den Appetit, weicher beunruhigt ihn.
Hernach werd' ich berichten noch Wichtiges mehr.
1/2
1
Uhr
Nun hab' ich den Magen befriedigt, tauche die Feder in Tintenstrotzendes Fa1 und melde Dir ferner des Wichtigen. Ja, es
meldet die Feder Dir, da1 unpa1 ich war seit einigen Tag,
doch mich nun besser befinde. Auch da!3 in München's Vorstadt
Haidhausen die Cholera hat ihr' Opfer gefordert, doch hörte
man nur wenig und seit 3 Wochen gar nichts mehr sprechen davon. Es war der Gefahr nur wenig dabei; indem Mtinchen ja doch
dutch den Isarflul3 getrennt war von Haidhausen.
Ich habe geschrieben der Noten sehr viel, seit ich Dich nicht
gesehen, o Bruder Anton! Ich lie1 mir auch mit Deckel vetsehen der Bticherein'ge was man im gewöhnlichen Leben "Bilchereinbinden" heil3t; weiches ehrsame GeschHft Du, der lob-
liche Zunft=Meister, anitzo auch also betreibst, verschlingend des Leder's, Papier's und pappigen Kleisters.
Mir gestern sagte der Bekannten einer: Er babe gelesen im
"Schwäb'schen Mercur" daIs ausgeschrieben sei die Schulmeister-
stelle, die fette, von Vaduz. Der betref fend' Bewerber miife
die Orgeltractiren zu wissen. Aus "wem" besteht denn
der neu angeworbene Chor, weicher des Sonntags erbaut die
besonders
Gemeinde mit hehrem Gesang? ErtOnt nicht fürder mehr des
Marxer's Alleluja=Geschrei? Krchzt der Becki VOgelverscheuchende Stimm' nicht mehr in St. Florin's RHumen? Wehe,
wenn das der Fall ist - nicht kann man ftirder ersetzen dies
kunst= und gesangsverstEndige Paar. Und soilte das bucklichte
Muserle nun auch singen Tenor, - wer f rag ich - wer kann ersetzen den Blasbalgkundigen Mann? Wet kann gleich ibm ziehen
mit feinem aesthet'schen Geftihl die Stricke des blasigen Balges? Siebst Du, o Bruder? mit kiarem Auge nicht den Verfall
der Kunst, der tOnenden, mit Gigermartischen Hat = und Melodien. Doch nun genug des Jammers, weicher nicht fruchtet
anjetzt. Sage dem David, dem Kanzlei=kundigen Meister der
Feder, sowie auch der Tinte Beherrscher, da8 mein Pa13 (datirt von Anfang November des Jahres eintausensachthundert
und fünfzig vier -1854-) auf drei Jahre gUltig ist, und das
bis dahin (bis Nov: 1857) ich eines neuen Pa8es bedUrftig
bin. Wenn Du gesagt hast dieses dem David, dem Tintekundigen,
benebst einem Gru2e von mit, dem Notenkopftintenklexer, -
so wird er schiitteln sein rothgelbes Haupt, (beschwingt von
borstigem Barte) und sagen wird er:"Anhiero thut Noth em
276
ich schreib' einen soichen. Doch es pressirt mir noch nicht; es ist ja anitzo noch Zeit!"
(Abends 6 uhr.)
Nun komm ich soeben nach Haus, und schreibe noch welter, bis
dunkel es wird was jetzt in dem Herbste gar bald moglich 1st.
Ich habe gehört vor zwei Monden aus Adjunctens Kesslers beschnauzetem Munde, da1 Herr Falk anitzo Amtschreiber geworden. Da13 ihr mir nichts davon schriebet?
Du, Toni, befiehi doch dem Lisi, daf es bald mir schreibe,
derweil es schon lange 1st her, seit wir nicht mehr correspondirten. Auch dem Mali, dem Tonkastenspielenden, sage, daB
bald es mir schreibe, was es getrieben im Toggenburg drin;
und wie es gehe der Wirth=schen Familie.
(Dienstag den iten Sept:)
Heute von 8 his 10 Uhr machte ich wieder den Schulmeister,
lehrend Clavier zweien fleiBigen Schülern, weiche, lernend
schon selt Monden, bald schon kennen die Noten. Auch waren
die Jungens so folgsam heut', daB die Autorität ihres Vaters
in Anspruch ich nahm, welcher den Söhnlein's mit Schlägen
wohl dräute. Lieber wohl Holzhacken möcht' ich, als mehr'
solcher Schüler ha'n, welch ich Gequälter noch selbander qualen soll. Doch Papa und Mama, die Gnädigen, finden, daB diese
zwei Söhnlein's des Talentes zur Musik wären voll, und man verschreibt der Klavierlehrer einen, weicher Klavierspielen ihnen
eintrichtern soll, da man für Geld.ja Alles kann. Nicht wahr?
Heute ist Feldlager der Garnison MUnchen's in Sendling, eine
Stund welt von hier. Wenn ich noch Zeit mir erubrigen kann,
geh ich doch hin, Manoeuvre zu sehn'. Gibt es heuer des Obstes wohl viel, des Saftigen? Birnen, Apfel und Zwetschgen?
Der Wein wird werden doch gut in Vaduz, da der sonnigen Tage
wir hatten so manche in heurigem Jahr!
Anbei leg ich noch em gedrucktes Blättchen bei, zu dessen
besseren Verständnis gesagt sei, daB im Monat April in hiesiger Münchner=Zeitung gelegentlich einer Kunst=Kritik bemerket wurde, daB meine Ouverture zu Fiesko zwar sehr schön,
nur etwas philisterhaft instrumentiret sei, worauf in diesem beigefügten Blättchen widersprochen wird. In folgendem
(heurigen) Herbste hoffe ich schicken zu können der Recensionen viele, (welch' aher sämmtlich nur von Papier sind.)
Von ausländschen Blättern erwHhnten sehr ehrenvoll meines
Quartettes die Leipziger, die SUddeutsche und Rheinische
Nusikzeitungen, wie man mir sagte, da ich selbsten nur die
neuer Pa13, auf da1
277
erstere gelesen.
(Abends 1/2 5 Uhr)
Ich werd mich beeilen, den Brief bald zu schlie8en, auf das
er noch heute zur Post gelange, drum kehr das Blatt itzt urn!
Nachdem anitzo das Blatt Du umgekehrt, und welter zu lesen
beginnst, soseihiernit Dir gesagt, dat3 welter ich nichts
wei8, was des Schreibens wiirdig ware.
Du schriebst mir, dal3 den Pföhn
Du hörest durch's G.Ble gehn
Und hörest Du manchmal: Klipp, klapp, klipp, klapp!
So denk: Jetzt jagt sie die Kathri
dern Handwerksburschen die Stiefel app!
Macht d' Muatar hUr o viel Aepfelschnez?
Cr1113 rner o der Kaplan Fetz!
Weil als' in der Welt sein Ende hat
So hört der Brief hier auf.
Mit Vielen GrUI3en an Alle Verbleibe Ich Dein Dich Immer
Liebender bruder iosepf reynperker.
Schreibe mir bald!
An Anton Rheinberger, wohllöblichen Buchbinderzunftmeister
in Vaduz."
Em
wahrer Schaffensrausch packt Rheinberger in diesen Sommerwochen. Am 8. September versucht er sich an Eichendorff's
"Mondnacht". Besser gelingt ibm em Quartett für Oboe, Horn,
Violoncello und Klavier (JWV 83), das er eine Woche später
beendet. Auch von der Aufführung seiner Messe weil3 er nach
Hause zu berichten:
"Theuerster Vater!
Aus David's liebern Briefe erfuhr ich unter andern Neuigkeiten
die Wichtigste, Ihre Pensionirung, weiches mich ungemein
Uberraschte. Da mir David nichts Näheres angab, so fflrchtete
ich anfangs, daf3 Sie, Bester Vater! vielleicht wegen Krank-
lichkeit sich pensioniren liel3en, hoffe aber zu Gott, daB dem
nicht so sei! Auch schrieb rnir David, daB wir nun "heimini"
ziehen. In Betreff des Oratorienvereinsgeldes von 1855 (45f1)
kann ich nichts Näheres angeben, als daB Hr. Prof. Maier es
mir mit dern andern Gelde zukommen lassen haben wird, ohne es
eigens zu verrechnen. Ich konnte und kann ihn natUrlich nicht
278
fragen, wie er das oder jene gehalten. Nur gestehe ich zu,
da$ da mir die ganze Unterstützungsangelegenheit zu delicat
und gnant 1st und war, ich inuner unterlieI3, Herrn Prof.
Maier darUber zu befragen, da er ja ohnehin mein erster Wohitäter 1st und bleiben wird. (Hr. Maier 1st gegenwärtig in
Heidelberg für die hiesige Hofbibliothek mit Ankauf von Werken beschäftigt). Am St. Maria-Geburtstag wurde endlich
meine Messe in der St. Ludwigskirche aufgeführt. Die Proben
der Messe bezahlte (ohne mein Vorwissen) Hr. Prof. SchafhHutl. Die Messe wurde sehr gut gesungen, (da das Personal
aus Hofsängern und Hofsangerinnen bestand),undgefielungemein gut; so daB sie nächstens wiederholt werden soll.
DaB Herr Oehry mich besuchte, wird er Ihnen, Bester Vater!
wohi erzählt haben, auch daB ich nicht von ihm Abschied nehmen konnte, well ich ihn weder bel Oberpollinger, noch sonst
wo treffen konnte.
Nun die Hauptsache: Gestern Dienstag flog Nacht's 1/2 11 Uhr
(gerade vor 24 Stunden; da es jetzt auch 1/2 11 Uhr Nachts
ist,) das Eisenhändlerhaus neben dem Karlsthor in die Luft,
und zwar in Folge einer Pulverexplusion. Bis heute frUh 6
Uhr f and man bereits fünf schrecklich verstUmmelte Leichen.
Hr. Lampert wohnte in dem nmlichen Haus; und heute las ich
in der Liste der lebensgefhrlich Verwundeten auch ihn, seine
Frau und Kind; näheres konnte ich leider nicht erfahren. Nun
bitte ich, falls Hr. Lampert in Vaduz nicht schon Nachrichten hat, diese ibm auf's Schonenste mitzutheilen.
Die Explusion war schrecklich. Die Hausthüre und Fensterstöcke des Hauses flogen bis nahe an die Michaelskirche. Der
Hausknecht des Hauses allein blieb unbeschädigt, obschon er
samt seinem Bette vom Estrich des Hauses in die Luft fuhr,
und vor die Hausthüre des "Oberpollinger" geschleudert wurde. (Aus der nämlichen, nun in die Luft geflogenen Eisenhandlung hat Hr. Oehry die Werkzeuge für Toni besorgt.)
In der Ludwigskirche spiele ich die Orgel, so oft em gesungenes (nicht Choral=) Amt 1st, und erhalte für jeden Dienst
24+r. Nun werde ich jetzt wahrscheinlich in der Theatinerhofkirche immer Orgel spielen. Ich würde dort nicht mehr als
alle Sonntage em Amt zu spielen haben, und für jedes Amt ungefahr einen Gulden bekommen. Morgen werde ich mit dam dortigen Chorregenten unterhandeln. Ich muB nun schliel3en, well mir die Augen weh thun; daher
auch die schlechte Schrift. -
279
Nun, Theuerster Vater! Leben Sie wohl; indem ichhoffe, daf
Sie und die liebe Mutter und Ceschwister sEmtlich gesund
sind, verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger.
München, den l6ten Sept. 1857. Mittwoch."
An der Theatinerhofkirche wird Rheinberger als Organist angestelit.
Der stark beschäftigte Komponist findet nur wenig Zeit, urn
nach Hause zu schreiben. Seine Anstellung gibt ihm AnlaB dazu:
"Theuerster Vater!
Der Uberbringer Ihres letzten lieben Brief es war Hr. Briem
aus Feldkirch, weicher mir sodann auch semen Sohn präsentirte. Ihrem ausgesprochenen Wunsche gemäf werde ich 'für Ihn
thun, was ich kann.
In Betreff Lamperts konnte ich in Erfahrung bringen, daB er
bei der Explusions=Katastrophe all' sein Habe eingebUBt und
er, seine Frau und zwei Kinder verwundet ins Krankenhaus gebracht wurde. Er 1st nun geheilt entlassen und mit Familie
von Maler Volz in der Heustrasse (glaube ich) in die Wohnung
aufgenomrnen worden. Auch erhielt er vom König eine Unterstützung und gingen in der Expedition der "Neuesten Nachrichten" circa 500f 1 für ihn em. Das Oktoberfest ging Sonntag
den 4ten beirn herrlichsten Wetter in Anwesenheit einer ungeheuren Menschenmenge vor sich.
Der David mögenichtvergessen, mir bis Ende Oktober's einen
neuen PaB zuzuschicken.
Wer istnunLehrer geworden in Vaduz?
Ich habe gegenwärtig sehr viel mit Stimmen schreiben zu thun,
weil meine neue Sinfonie im November zur Aufführung kommen
soll. Auch habe ich em Quartett für Oboe, Waldhorn, Cello
und Clavier für diese Concert=Saison geschrieben. Sodann
muB ich "Jephtas Opfer" im Einzelnen umarbeiten. Diesen Winter werde ich deBhalb Recensionen in GenUge einschicken können, wenn alles gut geht. Hr. Briem sagte mir, daB die
Schwester des Hr. Schrnutzer in Feldkirch gestorben sei, auch
daB die Jesuiten dort so gute GeschEfte machen, daB sie eine
neue "Kaserne" bauen mUl3ten. Wo 1st Peter gegenwärtig? Er schreibt mir nie, auch kann ich
280
in Ermangelung seiner Adresse ihm nicht schreiben. Das ist,
Theuerster Vater! so ziemlich Alles, was ich zu schreiben
weil3.
Hr. Pentenrieder (Kapeilmeister bei St. Ludwig) lie1 mich
ungern weg von seiner Kirche. Doch ist mir mein neuer Dienst
lieber, indem ich nicht so weit zu gehen und nicht mehr zu
thun habe und etwas mehr bekomme. Meinen 1/4 jährigen Gehalt
mit 15f1 mu2 ich beim kgl. Kassier=Amt erheben, was ich gem
thun würde, wenn es nur l5mal an jedem Quartal vorkäme.
Es wtirde mich freuen, wenn Toni mir wieder einmal schreiben
wUrde.
Ich bin immer gesund und em fleil3iger Tintenverbraucher.
Indem ich alle Theuren zu Hause, vorzUglich aber Sie, Bester
Vater! herzlich grü!3en lasse, verbleibe ich Ihr dankbarster
Sohn
Jos. Rheinberger
Kdnigl. Bairischer Hoforganist
mit 60f1 Gehalt
München, 7.10.57."
Em
weiterer Brief lautet:
"Theuerster Vater!
Weil ich heute vor einem Jahr von Vaduz wegging, urn mich
wieder nach München zu begeben, deBhalb will ich heute diesen Brief hier schreiben, darnit er auch auf Allerheiligen
eintrifft.
Für die Besorgung meines Reisepa2es sage ich Ihnen, bester
Vater! meinen Dank.
Die Nachricht, dal3 wir nun "hämini" sind, hat mich schrnerzlich berUhrt. Ich glaubte, garnicht zu Hause zu sein, wenn
ich in Vaduz in einem andern Hause wohnen mü2te; da ginge
es mir wie der l/ieben/ Mutter, weiche sich auch nicht darein
schicken kann. - In welchem Zimmer steht nun das Clavier,
wo wohnt der Toni? etc:
Mir geht es ganz gut. Ich bin, Gottlob, immer kerngesund,
habe aber viele Stunden zu geben. Zurn coniponiren habe ich
keine andere ruhige Zeit mehr, als Abends von 7 - 12 Uhr;
und gerade in dieser Woche hätte ich noch viel zu schreiben.
In der letzten Ausschul3=Sitzung des Oratorienverein wurde
einstiinrnig beschlo1en, niein Oratoriurn "Jephtas Opfer" auf-
281
zuführen, obschon keines der Mitglieder dasselbe noch kennt,
nicht einmal Hr. von Perfall. Mit der Umarbeitung des Oratoriums bin ich auch noch nicht fertig; mit dem Schrelben
der Sinfoniestimmen ebenfalls nicht, und dazu habe ich durch
die ganze Allerseelenoctave täglich zweimal Orgel zu spielen,
und dann noch meine vielen Stunden zu geben; da weI8 ich gar
nicht, wo die Zeit dazu hernehmen.
Der junge Briem war schon lange nicht mehr bel mir, del3halb
weit3 ich nlcht, wie es ihm geht, ich will ihn aber nlcht aufsuchen.
Peter hat mir vor 8 Tagen geschrieben, und ich lhm am nämlichen Tage geantwortet.
Ich komme nun die ganze Zeit keinen Schritt mehr über den
Burgfrieden der Stadt hinaus, well Ich auch Sonntag Nachmittags von 2 - 3 Uhr Stund geben muf3.
1st das Mali nun auch wieder ganz gesund? Ich hätte ihm schon
längst Muslkalien geschickt, aber ich mu8 mein Geld zisammenhalten. Jedoch aufgeschoben 1st nicht aufgehoben.
Wenn ich Zeit zum schreiben gehabt hätte, würde ich dem Toni
einige Zeilen beigelegt haben.
Hat es heuer viel "Törka und Wi?" Indem ich alle Lieben, besonders aber Sle beste Eltern! herzlichst grül3e, verbleibe
ich Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
Hof-Organist
mit 6Ofl Gehalt.
München, den vorletzten Oktober 1857."
Das Abendblatt zur "Neuen Münchener Zeitung" vom 5.11.1857
schreibt:
"Am 1. Dec. Land das erste der Seidel'schen Concerte statt
und wurde mit einem Streichquartett (C-dur) von Ditters von
Dittersdorf eröffnet (folgt eingehende WUrdigung und Besprechung weiterer Aufführungen von R. Schumann, M. Hauser, Fr.
Schubert und F. Mendelssohn). Den Schluss des Concertes bildete em Quartett für Oboe, Horn, Violoncell und Clavier von
Rheinberger. Richtiger ware wohl die Bezeichnung "Erster
Satz eines Quartetts" (u.s.w.) gewesen, da das TonstUck hinsichtllch selner Form ganz genau elnem ersten Allegro mit
vorausgehender Introduction entspricht. Für diesen Fall hEt-
282
ten wir dann nur zu bedauern, daB es uns nicht vergönnt war,
auch die nachfolgenden Sätze dieses in recht kiarern Style
und mit beachtenswerter contrapunktischer Combinationsgabe
geschriebenen Werkes hören zu können. Der Vortrag durch die
Herren Koch, Fernbacher, Werner und den Componisten war
äuBerst correct "
Rheinberger berichtet nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Vorerst muB ich urn Entschuldigung bitten, daB mein Brief urn
2 od. 3 Tage zu spat daran ist. Ich habe nur deBwegen gewartet, weil arn iten Dezember das erste Seidel-sche Museum's
Concert stattf and, wobei ich em Quartett für Oboe, Horn,
Cello ünd Clavier zur gelungenen AuffUhrung brachte, und
selbst die Clavier=Partie spielte. Doch sollen das Nähere
erst die gedr/uckten/ Recensionen bringen, welche diese Tage
erscheinen rnüBen und die ich dann mit Malis HUtchen schicken
werde.
Durch Lisi und Mali's Brief chen habe ich erfahren, daB wir
nun nicht mehr in unserm frUhern Haus wohnen, und daB die
liebe Mutter sich besonders schwer in dern neuen Domizilium
angewöhnt hat, was ich gem glauben will. Im Ubrigen erfuhr
ich durch besagte Briefe, daB Sie sich, Theuerste Eltern!
wohl befinden. Ich kann, Gott sel Dank! auch das Nämliche
von mir sagen. Schüler habe ich genug, so muB ich z.B. an
den Dienstagen und Freitagen Nachmittag's allein 4 Stunden
- 7 weg,
geben, und diese Stunden nehmen mir die Zeit von
wo ich müde heimkomrne und dann das GlUck habe, bis 12 Uhr
nachts an meiner Arbeit zu sitzen, wenn ich em opus fördern
will. So mul3te ich in letzter Zeit "Jephtas" urnarbeiten,
Stimmen ausschreiben, Sinfonie schreiben etc. und so bin ich
seit 3 Wochen keine Nacht vor 12 Uhr in's Bett gekommen, und
muBte schon einigemale urn 6 Uhr frUh Rorate spielen.
Doch befinde ich mich immer gesund und wohl, und habe auch
noch für letzten Sonntag em Offertorium geschrieben, welches
in der Theatinerkirche gesungen wurde.
Neine neue Sinfonie und. erwähntes Quartett habe ich vor 14
Tagen Lachner gezeigt, weicher sich äuBerst gUnstig äuBerte.Und nun em Weitwunder! Hr. Director Hauser lieB mich letzthin zu einer Tasse Kaf fee einladen, ohne daB ich mich ihm
seit 3 Jahren nur im Geringsten näherte. Er war sehr freund1
283
lich, und that, als wenn ich sein liebster SchUtzling ware;
doch traue ich ihm nicht. Hierauf wurde noch etwas musicirt,
und dann empfahl ich mich höflichst. Mein Oratorium "Jephta's
Opfer" wird von nächsten Mittwoch an einstudirt werden. Letzthin war ich zu einer Soiree bei Maler v. DUrk eingeladen.
Dort wurde eine Arie aus Jephta von einer Frau von Hoffnaal3
(sie lernt auch Harmonielehre bei mir) vorgetragen, und dacapo verlangt. Auch zwei andere Damen vom Oratorienverein
woliten Generalbassunterricht nehmen, was ich aber ablehnte,
indem ich vorgab, keine Zeit mehr erUbrigen zu können. Von
Hr. Prof. Maier viele GrWe. W. Briem besuchte mich einigemale, und sagte, er hätte durch semen Vater Grül3e für mich
aus Vaduz bekommen. Er befindet sich wohl, und ist, wie es
scheint, fleifig.
Ich freue mich sehr, bald Nachrichten aus Vaduz zu bekommen,
und verbleibe, indem ich Sie, Theuerste Eltern und Geschwister herzlichst grUl3e, Ihr dankbarster Sohn und Bruder
Jos. Rheinberger
kgl. Hoforganist.
MUnchen, d. 3.12.57.
NB: Kunt hür der SamiklosVt
An semen Bruder Anton schickt Rheinberger kurz vor Weihnachten einen knappen Situationsbericht aus MUnchen:
"Lieber Bruder!
Schon lange wUnschte ich Dir zu schreiben, konnte aber nie
so recht Zeit finden, bls'heute, wo ich gerade em halbes
StUndchen frel bin.
Beiliegenden Brief wirst Du dem Mali geben. Was soll ich
Dir nun schreiben? Da13 es heuer em schöner Winter ist? Das
kann ja in Vaduz auch sein.
Mir geht es gut. Ich habe circa 10 Schüler und SchUlerinnen,
von diesen lernen 7 Klavier und die anderen Harmonielehre.
Ich habe schon einige Stunden zurUckgewiesen, well ich für
mich zum componiren doch auch etwas Zeit Ubrig haben mul3.
Das Schliimne mit den Stunden 1st eben, data man mit einer
Stunde mehr als eine Stunde Zeit verliert, weil hier alles
so welt auseinanderwohnt, und es nicht der Mühe werth ist,
284
nur auf em haib Stündchen helm zu iauf en. Ferner soil man
überall propre und nobel erscheinen, wenn man gleich eine
haibe Stund weit im Schmutze dahinzupatschen hat; und da
helfen die GuinmiUberschuhe auch nicht immer. Abends bin ich
fast mimer in einem angesehenen musikalischen Hause zum
Thee eingeiaden, wo dann von 7 - 12 Uhrmusiziretwird.
Auf den Christabend hätte ich zwei Einiadungen, werden aber
beide ausgeschlagen, well ich urn 12 Uhr die Christmette zu
spielen habe. Zum Samiklos hHtte ich von Herzen gerne dem
Nali oder Lisi etwas beigefügt, aber in letzter Zeit habe
ich für Kleider, Stiefel und Holz etwa 40f 1 ausgegeben, und
mu6 so wie so immer 24f 1 alle Nonat an die Perstenfeld's
bezahien, und da kann ich heuer keinen Samikios schicken.
Wie geht es in Vàduz? Was machen unsere theuren Eltern und
Geschwister? Schreib' mir doch einmal darüber, seidem wir
dahämdin sind.
Hast Du viele Arbeit?
Wie geht as dern Peter in Kreuznach?
Und was treibt der David iimnar?
HEtt er öppa d'Strucha , daB i nut vonam höra tua?
GrüBe mir den l/ieben/ Vater und die Mutter herzlichst, es
gehe mir gut, und ich werde ihnen auf's neue Jahr schreiben.
Jez, Bruader! bhUati Gott und schrib bald dim Brüaderle z'
Münka dossa, wo häl3a duat
Jos. Rhibärger
Hof=Organist mit 60f 1 Gehalt
MUnchen den 21.12.57."
Der Dankesbrief am Jahresende lautet:
"Theuerste Eltern!
Neujahr! Nie verflol3 noch diese Zeit, ohne daB Sie mir Ihr
väterliches Walten so recht vor die Augen geführt - nicht,
als ob ich mich nicht täglich mit dankerfülltern Herzen an
Ihre zahllosen Sorgen für mich erinnert hätte - nur ist Neujahr eben jene Zeit, wo man semen GefUhlen Worte gibt diese GefUhle sind: Moge Gott den Besten der Eltern semen
Sagan verleihen, und Sie uns viele - viele Jahre erhalten,
und uns, Ihre Kinder, Ihrer würdig machen. Urn das bitte ich
Gott, und ich hoffe, nicht vergebens.
Das Christkind ist zu mir nun doch gekommen, und zwar am
28.5
Christabend. Es brachte mir in einer grofen Schachtel elnen
ChristBaum und viele Geschenke. Ich erinnerte mich mit Wehmut an die langen Jahre, weiche verfiossen, seit ich den
Weihnachts=Abend im Kreise meiner theuersten Angehörigen verlebt und zum letztenxnal in Vaduz die Mette gespielt. Soiche
Zeiten konmien nicht wieder! Die Erfüllung meiner kiihnsten
WUnsche könnten mir diese Freude, die ich damals als Kind
geno8, nicht mehr verschaffen.
Gestern Abend wurde im Oratorienvereinsconcerte mein Oratorium (od. Cantate) aufgefUhrt. Ich accompagnirte selbst
am Kiavier. Der Beifall war enthusiastisch; ich wurde ordentlich mit Gratulationen überschUttet - auch von Lachner,
Schafhäutl etc. Vielleicht kommt Näheres gedruckt. Sonst
waren die Feiertage für mich schlimm; denn trotz der heftigsten Grippe muBte ich den Organisten=Dienst in der Theatinerkirche versehen. Erst Sonntag Nachmittag konnte ich mich zu
Bett legen, und während Toni (zur Kaffeezeit) semen Brief
(den ich diesen Augenblick erhielt) schrieb, lag ich mit
heftigem Fieber geschUttelt im Bett. Gestern war es welt besser. Der Oratorienverein schickte mir zum Conzert einen Wagen, und nun bin ich heute wieder so wohi als wie immer, nur
noch mit Catharr behaftet.
Im Ubrigen geht es mir sehr gut; nur habe ich viel zu thun.
Hr. Pfarrer Wolf inger in TUrkenfeld habe ich vor 14 Tagen
geschrieben. Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz lasse ich herzlichst grUt3en. Es htte mich sehr gefreut, wenn er meine
Cantate hätte hören können. Allen meinen Bekannten em gluckliches Neujahr! Hat Mali meinen Brief und sein HUtchen erhalten? Toni schreibt auffallenderweise keine Silbe davon.
Ich möchte das doch bald wissen.
Beste Eltern! indem ich meinen einfachen herzTheuerste
lichen Wunsch nochmals an Sie richte, und für Ihr Wohiergehen zu Gott flehe, verbleibe ich auf mimer Ihr dankbarster
,
Sohn
Jos. Rheinberger
Kgl. Hoforganist
MUnchen, an David's Namenstag 1857.
NB: Mali soll bald schreiben. Grü!e an Alle."
Der enthusiastische Beifall für seine Kantate spiegelt sich
nicht in der Presse. Die gedruckten Recensionen positiver
286
Art bleiben aus. Das Regierungsblatt "Neue Münchener Zeitung"
bringt auf dem Titelblatt seiner Nr.4 vom 5.1.1858 über
Rheinbergers Kantate "Jephtas Tochter" eine Kritik, wie sie
nach Form und Inhalt kaum schlimmer denkbar ware:
5.Januar 1858
Concert des Oratorienvereins
MUnchen. Der hiesige Oratorienverein entwickelt unter der
Leitung des Hr. v. Perfall eine Thätigkeit, die auch in wei-
teren und den weitesten Kreisen bekannt zu werden verdient.
Derselbe brachte im vorigen Jahre Handel's Israel in Agypten und dessen zur Feier des Siegs bei Dettingen componirtes
"Te Deum", diese beiden grol3en und erhabenen Denkmäler aus
einer inihrer Art einzigen Kunstepoche, zur AuffUhrung, denen
sich dann noch Allegri's "Miserere", mehrere kleine Tonstiicke
aus dem 16. und 17. Jahrhundert und Mendelssohn's "Elias" anschiossen. Die die1jEhrige Concertsaison eröffnete der Verein
vor mehreren Wochen mit Mendelssohn's "Paulus" vor einer
ebenso gewählten als dicht gedrängten Zuhörerschaft, und
letztere folgte dem hohen Tonwerk nach seiner ganzen Ausdehnung mit der innigsten Theilnahme, ob nun der Gesang des
Paulus, wie in der Arie aus A "Gott, sei mir gnädig", in
tiefinnigen und rührenden Weisen ertönte, oder ob der nun
feurige Apostel in fester Zuversicht des Glaubens und in ge-
hobener seliger Stimmung "Ich danke Dir, Gott, von ganzem
Herzen ewiglich" sang, ob die herrlichen Chorale des Oratoriums in feierlichem aber gemessenem und ruhigem Gang em-
herschritten, oder ob sich die Chore - "zum Preis und zur
Verherrlichung des Herren Zebaoth" - in reicheren und volleren
Accorden und in hehrem und majestätischern Aufbau entfalteten.
Dieser Tage, am 29 Dec., wurde nun das zweite Concert des
Vereins abgehalten. Obwohl dasselbe sein Werk vorbrachte, das
der eigentlichen Tendenz des Oratorienvereins entsprochen
hätte, so erschien dennoch das Programm, das, mit einziger
Ausnahme einer "Cantate" von Jos. Rheinberger, nur kleinere
Compositionen für gemischten Chor enthielt, als em inhalts-
volles und anziehendes. Während em Weihnachtschoral aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts von W. Prätorius durch seine ebenso eigenthümliche als kunstvolle und klare Harmonisirung von
grol3er Wirkung sein mu2te, machte sich eine Composition von
Haydn (der Greis) als eine wahrhaft weihevolle Gabe der Muse
287
geltend, und zeigte, wie so viele andere TonstUcke. des Melsters, daI3 dieser, namentlich auch in kleinerem Rahmen und
mit den unschuldigsten fast harmiosen Mittein so Grof3es und
Herzgewinnendes zu schaffen im Stande war. Zwei Nummern von
Mendelssohn "die Bäume gUnen Uberall" und "Saatengriin, Veil-
chenduft" vertraten in vorzUglicher Weise den fein und zart
fUhlenden Autor mit semen innigen und anmuthsvollen Weisen
und den gerundeten und geglätteten Perioden, während das
Herbstlied des Componisten (Text von Lenau) weniger glucklich und theilweise selbst mühsam erfunden schien, und hiemit im Zusammenhang nach Au2en an etwas schwerfälliger Bewegung urid unfertiger Gliederung und Bildung litt. Eine
balladenartige Composition und em harmonisirtes Volkslied
von Julius Maierwiesenmehrere rhythmisch und harmonisch
gitickliche Stellen auf, ohne sich im Ganzen zu der Linie des
Bedeutenderen zu erheben.
Was kann man Ihnen schlie6lich bei dem besten und aufrichtigsten Willen tiber die "Cantate" "Jephta's Tochter", em Novum
von Jos. Rheinberger, schreiben? Einsender kannte einen Mann,
der bei einer hohen ailgememnen Bildung eine wahrhaft seltene
musikalische besaf3. Da er nun mit letzterer eine sehr gitickliche Erfindung verband, so wurde gar oft die Frage an ihn
gerichtet, warum er nicht componire. Die Antwort war dann
regelmäBig die Gegenf rage: Warum solite ich componiren, da
uns in so reicher Ftille das Grö$te und Höchste vorliegt, das
selbst von den Besten unserer Zeit nicht einmal annähernderreicht werden kann, und das obendrein der musikalischen wie
der nichtmusikalischen Welt nur zum allerkleinsten Theile
bekannt wird? Man braucht nun mit dieser fragenden Antwort
keineswegs einverstanden zu sein und kann doch die in derselben eingeschlossene Wahrheit erkennen. Bel der förmlichen
Componirwuth aber, die jetzt alle Welt bis zu dem letzten
Geiger an der ersten Violine ergriffen hat und immer mehr
ergreift, drängt sich einem unwillkürlich jene treffende
Stelle aus Cicero's Briefen an den Atticus auf, wo jener der
vortrefflichem Werke des Dikäarchos gedenkt, und dann mm unblick auf die schriftstellerischen Versuche eines gewissen
Herodes sagt: Herodes, si homo esset, eum potius legeret,
quam unam literam scriberet (Zu deutsch: Wenn Herodes anders
Menschenverstand hätte, wUrde er lhn (den Dikäarchos) lieber
lesen, als einen Buchstaben schreiben. Im weitern Verlauf
sagt dann der UnterdrUcker der catillnarischen Verschwörung
288
und der gefeierte "pater patriae", dal3 er eher eine Verschwörung anzette1n als das Geschreibsel des Herodes zu
Ende lesen wolle.) Nun weil3 Einsender den Componisten von
"Jephta's Tochter" sehr wohi von der Legion der durchaus unfahigen und unberufenen "Autoren zu unterscheiden, und anerkennt namentlich den Fleil3 und die rastlose Strebsatukeit,
wodurch sich der junge Mann auf eine theoretische Höhe geschwungen, der man in unseren Tagen nicht alizu haufig begegnet. Denn etliche der allerneusten Componisten sind urplotzlich so "genial" gewOrden, daB dieselben vor purem
Genie gar nichts mehr lernen zu mflssen vermeinen, und einen
ungeheuren Rückschritt und einen vollständigen Barbarismus
in der Kunst des Satzes für Fortschritt auszugeben sich herausnehmen. Aber das theoretische Bewul3tsein und die äuBere
Kunst reicht noch nicht zur Schöpfung eines Tonwerks aus.
Die Formen, wie kunstvoll sie immer sein mogen, müssen innerlich belebt werden, wenn sie eben nicht todte Formen bleiben sollen. Hrn. Rheinberger ist nur eine bescheidene Erfindung zugemessen, und jedenfalls hat er in einem Vorwurf,
wie ihn der biblische Stoff von Jephta und dessen Tochter
bietet, weit Uber sein Vermögen hinausgegriffen. Von der
inneren GröBe und Weihe, namentlich von der Kraft und Tiefe
der Melodieen, die der Stoff erfordert hätte, findet sich in
der ganzen "Cantate" kaum eine Ader. Vielmehr bewegt sich.
alles in unbedeutenden undunschuldigenPhrasen, und die Be-
gleitung erscheint dabei fast fortwährend als eine geradezu
unwürdige. Einige Arien, in denen der Componist eine möglichste Innigkeit anstrebte, schiagen in hohem Grade in das Sentimentale und SUl3liche über. Sieht man nun aber von der Hauptsache ab, nämlich davon, daB die productive Kraft Rh. bei
weitem ihres Stoffes nicht mächtig werden konnte, so bemerkt
man noch ferner bei der inhaitlich unzureichenden und theil-
weise verfehlten Musik, daB letztere auch in ihrer Art nur
selten zu einer entschiedenen und bestimmten Ausbildung ge-
langt. Verwischt und undeutlichinihrer Haltung, lehnt sie
sich denn auch, im.unzertrennlichen Zusammenhange mit ihrer
innern UnselbstRndigkeit, bald an Mendelssohn an, bald versucht sie wieder auf eigenen Füt3en zu stehen, was ihr doch
gar nicht gelingen will. Es wilrde unschwer sein aus den emzelnen Nummern der "Cantate" reichliche Beispiele zu dem Ge-
sagten zu citiren. Wenn darauf gleich wohi verzichtet wird,
so geschieht es nicht aus Furcht vor dem Worte Lessing's
289
"das man (durch nähere Erörterungen) dem Leser oft die schönsten Stellen, wenn Gott will, sehr deutlich, aber auch tref flich frostig mache", sondern in der Ueberzeugung, daf3 die
"Cantate" nach ihrer ganzen Beschaffenheit auf eine nähere
Zergliederung keinen Anspruch machen kann."
Diesen "Verri1" sandte Rheinberger nicht nach Vaduz; sein
Kominentar Uber das "Rezensentenpack" zeigt, wie tief er getroffen 1st:
"Theuerste Eltern!
Herzlichen Dank für Ihren' lieben Brief und Weihnachtsgeschenke, beides Zeugen, daB man an den Pepi auch "dahäm din"
gedenkt. Auch Peter hat mir auf Neujahr geschrieben. Auf
meine an ihn gerichtete Antwort schrieb er mir wieder, daB
ich ihm eine Peizkappe schicken soil. Nun geht scheint's
mein SpeditionsGeschäft wieder an! Es 1st Ihnen, Bester
Vater! aufgefalien, daB der Mllnchner-Correspondent der Alig.
Zeitung in der Recension des Orator.-vereins-Conzertes meine
Cantate, die doch das Hauptwerk des Abends war, gar nicht
erwhnte. Ich stelle mir das ganz einfach so vor: Der Correspondent (em Hr. Grandauer) kann mich nicht leiden (warum?
weiB ich nicht) und da er nicht wohl über mein opus losziehen konnte, so hielt er es für besser, ganz darUber hinwegzugehen. Ubrigens liegt mir an dem Recensentenpack wenig.
Wenn em jUngerer Componist, welcher noch ohne Namen, mit
einem grot3eren Werke vor das Publikum tritt, so meinen diese
Herren, sie dUrf ten sich ihm gegenüber auf's hohe RoB setzen.
Ich habe nichts dagegen, wenn sich diese Herren Kritiker
darin giUckiich fühlen und bin zufrieden über das, was Kenner, wie Lachner, Schafhäuti, Maier sagen. - Auch hat das
gesamte Auditorium mein Werk mit groBem Beifail aufgenommen,
ob es nun in die Allgemeine Zeitung geschrieben wurde, oder
nicht. Sie wUnschen ferners, Theuerster Vater! zu verrechnen, wie
hoch sich mein Einkommen beläuft. Es wird so ungefähr in die
40f 1 per Monat reichen, (inclusive Organisten- und Oratorienveremnsgehait) denn bestimmen läBt sich das nicht, weil ich
oft in einer Woche 4 - 5 Stunden weniger zu geben habe.
tibrigens sehen Sie daraus, daB ich schon auskomme. Die Hauptausgaben werden immer für Kieider gemacht, well man jederzeit propre erscheinen muf3. Mein Christkindl, von dem ich
290
geschrieben, erhielt ich von einer Frau von Hoffnaa8, weiche
die Hauptsolopartie in meiner Cantate gesungen hat, und auch
den Generalbal3 bei mir lernt. Ich hätte noch zwei Darnen des
Oratorienvereins zu Harrnonieschülerinnen bekommen k6nnen, ich
nahm es jedoch nicht an.
Meine Sinfonie werde ichwahrscheinlLchnoch einer Umarbeitung
unterbreiten, bevor ich sie aufftihren lasse, weil sie mir in
ihrer jetzigen Gestalt nicht genugt. Wie Sie, Beste Eltern!
sehen werden, bin ich von früh bis spat rnusikalisch beschäftigt. Ich freue uiich immer auf die Sonntage, weil ich da Orgel spielen kann, ohne mir von dem Hof-Chordirector etwas
einreden zu lassen. (Well er etwas rnusikalische Manchetten
von mir hat, kommen wir ganz gut aus.)
Wird meine liebe Vaduzer=Messe nie aufgeftihrt, sowie mein
Choral=Predigt-Lied? Hr. Pfarrer Wolf inger lasse ich schönstens gril6en.
Daf Sie sich alle in unserer neuen Heirnath auch heimisch
fühlen, hat mich sehr gefreut, besonders, daB sich die theure
Mutter auch darein begab. Auch Peter war, semen Briefen zufolge, zufrieden. Ich bin, Gott sei Dank! nun wieder kerngesund und habe die Grippe lEngst wieder angebracht.
Nun, Theuerste Eltern! verschmähen Sie nicht meinen nochmaligen Dank für Obiges und seien Sie der ewig dankbaren Liebe
versichert
Ihres Sohnes
Josef Rheinberger
MUnchen Lichtrness 1858
NB: Toni, Lisi, Mali schreibe ich in diesern Monat noch ganz
bestimrnt.
Uber semen gewöhnlichen Tageslauf gibt Rheinberger seinem
Bruder Auskunft:
"Lieber Toni!
Ich lebe hier sehr einförrnig; ich will Dir zurn Beispiel nur
den heutigen Tag anführen: Urn 1/2 8 Uhr erst aufgestanden
(well ich gestern erst urn 12 Uhr heimgekomrnen) "z'Morga
gessa", dann Klavier gespielt, dann urn 1/2 9 Uhr in die,
eine 1/2 Stund entfernte, AugustenstraBe gegangen, dort
291
zweien Fratzen von
9 - 11
Uhr Kiavierstund gegeben, dann in
die Karlsstrate, und dort einem 9 jährigen Rangen von 1/2
bis 1/2 Uhr Kiavierstund gegeben, dann heirn zum Mittag=
12
1
essen, dann eine gute Cigarre angezundet und componirt, dann
in die Ottostral3e und von 2 - 3 Uhr einem Fratzen Stund gegeben (wobei die gnädige Frau Mama urn Nachsicht bat, well
das Fräulein Töchterchen sich nicht ganz wohi ftihle) dann
in die Ludwigsstral3e zur Gräf in Luxburg, wo mit noch zwei
Cräfinnen von 1/2 4 - 1/2 6 Uhr musizirt wurde (wobei ich
nattirlich Alles, was die hohen Damen sangen "magnifique,
superbe, delicieux und ravissant" f and) dann gehe ich in's
Kaffeehaus, lese Zeitungen (auch die Gartenlaube, auf die
sich David abonnirt,) gehe urn 7 Uhr heim, el3e zu Nacht,
schreibe an diesem Briefe und mul3 urn 8 Uhr wieder in solch
em musikalisches Haus wo ich zu einem musikalischen "Thee"
eingeladen bin. Dort wird wieder musicirt, - der Frau vom
Hause bringt man neucomponirteLieder mit, weiche sie der
geladenen Gesellschaft vorsingt, urn 10 Uhr wird "soupirt",
dann wieder rnusicirt, urn 12 Uhr geht man helm, dann schlafe
ich; und so geht es im Winter fast täglich fort. Ubrigens
habe ichdieseAbendeinladungen nicht ungern. Ich konme nur
in vorztigliche Häuser, und man hat rnich da sehr gem. Das
ist langweilig. Doch was soil ich Dir sonst schreiben? Etwa,
daB heuer em herrlicher Winter ist, oder vom Zopfabschneider,
von dem Du in der Allg: Z: gelesenhaben wirst. Dieser Zopf-
abschneider ist, wie es sich herausstellte, zur Kaiserin
von östreich gerade so nah verwandt, wie ich zu unserem Lisi!
Unglaublich, aber wahr!!
Nun muB ich für heute schlieBen, well ich, wie gesagt, em-
geladen bin....
Mtinchen den 4.2.58."
Der vorstehende Brief wurde erst rnit dem nachfolgenden Anfang März nach Vaduz geschickt:
"Theuerste Eltern!
Indein ich den ganzen Monat Februar ohne Nachrichten von Va-
duz war, so hoffe ich, daB Sie, beste Eltern! sich mit alien
lieben Geschwistern im erwUnschten Wohisein befinden. Ich
kann, Gott sel Dank! von mir auch nur das nämiiche berichten.Ich lebe linmer in gleicher Thätigkeit fort, und habe mich
292
an das Stundengeben so ziemlich gewohnt; da ich mit dem Frflhjahr wahrscheinlicherweise auch mehr Mufe bekomme, so werde
ich dann wieder grotere Compositionen vornehmen können.
Letzten Sonntag Abend's als ich zu Hause Klavier spielte,
ging die Thüre auf, und Herr Schmutzer aus Feldkirch überraschte mich mit seiner Gegenwart. Er hatte nämlich sein
Violoncello, das sich den Hals gebrochen, zum repariren nach
Augsburg gebracht, ging dann nach München herUber, und brachte zwei Violinen mit, urn sie hier durch Hr. Prof. Schafhäutl
untersuchen zu lassen, von was für einem Instrumentenmacher
sie gefertigt wären.
Hr. Schmutzer hatte eine angefangene Sinfonie mitgebracht,
um sich darüber mit mir zu besprechen. Nontag's und gestern
führte ich ihn in der Stadt herum; auch hatte er Gelegenheit,
em Academie-Concert zu hören, wobei ihn das Hof-Orchestre
so entzückte, dal3 er ganz auf3er sich war. Montag Abend waren
wir bei Oberpollinger, als unvermutheterweise auch Hr. Nagiller daher karn, und sehr überrascht war, Hr. Schmutzer zu
treffen.
Das Nünchner-Bier schmeckte ihm aber nicht, das in Feldkirch
sei weit besser, beonders im "Ochsen"! Getern trennten wir uns wieder, wobei er versprach, Hr.
Briem mit meinen frischen Grü1en nach Vaduz hinaufzuschicken.
Nebst dem jungen Briem ist noch em SchUler Schrnutzer's am
hiesigen Conservatoriurn, nämlich em gewisser "Zürcher" aus
Zug. Das ist alles Neue.
Wie geht es Ihnen, Beste Eltern! in unserer neuen Heirnath?
In weichem Zimmer steht das Klavier? Ich bin schon recht
neugierig auf all' das, und hoffe Sie, beste Eltern und Geschwister, in diesem Sommer "daheim" umarmen zu können. In
dieserfrohen Erwartung verbleibe ich mit den herzlichsten
Grüssen Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
Hof-Organist
mit 60f 1 Gehalt.
Monachium den 4.3.58. Abends 9 TJhr."
Em Brief an Elisabeth Rheinberger in
urn fertig zu werden:
Vaduz braucht 14 Tage,
293
"Liebe Schwester!
Das 3te mal gilt! rneinst Du? Wenn dern so ware, so diirfte
ich erst in dern nächsten Sommer 1859 nach Hause kommen das ware das dritte mal. Doch hoffe ich, da auch das 2te
mal gelten darf. Deinen wichtigen VaduzerNeuigkeiten zufolge, wären alle Vaduzerinnen heirathsiustig, also auch
s' Rentmelsters Lisi. Das ist recht ieicht rnoglich, nur
glaube ich, daB Dir darnit noch nicht gedient ist. Ubrigens gebe ich Dir den guten Rath - das bisher geschriebene den Anderen nicht zum Lesen zu geben, so's duan 's di
no ploga. Gelt! Der Geist, der in unserern ehemaligen Haus
semen Hockus-pockus treibt, ist wahrscheinhich von mir dazu beauftragt, denn ich kann es nicht verdauen, daB andere
Leute diese alten, gernuthlichen Räurne bewohnen. Ferners
habe ich auch nichts dagegen, wenn der Geist sich durch
einen Capuziner bannen läBt; wenn er nur die jetzigen Bewohner zuerst hinauswirft, das ist die Hauptsache. DaB das
Mali (gib am a Kösle for ml!) fleiBig Orgel spielt hör' ich
gerne, sowie auch, (laut Peter's l/iebem/ Briefe) daB mein
Predigtgesang noch hie und da daran komrnt. Wenn ich so em
haib Jahr zu Hause ware, wolite ich unsere Kirchenmusikalien
schon ausmisten. DaB unser Hans noch heirathet, hat mich
sehr arnusirt; ich rnöchte doch auch etwas von seiner zärtlichen Liebe zu der schönen Bergerin (a la Mel3meri) sehen.
Den abermaligen Trauerfall irn Mülier'schen Hause zu Balzers bedaure ich sehr. Du kannst der Frau Müllerin bei
Gelegenheit mein Beileid bezeugen. Ich habe in diesern Monat
auch einen lieben Bekannten durch den Tod verloren. Das laBt
sich eben nicht ändern.
(Keh'r urn!!!)
1st Herr Vetter in Schaan schon nach Chur Ubergesiedelt und
wer ist jetzt Pfarrer dort? GwöB weder an Romansch?! Heut
le
1st Sountag, prachtvolles Wetter und vie
nge=
La
weile. Urn 7 Uhr bin ich aufgestanden, habe Noten geschrieben
bis 1/2 9 Uhr, bin in die Theatinerkirche zum Hi. Geistspielen, hatte von .10 - 11 Amt,dann ging ichspatzieren, urn 1Uhr
ging ich zurn Essen: urn 1/2
1
rnuf3te ich in eine einhalbe
Stund entfernte StraBe, dort von 1 - 2 Stund geben, "hernach"
ging ich in's Kaffeehaus urn Zeitungen zu lesen, Kafee zu
trinken und 1/2 Dutzend Schachpartien zu spielen. Das Schachspielen 1st meine liebste Unterhaltung, auch wohl die bil-
294
ligste, well es hier nie urn Geld gespielt wird. Urn 4 Uhr
ging ich in den englischen Garten spatzieren, dort war aber
fast die ganze Münchner Noblesse, so da8 man vor lauter
Crinolinen kaurn durchkam. Dann trugen mich meine lieben
FUBe nach Hause, und nun 1/2 7 Uhr Abend sitze ich hier und
schreibe Dir bei of fenem Fenster - nun wird's aber dunkel,
und ich schlieBe rneinen Brief für heute, vielleicht für diese
Woche, denn an den Werktagen habe ich wenig Zeit zu schreiben.
MUnchen den 21.3.58.
den 28.3.58.
Heute, als am Palmsonntag, soeben aus dem Hocharnte kommend,
ergreife ich meine sthlerne Notenfeder, urn an Dich, Geliebteste Schwester! (zwar keine Noten, sondern) Worte zu
richten. Jetzt läutet es schon 12 Uhr, drum mul3 ich aufhören
und zu essen anfangen, weil ich urn Uhr eine Stunde zu ge1
ben babe. Keine Ruh' bei Tag und Nacht!
30.3.68.
Gestern Abend war Soiree bei Gräf in Luxburg, wobei rnehrere
Gräfinnen (auch eine Fürstinn Taxis) und Grafen das Stabat
mater von Rossini, welches ich mit denselben einstudirte,
aufführten. Unter den Zuhörern war auch Monsignor
Fürst Chigi, der ppstl. Nuntius.
1.4.58.
Was soll ich Dir sonst noch schreiben, was Dich interessiren
könnte? Ich weii3 wirklich nichts!
Ich freue mich sehr, heuer nach Hause konirnen zu können.
Meine schlechte Schrift in Folge meiner kalten steifen Finger,
was durch das Orgelspielen bewirkt wurde.
Da heute der erste April, würde ich Dich gem in'n April
schicken; da aber der Brief zu spat in Deine HHnde koumt,
so wUrde es so nicht rnehr gelten. GrUl3 mir die liebe Mutter
recht herzlich, deren treuer Sohn sich zugleich auch als
Dein Bruder
Pepi, Argelist in Mtinka,
unterzeichnet.
295
Zurn Osterfest schreibt Rheinberger nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Da ich heute, als am Charfreitage, nicht viel zu thun babe,
so benUtze ich diese Zeit, urn dasjenige, was ich zu benchten habe, zu Papier zu bringen.
Ihren, und Lisi's Brief habe ich richtig erhaiten; auch Hr.
Perstenfeld den an ihn gerichteten Brief Ubergeben. Wenn
Hr. Perstenfeld Ihnen schrieb, daB ich urn einen 1/2 Schuh
gewachsen, so kann er das nicht verantworten, indem ich
höchstens noch zwei Zoil gewachsen sein kann. Vier solcher
Faden, geben genau meine GröBe, so daB Sie, urn zu sehen, ob
ich gewachsen bin, nur einen 4 mal so langen Faden zu nehmen
brauchen, und damit an der KassathUr gegen die früheren
MaãBevergleichen. (Jaso, wir wohnen ja nicht mehr dort!)
Ich befinde mich ganz wohi, was ich auch von alien lieben
Angehörigen hoffe.
Der David schrieb rnir ietzthin, daB das Vaterland wegen
Trompetenmangels in Gefahr sei. Dern Vaterlande kann geholf en werden. Das hochfürstliche Arrneekomrnando beliebe sich
an Ottensteiner, Instrumentenmacher in München, Thai No.74
zu wenden. Die zu verlangenden Instrurnente heif3en nicht
Trompeten, sondern Signalhdrner. DieB zur Beruhigung des
Vaterlandes. Auf die, mm von David angetragene Trompetersteiie in unserer Armee verzichte ich aus dern Grunde, daB
ich mich noch nicht für genUgend musikalisch ttichtig fühle,
urn so em staatsgefhriiches Disperimenturn zu erlernen.
Gestern las ich in der Aiigm. wieder eine Schuiiehrersteile
in Vaduz ausgeschrieben, und zwar mit 700f 1. Wenn das so
fort geht, wird man wohl noch bald einen Kapelimeister für
em etwa zu errichtendes fUrstl. Landeskonservatorium benöthigen. Doch auch darauf verzichte ich.
Letzthin las ich, daB bis 1.Junius die Eisenbahn RorschachChur dern Verkehr Ubergeben werde. In dern Falie könnte ich
ja heuer bis Sevelen per Dampf reisen, wenn ich nach Hause
komme, oder nicht? Ich freue mich sehr, Sie, Theuerste Eltern! in diesern Son-mien sehen zu können! Bis dahin ieben Sie
wohi, und gedenken Sie Ihres dankbarsten Sohnes
Jos. Rheinberger
MUnchen, Charfreitag 58
9 Uhr früh, bei abscheul. Wetter
296
NB: Dem David steigt für semen Brief am Ostermontag Abends
9 Uhr em Glas Salvator, und dem Toni ebenfalls.
Dem
Mali schreibe ich das nächste mal, und die Seffa 1af ich
gruBen.t'
Rheinberger plant in diesem Jahr, die Eltern in Vaduz zu
besuchen, und schreibt:
"Theuerste Eltern!
Da ich länger als einen Monat ohne Brief von Vaduz war, so
hoffe ich dennoch, daB Sie alle wohl und gesund sein werden,
wie dieB auch bei mir der Fall 1st.
Neues weiB ich nichts zu berichten, denn die Concert-Saison
ist natürlich mit Ostern geschlossen, und alles Andere berUhrt mich weniger. Von meinen Schülern geht schon der eine
oder der Andere auf das Land, so daB ich im Sommer hiedurch
eben nicht sehr viel zu thun haben werde. Meine Hauptsorge
1st, elnen passenden Stellvertreter bei der Orgel der Theatinerkirche ausfindig zu machen, damit ich dann doch wenigstens auf einige Zeit zu Ihnen, Theuerste Eltern! kommen
kann. Neine Messe, welche früher (im September) in der
Ludwigskirche aufgefUhrt wurde, habe ich nun wieder umgearbeitet und verbessert, um sie dann auch in der Theatinerkirche auführen zu lassen.
Der Peter hat mir nicht mehr geschrieben; wahrscheinlich 1st
er wegen derPelzkappe, die,ich ihm nichtgeschickt habe.böse.
Wenn dem so ist, so verzeihe ich ihm grol3müthigst. Wenn er
in Weesen nirgends näher, als von München eine Pelzkappe
bekommen kann, so mUBte es in der Schweiz eine traurige Industrie geben; ich habe das ganze mehr als Faschingsscherz
betrachtet. Die Pelzkappe requiescat in pace his zum nächsten Winter.
Seit Ostern war ununterbrochen das herrlichste Wetter bis
zum iten Mai, seit weichem Tag es zu regnen und zu schneien nicht aufhörte. Well Baron v. Perfall den Sommer hindurch fast immer in
Starnberg 1st, werde ich von nächsten Montag an die Proben
des Oratorienvereins zu leiten haben. Da bekomme ich doch
Uwenigstens Ubung in der Direction.
Hat em hohes Nilitärkommando sich die ttvaterlandts=retten
den" Signalhörner bei der von mir angegebenen Adresse bestelit?
297
Wird die Eisenbahn Rorschach-Chur bald eröffnet? Das ware
bequem, wenn man heuer noch bis Sevelen dampfen könnte!
Wie geht es in unserm neuen Hause? Hat der Toni sein Atelier
noch bei der Rhibergari dossa?
Mir geht es immer gut, nur wird mir manchmal das Stundengeben gar so zuwider, da2 ich das Ende der Stunde kaum erwarten kann. Besonders die Stunden, die ich gerade zur Hittagszeit von 11 - 12 Uhr zu geben habe, sind mir am unliebsten.
Ich freue mich sehr, heuer wieder in unsern Familienkreis
zu kommen, und Sie, Theuerste Eltern! wieder zu sehen.
Nach den tibrigen Vaduzern, und besonders unsern jetzigen
Nachbarn habe ich keine groBe Sehnsucht.
Was macht die liebeMutter? Denkt sie auch noch an mich, da
sie mir so lange keinen Gru8 geschickt?
Nun, Meine Theuersten Eltern! Leben Sie wohi! Ich verbleibe
mit herzlichstem Grul3e Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
kgl. b. Hof=Argelist
München, den 4.5.58."
Uberraschend wendet sich Rheinberger drei Tage spater mit
folgender Bitte an die Eltern:
"Theuerster Vater!
Da ich zum Behufe einer Bewerbung um die am hiesigen Conse.rvatorium durch Abgang des Herrn Wtillner erledigten Clavierlehrerstelle eine Eingabe an das Kgl. b. Ministerium
der Kirchen und Schul=Angelegenheiten zu machen habe, so
rieth mir Hr.Prof. Maier auch das Zeugnis des Hr. Director
Fr. Lachner beizulegen. Da ich aber dasselbe nicht hier habe,
so ersuche ich Sie, Theuerster Vater, es mir mit umgehender Post zu schicken, indem die Eingabe pressirt. Ob ich
Aussichten zur Erlangung dieser Stelle habe, weil3 ich nicht doch haben mich Maier, Leonhard u. Schafhäutl ermuthigt.
Was Hauser dazu sagen wird, weifi ich noch nicht, er ist
gegenwärtig nicht hier. Da ich die Eingabe schreiben mull,
habe ich nicht Zeit mehr zu schreiben und verbleibe in Wiederholung obiger Bitt Ihr treuester Sohn
J. Rheinberger. Mtinchen d.8.5.58
Tonis Brief habe ich erhalten.
298
Rheinberger bewirbt sich urn die Stelle eines Klavierlehrers
und legt Zeugnisse von Leonhard und Lachner bei:
Hohes Directorium!
Da Herr Musikdirector D i e t r i c h in Bonn die ihrn Ubertragene Klavierlehrerstelle am kg. Musikconservatorium nicht
angenommen hat, diese Stelle sornit wieder erledigt ist, so
habe ich geglaubt, mich urn dieselbe bewerben zu können. Ich
habe rnein Gesuch unmittelbar beim kg. Ministeriurn eingereicht,
urn, falls die Stelle schon in der a1lernchsten Zukunft besetzt werden soilte, meine Bewerbung noch innerhalb eines
etagesetztenTermines an das kg. Staats=Ministeriurn gebracht zu haben.
Indem ich mich verpflichtet erachte, euer Hohen Direction
hiervon Nachricht zu geben, bitte ich Solche, mein Bewerbungsgesuch Ihres Ortes wohlgeneigtest unterstUtzen zu wollen.
Euer Hohen Direction
Ergebenster
Rh/einberger/
München, den 8.5.58.tt
Zeugni1
Herr Joseph Rheinberger
geb. aus Vaduz
war vorn Jahre 18
51
.
bis Ende des Schuljahres 1854 Zogling
des kgl. Conservaoriums für Musik in München, u. in dieser
Eigenschaft als Schüler des Unterz. Der Genannte hat sich
während dieser Zeit sowohi durch ganz vorzUgl. musikalische
Anlagen, als auch durch semen musterhaf ten Fleif u. untadeligen Lebenswandel auf's rUhmlichste ausgezeichnet, u.
sich Uberhaupt eine umfassende musikal. Bildung erworben,
sodal3 ihn sein Lehrer als einen Uberaus tüchtigen u. solid
gebildeten Clavierspieler aus der Anstalt entlassen konnte;
nicht nur was mechanische Ausbildung anbelangt, sondern auch
namenti. in Bezug auf geistige Auffassung u. ehrenwerthe
classische Richtung. Nach seinem Austritt aus der Anstalt
istderseI1yehier u. da auch öffentl. sowohi als Componist
als als Pianist aufgetreten, u. hat ihr stets Ehre gemacht.
Der Unterz. hat später öfter Gelegenheit genommen, semen
299
ehemaligen Schiller auch als Lehrer Soichen zu empfehlen, die
einen grUndlichen Clavier-Unterricht suchen u. zu wtirdigen
wissen, u. dabei iminer die Genugthuung gehabt, auch das padagogische Talent des Gen. vollkornmen anerkannt zu sehen.
Nit gutem Cewissen u. in der Uberzeugung, die Sache ächter
Kunst dadurch zu fördern, erlaubt er sich sonach hierdurch,
Herrn Rheinberger auch allen Denjenigen warm u. dringend zu
empfehlen, in deren Bereich es liegen könnte, Selbigem auch
zu einem ausgebreiteterem Wirkungskreise zu verhelfen, wie
er semen Fahigkeiten u. Leistungen entsprechend dtirfte.
Soiches bezeugt nach bestem Wissen
MUnchen, den 8ten Mai,
1858
J. Emil L e o n h a r d."
Lachners Zeugnis aber war in Vaduz nicht mehr aufzutreiben.
Er steilt em neues Dokument aus. Rheinberger übersendet es
mit folgenden Zeilen am 25.Mai 1858:
"Der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete erlaubt sich nachtraglich zu seiner aller sub missesten Eingabe v. 9ten d.M.
das angeschlossene ZeugniB des Hr. CMD Lachner vom Heutigen
mit der allerunterthänigstenBitteum Rückgabe dieses wie
der früheren Zeugnisse, vorzulegen":
25. Mai 1858
Z e u gn i 13
Dem Herrn J.Rh. bezeuge ich der Wahrheit gemäl3, daB ich ihn
als ebenso theoretisch wie praktisch durchgebildeten KLinst-
ler kennen zu lernen vielseitige Gelegenheit gehabt habe,
daB er namentlich als Kiavierspieler Ausgezeichnetes leistet
und im Gebiete der Composition schon mehrere höchst achtungswerthe Proben von Talent abgelegt, und demzufolge jedweder
Empfehlung und Berücksichtigung aufs Vollständigste wUrdig
bezeichnet zu werden verdient.
MUnchen, den 25. Mai 1858
L.S.
Franz Lachner
General-Musik-Direc tor
300
Die Angelegenhelt wird vom Ministerium nicht ellig behandelt.
Rheinberger stelit sich auf eine längere Wartezeit em:
"Theuerste Eltern!
So angenehm mir Ihr letztes liebes Schreiben gewesen, so
war es mir doch äusserst fatal, daB das bewusste Zeugniss
sich nicht vorgefunden hatte. Da ich dasselbe nie in Handen hatte, so muB es wohi noch daheim sein.
Weil ich in meiner Eingabe schon bemerkte, daB ich em Zeugniss des Hr. G.-Director Lachner in wenigen Tagen einsenden
werde, so war ich nun in der unangenehmen Lage, dies dem
Hr. G.-Director Lachner zu sagen und urn em neucs Zeugniss
zu bitten. Ich erhielt dasselbe (eine Abschrift davon beiliegend) und trug es aufs Ministerium nach. So welt alles
gut. Ob nun Aussichten für mich vorhanden, kann ich Ihnen,
Beste Eltern! nicht sagen - Hr. Prof. Maier glaubt, daB
sich die Sache wegen der nahen Ferien bis aufs nächste Schuljahr (vom l5ten September an ) hinausschleppen werde, und
so wollen wir denn abwarten, ob etwas daraus wird, oder
nicht. Unterdessen bitte ich natürlich, niemandern etwas davon sagen zu wollen, da auch hier nur Wenige davon wissen.Dem Peter habe ich vor kurzem erst geschrieben, aber noch
nicht Antwort erhalten.
Das 1st nun Alles,Theuerster Vater! was nun von Belang wichtig genug 1st, Ihnen zu schreiben. Im tibrigen hoffe ich den
Monat August und die Hälfte September wenigstens, bei Ihnen
daheim verbringen zu können, und freue mich herzlichst, alle
unsere Lieben zu sehen.
Der Toni schrieb mir unter Anderm auch von seinem neuen
Freunde, Hr. Urbanegg - wer ist denn der?
Wie geht es der lieben Mutter? Sie schickt mir selten GrüBe was sonst nicht die Art der Bündner 1st.
Und was macht die Seffa, von der ich seit
1/2 Jahren nichts
mehr gehört? Da 1st der Toni und der David (wenn er z' Strucha
net hat und si Pf if ii guat brennt) und's Mali und Lisi schon
fleiBiger, und geben doch hie und da Lebenszeichen von sich.
Also d'Seffa "Befola z'grüassa", unddazu recht herzlich.
Heuer hatte ich bunte Musterkarte von Schülern, als da sind:
1
Regierungs=Comissar, 1 Lieutenant (v. Baligand), 1 OffiziersFrau, 1 schlesische Rittergutsbesitzerstochter, 1 Cooperator
(Namens Schweitzer aus Baden) 1 Graf in (Luxburg). Eine Frau
1
301
v. Pacher hat mir auf nächsten Winter zurn Unterricht für
ihre Tochter auf tägiich eine Stunde engagiert, wofUr ich
denn doch 15f 1 monatlich veriangen darf. Und wenn ich nun
so viel zu lauf en habe, und zu lauf en haben werde, können
Sie doch unrnögiich veriangen, daIs ich noch wachsen soil!
Gestern habe ich ausgerechnet, daI3 ich seit Herbst 1856 für
Kleider und Stiefei accurat lOOfi bez°ahlte; und doch treibe
Ich hierin keinen Luxus.
Nunwei2ich nichts mehr. Ailes Andere kann man sich mUndilch weit besser erzählen.
Unsern Hr. Pfarrer in Vaduz iasse ich herziichst grüIen.
Nun ieben Sie, Theuerste Eitern! recht wohi und gesund,
bis es vergönnt ist, Sie zu sehen, Ihrem dankbaren Sohne
Jos. Rheinberger.
München, den letzten Mai 1858."
Seine Ankunft in Vaduz meidet Rheinberger nach Hause:
München, den 18.6.1858
"Theuerster Vater!
Indem ich nun imstande bin, Ihnen den Tag meiner Abreise
von hierrnittheiienzu können, beeile ich mich, es zu thun.
Ich werde nmiich, wenn kein unvermuthetes Hinderniss emtritt, Donnerstag den 22ten d. früh 5 Uhr rnittelst Elizug
von hier abreisen, urn 1 Uhr in Lindau, 1/2 3 in Rorschach
und urn 4 Uhr in Sevelen sein. David schrieb mir zu meiner
gröBten Freude, daB Sie, Bester Vater! mich wahrscheiniich
ir Rorschach erwarten. Peter schrieb mir heute (Sonntag)
auch, daB er, wenn ich ihm den Tag bestimme, auch nach Rorschach käme, und den David bereden oder einiaden werde, mitzugehen. - Das ware herriich! Ich habe Peter heute auch
schon geantwortet. - Das 1st die Hauptsache.
Heute vor 8 Tagen war ich bei Dr. Hauser wegen meiner bewuBten Angelegenheit. Er war ganz freundlich (wider ailer
Erwartung) und sagte mir, die EntschileBung des Ministeriums
werde (wie ich früher vermuthete) bis Mitte September erfoigen. Das Nähere mflndiich. Nun habe ich welter nichts zu
berichten, als daB ich mich sehr freue, Sie aiie wieder
sehen zu können, und das, wie Ich hoffe, Im besten Wohisein.
Ich bin, Gott sei Dank, immer wohi und componire fleiBig.
In der Hoffnung eines baidigen Wiedersehens, verbieibe Ich,
Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn
Josef Rheinberger."
302
Die geplante Abreise von München nach Liechtenstein muI3 verschoben werden. Rheinberger schreibt:
"Theuerster Vater
Ihren lieben Brief vom 22ten erhielt ich am 24ten Juni, und
beeile mich nun, ihn zu beantworten. Leider kann ich Ihrem
Wunsche, weicher mir immer Gebot 1st, nicht ganz entsprechen,
indem ich nicht vor, sondern erst nach Mitte Juli nach Vaduz
in Ihre Arnie eilen kann. Der Hauptgrund 1st folgender:
Baron v. Perfall ersuchte mich vor 8 Tagen, ihm von seinem
Oratorium ttDornröschent einen Klavierauszug nach der Partitur
zu bearbeiten, und zwar so bald wie möglich. Nun kann ich
damit bei meiner anderweitigen Beschäftigung kaum vor dem
20ten Juli fertig werden. Jedenfalls werde ich aber, wenn es
Gottes Segen will, Sonntag den 25ten Juli in Vaduz sein,
und Ihnen etwa 8 Tage zuvor genau den Tag angeben, wo ich
bel der Eisenbahnstation Sevelen aussteige.
Toni schrieb mir am 2Oten, Peter am 25ten Juni. Peter meinte,
Ich solle mit ihm auf den 25ten Juli nach Zurich zum eidgenöss.
Sängerfest - was aus obigem Grunde leider unmöglich 1st. Ich
werde es ihm heute oder morgen schreiben. Dem Toni Dank für
semen Brief. Noch war as mir nicht mbglich, einen Ersatzmann
für maine Theatiner-sanct-Cajetanshofkirchenorgel zu finden.
In Betreff des Conservatorium's noch keine Entscheidung.
Perfall sagte mir neulich, er sei deshaib zum Minister v.
Zwehl gegangen. Der Minister kenne meinen Namen von der letztvergangenen Concertsaison noch recht gut. (Doch ist der Minister v. Zwehl em Freund von Hauser.) Das Nähere dann mUndlich.
Gehe es wie es wolle. DaB Sie Alle, Gottlob! recht wohi sind, freut mich ungemein,
sowie, daB ich Sie, Theuerste, Beste Eltern! nach zweijahriger
Abwesenheit wieder sehen werde.
Also unsere Orgel wurde reparirt? Konnte nicht viel schaden.
Im Ubrigen habe ich nicht im Sinne, mich in unsere neu-organisirte Kirchenmusik zu mischen.
Das Mali soll sich nur fleil3ig auf dem Clavier tiben.
Das UnglUck der Balzner Mtillerin hat mich wirklich ergriffen,
und glaube gerne, daB sie, wie mir Toni geschrieben, bald den
Verstand verloren hätte.
Die liebe Mutter lasse ich vielmals grtiBen, sowie auch alle
lieben Geschwister.
303
Nun, Theuerster Vater! Leben Sie wohi, und erhalten Sie
Ihre Liebe Ihrem dankbarsten Sohne
Josef Rheinberger.
München, 30.6.58."
Ende September 1858 reiste Rheinberger von Vaduz wieder nach
MUnchen.
Die Liechtensteiner Kirchenmusik liegt Rheinberger am Herzen. Während der Ferien in Vaduz komponiert er eine Vesper
für kleine Landchöre, JWV 104 und eine Hymne ("Tantum ergo"),
JWV 105. Seine Lieder verraten, daB er auf semen Wanderungen
durch die vertrauten heimatlichen Gefilde semen Liebeskummer aussingt. Auf St. Luziensteig vertont er am 15.9.1858
Lenaus Schilf lied (JWV 103) und auf SchloB Hohenliechtenstein zwei Tage spHter H.Heines Gedicht: "Ich wandelte unter
den Bäumen mit meinem Gram allein."
Anfang Oktober ist er wieder in München und schreibt dem
Bruder und den Eltern:
München, den 2 Oktober 1858
Abends 9 Uhr
"Lieber an Ton!
Da wir zwei gute, ehrliche, deutsche Michel sind, welche
auch ihr Wort halten, so will ich unsere heurige Correspondenz mit einem langweiligen Brief e beginnen.
Hr: Vetter Oberförsterloilzschauer und Herr Adjunkt werden
Euch schon gesagt haben, daB ich alles grul3en lasse und mich
wohl im bayrischen Bierdampfnudelvaterland befinde; daB wir
die siebenhundertj ährigeStadtmflnchensgrUndungsjubiläumsfestzugsfeierlichkeiten mitangesehen; es sind und waren zu dieser
und der Oktoberfestfeierlichkeit elne solche MaBe Menschen
hier, wie sie München noch nie gesehen.
So war es für mich em
uBerst angenehmer Contrast, aus dem
todten, langweiligen Vaduz in dieses Menschengewühl so "plötzlich" ("spornstreichs" wUrde Hr: Amtschr. Falk sagen) versetzt zu werden - doch bin ich jetzt froh, daB die Zahi der
Fremden wieder in Abnahme begriffen ist - well Alles aus dem
alten Geleise war.
Hr: Oberförstervetterloizlschauer wird Dir den R =Stempel
304
bereits gegeben haben - Du kannst ja zum Beweis del3selben
Deinen nächsten, an mich gerichteten Brief damit siegein.
Em
Stempel nach Deinem Wunsche in A.R. =Form war leider
nicht zu haben. In den GlUckshafen habe ich letzten Sonntag
6mal (die Hr: Vaduzer waren Zeugen) und gestern 4mal vergeblich gesetzt. Schoner und Rehster aber gewonnen.
Ich hoffe, da1 Uar, Getrewester Bruader! nur noch in diesem
Weinmonate, (in Nünchen sind alle Monate Biermonate) noch
Nachricht geben werde, wie, oh, alsdann, bsunderbaar und
wunderbar, und wann und wie der Peter in Vaduz eingerucket,
mit seinem riesigen Heerhauf en gar mannlgiich exerciret,
und hernachen wieder von dannnen gefahren - wie Oberbtirgermeister Marxer gar päpstlich Hochzeit gehalten, und wie
liar Zimmer und Atelier durch den Michel austapeziret worden
1st, und ob Uar Euch wohi befindet.
D1e2 wilnscht zu wissen Uar Liebden trewester Gebrüader und
Citherspielergehilfe
Josefusgabriellsrheinberger
bsun = der = bar!"
"Theuerste Eltern!
Ich hoffe, daI3 Hr. Oberförster und Hr. Adjunct glucklich
nach Vaduz zuruckgekommen und meine herz lichen Grüf3e an Sle
ausgerichtet haben werden; auch, daIs sie Ihnen von unserer
Reise und lustigem Beisammensein in München Bericht er-
statteten.
Ich befinde mich, Beste Eltern! wohl und zufrieden. Gestern
habe ich das Schulmeistern wieder aufgenommen und hoffe genug Schüler zu bekommen. Von meinen Bekannten traf ich hauptsEchlfch Hr. Leonhard und Hr. Maier an - SchafhEutl 1st gegenwärtig gar nicht hier. In Bezug meiner Angelegenheit vernahm
Ich, daB - da durch Erhöhung des Unterrichtshonorars die Anzahl der Conservatoriumseleven sich bedeutend verminderte,
die fragliche Professorenstelle vorerst nicht besetzt würde.
W. Briem äusserté bei seinem letzten Besuche, daB er auch das
voile Honorar von lOOf 1 bezahlen mUsse.
Letzte Tage wurde mir die Stelle elnes Klavierlehrers bel
Fürsten Thurn und Taxis in Regensburg angetragen (auf 2 Jahre,
mit jährlich 600 fl) Hr. Prof. Maler bewog mich, sie abzuiehnen, well man in Regensburg dem eigentlichen Musikieben
entfremdet würde, well man von diesem Posten jeden Augen-
305
buck entfernt werden könne, und man ailenfalls auf Kieidung
allein die Hälfte dieses Gehaltes verwenden mtisste. Ich
bleibe jedenfalislieber in MUnchen. 1st Peter schon in Vaduz?
Er soil mir bald einmal schrelben.
Ich wohne wieder bel Perstenfeld's, weiche Sie, Theuerste
Eltern grUssen lassen. Der Chordirector der Theatinerkirche war mit meinem Orgeivertreter äul3erst unzufrieden, und war sehr froh, ais ich
wieder karn.
Das ist so ziemlich alies, was ich Ihnen zu berichten habe.
Heute (Sonntag) Nachmittag 2 Uhr beginnt das Oktoberfest
auf der Theresienwiese, und da dasseibe vom herrlichsten
Wetter begUnstigt ist,werde ich, sobaid dieser Brief in
einem Briefkasten liegt, mich dahin verftigen.
Ich hoffe auf einen baldigen Brief von Ihnen. Dem Lisi, Mali
und hauptsächiich David werde ich auch bald schreiben. Indessen verbieibe ich, Geliebteste Eltern! Ihr dankbarster
S ohn
G.J. Rheinberger
München, 3.Okt.1858."
Rheinberger fühlt sich als Komponist, alle andere musikaiische BetHtigung dient nur dem Broterwerb. Er schreibt
nach Hause:
"Theuerste Eltern!
lndem ich Sie wegen meinem längeren Stillschwelgen urn Verzeihung bitte, kann ich doch nicht umhin, zu bemerken, da2
nur der Mangel freier Zeit und mittheilenswerther Nachrichten es war, welcher diel3mai die Absendung meines monatlichen
Briefes urn eine Woche verzögerte; jedoch hoffe ich, dal3 Sie,
Theuerste Eltern, deI3haib urn mich nicht in Sorge gewesen
sein werden, da es ja schon öfter vorkam, da sich meine
Briefe, als die eines langwelligen Briefschreibers urn einige
Tage verspäteten. Mein Leben in diesern Winter 1st wleder
einförmig. Unter Tags gebe ich meinen Schüiern Unterricht
und "Kib" (nur keine Prugel, denn das 1st leider aus der
Mode) und Abends, wenn ich rnüd und abgespannt bin, setz ich
mich zurn Cornponiren nieder, wenn nicht Concerte oder Emladungen mich daran hindern. So vergeht em Tag wie der an-
dere, nur irn Nachmittag spiele ich hie und da elne Schach-
306
partie zur Erholung.
Mein stelivertetender Organist (L. Perstenfeld) hatte während
meiner Abwesenheit in der letzteren Zeit aus Mangel an Orgelspiel-Fähigkeiten auch seinerseits einen Stellvertreter gehabt, was ich erst durch elne, mir von Letzterem in den
vorigen Tagen zugesandten Rechnung für so und so viel geleistete Organistendienste erfuhr. So hatte ich demnach das
Vergnügen, zwei Stellvertreter bezahien zu dürf en. Gegenwärtig 1st Allerseelenoctav - da habe ich alle Tage früh
Requiem und Nachmittags Litanei. Die dadurch gestörten Stunden muI ich natürlich nachholen, und dadurch habe ich so viel
zu thun, da1 ich kaum zum Mittagessen Zeit finde. Dazu schneit
es seit drei Tagen ununterbrochen fort, so daIs der Schnee
zwei Fu1 tief auf der StraIe liegt. Da möchte einem das
Herumlaufen wohi bekonimen. Seit anderthaib Wochen ist es
schon so kalt, data der Preis für em Kiafter Buchenholz auf
18 fi gestiegen 1st.
Neues wei2 ich sonst nichts.
Tonis Brief habe ich vorgestern (Donnerstag) erhalten, und
aus seinem lustigen Tone errathen, daB zu Hause alles gut
stehen muB. Nur auf den Suser ist der Toni schlecht zu sprechen.
Dem David werde ich den nchsten Monat schreiben, und dem
Matscherle auch.
Wie geht es Ihnen, Theuerster Vater? 1st der Winter zu Hause
auch so streng?
Wie geht es mit der Vaduzer Real=Schule?
Unterdessen verbielbe ich mit vielen 1000 GrüBen an die liebe
Mutter und Alle, Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn
G.J. Rheinberger.
München, 6.11.58.
Abends 10 Uhr."
Die Korrespondenz unter den Geschwistern ist em
Geschäft:
mühsames
"Liebes Lisi!
Da wir verabredet haben, einander hie und da zu schreiben,
Du aber alien Anschein nach zu faul bist, den Anfang zu
machen, so bin ich genöthigt, unsere beabsichtigte Correspondenzzubeginnen. Zur Strafe dafür (für diese Deine Nach-
307
läl3igkeit) schreibe ich Dir einen so langweiligen Brief,
data Dir auf der 2ten Seite gewi2 schon schlecht, oder wenigstens "blöd" geworden sein wird. Ich habe zwei wichtige
Grtinde, Dir heute zu schreiben.
I. Weit ich nichts, und
II WeiI3 ich erst recht gar nichts.
Diese zwei GrUnde mit der nämlichen Zahl multiplicirt, gibt
viermal Nichts, und das ist gewit3 genug. Ich halte mich
demnach für entschuldigt, wenn ich nichts zu schreiben habe.
Nun handelt es sich davon, ob Du mir nichts zu schreiben
habest - auch dafUr sprechen zwei Gründe.
I. WeiI3t Du Etwas, und
II.Weif3t Du ganz gewiB Etwas.
Ich aber bin geniigsam - daher auch zufrieden, wenn nur das
Zweite der Fall ist: Das heil3t: Notabene, wenn Du mir nur
ganz gewil3t Etwas Neues schreibst. (Umblttern!)
(Ganz gewif3 hast Du jetzt umgeblättert!)
1st Dir noch nicht schlecht oder "blöd"? Ha?
Ich habe mit meinen Schülern wieder zu schulmeistern angefangen, und habe wieder viel zu thun, nachdem ich in den
ersten 8 Tagen in München gefaulenzt babe, urn den September
nach vaduzerisch zu beschliel3en. Im Ubrigen bin ich wieder
froh, hier zu sein. Vom 1-bis ilten October war herrlich
warmes Sommerwetter, deBwegen ging ich fast taglich Abends
auf die Oktoberfestwiese, urn mir das dortige Volksleben anzusehen, und noch einige Male im Freien die Mal3krllgeln zu
kUssen. Da dies bier so im Gebrauch ist, rnu8 man halt auch
iitmachen. un GlUckshafen hab' ich heuer nichts gewonnen -
was mir sehr leid that.
Mein Chorregent in der Theatinerhofkirche war sehr froh,
als ich wieder karn, denn der mich stellvertretende Aeugle
babe gar nichts k6nnen, so ungefähr wie Hr. Hinger in Vaduz.
Beschreibe mir doch, Liebe Schwester! in Deinem nächsten
Brief e die Feierlichkeiten bei BUrgermeister Marxer's Hochzeit. Du kannst ibm sagen, da8 ich ihrn herzlich gratuliren
lasse. Wie geht es der lieben Mutter? Ich lasse sie herzlich
grUt3en.
Singst Du noch hie und da mit dem Matscherle meine heurigen
Lieder? Oder habt Ihr sie schon vergessen?
Genug für heute!
(Mtinchen den 12.Okt.58.)
Seitdem ich vorigeé geschrieben, hat mich der Peter mit
einem Briefchen erfreut; da dasselbe vom Schlo8 Hohenliechten-
308
stein datirt 1st, so schliel3e ich, daB unter seinem Commando
die Militair-Manoevres der fürstlich Liechtensteinischen
Truppen (behufs der Bundesinspection) aufgefuhrt wurden.
Isternoch in Vaduz?
DaB Toni so lange mit einem Briefe zurückhalten wUrde, hätte
ich nicht gedacht. Das Wetter im October 1st hier so mild,
daB ich heute am 20ten noch Abends 1/2 11 Uhr bei off enem
Fenster schreibe. Wahrscheinlich geht gerade in Vaduz der
"Pföhän"; (dieses Wort wird gerade so ausgesprochen, wie
der Pfarrer schneuzt.) Der Oratorienverein hat nun auch wieder angefangen, - Uberhaupts babe ich viel zu thun. - Schreibe nur bald, unterdessen verbleibe ich mit 1000000 GrUBen Dein Dich liebender
Bruder
G.J. Rheinberger.
20. 10 . 58.
Uber die Aufführung der Fiesco - OuvertUre im Privat-MusikVerein berichten die Münchner Neuesten Nachrichten vom
30.11.1858:
ItDas am Montag den 22.ds. im Saale "Zur Goldenen Ente" unter
Direktion des Hrn. Hofmusikus Carl Hieber veranstaltete
grosse Concert, weiches äusserst zahireich besucht war, bot
wiederum mehrere Kunstgenüsse dar. Vor allem ist der "Emzug auf der Wartburg" aus der Oper "Tannhäuser" von R.Wagner
hervorzuheben. Viele Mitglieder der k. Hofkapelle, sowie
mehrere Mitwirkende des Musik-Vereins trugen diese ansprechende,
aber usserst schwierige Composition meisterhaft vor.
Ebenso executierten dieselben die beiden Ouvertüren, erstere
zu "Fiesko" von Jos. Rheinberger und letztere zur "Hermannschlacht" von Chelard, mit grösster Präzision. Der gerechte
Applaus hierauf war em ausserordentlicher.
Im nachfolgenden Brief findet sich der erste Hinweis auf die
Anregung zu Rheinberger's Oper "Die sieben Raben", die er
erst drei Jahre späteraufgriff:
"Lieber David!
Damit unser, ohnehin sehr flau betriebene Briefwechsel bei
der herrschenden Kälte nicht gänzlich eingefriert, entschlol3
309
ich mich ganz resolut, den Anfang zu machen, und Euer Hochwohigeboren mit einem geschriebenen Schreibebrief von
meiner Hand zu beglUcken.
Zu schreiben weil3 ich eigentlich gar nichts. Ich könnte Dir
em Mehreres von der Kunstausstellung erzählen - Du hast
aber ohne Zweifel die Kritiken der Allg.Z. darUber gelesen,
weiche dartiber besser urtheilen konnten. Ich kann Dir nur
sagen, daB ich lebhaft wtinschte, Dich in jenen herriichen
Räumen einfUhren zu ktinnen. Vor Allem aber gefiel mir
Schwind's Rabenmährchen am Besten, dann Lessing's Hussiten-
predigt.
Doch Kessler wird Dir davon genugsam erzählt haben. Letzthin
(13 d.M.) erhielt ich einen unerwarteten Besuch. Abends,
(es war schon ziemlich finster) als ich nach Hause kain,
stand em Herr in melnem Zimmer und schaute mich immer an
Wort zu sagen. Ich fragte, mit wem ich die Ehre
hätte, zusanunen zu treffen, keine Antwort - ich sah ihn
näher an und rief: "Herr Schraml" - er war's!!
Es freute ihn ungemein, daB ich ihn sogleich gekannt - mein
ohne em
Erstaunen kannst Du Dir vorstellen! Er karn von Hermannstadt
(wo er gegenwErtig als Finanz-Secretair mit 1200f 1 functio-
flirt,) mit seiner Frau, und Kindern nach Innsbruck, wo letztere
den Winter hindurch bei seinem Schwiegervater (einem Hr.
Ritter von Gruber) verbleiben werden - traf in Innsbruck
Hr.Nagiiler, und erfuhr durch denselben, daB ich in München
sei, worauf er allein nach Mtinchen kam urn mich zu besuchen.
Die Marie ist auch in Innsbruck. Sie 1st Hr.Schraml's (auch
seiner Frau) eigenes Kind, und nicht das seiner Schwester,
wie er in Feldkirch vorgab. Seine Mutter 1st bel ihm in
Hermannstadt, kam aber nicht mit nach Innsbruck herauf.
Aul3er der Marie hat er noch 3 Kinder. Seine Schwester (Karo-
line) ist in Pesth verheirathet, soil aber sehr unglücklich
sein. Ich war natürlich nicht so indiscret "Warum" zu
fragen. Hr.Schraml blieb 1 1/2 Tage hier und ging dann über
Wtirzburg, Dresden, nach Hermannstadt zurUck. DaB er Euch
alle Millionenmal grU2en lEl3t, versteht sich von seibst.
Das sind meine Neuigkeiten. Em Andermal mehr!
Du könntest mir wohl schreiben, welchen Eindruck der Tod
unseres FUrsten Alols in Liechtenstein wach geruf en, und
weiche Hoffnungen man von unserm jetzigen Ftirsten Johann
sich macht. Wie befindet sich unsere junge Realschule? Was
treibt Ihr Alle miteinander? Dem Peter hab' ich eine prHchtige Kochlerjoppe geschickt. Wagus 1st nach Ungarn.
310
(Jetzt bin ich schläfrig! Es ist 1/211.Uhr Nachts) Morgen
Sonntag früh 6 Uhr habe ich Rorate, rnu also früh aufstehen.
Nun Lebewohl! Es grül3t Dich l000mal Dein Bruder
G.J. Rheinberger
27.11.58 (Abgesendet den 5.12.58.)
München."
Uber den erwEhnten Besuch Schramls', den Rheinberger seit
seiner Feldkirchner Studienzeit kannte, berichtet er auch
den Eltern:
"Theuerste Eltern!
Das Wichtigste, was ich Ihnen in diesern Nonat rnitzutheilen
habe, ist, dal3 mich Herr Schraml besuchte. Das war unerwartet!
Hr. Schraml ist gegenwärtig Finanz-Secretair mit 1200f 1
Gehalt in Hermannstadt. Er kam mit seiner Familie (Frau und
4 Kinder) nach Innsbruck, urn selbe dort bei seinem Schwieger-
vater überwintern zu lassen. Seine alte Mutter blieb in
Herrnannstadt. Von der Marie erzählte er, daB sie sein eigenes
Kind, nicht das seiner Schwester, (welche sich in Pesth sehr
unglücklich verheirathete) sei. In Innsbruck traf er Hr.
Nagiller, von welchem er erfuhr, daB ich mich seit Jahren
in Nünchen aufhielte - da kam er auf Besuch herüber. Er
schickt an Sie, Beste Eltern! viele 1000 GrüBe, und laBt
Ihnen sagen, daB es ihn freuen würde, von Ihnen em Schreiben zu erhalten. Seine Adresse: Hr. W. Schraml, k.k. FinanzSecretair in Herniannstadt, Siebenbürgen. Er blieb 1/2
Tage hier und fuhr dann Uber Würzburg, Dresden etc. nach
1
Hause.
Peter's Kochier-Joppe hat in Weesen so gefallen, daB ich
schon Bestellungen für drei Weitere bekam.
Toni's, Lisi's und Matscherli's Briefe habe ich erhalten,
und werde sie bei Gelegenheit beantworten. Inzwischen sollen
sie mit den herzlichsten Grül3en vorlieb nehmen.
Nachträglich habe ichnoch zu bitten, einen GruB von Hr.
Schraml an Hr. Schmutzer gelangen zu lassen, obschon er mir
keinen aufgetragen. Ich habe mit Stunden so viel zu thun, daB mir kaum mehr die
Abende zum componiren bleiben. Doch liel3 ich vor etwa 8
311
Tagen im Privatmusikverein eine Ouverture aufftihren. Welchen
Eindruck hat der Tod des Ftirsten Alois in Liechtenstein
gemacht? Ich ware sehr begierig etwas dartiber zu vernehmen.
Hr. Pfarrer Wolf inger meinen GruB. Wie geht es Ihnen, Beste
Eltern! - Sie befinden sich doch immer wohl? Mir geht es
gut - obschon ich lieber componiren als Stunden geben wUrde.
Nun leben Sie wohl, und erfreuen Sie bald mit einem Briefe
Ihren dankbaren Sohn
G.J. Rheinberger.
Mtinchen, den 4.12.58.
Abend 9 Uhr."
FUr das Jahr 1858 finden sich in den Briefen Rheinbergers
wenig Hinweise auf Konzerte, die er besucht hat.
1858 war das Festjahr des 700-jEhrigen Bestehens der Stadt
Mtinchen mit zahlreichen grossen Veranstaltungen, auch musikalischer Art. So f and im MHrz 1858 die ErstauffUhrung von
Richard Wagners Oper "Lohengrin" statt und erregte beim
Publikum die lebhafteste Anteilnahme. Anfang Oktober wurde
im Rahmen des Festprogranim Mozarts grosse "Jupiter-Schlacht"
(oder "Zeus-Sinfonie") gespielt und f and ebenfalls em lautes
Echo in der zeitgenössischen Berichterstattung.
Das Schweizerische SEngerfest In Zurich am 25.Juli 1858
brachte Rheinbergers Lehrer und Gdnner Franz Lachner einen
grossen Triumph. Sein "Schlachtchor", dessen Text aus der
Klopstock'schen Tragödie "Die Hermannschlacht" entnommen
ist, brachte eine grosse Wirkung hervor; der ganze Festbau
zitterte unter dem Beifall der Tausenden.
Alle diese musikalischen Ereignisse, die in der Münchener
Presse auf das breiteste behandelt wurden, fanden keinen
Widerhall bei Rheinberger, wenigstens nicht in semen Briefen.
Am Jahresende schreibt er nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Gerne hEtte ich auf Neujahr geschrieben, aber meine, mir
immer knapper zugemessene Zeit lieB es mir nicht zu. Trotzdem sich mein Gltickwunsch etwas verspEtet, wtinsche ich
Ihnen herzlichst und innigst Alles Gute, was em treuer
Sohn semen theuren Eltern nur wiinschen kann - damit Gott
befohien! David schrieb mir in seinein letzten Briefe wenig
von Ihnen, nicht einmal GrtiBe, was mich besonders von der
312
lieben Mutter wunderte, indem "Befohia z'grUatza" eben
Bündner-Gebrauch ist. Ich hoffe aber nichtsdestoweniger,
daI3 Sie sich, Theuerste Eltern! immer wohi befinden werden,
wie es bei mir Gottlob der Fall ist. Leider habe ich so viel
zu thun, dal3 ich kaum mehr mich etwas ausarbeiten kann. So
z.B. babe ich Norgen (Nontag) 8 Stunden zu geben und dann
noch 7 - 9 lJhr Abends Oratorienverein. So geht es fast immer
fort. -
Dem Peter babe ich schon 4 Kochlerjoppen geschickt, und nun
bekam ich wieder einen Brief von einem mir unbekannten
Weesener-Ingenieur mit Bestellung für 6 Stuck Kochlerjoppen.
Das nimmt gar kein Ende.
Das Christkindl hat mir heuer werthvolle Musikalien gebracht,
aber nicht von Vaduz; das Münchner Christkindl ist also doch
das fleil3igere. -
Dem David diene zu wissen, daB em Globus von 2' Durchmesser
auf etwa 20f 1 zu stehen kommt; in einer hiesigen Buchhandlung sah ich mir einen sehr schönen Globus von ungefähr
1/2' Durchmesser an, dessen Preis auf 12f 1 käme. Seit vorgestern gebe ich auch bei Graf Arco-Zinneberg Unterricht;
1
weil diese Stunde gut bezahit wird, habe ich im Sinn, dafUr
zwei andere Schüler zu entlassen. Doch ware mir jetzt eine
sichere, wenn auch pecuniEr unbedeutendere Stellung weit
lieber, als das ewige Schulmeistern, weiches einem das Leben
verleiden könnte, denn es thut mir in derSeeleweh, wenn ich
meine beste Zeit und KrEfte für andere verwenden muB und
immer erst müde und mil3muthig mich zu ineinen eigenen Arbeiten
hinsetzen kann. Genug hievon!
Dem Lisi lasse ich sagen, daB ich am Sylvester-Abend einge-
ladenwar, und Nachts punkt 12 Uhr flott getanzt babe, (das
erstenial, seitdem ich bier bin.) -
Perstenfeld's lassen Alle grüBen. Mit meinen Einnahmen steigen meine Ausgaben auch fortwährend; so muBte ich in letztem
Monat allein 40f 1 für Kleider ausgeben. Dem Mali babe ich
für Weihnachten Musikalien gekauft, f and aber noch nicht die
Zeit, sie zu versenden.
Der Winter ist heuer nicht sehr streng. Es schneit fast nie,
aber regnet desto häufiger.
Hat Hr. Doctor SchafhEutl für mich em Zeugniss geschrieben?
Nun weil3 ich nichts mehr zu schreiben. Indem ich Ihnen, Ge-liebte Eltern! nochmals alles Glück und Himmeissegen für
das neue Jahr 1859 wilnsche, verbleibe ich wie immer Ihr
313
dankbarster Sohn
G.J. Rheinberger.
Mtinchen, 2.1.59.
P.S. Haben Sie an Hr. Schraml schon geschrieben."
Zu Fasching schreibt Rheinberger nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Ihr letztes Schreiben vom Februar hat mich umsomehr gefreut,
als dadurch em längeres Stillschweigen von meinen lieben
Angehörigen In Vaduz unterbrochen wurde.
Sie fragen mich, warum ich nichts von den Hr. Schafhäutl
und Maier schreibe. Einfach dewegen, well ich nichts im
Besonderen mitzutheilen habe; ich stehe mit beiden auf dem
nämlich guten Fu2e, wie früher, nur erlaubt meinekurzzugemessene Zeit nicht mehr, sie so oft als früher zu besuchen.
Hr. Maier hat mir erst gestern einen Gru3 an Sie aufgetragen.
Hr. Pf. Wolf inger von Türkenfeld kommt nie nach Mtinchen,
und, daf3 ich auf nur elnen Tag von hier fort könnte, daran
ist nicht zu denken; daher koxnmt es, daf3 ich ihn so lange
nicht mehr gesehen. Das Letzte, was ich von ihm gehört, war
em
Grul3, den er mir geschickt. Da ich ihin jedoch unlängst
geschrieben, hoffe ich auch auf eine baldige Antwort von
ihm zu vernehmen. Wenn mich irgend em Vorwurf ungerecht
trifft, so 1st das der, da3 ich mich irgendwie undankbar
gegen ihn benehme, das dUrf en Sie mir, Theuerste Eltern!
glauben. Anbel Mall's Musikallen. Der Toni soll ihm das
"Pianoforte-Album" schön einbinden, wenn er nämlich gerade
bei schönem Wetter (guter Laune) 1st. Dem Hr. Lehrer Hinger lege ich das Versprochene bei, und
mache es dem Kirchenmusikchore zuin PrEsent. -
Mir geht es gut, nur habe ich das Stundengeben bald satt habe auch öfter an Kopfweh zu leiden.
Nun habe ich mir auch einen Frack für 20f 1 angeschafft,
und zwar elnen, da2 David gewit3 tauschen möchte.
Wann kommt unser FUrst nach Liechtenstein zur Huldigung?
Da wird sich der David mit selnem neuen Frack nicht wenig
brUsten! Wird Peter Oberlieutenant werden? Er hat mir auf
meinen letzten Brief noch nicht geantwortet. Wird er mich
nach seinem Versprechen im FrUhjahr hier besuchen? Haben
314
Sie, Bester Vater! Hr. Schraml geschrieben? Er hat sich ja
so sehr nach Ihnen erkundigt.
Nun wird es dunkel und da es zum Licht anzünden noch zu frUh,
und ich auch nichts mehr weiB, so schliel3e ich mit der Versicherung für mimer zu verbleiben Ihr dankbarster Sohn
G.J. Rheinberger.
MUnchen, Faschingsdienstag 1859.
NB. No.1. Wagus treibt sich wieder hier herum, ich habe ihn
jedoch noch nicht gesehen.
NB.No.II.Grüsse an gar Alle !!!
Einen launigen Brief richtet er an seine Schwester:
Sonntag den 3 Abrill 1859
Nachmittags 2 Uhr
"Liebes Lisi!
Tein ledster Priff hatt mUch der kefreit
Nun pin üch auch thier dsu schreipen pereut.
Fil lustike Sachen hascht Thu keschripen (z.B., dal3 Uch fom
Millidär pin vrei keblieben,) ihr Allee seiet kesunt, sammt
RoB, Kuh und Ochs, Katz und Hunt.
Auch mihr gets nicht schlacht; so lang Uch hap Gelt, mUr in
Minchen ser wool eB ke ld. Schwarzeugichde SchUl'rinnen
winschdescht Thu mir
solche hap Uch kenug alihier.
Wenn ther Tavid all tiese wUrth sehen, stellte er sich wool
auv die Zehen. Doch da er im Faduz 1st keblibben, hadd er
nUcht Glegenheid sich zu ferlibben;so mus er nun Junkgeselle
bleiben und inn der Gantzlei fiel Tintten verschreupen.
Juche!. Ju-Ju, Juche!
Jetz geh ich in's Kaffe -
haus.
VUr hut weif3 Uch nichds tsu schreiben meer,
Auch Ust das TinddenvaB schon leeeer.
den 8.4.59.
Gestern Abend kam zufällig Dr. Hauser zu mir; der sagte,
ich solle kalte Umschläge Uber meinen wehen Fu13 machen. Das
hab ich auch gethan, und heute ist es besser. Em "bsundriga"
Doktor!
Wagus hat mich letzthin besucht; er hat mir zwei Stunden
lang von seinem Aufenthalt in Ungarn vorschwadronirt.
315
Er hat hier nun eine zeitweilige Anstellung gefunden, d.h.
wenn er nicht lugt.
Neues weiB ich nichts, was Dich nur einigermaf3en intressirte.
Sonst etwas lal3t sich imrner besser plauschen als schreiben.
Dem Mali werd' ich doch bald schreiben, das heif3t, wenn ich
genug Zeit finde, einen "schpassigen" Brief zu schreiben.
Für heuer werde ich wahrscheinlich nicht nach Hause komnien
können. Schreibt mir dafUr mm Sommer desto flei6iger, ich
werde dann auch flei1iger schreiben.
Dem David und Anton bin ich, glaube ich, auch noch Briefe
schuldig.
Jetzt mu8 ich essen, und nach dem Essen in's "Gschäft" desshalb Adie' od. adieux oder Addie, oder Sesseledada.
Dein Dir die ErfUllung aller Wünsche wUnschender Bruder
G.J. Rheinberger
München den 8 ApRiLe
1000, 800 und 8 und 50."
Der Monatsbrief für April lautet:
"Theuerster Vater!
Die letzten Brief e von Vaduz (von Lisi und Mali) haben mich
sehr gefreut, besonders durch die Nachricht meiner Befreiung
vofa Militär. Auch war ich sehr froh zu vernehmen, daB dieselbe unter den Bauern zu keinem miBgtinstigen Geschwätz
veranlaBte, wie es sonst bei solchen Gelgenheiten bei uns
zu Hause der Fall 1st.
Hr. Pfarrer Wolf inger von Türkenfeld läBt Alle, besonders
aber Sie, Bester Vater! herzlichst grUl3en. Er besuchte mich
Mittwoch den 16. März und hat mich am Anfange, (wahrscheinlich wegen meinem grandiosen Schnurr- und Backenbarte) kaum
erkannt. Er erzählte mir viel von semen, seit 2 Jahren
durchgemachten, schweren Krankheiten, und daB er Sehnsucht
habe, seine alten Tage im Liechtensteinischen zu verleben.
Nur seine Verwandten in Baizers schrecken ihn davon ab.
Ubrigens macht er noch gem SpaB, und 1st wieder so lustig,
als je. Den Peter und Hr. Pf. Wolfinger läf3t er hauptsächlich
grüBen.
den 5.4.59.
Gestern (Montag) erhielt Ich von Peter einen Brief, woraus
ich ersah, daB er wahrscheinlich nach Vaduz und nicht nach
316
Chur tibersiedelt; was Ihnen, Bester Vater! welt lieber zu
sein scheint.
den 7.4.59.
Heute endlich werde ich den längst angefangenen Brief fertig
schreiben können, indem ich Hausarrest habe. Mein linker
Fu13 schmerzt mich so, dal3 ich gar nicht ausgehen kann. Seit
Jahren wohi das erstemal, dai3 ich einen ganzen Tag nicht
ausgehe. Doch nichts Schlechtes ohne Gutes: nun habe ich
doch einmal einen vollen Tag zum ruhigen Componiren.
Verleger Peters in Leipzig hat em Heft Clavierstticke von
meiner Composition zum Drucke angenonunen; wir wollen sehen,
wie lang er dazu braucht, urn es erscheinen zu lassen.
Lu nchsten Oratorienvereinsconcert wird em 6stiinmiger
Chor von mir gesungen werden.
Sonst weig ich nichts Neues.
Hier ist das Frllhjahr wunderschön, gewi bei uns auch.
Wann kommt der junge Fürst nach Liechtenstein? Hört man gar
nichts von ihm. Die Huldigung muB mir dann der David in einem
6 Ellen langen Briefe beschreiben; auch das Gepränge und die
Gewänder: vom Durchlauchtigsten Rocke an bis zu Davids Frackschöl3en herunter. Ferners auch die Anrede stenografiren,
welche der Triesnerberger Gemeindevorstand an seine Durchlaucht halten wird.
Wie geht es der lieben Mutter? Von ihr höre ich gar nichts
rnehr. Befolazgrütza! Indem ich hoffe, dal mein Brief Sie,
Beste Eltern! in erwünschtem Wohlsein treffe, verbleibe ich
wie iinmer Ihr dankschuldiger Sohn
G.J. Rheinberger.
München, 7.4.59."
Endlich, nach fast einjhriger Wartezeit, erhält Rheinberger
die Nachricht über die Entscheidung des Ministeriums:
"Das
DIRECTORAT
des
Kbniglich Bayerischen Conservatoriuxns
für
MIJS 1K
317
eröffnet dem Musiklehrer Herrn Joseph Rheinberger dahier,
daI3 ihm durch höchste Entschlie2ung des konigl. Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten vom heutigen Tage N: 3035 die durch den Austritt
des bisherigen Klavierlehrers Emil LEONHARD im k. Conserva-
torium für Musik erledigte Klavierlehrer-Stelle in widerruflicher Weise vom 1.Mai l.Js. anfangend mit der Verpflichtung übertragen wurde 15 Lehrstunden wöchentlich zu er-
theilen.
Der dem Institutslehrer Herrn Joseph RHEINBERGER hierfür
auf die Dauer der Function bewilligte Gehalt betragt jährlich DREIHUNDERT GULDEN und ist vom 1. Mai l.J. an bei der
diesseitigen Kasse in monatlichen Raten zu beziehen.
Indem Herrn RHEINBERGER gegenwärtige Ausfertigung zu seiner
Legitimation zugeht, wird demselben zugleich em Exemplar
der Statuten für die Schüler des Conservatoriums und em
Exemplar der Dienstes-Instruction für die Lehrer dieses
Institutes mit dem Beiftigen behndigt, daf3 er sich zu seiner
Verpflichtung und Dienstes-Elnweisung am
Montag den 2. Mai 1. Js.
Nachmittags 1 Uhr
im Instituts-Lokale einzufinden habe.
München, den 30.April 1859
Der konigl. Director:
Fran Hauser"
Nit berechtigtem Stolz sendet er diese Nachricht nach Hause:
"Theuerste Eltern!
Ich habe Ihnen diefmal wie gewöhnlich nur wenig mitzutheilen, jedoch 1st diel3 wenige etwas werth. Es macht mir
Freude, Ihnen mittheilen zu können, da ich Sonntag den
iten Mai zum Professor am Conservatoriurn für Musik ernannt
wurde. Ich wurde zu meiner groBen Genugtuung von Hrn. Director Hauser beim Kgl. Ministerium des Innern vorgeschlagen!
Hr. Hauser lud mich durch einen sehr freundschaftl. Brief
vor 3 Wochen em, Abends zu ihm zum Tee zu kommen. Dort
sagte er mir im Vertrauen, daf3 (da die Stelle eines Clavierprofessors am Conservatorium erledigt sei,) er mich zur
selben vorschlagen wolle, wenn ich sie noch annehme - worauf
318
ich natürlich einging.
Heut früh wurde ich zur Eidesleistung gerufen, erhielt das
Decret als Professor mit 300f 1 Gehait und begann schon die
Unterrichtsstunden zu geben.
Morgen früh reist Hr. Hauser, wie er mir heute frtih sagte,
nach Karisbad. (Wenn er wieder mit Hr. Griss von Feldkirch
zusammentrifft, kann er ihm sagen "daB doch etwas daraus
geworden ist!") Ich habe im Conservatorium täglich 2 1/2
Stunden zu.geben, (von 1/2 11 bis 1 Uhr.) gröBtentheils
Frauenzimmern.
Dieses Alles in grösster Eiie, Sie, Theuerste Eltern! befinden sich hoffentlich wohi?
1st Peter in Weesen oder in Vaduz? Mir geht es, wie gesagt,
gut. Im Mai soil ich dem Toni und David noch schreiben,
weiche ich indessen grüf3en lasse, sowie alle Bekannte.
Indem ich von Ihnen, Bester Vater! bald einen Brief erwarte,
verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn
G.J. Rheinberger, Professor
am kgl. Conservatorium f.M.
Nünchen, 2.Mai 1859."
Der Bruder David erhält einen Situationsbericht:
"Lieber David!
Letzten Freitag erhielt ich Deinen, und Tags darauf Vater's
Brief; für beide meinen Dank. Wie sehr mich Peters Avancement gefreut, kannst Du Dir denken; ich laB ihm herzlichst
gratuliren. Er soil mir doch vor seinem Ausmarsch noch
schreiben, und zwar recht ausführlich. z.B. über seine Reise
nach Bonn (zum alten Arndt.) und unsern jungen Fürsten,
welcher sich bisher ganz vernUnftig gezeigt, nun sollte er
(d.j. Fürst) auch Dir bald em Portefeuille Ubergeben, etwa
das der Politik, - oder doch wenigstens einen Gesandtschaftsposten, z.B. in Lissabon oder New-York; wann kommt er zur
Huldigung nach Liechtenstein?
Hier wird so viel politisirt und geschimpft und gelärmt,
den ganzen Tag, in alien Classen, in Wirthshaus und Privathaus, von Kammern, König, Regierung, Minister, Napoleon
und Garibaldi, daB ich sowas nicht einem Brief anvertrauen
würde. - - -
319
Hier sagt man, dal3 der Liechtenstein'sche Contingent nach
London käme.
In meine neue Stellung finde ich mich ganz gut; ich gebe
im Conservatorium in dem nimlichen Zimmer Unterricht, In
weichem ich vor 5 Jahren KlavierunterrIcht empfing; denn
ich kam an Leonhard's Stelle. (Leonhard hatte in Folge
eines Auftritts mit Hauser seine Entlassung genommen.) Wer
komint nun als Lieutenant an Peters Stelle? Wahrscheinlich
em
Fremder?
Was sagt man in Liechtenstein vom Krieg und der bevorstehenden Ausrückung? Wird von Seiten der Bauern recht geschimpft?
Hier herrscht ungemeiner Patriotismus; - wenn Napoleon
auf bayrisch-rheinländerische "Sentiments" ref lektirte, so
ht er sich gewaltig verrechnet. Du soiltest nur so eine
patriotische Demonstration etwa im Theater sehen; wie auch
geringe deutsch-patrIotische Stellen eine zündende Wirkung
wachrufen. 1st Peter zufrieden mit seinem neuen Wirkungskreis als Oberlieutenant? Die l/ieben/ Eltern werden. groBe Freude darUber
äul3ern. Mali, Lisi und Toni sollen mir auch bald schreiben. Es 1st gegenwärtIg wirklich eine Kunst, einen Brief zu
schreiben, in weichem die Grenze des politIschen Gebiets
nicht verletzt wird, indem man, wo man nur geht und steht
und sitzt und schwitzt den Krieg verhandein hört. Unter
meinen hiesigen Bekannten hat die Conscription wie eine
zweite Cholera gehaust, indem fast Alles zum Militair muf.
Einstandsmänner für Cürassiere kosten schon 3000,3500f 1!
Hanfstängl muf3te auch einen Mann für 2000f1 stellen.
"0 weiches ClUck em Liechtensteiner zu sein!" Wie Viele
haben mich hier heuer darum beneidet. - Das nimmt sich
sonderbar aus. Die hiesigen Besltzer von österreichischem
Papier kennt man jetz alle sogleich auf der Stral3e, indem
alle so aussehen:
Wenn Hr. Onkel Carigiet Bischof von Chur wird, bitte ich es,
mir zu schreiben.
Ich lasse Vater, Mutter, Seffa, Peter, Toni, Lisi und Mali
grUssen, vor Allen aber Dich, denn Du bist noch der fleil3ig-
ste Correspondent Deines Dich amanten frater's
MUnchen 9.5.59.
G.J. Rheinberger
Abend 6 Uhr
Professor am kgl. Musik-Cons.
NB. Die Professoren am Conservatorium sind kgl. Lehrer, die
sich aber Professoren schimpfen lassen dUrfen (Hätt'es bald
vergessen, Pardon!)
ANMERKUNGEN
Die Anmerkungen sind nach Seitenzahlen (S.) und
Schriftzeilen (Z.) geordnet. Wiederholungen im
Text bleiben in der Regel unberücksichtigt.
323
S.2/Z.41: Ohnehosen = Sansculotten
S.3/Z.27: Der Landvogt (später Landesverweser) war als
Stellvertreter des regierenden Fürsten oberster
Beamter des Fürstentums. Franz Xaver Menzinger
(1740-1809) übernahm das Amt in Vaduz 1790 und
versah es bis 1808. "Michi" = Johann Michael
(l;792-1877), Sohn des Obigen, war von 1833 1861 ebenfalls Landvogt in Vaduz.
S.3/Z.37: Dr. Grass = Der "Chirurge" Christoph Grass
(nicht "Dr. ") war Bader und un Nebenamt Strass ena ufseh er.
S.4/Z..1: Weibel = Dorfpolizist
S.4/Z.37: Onkel Dionys Kissling, Hofkaplan in Schaan
S.5/Z.28: Türkenbrod = Brot aus rheintaler Mais (=Türken)
S.6/Z.3: St.Luzilehen = Besitzungen des Klosters St.Luzi
in Chur.
Z.22: Wassergucker = Quacksalber
Fideris Ortschaft im Prättigau (Graubünden)
Sargans = Ortschaft im Kanton St. Gallen
S.7/Z.4l: Mali = Ainalia (Schwester Josef Rheinbergers)
S. 8/Z.11: Aeulethier = Spuk in Gestalt eines schwarzen
Hundes. Aeule = damals noch unverbauter Ortsteil von Vaduz. (Die Sage ist heute nicht mehr
bekannt.)
S.10/Z.29:Bischof Kaspar von Carl = Kaspar Carl ab Hohenbalken, Bischof von Chur von 1844-1859.
S.11/Z.5: Landvogt Schuppler = Joseph Schuppler ( ? - 1833)
Landvogt in Vaduz von 1808 - 1827. Wegen seines
autoritären Regierungsstils machte sich Schuppler
viele Feinde un Lande.
S.12/Z.2: ... fl RW = Gulden Reichswährung
S.l3/Z.42 f.: Bischof Buol = Karl Rudolf Buol. von Schauenstein, Bischof von Chur von 1793-1 833.
S.l3/Z.11:Lichtzness = 2. Februar
S.l3/Z.20:Landvogt Pokorny = Peter Pokorny, Landvogt in
Vaduz von 1827-1833.
S.13/Z.35:Orikel Carigiet = Jakob Anton Carigiet, Pfarrer
in Schaan, 1832 Kar]onikus und Landesvikar. Unter
ihni wurde Vaduz kirchlich von Schaan getrennt
324
S.14/Z.27:
S.14/Z.38:
S.18/Z.24:
Z.29:
und eine Kuratie mit pfarrlichen Rechten. 1852
wurde er in das Residentialkapitel nach Chur
berufen, wo er 1880 als Domdekan starb.
(das Datum nicht bekannt) = 15. Juni 1829 (laut
Liber Matrimoniorum Schaan 1829)
Soldatenspielen = Als Mitglied des Deutschen
Bundes hatte Liechtenstein em Kontingent von
55 Soldaten zu stellen. Bei der Aushebung wurden die Rekruten ausgelost.
Unsere Lisa sel. = Elisabeth, Schwester Josefs.
Fürst Alois = Fürst Alois II. von Liechtenstein
(1 796-1 858), der wie seine Vorfahren in Wien
S.20/Z.8:
S.24/Z.7f:
S.25/Z.37:
Z.40:
S.26/Z.36:
S.26/Z.40:
residierte, besuchte als erster Landesherr
mehrmals sein Fürstentum.
Mali = Christina Anialia
Constitution = Seine erste konstitutionelle
Staatsverfassung erhielt Liechtenstein 1862.
David Rheinberger = Bruder des Komponisten.
Bad Kreuth = Ferienort des Ehepaares Josef
und Fanny Rheinberger.
Johanna = Schwester des Komponisten und später
als Barmherzige Schwester Maxentia Generaloberin ihres Ordens im Kloster Zams (Tirol).
Schullehrer von Schaan = Sebastian Pöhly (auch
.Pöhli) (1808-1889) aus Schlanders/Südtirol,
vgl.
S. 28 if.
S.27/Z.40: Feldkirch = Städtchen in Vorarlberg mit damals
ca. 1600 Einwohnern., Die Strecke, die Rheinberg'er zurückzulegen hatte, betrug etwa 15 km.
S.29/Z.42: aufstehender Flügel = Stehflügel der Firma
Leschen, k.k. Hof-Fortepiano-Verfertiger in Wien.
(Das Instrument ist heute Eigentum der Stiftung
Rheinberger in Vaduz,,)
S.30/Z.3: Toni = Anton, Bruder des Komponisten
S.32/Z.6: Seffele = Josefa
Z.33: Bischof von Chur = Kaspar Carl ab Hohenbalken
(vgl. S.l0/Z.29). Das Fürstentum Liechtenstein
ist seit jeher Bestandteil des Bistums Chur.
S.34/Z.22: kurzen Füssen = kurzen Beinen (mundartlich)
325
S.34/Z.30:
Z.32:
S.37/Z.28:
S. 38/Z. 7:
Z.37:
5.40/Z.40:
S.41/Z.21:
S.42/Z.6:
. ..grosse Vokalmesse = "Messe von Martin Vogt"
(oder Voigt). Der Generalbass ( = Orgeistimine)
wurde von J.Rh. ausgesetzt und von seinem Bruder Anton mit Bleistift ins Reine geschrieben.
(Ms.: "Gezeichnet (sic) von Anton Rheinberger")
Die Singstimmen sind vermutlich von Sebastian
Pöhly geschrieben. (Partitur und Stimmen im
Josef Rheinberger-Archiv Vaduz.)
Josefi-Fest = 19. März
Schnupftücher = Taschentücher
Silvesterbüchlein = "Die wahrhaftige Geschichte
vom deutschen Michel und semen Schwestern...
durch sechs Bilder von M.Disteli erläutert"
Zurich und Winterthur 1843. Schmähschrift auf
den Deutschen Bund. Zweites Bud: Austria trägt
ihre Schwester Vaduzchen auf den Händen...
Chorregenten = Philipp (Max) Schmutzer (18191867), Chorregent und Musikdirektor in Feldkirch, Lehrer Josef Rheinbergers.
Schram(m)el = Kameralbeamter Schrammel von Feldkirch, Amateur-Geiger, entdeckte anlässlich
eines Konzertes in Vaduz die musikalische Begabung des jungen Rheinberger und veranlasste
semen Studienaufenthalt in Feldkirch.
Adlerwirt = Das alte Gasthaus zum Adler ist heute Liechtensteinisches Landesmuseum in Vaduz.
Cäcilientag = Sonntag nach Cäcilia (22. November)
S.48/Z.17:
S.49/Z.28:
S.51/Z.2l:
S.52/Z.l7:
Uebersaxen = Ortschaft oberhalb Rankweil (bei
Feldkirch)
Altenstadt = Vorort von Feldkirch (heute eingemeindet)
Schloss Vaduz = Seit der Herrschaft der Fürsten
von Liechtenstein (1712) war das Schloss nicht
mehr Wohnsitz der Landesherren. Es diente als
Amtssitz verschiedener Beamter, Kaserne und
bis 1896 als Gastwirtschaft. Fälschlich wurde
es auch "Hohen -Liechtenstein" genannt.
Nagiller
Matthäus Nagiller (1815-1874), Tiroler Komponist.
326
S.52/Z.34:
S.53/z.2:
Ludwig Thuille = Ludwig Thuille (1861-1907),
Schüler von Rheinberger in München, ab 1883
Kiavier- und Theorielehrer an der kgl. Musikschule (neben Rh.) in München.
Schutzpockenimpfung = Als erster Staat führte
Liechtenstein im Jahre 1812 den "Impfzwang
zur Bekämpfung der schwarzen Blattern" ( = Pok-
ken) em.
Z.6:
Z.36:
Z.38:
S.54/Z.21:
S.57/Z.12:
S.58/Z.21:
S. 59/Z. 17:
Franz Hauser = Franz Hauser (1794-1870) geschätzter Bassbariton, ab 1846 Direktor des
(Ha user 'schen) Konservatoriums in München. H.
besass eine bedeutende Samrnlung von Handschriften J.S.Bachs und war Vorstandsmitglied der
ersten Bach-Gesell schaft.
Fürstenstrasse = heute Rheinberger-Strasse
Moritz Hauptmann = Moritz Hauptmann (1792-1868)
Geiger und Komponist, seit 1842 Thomaskantor
und Theorielehrer in Leipzig
Julius Josef Maier = Julius Josef Maier (18211889) Schüler M.Hauptmanns, ab 1850 Lehrer für
Kontrapunkt in München, 1857-87 Konservator der
Musikabteilung der Hof- und Staatsbibliothek
in München.
Professor Schafhäutl = Dr.phil.Dr.med.Karl
Franz Emil von Schafhäutl (1803-1890), Geologe,
Physiker und Musikwissenschaftler, Professor
der Geognodie, Bergbau- und Hüttenkunde an der
Universität München (vgl. u.a. Art. "Schafhäutl"
in MGG XI, Sp. 1542). Der vielseitige Gelehrte
wurde für Rh. 's Entwicklung von grösster Bedeutung. (s. auch S. 111ff.)
Theobald Böhm = Theobald Böhm (1794-1881), Flötist, Mitglied der Hofkape1le in München, verbesserte sein Instrument ("Böhrn-Flöte").
Professor Herzog = Johann Georg Herzog (18221909) Organist und Orgellehrer in München, ab
1854 Dir. des Instituts für evangelische Kirchenmusik an der Universität Erlangen. Das
Mat des Thomaskantors lehnte er 1868 aus gesundheitlichen Gründen ab. Seit 1888 wieder in
München.
32 7
S.60/Z.8:
Emil Leonhard = (Julius) Emil Leonhard (18101883) seit 1852 Professor des Klavierspiels
in Ilünchen, ab 1859 in gleicher Eigenschaft
am Konservatorium in Dresden. Trat auch als
Komponist an die Oeffentlichkeit.
S.63/Z.15: Der junge Paganini = kleines Missverständnis
von Pfarrer Wolfinger.
S.66/Z.l:
nichts von Frankfurt gekommen = Rheinberger
hatte sich urn em
Stipendium der Mozartstiftung in Frankfurt beworben (vgl. S. 8lf.)
S.71/Z.20: H.Baron von Perfall = Karl von Perfall (18241907). Gründete 1854 den Oratorienverein in
München, seit 1864 Hofrnusikintendant. Schrieb
Opern, Chorwerke, Lieder u.a.m.
Z.33:
Bavaria = Im Auftrag Ludwigs I. hatte Ludwig
Schwanthaler 1850 für die Theresienwiese em
Monumentalstandbild der Bavaria entworfen.
Die Statue wurde von Ferdinand von Miller in
Erz gegossen.
S. 73/Z.lOf: Kommt nun der Pdhly wirklich nach Schaan? =
Rh. erkundigt sich, ob die provisorische Anstellung Pöhlys als Hilfslehrer nun durch einen festen Anstellungsvertrag ersetzt werde,
was jedoch nicht der Fall war. (vg'l. auch
S. 76/Z.33)
S.75/Z.27:
S.101/Z.37:
Z.38:
S.103/Z.23:
Z.25:
Balzers = südlichste Gemeinde des Fürstentums
Liechtenstein, Heimatgemeinde Pfarrer Wolf inger 5.
"Die Stumme von Portici" = Oper von Daniel
François Esprit Aubert
"Guido" = "Guido und Ginevra", Oper von Jacques
Elie Fromental Halévy
Eschen = Gemeinde im liechtensteiner Unterland
verrnehrung der Grenzzollwacht = Es scheint sich
hier urn em
Missverstándnis Rheinbergers zu
handein. Vermutlich ging es urn die Massnalinen
zur Ratifizierung des am 5.6.1852 abgeschlossenen Zollvetrages zwischen Liechtenstein und
Qest erreich.
S.105/Z.8:
...für 'VADUZ' bèdanken = Perstenfeld wünschte
em Bud von Vaduz (vgl. Brief vom 9.2.1853),
328
das ibm nun von Anton Rh. angefertigt worden
war.
S.105/Z.28:
S.107/Z.20:
op.I = Rh. beginnt hier die Zählung seiner
Jugendwerke (mit römischen Zif fern), die er
später annulliert.
einem Professor der Universität = Professor
Schafhäutl.
S.108/Z. 19:
S.11l/Z.39:
S.112/Z.5:
S.117/Z.25:
S.123/Z.l8:
Abbé Vogler
Abt Georg Joseph Vogler (17491814), Organist, Theoretiker und Komponist.
Schafhäutl schrieb eine Biographie Voglers,
die 1888 in Augsburg erschien (Reprint: 1979
Hildesheim + New York).
Sonderbüncller = Der "Sonderbund" war em Zusammenschluss der katholischen Kan tone der
Schweiz. Im sog. Sonderbundskrieg vom 4. 23. November 1847 zerschlugen die unter dem
Kommando von General Guillaume-Henri Dufour
stehenden Truppen der übrigen Kantone die
katholische Allianz.
Generalmusikdirektor Lachner = Franz Lachner
(1803-1890), Komponist, Schüler von K.Ett.
Er war 1822-1834 Organist in Wien, wo er mit
Franz Schubert befreundet wurde. Bis 1836
wirkte er als Kapelimeister in Mannheim,
dann war er Hofkapellmeister und Generalmusikdirektor in München, bis er sich 1868 pensionieren hess.
Biographie Mozarts von Oulibicheff = "Mozart's
Leben nebst einer Uebersicht der allgemeinen
Geschichte der Musik und einer Analyse der
Hauptwerke Mozart 's von Alexander Oulibicheff.
Für deutsche Leser bearbeitet von A. Schraishuon." Stuttgart 1847 (3 Bände).
Quintett
Quintett (Drei Damen, Tamino, Papageno) Nr. 11 (nach heutiger Zählung Nr. 12)
aus der "Zauberflöte". Ouhibicheff, Band 3,
S. 398ff.
S.l26/Z.30:
General Hess = Die beiden Fürstentümer Hohenzohlern und Liechtenstein formieften zusammen em Bataillon, um ihrer Bundespflicht
nachzukomme,n. Liechtenstein stellte dazu
329
S.128/Z.40:
S.129/Z.37:
S.133/2.12f:
S. 134/Z. 8:
S.135/Z.18:
S.137/Z.38:
S.l38/z if:
S.l39/Z.18:
2.23:
Z.30:
S.i42/Z.27:
S.145/Z.i4:
Z.30f:
einen Scharfschützenzug. Der offizielle Titel lautete: "Hohenzollern-Liechtenstein'
sches ieichtes Batailion." Die Inspektion
der Truppenteile erfolgte durch hohe Offiziere des Deutschen Bundes.
Filet enabdrücke = Filete: :Stempel der Buchbinder mit bogenförmiger Prägeflache zurn
Aufdrucken von Goldverzierungen.
Maxentzili = Diminutiv von Maxentia (Kiostername von Johanna, der Schwester Rh's.)
schnelie Kathrina (mundartiich) = Diarrhoe,
iangsame Kathrina = Verstopfung.
die 'hen mer gschrneckt' = die haben mir gut
gemundet (Mundart)
die Rorate = gesungene Frührnesse in der Advent szeit (nach dem Introitus "Rorate coeli
desuper...")
furs Orgelziehn = der Blasbaig der Orgel musste durch Anziehen von Stricken in Tätigkeit
gesetzt werden.
A gläckseligs neus Jahr, i komrn an Krüzer öbr,
i bi a Vadozner = Em glückseliges neues Jahr,
nun erhaite ich einen Kreuzer, denn ich bin em
Vaduzer (Mundart). Rh. spielt auf den Brauch
an, dass in seiner Heimat die Kinder beim
Neujahrwünschen em
Geldstück erhalten.
Herr Jauch = H. Jauch war Pfarrer von Balzers urn die Zeit von 1853-1863. Einer Ueberlieferung gemäss gait er lange Zeit ais Verfasser der liechtensteinischen Landeshymne.
vulgo Miihlenhaus = sog. Hausnamen waren in
Liechtenstein lange zur Unterscheidung von
Personen im Gebrauch.
aymol = einmal (mundartlich)
Residenz = Vaduz
Schlinge = gestrickte Halsbinde
Kuchein, 'Nidia' und Fackelschwingen... =
Küchlein, Rabin und Fackeischwingen gehören
zwn Brauchtwn des Winteraustreibens in Liechtenstein. Der 1. Faste.nsonntag (Sonntag "Invocabit" ist der "Kuchlesonntag".)
330
S.146/Z.7:
S.148/Z.30:
S.149/Z.lf:
Z.18:
'Matscherle' = im Hause Rheinberger verwendete Koseform für Arnalia (Mali).
'Schnalana' = 'Schnalla', mundartlich derb
für em exaltiertes Frauenzimmer
Phüat na Gott und schriban bald Eurenem liaba
Bruadar Bebi = Behüte Euch Gott und schreibt
bald Euerrn lieben Bruder Pepi. (Mundart)
Landesverweser Menzinger = Johann Michael
Menzinger (s. Anm. S. 3/Z. 27)
S.151/Z.14:
Herr von Schwind = Moritz von Schwind
(1804 -1871)
Z.17:
S.159/Z.8:
Z.38:
Fürst August = Prinz August Ignaz von Liechtenstein (1810-1884). J.J.Maier irrte sich,
die Nachfolge ging an Johann II.
wegen meiner Märsche = Rh. scheint einige Marsche für das liechtensteinische Militärkontingent geschrieben zu haben. Es ist nicht
mehr zu eruieren, ob sie nicht angekommen
sind, oder ob sie später verloren gingen.
Tonkünstler Schaedler = Die Tonwarenfabrik
Gebr. Schaedler in Nendeln, gegr. 1836, ist
der erste eigentliche Industriebetrieb in
Liechtenstein.
S.162/Z.29:
. . .for er kommt = ehe er kommt (mundartlich)
Z. 35ff: Uebertragung:
Dem Matscherle, Lisi, der Mutter und der Seffa (Josefa) em Briefchen aus MOnchen. Dem
Matscherle.' Auch noch em
Briefchen.
Ich muss noch schauen, was das Matscherle
noch alles macht, denn es hat mir schon lange nicht mehr geschrieben. Schlägst Du auch
immer fleissig die Tonleitern und weinst
nicht dabei? Was macht denn Lisi, den muss
ich auch noch schreiben.
S.163/Z.l2:
'Sesseledadm' = das Wort, das auch in anderer
Schreibweise wiederkehrt, scheint romanisch
zu sein. Eine Erklärung konnte nicht gefunden werden.
Aber die Federa got numma, und i mag o nümma
Z.13:
meh = Aber die Feder geht nicht mehr und auch
ich mag nicht mehr.
331
S.173/Z.9:
S.176/Z.1:
Dreischwestern = Gebirgskette im Fürstentum
Liechtenstein
I wäss ger nut meh = Ich weiss gar nichts
m eh r.
Z. 9:
S.177/Z.12:
S.178/Z.6:
Z.13:
dad der Fetz saga = wiJrde der Fetz. (Hofkapian in Vaduz) sagen.
Gopfen = Oberteil des Hutes
Ful's Lisi = Faules Lisi
Pfüat'ne Gottf An anders mal. = Behüt Euch
Gott! Em anderes Mal. (Abschiedsgrussforin
in Liechtenstein)
S.182/Z.26f: Sag ihr: Ii d'jaden Anton... = Sag ihr: Der
(?) Anton soil mit einem Glas Wein aufs
Kristkindl kommen. - Rh. hatte von seiner
Mutter das Romanische wohi verstehen und
auch ebwas sprechen geiernt. Seine Schreib-
S.187/Z.2i:
S.189/Z.i4:
Z.16:
S.i93/Z.28:
S.198/Z.4:
weise ist jedoch ohne jede Regel und vermutlich durchsetzt von mundartlichen Ausdrücken, was die Uebertragung sehr erschwert.
'Samiklos' = St. Nikolaus, hier synonym mit
"Chri stkindchen".
Schnyder v. Wartensee = Xaver Schnyder von
Wartensee (1786-1868), Schweizer Komponist,
Musikiehrer in Frankfurt am Main.
. . .spanischen Tänzerinnen = Anspielung auf
die Affäre des Königs von Bayern mit der
Tänzerin Lola Montez, die zur Abdankung
Ludwigs I. führte.
'Giggermarti' (auch 'Gigerrnarti7 = Geigermartin (Hausname)
Operntext = "Lucius Auia" Grosse Oper von
G. A. Hemmerich. (Unvoilendet)
S.199/Z.24:
S.200/Z.24:
Seveien = Schweizer Nachbargneinde von Vaduz
"Kelbe" (St. Benno) = Kirchweihfest (Fest
des Hl. Benno: 16. Juni)
S. 201/Z. 22ff: Uebertragung:
Jetzt gesegne es GottH! So, jetzt ware ich
fertig. Jetzt was Hanni gegessen - eine SupBrötchen und em Salätchen und 1/2
Bier (oder Birne?). Und Du einen Riebel
pe, em
332
(Speise aus angebrühtem und geröstetem Türkenmehi. Vgl. auch S.5/Z.28)und Polenta und
eine Erbssuppe und Kohlraben und Maluns (Bündner Speziaiität), fuidieivai (romanische Anrede bei Predigten in phonetischer Schreibweise:
Liebe christgiäubige) romanisch guten Abend,
guten Tag (sessel ed ada? vgi. S.163/Z.12),
Gross-Landammanns (=G.rossvaters) Schwein.
(pietch = pirtg?). Der Jakob Anton soil
einen Nachttopf bringen oder so etvas.
Böxle = Döschen
S.20l/Z.32:
Z.33ff: . .. -perstenkeingeld = Anspielung auf die standigen finanziellen Schwierigkeiten seines Wirtes Perstenfeid.
lot di grüzza... = lässt dich grüssen, und
gibt dir em Küsschen, halt, ja halt, ja halt
em
gutes, jetzt behüte dich Gott, befohlen
zu grüssen (bündner Redensart der Mutter)
und schreibt bald an semen Bruder...
S.205/Z.39:
Maria Geburt = 8. September
S.2l4/z.2:
"neuen Suser" = Sauser, Wein bei beginnender
Gärung. Der Weinbau hatte irn 19. Jahrhundert
eine grössere Bedeutung in Liechtenstein als
heute.
S.217/Z.5:
Z.20:
Tatzen = Schläge mit einern Stock auf die offene Hand, Strafe für unfoigsame Schüler in
den unteren Klassen.
vom Schloss = Schloss Vaduz
5.21 8/Z.2:
.. .duath allewil sti. . .a = tut immer stinkeh
das moeth mit... = das möchte mit Singeris Nikia liebkose,n...
Z.1l:
S.223/Z.15:
an Stotza Geld = viel Geld
gibt a bez Unterricht = gibt em wenig Unterricht (mundartlich).
dass er's so witt träga muass... = . . .dass
er es so weit tragen muss. Hie und da reden
wir dann zur Uebung im liechtensteiner Dialekt. So, Tonele (=Diminutiv von Anton),
jetzt weiss ich nichts mehr.
Jetz wäss ich aber bigoscht nut meh' = Jetzt
weiss ich aber bei Gott nichts mehr.
S. 228/3 5ff:
S.229/Z.5:
333
Befola z'grütza = Befohlen zu grüssen (Redensart der Mutter, vgl. S.201/Z.33ff.)
"förchtig gschied" = fürchterlich gescheit
Z.31:
Ha, mänst net o? = He, meinst Du nicht auch?
2.34:.
Banquier Maier & Comp. = Humoristisch für
S.232/Z.8:
J.J.Maier, der seine Finanzen verwaltete.
Ich dhua dr schrieba... = Ich schreibe Dir,
S.234/Z.8:
weil ich nichts weiss, (im Monat Mai ist es
fürchterlich heiss)
Foha mer weeder vo forna a = fangen wir wieZ.21:
der von vorn an.
Batzen = Geldstücke
Z.23:
Z.26ff: 1st d'Mutter scho...= 1st die Mutter schön,
gibt es viele Kirschen? Gibt es Aepfel in der
Esla (=Isla, Flurnamen in Vaduz)? (Nun musste
ich niessen.') Ich habe an einen guten Schnupftabak gedacht, dabei habe ich nicht eirimal eine kleine Prise in meiner Tasche, (ich wolite
sagen) in der Dose, ja, da ist auch nichts--Jetzt will ich Dir eine kleine Geschichte erzäh1en
(Dia Gschecht ist wohr!) = Diese Geschichte
Z.37:
ist wahr
Uebertragung:
S. 23 5/2. 1ff:
Balzner: Ja, wenn Sie schon in Liechtenstein
waren, dann sagen Sie mir doch den Namen eines LiechtensteinerS.
1. Handwerksbursch: Der Rentmeister
Balzner: Ja, das ist em grosser (-berühmter)
Mann, den kennt man überall.
II. Handwerksbursch: Der Balzner Mü11er
Balzner: Ja, das hat Euch der Pfarrer gesagt!
I. Handwerksbursch: Aber der Egidi (=Egidius)
in Balzers mit semen Koga (-mundartlich derb
für unfolgsame Haustiere, auch Kinder)
Balzner: Jetzt glaube ich aher, dass Ihr dort
wart, aber meine Herren Seid Ihr denn nicht
die Söhne des Rentmeisters? Ich habe Euch
doch an Eurem Aussehen erkannt.
Diese Geschichte ist wahr...
S.230/Z.28:
334
S.237/Z.28:
S.247/Z.25:
Z.31:
S.248/Z.34:
Z.36f:
S.249/Z.39:
S.250/Z.2:
Z.9:
Z.21:
Gotta Sepp = Gotta mundarti. für Patin, Sepp
ist vermutlich der Mann der Patin.
Kochlerjobben = Lodenjacke
Schlinge = gestrickte Halsbinde
(Bühel Hiltis Schloss) = Hausname in Schaan,
Schloss = Anspielung auf die Ueberreste
des römischen Kastells, auf dessen Gebiet
das Wohnhaus der Bühel (oder Büchel) Hilti
stand?
wean ich über Wianächta... = wean ich über
die Weihnachtstage zuhause ware, hätte ich
dir noch viel zu sagen. Ich wünsche em glückseliges neues Jahr
Schweizerkrieg = Neuenburg (Neuchätel) gehorte
zur Schweiz, unterstand aber als Fürstenturn
dem König von Preussen. Nach einern royalistischen Aufstand in Neuenburg weigerte sich
die Schweiz, die Gefangenen herauszugeben.
Preussen drohte 1856 mit Krieg, der jedoch
durch Vennittlung anderer Staaten vermieden
werden konnte.
Schwitzhoppma = Schweizerhauptmann
Dufour = Schweizer General (vgl. S.11l/Z.39)
Neujahrszopf = Buttergebäck in Form eines
Zopfes
S. 253./Z. 30ff: Uebertragung:
Liebes Mali!
Also so gross bist Du nun geworden, dass Du
auch auf Bälle gehst? Du bist gewiss eine
recht magere Hopfenstange geworden! Nicht
wahr! Lisi hat mir das geschrieben. Du habest meine Polka beim Landvogt gespielt, gewiss recht schdn? Hast Du auch getanzt?
Spielst Du auch fleissig auf dem Klavier?
Spielst Du auch die Orgel? Der Lehrer kann
gewiss meine Messe recht schön spielen!
Die werden auch schön singen. Und mein Heilig-Geist-Lied gefällt also den Musikanten
auch nicht mehr. 1st es wahr, dass sie es
nicht mehr sin gen? Wean ich nach einiger
335
Zeit wieder einmal nach Hause komme, will ich
diesen Lumpen zeigen, was für em Heilig-GeistLied gesungen werden muss. Der Pfarrer möchte
dieses Lied gewiss-gewiss lieber hören als
das andere Dudl-Dum.
Ich glaubte, dass mit der Zeit alle Leute in
der Kirche geweinsam sin gen sollen. Aber für
das Musikantengesindel komponiere ich nicht
mehr, kein Nötchen mehr, kein Schwänzchen von
einem Nötchen, fürwahr, fürwahr! Habe ich etwa
nicht Recht? Die Leute verstehen einen Dr. .
.J
(das ist em
War Wagus schon bei Euch? Ich gabe
warme Grüsschen für das Mat scherle
ist aber em schönes Herrchen, und
gross wie David. Hat er Euch recht
Eck)
ihm brühmit. Das
fast so
viel er-
z ähl t?
Kommt Peter oft nach Vaduz hinunter? Ich habe
ihm einmal em Briefchen geschrieben, damit
er nicht immer sagen braucht, ich sei em fauler Bursche. Ich habe immer und überall herum
Briefe geschrieben, und habe auch viel zu tun,
ich kann nicht immer nach Hause schreiben, bald
an David, bald dem Lisi, bald deizz"Ton,i, bald
dew Peter, bald dem Tatsch und bald dew Matscherl e.
Nun muss ich Dir, sobald ich viel übriges Geld
besitze, Musikalien schicken und auch das II.
Heft von Cramers Etüden. Da kann das Gespele
(-unruhiaps Kind) wieder auf dew Klavier herumhaspeln und nicht zählen und weinen, wenn es
nicht gerade üben will, wenn ich daheim ware,
wollte ich es Dir schon zeigen, so aber musst
Du es allein lernen, ich kann Dir nicht immer
helfen, fürwahr, fürwahr!
Jetzt sage der Mutter, dass ich sie lieb habe
und sie soll Dir für mich eine kleine Prise
Tabak in die Nase stopfen, oder dew Lisi, das
schnupft gewiss auch schon heimlich. Ich habe
wegen dew der Näherin, die ihm sein Kleid ge-
336
S. 259/Z. 35f:
S. 260/Z. 1:
Z. 16:
S. 264/18f:
S. 265/Z. 5f:
S. 266/Z. 23:
näht hat, gesagt, sie solie ibm auch noch em
geheimes Täschchen an das Ballkleid nähen für
die Tabakdose, und die Näherin hat es mir versprochen, man muss immer an alles denken, und
das Lisi soil mir nichts nachtragen, wenn ich
ibm hätte das andere schicken sollen, aber das
Lisi ist eine çrute Meanka (=Jammertasche) und
hatt gerade die Feder eingetunkt und hat mir
das Restchen vom Geld geschickt, und deswegen
bin ich nicht verj t. (Das ist auch em Eck.)
Jetzt behüte Dich Gott. Und sei bray, fürwahr,
.fürwahr, sonst schreibt Dir Dein Brüderchen
kein Briefchen mehr...
Lichtensteig = Ortschaft im Toggenburg (Kanton
St. Gallen)
Uznach = Ortschaft im Kanton St., Gallen
in "d 'Mule" = in die Mühle
i"S' müsst s 'enk fein benemma..." = Ihr müsst
euch I em benehmen, wenn wir zusammenkommen..."
Rh. parodiert bier den Tiroler Dialekt seines
Lebrers Sebastian Pdhly.
Wenn die Mutter... = Wenn die Mutter eine kleine
Prise nimmt, soil sie dem Mali oder dem Lisi
für mich auch eine: geben.
mein Hi. Geist = das von ibm komponierte HeiligGeist -Lied.
Z. 24f:
S. 267/Z. 171:
Z. 21f:
Z.23:
Z. 251:
Z.31f:
Oder duaths no grad a so örgala = Oder spielt
es nur mehr schlecht als recht die Orgel?
Uebertragungen:
Da bekommt man Durst, wenn es so heiss ist.
Da hast Du den Profit, nun kann ich es noch
einmal schreiben.
Gebt Dein Geschäftchen gut, soil ich Dir gelegentlich einmal einen Geseilen schicken?
es hat aher nicht einmal ordentlich gebrannt, die dummen Leute liessen es nicbt
brennen, sie haben es nach einer 6/2 Stunde
schon geiöscht gehabt.
(und ich auch) und das Dümmste war, dass
man für das Löschen noch zahien musste.
337
deutsche Vereinsthaler = Auf Grund des "Wiener Münzvertrages" von 1857 gaben die deutschen Bundesstaaten Silbennünzen heraus, die
in allen Mit gliedslandern des Deutschen Bundes
gultig waren. Diese Münzen nannte man Vereinsthaler. Liechtenstein präqte als erste eigene
Münze,n semen Vereinsthaler im Jahre 1862.
Z.l9ff: Jetzt, Brüderle... = Jetzt, Brüderchen, behüte Dich Gott! Am Freitag urn 9 Uhr Abends trinke
ich em Schöppchen (oder 2) auf Dein und Davids
Wohl. Und am Freitag (den 3. Juli) urn 9 Uhr
rnusst Du und David (wenn er nicht erkältet ist)
Gläschen trinken aufs Wohl Deines Bruders
em
Pepi Rheinberger
München, den so und sovielten...
S.270/Z.15f: ...so hätt's es... = so ware dies für eine kleine Alpenpa.rtie gegangen...
Fast as wia der Kasperi-Gass = Beinahe wie die
Z.17:
Kasperi-Gass (Gasse in Vaduz).
Schloss = Schloss Vaduz war damals GastwirtZ.19:
schaft.
. . .ka si, aber globa duane's net = . . .kann wohi
S.271/Z.25:
sein, ich glaube es aber nicht...
(der "Riech") = der Reiche
S.273/Z. 9:
Pföhn = Föhn (mundartlich)
S.277/Z.8:
Z.13f: Macht d'Muater hür... = Macht (dörrt) die Mutter heuer auch viele Apfelschnitze. Grüsse
mir auch den Kaplan Fetz.
"heimini" = Nach seiner Pensionierung musste
Z.34:
Rentmeister Peter Rheinberger die Dienstwohnung, in der Josef aufgewachsen war, verlassen. Er zog "heimini" (heim hinein) in sein
altes Vaterhaus. Dieses trug die alte Hausnummer 19 und stand an der Stelle, wo heute
das Bürohaus Städtle 36 steht. Josef konnte
sich nur sehr schwer mit diesem Wohungswechsel abfinden. (vgl. auch Ss. 280 und 289)
Jesuiten = In Feldkirch begründeten die JesuS.279/Z.37:
iten wit ihrer Internatsschule "Stella matutina" den weitweiten Ruf Feldkirchs als "Studierstädtchen".
S.268/Z.11:
338
S.281/Z.21:
S.283/Z.21:
"Törka und Wi" = Türken (=rheintaler Mais) und WeiE
Kunt hür der Samikios = Kommt heuer der St. Nikolaus?
S.284/Z.20:
Hätt er öppa d'Strucha... = Hat er etwa den Schnupfen, dass ich nichts von ihni bore?
Z.23ff: Jez, Bruader... = Jetzt Bruder, behüte Dich Gott
und schreibe bald deinern Brüderchen in München
draussen, des da heisst Josef Rheinberger.
S.285/Z.37:
David's Namenstag = 30. Deznber
S.290/Z.l:
Frau von Hoffnaass = Franziska (Fanny) von Hoffnaass, geb. Jägerhuber (1832-1892), spätere Gattin Josef Rheinbergers.
S.293/Z.9f:
...so's duan's di no ploga... = sonst plagen sie
dich nur...
Z.17:
(gib am a KOsle fOr mi) = gib ibm em Küsschen
für mich (=in meinem Namen)
Z.23:
. . .schOnen Bergerin (a la Messmeri) = schöne Triesenbergerin (àhnlich der Mesmersfrau)
Z.3l:
Gwöss weder an Romansch? = Gewiss wieder em
manisch-sprechender Graubündner. (Viele Geistliche in Liechtenstein stammten damals aus Graubünden.)
S.295/Z.32:
Letzthin las ich... = Die Eisenbahnlinie Rorschach
Chur konnte erst am 30. Juni 1858 erOffnet werden.
S.297/Z.4:
Rhibergari = Rheinbergerin
Z.l9:
Hof=Argelist = humoristisch für Hof-Organist
S.300/Z.33f:
(wenn er z'Strucha net hat...) = wenn er nicht den
Schnupfen hat und sein Pfeiflein gut brennt.
S.304/Z.19:
bsun = der = bar = bsunderbar (sonderbar)
S.305/Z.35:
"Kib" = Schelte
S.306/Z.9:
Allerseelenoctav = In der Woche nach Allerseelen
(2. November) wurden täglich Messen für die Verstorbenen gel esen.
Z.27:
S.307/Z.32:
Z.34:
Vaduzer Real-Schule = Durch eine Stiftung von
20 000 fl hatte der Arzt Dr. J.L.Grass, Sohn des
"Chirurgen" Grass (vgl. S.3/Z.37), die Schaffung
einer Landesrealschule ermOglicht. Am 8. Oktober
1858 war die erste Aufnahmeprüfung, die 21 von
22 Kndida ten bestanden.
Hr. Hinger = Anton Hinger, Lehrer an der yolksschule in Vaduz. H. schrieb eine kurze Biographie
Bürgermeister Marxer = Johann Georg Marxer, 1857-1
Richter von Vaduz (ab 1861 offiziell mit dem Titel
"Bürgermeis ter")
339
S. 308/Z. 9:
S.309/Z.38f:
Z.40f:
S.313/Z.28f:
Rheinbergers (Anton Hinger - Josef Rheinberger. Eine kurze Biographie. Mit Portràt.
In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das
Fürstentum Liechtenstein, Dritter Band,
Vaduz 1903. S. 166ff.)
"Pföhän"
Föhn
. ..der Tod unseres Fürsten... = Fürst Alois II.
von Liechtenstein starb am 12.November 1858
. .jetzigen Fürsten Johann... = Nachfolger
des verstorbenen Fürsten Alois wurde sein
l8-jähriger Sohn Johann II., der 71 Jahre lang
(bis 1929) regierte
. . .Lehrer Hinger lege ich das Versprochene
bei... = vermutlich die Vesper in Es-dur, JWV 104,
(für kleine Landchöre) zu 4 Sin gstimmen und Orgel, die Rh. im August 1858 in Vaduz komponiert
.
ha tt e.
S.314/35f:
S.3l6/1 Of:
S.3l8/Z.28:
S.319/Z.lO:
Z.34:
hlBsundrigaU Doktor! = Em ganz besonderer
(auch im Sinne von "sonderbarer") Doktor!
Verleger Peters in Leipzig... = 1859 erschienen bei C.F.Peters in Leipzig Rheinbergers
"Vier Klavierstücke" op. 1, Herrn Emil Leonhard
gewidmet. Mit diesen ersten gedruckten Kompositionen beginnt der Komponist eine neue Zählung seiner Werke.
(zum alten Arndt) = Ernst Moritz Arndt (17691860), pout. Schriftsteller, Erzähler und Lyriker. Seit 1818 prof. für Geschichte in Bonn.
Mit glied des Frankfurter Parlamentes.
Krieg = Italienische Befreiungskriege mit führender Rolle von Giuseppe Garibaldi, in denen
Oesterreich die Lombardei an Italien und Frankreich verlor.
Wenn H. Onkel Carigiet Bischof von Chur wird...
= Jakob Anton Carigiet wurde nicht Bischof
(vgl. S.l3/Z.35).
Em

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