Weniger Stau mehr Werra. Ökologische Umgestaltung
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Weniger Stau mehr Werra. Ökologische Umgestaltung
Weniger Stau mehr Werra. Ökologische Umgestaltung des Hochwasserrückhaltebeckens Grimmelshausen BUND Thüringen 2004; gedruckt auf Recyclingpapier. Luftaufnahme des Rückhaltebeckens aus dem Jahr 1993. Ein Projekt von: Das Projekt wurde gefördert durch: Weniger Stau. Mehr Werra. Ökologische Umgestaltung des Hochwasserrückhaltebeckens Grimmelshausen Problem Zielstellung Die Lösung Das Hochwasserrückhaltebecken Grimmelshausen befindet sich an der Werra unterhalb der Kreisstadt Hildburghausen in Thüringen. Es dient zum Schutz vor kleineren Hochwasserereignissen sowie der Kappung von Hochwasserspitzen und erhöht dadurch die Vorwarnzeit für die Unterlieger. Damm und Dauerstau stellen ein unüberwindbares Hindernis für wandernde Fließgewässerarten dar. Das gesamte obere Einzugsgebiet der Werra (270 km2) ist damit vom Mittel- und Unterlauf abgeschnitten. Stauhaltungen an Fließgewässern bringen eine Reihe unerwünschter Auswirkungen mit sich. Oft blockieren sie jede Aufwärtswanderung für aquatische Organismen (Fische und Makrozoobenthos). Die dadurch entstandene Zerschneidung des Lebensraums hat erheblich zum Aussterben von Fischarten wie Lachs und Stör beigetragen. Im Dauerstaubereich sammeln sich außerdem die Sedimente, der natürliche Geschiebetransport und die Selbstreinigungskraft des Flusses werden gestört. Es kommt zu erheblichen Temperaturveränderungen und Veränderungen der Wassergüte mit Auswirkungen auf die Fischfauna im Unterwasser. Insgesamt gibt es an der Werra mehr als fünfzig Querbauwerke. Mit einem vier Meter hohen Absturz im Auslassbauwerk ist das HRB Grimmelshausen das größte Staubauwerk im gesamten Werralauf. Ziel der Machbarkeitsstudie von Hydrolabor Schleusingen, BUND Thüringen und Thüringer Fernwasserversorgung war, gemeinsam Wege aufzuzeigen, um die ökologische Durchgängigkeit wieder herzustellen und gleichzeitig den bestehenden Hochwasserschutz zu erhalten. Damit wird der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie entsprochen, die eine ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer fordert. Um geeignete Lösungen zu finden, waren umfangreiche Untersuchungen und Modellierungen erforderlich. Wissenschaftler vom Hydrolabor Schleusingen haben verschiedene Varianten in Modellversuchen untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, daß selbst ein Bauwerk wie in Grimmelshausen mit einer Dammhöhe von zwölf Metern ökologisch durchgängig gestaltbar ist. Dazu muß unter anderem der Dauerstau aufgehoben werden. Die Werra soll in ihrer ganzen Länge wieder durchwanderbar gestaltet werden, eine Grundlage dafür, daß sich an der Werra zwischenzeitlich ausgestorbene Arten wie Nase oder Lachs wieder ansiedeln können. Aber auch typische Kieslaicher, wie Bachforelle und Äsche, werden nach dem Umbau wieder die Flußoberläufe erreichen können. Das Projekt in Grimmelshausen ist ein entscheidender Meilenstein für die Verbesserung der ökologischen Qualität im gesamten Weser-Flusssystem und stellt einen besonders wichtigen Schritt für die durchgängige Verbindung der Weser und Werra zwischen Mündung und Quelle dar. Wie wird das Wasser abgelassen? Das Wasser des Dauerstaus soll im Anschluß an ein normales Hochwasser allmählich abgelassen werden, indem jeweils ein bis zwei Dammbalken des Auslaßbauwerks zusätzlich entfernt werden. Ein natürliches Hochwasserereignis wird etwas verlängert, der Gefährdungsgrad im Unterwasser aber nicht erhöht. Dadurch wird nach und nach auch ein Teil des Sedimentes mobilisiert, welches sich am Grund des Beckens in den letzten Jahren abgelagert hat. Da dies aufgrund der vergleichsweise kurzen Betriebszeit keine großen Mengen sind und keine extremen Schadstoffbelastungen gemessen wurden, ist diese Lösung für Grimmelshausen vertretbar. Dabei wird das im Becken abgelagerte Geschiebe dem Fluß wieder zugeführt, ohne die wichtigen Funktionen des Interstitials (Lückensystem in der Fließgewässersohle) zu beeinträchtigen. Der Zeitpunkt des Ablassens sollte sich dabei an den Laichgewohnheiten der Fische orientieren. Innovation und Modellwirkung Bisher wurde in Deutschland noch kein Bauwerk dieser Größenordnung mit Dauerstau umgebaut. Gemeinsam mit den Projektpartnern will der BUND Thüringen beispielhaft zeigen, daß auch große Staumauern überwindbar sind. Allein in Deutschland existieren mehr als vierzig Rückhaltebecken mit Dauerstau, die nicht ökologisch durchgängig sind. Für die Werra ist das RHB Grimmelshausen derzeit das einzige Bauwerk dieser Art, der ganze Oberlauf des Flusses kann nach einem Umbau von wandernden Arten wieder erreicht werden. Das Projekt wurde gefördert durch: Wie bleibt das Becken dicht? Der gegenwärtige Dauerstau schützt den Dichtungsteppich aus Lehm vor Austrocknung und Frost. Bei Beseitigung des Dauerstaus wird dieser Schutz durch eine Erdbzw. Schotterabdeckung erreicht. Die Schüttung von maximal einem Meter Dicke auf einer Länge von 60 m und einer Breite von ca. 150 m hat ein Volumen von ca. 3 9.000 m . Diese Menge kann bedenkenlos eingebaut werden, da durch das Ablassen des angestauten Wassers ein zusätzliches Hochwasserschutzvolumen von 110.000 m3 frei wird. „Lebendige Werra” Das Rückhaltebecken Grimmelshausen Aufgabe: Kappung der HWSpitzen ab 30 m3/s bzw. 45 m3/s Inbetriebnahme: 1992 2 Einzugsgebiet: 268 km Dammhöhe: 12 m Kronenlänge: 164 m Profil Ablaufstollen: b x h 5 m x 4 m 3 Dauerstau zzt.: 110.000 m , Staufläche: ca. 10 ha 3 Vollstau-Volumen: 1,8 Mio m max. Staufläche: 100 ha Die Werra bei Grimmelshausen Mittelwasserabfluss MQ: 2,92 m3/s 3 HQ2: 32 m /s 3 HQ100: 88 m /s 3 HQ5000: 140 m /s Modellaufbau der Wanderhilfe im Auslaßbauwerk Wie wird der Ablaufstollen umgebaut? Der Fluß wird ebenerdig durch das Auslaßbauwerk geführt. Damit auch schwimmschwache Arten durch den Damm wieder flußaufwärts wandern können, wird in dem Durchlaß eine raue Sohle angebracht. Damit ist das Bauwerk bis zu einem Durchfluß von 15 m3 pro Sekunde wieder durchwanderbar. Das ist im Durchschnitt an 335 Tagen im Jahr möglich. Damit wird nicht nur die Durchwanderbarkeit wieder hergestellt, auch Temperatur und Chemismus entsprechen dann wieder den natürlichen Verhältnissen in der Werra. Vorgeschlagene Umbaumaßnahmen - Wanderhilfe wird als Raues Gerinne in den Ablaufstollen integriert, - Tosbecken wird mittels einer integrierten dreigeteilten Wanderhilfe überbrückt. - Dauerstau wird aufgehoben, Flußlauf der Werra wird ebenerdig durch Ablaufstollen geführt - Funktionsfähigkeit Wanderhilfe bei Durchflüssen von 0,25 bis ca. 15 m3/s 3 - Sicherung der Lehmdichtung 9.000m 3 - zusätzlicher Stauraum: 101.000 m Das Projekt „Lebendige Werra” ist Teil der gesamtdeutschen Initiative „Lebendige Flüsse” der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die seit zehn Jahren läuft. Das Projekt wird vom BUND Thüringen koordiniert. Die Schwerpunkte unserer Arbeit sehen wir in Initiativen zur Verbesserung des Gewässerzustands, in der Umweltbildung, in der Beförderung eines Werra-Netzwerks sowie in begleitender Öffentlichkeitsarbeit. Dabei wollen wir mit beispielhaften Pilotprojekten, wie in Grimmelshausen, Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Mit Initiativen zur Auenrenaturierung, zum Waldumbau an den Werraquellen und zur Auwaldbegründung wollen wir den Zustand der Werra und ihrer Flussaue verbessern. Aber auch solche öffentlichkeitswirksame Aktionen wie das „Werra-Baden” zum Werrataltag gehören zu unseren Aktivitäten, wir wollen, dass die Menschen die Werra wieder als ihren Fluß begreifen und sich für eine lebendige Werra engagieren. Wenn Sie die Arbeit des BUND für eine „Lebendige Werra” unterstützen wollen, können Sie uns unter dem Stichwort „Werra” eine Spende zukommen lassen: Spendenkonto des BUND: 130 093 793 Sparkasse Mittelthüringen, BLZ: 820 510 00 Was passiert bei Hochwasser? Das Becken selbst bleibt erhalten und dient wie bisher im Hochwasserfall dem Wasser3 3 rückhalt ab 30 m bzw. 45 m Durchfluß pro Sekunde. Mit der Aufhebung des Dauerstaus 3 entstehen zusätzlich 101.000 m Stauraum für den Hochwasserrückhalt. Entscheidend ist, daß das Ablaßbauwerk in seiner hydraulischen Leistungsfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt wird, damit auch ein HQ5000 schadlos abgeführt werden kann. Wie werden Verklausungen vermieden? Bei Hochwasserereignissen kann eine Ansammlung von Schwemmgut, wie z.B. von Baumstämmen, nicht ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung solcher Verklausungen, die den Abflußquerschnitt und damit die Leistungsfähigkeit der Anlage vermindern können, wird am Auslaßbauwerk ein schräg stehender Rechen angebracht, der das Treibgut aufhält. Bei steigendem Wasserstand wird dieses aufgeschwemmt und der Ablauf freigegeben. Wie wird der Staubereich gestaltet? Die Werra wird im jetzigen Staubereich zum großen Teil in ihrem ehemaligen Flußbett fließen. Im Bereich der Dichtungsabdeckung muß ein Gehölzaufwuchs durch Mahd vermieden werden. Der restliche Staubereich kann der natürlichen Sukzession überlassen werden. Ein Projekt von: BUND Thüringen Stephan Gunkel, Projektleiter Lebendige Werra Trommsdorffstr. 5; 99084 Erfurt Tel.: 0361 - 555 03 14 [email protected] www.bund.net/thueringen www.lebendige-werra.de Fernwasserversorgung Thüringen Jens Peters, Hauptgeschäftsführer Haarbergstraße 37 99097 Erfurt Tel.: 0361 - 55 09 -0 Hydrolabor Schleusingen Dr. Konrad Thürmer Themarer Straße 16 c 98553 Schleusingen Tel.: 036 841 - 530 90 BUND Thüringen 2004; gedruckt auf Recyclingpapier. Aktuelle Situation