Westsahara - Ein Land wird Opfer der Geopolitik

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Westsahara - Ein Land wird Opfer der Geopolitik
Westsahara Ein Land wird Opfer der Geopolitik
1. Geographische Voraussetzungen
Lage:
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Nordwestafrika
17° 06' - 8° 40' w. L.
20° 46' - 27° 39' n. Br.
Nach eigenen Berechnungen 264966km²
Zur Bevölkerungszahl gibt es sehr verschiedene Angaben, sie sprechen z. T. von weit
mehr als 200000 Menschen; die Bevölkerungsdichte ist jedenfalls sehr gering
Politische Grenzen zu Marokko (im Norden), Algerien (im Nordosten) und
Mauretanien (im Osten und Süden)
Klima:
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Nordost-Passat ganzjährig, ablandig wehend
Kalter Kanarenstrom vor der Küste
Folgen:
Extrem arid
Wüste Sahara (Wendekreiswüste)
Wüste reicht fast bis ans Meer
Landwirtschaftlich zum allergrößten Teil nicht nutzbar
Topographie:
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Geologisch sehr vielfältig
Höchste Erhebung: 630 m über NN
Wüste (Sandwüste (Erg), Kieswüste (Serir), Fels- und Steinwüste (Hamada),
Trockenflussbetten (Wadis), Sebkhen, sehr wenige Oasen)
Extrem lebensfeindliche Landschaft
Bodenschätze:
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Großer Reichtum an Bodenschätzen
Lagerstätten z. T. im offshore-Bereich
Prospektion aufgrund der Krise noch längst nicht abgeschlossen
Vorkommen im einzelnen:
Riesige Phosphatlagerstätten
Beachtliche Vorkommen bei hoher Qualität:
Eisenerze
Stahlveredler
Uran
Kupfer
Edelmetallvorkommen (Gold und Silber) wahrscheinlich
Erdöl, Ölschiefer, Erdgas und Kohle in bedeutenden Dimensionen
Manganlagerstätten wahrscheinlich
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Edelsteine (Granate, Rubine, Saphire, Topase, Berylle, Turmaline, Quarzvarietäten,
Malachit)
Verkehrsgeographisch gute Lage zum europäischen Markt
Möglichkeit einer exportorientierten Wirtschaft sowie eines relativen Reichtums
der Einwohner
Fischerei: große Fischbestände im kalten Kanarenstrom vor der Küste
Energiepotenziale:
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Hydrosolarkraftwerke möglich
Wärmekraftwerke möglich
Bei Dakhla und La Guera Gezeitenkraftwerke möglich: Speicherbecken durch Bau
eines Dammes, der eine Halbinsel mit dem Festland verbindet
Sonnenergie sehr gut nutzbar (hohe Sonneneinstrahlung!)
Windenergie auf dem Küstenplateau (2000 km lang, sehr windig, sehr dünn besiedelt,
keine anderweitige Nutzung) in sehr großem Ausmaß nutzbar (ungeheures
Leistungspotenzial!) bei gleichzeitiger Möglichkeit (durch verhältnismäßige räumliche
Nähe (eine Möglichkeit, die Straße von Gibraltar zu überwinden (z. B. durch
unterseeische Kabel) muss allerdings noch eingerichtet werden)), das europäische
Stromnetz zu beliefern
Möglichkeit der Unabhängigkeit von teuren Energieimporten und des
Stromexportes nach Europa
Die Westsahara ist keine wertlose Einöde, sondern sie hat ein hervorragendes
Potential an Nutzungsmöglichkeiten und ist daher als Wirtschaftsraum
hochinteressant.
2. Geschichte
Die Sahraui:
Die Sahraui (auch Saharier oder Saharawi) entstammen Berber- und Araberstämmen, die
das Gebiet seit Jahrhunderten besiedeln. Als Sklaven kamen auch Schwarze ins Land. Die
Ethnien machten im Laufe der Zeit einen Assimilierungsprozess durch, sodass sich eine
gemeinsame Kultur herausbildete. Diese ist gekennzeichnet durch eine gemeinsame
Sprache, das Hassaniya (ein arabischer Dialekt), die fast ausschließlich in der Westsahara
gesprochen wird, durch eine ganz eigene Musikform und Tanzform, die sich stark von der
sonst im Orient üblichen unterscheidet, durch eine gemeinsame materielle Kultur
(Wohnung, Kleidung, Schmuck etc.), durch die gemeinsame Religion (sunnitischer Islam)
und durch ein gemeinsames Lied- und Legendengut. Aufgrund dieser gemeinsamen Kultur
und der gemeinsamen Geschichte ist bei den Sahraui inzwischen ein sehr starkes Gefühl
nationaler Zusammengehörigkeit entstanden.
Kolonialisierung durch Spanien:
1884 beschließt Spanien, das Gebiet, bestehend aus den beiden Regionen Rio de Oro und
Saguia el Hamra, zu kolonialisieren. Die Einwohner wollen sich jedoch keiner
Fremdherrschaft beugen und bereits 1885 kommt es zu den ersten schweren militärischen
Auseinandersetzungen. Bis 1912 erfolgt durch Verhandlungen mit den anderen
Kolonialmächten die Festlegung der Grenzen der spanischen Kolonie, die jetzt auch
Spanische Sahara genannt wird. Jedoch gelingt es Spanien erst 1934, das Landesinnere
zu unterwerfen und erst 1958 wird der letzte militärische Widerstand gebrochen.
Ende der spanischen Herrschaft:
Ermutigt durch verschiedene Uno-Resolutionen, die eine Entkolonialisierung der
Westsahara fordern (Selbstbestimmungsrecht der Völker!), wird 1973 die politische und
militärische Befreiungsbewegung Frente Polisario (Frente Popular para la Liberacion de
Saguia el Hamra y Rio de Oro - Volksfront zur Befreiung von Saguia el Hamra und Rio de
Oro) gegründet. Ihr sahrauischer Nationalismus wird treibende politische Kraft des Landes.
Aufgrund des beim sahrauischen Volk vorhandenen Gefühls nationaler
Zusammengehörigkeit besteht übrigens nicht die Gefahr ethnischer Konflikte wie in den
meisten anderen entkolonialisierten Ländern Afrikas.
Nach militärischen Erfolgen der Polisario sowie dem Tod General Francos zieht sich
Spanien 1975 aus der Westsahara zurück.
Besetzung durch Marokko und Mauretanien:
Marokko und Mauretanien sind an dem ressourcenreichen Gebiet interessiert und äußern
bereits vor dem Rückzug Spaniens Ansprüche. Es kommt, ebenfalls noch bevor die
Spanier das Land verlassen, zum sog. "Dreiseitigen Abkommen von Madrid", in dem
Spanien Marokko und Mauretanien die Westsahara zur weiteren Verwaltung übergibt. Auf
dieser Basis wird nach dem Abzug der Spanier die Westsahara von Marokko (hier findet
auf Befehl König Hassans II. der sog. "Grüne Marsch" statt) und Mauretanien besetzt.
Marokko besetzt dabei einen wesentlich größeren Teil des Landes als Mauretanien. Die
Polisario leistet Widerstand und behält große Teile des Landes unter Kontrolle. Am 27. 2.
1976, dem Tag des Inkrafttretens des Dreiseitigen Abkommens, ruft die Polisario die
Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) aus. Der neue Staat erhält eine
Verfassung, eine Fahne und eine Nationalhymne; Hauptstadt ist El-Aaiún. Die Verfassung
ist republikanisch und demokratisch, sie erklärt den Islam zur Staatsreligion und ist
gekennzeichnet durch den sahrauischen Nationalismus, die Idee der Maghrebinischen
Integration sowie das Ziel der Verwirklichung des Sozialismus.
Weitere Entwicklung:
Die Verweigerungshaltung des sahrauischen Nationalismus sowie verstärkte
Kampfhandlungen veranlassen den Großteil der Sahraui, das Land zu verlassen. Die
meisten Flüchtlinge leben noch heute in ärmlichsten Verhältnissen in Lagern in
Westalgerien, das ein Erstarken Marokkos verhindern will und daher die Polisario
unterstützt. Es hat den Sahraui ein Stück Land als eine Art eigenes Staatsgebiet zur
Verfügung gestellt. Auch die sahrauische Regierung befindet sich auf diesem algerischem
Boden.
1979 zieht sich Mauretanien aus der Westsahara zurück und erkennt sie diplomatisch an.
Marokko okkupiert daraufhin auch den vorher mauretanisch besetzten Teil der Westsahara.
1982 erkennt die Organisation für afrikanische Einheit (OAU) die Westsahara als
vollwertiges Mitglied an.
Der Guerillakrieg mit Marokko zusammengefasst:
Die Polisario führt indes den Guerillakrieg um ihr Land gegen Marokko weiter, obwohl die
Westsahara längst von vielen Staaten der Welt anerkannt wird. Insgesamt dauert der
Guerillakrieg gegen Mauretanien und Marokko, nach dem Rückzug Mauretaniens nur noch
gegen Marokko, 15 Jahre. In Marokko werden gefangene Sahraui gefoltert. Die Polisario,
die viele hundert Kriegsgefangene macht, sperrt diese in Gefangenenlager, wo es ihnen
jedoch noch deutlich besser geht als den den sahrauischen Soldaten in marokkanischen
Gefängnissen.
Da ein militärisches Patt eintritt, baut Marokko 1981einen Verteidigungswall um die sog.
"nützliche Sahara" und beendet so den Guerillakrieg.
Im Verlauf der Kampfhandlungen wurden viele Gebiete vermint, insbesondere das Gebiet
des Verteidigungswalls ist stark betroffen.
Marokko versucht lange Zeit , die Kriegsgefangenen totzuschweigen, ansonsten hätte es
nämlich den Exilstaat der Sahraui indirekt anerkannt. Aufgrund dieser Politik verweigert
Marokko 200 alten und kranken Gefangenen, die die Polisario 1988 freilässt, sieben Jahre
lang die Einreise. Seit sich der neue König Marokkos, Mohammed VI., seit 1999 intensiv
um die gefangenen Marokkaner bemüht, wurden bis heute weitere 1015 von ihnen
freigelassen. Aber nach wie vor haben beide Seiten noch viele Gefangene.
Insgesamt hat der Konflikt gewaltiges menschliches Leid erzeugt und tut es noch
heute.
Bemühungen der UN:
Auf der Basis eines Friedensplanes der UN, der von beiden Seiten akzeptiert wird, wird
1991 ein Waffenstillstand geschlossen. Dieser sieht ein Referendum vor, das über die
Zukunft der Westsahara entscheiden soll. Friedentruppen der UN (Blauhelme) kommen ins
Land (Friedensmission MINURSO); sie sind noch heute dort.
Zur gleichen Zeit schickt Marokko tausende Marokkaner als Siedler in die Westsahara.
Man möchte, dass sie von der UN als abstimmungsberechtigt akzeptiert werden und dann
für Marokko stimmen. 1992 bricht der Streit darüber aus, wer abstimmungsberechtigt ist
und wer nicht. In den folgenden Jahren wird das Referendum immer wieder verschoben.
Da Marokko erkannt hat, dass es eine Abstimmung auf jeden Fall verlieren wird, hat es
seine Zustimmung zu diesem zurückgezogen.
3. Perspektiven
Marokko hat bereits wichtige Fördergenehmigungen für Erdöl, Erdgas sowie Phosphat in
der Westsahara vergeben; sie gingen (zumindest für Erdöl und Erdgas) auch an
französische und amerikanische Firmen. Da sich ab einem Rohölpreis ab 26$ pro Barrel
auf dem Weltmarkt die Ölförderung im Maghreb lohnt (der Rohölpreis liegt zur Zeit deutlich
darüber) und die akute Gefahr eines neuen Golfkriegs besteht, der den Ölfluss aus der
Golfregion leicht stoppen könnte und auf jeden Fall den Ölpreis explodieren lassen wird,
sind die Vorkommen in der Westsahara äußerst interessant. Es ist zu einem Ölboom
gekommen.
Frankreich unterstützt die Position Marokkos. Die USA, die bisher für das
Selbstbestimmungsrecht der Sahraui eingetreten sind, haben vor kurzem einen
Kurswechsel vollzogen und stehen jetzt auf Seiten Marokkos. Neben den Ölinteressen
dürfte weiterer Grund für dieses Verhalten der USA die Tatsache sein, dass Marokko ein
wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus ist. Auch Kofi Annan hat
vorgeschlagen, den Sahraui nur noch eine weitgehende Autonomie innerhalb Marokkos zu
gewähren. Sollte der UN-Sicherheitsrat einer Annexion der Westsahara durch Marokko
zustimmen, wird es wieder Krieg geben.
Für eine künftige Westsahara werden die marokkanischen Siedler auf ihrem Gebiet ein
ernstes Problem sein. Die Sahraui empfinden die Marokkaner als andersartig und ein
Nationalitätenkonflikt ist vorprogrammiert, sollten die Siedler das Land nicht wieder
verlassen.
Eine Frage zum Schluss: Warum gibt es eigentlich keine Sanktionen gegen Marokko, wo
es doch massiv gegen Uno-Resolutionen verstößt?
Worterklärungen
Sebcha oder Sebkha (pl.: -en): im arabischsprachigen Raum Bezeichnung für Salzpfanne oder Salztonebene
(Der Brockhaus multimedial 2000 premium)
Salztonebene: innerster Teil abflussloser Becken in Trockengebieten, oberflächlich stark mit Salz
angereichert; bildet sich nach Niederschlägen zu Salzsümpfen oder flachen Salzseen um (Der
Brockhaus multimedial 2000 premium)
offshore: in einiger Entfernung von der Küste (Der Brockhaus multimedial 2000 premium)
Prospektion: das Untersuchen von Lagerstätten nach geologischen, geophysikalischen, geochemischen und
bergmännischen Methoden (Der Brockhaus multimedial 2000 premium)
Ein Hydrosolarkraftwerk würde hier so funktionieren: Mehrwasser wird in Sebkhen geleitet, deren Sohlen
unter dem Meeresspiegel liegen. Dabei treibt es Turbinen an. Durch die hohe Verdunstungsrate in der
Sebkha ist ein kontinuierlicher Wassernachfluss gewährleistet. In der Westsahara wären an verschiedenen
Stellen Kraftwerke mit jeweils mehreren MW Leistung möglich.
Den hier gemeinten Typ von Wärmekraftwerken baut man an Küsten, die durch hohe
Wassertemperaturgegensätze gekennzeichnet sind, wie z. B. die der Küste der Westsahara. Warmes
Oberflächenwasser wird durch Unterdruck verdampft und mit dem Dampf werden die Turbinen angetrieben.
Anschließend wird der Dampf mit kaltem Auftriebswasser kondensiert, wodurch eine Saugwirkung entsteht,
die für den erforderlichen Unterdruck sorgt. Ein solches Kraftwerk kann mehrere tausend KW leisten und
produziert gleichzeitig große Mengen Süßwasser.
Auftriebswasser: durch Aufwärtsbewegung aus tieferen, kälteren Schichten an die Meeresoberfläche
gelangtes Wasser; es ist salz- und sauerstoffärmer, aber nährstoffreicher und führt zu besonderem
Plankton- und Fischreichtum (Der Brockhaus multimedial 2000 premium)
Ein Gezeitenkraftwerk verfügt i. d. R. über ein Speicherbecken, das durch einen Damm vom Meer getrennt
ist. In diesem Damm sind Durchgänge vorhanden, in denen Turbinen angebracht sind. Gezeitenabhängig
strömt Wasser durch die Durchgänge in das Speicherbecken hinein und wieder hinaus und treibt somit die
Turbinen an. Ein Gezeitenkraftwerk kann sehr hohe Leistungen erbringen, z. B. leistet das Gezeitenkraftwerk
an der Rancemündung bei St. Malo in Frankreich 240 MW.
Als Maghreb werden Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, die Westsahara und Mauretanien bezeichnet.
1989 gründeten Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Mauretanien die Maghreb-Union (Union der
Arabischen Maghreb-Staaten) zur Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, kulturellem und wissenschaftlichem
Gebiet. Zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes wurden 1995 die Zollschranken zwischen den
Mitgliedsländern abgebaut. Die Maghrebinische Integration scheint aufgrund der großen wirtschaftlichen
Probleme der einzelnen Staaten notwendig.
Aufgrund der problematischen Quellenlage in Bezug auf dieses seit Jahrzehnten in
einer schweren Krise befindlichen Landes sind Sachfehler möglich!
Hans Benno Leicht, Januar 2003
Links zur Westsahara:
-- Bei Informationen zur Westsahara immer beachten, ob von der politischen Westsahara
(dem Staat bzw. seinem Gebiet) oder der geographischen Westsahara (Gebiet der
westlichen Sahara, wesentlich größer als der Staat Westsahara) die Rede ist! -
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http://www.wsahara.net
http://www.arso.org
http://home.t-online.de/home/cm.brenneisen/week.htm
http://home.t-online.de/home/wolfgang.creyaufmueller/w-sahara.htm
http://www.saharawind.com/de
http://www.ify.ch/africa/westerns.htm

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