Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu von Hiltrup

Transcrição

Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu von Hiltrup
Missionsschwestern vom
Hlst. Herzen Jesu von Hiltrup
Die Beilage Ihrer Ordensgemeinschaft im Missionsmagazin kontinente • 2-2008
Scheunenkirche im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz bei Bautzen, Katholische Bildungsstätte des Bistums Dresden-Meißen
„Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung...
Sein Tod soll mich prägen!“
Foto: BBH Schmochtitz
Phil. 3,10
INHALT:
Provinzkapitel
der deutschen
Ordensprovinz
Seite III
Namibia:
Licht
und Schatten
Seite IV
Der Kontrast
könnte kaum
größer sein (1)
Seite VI
Rumänien:
Wellness für
die Seele
Seite VIII
2-2008 MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP • I
AUS ALLER WELT
Die Unterweisung über Tuberkulose ist eine wichtige Hilfe für die Betroffenen.
Sie organisieren sich mit kirchlicher Hilfe.
Schwester Maria van der Linde
schreibt über ihre Arbeit für und
mit den Tuberkulose-Kranken:
„Wir sind dabei, die Organisation von TB-Kranken in anderen
Bezirken Lima’s zu fördern und
seit 2006 in zehn weiteren Regionen des Landes, wo die Zahl
der Erkrankten über dem Landesdurchschnitt liegt. In Peru
und Brasilien leben 50 Prozent
aller TB-Kranken von Südamerika, aber Peru hat nur 5 Prozent
der Gesamtbevölkerung von Lateinamerika. Die Situation in den
Anden ist eine andere als im Urwald oder in Lima. Andererseits
stehen wir vor den gleichen Problemen: Armut, Diskriminierung und Margination der Kranken. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsdienste im Innern des
Landes weniger ausgebaut sind
und die großen Entfernungen
bewältigt werden müssen. Die
Menschen sind sehr dankbar,
dass jemand bereit ist, sich für
ihre Belange einzusetzen. Viele
setzen sich freiwillig ein, um anderen zu helfen…“
Gib es bald ein Korea?
Korea: Schwester Brigitta Ahn
brachte aus ihrem Heimaturlaub in Korea folgende Information mit: „Der südkoreanische
Präsident Roh hat Nordkorea
besucht. Die 200 Kilometer weite Fahrt von Seoul nach Pjöngjang legte er mit dem Auto zurück. An der Grenze zu Nordkorea unterbrach er die Reise und
überschritt bei der Stadt Kaesung die Demarkationslinie zu
Fuß. Diese ist erkennbar als gelber Streifen mit der Aufschrift
„Frieden“ und „Wohlstand“.
„Diese Linie ist eine Mauer, die
unsere Nation seit einem halben
Jahrhundert teilt“, sagte Roh.
„Diese Mauer wird fallen!“ Die
Präsidenten von Nord- und Südkorea haben eine Friedenserklärung unterzeichnet. Zuvor
hatte Nordkorea erklärt, sein
umstrittenes Atomprogramm
beenden zu wollen.“
Inzwischen haben verschiedene
Ordensgemeinschaften aus Korea Kontakt gesucht mit deutschen Ordensgemeinschaften,
um sich zu erkundigen, welchen
Beitrag die deutschen Orden zur
Wiedervereinigung in Deutschland geleistet haben. Sie bereiten sich auf den „Tag X“ vor. II • MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP 2-2008
Paraguay leidet unter Passivität
Schwester Virgina berichtet aus
Paraguay: „Nach dem 15. August 2007 gingen meine Gedanken immer wieder nach Peru.
Das schwere Erdbeben hat doch
viel Trauer und Not gebracht. In
all den Jahren, die ich in Peru
gelebt habe, gab es kein so starkes Beben: 7,8 auf der RichterSkala. 1970 war das schwere
Erdbeben in Huaraz (6,5 Richter-Skala). Es starben damals
60.000 Menschen. Ich kenne das
jetzt betroffene Gebiet gut von
meinen Fahrten nach Acarí, wo
ich zwölf Jahre tätig war, denn
meine Reise dorthin führte
durch diese Gegend. Die Zahl
der Toten wäre gewiss höher,
wenn das Beben in der Nacht gewesen wäre. Die Zeichen internationaler Solidarität waren und
sind auch heute noch sehr beeindruckend.
Hier in Paraguay kennt man diese Art von Katastrophen nicht.
Einfach unvorstellbar für unsere Leute. Man kann es auch nicht
erklären. So hat jedes Land seine eigenen Erfahrungen....
Die 35 Jahre lange Militärdiktatur in diesem Land hat den Leuten viel Eigeninitiative genom-
men. Sie hatten das Notwendigste zum Leben, aber keine
Freiheit. Seit 15 Jahren haben
wir nun Demokratie, aber es ist
dieselbe Partei an der Regierung, und leider wird die Sorge
um das Allgemeinwohl der Bevölkerung nicht ernst genommen. Der Unterschied zwischen
arm und reich ist sehr groß.
Für uns Missionsschwestern
stellt sich immer wieder die Frage: Wie und wo können und müssen wir mit den Menschen gehen, damit wir gemeinsam eine
Gesellschaft aufbauen, in der
Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und
gleiche Zukunftschancen für alle vorhanden sind…
Nachdem wir nun schon länger
als ein Jahr im Lande sind, halten wir es für angebracht, ein
kleines Eigentum zu erwerben;
es soll etwas größer sein als unser jetziges Mietshaus. Wir
möchten den jungen Mädchen,
die den Ruf Gottes zum Ordensleben verspüren, die Gelegenheiten bieten, für einige Wochen
bei uns zu wohnen, um uns kennen zu lernen und zu sehen, wie
man heute als Missionsschwester lebt....“
hat Geburtstag
MISEREOR ist 50 Jahre alt geworden. Das Hilfswerk hilft den
Ärmsten der Armen, Menschen
jedes Glaubens, jeder Kultur
und jeder Hautfarbe. Jährlich
erreichen rund 6.000 Projektanträge das Hilfwerk. Mit der Fastenaktion trägt Misereor die Anliegen der Armen in die katholischen Pfarrgemeinden und in
die Öffentlichkeit, damit so ihr
Glaube seine Wirkung findet in
der Liebe zu allen Menschen und
über alle Grenzen hinweg.
Fotos: MSC-Archiv, Sr. Bartholomäa MSC, MSC Peru, Misereor
Immer mehr TB-Kranke in Peru
STANDPUNKT
Liebe Leserin,
lieber Leser!
Es war im letzten Advent. Die
Kirche war mäßig besetzt, viele
Christen der Diaspora-Gemeinde gingen noch ihren Arbeiten
nach. Die Predigt des Pfarrers
Die Kapitularinnen und Sekretärinnen des deutschen Provinzkapitels 2008.
ließ mich aufhorchen. Er sprach
Provinzkapitel der deutschen Ordensprovinz
In der letzten kontinente-Ausgabe
haben wir auf der Seite VIII von den
drei Ordenskapiteln berichtet, die
in diesem Jahr stattfinden und von
großer Bedeutung für unsere Ordensgemeinschaft sind. Die erste
Phase des Provinzkapitels für die
deutsche Ordensprovinz fand vom
6. bis 12. Januar 2008 im Haus
Blegge in Paffrath statt.
Ein Ordenskapitel ist immer ein
geistliches Geschehen. Darum
begannen wir am Dreikönigssonntag mit einer Andacht in der
Kapelle des Hauses, zusammen
mit der Hausgemeinschaft. Uns
allen war bewusst, dass in der
weltweiten Gemeinschaft für das
GelingenunseresKapitelsvonden
Schwestern gebetet wurde.
In geschwisterlicher Atmosphäre und bei einem ausgewogenen
Verhältnis von Arbeits-, Ruheund Gebetszeiten schafften wir
unser Pensum und erzielten gute Ergebnisse.
Bei einem Delegiertentreffen mit
der Moderatorin im November
2007 waren bereits viele Punkte
vorbesprochen worden, so dass
von Schwesterngruppen verschiedene Tischvorlagen für das
Kapitel erarbeitet werden konnten
und wir somit gezielt an die Arbeit
gingen.
Die Themen waren differenziert:
von Aktivitäten in der BerufungspastoralüberdieFragederAusbildung von künftigen neuen Mitgliedern in internationalen Gruppen
bis hin zu Überlegungen für eine
internationale Kommunität in
Deutschland. Hier sollen Schwestern aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen in unserer
Gesellschaft leben, zeichenhaft
für ein friedfertiges und geschwisterliches Miteinander. Alle diese
Fragen, welche die Mitglieder unserer Gemeinschaft bewegten,
wurden bearbeitet.
Dazu gehörte auch die Entscheidung über eine neue Leitungsstruktur, bei der es um einen geeigneten Aufbau für die Bewältigung von Leitungsaufgaben auf
unserem Weg in die Zukunft geht.
Mit der Wahl der Delegierten für
das Generalkapitel im Juni 2008
war die offizielle Arbeit beendet. von der Umkehr, die Johannes
predigte. Und er sprach vom liebenden und barmherzigen Vater,
dem wir dank so mancher Bibelaussagen ein immerwährendes
Verzeihen und Nachsicht zuschreiben: „Der liebe Gott sieht
das nicht so eng...“ Dabei sparen
wir die andere Seite der Medaille
aus: Gott als Richter! Es ist nicht
meine Absicht, alte Drohpredigten aufzuwärmen und Ängste zu
schüren. Nein, das nicht! Aber
wäre es nicht an der Zeit, nach
dem „Weichspüler-Gott“ uns
dem realistischen Handeln Gottes zu öffnen?
Wir feiern bald Ostern – das Leiden, Sterben und Auferstehen
des Gottessohnes. Gott mutet
seinem Sohn diesen Weg zu, damit wir in seinem Menschsein
mitgenommen werden in seinen
Tod und in seine Auferstehung.
Da gibt es kein sanftes: „Der liebe Gott wird es schon richten...“
Lassen wir dieses Geschehen
tief in unser Herz einsinken, es
miterleben. Und versuchen wir,
die Beweggründe unseres Handelns zu erkennen. Vielleicht
kommen wir uns so selbst auf
die Spur und finden den Weg zur
Umkehr. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest!
Sr. Doris berät sich mit der Moderatorin Sr. Laetitia OP, und die Kapitularinnen arbeiteten in Kleingruppen.
2-2008 MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP • III
INTERNATIONALER KURSUS IN NAMIBIA
Namibia: Licht und Schatten
VON SCHWESTER LUCIE SCHMAHL MSC
Im Sommer 2007 fand ein internationaler Spiritualitätskursus für Schwestern
unserer weltweit tätigen Ordensgemeinschaft statt. Aus Deutschland nahm
Schwester Lucie Schmahl daran teil.
Einander kennen lernen
Zu Beginn stellten wir unsere Länder vor, die
dortige Situation der Ordensgemeinschaft
und unsere Berufs-Arbeit. Wir erfuhren etwas über die Realität in Afrika: über geschichtliche Hintergründe, Entwicklung der
katholischen Kirche, Geschichte unserer namibischen Ordensprovinz, Missionstheologie aus afrikanischer Sicht und über AIDS.
Pandemie AIDS
Diese Erkrankung überdeckt das Land und
den Kontinent wie dunkle Schatten. Südlich
der Sahara leben statistisch gesehen die meisten Infizierten der Erde. Genaue Zahlen für
Namibia gibt es nur aus regelmäßigen, anonymen Untersuchungen aller schwangeren
Frauen. Im Norden an der Grenze zu den
Nachbarstaaten beträgt die Infektionsrate erschreckende 40 Prozent, in anderen Gegenden 10 bis15 Prozent, so dass über das Land
im Durchschnitt knapp 20 Prozent der werdenden Mütter betroffen sind.
Workshops – Arbeitswochen
In der zweiten Kurswoche gab Schwester
Christine Anderson FCJ einen Workshop
über „Die Rolle der Mitgliedschaft und Leitung“ – das integrative Modell. Zum Ende der
Woche gab es eine Präsentation über Missiologie, gesehen aus der afrikanischen Perspektive.
Zwei Kurswochen beschäftigten wir uns mit
unserer missionarischen Spiritualität und der
Berührung mit fremden Kulturen. Dann wurden wir für eine Woche auf verschiedene Missionsstationen im Land verteilt, um selber die
für uns fremde Welt im Alltag zu erleben. Unsere kleine Gruppe fuhr tausend Kilometer auf
guter Straße durch Wüsten und Steppen in den
Norden bis an die angolanische Grenze.
Die Jubilarinnen
bei der GelübdeErneuerung.
Von links:
Sr. Susanna
Filemon Endjala,
Sr. Gudrun
Stemmer und
Sr. Helena
Amwaandangi,
die zur Zeit im
Generalrat in
Rom tätig ist und
zu diesem
Ereignis in ihre
Heimat flog.
Sr. Gudrun ist
inzwischen am
10. Januar 2008
verstorben.
IV • MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP 2-2008
Eine Woche Okatana
Zur Missionsstation Okatana gehören eine
große Pfarrkirche, ein Wohnhaus für die fünf
einheimischen Schwestern und eins für die
drei afrikanischen Ordenspriester, ein Kindergarten, eine Schule, ein Gesundheits- und
ein pastorales Zentrum. Die Bevölkerung
spricht Oshivambo, so dass ich im Alltag außer „Guten Morgen“ und „Danke“ nichts verstanden habe, es sei denn, mein Gegenüber
sprach auch Englisch.
Große Jubiläumsfeiern
Nach der Rückkehr aller Kursteilnehmerinnen
ins Tagungshaus feierte die namibische Provinz ein großes Fest. Schwester Gudrun aus
Deutschland, die 1939 als Lehrerin nach Südwest-Afrika reiste und seitdem im Lande lebt,
blickte auf 70 Ordensjahre zurück, Schwester
Helena und Schwester Susanna, zwei Namibianerinnen, auf 25 Jahre. Außerdem gedachten
die Schwestern ihres achtzigjährigen Wirkens
im Land. Die Gestaltung des Festgottesdienstes übernahmen die jungen Schwestern, die
derzeit das Ordensleben kennenlernen. In
mehrstimmigen Gesängen, mit Tänzen, Trommeln und farbenfrohen Kleidern vibrierten sie
vor Glaubens- und Lebensfreude.
Fotos und Grafik: MSC-Archiv
Die Generalleitung in Rom hat 26 junge
Schwestern bis fünf Jahre nach der ewigen
Profess (das heißt nach der endgültigen Bindung an die Gemeinschaft) nach Namibia ins
südliche Afrika eingeladen. Die Teilnehmerinnen kamen aus zehn Ländern: PapuaNeuguinea, Namibia, Peru, Korea, Indien,
China, Deutschland, El Salvador, aus der Dominikanischen Republik und von den Philippinen. Konferenzsprache war Englisch.
Bild links:
Die
Teilnehmerinnen
des internationalen
Kurses stellen sich
mit ihrer
Begleitung der
Fotografin für ein
Gruppenfoto.
Bild unten:
Sr. Lucie Schmahl
erläutert im
Rahmen des
spirituellen Kurses
eine Zeichnung,
die in
Gruppenarbeit
entstanden ist.
Exerzitien – Ferien für die Seele
Für unsere internationale Gruppe folgten
acht Tage Exerzitien. Wir erlebten im Schweigen eine intensive Zeit – Ferien für die Seele.
Exerzitienbegleiter war Pater Frank Gallagher, ein irischer MSC aus Südafrika. Er wurde
assistiert von mehreren Schwestern.
Ein wenig Tourismus zum Abschluss
Am letzten Tag fuhren wir mit einem Reisebus durch den Nationalpark Etosha-Pfanne.
„Etosha“ heißt in der örtlichen Sprache „große weiße Fläche“. Sie besteht aus Wüste verschiedener Formen. Über weite Strecken sah
man keinen Baum und keinen Strauch, der
Schatten spenden würde. Es gab teilweise für
die Tiere nur vereinzelt vertrocknete kleine
Grasbüschel zu fressen. Nach langen Wegen
unter glühender Sonne fanden sie zu den wenigen Wasserstellen. Es herrschten klare Regeln, wer wann und wo trinken durfte. So
verscheuchten die Büffel die Springböcke,
die dann aber bald wieder an einer anderen
Ecke des Wassers einen neuen Platz fanden.
Der Elefant sei der König der Steppe; vor ihm
weiche sogar der Löwe zurück, wurde mir erklärt. Sechs oder sieben Tierarten labten sich
manchmal gleichzeitig an einem großen
Wasserloch. Der Anblick verbreitete Ruhe,
Zeitlosigkeit und Frieden.
Rückblick
Auch wenn in Deutschland die dunkle Jahreszeit begonnen hat, so lebt in mir die Erinnerung an die beeindruckenden Tage zusammen mit jungen Mitschwestern unter
afrikanischer Sonne – Eindrücke von Licht
und Schatten, die nachhaltig in mir leben. Namibia in Zahlen:
Fläche: 824 292 qkm;
Einwohner: 2 015 000 = 2,4 je qkm
Hauptstadt: Windhoek
Amtssprache: Englisch
Bevölkerungswachstum: 1,5 Prozent
Religion: 62 Prozent Protestanten
20 Prozent Katholiken, 5 Prozent
Anglikaner; indigene Religionen
Alphabetisierungsrate: 83 Prozent
Einschulungsrate: Weiterführende
Schulen: 39 Prozent der Jungen,
50 Prozent der Mädchen
Universitätsbesuch; 12 Prozent
Zugang der Bevölkerung zu
Sanitäreinrichtungen: 30 Prozent
Zugang zu Trinkwasser: 80 Prozent
Aids-Infizierte: 20 bis 40 Prozent
2-2008 MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP • V
MISSIONSHELFER IN NAMIBIA
Johannes Kleikamp berichtet (1. Teil )
„Der Kontrast könnte kaum größer sein“
Grüne Wiesen. Grasende Schafe. Am Horizont
das Wattenmeer. Ein Paradies des Lebens. Ich
sitze am Schreibtisch auf Pellworm, einem
kleinen Eiland in der Nordsee. Es stürmt draußen. Das Pfeifen des Windes erinnert mich an
einen ganz anderen Ort, 10.000 Kilometer
weiter südlich: Gibeon. Ein kleines Dorf in Namibia. Dort habe ich als Missionshelfer den
vergangenen Sommer verbracht.
Johannes besuchte mit Schwester Sieglinde Familien in den umliegenden Gehöften. Hier bekommt er von
der Mutter von Sr. Elfriede MSC als Gastgeschenk ein Arnband umgebunden.
scheint jedes Mal wie ein Wunder, dass sie
nicht einfach davonfliegen. In den wenigen
Steinhäusern fühlt man sich zwar etwas sicherer, doch auch hier hinein findet der Staub
und Sand immer einen Weg.
Es war schon dunkel, als ich Anfang August
des vergangenen Jahres todmüde nach langer Reise hier in Gibeon ankam, dunkel und
kalt. Schließlich war Winter in Namibia und in
Ein
traditionelles
Gehöft in
Namiba.
Die Menschen
sitzen im
Schatten der
Hütte oder eines
Zaunes, wenn
kein großer
Baum in der
Nähe ist, denn
sonst ist die
Hitze des Tages
nicht
auszuhalten.
VI • MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP 2-2008
den Nächten kühlte es regelmäßig auf drei bis
fünf Grad ab. Heizungen gibt es deswegen
aber noch lange nicht, und es ist wohl nur der
Fürsorge meiner Stationsoberin Schwester
Sieglinde zu verdanken, dass ich die ersten
Wochen ohne größere Erkältung überstanden habe. Vom grünen deutschen Sommer
kam ich in eine unwirtliche Natur und tatsächlich sehnte ich mich schon nach wenigen
Tagen nach Schatten vor der tagsüber brennenden Sonne, nach einem Ofen in der Nacht
und nach Farbtupfern in der endlos braunen
Landschaft. Über ein Jahr wartete Gibeon zu
diesem Zeitpunkt bereits auf Regen. Woran
also verlor ich mein Herz, wenn es doch nicht
die öde Landschaft oder die Wüste waren?
Menschen ins Herz geschlossen
Es sind die Menschen gewesen, die ich während meines Aufenthalts treffen durfte. Auf
der MSC-Station lebten zum damaligen Zeitpunkt 106 Kinder zwischen sieben und 16
Jahren, die im Wesentlichen von den beiden
Erzieherinnen Martha und Lucia und Köchin
Sophia, betreut wurden. Die Organisation des
Hostels, des Kindergartens und des Gemeindelebens untersteht den MSC-Schwestern.
Fotos: Privatbesitz Johannes Kleikamp
Der Kontrast könnte größer kaum sein. Die
Wiesen um Gibeon sind braun und steinig,
statt Schafe findet man verwahrloste Hunde
und wilde Esel links und rechts der schnurgraden Schotterstraße, die das Dorf mit dem
Rest der Welt verbindet. Wasser gibt es gleich
hinter der Missionsstation der MSC-Schwestern, eine braungrüne Brühe, abgestanden
und Brutstätte tausender Moskitos. Schon
seit Monaten leckt die Hauptversorgungsleitung, doch scheint das hier niemanden ernsthaft aus der Ruhe zu bringen. Unruhig wird es
nur, wenn Wolken am Horizont einen aufkommenden Sandsturm ankündigen. Keine
Fensterfuge, keine Kleidung vermag es, den
rotbraunen Sand abzuhalten, wenn der Wind
über das kleine Dorf hinwegfegt. Die Blechhütten, in denen noch immer eine Mehrheit
der Menschen hier lebt, wackeln, und es
Schwester Sieglinde wird von den Schwestern Bernadette und Marina und der Novizin
Francelina unterstützt.
Ein junger Student aus Deutschland, dazu mit
hellblonden Haaren, war dann auch ein etwas
ungewöhnlicher Gast. Doch vom ersten Tage
an haben mir die Schwestern und alle Mitarbeiter der Station ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat gegeben, das bis heute die
Sehnsucht auf eine baldige Rückkehr nährt.
Land und Leute kennen lernen
Zu Beginn meines Aufenthaltes waren die
Kinder noch in den Ferien, und somit war es
recht einsam in Gibeon. Sie kamen erst nach
etwa drei Wochen zurück, und die Zeit nutzte
Schwester Sieglinde, um mir das Dorf zu zeigen und die Abläufe zu erklären. So fuhren wir
zum Einkaufen nach Mariental und in die Bischofsstadt Keetmanshoop, machten Besuche bei alten und kranken Dorfbewohnern
und feierten am Sonntag die heilige Messe
mit Pater Martin aus den Niederlanden.
Diese ersten Wochen des Ankommens in Namibia lehrten mich, ein Stück namibischer
Mentalität zu verstehen. Die Menschen hier
besitzen die uns Westeuropäern so fremde
Fähigkeit, den Augenblick zu genießen und
ganz im Hier und Jetzt zu leben. Sie strahlen
eine Lebensfreude aus, die ich so trotz vieler
Reisen noch niemals andernorts angetroffen
habe. Erstaunlich und nahezu erschütternd
sind diese Wahrnehmungen besonders vor
dem Hintergrund der unsäglichen Armut der
Menschen und einer Geschichte, die über
Jahrhunderte hinweg einzig von Unterdrückung und Leid gekennzeichnet war. Doch
birgt die Fähigkeit, das Gestern zu vergessen
und dem Morgen kaum Raum zu geben, auch
Gefahren, vor allem, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe zusammenarbeiten wollen. Unbegreiflich erscheinen brachliegende Felder, verschwendetes Wasser, Alkoholismus trotz bitterster
Armut der Familie, innere Antriebslosigkeit
und die Scheu davor, Eigenverantwortung zu
übernehmen. Doch nichts anderes wurde den
Menschen hier seit Jahrzehnten beigebracht.
Von Deutschland, Großbritannien und Südafrika unterdrückt war jeder kritische Gedanke und jeder Wunsch nach eigenverantwortlichem Handeln eine tödliche Gefahr. Die Kin-
Von September 2007
bis März 2008 ist
Anna Vennemann
vom Niederrhein
in Gibeon.
Auch sie fällt auf
wegen ihrer
Haut- und Haarfarbe,
was aber den
Kindern von Gibeon
schon vertraut ist.
Die Kinder erweisen
sich oftmals als
Schutz für die
Missionshelferinnen
und -helfer,
wenn diese mit
ihnen durch
das Dorf gehen.
der heute haben keine Großeltern, keine Verwandten, keine Eltern, die ihnen vorleben
oder erzählen könnten, was es heißt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen oder gar einem Lebenstraum nachzueifern, auf eigenes
Risiko und gegen Hindernisse.
Hindernis zur Selbstständigkeit
Und genau das macht die Hilfe von außen so
schwer. Es ist nicht mit Geld- oder Sachspenden getan. Hilfe zur Selbsthilfe, die langsame
Entwicklung eines namibischen Selbstbewusstseins, einer eigenen Identität muss das
Ziel sein. Diese Erkenntnisse waren wohl die
schwierigste und ernüchterndste Erfahrung
meines Aufenthaltes. Voller Idealismus wollte ich helfen und etwas bewegen, doch darf es
weder bei der missionarisch christlichen
noch bei der weltlichen Entwicklungshilfe darum gehen, nur sein eigenes Gewissen beruhigen zu wollen. Jede Hilfe erfordert die intensive Beschäftigung mit den Menschen und
der Kultur vor Ort, um dann abgestimmte
Maßnahmen zu ergreifen. Keinem Kind ist
damit geholfen, wenn ihm die Eltern alle Probleme abnehmen. Erst in der Beschäftigung
und selbstständigen Lösung liegt der Entwicklungsfortschritt und kann sich ein eigenes Selbstbewusstsein entwickeln.
Fortsetzung inder nächstenAusgabe.
Für die Kinder
hatte Johannes
kleine Spielzeuge
und Geschenke
mitgebracht.
Interessiert
schauen sie zu,
was so alles
aus dem
Plastiksack
kommt.
2-2008 MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP • VII
MSC WELT WEIT
„Wellness für die Seele“ in Rumänien
Oeventrop / Deutschland: Am 27.
Januar 2008 vollendete Schwester Friedbalda Neiteler MSC ihr
100. Lebensjahr. In geistiger Frische konnte sie diesen Tag im
Kreise der Mitschwestern feiern.
Schwester Friedbalda lebt seit
1959 in Oeventrop. Sie war hier
sowie früher auch auf Norderney
als Küchenschwester tätig und
hat viele junge Frauen in der
Hauswirtschaft ausgebildet. Einige pflegen heute noch den persönlichen Kontakt mit ihr. Am
2. Februar 2008 konnte Schwester Friedbalda ihr KronjuwelenJubiläum feiern, das bedeutet: 75
Jahre Ordensprofess – ein ganz
seltenes Jubiläum.
Wir wünschen Schwester Friedbalda Gottes reichen Segen.
Mariental/Namibia: Im Jahre
2007 konnten wir in unserem
Hospiz 36 Kranken beistehen. Mit
Spendengeldern konnten wir das
Hospiz renovieren und mit einem
Neuanstrich versehen, der dringend nötig war.
Frau Pohamba, die Ehefrau des
Präsidenten von Namibia, machte im Juli einen Besuch im Hospiz. Sie war beeindruckt von der
dort geleisteten Arbeit und deutete vorsichtig an, dass sie die
Notwendigkeit erkenne, im Land
ein zweites Hospiz zu eröffnen,
das dann vom Staat betrieben
werden soll.
„Wir gehören
zusammen“,
zeigen hier
symbolisch
Jungen und
Mädchen aus
Rumänien:
Seit Januar
2007 gehört
Rumänien der
EU an –
die Menschen
dort sehnten
den Beitritt
mit hohen
Erwartungen
herbei.
fahrungen zu bedenken. Wir
nehmen uns Zeit zum Austausch
in kleinen Gruppen und versuchen, unser Leben – oft anhand
der Bibel – neu zu orientieren.
Deshalb tragen diese Zusammenkünfte auch den Namen „Wellness für die Seele“.
Diese Treffen sind für alle Teilnehmenden eine Quelle der
Kraft und Inspiration.
Aus Anlass des 17-jährigen Bestehens der Diözesan-Caritas
wurde im Sommer 2007 ein Marathonlauf unter dem Motto „17
Jahre für deinen Nächsten“ organisiert. Ziel war ein Dorf, 17
Kilometer von Satu Mare entfernt. Jeder gelaufene Kilometer wurde von einer hiesigen Firma gesponsert. Fast 400 Personen nahmen am Marathon teil
und es kamen cirka 4.000 Euro
zusammen, die in die sozialen
Projekte der Caritas einfließen.
WIE LEBT frau IM KLOSTER?
Interessierte Frauen, die erfahren möchten, wie Frauen in einer
Geistlichen Gemeinschaft leben, oder die einfach mal sich selbst
Stille Tage gönnen möchten, sind herzlich eingeladen, bei uns
„Tage im Kloster”zu verbringen.
Anfragen sind zu richten an die Oberin im Mutterhaus, Schwester
Bernadita MSC, 48165 Münster-Hiltrup, Westfalenstraße 109,
Telefon 02501/17-3000.
VIII • MISSIONSSCHWESTERN VOM HEILIGSTEN HERZEN JESU VON HILTRUP 2-2008
Dieser Marathon fand ein großes
Echo und wurde auch in den Medien als gelungene Aktion zur
Sensibilisierung für soziale Probleme gewertet.
IMPRESSUM
Eigenteil der
Missionsschwestern vom
Hlst. Herzen Jesu von Hiltrup
Verantwortlich: (Redaktion,Vertrieb,
Bestellungen und Adressenänderungen):
Sr. M. Bartholomäa Janßen MSC,
Tel. (0 25 01) 17-3303,
Fax: (0 25 01) 17-3301.
E-Mail: [email protected]
Verwaltung: (Zahlungen, Spenden):
Sr. M. Brigitta Elsner MSC,
Missionsprokuratorin,
Tel. (0 25 01) 17-33 00,
Fax: (0 25 01) 17-3301.
Anschrift: Missionsschwestern vom
Heiligsten Herzen Jesu von Hiltrup:
Westfalenstraße 109,
48165 Münster-Hiltrup.
kontinente-Missionsverlag GmbH,
Postfach 102164, 50461 Köln.
Jahresbezugspreis: Euro 10,80
Zahlungen an: Missionsschwestern
von Hiltrup: Bankkonto
Nr. 3 078 702 bei der
DKM - Darlehnskasse Münster,
Bankleitzahl 400 602 65.
IBAN: DE85400602650003078702
BIC/Swift-Code: GENODEM1DKM
Nicht abbestellter Bezug gilt als
erneuert.
Litho und Druck:
LiO Limburger Offsetdruck,
Senefelderstraße 2, 65549 Limburg.
Objekt 24
Grafik: P. Manfed Oßner MSC, Foto: MSC Rumänien
Neues aus …
Auf Initiative des RotaryClubs Oldenburg wurde
in Zusammenarbeit mit
der Caritas Satu Mare in
Rumänien eine besondere Aktion durchgeführt. In
den Herbstferien renovierten zehn Hauptschüler- und schülerinnen und acht Erwachsene aus den Niederlanden,
Frankreich und Deutschland zusammen mit den Caritasmitarbeitern und Behinderten ein etwas
heruntergekommenes
Haus auf dem Gelände der Caritaseinrichtung für Behinderte in
Homorod.
In dem Haus soll nach der gelungenen Renovierung eine Kreativ-Werkstatt für Behinderte
entstehen. Neben der Förderung der internationalen Verständigung durch die Zusammenarbeit von Jugendlichen
und Erwachsenen aus den verschiedenen europäischen Ländern trug diese Aktion auch zur
Erweiterung des Horizonts aller
Beteiligten bei: ein kleiner, aber
wichtiger Beitrag zur europäischen Integration.
Jeden Monat finden Treffen der
Caritasmitarbeiter und -mitarbeiterinnen im Hause der MSCSchwestern statt. Seit März 2007
haben diese Treffen ein anderes
Gesicht bekommen. In einer
Atmosphäre der Ruhe versuchen wir, unsere alltäglichen Er-

Documentos relacionados