Nr. 9
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Nr. 9
Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 Übung Nr.9 , verteilt am 21.04.08, Abgabetermin Montag, 28.04.08 Umlagerungen: Im Verlauf einer Alkylierung mit einem Alkylhalogenid und einer Lewissäure wie AlCl3 entsteht ein mehr oder weniger freies Carbokation, das als Elektrophil den Aromaten angreift. Eine starke Lewissäure wie AlCl3 zieht stärker am Halogen als eine schwache Lewissäure wie z.B. SnCl4 und führt damit zu einem stärker polarisierten Komplex mit höherem ionischen Anteil – die Grenzstruktur mit einem Carbokation hat also ein höheres Gewicht . Vorwort: Sie sehen im Moment in der Vorlesung sehr viele verschiedene Reaktionen und Reaktionsprinzipien. Diese werden Sie im nächsten Kapitel – Retrosynthese bereits brauchen (vor allem die Reaktionsprinzipien). Teil A dieser Übung ist darum recht lang, weil er zu all diesen Reaktionen Beispiele enthält. Teil A: 1. Probleme der Friedel-Crafts-Alkylierung: Poly-Alkylierung und Umlagerung Die Friedel-Crafts-Alkylierung ist nur in wenigen Fällen präparativ nützlich, weil meist ein Gemisch von mehrfach alkylierten Aromaten entsteht. Ausserdem können primäre Alkylhalogenide im Verlauf der Reaktion umlagern. Mehrfache Alkylierung: Eine Alkylgruppe ist ein Donor und beschleunigt daher die Elektrophile Aromatische Substitution. Methylbenzol (Toluol) z.B. reagiert ca. 20 mal schneller als das unsubstituierte Benzol. Das Produkt einer Friedel-Crafts-Alkylierung ist also reaktiver als das Startmaterial. Das bedeutet, dass wenn nur eine kleine Menge Produkt gebildet wurde, dieses sofort weiterreagiert, und zwar schneller als das eigentlich vorgesehene Startmaterial. Es werden so viele Alkylgruppen übertragen wie sterisch möglich sind. Neben einigen Tricks in der Reaktionsführung (siehe Teil B) ist die übliche Lösung dieses Problems die Friedel-Crafts-Acylierung, gefolgt von einer Reduktion des Acylrestes zur Alkylgruppe. Wie Sie wissen, sind Carbokationen unterschiedlich stabil, je nachdem, ob sie primär, sekundär oder tertiär sind. Durch Wanderung von CH3 oder H kann ein weniger stabiles primäres Carbokation umlagern und zu einem höher substituierten, stabileren Kation werden. Diese Umlagerung ist auch bei der Friedel-CraftsAlkylierung möglich, und zwar umso leichter, je stärker polarisiert der Komplex ist (bzw. je wichtiger die Grenzstruktur „Carbokation“ ist). Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass ein Rest um mehr als eine Bindung wandert. Ebenso ist eine denkbare Folge von mehreren Umlagerungen unwahrscheinlich, wenn darin ein Carbokation vorkommt, das weniger stabil als das Anfangsprodukt ist. c) Geben Sie das erwartete stabilste Carbokation an und dann das daraus resultierende Produkt der Reaktion mit Toluol. Es ist u. U. hilfreich, auch Wasserstoffatome einzuzeichnen. CH3 Cl + AlCl3 Cl a) Mehrfache Alkylierung: Geben Sie an, welche Produkte Sie erwarten, wenn man Ethylbenzol mit Ethylchlorid/AlCl3 behandelt! Was erwarten Sie als Produkt, wenn man statt Ethylchlorid Acetylchlorid einsetzt? Begründen Sie in ein bis zwei Sätzen, warum Sie jeweils dieses Produkt erwarten. b) Geben Sie - da die Friedel-Crafts-Alkylierung problematisch ist - eine Alternativroute an, um zum gezeigten Produkt zu kommen! Cl ? i) iii) Cl ? ii) 2. Drittsubstitution am Aromaten H N ? O NH O Sie haben bereits gelernt, in welche Position ein Donor oder Akzeptorsubstituent am Benzolring den zweiten Substitutenten dirigieren wird. Was aber passiert, wenn bereits zwei Substituenten da sind und ein dritter einzufügen ist? In diesem Fall gilt: Übung 9 Seite 1 von 6 Übung 9 Seite 2 von 6 Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 1. Der stärkste Donor dirigiert in (seine) ortho oder para-Position. 2. Ist ein Donor und ein Akzeptor im Molekül, so wird der Donor dirigieren. 3. Der dritte Substituent wird wenn möglich nicht zwischen zwei anderen Substituenten eingefügt. 4. Sind zwei ähnlich starke Donoren in para-Position zueinander, ist aber der eine viel grösser als der andere, so reagiert aus sterischen Gründen die ortho-Position des kleineren Donors. O i) O S O S iii) HNO 3 N N iii) ii) O ii) Br Geben Sie die erwarteten Produkte an! NO2 HNO3 , H 2SO 4 i) HNO 3, H2 SO4 O O NH2 verd. HNO 3 iv) Fe Fe iv) OH Teil B: 3. Heteroaromaten Benzol und substituierte Benzolringe sind nicht die einzigen Aromaten, an denen eine elektrophile aromatische Substitution möglich ist. Prinzipiell funktioniert sie mit jedem aromatischen System – mit manchen besser, mit manchen schlechter, je nachdem, wie elektronenreich der Aromat ist. Wie würden Sie die folgenden Umsetzungen durchführen? Zu iv): Diese Verbindung heißt Ferrocen und ist ein sogenannter Sandwich-Komplex aus Cyclopentadienyl-Anionen und Fe(II). Auch wenn sie aus drei Teilen zusammengesetzt ist, verhält sie sich wie ein einziges Molekül. Man kann diese Verbindung im Vakuum sublimieren, ohne dass sie sich zersetzt. <Freiwillig:> Für einzelne dieser Umsetzungen kennen Sie bereits mehr als eine Möglichkeit. Wenn Ihr Praktikumsassistent Ihnen den Auftrag gäbe, je 10 g jeder Verbindung herzustellen: Welchen Weg würden Sie dann nehmen? Wie würden Sie sie herstellen, wenn sie jeweils 1'000 Tonnen pro Jahr produzieren sollten? Bedenken Sie dazu, dass im Labor niemand gerne mit giftigen Gasen arbeitet, während es grosstechnisch kein besonderes Problem ist, weil man dort geschlossene Apparaturen hat. Grosstechnisch hingegen versucht man möglichst wenig Abfälle zu produzieren, was wiederum im Labor leider meist keine Rolle spielt. 4. Verschiedene Reaktionen Geben Sie die Produkte an, die unter den gezeigten Bedingungen entstehen! Hinweise: NHAc: Eine acetylierte Aminogruppe. Stickstoff liegt nun als Amid-Stickstoff vor und wird nicht mehr protoniert. Er ist aber immer noch ein π-Donor, wenn auch schwächer. Diese Schutzgruppe wird durch Kochen in verdünnter wässriger Säure wieder entfernt. Friedel-Crafts-ähnliche Reaktionen laufen nicht nur mit Alkyl/Acyl-Halogeniden und Lewis-Säuren ab, sondern auch mit vielen anderen Kohlenstoff-Elektrophilen. Bedenken Sie, dass ein Alkohol in Gegenwart einer starken Säure protoniert werden kann und dann Wasser eliminiert. Bedenken Sie auch, dass eine zu grosse sterische Hinderung die Weiterreaktion verhindern kann. OCH3 NHAc H2SO4/SO3 i) O O iii) AlCl3 O O Cl ii) iv) CO, AlCl3, CuCl, HCl AlCl3 Zu iv): CuCl hat die Funktion, die Konzentration von CO in der Lösung zu erhöhen. Übung 9 Seite 3 von 6 Übung 9 Seite 4 von 6 Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 v) OH 2 Vorlesung Allgemeine Chemie II Teil Organische Chemie Prof. R. Peters – Frühjahrssemester 2008 O Aceton Bisphenol A N vi) Cl- H+ OH NMe 2 Na2CO3 vii) N 2+ Cl- viii) CO2 5. Ethylbenzol aus Benzol Ethylbenzol wird grosstechnisch aus Ethen und Benzol mit einer starken Säure als Katalysator hergestellt. Es ist ein Zwischenprodukt in der Synthese von Styrol (engl. styrene), aus dem anschliessend z.B. Polystyrol hergestellt wird (aufgeschäumtes Polystyrol ist als Styropor bekannt, eng. expanded polystyrene, EPS). Die Synthese ist ökonomisch und ökologisch viel eleganter als die meisten Laborsynthesen, weil im Prinzip keinerlei Nebenprodukte als Abfall anfallen. H+ a) Erklären Sie, wie die Reaktion abläuft. Zeichnen Sie dazu ein oder zwei Zwischenprodukte. Wie viele Äquivalente Säure werden benötigt? b) Auch diese Synthese ist im weitesten Sinne eine Friedel-Crafts-Alkylierung und hat mit dem Problem der Überalkylierung zu kämpfen. Ein Umweg über eine Acylierung mit anschließender Reduktion ist hier aber völlig ausgeschlossen, da zur Reduktion entweder eine Zink/Quecksilber-Legierung und Salzsäure (ClemmensenReduktion, Problem: Quecksilberabfälle) oder Hydrazin/KOH (Wolf-KishnerReduktion, Problem: Hydrazin ist hoch karzinogen) nötig sind. Beide Methoden produzieren große Mengen hochgiftige Abfälle und sind bei einer Weltjahresproduktion von über 20 Mio Tonnen nicht machbar. 6. Formselektive Zeolithe <Freiwillige Aufgabe> Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, Alkylierungen auf der Stufe des gewünschten Produktes anzuhalten. Dazu benutzt man sogenannte formselektive Zeolithe. Zeolithe sind mineralische Verbindungen aus Si, Al und O sowie allenfalls Kationen als Gegenionen. Je nach Zusammensetzung und Behandlung sind sie sehr starke Brönsted-Säuren, d.h. an ihrer Oberfläche sind praktisch nackte und damit sehr reaktive Protonen gebunden. Sie können so stark wie konzentrierte Schwefelsäure sein, haben aber den unschätzbaren Vorteil, dass man Sie am Ende der Reaktion einfach durch Filtration entfernen kann, da sie feste Säuren sind. Daneben haben sie noch eine weitere nützliche Eigenschaft: Man kann die Grösse der Poren und der Poreneingänge bei der Herstellung gut steuern – alle Poren und Poreneingänge haben also den gleichen Durchmesser. In der unten gezeigten Skizze ist das Grössenverhältnis zwischen Aromat und Poreneingang korrekt. Herstellung von p-Xylol aus Toluol und Methanol: Zeolith MeOH -H2O Geben Sie zuerst den Reaktionsmechanismus der Alkylierung an, ohne auf die Selektivität einzugehen. Erklären Sie dann, weshalb in hoher Ausbeute nur para-Xylol (1,4-Dimethylbenzol) erhalten wird und keine höher alkylierten Aromaten. Hinweis: Die Alkylierung im Innern des Zeolithen ist reversibel. CH3OH Wie würden Sie nun Ethylbenzol direkt aus Benzol und Ethen in guter Gesamtausbeute herstellen. Hinweise: Es ist technisch kein Problem, Ethylbenzol von unreagiertem Benzol abzutrennen. Über den Druck können Sie problemlos die Konzentration von Ethen in der Lösung regulieren. Die Alkylierung ist reversibel. Falls Sie ein mögliches Prozessschema interessiert: http://www.uop.com/objects/EBOne%20Process.pdf Übung 9 Seite 5 von 6 N.B. p-Xylol wird anschließend zu Terephtalsäure oxidiert; dieses wird mit Ethylenglykol zu Polyethylenterephtalat (PET) verestert und zu Getränkeflaschen gegossen oder zu Kunstfasern versponnen. 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