Das Noether

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Das Noether
Das Noether-Theorem
Philipp Arras, Jakob Moritz
18. Juli 2013
Inhaltsverzeichnis
1 Herleitung des Noether-Theorems in der Feldtheorie
1.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Kontinuitätsgleichung und Erhaltungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
2
3
2 Anwendung
2.1 Translationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Drehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
4
3 Beispiel: Klein-Gordon-Feld
3.1 Translationen (reelles KG-Feld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Drehungen (reelles KG-Feld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 U(1)-Symmetrie (komplexes KG-Feld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
5
5
5
4 Quellen
6
1
1.1
Herleitung des Noether-Theorems in der Feldtheorie
Voraussetzungen
Aus der klassischen Punkt-Mechanik kennen wir bereits das Noether-Theorem. Es besagt, dass aus jeder
kontinuierlichen Symmetrie eines physikalischen Systems eine Erhaltungsgröße folgt. Eine kontinuierliche
Symmetrie ist dabei eine Transformation, die durch einen kontinuierlichen Parameter parametrisiert wird
und das Verhalten des physikalischen Systems nicht ändert. In der klassischen Feldtheorie erhält man
zusätzlich eine Stromdichte J µ (Noether-Strom), die einer Kontinuitätsgleichung genügt. Dies soll im
Folgenden gezeigt werden.
Betrachte ein Feld φr (x) mit r ∈ {1, . . . , n}1 dessen Physik durch die Langrangedichte L = L(φr (x), φr,µ )
beschrieben wird. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit betrachten wir nun infinitesimale Transformationen2 der Koordinaten und des Feldes. Diese sind allgemein gegeben durch:
Drehung
xµ −→
x0µ
Translation
z }| {
= xµ + δxµ = xµ + ∆ωνµ xν +
φr (x) −→ φ0r (x0 ) = φr (x) + ∆φr (x) = φr (x) +
z}|{
δµ
n
1X
2
(1)
µν
∆ωµν Srs
φs (x)
(2)
s=1
1
n = 1: Skalarfeld, Vektorfelder klar, für Tensorfelder nummeriere alle Komponenten des Tensors durch und schreibe ihn
als Vektor. Beachte dann jedoch das Transformationsverhalten. Das entstehende Objekt ist natürlich kein 4-Vektor!
2
Es wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet. Außerdem wähle c = 1 und gµν = diag(1, −1, −1, −1)µν .
1
Hierbei bezeichnen x und x0 den gleichen Punkt in der Raumzeit in den beiden unterschiedlichen Koordinatensystemen.3 φr und φ0r bezeichnen die Komponenten des Feldes bezüglich der beiden Koordinaten.
∆ωµν ist wie gewöhnlich bei Erzeugenden von Rotationen ein antisymmetrischer Tensor (∆ωµν = −∆ωνµ ).
µν
Srs
ist aus gleichem Grund antisymmetrisch in µ und ν. S definiert die Transformationseigenschaften des
Feldes und charakterisiert es dadurch. 4
Gegeben sei nun eine Transformation, die die Lagrange-Dichte L invariant lässt, also:
L(φ0r (x0 ), φ0r,µ (x0 )) = L(φr (x), φr,µ (x))
(3)
Aus dieser Bedingung folgt die Kovarianz der Bewegungsgleichungen. Gleichungen (1), (2) und (3) sind die
gegebenen Voraussetzungen für den Beweis des Theorems. Verwende außerdem folgende Definitionen:
δφr (x) := φ0r (x) − φr (x)
∆φr (x) :=
φ0r (x0 )
(4)
− φr (x)
(5)
Wir nennen δφr (x) Variation und ∆φr (x) totale Variation von φr (x). Weil kontinuierliche Transformationen und damit oE infinitesimale Transformationen betrachtet werden, kann die Rechnung in erster Ordnung
in δφr (x) durchgeführt werden: (a ' b :⇔ a = b + O((δφr )2 ).
1.2
Herleitung
Es gilt:
∆φr (x) = δφr (x0 ) + φr (x0 ) − φr (x)
Mit δφr (x0 ) = δφr (xµ + δxµ ) ' δφr (x) und φr (x0 ) ' φr (x) +
∆φr (x) ' δφr (x) +
∂φr
∂xν δxν
(6)
folgt
∂φr
δxν
∂xν
(7)
Führe nun die gleiche Rechnung für L durch:
0 = L(φ0r (x0 ), φ0r,µ (x0 )) − L(φr (x), φr,µ (x))
∂L
δxν
' δL +
∂xν
(8)
(9)
Die Variation von L ergibt:
∂L
∂L
δφr +
δφr,µ
∂φr
∂φr,µ
∂L
∂L
∂L
∂L
=
δφr − (
),µ δφr +(
δφr ),µ = (
δφr ),µ
∂φr
∂φr,µ
∂φr,µ
∂φr,µ
|
{z
}
δL =
(10)
(11)
Euler-Lagrange-Gleichung
∂L
∂φr
(∆φr −
δxν )),µ
∂φr,µ
∂xν
∂L
∂φr
∂L
(9)
⇒0=(
(∆φr −
δxν )),µ +
δxν = → (15)
∂φr,µ
∂xν
∂xν
(7)
=(
(12)
(13)
Nebenrechnung:
∂L
∂L µ
∂
∂
∂
∂
δxν =
δx =
(Lδxµ ) − L
(δxµ ) =
(Lδxµ ) =
(Lg µσ δxσ )
µ
µ
µ
µ
µ
∂xν
∂x
∂x
∂x
∂x
∂x
| {z }
(14)
=∂µ (∆ωνµ xν )=0
3
4
passive Transformation
µν
µν
zum Beispiel klassische E-Dynamik: Srs
= δrµ δsν − δsν δrµ oder Dirac-Felder: Srs
= − 14 [γ µ , γ ν ]rs mit γ µ : Dirac-Matrizen
2
(13) →
∂L
∂φr
(∆φr −
δxν ) + Lg µσ δxσ ),µ
∂φr,µ
∂xν
∂L
∂L ∂φr
=(
∆φr − (
+ Lg µν )δxν ),µ = 0
∂φr,µ
∂φr,µ ∂xν
=(
(15)
(16)
Definiere:
T µν :=
∂L ,ν
φ − Lg µν
∂φr,µ r
(17)
R
Diese Größe heißt Energie-Impuls-Tensor. Es wird sich herausstellen, dass d3 xT µ0 erhalten ist. Es ist
zu beachten, dass T µν in dieser Form nicht zwangsläufig symmetrisch ist (z.B. in der klass. E-Dynamik),
jedoch durch Divergenz-Terme immer symmetrisiert werden kann. 5
∂L
⇒ 0=(
∆φr − T µν δxν ),µ
∂φr,µ
|
{z
}
(18)
=:J µ
Dies ist das Noether-Theorem in größter Allgemeinheit. Beachte, dass die Symmetrietransformation in der
Herleitung nicht (etwa auf Lorentztransformationen) eingeschränkt wurde.
1.3
Kontinuitätsgleichung und Erhaltungsgrößen
Der Noether-Strom J µ erfüllt damit wie versprochen eine Kontinuitätsgleichung:
→
−
J,µµ = ∂t J 0 + div J = 0
R
Für die Erhaltungsgröße definiere6 Q := dV J 0 . Damit gilt:
Z
→
−
d (19)
Q = − dV div J = 0
dt
(19)
(20)
Für die zweite Gleichheit wurde der Integralsatz von Gauß verwandt, mit dem üblichen Argument, dass
→
−
J im Unendlichen verschwinden muss. Q ist also die aus J µ folgende Erhaltungsgröße.
2
Anwendung
2.1
Translationen
Translationen sind in der Notation gegeben durch:
δν ∈ R4 beliebig
(21)
∆ωµν ≡ 0 ⇒ ∆φr ≡ 0
(22)
Außerdem:
⇒ T νµ,ν = 0
5
(23)
siehe E-Dynamik-Vorlesung von Prof. Komnik Gleichung (563) → (565) oder Prof. Bartelmanns Elektrodynamik-Skript
1
1
1
1
Gleichung (7.80) → (7.84): T µν = − 4π
Aσ,ν F µσ + 16π
g µν Fαβ F αβ . Addiere 4π
Aν,σ F µσ = ∂σ ( 4π
Aν F µσ ) wegen ∂σ F µσ = −j µ = 0
1
in Abwesenheit von Ladungen. ⇒ ∂µ ∂σ ( 4π
Aν F µσ ) = 0 wegen Antisymmetrie von F µσ . Symmetrisierter E.-I.-Tensor: T µν =
ν
µσ
αβ
1
1
1
1 µν
− 4π
(Aσ,ν − Aν,σ )F µσ + 16π
g µν FRαβ F αβ =
R 4π (−F σRF + 4 gR Fαβ F )
6
Verwende die Schreibweise dV ≡ d3 x und dV 0 ≡ d3 x0
3
Aus der (4-)Translationsinvarianz folgt die Kontinuitätsgleichung für T µν (für jedes ν = 0, 1, 2, 3). Es gilt:
Z
Z
∂L
00
i
E := dV T
und P := dV |{z}
T 0i mit T 00 =
φ̇r − L
(24)
∂ φ̇
=pi
r
⇒ E = Hamiltonfunktion = Energie
(25)
→
−
Aus der Kontinuitätsgleichung für T µν folgt also die Erhaltung für den 4er-Impuls (E, P ). Dies rechtfertigt
im Nachhinein die Bezeichnung Energie-Impuls-Tensor.
2.2
Drehungen
Für Drehungen gilt:
δµ ≡ 0 ⇒ δxµ = ∆ωµν xν
1
µν
φs (x)
∆φr (x) = ∆ωµν Srs
2
1 ∂L
(18)
νσ
⇒ Jµ =
∆ωνσ Srs
φs (x) − T µν ∆ωνσ xσ
2 ∂φr,µ
1 ∂L νσ
= (
S φs (x) + xν T µσ − xσ T µν ) ∆ωνσ
2 ∂φr,µ rs
|
{z
}
(26)
(27)
(28)
(29)
=:Mµνσ
Da die Elemente von ∆ωνσ freie Parameter sind, folgt mit dem Noether-Theorem (18) eine Kontinuitätsgleichung
für M:
−
→
∂t M0µσ + divMµσ = 0
(30)
Hieraus erhalten wir (nur) sechs Erhaltungsgrößen, weil Mµνσ antisymmetrisch in ν und σ ist:
Z
Z
1
∂L µν s
µν
0µν
M := dV M
=
dV (
Srs φ + xµ T 0ν − xν T 0µ )
2
∂ φ̇r
|{z}
(31)
=π r
Betrachten wir nur den Raumteil und nur den zweiten und dritten Term, folgt die Erhaltung des Bahndrehimpulses.
1
i
:= ijk (xj T 0k − xk T 0j ) = ijk xj T 0k
DBahn
Z2
Z
→
−
→
−
−
−
⇒ D Bahn := dV D Bahn = dV (→
r ×→
p ) ist erhalten.
(32)
(33)
Den ersten Term interpretieren wir als Spin.
DiSpin =
Z
1
jk s
dV ijk π r Srs
φ
2
(34)
Weiterhin erhalten wir den Boost-Vektor
1
K =M =
2
i
0i
Z
0i s
dV (π r Srs
φ + tT 0i − xi T 00 )
Um für diese Größe etwas Intuition zu bekommen, setzen wir S = 0. Dann gilt:
Z
Z
1
−
−
⇒ t dV →
p + const. = →
x T 00 dV | · R
dV T 00
R→
→
−
−
x T 00 dV
P
const.
⇒t
+
= R 00
E
E }
T dV
|{z}
| {z
|
{z
}
−
→
−
→
=: v
(35)
(36)
(37)
→
=:−
x ES (t)
=: x ES (0)
−
−
−
⇒ t→
v +→
x ES (0) = →
x ES (t)
4
(38)
Wir sehen, der Energieschwerpunkt xES bewegt sich unbeschleunigt.
Konsistenzcheck: In der Theorie des relativistischen Punktteilchens gilt:
→
−
P = mγv
3
und E = mγ
⇒
→
−
P
−
=→
v
E
√
Beispiel: Klein-Gordon-Feld
1
L = ((∂µ φ† )(∂ µ φ) − m2 φ† φ)
2
1
Lreell = ((∂µ φ)(∂ µ φ) − m2 φ2 )
2
3.1
(39)
(40)
(41)
Translationen (reelles KG-Feld)
Rechnet das selber nach:
T µν,µ = ( + m2 )φ = 0
(42)
Die Erhaltungsgrößen sind:
Z
E=
3.2
Z
1
dV {φ̇2 − L} =
dV (φ̇2 + (Oφ)2 + m2 φ2 )
2
Z
Z
Z
P i = dV T 0i = dV ∂ t φ∂ i φ = − dV φ̇Oφ
(43)
(44)
Drehungen (reelles KG-Feld)
Weil das Klein-Gordon-Feld ein skalares Feld ist, transformiert das Feld trivial:
µν
∆φ(x) = 0 ⇒ Srs
=0
(45)
Damit gilt:
T 0i = ∂ t φ∂ i φ
Z
→
−
→
−
−
D Bahn = dV (∂t φ)( O φ × →
r)
→
−
D Spin = 0
→
−
1
K =−
2
3.3
(46)
(47)
(48)
Z
→
−
r
dV {t · ∂ t φOφ + [(∂ t φ)2 + (Oφ)2 + m2 φ2 ]}
2
(49)
U(1)-Symmetrie (komplexes KG-Feld)
Die Lagrangedichte hängt nur vom Absolutquadrat des Feldes ab und unterliegt deshalb einer U (1)Symmetrie. Die Koordinaten werden bei dieser Symmetrietransformation nicht transformiert. Die Transformation wird mit α ∈ R parametrisiert.
φ −→ eiα φ = φr (x) + iαφr (x) + O(α2 )
φ† −→ e−iα φ† = φ†r (x) − iαφ†r (x) + O(α2 )
⇒ δφr (x) = iαφr (x)
und: ∆φr (x) = δφr (x),
δφ†r (x) = −iαφ†r (x)
∆φ†r (x) = δφ†r (x)
5
(50)
(51)
(52)
(53)
Daraus folgt mit dem Noether-Theorem
∂L †
∂L
φr −
φr )
∂φr,µ
∂φ†r,µ
(54)
⇒ J 0 = i(πr (x)φr (x) − πr† (x)φ†r (x))
(55)
J µ = i(
Damit ist also folgende Größe erhalten (wähle q ∈ R beliebig und fest als physikalische Konstante):
Z
Q := −iq dV (πr (x)φr (x) − πr† (x)φ†r (x))
(56)
In der Quantenfeldtheorie wird sich q als Ladung und Q als der dazugehörige Operator herausstellen. Dies
wollen wir im Folgenden motivieren.
In quantisierter7 Form gilt:
dQ
= 0 ⇒ [Q, H] = 0
dt
(57)
Es gilt:
Z
[Q, φr (x)] = −iq
dV 0 [πs (x0 ), φr (x)] φs (x0 ) = −qφr (x)
|
{z
}
(58)
→
→
=−iδsr δ(−
x 0 −−
x)
Sei nun |Q0 i Eigenzustand von Q. Also: Q |Q0 i = Q0 |Q0 i. Man zeigt leicht:
• φr (x) |Q0 i ist Eigenvektor zu Q mit Eigenwert (Q0 − q)
• φ†r (x) |Q0 i ist Eigenvektor zu Q mit Eigenwert (Q0 + q)
Qφr (x) Q0 = (Q0 − q)φr (x) Q0
Qφ†r (x) Q0 = (Q0 + q)φ†r (x) Q0
(59)
(60)
Dies erinnert an die Auf- und Absteigeoperatoren des harmonischen Oszillators, wo jeweils ein Energiequant
erzeugt oder vernichtet wird. Hier ist die Situation sehr ähnlich. An Gleichung (59) erkennt man, dass
ein Teilchen mit der Eigenschaft q vernichtet wird, wohingegen bei Gleichung (60) ein Teilchen mit der
Eigenschaft q erzeugt wird.
Eine äquivalente Beschreibung ist Folgende: Durch Gleichung (59) wird ein Teilchen mit der Eigenschaft
−q erzeugt und Gleichung (60) erzeugt ein Teilchen mit Eigenschaft q. Wir sehen also: Das komplexe KleinGordon-Feld beschreibt zwei Teilchen mit einer entgegengesetzten Eigenschaft q. Interpretieren wir q als
Ladung entspricht die komplexe Konjugation genau der Teilchen-Antiteilchen-Dualität. Gleichung (60)
erzeugt also ein Teilchen und (59) erzeugt das entsprechende Antiteilchen.
Das Noether-Theorem besagt, dass aus der U(1)-Symmetrie die Gesamtladungserhaltung folgt.
4
Quellen
• Franz Schwabl: Quantenmechanik für Fortgeschrittene (QM II), 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin
Heidelberg 2008
• Michio Kaku: Quantum Field Theory, Oxford University Press, New York Oxford 1993
7
[·, ·] bezeichne den Kommutator, H den Hamilton-Operator, φr (x) den Feldoperator und πr (x) den kanonischen Impuls
zu φr . Damit ist Q ebenfalls ein Operator.
6

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