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KANAREN-KREUZFAHRT RA 152 TOUR 2/ 2007 Kreuzfahrt und RennradWoche? 30 Hobbyradler probierten diese ungewöhnliche Kombination auf Madeira und den Kanaren mit dem Clubschiff „AIDA blu“. Mit an Bord und Kapitän an Land: Sprint-Ass und Vizeweltmeister Erik Zabel Nah dran: Ausfahrt mit den Profis Enrico Poitschke, Björn Schröder, Erik Zabel DDAMPFER Weit weg: Vom Winter ist Ende November auf La Palma nichts zu spüren TOUR 2/ 2007 153 Hoch hinaus: Das schwimmende Clubhotel hat 13 Decks für 1.680 Passagiere KANAREN-KREUZFAHRT TEXT: SVEN BREMER FOTOS: GÜNTER STANDL E ine steife, aber frühlingsmilde Brise streicht über Deck zwölf, das Thermometer zeigt 21 Grad. Von Santa Cruz de Tenerife funkeln die Lichter herüber, Ende November wackelt die Weihnachtsbeleuchtung zwischen den Palmen bedenklich hin und her. Plötzlich dröhnt die Schiffssirene in den Abendhimmel. Dreimal ertönt das Typhon, die „AIDA blu“ legt ab. Während oben auf dem Pool-Deck bereits die Hüften im Vier-Viertel-Takt schwingen, stampfen im Maschinenraum riesige Dieselmotoren. Auch auf Deck zwei, im improvisierten Fahrradkeller, wird gearbeitet, geschraubt und gewienert. Drei Dutzend Rennmaschinen wollen landfein gemacht werden für die erste von fünf Inseln dieser siebentägigen Kreuzfahrt, für das portugiesische Madeira. Danach warten die vier Kanarischen Inseln La Palma, Fuerteventura, Lanzarote und Gran Canaria auf die Teilnehmer der Aida-Rennradwoche – und auf Erik „Ete“ Zabel, der mit zwei seiner Kollegen vom MilramTeam, Enrico Poitschke und Björn Schröder, die Hobbysportler begleitet. Zusätzlich sind noch drei Rad-Guides von Aida dabei. Logbucheintrag: Santa Cruz – Funchal, Kurs 350 Grad, Wind aus Nordost, Stärke 6. Die Aida blu stampft durch drei Meter hohe Wellentäler, 260 Seemeilen bis Madeira. Nicht allen Landratten bekommt der kräftige Seegang. Dem einen oder anderen weicht die gesunde Farbe aus dem Gesicht. Am nächsten Morgen jedoch stehen alle Rennradler wieder fit an der Pier im Hafen von Funchal, der Hauptstadt von Madeira, deren weiß getünchte Häuser sich an die terrassierten, grünen Hänge schmiegen, als hätte sie Picasso dorthin drapiert. Aber die steile Küste lässt auch vermuten, dass die Radtour keine gemütliche Kaffeefahrt wird. Ganz nach ZabelMotto: „Berge sind der natürliche Feind des Radfahrers.“ Dann dürfte Madeira so etwas wie der Erzfeind sein, denn 20 Prozent Steigung sind keine Seltenheit. Für die wunderschöne Landschaft mit Bananenplantagen, Weinbergen, Palmen und einem Meer aus exotischen Blumen haben nur die fittesten Radler ein Auge. Während sich Zabel, in seiner 154 TOUR 2/ 2007 Feine Orte: Fischerdörfer wie Câmara dos Lobos säumen Madeiras bergige Küste Karriere nicht gerade als Kletterkünstler in Erscheinung getreten, fröhlich plaudernd die steilen Rampen hinaufschraubt, quälen sich die meisten Hobbyradler eher schlecht als recht in die Höhe. Vorbei an Câmara de Lobos, wo Winston Churchill häufig seinen Urlaub verbrachte. „No sports“, hatte der bekanntlich zu seinem Motto gemacht. Was einem angesichts der Plackerei ganz vernünftig vorkommt. Die Anwesenheit der Profis scheint jedoch Flügel zu verleihen. „Eigentlich wäre ich da gar nicht hochgekommen, aber wenn ihr dabei seid, dann wollen wir es euch natürlich zeigen“, sagt Teilnehmerin Melanie Dollak. Zabel, Poitschke und Müller wurden zwar als Trainer der Aida-Rennradwochen angekündigt, sagen aber unisono: „Wir haben Urlaub.“ Alle drei haben ihre Frauen dabei, und Schröders Filius rast mit seinem Bobbycar ähnlich verwegen übers Deck wie der Papa die Berge hinunter. Den Trainer geben die Radprofis nur in Ausnahmen. „Da habe ich schon ein bisschen mehr erwartet“, sagt Hobbyradler Alfred Beck. „Zabel ist ja supernett, aber er ist eigentlich nur seinen Striemel gefahren, ohne sich mal umzudrehen.“ Anderen ist profunde Anleitung nicht so wichtig – der Profi zum Anfassen zaubert ihnen auch so ein seliges Lächeln. „Das ist doch großartig. Sonst hast du immer diese Distanz zu den Profis, hier erlebt man sie hautnah und locker“, outet sich Christoph KnochWeber als echter Fan. Mag es noch so banal sein, was Zabel erzählt, einige Große Party: Jeden Abend auf dem Oberdeck Spröder Charme: Nicht jedem Radler gefiel der Ritt durch Fuerteventuras Ödnis Nette Geste: Fahr-Tipps von Profi Björn Schröder hängen an seinen Lippen als hätte er gerade das Rad neu erfunden und nebenbei das Rentenproblem gelöst. Logbucheintrag: Madeira, wolkenverhangen bei 22 Grad und Windstärke 4 aus östlicher Richtung. Den Urlaubern auf dem Clubschiff gibt Mentaltrainerin Veronika Zickendraht einen Kurs mit dem Titel „Anleitung zum Glücklichsein“. Außerdem im Programm: „Fettverbrennung, aber richtig“. Das ist auch für die Radfahrer angesagt. 80 Kilometer führt die Kurzer Plausch (oben) auf der Tour durch Lanzarote (unten) Königstappe durch den Südwesten Madeiras. Und wer gut in Form ist, der schüttet auch ohne Frau Zickendraht Glückshormone aus. Andere schafft der zweite Tag ganz schön. AidaBiking-Manager Björn Müller gesteht ein, dass die Chronologie nicht optimal sei, aber das Schiff könne nicht wegen der Radler den Kurs ändern. Logbucheintrag: Funchal – La Palma. Kurs La Palma, 190 Grad, 246 Seemeilen bis nach Santa Cruz de La Palma, Windstärke 6 aus östlicher Richtung. Trotz Strapazen hält am Abend kaum jemand die so genannte leistungsfördernde Bettruhe ein. Im Gegenteil, Clubdirektor Richie, fleischgewordene gute Laune mit breitem Dauergrinsen, stimmt „Viva Colonia“ an und lässt die Menge den Refrain mit der Textzeile „auf der Aida“ singen. Auf dem Pooldeck steppt der Bär. Gefühlte 95 Prozent der Gäste sind textsicher in Sachen Wolfgang Petri. Wer von deutschen Schlagern eher Ohrensausen bekommt, muss sich gedulden. Später TOUR 2/ 2007 155 KANAREN-KREUZFAHRT am Abend wird in der Disko auf Deck 14 abgerockt. Wie man Party macht, hat „Ete“ erklärt, als er während der Trainingstour auf Madeira kaum einen Schluck Wasser trank: „Du musst die Körperzellen dehydrieren, so dass abends an der Bar mehr reinpasst“, meinte er und lachte glucksend. Einige sehen deshalb am nächsten Morgen so aus, als würden sie heute lieber das „Beauty and Hair“-Angebot auf dem Schiff wahrnehmen. Glücklicherweise geht es auf der kleinen, üppig grünen Insel La Palma weitaus gemächlicher zu als auf Madeira. Und das, obwohl sich La Palma mit seinen fast 2.500 Meter hohen Bergen „steilste Insel der Welt“ nennen darf. Doch die Radstrecke führt überwiegend mit welligem Profil an der Küste entlang. Logbucheintrag: Santa Cruz de la Palma – Puerto del Rosario. Kurs 84 Grad, später 90 Grad, Windstärke 2, mit 18,5 Knoten geht es auf ruhiger See in Richtung Fuerteventura. 236 Seemeilen bis Puerto del Rosario. Einer der Guides macht deutlich, was er von Fuerteventura hält: „Mülleimer auf, ‚Fuerte‘ rein. Deckel zu!“ Der Charme dieser Sand- und Geröllwüste erschließt sich nur schwer. Zumal auch die Architektur oft die Frage aufwirft: Haus oder Baucontainer? „Die Idee, mit der Aida zu reisen, ist schon klasse“, sagt Enrico Poitschke, „so siehst du jeden Tag eine ganz andere Landschaft. Stell dir vor, du müsstest zwei Wochen auf ‚Fuerte‘ fahren.“ Lieber nicht. Für Surfer oder Sonnenanbeter mag die Insel mit ihren schönen Stränden etwas hergeben, ansonsten, da waren sich die Radler einig, kann man sich „Fuerte“ weniger Regen als auf den anderen Inseln. Die Temperaturen an den Küsten sinken selten unter 20 Grad, im Sommer klettern sie häufig weit über 30 Grad. Am Limit: In den Bergen auf La Palma zerfällt das Feld schnell in Grüppchen INFOS ZUR ORIENTIERUNG Die Kanarischen Inseln liegen im Atlantik, 1.100 Kilometer vom spanischen Festland entfernt, aber nur knappe 100 Kilometer von Afrika. Geografisch gehören sie zu Afrika, politisch zu Spanien. Der Archipel besteht aus sieben Hauptinseln: Teneriffa, Gran Canaria, Lanzarote, Fuerteventura, La Palma, La Gomera und El Hierro. Madeira gehört politisch zu Portugal, liegt nördlich der Kanaren, etwa 1.000 Kilometer südwestlich von Lissabon. Alle Inseln sind vulkanischen Ursprungs. MADEIRA: 741 km2; höchster Berg: Pico Ruivo (1.861 m); Einwohner: 280.000, Hauptstadt: Funchal (110.000); Infos: www.madeiratourism.org LA PALMA: 708 km2; höchster Berg: Roque de los Muchachos (2.426 m); Einwohner: 82.000, Hauptstadt: Santa Cruz (17.000); www.lapalmaturismo.com FUERTEVENTURA: 1.660 km2; höchster Berg: Pico de la Zarza (807 m); Einwohner: 79.000, Hauptstadt: Puerto del Rosario (28.000); Infos: www.fuerteventuraturismo.com 156 TOUR 2/ 2007 LANZAROTE: 846 km2, östlichste Insel des Archipels; höchster Berg: Penas del Chache (671 m); Einwohner: 116.000, Hauptstadt: Arrecife (41.000); Infos: www.turismolanzarote.com GRAN CANARIA: 1.560 km2; höchster Berg: Pico de las Nieves Gran Canarias (1.949 m); Einwohner: 790.000, Hauptstadt: Las Palmas (310.000); Infos: www.grancanaria.com TENERIFFA: 2.034 km2; höchster Berg: Teide (3.718 m). Einwohner: 800.000, Hauptstadt: Santa Cruz (200.000); Infos: www.turismo-tenerife.com BESTE REISEZEIT Madeira hat ganzjährig mildes Klima. So plötzlich wie das Wetter wechseln kann, so unterschiedlich ist es auch zwischen dem feuchten Norden und dem trockenen Süden, zwischen der sonnigen Küste und den wolkenverhangenen Bergen. Am häufigsten regnet es von Oktober bis März. Für die Kanarischen Inseln gilt Ähnliches. Auf Fuerteventura und Lanzarote ist es am heißesten, dort fällt auch deutlich TOURENCHARAKTERISTIK Auf Madeira reiht sich eine giftige Steigung an die nächste. Auf La Palma, Lanzarote und Fuerteventura geht es moderater zu, die Tour auf Gran Canaria liegt zwischen den Extremen. Es empfiehlt sich, ein „Rettungsritzel“ oder eine Kompaktbzw. Dreifachkurbel vorne zu montieren. Teilweise sind die Straßen vom Feinsten, andere Abschnitte in erbärmlichem Zustand. Auf Lanzarote und Fuerteventura ist der Asphalt stellenweise extrem rau. Vor Anker: zwei Tage auf Madeira sparen. In einem anderen Punkt waren dann die Hobbyfahrer einer Meinung: Enrico Poitschke sei die Nummer eins, wegen seiner ruhigen und hilfsbereiten Art. Der Milram-Fahrer schiebt Bedürftige auch schon mal eine 14prozentige Steigung hoch. „Naja, Enrico ist ja auch als Profi ein Helfer, ihm liegt das“, glaubt Marion Poser. „Erik ist da als Siegfahrer vielleicht schon ein wenig anders gestrickt.“ „Ete“ macht die bisweilen mangelnde Fürsorge mit Berliner Schnauze und Witz wieder wett. Den heute auf der Aida angebotenen Kurs „Schlagfertigkeit – sprachlos war gestern“ braucht er jedenfalls nicht. Aber er hält auch Distanz zu den Teilnehmern und latscht beim Frühstück schon mal grußlos an den Hobbyradlern vorbei. „Ich kann das verstehen“, sagt Alfred Beck, „er steht ständig im Fokus und ANREISE & UNTERKUNFT Im November 2006 kostete die günstigste Kabine auf der „Aidablu“ 665 Euro (1.000 Euro mit Flug) mit Vollpension pro Person und Woche, die Suite rund 1.500 Euro (1.900 Euro mit Flug). Alle Kabinen haben Klimaanlage, Dusche und WC. Von mehr als einem Dutzend deutscher Flughäfen wird der Flughafen Teneriffa Süd in 4,5 bis 5 Stunden angeflogen, zudem von Linz, Salzburg und Wien. Für alle Passagiere wird ein Bus-Transfer (50 Minuten) zum Hafen in Santa Cruz organisiert. Die „Aidablu“ ist eines von fünf Schiffen der Aida-Flotte. Sie wurde 1990 fertig gestellt, 2004 umgebaut, in diesem Jahr allerdings verkauft. Die wichtigsten Daten: Geschwindigkeit: 20 Knoten; Länge: 245 m; Breite: 32 m; Tiefgang: 8,21 m; Decks: 13; Fahrmotor (Diesel elektrisch): 24.400 kW; Hauptdieselmotor: 38.800 kW; Passagierkapazität: 1.680 (840 Kabinen); Besatzungskapazität: 600 In der Wüste: Im Timanfaya-Park auf Lanzarote warten Dromedare auf Touristen braucht auch mal Abstand.“ Aber Ruhe zu finden auf einem Clubschiff ist nicht einfach für den Superstar, der er nicht sein will. Zabel muss Autogrammjäger bedienen, Journalisten Fragen beantworten, mit Rentnern fürs Familienfoto posieren und den Hobbyradlern die unterschiedlichsten Wünsche erfüllen. Fitnessstudio und ein „EdutainmentCenter“, in dem PC- oder Malkurse angeboten werden. Radlerbeine können von Masseuren gelockert werden, wer seine E-Mails abrufen oder im Netz surfen will, kann das ebenfalls an Bord erledigen. ESSEN & TRINKEN Zwei große Buffet-Restaurants bieten beinahe alles, was das Herz begehrt. Dort wird auch das üppige Frühstück angerichtet. Ein Asia-Bistro und der California-Grill ergänzen das Angebot der Selbstbedienungs-Restaurants. Softdrinks, dazu gehört auch ein gezapftes Pils, sowie Tischwein sind im Buffet enthalten. Gourmets speisen im preisgekrönten und teuren „Rossini“. Auch im Restaurant „Bella Donna“ wird à la carte gespeist, dort wird jedoch nur der Wein extra berechnet. Außerhalb der Restaurants werden Getränke grundsätzlich in Rechnung gestellt. Logbucheintrag: Puerto del Rosario – Arrecife. Kurs auf die Nachbarinsel Lanzarote, 22 Grad Celsius, Kurs in nördlicher Richtung, 45 Seemeilen bis Arrecife. Die längste Etappe der „Tour d’Aida“ ist ein Glanzpunkt der Radwoche. Im Nationalpark Timanfaya, wo Vulkane brodeln, fahren die Radler durch eine KURZPORTRÄTS PROFIS Erik Zabel (geb. 7.7.1970): Der sechsfache Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour de France und Vizeweltmeister 2006 ist, nach Siegen (mehr als 200) gerechnet, Deutschlands erfolgreichster Profi. Von 1993 bis 2005 fuhr Deutschlands Sportler des Jahres 2001 für das Team Telekom/ T-Mobile, seit 2006 für Team Milram. Enrico Poitschke (geb. 25.8.1969): Der Allrounder begann seine Profikarriere 2000 beim Team Wiesenhof, wo er lange als Kapitän fuhr. Seit 2006 ist er Kollege von Erik Zabel beim deutsch-italienischen Team Milram. Die Tour-de-FranceTeilnahme 2006 verpasste er knapp. INFORMATIONEN AIDA-RENNRADWOCHE Sie kostet zusätzlich 185 Euro. Das eigene Rad und der Helm (Helmpflicht!) müssen mitgebracht werden. Der Veranstalter stellt Riegel und Powergels, Flaschen sowie ein Trikot. Auf den meisten Touren war ein Begleitfahrzeug dabei. SERVICE AN BORD Neben Bars, Shops, Duty-Free-Verkauf, Theater sowie einem Casino gibt es ein AIDA Cruises, Am Strande 3 d, 18055 Rostock, Telefon 0 18 03/ 18 22 22 00, www.aida.de Spanisches Fremdenverkehrsamt Turespaña, Postfach 15 19 40, 80051 München, Telefon 0 89/5 30 74 60, www.spain.info; Prospekte unter der Servicenummer 0 61 23/9 91 34. ICEP, Portugiesisches Handels- und Touristikamt, Schäfergasse 17, 60313 Frankfurt, Telefon 0 18 05/00 49 30, www.icep.de Schröder, Zabel, Kapitän Hoppert, Poitschke Björn Schröder (geb. 27.10.1980): Der ehemalige Cross-Fahrer begann seine Profikarriere auf der Straße 2003 beim Team Wiesenhof und wechselte 2006 zum Team Milram. Bei der Tour de France 2006 machte er mit einem mutigen Ausreißversuch auf sich aufmerksam. TOUR 2/ 2007 157 KANAREN-KREUZFAHRT Mondlandschaft aus schwarzem Lavagestein. Die Vulkane schimmern im sanften Licht in allen erdenklichen Braun-, Gelb- und Rottönen. Die Hobbyfahrer sind fasziniert – auch einmal mehr von Björn Schröders Kletterqualitäten. „Ist schon irre, welche Power die Profis haben“, prustet Thomas Tagge mit letzter Luft, „Björns Herzfrequenz liegt jetzt wahrscheinlich knapp über seinem Ruhepuls.“ Während Tagge sich mit 15 Kilometern pro Stunde die zwölfprozentige Steigung hochdrückt, flitzt Schröder mit Tempo 40 an ihm vorbei. Logbucheintrag: Arrecife – Las Palmas de Gran Canaria. 121 Seemeilen, Kurs SüdWest bei Wind um Stärke 4. Die Temperatur beträgt 20 Grad. Gran Canaria ist zwar deutlich bergiger als die Anfahrt auf die ChampsElysées in Paris. Trotzdem ist auf der Schlussetappe so etwas wie eine Tour d’Honneur angesagt. Beste Laune unter den Fahrern, man plaudert, lässt die gemeinsame Zeit Revue passieren. Und es wird – wie auf der Schlussetappe der Tour de France – traditionell nicht mehr attackiert. Während der Tage zuvor hatten einige es schon mal probiert, die Profis herauszufordern. Die Voraussetzung für die Teilnahme an den Aida-Rennradwochen waren 6.000-7.000 Trainingskilometer pro Jahr, was längst nicht alle nachweisen konnten. Einige Hobbysportler hatten jedoch um die 20.000 Kilometer auf dem Tacho stehen. „Logisch, dass die sich mal messen wollten“, lacht Zabel, „eine Weile haben sie ja auch mitgehalten, aber wenn sie dann bei Tempo 60 auf der Windkante fahren mussten, war es auch gleich Essig.“ Logbucheintrag: Las Palmas – Santa Cruz de Teneriffa. 67 Seemeilen, Kurs 278 Grad, mit 16,6 Knoten geht es auf die Passage nach Teneriffa. Nach 975 Seemeilen und knapp 400 Radkilometern haben die Radfahrer das Maßkrug-Stemmen während der Motto-Party „Alpenglühen“ genauso überstanden wie die steilen Rampen auf Madeira. Und während die Räder auf Deck zwei in den Koffern verschwinden, sind einige bereits fest verabredet zur nächsten Kreuzfahrt per Fahrrad. Im Sommer cruist die „Aida viva“ mit Ex-Profi Jens Heppner durch mediterrane Gefilde – MittelmeerRundfahrt einmal anders. 158 TOUR 2/ 2007 Hartes Land: archaisches Lanzarote abseits der Strände ROUTEN ROUTE I MADEIRA 38,5 Kilometer, 1.045 Höhenmeter, maximal 18 Prozent Steigung Funchal – Câmara de Lobos – Estreito de Câmara de Lobos – Cabo Girão – Estreito de Câmara de Lobos – Câmara de Lobos – Funchal Über die Uferpromenade „Avenido do Mar“ geht es in Richtung Câmara de Lobos. Bereits in Funchal warten die ersten Rampen mit zweistelliger Steigung. Ab dem Küstenort Câmara de Lobos windet sich die Straße durch Bananenhaine und Weinreben sowie einige lang gezogene Straßendörfer hinauf über Estreito de Câmara de Lobos zum Cabo Girao, Europas höchster Klippe. Auf dem gleichen Weg geht es steil bergab (Vorsicht: Funchal hat die wahrscheinlich gefährlichsten Kanaldeckel Europas) zurück zum „Puerto“, dem Hafen. Funchal – São Gonçalo – Caniço – Santa Cruz – Machico – Portela-Pass – Camacha – Monte – Funchal Von Funchal führt die Route über Caniço in Richtung Machico. Fast immer mit Blick aufs Meer schlängelt sich die alte Küstenstraße moderat auf und ab durch die blühenden Gärten Madeiras. Ab Machico geht es hinauf zum Portela-Pass. Von dort oben, nach einem Kaffee in der urigen Bar, weiter nach Camacha, das mit rund 800 Metern Höhe das Dach der zweiten Madeira-Tour bildet. Nach einem Abstecher ins mondäne und rund 550 Meter hoch gelegene Monte mit seinen sehenswerten tropischen Gärten und Palästen geht es weiter nach Funchal. Wäre man nicht mit dem Rad unterwegs, könnte man von Monte aus mit den berühmten Korbschlitten hinunterdüsen. ROUTE III LA PALMA ROUTE II MADEIRA 80 Kilometer, 2.060 Höhenmeter, maximal 20 Prozent Steigung 83 Kilometer, 1.170 Höhenmeter, maximal 13 Prozent Steigung Santa Cruz de La Plama – Breña Alta – Villa de Mazo – Tigalate – Monte de Luna – Von Santa Cruz führt die Straße in Serpentinen hinauf nach Breña Alta. Mit Blick auf die schwarzen Lavastrände der Ostküste geht es weiter in Richtung Südspitze von La Palma durch das für seine Töpfer berühmte Villa de Mazo. Kakteen und Schatten spendende Feigenbäume säumen zunächst die Straße, die vorbeiführt an Wein- und Tabakfeldern. Ab Villa de Mazo beginnt das „malpais“, das schlechte Land. Die ersten Lavafelder erstrecken sich bis zur Küste herunter, die Straße führt durch lichte Kiefernwälder, Ausläufer der Cumbre Vieja. Bei Fuencaliente, unweit der Südspitze La Palmas, ist der Scheitelpunkt der Route erreicht. Hinter Monte de Luna, dem Mondberg, beginnt die lange Abfahrt zurück zum Hafen von Santa Cruz de la Palma. Starker Wind: Mühle auf Fuerteventura ROUTE IV FUERTEVENTURA 45 Kilometer, 470 Höhenmeter, maximal 10 Prozent Steigung Puerto del Rosario – Caldereta – Vallebron – La Matilla – Tetir – Puerto del Rosario Von Puerto del Rosario auf der Küstenstraße Richtung Corralejo. Nach rund zehn Kilome- tern links abbiegen auf eine langsam ansteigende und ruhige Nebenstrecke. Durch öde Sand- und Geröllwüste und die kleinen Orte Caldereta und Vallebron hindurch führt die Strecke in Serpentinen die Abfahrt hinunter zur Hauptstraße – stets den Tindaya, den heiligen Berg der Guanchen, der Ureinwohner der Insel, im Blick. An der FV-10 links abbiegen und über welliges Profil und La Matilla und Tetir zurück nach Puerto La Rosario. Wer sich die landschaftlich unattraktivste Route der Schiffsreise sparen will, kann einen Ruhetag an Deck einlegen oder einen Abstecher an einen der schönen Strände unternehmen. ROUTE V LANZAROTE 102 Kilometer, 1.060 Höhenmeter, maximal 12 Prozent Steigung Arrecife – Costa Teguise – Tahiche – Nazaret – Mozaga – Tiagua – La Santa – Tinajo – Yaiza – La Geria – Masdache – San Bartolomé – Arrecife Von Arrecife führt die Tour zunächst an der Küste entlang, dann links Richtung Teguise, vor dem man jedoch in Nazaret links abbiegt und über Tiagua zur Nordküste fährt. Von La Santa aus geht es weiter über Tinajo in den Nationalpark Timanfaya, dessen Beginn die Skulptur eines eisernen Feuerteufels symbolisiert. Durch scheinbar endlose Geröllfelder aus schwarzer Lava, vorbei an den Feuerbergen. Das Städtchen Yaiza rechts liegen lassen und hinauf auf die Hochebene von La Geria, wo der ganz spezielle Weinbau Lanzarotes aus unzähligen halbrunden Naturstein-Mauern eine Art landschaftliches Gesamtkunstwerk bietet. Über San Bartolomé geht es hinab zum Hafen von Arrecife. ROUTE VI GRAN CANARIA (Transfer zum Monumento Natural de Bandama) 49 Kilometer, 1.120 Höhenmeter, maximal 19 Prozent Steigung Santa Brigida – Vega de San Mateo – Tenteniguada – Valsequillo de Gran Canaria – Lomitos – Valle de San Roque – La Solana – Monumento Natural de Bandama Vom Bandama-Krater aus, in dessen Inneren noch die Wohnhöhlen der Guanchen zu erkennen sind, geht es über Santa Brigida nach San Mateo. Brombeerhecken säumen die kurvenreiche Straße, die durch Plantagen von Walnuss- und Obstbäumen führt. Hinter San Mateo beginnt eine rasante Abfahrt hinunter nach Valsequillo und weiter nach Telde und Lomitos durch ein grünes Tal mit teils bizarren Felsen und schönen kleinen Dörfern. Einige Kilometer vor Telde geht es wieder bergauf zum Krater. ALLE KARTEN: CHRISTIAN ROLLE; HOLZKIRCHEN Fuencaliente – Tiguerorte – Malpaises – Breña Baja – Santa Cruz de La Palma TOUR 2/ 2007 159