Etwas Billigeres können wir uns nicht leisten

Transcrição

Etwas Billigeres können wir uns nicht leisten
Bristol Automobile
Etwas
Billigeres
können
wir uns
nicht
leisten
Wolfgang und Ulli
Buchta haben die noblen
Sport­wagen Bristol in
ihrem einzigen Showroom
- in Kensington in London besucht und versucht den
Mythos der Marke zu erfassen.
Text: Wolfgang M. Buchta
Photos: Ulli Buchta, Bristol, Archiv Austro Classic
38
Austro Classic 2/2012
Wir schreiben das Jahr 1854 und George
White wird in Bristol geboren - ein weiter Weg
zur knapp 100 Jahre später gegründeten Nobelautomarke Bristol, ein weiter, aber ein logischer
Weg ...
George White wurde zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren - Bristol war eine pulsierende
Hafenstadt, wo Dampfschiffe zusehends die traditionellen Segelschiffe ablösten und auch sonst
war man neuen Transportmitteln gegenüber aufgeschlossen.
Dem jungen Mann blieben die „Segnungen formaler Bildung“ erspart - mit 15 verließ er die
Schule, mit 20 hatte er ein eigenes Unternehmen und mit 22 war er Mitglied der „Bristol
Stock Exchange“, zu der Zeit eine der wichtigsten Börsen Englands.
Bald waren „George White & Company“ auf
Aktien von Transportunternehmen spezialisiert
und George selbst wurde die Leitung der neuen
Pferdetramway von Bristol angeboten.
In den 1890ern erkannte White das Potential der Elektrizität und wurde zum Pionier der
elektrischen Straßenbahn, eine Neuerung die
sich von Bristol in etliche britische Städte verbreitete und Ende des Jahrhunderts, gehörten
unter anderem die „London United Tramways“
zum Familienunternehmen.
1904 wurde George White geadelt, und das
Familenunternehmen setzte 1908 den nächsten
logischen Schritt von Straßenbahnen zu Autobussen. Der hügeligen Gegend um Bristol waren die herkömmlichen Busse nicht gewachsen
und so entstanden im Tramway Depot in Filton
Autobusse und einige Lastkraftwagen.
Im gleichen Jahr lernte Sir George White in
Bristol 400.
2/2012 Austro Classic
39
Bristol Automobile
Ein Typ C Chassis aus dem
Filton Tramway Depot.
40
Frankreich die Gebrüder Wright kennen und
erkannte neuerlich das Potential einer neuen
Technologie und 1910 eröffnete White seinen
Mitaktionären der „Bristol Tramway Company“,
dass er und seine Familie eine Flugzeugfabrik
gründen würden - die „British and Colonial Aeroplane Company“ war mit einem Grundkapital
von 25.000 Pfund geboren.
Das erste Modell war ein Fehlschlag aber mit
dem Doppeldecker „Boxkite“ hatte White sein
erstes Erfolgsmodell. 1912 galt das Werk in Filton als die größte Flugzeugfabrik der Welt und
mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs „explodierte“ das Geschäft und mehrere Kapitalerhöhungen waren erforderlich, um mit der Expansion Schritt halten zu können.
Am 22. November 1916 konnte Sir George die
stressigen Arbeitsjahre nicht länger verleugnen
- nach einem harten Arbeitstag brach er zusammen - der Firmengründer wurde gerade einmal
62 Jahre alt. Als kleiner Trost könnte gesehen
werden, dass er den Erstflug des „Bristol Fighter“ noch miterlebt hatte. Dieser sollt einer
der erfolgreichsten Flugzeugtypen des Ersten
Weltkriegs werden und die letzten der mehr als
5.000 gebauten Exemplare wurden erst Anfang
der 1930-er außer Dienst gestellt.
Georges um sieben Jahre jüngerer Bruder Sam
wurde sein Nachfolger als Chairman der Firma
und nach etlichen familieninternen Transaktionen auch Hauptaktionär.
Mit dem Kriegsende im Jahre 1918 brach der
Markt für Flugzeuge natürlich zusammen und
man musste sich nach neuen Produkten umsehen. Da alle Familienmitglieder begeisterte Automobilisten waren, lag ein Einstieg in die Motorindustrie nahe.
Es entstanden vermutlich zwei Exemplare eines
Kleinwagen, des Bristol Monocar und Karosserien für Armstrong Siddeley, aber im wesentlichen
konzentrierte sich Bristol wieder auf seine Autobusse. Mit der Übernahme eines in Schwierigkeiten geratenen Flugmotorenbauers erweiterte
Bristol die Produktpalette im Luftfahrtbereich.
Die Flugmotoren der Firma Cosmos, die unter
der Leitung von Roy Fedden entstanden waren,
sollten zu den Urahnen der kriegswichtigen
Bristol-Motoren im Zweiten Weltkrieg werden.
Ein von Cosmos entwickelter Kleinwagen mit
luftgekühltem Motor - in der Geschichte von
Bristol begegnen wir immer wieder dem Automobil - wurde als wenig vielversprechend nicht
weiter entwickelt...
1928 starb Sam White, der schon länger kränklich gewesen war, und William Verdon Smith,
ein Neffe von Sir George und bisher zuständig
für die Busproduktion, wurde Chairman des Gesamtkonzerns.
1935 trennten sich die Familien White und
Smith von ihrer Anteile an den Straßenfahrzeugen und konzentrierten sich auf die Flugzeugund Flugmotorenproduktion. Ob das eine kluge Entscheidung war, ist sogar im Rückblick
schwer zu entscheiden - mit der neuerlich drohenden Kriegsgefahr versprach der Flugzeugbau
Austro Classic 2/2012
lukrative Aufträge, aber nach Kriegsende wäre
ein zweites Standbein wohl von Vorteil gewesen...
Nun, vorerst entwickelte sich die nunmehr
„Bristol Aeroplane Company“ genannte Firma
prächtig. 1935 ging Bristol an die Börse und
Ende des Jahres hatte der ehemalige Familienkonzern bereits mehr als 8.000 Mitarbeiter.
1939 umfasstem die Bristol Werke eine Grundfläche von knapp 3 Mio. Quadratmeter.
Während des Zweiten Weltkriegs wuchs Bristol
kräftig - bis auf 50.000 Mitarbeiter - und war
einer der wichtigsten britischen Flugzeugproduzenten. Neben zahlreichen anderen kriegswichtigen Produkten sind vor allem die Typen „Blenheim“ und „Beaufighter“ zu erwähnen.
1946 wurde William Verdon Smith, wohl nicht
zuletzt auf Grund des „war efforts“ von Bristol
zum Sir William geadelt und blieb Vorstandvorsitzender des Konzerns, bis dieser 1955 unter
dem Druck der Regierung mit English Electric
und Vickers Armstrongs zur „British Aircraft
Corporation“ zwangsfusioniert wurde.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahre
1945 stand Bristol wieder einmal vor bereits bekannten Problemen - mit dem Ende der Kriegsproduktion mußte ein neuer Geschäftszweig
„aus dem Hut“ gezaubert werden. Da die meisten Familienmitglieder eifrige Automobilisten
waren, war der (Aus)-Weg eigentlich vorgegeben - Einstieg in den Automobilbau, wieder
einmal ...
Die Idee war weder neu noch originell - denken
wir nur an die Herren Heinkel oder Messer­
schmitt, beides Flugzeugbauer die nach Kriegsende in den Kleinwagenbau einstiegen, oder die
„Svenska Aeroplan AB“, die 1947 den Saab 92
herausbrachte.
Mit der automobilen Vergangenheit der Familien White und Smith kamen Kleinwagen oder
Micromobile natürlich nicht in Frage, da lag die
Latte schon etwas höher.
Bereits 1941 machten man sich Gedanken über
ein zukünftiges Automobil, das gleichemaßen
sportlich, luxuriös und technisch fortschrittlich
sein sollte - Lancia Aprilia und BMW 326 wurden als mögliche Vorbilder diskutiert. Vor allem
die die BMW-Modelle hatten es George White,
dem Enkel des Firmengründers, angetan. Vor
dem Krieg waren die Gebrüder Aldington die
Importeure von BMW. Die Brüder hatten 1929
die Firma Frazer Nash übernommen und vertrieben kaum veränderte BMW 326, 327 und 328
als Frazer Nash-BMW.
Unter Umständen die heute nicht mehr ganz
klar sind - manche Quellen sprechen von erzwungenen Reparationszahlungen, andere von
einer Rettung der technischen Unterlagen vor
den russischen Besatzungstruppen mit Einverständnis, vielleicht sogar auf Wunsch, von
BMW - fanden Pläne, Werkszeuge und Bestandteile der Vorkriegsmodelle von BMW von Eisenach nach England - darunter natürlich auch
der Motor des legendären BMW 328 und ein
BMW 338 Cabrio, mit dem Reginald Verdon-
Drei berühmte Flugzeuge der
Bristol Werke /v. li. oben im
Uhrzeigersinn): Bristol 130
Bombay, Bristol Beaufighter
und Bristol Bulldog.
Der unglückselige AutomobilPrototyp des Jahres 1942
mit einer sehr improvisierten
Karosserie.
Smith 1945 seinen Sommerurlaub in Cornwall
verbringen durfte.
AFN hatte die Unterlagen und die Rechte für
die Vorkriegsmodelle von BMW und Bristol
wollte rasch mit der Automobilproduktion starten, ohne bei Null beginnen zu müssen - nach
anscheinend nicht ganz friktionsfreien Verhandlungen einigten sich die beiden Partner und
Bristol konnte mit der Konstruktion des ersten
Automobil beginnen, das stark vom BMW 327
inspiriert war.
Herzstück des neuen Wagens war natürlich der
bewährte 2-Liter-Sechszylinder, der 1940 geholfen hatte, die Mille Miglia zu gewinnen. Bereits
im Mai 1946 lief die erste bei Bristol gebaute
(und gegenüber dem Original von BMW leicht
modifizierte) Motor am Prüfstand in Filton. Im
Herbst wurde ein Bristol-Motor in den BMW
327 von Reginald Verdon-Smith eingebaut und
von diesem ausgiebig getestet.
Bereits vor dem Krieg hatte BMW Überlegungen zu einer viersitzigen, oder vielleicht sollte
man lieber sagen 2+2 sitzigen Version des 327
Coupes angestellt - Überlegungen, die jetzt in
Das Serienautomobil von Bristol - ein Typ 400
vor der Konzernzentrale der Bristol Aeroplane
Company Ltd. in Filton bei Bristol.
Bristol 400. Unten: Eines der beiden Bristol 400
Cabrios. Rechts: Ein nagelneuer Bristol 400 rollt
aus einem Bristol Frighter Transportflugzeug.
2/2012 Austro Classic
41
Bristol Automobile
Zweimal Bristol 400 und
einmal (grün) Bristol 401.
„Mit dem Ende
des Zweiten
Weltkriegs im
Jahre 1945 stand
Bristol wieder
einmal vor bereits
bekannten Problemen - mit dem
Ende der Kriegsproduktion mußte
ein neuer Geschäftszweig „aus
dem Hut“ gezaubert werden.”
42
England fortgesetzt wurden. Ungefähr an dieser Stelle in unserer Geschichte hat ein gewisser
Tony Crook seinen ersten Auftritt. Tony Crook
war im zweiten Weltkrieg Kampfflieger gewesen und besaß nicht nur einen Alfa Romeo 8C
2900 sondern auch einen Frazer Nash-BMW
328. Als Crook irgendwo hörte, dass Bristol unter die Automobilhersteller gehen wollte setzte
er sich kurzerhand in seinen 328er und fuhr nach
Filton - das wechselseitige Interesse war vorhanden und als er Bristol wieder verließ, hatte er
neben einem der verbesserten Zylinderköpfe für
seinen 328-er auch einen Vertrag als BristolHändler „in der Tasche“.
Im Herbst 1946 erschienen in den brtischen
Automobilzeitschrift die ersten Artikel über
den neuen Wagen. Im September schrieb „The
Autocar“ über den neuen „Frazer Nash-Bristol“,
eine Darstellung, die AFN zwei Wochen später
dementierte - die sportlichen Limousinen aus
Filton würden unter dem Namen Bristol laufen
und die Sportwagen aus Isleworth in London
würden als Frazer-Nash - jetzt mit Bindestrich
- angeboten werden.
Ende Oktober durfte „The Motor“ in Filton die
erste beiden Exemplare des Bristol 400 testen
und waren von Fahrleistung - knapp 150 km/h und Straßenlage mehr als beeindruckt.
Austro Classic 2/2012
Der Typ 400 war optisch eine Mischung aus
BMW 327 und BMW 335 - zwei Türen, vier
Sitze und eine Stromlinienform, die im firmeneigenen Windkanal - wozu war man denn Flugzeugbauer - optimiert worden war. Auf einem
massiven Rahmen saß eine Stahlkarosserie mit
tragendem Holzgerüst. Angetrieben wurde der
Typ 400 natürlich vom Motor des BMW 328
mit etwa 80 PS.
Auch die Typennummer dokumentierte die starke Verbundenheit mit BMW. Vor dem Krieg
hatten die PKW bei BMW Typennummern mit
300 - 326, 327, 328,... - gehabt; darüber haben
wir ja vor rund einem Jahr ausführlich in AC
- „Der flotte Dreier“ - berichtet, und die ersten
Nachkriegsmodelle von BMW waren die Typen
501 und 502 - und dazwischen liegen, erraten,
mit dem Bristol 400 beginnend die englischen
Verwandten.
Im März 1947 hatte der Bristol sein großen
Auftritt am Automobilsalon in Genf, Mit einem
„Saloon“, einem „Drop Head“ - also einem geschlossenen und einem offenen Wagen - sowie
einem Chassis war die neuen, kleine Firma recht
würdig repräsentiert.
Ursprünglich waren der Saloon um 1.450 und
der offenen Wagen mit 1.500 Pfund - beides exklusive Kaufsteuer - angekündigt, als die briti-
Ein Typ 401 bei der Rallye
Soleil im Jahre 1953, innen
bei einem Bergrennen
Bristol 400 mit Touring
Karosserie. Innen: Typ 401
beim Verlassen eines Bristol
Freighter Transportflugzeuges.
Bristol 400 mit Sonderkarosserie.
Ein (noch) unrestauriertes
Beutler Cabrio auf 401
Chassis. Innen: Bristol 402
- Diese Ansicht zeigt die
Unterbringung des Reserverads und die gegenüber
der Limousine geänderte
Heckpartie.
sche Regierung für alle Autos über 1.000 Pfund
die Kaufsteuer von 33% auf 66% erhöhte. Die
Entwicklung des offene Typ 400 wurde gestoppt
und der geschlossenen kostete den Kunden jetzt
inkl. aller Steuern stolze 2.374 Pfund - rund das
Doppelte eines 3,5 Liter Jaguar. Und im Laufe
der folgenden Jahre wurde der Preis noch weiter
erhöht ...
Ohne Zweifel war der Bristol 400 ein teurer
Wagen und wer Hubraum und Leistung zum
günstigsten Preis kaufen wollte, war hier fehl
am Platz.
Aber bereits der erste Bristol begründete den
Stil und die Philosophie, der Bristol bis heute
treu ist - keine spektakulären, übermotorisierten Sportwagen mit mehr Show- als Nutzwert,
sondern exqusit konstruierte Fahrzeuge mit herausragenden Fahrleistungen aus (relativ) kleinen
Motoren, die gleichermaßen für den täglichen
Betrieb wie auch für lange Reisen geeignet sind.
Bristol wusste auch die Vorteile eines Kleinserienherstellers zu nutzen und ließ kontinuierlich
Verbesserungen in die Produktion einfließen zweifellos ein Umstand, der Originalitäts-Fanatikern heute bei Restaurierungen in den Wahnsinn treibt.
1947 verpasste Carrozzeria Touring in Mailand
einem Bristol 400 eine runde, elegante „Super-
leggera“ Karosserie, die wie eine Mischung aus
einem BMW und einem Vorkriegs-Alfa Romeo
wirkte - und deutlich den Weg zum Nachfolger zeigte. Der Bristol 400 wurde von 1947 bis
1950 gebaut und inklusive diverser Sonderkarosserien wurden rund 480 Stück gebaut.
Bereits 1948 wurden dem Typ 400 der Bristol
401 zur Seite gestellt. Die Karosserie war runder
geraten und von der Kreation aus dem Hause
Touring beeinflusst. Insgesamt wirkte der 401
wesentlich moderner als der 400, der ja optisch
in der Vorkriegszeit verhaftet war.
In der Bristol-typischen Liebe zum Detail waren
beispielsweise die Türgriffe verschwunden und
Druckknöpfen gewichen, was gleichermaßen
eleganter und aerodynamischer war. Die neue
Karosserie hatte einen CW Wert von nur 0,36
- was in etwa einer modernen Chevrolet Corvette oder einem Ferrari F40 entspricht - und war
gleichzeitig geräumiger. Der Bristol 401 war ein
echter Fünfsitzer.
Technisch entsprach der neue Bristol seinem
Vorgänger - 6-Zylinder Motor mit 2 Liter
Hubraum und jetzt 85 PS, vorne Einzelradaufhängung und hinten eine Starrachse sowie vier
Trommelbremsen - Evolution statt Revolution
war angesagt.
Die Zeitschrift „The Motor“ gab die Spitzenge2/2012 Austro Classic
43
Bristol Automobile
Solche Bilder liebte die
Presseabteilung - Ein Typ
403 mit einem Großraumhubschrauber (Modell Bristol
Belvedere) der gleichen
Epoche.
Innen: Eines der 43 Exemplare des 405 Cabrios vom
Karosseriebauer Abbott.
Bristol 405 Armaturenbrett - die Handschrift des
Flugzeugherstellers läßt sich
nicht leugnen.
Bristol 405 Saloon.
Bristol 405 Drophead Coupe.
schwindigkeit mit 156 km/h an, die Beschleunigung auf 100 km/h mit 15,1 Sekunden und den
Verbrauch mit 13,6 Liter. Geblieben war der
hohe Preis - 3.532 Pfund inkl. Steuern.
Trotzdem sollte der Typ 401 mit 611 Exemplaren der stückzahlenmäßig erfolgreichste Bristol
aller Zeiten sein. Sein Zwillingsbruder, der Bristol 402, wie die offene Version genannt wurde,
hingegen blieb mit 23 Exemplaren ausgesprochen rar.
1953 wurde der Bristol 401 durch das Modell
403 abgelöst, das äußerlich dem Vorgänger zum
Verwechseln ähnlich sieht und von diesem praktisch nur anhand eines dezenten „403“ Schrift-
Bristol 403 Heckansicht und
Bristol 404.
44
Austro Classic 2/2012
zugs an der Seite der Motorhaube zu unterscheiden ist. Unter der wieder in „Superleggera“
Bauweise ausgeführten Karosserie gab es etliche
technische Verbesserungen.
Vor allem danke größerer Ventile konnte die
Motorleistung bei gleich bleibendem Hubraum
- unverändert 1.971 ccm - von 85 auf 100 PS
gesteigert werden. Damit überschritt der Bristol
403 die „magische Grenze“ vom 100 Meilen pro
Stunde und war 167 km/h schnell. Der Sprint
auf 100 km/h war um drei Sekunden schneller.
Um die gewachsenen Fahrleistung auch sicher
im Griff zu haben bekam die Vorderachse einen
Stabilisator und die Bremsen bekam „Alfin“ -
Von links oben im Uhrzeigersinn: Bristol 405
Saloon, Bristol 404, Bristol 405 Drophead Coupé und Bristol 406.
„aluminium finned“ - Bremstrommeln, die die
Wärme besser ableiteten. Kurioser Weise war
Bristol in Sorge, dass der Wagen jetzt „überbremsen“ könnte und spendierte die „Alfins“
nur für die Vorderachse. Vom letzten Bristol mit
der charakteristischen „BMW Niere“ wurden
287 Exemplare gebaut.
Im Jahr 1953 brachte Bristol gleich zwei neue
Modelle heraus - neben dem bereits besprochenen 403 war das der Bristol 404, der optisch etliche Neuerung zu bieten hatte und - für Bristol
- fast revolutionär war.
Die komplett neue 2-Sitzige Karosserie hatte
einen um rund 45 cm kürzeren Radstand als
das Standardchassis und war ausschließlich in
geschlossener Form erhältlich. Optisch auffälligste Änderung war wohl der Kühlergrill, der
nicht mehr im Stile von BMW gehalten war,
sondern einen einzelnen, großen Lufteinlass
hatte, der wohl an ein Flugzeug erinnern sollte.
Der Typ 404 hatte auch erstmals die für lange
Zeit charakteristischen Stauräume in den vorderen Kotflügeln - links, also der in England
dem Straßenrand zugewandten Seite, Reserverad
und Wagenheber und rechts Batterie und Sicherungskasten.
Unter dem Blechkleid wurde die Mechanik neuerlich vorsichtig renoviert: Dank höherer Kompression leitete der Motor jetzt 105 PS (100B
Motor) oder gar 125 PS (100C Motor) und ein
kürzerer Schalthebel verbesserte die Schaltung,
die zu ihrer Zeit ohnedies eine der besten überhaupt war. Mit nur 52 gebauten Exemplaren
war der Bristol 404 selbst in diesem exklusiven
Kreis ein Exote.
Auf größere Stückzahl - 308 Exemplare - kam
der 1954 präsentierte Nachfolger des Bristol
403, der Typ 405. Der Bristol 405 hat die gleiche Linie wie der 404 - und wird mit diesem
daher auch oft verwechselt - ist allerdings bis
heute der einzige Viertürer in der Geschichte
der Firma. Unter der Karosserie hat der 405 alle
Verbesserungen des 404 - stärkerer Motor, Getriebe,... aber natürlich aufgrund des „normalen“
Radstands von 290 cm ein höheres Gewicht und
geringere Fahrleistungen.
Der 404 wurde bereits 1955 wieder eingestellt
während der 405 bis 1958 produziert wurde.
Die Viertürer der späteren Jahre konnten mit
einen serienmäßigen Overdrive und optionalen
vorderen Scheibenbremsen auftrumpfen.
Um die Verwirrung 404 vs. 405 zu perfektionieren, gab es vom Bristol 405 ein (zweitüriges)
Cabrio, dessen Karosserie bei „Abbotts of Farnham“ gebaut wurde und das optisch näher am
404 als am 405 ist. Die meisten der Bristol 405
D (Drophead) genannten Cabrios hatten den
leistungsgesteigerten 100C Motor mit 125 PS.
Bristol-Feinspitze haben meist den Film „Absolute Beginners“ aus dem Jahre 1986 daheim,
denn darin spielt David Bowie einen Schaufensterdekorateur, der in einer kurzen, für BristolEnthusiasten aber denkwürdigen Szene, lebensgroße Weihnachtsmänner im Fonds eines Bristol
405 Cabrios durch London chauffiert.
1956 wurde die Automobilabteilung aus dem
„Um die gewachsenen Fahrleist­
ung auch sicher
im Griff zu haben
bekam die Vorderachse einen
Stabilisator und
die Bremsen
bekam ‘Alfin’
- ‘aluminium
finned’ - Brems­
trommeln, die
die Wärme besser
ableiteten.”
2/2012 Austro Classic
45
Bristol Automobile
Bristol 408.
Der rare Bristol 407 Zagato (oben und unten).
Bristol 407.
Anglo-Amerikanische
Co-Produktion - der Arnold
Bristol.
46
Luftfahrtkonzern herausgelöst und schließlich
1960 in einem „Management-buy-out“ von Sir
George White und Anthony Crook übernommen. 1973wurde Tony Crook alleiniger Eigentümer von Bristol Cars.
1958 wurde der 405 durch den Typ 406 abgelöst, der die Linie des 404/405 fortsetzte, allerdings zum klassischen 2-türigen Viersitzer zurückkehrte. Da Bristol mit einem 2-Liter-Motor,
dessen Wurzeln in den 30-er Jahren lagen, in der
sportlichen Luxusklasse nicht mehr konkurrenzfähig war, versuchte man in Filton der traditionellen Sechszylinder auf 2,2 Liter Hubraum
zu vergrößern. Die Motorleistung blieb dabei
gleich, allerdings verbesserte sich der Drehmomentverlauf bei geringerer Drehzahl. Der Bristol 406 war auch eines der ersten Automobile
mit vier Scheibenbremsen.
Dass der vergrößerte Motor keine wirkliche Lösung für das mittlerweile bestehende Leistungsdefizit gegenüber dem Mitbewerb war, zeigte
sich auch in den Verkaufszahlen - nach nur 174
Stück kam 1961 schon ein Nachfolger. Sechs
Bristol 406 hatten eine spektakuläre Karosserie
aus dem Hause Zagato, zwei davon auf verkürztem Chassis.
Ein kleiner Preischeck: 1961 kostete in Frankreich ein Mercedes 220 COupe 37.000 Francs,
ein Lancia Flaminia Coupe 39.000 Francs, ein
Alfa Romeo 2000 Sprint 33.400 Francs - und
der letzte Sechszylinder-Bristol 65.000 Francs.
Aber in diesem Jahr war auch bei Bristol die
Zeit des altehrwürdigen Motors aus den 30er
Jahren abgelaufen und mit dem Bristol 407 be-
Austro Classic 2/2012
gann eine neue Epoche, die bis heute andauert.
Äußerlich sah der 407 gar nicht revolutionär aus
und glich bis auf ganz minimale Details seinem
Vorgänger, aber unter der Motorhaube....
Bristol war nach reiflicher Überlegung auf Einkaufstour nach Amerika gegangen und kam mit
einem V-8 von Chrysler (5.130 ccm, rund 250
PS und aus kanadischer Produktion) zurück.
Wie andere Kleinserienhersteller davor und danach hatte Bristol erkannt, dass es nirgendwo
günstigere Pferdestärken als in Amerika gab.
Die Kraftübertragung erfolgte über eine Torqueflite Dreigangautomatik - eine weitere Neuerung für Bristol. Der Verkaufspreis war mittlerweile auf stolze 5.141 Pfund angewachsen, aber
mit einer Spitze von 200 km/h und einem Sprint
auf 100 km/h in 9,2 Sekunden war Bristol jetzt
wieder ganz vorne dabei. Ein kräftig überarbeitetes Fahrwerk - Spiralfedern, neue Lenkung,...
- sorgten dafür, dass der Wagen den gewaltigen
Kraftzuwachs auch sicher auf die Straße brachte. Für die angestammte Klientel - Shocking,
what‘s an American engine doing in here? muss es aber doch ein gewisser Schock gewesen
sein - bis 1963 hielt sich die Stückzahl mit 88
Exemplaren in Grenzen.
Mit dem Bristol 408 (83 Stück zwischen 1963
und 1966) stand eindeutig wieder die Evolution
im Vordergrund. Die erste Serie hatte die idente
Technik und nur an der Front war der Lufteinlass
der Sechszylinder-Modelle einem rechteckigen
Kühlergrill gewichen. Die Bristol 408 der zweiten Serie hatten eine modifizierte Drucktastenautomatik, die Bedienungsfehler ausschließen
Bristol 409. Rechts Typ 410 - man beachte die
Unterbringung des Reserverades.
Links: Bristol 411 - Mr. Anthony Crook beim Testen der
Avon Safety Wheels. Bei einer Geschwindigkeit von 144 Meilen
(231 km/h) wurde ein Reifenplatzer herbeigeführt.
sollte, ein Getriebegehäuse aus Leichtmetall, das
mehr als 30 kg an Gewicht sparte und einen um
knapp 100 ccm vergrößerten V-8.
Der von 1965 bis 1967 zeitweise parallel zu seine Vorgänger gebaute Bristol 409 ist an seinem
trapezförmigen Kühlergrill erkennbar. Unter
der Motorhaube hatte der gleiche Motor eine
geringfügig höhere Leistung und Bristol stieg
auf die von Chrysler bereits länger verwendete
Wechselstromlichtmaschine um. Eine komfortablere Abstimmung des Fahrwerks, eine etwas
längere Übersetzung der Hinterachse und die
vorerst optional erhältliche Servolenkung setzten
den Weg vom Sportwagen zum „Gentleman‘s
Express“ fort.
In den Jahren 1968/69 hielt der Bristol 410
die Fahnen der kleinen Firma aus Filton hoch.
Wieder ist es für den oberflächlichen Betrachter
schwierig, den Typ 410 von seinem Vorgänger
und seinem Nachfolger zu unterscheiden. Am
ehesten gelingt dies anhand der Scheinwerfer,
die in den Kotflügeln zurückgesetzt sind. In
Summe war die Karosserie in vielen, kleinen
Punkten aerodynamisch verfeinert worden und
insgesamt etwas „runder“ geworden. Wenn man
das Glück hat, einen Bristol 409 und einen Bristol 410 direkt nebeneinander stehend zu sehen,
könnte vielleicht noch auffallen, das die 16 Zoll
Rädern auf 15 Zoll geschrumpft sind. Das Reserverad residierte natürlich nach wie vor hinter
der Klappe im linken, vorderen Kotflügel.
Im Inneren war die einst so beliebte Drucktastenautomatik unter „Beschuss“ der Sicherheitsaposteln geraten, und ebenso wie Chrysler hatte
Bristol von diesem Feature Abstand genommen
- einen Bristol 410 schaltet man über einen konventionellen Automatikwählhebel zwischen der
Vordersitzen.
Und zu Filmruhm ist der Bristol 410 auch gekommen: In der in England beliebten Krimiserie „Inspector Lynley“ fährt der Titelheld zuerst
einen Peugeot, dann einen Jensen Interceptor
und schließlich einen Bristol 410 - das nennt
man wohl sozialen Aufstieg.
Langlebig (1969 bis 1976) und in großer, OK
Der Bristol, der kein Bristol war
relativ,
Stückzahl
(287 Exemplare)
präsentiert
2-Liter Motor,
einem GeIm Jahr 1953
war Bristol
sich
der Wagen
Bristolvom
411.
Vorgänger
wicht dem
von nur
650 kg und
mit zwei
Typ Optische
ausgefeilterden
Aerodynamik
450 bei
densich
24-Stunden
ident
sah
Bristol gezwungen,
Motor
450 in Le Mans
vonwechseln.
Le Mans am
Start, einhattewar
zu
Chrysler
diederProduktion
des
zu 230 km/h schnell Wagen der nicht nur in
„Type
A“ Motors eingestelltbis
und
stattdessen den
Fahrwerte, die sich auch
der Nummernsystematik
Big-Block
B angeboten.
ccm
Type fiel.
heuteMit
noch6.277
sehen lassen
aus dem Rahmen
und
je nach
340 PS war der
könnten.
Vom -Bristol
450Messweise
entstan- - rund
fielen
Wagen
den 1953
dreiein
- manche
Bristol
411
gewaltiger 1953
in beide
Schritt
Richtung
in Le Mans aus aber 1954
Quellen sprechen von vier
Hochleistungswagen.
war Bristol mit drei 450ern
- Stromliniencoupe mit
Zeitgenössische
Testberichte
geben die Spitze
am Start, die die ersten
spektakulären Flossen, die
mit
km/hmitan.denEin
drei Plätze in Sperrdifihrer Klasse
aber 230
eigentlich
tra-serienmäßiges
ferential
helfen,
Kraft
die ohne
Plätze großem
7, 8 und
ditionellensollte
Bristols
wenig die und
9 in derIm
Gesamtwertung
zu tun hatten.
Drama
auf die Straße zu bringen.
luxuriösen
belegten,
eine Leistung,
Das Chassis
stammte
inneren
wurde
das von
traditionelle
Zweispeichendie Bristol die begehrte
Eberan von Eberhorst und
lenkrad
von Bluemel durch
ein Lederlenkrad
Teamwertung sicherte.
war eigentlich der ERA
mit
drei
ersetzt.
Speichen
Für 1955 wurden die WaG-Type, ein Rennwagen für
langen
wurIm
gen auf offene Karosserien
die Laufe
Formel seines
2. Als ERA
in Produktionslebens
umgebautweiterentwiund dominierten
finanziellen
Problemen
war
de
der Bristol
411 kontinuierlich
In der
wieder ihre
Klasse.
und der
geplante
neue Mockelt
- Serie
2: Niveauregulierung,
Serie
3: VierGesamtwertung kamen
tor nicht realisiert wurde,
fachscheinwerfer
und
verstärkte
Lichtmaschine,
sie auf die exakt gleiche
versuchte Leslie Johnson
Serie
4: auf 6.556
Motor
mitDer
Plätze wie im
Vorjahr.
den bewährten
Bristolccm
Mo- vergrößerter
schnellste
Wagen fuhr in
tor in das Chassis
zu verreduzierter
Kompression,
Serie
5: automatische
den ersten 12 Stunden
pflanzenauch
- allerdings
Gurten
für dieblieb
Rücksitze.
dieser Kombination der
Mit
der ProduktionseinErfolg versagt und 1952
stellung
Jahre
1976 war
verkaufte im
er das
ganze
die
Geschichte
Bristol
Projekt
an Bristol, des
die auf
das Chassis
Monoposto
411
noch des
lange
nicht zu
das oben
erwähnte
Coupe
Ende.
Wer
sich unter
www.
aufbauten - fertig war der
bristolcars.co.uk
die
AngeBristol 450. Innovativ für
bote
von
ansieht,
die Zeit
war Bristol
die Transaxelwird
zwischen
Bauweise
- Motor den
vorneaktuelundModellen
Getriebe hinten
len
einengaben
„Bristol
dem Wagen
eine sehr
Series
6“ finden
- der nichts
ausgewogene Gewichtsveranderes
als ein sorgfältig
teilung.
modernisierter
ViergangMit bis zu 157 PS- aus
den
einen Schnitt von mehr als
100 Meilen pro Stunde
(160 km/h) und wurde
danach, um einen sicheren
Sieg nicht zu gefährden,
„zurückgepfiffen“. In
Summe stand der Wagen
während der ganzen 24
Stunden ganze 15 Minuten
an der Box...
1955 war das Le Mans
Rennen mit den schwersten Rennunfall aller Zeiten
und Bristol zog sich aus
dem Rennsport zurück.
Im Werk wurde der beste
Wagen mit Teilen der
anderen neu aufgebaut und
der Rest verschrottet. Der
Wagen blieb für die nächsten 30 Jahre bei Bristol
Cars und Tony Crook.
In den späten 1990ern
wurde der Wagen komplett
restauriert und ist fallweise
bei Veranstaltungen zu
bewundern ...
Bristol
450 in
Le Mans.
2/2012 Austro Classic
47
Bristol Automobile
Bristol 409.
48
Austro Classic 2/2012
Bristol 603.
2/2012 Austro Classic
49
Bristol Automobile
Der Bristol-Motor in
anderen (Renn)-Wagen
Dass der 2-Liter-Sechszlinder ein herausragender
Motor war, stand schon vor
dem Krieg fest, als er den
BMW 328 zum Maß der
Dinge in der Sportwagenwelt machte, und durch die
Feinarbeit in Filton wurde
das Aggregat noch verbessert - kein Wunder, dass
sich kleine und kleinste
Hersteller gerne dieses
Motors bedienten.
Nachfolgend eine
sicherlich unvollständige
Bildsammlung ...
Cooper-Bristol T25.
Cooper-Bristol T20.
Arnolt-Bristol 404.
Cooper-Bristol T22 Sports.
Arnolt-Bristol Bolide
1952.
AC-Ace Bristol.
Von der Stiefschwester zur
Mutter - eine kurze Geschichte
der Firma Frazer Nash
Beginnen wir mit einer
Klarstellung: Frazer Nash
hat mit dem amerikanischen Autobauer Nash
nichts zu tun, sondern hat
den Namen von Archibald
Frazer-Nash, der zusammen mit Henry Ronald
Godfrey unter der Marke
GN 1922 mit dem Bau
von Sportwagen begann.
Die Firma ging bereits 5
Jahre später pleite und
feierte als AFN Limited
eine Auferstehung, ehe sie
1929 von den Aldington
Brüdern übernommen
wurde. Zwischen 1924
und 1030 entstanden
50
rund 400 „chain drive“
Frazer Nash und zusätzlich begann AFN Limited
1934 mit dem Import von
BMW. Nach Jahren der
Kriegsproduktion und der
„Geburtshilfe“ für Bristol
baute AFN schätzungsweise 85 Sportwagen unter
dem „Frazer Nash“ Namen
und begann 1954 mit dem
Import und dem Vertrieb
von Sportwagen der Marke
Porsche. Erst 1987 zur
sich John Aldington
aus der mittlerweile von
Porsche übernommenen
Importgesellschaft zurück.
Bereits 1929 hatte
Archibald Frazer Nash
zusammen mit E. Grattan
Thompson „Nash &
Thompson“ gegründet
und einen hydraulischen
Geschützturm für Kampfflugzeuge konstruiert.
Nachfolgefirmen dieser
historischen Unternehmen
existieren bis heute, z.B.
Frazer-Nash Research, die
sich dem Bau von Elektround Hybridautos widmen.
Frazer-Nash Research
gehört zu „Kamkorp“, die
am 21. April 2011 auch
Bristol übernommen haben
- womit sich der Kreis
schließt.
Austro Classic 2/2012
automatik, elektronische Zündung,... - Bristol
411 ist, also mehr oder weniger nahtlos an den
Bristol 411 Serie 5 des Jahres 1976 anschließt.
Aber zurück in den 70er Jahren bekam der langlebige Bristol 411 gleich zwei Nachfolger. 1975
kam der Bristol 412 heraus, das letzte Modell
mit der traditionellen 400-er Seriennummer.
Der Bristol 412 hatte eine kantige Karosserie
von Zagato mit einem Targadach. Über das Styling gehen die Meinungen auseinander - während die einen die dezent-unauffällige Form
loben vergleichen die anderen den Bristol 412
wenig charmant mit einem übergroßen, übermotorisierten und überteuerten Ford Cortina
Cabrio ...
Unter der kontroversiellen Karosserie fand sich
mittlerweile gewohntes - Chrysler V-8 und
Automatik. 1977 wurde der 412 überarbeitet kleinerer - OK, immer noch 5,9 Liter Hubraum
- Motor, dem geringeren Gewicht angepasste
Vorderachse, neue Sitze und verlängerte Serviceintervalle. Katalysator und verstärkter Überrollbügel sollten den Weg in den lukrativen
US-Markt öffnen - mit limitiertem Erfolg. Die
meisten „amerikanischen“ Bristol 412 wurden
nach Kontinentaleuropa exportiert und einer(!)
soll seinen Weg nach Kanada gefunden haben.
1982 wurde aus dem Bristol 412 der Bristol
Beaufighter, eine Homage an das gleichnamige
Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Erkennbar ist der Beaufighter vor allem an den Doppelscheinwerfern. Wichtiger war wohl, dass der V-8
einen Turbo von Rotomaster bekam, wodurch
die Fahrleistung nochmals substantiell - auf 150
Meilen resp. 242 km/h - gesteigert wurden.
Die Produktion des Beaufighter wurde 1993
eingestellt, aber bis 1994 sollte noch die letzte
Variation des Bristol-412-Themas gebaut werden. Der Bristol Beaufort, der Name eines anderen Flugzeugtyps aus dem Zweiten Weltkriegs,
hatte statt des Targa-Bügels des 412/Beaufighter
ein elektrisch versenkbares Stoffdach, war also
ein Vollcabrio. Zum Ausgleich für den fehlen-
Frazer Nash Vorsitzender Kamal Siddiqi mit einer
Frazer Nash Le Mans Replica.
Namir und (Startnummer
48) Frazer Nash DKW
(Nachkriegsmodell).
Zweimal Bristol 412. Rechts: Bristol 603S.
Unten: Bristol Beaufighter Prospekt.
den Überrollbügel wurde der Scheibenrahmen
verstärkt und dank eines 136-Liter-Tanks hatte
der Beaufort trotz des durstigen V-8 eine Reichweite von 800 km. Fast alle der wenigen gebauten Beaufort waren linksgesteuert und wurden
nach Kontinentaleuropa exportiert.
Ein Jahr später stellte Bristol den zweiten Nachfolger des 411 vor. Der Bristol 603 beendete
nicht nur die traditionelle Serie der 400-er Typennummern sondern hatte auch eine komplett
neue Karosserie, die keine Mutation des Bristol
406 aus den späten 50er Jahren war. Laut Herstellerangabe bot die neue Karosserie den Insassen mehr Raum als alle Bristols davor.
Die Energiekrise der 1970er Jahre ging auch an
der wohlhabenden Klientel der Firma Bristol
nicht spurlos vorbei und der Bristol 603 wurde
als 603 E mit einem „kleinen“ V-8 von „nur“
5,2 Liter Hubraum und als 603 S mit 5,9 Liter Hubraum angeboten - beide Versionen waren sparsamer als die Vorgänger. Im Innenraum
fanden sich als neue Luxusmerkmals elektrisch
verstellbare Sitze und eine Klimaanlage.
Mit der Serie 2 - neue Scheinwerfer und Kühlergrill - war die Energiekrise vorerst einmal
vergessen und es wurde nur mehr der große V-8
angeboten und mit der Einführung der Serie 3
- kleinerer Kühlergrill und neue Rückspiegel wurden auch die Autos der Type 603 nach historischen Flugzeugen benannt.
Der Bristol Britannia - benannt nach einem
viermotorigen Turboprop-Verkehrsflugzeug der
50er Jahre - war die „Standardversion“ und der
Bristol Brigand - benannt nach einem 1945 eingeführtem zweimotorigen Kampfflugzeug - hatte den aus dem Bristol Beaufighter bekannten
Rotomaster Turbo, der für beeindruckende Fahrleistungen sorgte.
Die vierte Serie des Bristol 603 höre auf den
klingenden Namen „Blenheim“ - erraten, wieder einem Namen aus der ruhmreichen Luftfahrvergangenheit der Firma. Mit Benzineinspritzung und geänderten Scheinwerfern gehört der
Blenheim in der mittlerweile vierten Serie und
ohne die Typenbezeichnung „603“ auch heute
zum aktuellen Angebot von Bristol.
Womit wir in der Modellpalette in der Gegenwart angekommen sind. Bristol baut derzeit
wahrscheinlich eine geringere Stückzahl - über
Produktionszahlen spricht man nicht - von mehr
unterschiedlichen Modellen als je zuvor. Neben
den bereits erwähnten Modellen „Series 6“ und
„Blenheim“, hat der kleine Hersteller zwei weitere Typen im Programm, die nicht wirklich als
Automobile für gesetzte Gentlemen durchgehen.
Der Blenheim Speedster ist ein kurioser zweisitziger Roadster, dessen Form angeblich auf einen
Prototypen der 50er Jahre zurückgeht und stark
an die Modelle 404 und 405 erinnert. Mechanisch basiert der Speedster auf dem Blenheim,
ist aber um rund 250 kg leichter - woraus atemberaubende Fahrleistungen - 160 mph (knapp
260 km/h) und um die 5 Sekunden für den
Sprint auf 100 km/h - resultieren.
Wem der Speedster langweilig erscheint, dem
sei der Bristol Fighter - richtig, da gab‘s doch
ganz am Anfang unserer Geschichte ein Flugzeug dieses Namens – empfohlem. In einem
massivem Rahmen und unter eine Karosserie
aus Aluminium und Carbon tut ein Motor von
Chrysler seinen Dienst, allerdings handelt es
sich dabei nicht um den „banalen“ V-8 sondern
um den 8 Liter V-10 aus der Dodge Viper mit
einer auf 550 PS gesteigerten Leistung.
Die Fahrleistungen werden bescheiden mit 210
mph (338 km/h) und „weniger als 4 Sekunden“
„Über das Styling
gehen die
Meinungen
auseinander während die
einen die dezentunauffällige Form
loben vergleichen
die anderen den
Bristol 412 wenig
charmant mit
einem über­
großen, übermotorisierten und
überteuerten Ford
Cortina Cabrio ...”
2/2012 Austro Classic
51
Bristol Automobile
Bristol Brigand und (rechts
bzw. unten) Bristol Fighter.
auf 100 km/h angegeben. Der Bristol Fighter
bietet zwar die Fahrleistungen eines vergleichbaren Supercars, hat aber nicht dessen Einschränkungen, da er relativ schmal ist und gute Sicht
bietet, da der Fahrer nicht in eine halbliegende
Position gezwungen wird.
Und sollte ein wirklich wohlhabender und verwöhnter Kunde damit noch immer nicht zufrie-
52
Austro Classic 2/2012
den sein und es sich unbedingt mit dem Bugatti
Veyron des Nachbarn „anlegen“ wollen, dann
hat Bristol zum Glück noch den Bristol Fighter
T - T für Turbo - im Angebot. Mit angegeben
1.012 PS sollte die theoretische Spitze bei 270
mph (434 km/h) liegen...
Aber kehren wir aus der abstrakten Welt der
Supercars in die reale Welt der wirtschaftlichen
Probleme zurück, von den auch eine Firma wie
Bristol nicht verschont geblieben ist.
Bereits 2001 hatte Tony Crook Bristol verkauft
und sich 2007 endgültig ins Privatleben zurückgezogen. Unter dem neuen Besitzer und Chairman Toby Silverton wurde die Firma vorsichtig
- ganz im Stil des Hauses - „renoviert“ und Silverton war auch für den „frischen Wind“ in Gestalt des Fighter verantwortlich.
In den wirtschaftlichen Turbulenzen der letzten
Jahre fanden sich dann doch nicht genügend
wohlhabende Gentlemen und am 3. März 2011
musste Bristol Insolvenz anmelden, aber noch
war nicht alles verloren, denn rund 6 Wochen
später gab die „Kamkorp Group“, ein Automobilzulieferer zu dem unter anderem Frazer-Nash
Research gehört, bekannt, dass sie Bristol übernommen hätten - womit wir wieder zum Ausgangspunkt unserer Geschichte - mit Hilfe von
Frazer Nash stieg Bristol einst in den Automobilbau ein - zurückgekehrt sind.
Und damit das Happy End noch perfekter wird,
gab Bristol am 16. Februar dieses Jahres bekannt, dass ein gewisser Sir George White, Sohn
des Gründers von Bristol Cars und Urenkel des
Gründers der „Bristol Tramway Company“ zum
neuen General Manager von Bristol bestimmt
wurde ...

Documentos relacionados