inbrief 37 - Berufsverband Deutscher Markt

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inbrief 37 - Berufsverband Deutscher Markt
inbrief
Organ des Berufsverbandes Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. August 2013
Fokus
Best Paper 2013
Wahljahr 2013
90
Nicht nur Bundes- und Landtagswahlen
stehen in Kürze ins Haus. Vom 14. September bis zum 4. Oktober läuft die Wahl
der Delegierten zum Fachbeirat. Der BVM
bittet alle seine persönlichen Mitglieder,
zu wählen, und stellt die Kandidaten noch
einmal vor.
Excellence 2013
16
Auf der festlichen Gala zum diesjährigen
BVM-Kongress wurden die Sieger im
Wettbewerb zum Preis der Deutschen
Marktforschung geehrt. Lesen Sie mehr
zu den hervorragenden Leistungen der
Sieger und Nominierten.
Profession 2013
Die Diskussion darüber, wo die Marktforschung heute steht und wohin es in Zukunft
gehen wird, hält an. Dazu Beiträge von
Hartmut Scheffler und Dr. Benedikt Köhler
und ein Interview von Dr. Michael Bartl mit
Edward Appleton, Avery Dennison Zweckform.
6
Identität geprüft.
Per Bankdaten.
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Nicht nur die Bilder unserer Panelisten sind echt.
Consumerfieldwork validiert die Identität der Mitglieder seines
Online-Panels: Wir zahlen nicht per Paypal oder Gutscheincode
aus, sondern nur per Überweisung. Dabei übermitteln uns die
Banken die Namen der Empfänger. Wir gleichen ab und sperren
Duplikate und alle Teilnehmer mit falscher Identität.
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INHALT
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
dieses Heft steht ganz im Zeichen des BVM-Kongresses im April dieses Jahres, der sich aus unterschiedlichsten Perspektiven mit dem Thema Innovation beschäftigt hat.
Neben einer kurzen Rückschau auf die spannenden Keynotes der Professoren Christian Blümel­
huber, Universität der Künste in Berlin, Gunter Dueck, langjähriger Chief Innovation Officer IBM
i.R., und Marc Hassenzahl, Folkwang Universität der Künste, sowie von Dr. Tobias Hildenbrand,
SAP, und Dr. Karlheinz Steinmüller, Z_punkt, informieren wir Sie über die Arbeiten der Sieger und
­Nominierten im diesjährigen Wettbewerb zum Preis der Deutschen Marktforschung.
Im Schwerpunktthema dieser Ausgabe finden Sie darüber hinaus die meisten der in diesem Jahr eingereichten Kongressbeiträge für das Best Paper 2013. Und unter dem Stichwort „Profession“ führen
wir mit Beiträgen von Hartmut Scheffler, ADM-Vorsitzender, sowie von Dr. Benedikt Köhler, d.core,
die Diskussion über die zukünftige Entwicklung unserer Branche weiter. Lesen Sie zu ­diesem Thema
auch das Interview, das Dr. Michael Bartl, BVM-Vorstand, mit Edward Appleton, Avery D
­ ennison
Zweckform, geführt hat.
Pilotprojekt: BVM inbrief digital
Das Thema „Innovation“ spielt auch für die Redakton des BVM inbriefs eine wichtige Rolle:
Der inbrief 2013/2 erscheint erstmals sowohl als gedruckte als auch als elektronische Ausgabe.
E-Magazine stellen aktuell noch ein absolut neues Terrain des Publizierens und auch der redaktionellen Gestaltung dar – mit vielen Möglichkeiten, aber auch mit dem Handicap, dass die Leser
anspruchsvollerer Fachtexte diese lieber in gedruckter Version lesen.
Die elektronische Version des BVM inbrief ist eine erste, mit bescheidensten Mitteln realisierte Pilotversion, die nicht im Mindesten die Möglichkeiten eines professionell gestalteten E-Magazins nutzen
konnte. Sie ist als ein Anfang zu verstehen, die sich mit Ihrer Hilfe und mit zunehmender Erfahrung
sowohl redaktionell, gestalterisch und – vor allem – auch technisch weiterentwickeln wird. Das wird
mit Sicherheit noch einiges an Arbeit und Investition erfordern.
Der BVM-Vorstand bittet Sie, sich neben der gewohnten Printausgabe auch die elektronische Pilot-Ausgabe anzusehen und dazu ihre
Meinung sowie Wünsche und Anregungen zu äußern. Sie helfen uns
damit, dieses noch junge Pflänzchen zu verbessern und zukunftsfähig
zu machen.
Fachbeiratswahlen: Wählen Sie die Delegierten
Sehr wichtig: In diesem Jahr stehen nach vierjähriger Amtsperiode wieder die Fachbeiratswahlen auf der Tagesordnung. Die Wahlunterlagen gehen allen persönlichen Mitgliedern, auch denen,
die im Rahmen einer korporativen Mitgliedschaft als persönliches Mitglied gemeldet sind, bis zum
14. September zu. Die 20 Kandidaten stellen sich in dieser Ausgabe des BVM inbriefs vor.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe und bitten Sie nochmals, sich auch die
elektronische Ausgabe anzuschauen und uns über [email protected] mitzuteilen, was Sie davon
halten und was an Verbesserungen Sie sich wünschen.
Ihre Dr. Ulrike Schöneberg
BVM inbrief August 2013 3
Inhalt
Profession 6
Marktforschung 2013:
6
Etwas mehr Selbstbewusstsein,
bitte!
„Das Ende unserer Profession ist
nah!” Wenn man die vielen Artikel
und Vorträge über Anforderungen an
die Marktforschung und ihre Zukunft
liest und hört, so muss einem angst
und bange werden. Ein Appell von
Hartmut Scheffler, ADM
New Market Research
8
Von Modeerscheinung kann keine
Rede sein, so Edward Appleton,
Avery Dennison Zweckform, in einem
Interview mit Dr. Michael Bartl, BVM,
und fordert ein Umdenken der „klassischen Marktforschung”
Editorial3
13
BVM-Services
BVM-Seminare im Herbst 2013 – BVM-Handbuch
2013/2014 – Gerichtsurteile auf der BVM-Website –
BVM auf der Research & Results-Messe in München
– Rabatt für BVM-Mitglieder für den ESOMAR-Kongress
2013
BVM-Regionalgruppen96
Berlin – Regionalgruppenveranstaltungen
Impressum99
BVM-Verbandsarbeit 84
Dank an langjährige Mitglieder des BVM
Ferner: Richtlinie für Studien im Gesundheitswesen –
ADM-Veranstaltung zur IT-Sicherheit – Wahlausschuss
– Geschäftsbericht ADM und BVM – Rat der Deutschen
Markt- und Sozialforschung
Mitgliederversammlung 2013
Fachbeiratswahlen 2013
AKQua-Planning-Team – Plenumveranstaltungen 2013
Preis der Deutschen
Marktforschung 2013 16
Kongress der Deutschen
Marktforschung 2013 26
Vorbilder, Vorreiter und Innovatoren.
Kongressrückblick: Wirkliche Innovation braucht so viel Energie wie
der Kampf um eine Goldmedaille
Auf der festlichen Gala anlässlich
des 48. BVM-Kongresses wurden
zum neunten Mal die Sieger im
Wettbewerb um den Preis der Deutschen Marktforschung in den Kategorien „Persönlichkeit des Jahres“,
„Innovationspreis“, „BVM/VMÖ Nachwuchsforscher“ und
„Best Paper“ geehrt. Informationen zur Persönlichkeit
2013 und den Arbeiten der Sieger und Nominierten in
den Kategorien Innovationspreis und BVM/VMÖ-Nachwuchsforscher.
4 BVM inbrief August 2013
Abgrenzung oder Öffnung –
10
das ist die Frage
Dr. Benedikt Köhler, d.core, zu den
aktuellen Entwicklungen im Markt
der Informationsdienstleistungen und
den möglichen Auswirkungen für die
Profession – Anmerkungen zur Neupositionierung des niederländischen
Marktforscherverbands MOA
Premiere: BVM zeichnet erstmals
gelungene Präsentationen auf dem Kongress aus
Von Eisbergen, Cola-Flaschen und der Sexyness der
Marktforscher. FAMS-Auszubildende schildern, wie
Marktforscher von morgen den Kongress der
„MaFo-Szene“ erobern.
Im Fokus: Best Paper 2013 – Die vielen Gesichter der Innovation
Best Paper 2013: Dr. Alexander
Fink, SCMI, Gudrun Kneißl, MAN
Truck & Bus, und Hanna Rammig,
SCMI:
Gemeinsam Branchenzukünfte vor­
ausdenken. Szenarien zur Zukunft
von urbaner Mobilität, Nutzfahrzeugen und busbasiertem Reiseverkehr
Nominiert: Dr. Josef Köster,
BMW, und Frank Schomburg,
nextpractice
Das gefühlte Morgen. Simulation
zukünftiger Alltagswelten als Werkzeug der Zukunftsforschung
Nominiert: Michael Schießl, eyesquare, und
Dr. Steffen Schmidt, Universität Hannover
Bridging the gap Integriertes Modelling von impliziten
und expliziten Messmethoden zur Vorhersage von
Verhaltensentscheidungen
Gabriele Hildmann, ARGE InnovationsPlattform, und
Professor Dr. Ulrich Vossebein, TH Mittelhessen
Wissen, was die Kunden nicht wissen können –
zur Bedeutung der internen Unternehmenskultur im
Innovationsprozess
Dr. Thomas Rodenhausen, Harris Interactive
Wie Smartphones die Onlinemarktforschung verändern.
Konsequenzen des Fortschritts der mobilen Kommunikation
35
Gerald Neumüller, SevenOne
Media
ROI Analyzer – ein Modelling-Ansatz
zur Erfassung der langfristigen
Werbewirkung
Petra Fetzer, Hucon, und Dr.
­Steven Schuh, MAN Truck & Bus
Betroffene zu Beteiligten machen. Zum Innovations­
potenzial der Marktforschung in Unternehmen
Dr. Martin Neumann, KSPG, und Dr. Andreas Riel,
ILI Consulting
Ideation and Fuzzy Front-End. Strukturierte Ideen­
generierung im Innovationsmanagement eines
Tier-1-Automobilzulieferers
Karin Immenroth, L’Équipe L’Oréal, sowie Catrin
Klein und Andreas Neef, L’Oréal
Mediaplanung 3.0. Real-Time-Beobachtung, Steuerung,
Optimierung und Prognose von Werbekampagnen durch
LIVE-Monitoring
Mark Schiefelbein, Wakoopa
Unser Leben – online und in Farbe. Zur Motivation und
den Unterschieden im Nutzungsverhalten von Konsumenten bei Online-Aktivitäten und Kaufentscheidungen
Detlef Happel, Dialego
Bretter vorm Kopf. Über Geht-Nicht-Paradigmen zum
Thema Innovation und zur Frage, wie es trotzdem
­funktioniert
Nominiert: Mathias Streicher,
Universität Innsbruck
From the Hand to the Mind – zur
Relevanz haptischer Eigenschaften
von Marken
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BVM inbrief August 2013 5
INHALT
Profession
Marktforschung 2013
Etwas mehr Sel
Hartmut Scheffler, ADM-Vorsitzender, zum
Thema Innovation und Marktforschung
auf dem BVM-Kongress 2013
„Das Ende unserer Profession ist nah!” In Anbetracht der vielen Artikel und Vorträge über
Anforderungen an die Marktforschung und
ihre Zukunft muss einem angst und bange
werden.
Manchmal entsteht der Eindruck, unsere Branche bestünde
aus rückwärtsgewandten Menschen, die Herausforderungen
der Zeit verkennen, sich im Elfenbeinturm von Methoden und
Statistik verlieren und über die die Geschichte eher früher als
später hinweggehen wird: Als gehöre Marktforschung in einigen Jahren zur Vergangenheit, als Erscheinung mit einer Blütezeit zwischen 1980 und 2010. Um nicht der Naivität gescholten zu werden: Es ist absolut richtig, dass sich unsere Branche
sehr schnell verändern und in ihren Geschäftsmodellen umfassend neu aufstellen muss. Die Frage ist nur, ob man uns
dies zutraut und ob wir selbst uns dies zutrauen oder nicht.
Wenn ich all die Nachrufe in spe lese, dann erkenne ich umfassend, wo wir uns ändern sollten und ändern müssen. Aber
ich erkenne überhaupt nicht, wer denn, wenn nicht wir selbst,
die unbesetzten Felder sofort besetzen und sich der offenen
Aufgaben annehmen sollte oder könnte. Natürlich gibt es
Aufgabenstellungen, die mehr mit IT und Technologie zu tun
haben und von entsprechend spezialisierten Unternehmen
übernommen werden können – Teile von Big Data sind hier
nur ein Beispiel.
Aber Marktforschung war, ist und wird deutlich mehr sein als
die optimale Nutzung von Technologie oder eine Profession,
die endlich knapper formuliert, schöner bebildert und dem immer wieder geforderten und von vielen nicht ernst gemeinten
Trugschluss eines Unternehmensberaters hinterherläuft.
Die Marktforschung hat sich immer als Anbieter eines ganzheitlichen Prozesses von Verstehen, Operationalisieren und
Umsetzen, Analysieren und Interpretieren verstanden, an
dessen Ende die Abgabe von Ergebnissen und Empfehlungen steht, die auf bestmöglicher Datenbasis und auf hoher
Qualität basieren. Dass sich dabei Methoden ändern, dass
der Methodenstrauß bunter, valider geworden ist: geschenkt.
Dass viele Fragen mit vorhandenen Daten anstelle von neu zu
erhebenden Daten beantwortet werden können: geschenkt.
Dass lange verbale Interviews durch non-verbale, qualitative,
ethnografische etc. Verfahren ersetzt werden: geschenkt!
6 BVM inbrief August 2013
INHALT
Aber dass die umfassenden, die Existenz und die Wichtigkeit
von Marktforschung begründenden (neuhochdeutsch:) Skills
auch von anderen in dieser Kombination zur Verfügung gestellt werden könnten, die die Marktforschung bzw. die entsprechend ausgebildeten Marktforscher überflüssig machen
sollten: nicht geschenkt!
Betrachten wir doch einmal ganz objektiv und durchaus optimistisch unseren USP. Ich bitte diejenigen, die eine andere
Profession, eine wirkliche Alternative dagegensetzen können,
sich zu melden. Ich möchte nur sieben Punkte erwähnen, und
diese Liste ist sicherlich nicht vollständig:
1.Marktforscher müssen Menschen-Versteher sein. Wir haben als Soziologen und Psychologen gelernt, Menschen,
Gruppen, Gesellschaften in ihrem Verhalten und ihren Einstellungen zu verstehen. Eine Fähigkeit, die in Zukunft in
einer immer komplexeren und komplizierteren Welt an Bedeutung zunimmt.
2.
Marktforscher kennen die methodologischen und methodischen Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Datensammlung. Diese Kenntnis wird quantitativ an
Bedeutung verlieren, aber als wichtiges Thema nicht verschwinden.
3.
Marktforscher haben schon immer Informationen verknüpft (Connect), mal durch „Nebeneinanderlegen” aller
wichtigen Quellen, mal durch entsprechende statistische
Verfahren der Datenfusion. Diese Fähigkeit wird u.a. als
Teil der Big-Data-Thematik weiterhin gefragt sein: Und hier
geht es weniger um die Maschinen (IT) als um das Verstehen.
4.Durch Ausbildung und tägliche Praxis, ja auch durch Richtlinien und Qualitätsnormen konnten und können Marktforscher bewerten: die Datenqualität, damit die Aussagekraft
der Daten und damit die Verwendbarkeit für Empfehlungen. Müßig zu sagen, dass bei zunehmenden Datenmengen diese Fähigkeit an Bedeutung gewinnt ... oder Informationen beliebig werden.
5.Und klingt es noch so langweilig: Daten müssen analysiert
werden. Statistische Kenntnisse sind notwendig, um das
Sinnvolle und Richtige bewusst zu tun und den Daten relevante Erkenntnisse zu entlocken: eine an Bedeutung zunehmende Qualifikation.
6.Noch versuchen Marktforscher zu bewahren, nämlich Qualität, Ethik und grundsätzliche Fragen des Datenschutzes.
Profession
bstbewusstsein, bitte!
Unterschätzen Sie diese Verantwortung gegenüber Politik
und Gesellschaft, gegenüber Befragten, Zielpersonen und
Kunden und auch gegenüber den Mitarbeitern nicht! Es
wird so oft von CSR gesprochen: Dies ist immer noch gelebte gesellschaftliche Verantwortung unserer Profession,
und sie ist – blicken wir einmal über die Grenzen dieser Profession hinweg – durchaus nicht Allgemeingut.
7.Marktforschung ist innovativ. Hier zeigt die aktuelle Diskussion, zeigen Vorträge, Artikel, Bücher und die globale
Marktforschungspraxis eine im Diskurs befindliche lebendige Profession mit einer Unzahl von sinnvollen – ja,
manchmal auch nicht sinnvollen, weil nicht inkrementellen
– Entwicklungen.
Sieben Aspekte, von denen die meisten in Zukunft an Relevanz
gewinnen. Welche dieser Aspekte können marktforschungsfremde Anbieter, IT-Löser, Do-it-yourself-Paketlieferanten
ebenfalls liefern? Einzelne sicher, und manchmal einzelne sogar besser (für so etwas gibt es Kooperationen!). Das Paket
aber ist unique.
Wenn ich all die Nachrufe in spe lese, dann
erkenne ich umfassend, wo wir uns ändern
sollten und ändern müssen. Aber ich erkenne
überhaupt nicht, wer denn, wenn nicht wir
selbst, die unbesetzten Felder sofort besetzen und sich der offenen Aufgaben annehmen sollte oder könnte.
Es mag ja zuweilen schön sein, morbide den eigenen Untergang zu diskutieren und sich für diesen immer kürzer werdende Zeithorizonte auszumalen.
Wie wäre es mit dem Gegenteil: mit größter Offenheit in Bezug
auf die neuen Herausforderungen argumentieren, aber dabei
auch mit dem Selbstbewusstsein, das auf den eben genannten Stärken basiert.
Der Kongress ist ein Beleg hierfür. Weitere Belege können nur
wir, kann nur jeder einzelne von uns in der täglichen Arbeit
und begleitend in der internen und in der externen Kommunikation liefern. In diesem Sinne und im Namen aller ADMMitglieder: einen selbstbewussten Kongress!
BVM inbrief August 2013 7
INHALT
Profession
Interview
New Market Research?
Von Modeerscheinung kann keine Rede sein, so Edward Appleton, Avery Dennison Zweckform,
und fordert ein ­Umdenken der „klassischen Marktforschung”
Aus der Sicht des Kunden ist die klassische Marktforschung nur eine der möglichen Informationsquellen, die Basis für Entscheidungen unterschiedlichster Art sind. Immer häufiger ist auch
zu hören, dass sie sich auch der Möglichkeiten, die ihnen die sogenannte New Market Research
bietet, bedienen, um produkt- und marktbezogene „Insights” zu gewinnen. Dr. Michael Bartl,
BVM-Vorstand, hat Edward Appleton, Avery, zum Stellenwert dieser neuen Methoden in der Arbeit eines „Insight-Managers” auf Kundenseite interviewt.
Herr Appleton, was bedeutet New Market Research für Sie?
„New Market Research” ist für mich marktforscherisches Weiterdenken jenseits der klassischen Befragungsmethodik. Ich
sehe zwei Facetten: Erstens umfasst New Market Research
diverse neue Messmethoden, die sich ernsthaft bemühen, das
Gefühlte, das Irrationale, Unausgesprochene und Unterbewusste in unseren Entscheidungsprozessen herauszukitzeln.
Wie uns die Verhaltensökonomie beweist: unsere Entscheidungsprozesse sind häufig von nicht-rationalen Faktoren
gesteuert. Oft haben wir keinen geistigen Zugang dazu, wie
wir entscheiden, so sehr dominiert das Intuitive in unserem
Gehirn, oder wie es der Nobelpreisträger Professor Daniel
Kahneman nennt, „System 1”-Denke. Methodologisch muss
die Marktforschung auf diese psychologisch fundierten Erkenntnisse reagieren – uns also bewusst werden, dass viele
Menschen die Frage „Warum glauben Sie das?” gar nicht sinnvoll beantworten können.
Ich war neulich überrascht von den Empfehlungen anderer betrieblicher Marktforscher
auf die Frage, welches Institut sie für eine genannte Aufgabenstellung empfehlen würden.
Es waren mehrere kleinere und eher jüngere,
mir unbekannte Institute dabei, die bei ihren
Auftraggebern aber offensichtlich eine hohe
Zufriedenheit bewirkt haben.
Das bedeutet den sehr bewussten Umgang mit – und die Abkehr vom naiven Gebrauch von – direkten Befragungsmethoden und einen verstärkten Einsatz von Messmethoden mit
höherer Validität. Unser Verhalten beispielsweise können wir
präzise beobachten – die Marktforschung kann das durch ethnographische Ansätze darstellen. Auch Social Media Listening
bietet die Möglichkeit zuzuhören, ohne eine Frage zu stellen,
ebenso wie Netnography. Mit biometrischen Messungen wie
Eye-Tracking oder Facial Imagery Recognition Software können körperliche Reaktionen erfasst werden, die nicht künstlich
durch einen Postrationalisierungseffekt beeinflusst sind.
8 BVM inbrief August 2013
Zum Zweiten ist New Market Research für mich der Ansatz,
Menschen – Endverbraucher – aktiv in das unternehmerische
Tun und Denken einzubeziehen. Dieses iterative, kollaborative
Vorgehen eröffnet uns die Kreativität und Kooperationsbereitschaft unserer Endkunden. Co-Creation und Crowdsourcing
sind zentrale Konzepte dieses neuen marktforscherischen
Denkens. Market Research Online Communities (MROCs) sind
bei Innovationsprozessen enorm nützlich, schnell und kosteneffizient, Open-Innovation-Projekte ebenso.
Denken Sie, dass Marktforschungsinstitute gut genug auf
die von Ihnen beschriebenen Facetten der neuen Marktforschung vorbereitet sind?
Es gibt eine große Bandbreite: Manche Institute gehen offen
mit dem Wandel um, andere – so mein Eindruck – verdrängen lieber, ziehen Bewährtes vor. Die Frage der Geisteshaltung scheint mir hier eher entscheidend als die Firmengröße. Nichtsdestotrotz: der Wandel bietet durchaus Chancen
für Newcomer, die von Natur aus kleiner sind; ich war neulich überrascht von den Empfehlungen anderer betrieblicher
Marktforscher auf die Frage, welches Institut sie für eine genannte Aufgabenstellung empfehlen würden. Es waren mehrere kleinere und eher jüngere, mir unbekannte Institute dabei,
die bei ihren Auftraggebern aber offensichtlich eine hohe Zufriedenheit bewirkt haben.
Edward Appleton
Senior European Consumer
Insights Manager, AVERY
Dennison Zweckform, Holzkirchen
Sie selbst sind ja auch Auftraggeber: Was wird sich für die
Kundenseite durch New Market Research verändern?
Einiges. Ich würde sogar von Aufbruch reden, im positiven Sinne. Früher war man eine Art neutraler Instanz, oft mit wissenschaftlichem Touch, weit weg vom Geschehen im Markt und
im Vertrieb. Heute wird das nicht mehr gewünscht, „Actionability” – aus einer Studie eine klare Handlungsempfehlung
ableiten zu können – ist immer gefordert; man wünscht sich
eine stärkere operative Einbindung. Häufig spielt die Marktforschung in interdisziplinären Teams eine zentrale Rolle; bei
Innovationsprozessen zum Beispiel wird man früh eingebunden. Auch der Fokus ist leicht anders – die Betonung liegt
mehr auf der Identifizierung von Wachstumschancen.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Vorteile von New
Market Research?
Die Qualität der Information ist dadurch eindeutig gestiegen,
und damit auch die interne Glaubwürdigkeit. Marktforschung
hat ein etwas trockenes Image, teilweise sind wir unter Kreativen als Ideen-Killer unbeliebt. Mit den neuen Methoden bringen wir eine Frische in unser Tun, die früher gefehlt hat. Wir
sind schneller mit Antworten da, beweisen durch unsere Nutzung von Web 2.0 – Social Media, Online Communities, Netnography –, dass wir durchaus aktuell handeln und denken. Wir
sind nicht „out-of-touch”.
Es gibt zwei Lager, die man auf den ersten Blick in „jung” und
„älter” einteilen könnte. Auf den zweiten Blick sollte man zwischen Menschen unterscheiden, die offen sind für Wandel,
und anderen, die sich an bestehende Strukturen klammern,
getreu dem Motto: „Das machen wir schon immer so.”
Marktforscher sind von Natur aus vielleicht
eher zurückhaltende Menschen. Wir verabscheuen die Eigenvermarktung, alles Marktschreierische ist uns fremd. Diese Qualitäten
sind bewundernswert, aber vielleicht eine
Bremse.
New Market Research polarisiert – so mein Empfinden. Manche Institute vermarkten ihre New-Market-Research-Services
sehr aggressiv, erwecken damit den Eindruck, dass alles andere keinen Wert hat. Das kann durchaus irritieren, weil es
pauschalisierend und simplifizierend ist. Andere Institute tun
New Market Research als modische Erscheinung ab: „Die kochen auch nur mit Wasser”, so lautet zumindest nach außen
die Beurteilung. Ob diese Reaktion eher durch Verunsicherung
geprägt ist?
Welche neuartigen Tools oder Instrumente finden Sie besonders spannend?
Insbesondere Online Market Research Communities sind
Tools, die bereits als erfolgreich bezeichnet werden können.
Sie sind im Mainstream gelandet, bei Innovationsprozessen
sind sie von zentraler Bedeutung. Beim Crowd-Sourcing sehe
ich eine positive Entwicklung, vor allem wenn End-User mit
Designern und Produktentwicklern zusammengebracht werden. Ich bin ein Fan von Netnography als Shortcut einer echten
Ethnographie: sie ist schneller, kostengünstiger und teilweise
ideenreicher. Schauen Sie sich Pinterest an – da gewinnt man
sehr schnell einen Einblick in idealisierte Welten, die schon
visualisiert sind, da treffen sich Insights mit Inspiration, eine
tolle Kombination.
Aus Kundensicht begrüße ich New Market Research als eine
erfrischende Ergänzung des verfügbaren Instrumentariums.
Je nach Aufgabestellung, Budgetgröße und Timing-Druck kann
man eine neue Methode zur internen Validierung einsetzen.
Für sehr wichtige, strategische Projekte geht sicherlich niemand ein Risiko ein. Bei kleineren Projekten oder in Bereichen
wie Innovationsprojekten, wo eher nichts gegeben ist als „die
richtige Antwort”, sehe ich durchaus die Notwendigkeit zum
Experimentieren.
Welchen Stellenwert haben aus Ihrer Sicht die angesprochenen Methoden, aber auch die Idee des New Market
Research bei den Marktforschern?
Vernetzung muss großgeschrieben werden. Im Rahmen von
Big Data ist es der IT-Bereich, in der Produktentwicklung ist
es der F&E-Bereich etc. Marktforscher sind von Natur aus
vielleicht eher zurückhaltende Menschen. Wir verabscheuen
die Eigenvermarktung, alles Marktschreierische ist uns fremd.
Diese Qualitäten sind bewundernswert, aber vielleicht eine
Bremse. Wir müssen künftig mit vielen Datenströmen arbeiten, um ernsthaft das Wort Insights zu verwenden. Solche
andere Daten – Umsatz- und Profitabilitätszahlen, Kundenfeedback, Metrics aus anderen Abteilungen wie zum Beispiel
Internet-Marketing – sind oft in den Fachabteilungen zu finden. Um von den anderen Abteilungen den nötigen Support
zu bekommen, sogar den Zugriff auf die Daten, muss die
Marktforschung proaktiv handeln, einen Schulterschluss suchen – sonst bleiben uns die Datastreams eher verschlossen.
Das stille Kämmerlein des Zahlen-Gurus muss sich öffnen, wir
müssen uns zeigen.
Dr. Michael Bartl
BVM-Vorstand
Profession
INHALT
Herr Appleton, noch eine abschließende Frage: Wie würden
Sie die Beziehung zu anderen Disziplinen und Fachabteilungen beurteilen, wird es hier auch Veränderungen geben
müssen?
Besten Dank für das Interview. BVM inbrief August 2013 9
INHALT
Profession
Marktforschung 2013
Abgrenzung od
Dr. Benedikt Köhler, d.core, zu den aktuellen
Entwicklung im Markt der Informationsdienstleistungen und den möglichen Auswirkungen
auf die Profession
Der niederländische Verband MOA hat sich
in den letzten drei Jahren intensiv mit Entwicklungen im Markt der Informationsdienstleistungen beschäftigt, zu dem ja nicht nur
die Marktforschung gehört, sondern eine
wachsende Zahl nicht unter dem Etikett
„Marktforscher” auftretender, ebenfalls hoch
qualifizierter Dienstleister und Spezialisten.
Auf dem diesjährigen BVM-Kongress in Berlin
bezog Benedikt Köhler Position zu den Thesen,
die der General­direktor von MOA, Wim van
Slooten, zur neuen Verbandspolitik vorgetragen hatte (siehe dazu auch den ausführlichen
Bericht im BVM inbrief 1/2013)
Dr. Benedikt Köhler, Director Data & Innovation, d.core,
München,
studierte an der LMU München Soziologie, Ethnologie und
Psychologie. 2008 war er Mitgründer der ­Arbeitsgemeinschaft
Social Media e.V., dem ersten Branchenverband für Social Media
in Deutschland, deren stellvertretender Vorstand er gegenwärtig
ist. Er war unter anderem als COO bei dem Hamburger SocialMedia-Monitoring-Anbieter ethority für das operative Geschäft
zuständig und leitete als Director Digital Strategy & Research
die Marktforschungs- und Strategiebereiche. Er bloggt unter
blog.metaroll.de und beautifuldata.net über Data Science und
Visualisierung.
10 BVM inbrief August 2013
INHALT
Vor fast 20 Jahren habe ich Organisations- und Berufssoziologie studiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Studien und
Forschungsfragen, denen ich mich damals gewidmet habe, je
wieder brauchen würde. Doch die gegenwärtige Entwicklung
im niederländischen Marktforschungsverband MOA scheint
mir ein perfekter Anlass zu sein, mich wieder mit diesen Themen zu beschäftigen.
Wim van Slooten beschreibt die aktuelle Situation der Branche wie folgt: Zwei Ereignisse hätten die Marktforschung in
den vergangenen Jahren vor allem erschüttert, einerseits das
wirtschaftlich katastrophale Jahr 2009, andererseits die Folgen der Entstehung neuartiger Forschungsmethoden, neuer
Dienstleister und Datenquellen. Plötzlich sehe es aus der Perspektive der etablierten Marktforschungsinstitute so aus, als
hätten all diese neuen, sehr hippen Konkurrenten das große
Los gezogen: sie generieren neues Geschäft, gewinnen Kunden und verdienen mit Marktforschung gutes Geld.
Natürlich ist das eine große Bedrohung für einen professionellen Verband, der bis dahin das Berufsfeld der Marktforscher repräsentiert hat. Denn das Problem ist, dass diese
neuen Unternehmen sich selbst nicht Marktforscher nennen.
Sie firmieren als Insight-, Analyse-, Data-Mining- oder Market-Intelligence-Dienstleister und nicht als Marktforschungsinstitute. Noch schlimmer ist, dass den Kunden offensichtlich
egal ist, unter welcher Bezeichnung die Forschung, die sie in
Auftrag geben, firmiert. Solange ihre Dienstleister geltende
Rechts- oder Verhaltenskodizes beachten und praktisch umsetzbare Insights liefern, spielt es keine Rolle, ob die Ergebnisse von einem Marktforschungsinstitut oder von einem irgendeinem angesagten Data-orientierten Dienstleister stammt.
Ich glaube, dass eine solche Debatte um Relevanz und Reinheit der Marktforschungsprofession auch in Deutschland geführt werden
wird und dass der Druck wächst, strategische
Entscheidungen zu treffen.
Dazu eine Anmerkung: Im Februar war ich im Silicon Valley
und besuchte dort die „Strata Conference”, die wohl weltweit
größte Konferenz zu den Themen Big Data, Datenanalyse und
Profession
er Öffnung
Market Research Reloaded
Der niederländische Marktforschungsverband MOA
unternimmt einiges, um die Anbieter der sogenannten New Market Research in den Verband zu integrieren.
Angesichts des derzeit atemberaubenden technologischen
Fortschritts erlebt nach Ansicht des niederländischen Marktforscherverbands MOA die Branche eine beispiellose Phase der Veränderung. Da neue Anbieter von Informationsservices gegenwärtig mit Macht auf den Markt drängten,
müsse – so der Verband – die Branche schnell reagieren.
Sie sollte die revolutionäre technologische Entwicklung als
eine konstruktive Kraft auffassen, die der Marktforschung
insgesamt Nutzen bringe.
Genau damit hat der MOA Ende 2009 begonnen. Er hat
sich zugunsten der Alternative entschieden, seine Grenzen
auszuweiten, und ist überzeugt, dass es für die Marktforschungsbranche von höchster Bedeutung ist, sich den neuen Anbietern zu öffnen und die Neulinge davon zu überzeugen, dass MOA ihre Interessen am besten vertreten kann.
Siehe dazu den Beitrag von Wim van Slooten im BVM
inbrief 1/2013
Intelligence. Ich traf dort buchstäblich niemanden, der sich
Marktforscher nannte, obwohl die Teilnehmer in ihren Unternehmen – von Electronic Art bis hin zu Wallmart – allesamt
Aufgaben erfüllten, die wir in Deutschland Marktforschung
nennen würden. Sie alle waren sogenannte Data Scientists.
Jetzt komme ich zurück auf die Berufssoziologie. Wenn eine
Profession durch eine Situation wie die oben beschriebene
bedroht wird, gibt es grundsätzlich zwei Optionen. Die erste
scheint zunächst widersinnig zu sein, ist historisch betrachtet
aber die häufigere – noch mehr Konzentration auf die professionellen Standards, ethischen Normen und Zuständigkeitsbereiche, kurz: die verstärkte Abgrenzung der eigenen ProfesBVM inbrief August 2013 11
Profession
INHALT
sion gegenüber anderen. Dieses Verhaltensmuster kann man
häufig bei Sekten und religiösen Vereinigungen beobachten.
Wenn etwas nicht eintrifft oder nicht funktioniert – beispielsweise der Weltuntergang, der nie stattfand, oder UFOs, die
nicht gelandet sind –, dann ändern die Mitglieder nicht ihre
Meinungen, sondern intensivieren ihren Glauben an ihr (bedrohtes) Glaubenssystem.
Die zweite Option hat eine disruptive Wirkung. Sie bedeutet,
dass man einige der Standards aufgibt und sich neuen Mitgliedern gegenüber öffnet, um für die Profession ein bisschen
Glamour zurückzugewinnen. Natürlich funktioniert diese Option
nicht nach dem Schema Business as usual. Die Mitglieder müssen harte Entscheidungen treffen, um zu retten, was sie als den
Kern ihrer Werte ansehen. Grundsätzlich ist das eine Abwägung
zwischen Relevanz und Reinheit der Überzeugungen.
Ich bin überzeugt, dass es inspirierende
neue Formen Data-orientierter Forschung in
Deutschland geben wird. Und ich fühle – oder
hoffe –, dass die Entscheidung darüber noch
nicht gefallen ist, ob die Profession gewillt ist,
sich zu verändern und sich zu öffnen, oder
ob sie sich weiterhin abgrenzen und auf ihre
Kernüberzeugungen zurückziehen will.
Ich glaube, dass eine solche Debatte um Relevanz und Reinheit der Marktforschungsprofession auch in Deutschland geführt werden wird und dass der Druck wächst, strategische
Entscheidungen zu treffen. Die Herausforderungen der „neuen Marktforschung” sind allgegenwärtig:
1.Passive Datensammlung und Data Mining in Sozialen
Netzwerken, Blogs und Twitter
Diese Ansätze erfüllen zwar in der Regel die Servicebedingungen der jeweiligen Plattformen, eröffnen jedoch neue
Problemfelder in Datenschutz und Urheberrecht. In diesem
Zusammenhang aktuell interessant: Beim Social-MediaMonitoring von marktforscherlich orientierten Unternehmen
werden die hinter den Kommentaren stehenden Personen als
Verbraucher betrachtet. Ganz anders die eher am Mediamonitoring orientierten Unternehmen, die zum Beispiel klassische
Presse-Clippings erstellen: für sie sind die hinter den Posts
stehenden Menschen öffentliche Kommunikatoren. Das Lustige ist, dass beide die gleichen Leute beobachten. Während
jedoch für die ersten der Schutz persönlicher Daten die wesentliche Herausforderung ist, ist es für die zweite Gruppe das
Urheberrecht.
12 BVM inbrief August 2013
2.Neue berufliche Anforderungen seitens der „Data
Scientists”
Die Mitglieder der neuen Profession haben nicht nur gelernt,
Forschungsprojekte durchzuführen und Daten zu interpretieren, sondern sie sind auch in der Lage, Big-Data-Software zu
implementieren und zu programmieren. Das ist für die Profession ein ganz entscheidender Punkt, denn er definiert die
Art und Weise, wie Wissen und Erkenntnisse der Profession
weitergegeben werden und was die zur Marktforschung gehörenden Menschen praktisch tun – und nicht, was sie meinen
zu tun und darzustellen.
3.Wachsender Widerstand der Verbraucher gegenüber
langen und langweiligen Marktforschungsprojekten und
die höchst problematische Entstehung einer Befragungsteilnehmer-„Profession”
Befragungsteilnehmer repräsentieren keinesfalls mehr den
„durchschnittlichen” Verbraucher. Denkt man diese Entwicklung weiter, ist nicht nur eine Profession von Marktforschern
denkbar, die ihren Lebensunterhalt mit guter Forschung verdient. Es könnte ebenso gut eine Profession von Studienteilnehmern geben, die davon lebt, gute Fragebögen zu beantworten. Außerdem nimmt die Faszination der Daten allseits
zu. Das bedeutet unzählige Möglichkeiten, inspirierende
Marktforschung zu betreiben, die aussieht und sich anfühlt
wie ein Spiel und die dem Studienteilnehmer einen realen Gegenwert für seine Mitarbeit vermittelt: nicht nur in Form von
Fünf-Euro-Gutscheinen, sondern auch durch ein besseres
Verständnis des eigenen Lebens.
Diese drei Themen werden Kern der sich abzeichnenden Debatten über die Zukunft der Marktforschung sein: erstens
Standards und Richtlinien, zweitens Qualifikation und Fertigkeiten sowie drittens Ethik und Engagement gegenüber der
Allgemeinheit. Ich glaube sogar, dass der dritte Punkt die eigentliche Herausforderung sein wird, weil er unmittelbar mit
guter Forschung und validen Ergebnissen zusammenhängt,
während Fragen des Datenschutzes von Juristen bearbeitet
werden können. Und da ist die neue Profession, die in den
Marktforschungsmarkt eindringt und Lösungen liefert. Wenn
es um die Frage geht, was es heißt, gute Forschung zu betreiben, dann sind es in dieser Situation in erster Linie die Marktforscher, die eine Lösung liefern müssen.
Ich bin überzeugt, dass es inspirierende neue Formen Dataorientierter Forschung in Deutschland geben wird. Und ich
fühle – oder hoffe –, dass die Entscheidung darüber noch nicht
gefallen ist, ob die Profession gewillt ist, sich zu verändern und
sich zu öffnen, oder ob sie sich weiterhin abgrenzen und auf
ihre Kernüberzeugungen zurückziehen will, in der Hoffnung,
dass die UFOs schließlich doch noch landen und das goldene
Zeitalter mitbringen werden. Research & Results 2013
Neuer Service
Besuchen Sie uns
auf der Messe im
Oktober in München
Sammlung von
Gerichtsurteilen auf der
BVM-Website
Am 23. und 24. Oktober findet im Münchner MOC die Research & Results 2013 statt. Auch bei der achten Auflage der
Marktforschungsmesse ist der BVM wieder mit einem Stand
vertreten. Wir laden alle BVM-Mitglieder und Messebesucher
herzlich ein, uns in Halle 1 zu besuchen und sich persönlich
über die neuesten Angebote und Services des Verbandes zu
informieren.
In der Markt- und Sozialforschung gibt es viele schwierige
Rechtsfragen. Einen ersten Überblick über die aktuelle juristische Auffassung eines Falls erhält man mit wegweisenden
Entscheidungen eines ähnlich gelagerten Prozessausgangs.
Auf der Website des BVM gibt es nun mit der Urteilssuche den
passenden Service.
Treffen Sie hier andere BVM-Mitglieder, Vertreter des Vorstands und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle persönlich und
teilen Sie uns Ihre Anliegen, Wünsche und vielleicht auch Ideen mit, welche Themen der Verband verfolgen und in seiner
Arbeit berücksichtigen sollte.
Das Team der BVM-Geschäftsstelle freut sich auf Sie!
Sie finden uns in diesem Jahr in Halle 1 am Stand 123. BVM-Services
INHALT
Möglich wurde die Einrichtung der Urteilssuche durch die Unterstützung der Kanzlei Prof. Schweizer, die hierfür ihre Urteilsdatenbank zur Verfügung stellt. In der Suchmaske kann
mit Schlüsselbegriffen im Urteilsarchiv der Kanzlei recherchiert
werden. Neben der Markt- und Sozialforschung stehen auch
Entscheidungen aus anderen relevanten Rechtsgebieten wie
Datenschutz-, Internet- und Markenrecht zur Verfügung. Ein
Urteil ersetzt zwar keine Rechtsberatung für den jeweiligen
Einzelfall, verschafft aber einen Überblick über die gegenwärtige Rechtsprechungspraxis, auch wenn sich jeder Fall in seinen Feinheiten unterscheidet. Den neuen Service finden Sie unter
www.bvm.org/urteilssuche.
BVM-Jobbörse
Branchenspezifische Stellenangebote
beim BVM
Seit der Einführung der Jobbörse ist die BVM-Website
auch für Stellensuchende im Bereich betrieblicher und
Institutsmarktforschung eine wichtige Anlaufstelle.
Unternehmen und Institutionen aus der Markt- und
­Sozialforschung, die eine Festanstellung, einen Aus­
bildungsplatz oder ein Praktikum anbieten wollen,
treffen hier auf die passende Zielgruppe.
Die Einstellung eines Jobangebots kostet bei einer
Laufzeit von acht Wochen zwischen 80 und 250 Euro,
korporative Mitglieder erhalten Mitgliedsrabatte.
Für Stellensuchende ist die Nutzung des Portals kostenlos.
Weitere Informationen: www.bvm.org/jobboerse
BVM inbrief August 2013 13
INHALT
BVM-Services
BVM-Seminare
Programm im Herbst 2013
Der BVM bietet in diesem Herbst wieder ein hochwertiges und thematisch
differenziertes Seminarprogramm mit
32 Veranstaltungen an. Das Angebot
ist auf die Bedürfnisse von Einsteigern,
Fortgeschrittenen und Profis ausgerichtet. Es beinhaltet neben den Grundlagenkursen Seminare in den Bereichen
qualitativ-psychologischer Forschung,
Statistik, Marketingforschung, betrieblicher Marktforschung und Management.
Detaillierte Beschreibungen und wichtige Auskünfte zu den einzelnen Seminaren sind auf der BVM-Website unter
www.bvm.org/seminare abrufbar. Bei
einer Entscheidung für das passende
Weiterbildungsangebot kann das entsprechende Seminar gleich online gebucht werden. Das geht sowohl über
ein Buchungsformular als auch über
einen Account im persönlichen Nutzerbereich „Mein BVM“.
Ein eigener Account in „Mein BVM“
macht eine Buchung einfach. Denn
die für die Registrierung nötigen Daten
müssen nur einmal eingeben bzw. können jederzeit aktualisiert werden. Über
eine webbasierte interaktive Seminarplattform erhalten Teilnehmer organisatorische Hinweise zu ihrem Seminar und
zur Anreise. Darüber hinaus können sie
dort ihre Seminarunterlagen herunterladen und Kontakt zu den Referenten
aufnehmen.
In Berlin finden die Seminare im zentral
gelegenen Hotel NH Berlin-Mitte in der
Nähe des Potsdamer Platzes oder in
der BVM-Bundesgeschäftsstelle in der
Friedrichstraße statt. Anmeldung und weitere Informationen:
BVM-Geschäftsstelle
Tel. 030-49 90 74 20
[email protected]
www.bvm.org/seminare
BVM-Seminare im Herbst 2013
NEU
12. – 13.09.2013
Online Marketing für Markt­
forscher
15. – 16.10.2013
Grundlagen der Statistik
16. – 18.09.2013
Präsentationstechniken o
­ ptimieren
17. – 18.10.2013
Aktualisierung der Markt­
forschungspraxis
19. – 20.09.2013
Beratertraining für ­betriebliche
Marktforscher: Top-Management-­
Kommunikation und Verhandlungstechnik
23. – 23.09.2013
Open Innovation und Co-­Creation
24. – 25.09.2013
Grundlagen der qualitativen
F
­ orschung
26. – 27.09.2013
Auswertung qualitativ-psycho-­
lo­gischer Untersuchungen
30.09. – 01.10.2013
Aktuelle Trends in der Werbe­
wirkungsforschung
07. – 08.10.2013
Competitive Intelligence
NEU
18. – 18.10.2013
Marktforscher = Rechts­experte?
21. – 22.10.2013
Conjoint Analyse – Modelle und
Anwendungsbeispiele
28. – 29.10.2013
Multiple Erklärungsmodelle –
Regressions- und Varianzanalysen
NEU
12. – 12.11.2013
Professionelle Preisoptimierung
13. – 15.11.2013
Einführung in die Markt­forschung
18. – 19.11.2013
Mobile Research
21. – 22.11.2013
Frage- und Explorations­techniken
25. – 26.11.2013
Social Media
NEU
29. – 29.11.2013
Datenschutz
NEU
02. – 03.12.2013
Finanzmarktforschung
28. – 29.10.2013
Betriebliche Marktforschung
30. – 31.10.2013
Beratertraining für betriebliche
Marktforscher
30. – 31.10.2013
Morphologische Markt- und
M
­ edienwirkungsforschung
09. – 10.10.2013
Insight- und Concept-­Generation
05. – 06.11.2013
Vertiefung der quantitativen
Marktforschungspraxis
10. – 11.10.2013
Beratungskompetenz für
I­ nstitutsmarktforscher
07. – 08.11.2013
Moderation von Gruppen­
diskussionen und Workshops
14 BVM inbrief August 2013
11. – 12.11.2013
Marktforschung mit impliziten
Messverfahren
04. – 04.12.2013
Online-Panels Inside
05. – 06.12.2013
Kreativitätstechniken für die
q
­ ualitative Forschung
NEU
09. – 10.12.2013
SPSS für Marktforscher –
­Anwendung der Statistik
11. – 12.12.2013
Kundenzufriedenheit und Servicequalität als Erfolgsfaktor
Marktforschung 2013/2014
ESOMAR-Kongress
BVM Handbuch soeben
erschienen
15 Prozent Rabatt für
BVM-Mitglieder
Die aktuelle Ausgabe des vom BVM Berufsverband
Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. herausgegebenen Nachschlagewerks „Marktforschung
2013/2014“, gibt einen nahezu vollständigen Überblick
über die relevanten Dienstleister aus der Marktforschungsbranche.
„Think Big“ heißt das Thema des 66. Esomar-Kongresses, der vom 22. bis zum 25. September 2013 in
Istanbul stattfindet.
BVM-Services
INHALT
Esomar bietet BVM-Mitgliedern in diesem Jahr einen Sonderrabatt an: Bei Buchung des Gesamtkongresses erhalten
BVM-Mitglieder eine Ermäßigung von 15 Prozent. Wichtig zu
wissen: Diejenigen, die sowohl Mitglied bei Esomar als auch
im BVM sind, können nur eine der Rabattvergünstigungen in
Anspruch nehmen. Für die Registrierung ist die Eingabe eines
Codes erforderlich, der bei der BVM-Geschäftsstelle angefordert werden kann. Das Angebot gilt bis zum 22. September.
Weitere Informationen zum Kongress und Anmeldung:
www.esomar.org
Neue Veranstaltungsreihe
BVM-Anwender-Workshop
Für Nutzer wie für Anbieter von Markt- und Sozialforschung in
Wirtschaft, Industrie und Institutionen ist das Handbuch damit eine wichtige Informationsquelle bei der Suche nach dem
richtigen Dienstleister und Partner.
Neben den Angebotsprofilen der Unternehmen bietet der
über 500 Seiten starke Band weitere Fachinformationen
zum Nachschlagen: nationale und internationale berufsspezifische Regelwerke mit Mustertexten, ein Glossar der Marktforschungsbegriffe, Zahlen zur Entwicklung der Branche,
Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten sowie weiteren
Branchenverbänden und Initiativen.
Alle im BVM Handbuch präsentierten Unternehmen sind auch
im BVM NET auf www.bvm-net.de vertreten. Hier können online Leistungen recherchiert und weitere aktuelle Firmeninformationen abgerufen werden.
Das BVM Handbuch erscheint jährlich neu mit einer Auflage
von 2000 Exemplaren. Bis zum 31. August 2013 gilt ein Subskriptionspreis von 60 Euro netto. Zu beziehen ist es beim
BVM Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher und
im Fachbuchhandel.
Preise und Bezugsadresse:
Subskriptionspreis bis 31.8.2013: 60 Euro zzgl. Mwst.
Preis ab 1.9.2013: 75 Euro zzgl. Mwst.
Bestellung online unter www.bvm.org/handbuch
oder im Fachhandel (ISBN 978-3-935149-13-6)
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Anbietern der
Branche führt der BVM eine neue Veranstaltungsreihe
ein.
Im Mittelpunkt eines eintägigen Anwender-Workshops stehen aktuelle Tools oder Produkte eines Unternehmens. Zielsetzung ist die praktische Erprobung, inwieweit diese für die
Marktforschung genutzt und als Ergänzung zu klassischen
Forschungsansätzen herangezogen werden können.
In einem umfangreichen Praxisteil haben die Teilnehmer Gelegenheit, die jeweiligen Tools zu testen und erste eigene Ergebnisse zu erzielen.
Die BVM-Anwender-Workshops richten sich an Fach- und
Führungskräfte aus Marktforschung und Marketing sowie an
Mitarbeiter in Kommunikations- und Mediaagenturen.
Marktforschung von und mit Google – Verfügbarkeit,
Einsatzmöglichkeiten und Ergebnisse ist der Titel des
ersten Anwender-Workshops, der gemeinsam mit Google
Deutschland am 10. September 2013 in Berlin stattfindet.
Ein weiterer Workshop mit Tobii findet am 4. November 2013
ebenfalls in Berlin statt: Die Welt mit den Augen des Konsumenten sehen – Mehrwert durch Eyetracking als
integ­rativer Bestandteil von Marktforschungsstudien
BVM inbrief August 2013 15
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Excellence
Vorbilder, Vorreiter und Innovatoren
Der Preis der Deutschen Marktforschung ist eine Auszeichnung für hervorragende Arbeit
und für Engagement
Auf der festlichen Gala anlässlich des 48. BVM-Kongresses im Tipi am Kanzleramt ehrte der
Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher zum neunten Mal die Sieger im Wett­
bewerb um den Preis der Deutschen Marktforschung. Moderiert wurde die Preisverleihung,
wie schon vor zwei Jahren, von Timo Wopp, Kabarettist und Jongleur, und Sabine Menzel,
Henkel AG und Jury-Mitglied.
In diesem Jahr wurden neben der Persönlichkeit des Jahres in drei weiteren Kategorien Wettbewerbsbeiträge prämiert.
Folgende Personen und Arbeiten wurden ausgezeichnet:
16 BVM inbrief August 2013
Als Persönlichkeit des Jahres
wegen seiner besonderen Leistungen für die Markt- und
Sozialforschung wurde Richard Hilmer, Geschäftsführer
von Infratest dimap, Berlin, ausgezeichnet.
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
v.l.n.r. Timo Woop und Sabine Menzel (Moderatoren), Johannes Hercher, Rogator (Innovationspreis), Dr. Stefan ­Hattula
(BVM/VMÖ Nachwuchsforscher Dissertation), Martin Krautsieder, SevenOne Media (Innovationspreis), Carmen ­Wilhelms
(BVM/VMÖ Nachwuchsforscher Diplomarbeit), Richard Hilmer (Persönlichkeit), Michael Pusler, BVM-Vorstand und
­Laudator, Gudrun Kneißl, MAN Truck & Bus, und Dr. Alexander Fink, ScMI (Best Paper)
Mit dem Innovationspreis
werden Methoden oder Verfahren ausgezeichnet, die methodisch innovativ sind und gegenüber bestehenden Ansätzen Effektivitäts- und Effizienzvorteile aufweisen.
In diesem Jahr ging der Preis an die Unternehmen Rogator, Nürnberg, und SevenOne Media, München, für ihren
Beitrag zur Entwicklung einer neuartigen Hybridtechnologie, mit der Online-Umfragen via HbbTV durchgeführt
werden können.
In der Kategorie Best Paper
wurde zum zweiten Mal der beste Beitrag prämiert, der im
Rahmen des Call for Papers zum Kongress der Deutschen
Marktforschung eingereicht wurde. Die Jury entschied, in
diesem Jahr Gudrun Kneißl, MAN Truck & Bus, München,
und Dr. Alexander Fink, ScMI, Paderborn, für ihren Beitrag
„Gemeinsame Branchenzukünfte vorausdenken – Szenarien zur Zukunft urbaner Mobilität, Nutzfahrzeuge und
busbasierten Reiseverkehrs“ auszuzeichnen.
BVM/VMÖ Nachwuchsforscher des Jahres
Dieser gemeinsam mit dem österreichischen Marktforscherverband VMÖ vergebene Preis geht an jüngere
Wissenschaftler, die herausragende Dissertationen sowie
Master- und Diplomarbeiten verfasst haben. Preisträger
in der Kategorie Dissertation ist Dr. Stefan Hattula mit der
Arbeit zum Thema „Effektivität des Signaling in Erfahrungsgütermärkten“ und in der Kategorie Diplomarbeit
Diplom-Kauffrau Carmen Wilhelms mit ihrer Arbeit „The
Dark Side of Word-of-Mouth“.
Weitere Informationen zu den Preisträgern und Nominierten im diesjährigen Wettbewerb finden Sie unter
www.preisderdeutschenmarktforschung.de
BVM inbrief August 2013 17
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Richard Hilmer, Geschäftsführer Infratest dimap, Berlin
So unstetig sich die Wähler inzwischen zeigen, Richard Hilmer gehört zu den Stetigen in der Welt der
Markt- und Sozialforschung. Der heute 61-Jährige ist nicht nur einer der profiliertesten Meinungsforscher
des Landes, er arbeitet auch seit dem Studium bei ein und demselben Arbeitgeber. In den 70er-Jahren
hatte er Soziologie, Psychologie und Wirtschaftsgeschichte in München studiert und begann seine Berufskarriere 1982 als Projektleiter bei Infratest Burke. 1990 ging er nach Berlin und baute dort Infratest Burke
Berlin auf, das seit 1996 als Infratest dimap firmiert und auf Politik- und Wahlforschung spezialisiert ist.
Infratest dimap ist im Bereich der Wahlforschung exklusiver Partner der ARD und arbeitet für eine Reihe
namhafter Tageszeitungen. Neben Meinungen zu aktuellen Themen erhebt und analysiert das Institut regelmäßig politische Trends. Seit 1997 ist Richard Hilmer Geschäftsführer des Unternehmens.
18 BVM inbrief August 2013
Persönlichkeit des Jahres 2013
Vorbild unserer Branche
Richard Hilmer, Infratest dimap, für seine herausragenden Leistungen für das Image der
Branche im Wahljahr 2013 ausgezeichnet
Der diesjährige Preisträger ist sicher einer der Protagonisten der Wahlforschung, der die
­Profession zu hohem Ansehen geführt hat und dem das Prädikat des Herausragenden in
­seiner Zunft gebührt. Mit ihm ehrt die Jury im Wahljahr 2013 mit einer Bundestags- und einzelnen Landtagswahlen eine Persönlichkeit, die zugleich viel für das Renommee der Markt- und
Sozialforschung im Bild der Öffentlichkeit geleistet hat und weiterhin leistet.
Die Relevanz und Leistungsfähigkeit der Markt- und Sozialforschung einem breiten Publikum anschaulich gemacht und
durch seine Arbeit nachhaltig deren Bedeutung für das Verständnis gesellschaftlicher Prozesse geprägt zu haben, ist
aus Sicht der Jury zum Preis der Deutschen Marktforschung
nicht nur preiswürdig, es ist auch ein besonderes Verdienst
der „BVM-Persönlichkeit 2013“.
Wahlforschung sorgt für Transparenz im politischen Willensbildungsprozess. Und dies sowohl für die Vertreter aus der
Politik, die sich beispielsweise mit ihren laufend aktualisierten, immer exakteren Hochrechnungen an den Wahlabenden regelmäßig einem belebenden Wechselbad der Gefühle aussetzen, als auch für die Bürger selbst, die dies lustvoll
nachempfinden. Sie hatte in der Vergangenheit nicht zuletzt
auch deshalb entscheidenden Anteil an der Diskussion mit
politischen Entscheidungsträgern über den Paragraphen 30a
BDSG und unter anderem so dem Berufsstand seine wissenschaftlich fundierte Existenzberechtigung weiter ermöglicht.
Dadurch, dass Wahlforschung Themen des Alltags aufgreift,
wird die wissenschaftliche Grundlage der Gesellschafts- und
Sozialwissenschaften konkret, anschaulich und greifbar und
bleibt nicht trockene akademische Theorie. Das erfordert vom
Wahlforscher eine hohe Kunst der Einordnungs- und Interpretationsleistung ebenso wie die verständliche Vermittlung
an ein breites Zielpublikum. Dies versteht unser diesjähriger
Preisträger Richard Hilmer, Infratest dimap, meisterhaft.
Richard Hilmer kann eine über zehnjährige mediale Präsenz
im Fernsehen mit regelmäßig hohen Einschaltquoten vorweisen und ist in dieser Zeit zu einem Gesicht der Marktforschung geworden. Einst von der Financial Times Deutschland
als „öffentlich-rechtlicher Volksvermesser Deutschlands“ tituliert, bietet er über die Vermittlung von Marktforschungsergebnissen dem Zuschauer Politik zum Anfassen. Seine Analysen
kommen immer auf den Punkt, er ist verbindlich in seiner Art
und ist mit über 30 Jahren Berufserfahrung zudem mit Sicherheit einer der Profiliertesten und Anerkanntesten, wenn man
ergänzend seine Präsenz auf Fachtagungen und Foren mit
heranzieht.
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Ich freue mich und es ist mir zugleich eine große Ehre, Herrn
Richard Hilmer als Marktforscherpersönlichkeit 2013 auszeichnen zu dürfen. Herr Hilmer, Ich darf Sie auf die Bühne
bitten. Michael Pusler, BVM-Vorstand und Mitglied der Jury
„Ich komme von der Soziologie, verbinde
aber seit meinem Berufseinstieg bei Infra­
test im Jahr 1982 Sozial- und Politikforschung mit „klassischer Marktforschung“.
Nur die Gewichtung beider Ansätze hat
sich immer wieder verschoben. Überwog
anfangs die Politikforschung, dominierte bei
meinem Umzug von München nach Berlin
die Marktforschung. Hier bestand meine
Hauptaufgabe darin, in den neuen Bundesländern die Umfrageforschung aufzubauen. Als dies erfolgreich abgeschlossen
war, konzentrierte ich mich wieder stärker
auf meine alte Leidenschaft, die Politikforschung – was bei dem Standort Berlin als
künftiger Hauptstadt und Regierungssitz ja
nahe lag. Erst mit der erfolgreichen Bewerbung um die ARD-Wahlberichterstattung
neigte sich das Pendel endgültig in Richtung Wahlforschung – denn diese Art von
öffentlich sichtbarer Forschung erfordert
volle Aufmerksamkeit.“
Richard Hilmer in einem Interview in der Juliausgabe der
Research & Results 2013
BVM inbrief August 2013 19
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Innovationspreis 2013
Rogator und SevenOne Media
Neue Hybridtechnologie
Online-Umfragen via HbbTV
Die Verfügbarkeit und Stabilität des Internets haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert.
Die Konsumgüterindustrie hat diese Entwicklung genutzt und immer neue Produkte auf den
Markt gebracht. Seit etwa zwei Jahren verfügen auch Fernseher über Internetverbindungen und
andere intelligente Zusatzfunktionen, die „Fernsehen online“ attraktiv machen.
Durch den Fortschritt der Smart-TVs wuchsen die Möglichkeiten und es entstanden neue Ideen. Es sollte eine Möglichkeit
geschaffen werden, Online-Befragungen über internetfähige
TV-Geräte durchzuführen. Die Umsetzung dieser Hybridtechnologie wurde von einem deutschen Vermarktungsunternehmen für audiovisuelle Medien und einem Marktforschungsunternehmen durchgeführt.
Bereits in diesem Jahr werden die ersten
Online-Umfragen über die Smart-TVs ausgestrahlt. Mit dieser Hybridtechnologie
steht jetzt ein weiterer Kanal zur Zielgruppenansprache zur Verfügung.
In einer Teststudie konnte zum ersten Mal eine Online-Umfrage eingespielt werden, die zeitgleich mit TV-Programmen
und Werbespots angezeigt wurde. Die Teilnahme an der Befragung erfolgte über die Fernbedienung des TV-Gerätes. Neben der Meinung der Befragten zu HbbTV-Fernsehen wurden
auch Informationen über die soziodemographischen Daten
des Nutzers (Alter, Geschlecht, Beruf etc.) oder besondere
Wünsche und Programmideen erfasst.
Die daraus gewonnenen Ergebnisse lieferten wertvolle Informationen über das Nutzerverhalten der Fernsehzuschauer
und die Einschaltquoten einzelner Fernsehsendungen. Der
große Vorteil dieser Befragungsmethode liegt in einer zeitgleichen und unmittelbaren Befragung der Zuschauer, die bisher
in dieser Form nicht möglich war. Insbesondere werbungtreibende Unternehmen können diese Vorteile nutzen, um die
Werbemaßnahmen zukünftig zielgruppengerechter zu steuern. Damit könnte die Erfassung von Nutzerdaten via CATIInterviews oder Handgeräten in den Hintergrund rücken.
Bereits in diesem Jahr werden die ersten Online-Umfragen
über die Smart-TVs ausgestrahlt. Mit dieser Hybridtechnologie steht jetzt ein weiterer Kanal zur Zielgruppenansprache zur
Verfügung.
20 BVM inbrief August 2013
Eine Befragung von Fernsehnutzern über Connected TVs,
insbesondere unter Nutzung der HbbTV-Standards und
-Möglichkeiten, ist nach Ansicht der Preisträger einmalig und
auch, angesichts der noch recht jungen Technik, als erstmalig
anzunehmen. Die Anpassung der Befragungssoftware und
des Userinterface an die speziellen Bedingungen (Lesbarkeit
am TV-Bildschirm, Integration des Live-TV-Bildes, Verwendung der TV-Fernbedienung mit nur wenigen Pfeil- und Farbtasten) ist ebenfalls als Alleinstellungsmerkmal zu sehen. Die
mehrmonatige Realisation bedurfte des Zusammenspiels von
mehreren Programmierern, Sendetechnikern und Marktforschern.
Das Erstellen einer HbbTV-Befragung erfolgt über eine etablierte Befragungssoftware, und die Umsetzung ist weitestgehend ohne Programmierkenntnisse möglich. Sie ist mit der
üblichen Expertise bei der Erstellung von Online-Befragungen durch Marktforscher ohne Zusatzaufwand möglich. Die
Durchführung bei dem Befragten erfordert lediglich ein an das
Internet angeschlossenes Smart-TV- bzw. Connected-TVGerät. Fast alle in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommenen Smart-TV-Geräte erfüllen diese technischen Voraussetzungen. Die Einblendung der Befragungs-Werbemittel
erfolgt zentral über den Adserver bzw. das HbbTV-Redaktionssystem.
Herauszuheben ist bei diesem Befragungskonzept vor allem der unmittelbare (zeitliche) Zusammenhang von Stimulus
(Fernsehprogramm, Werbung) und Befragungsdurchführung
sowie die Vermeidung eines Medienbruchs. Dadurch werden
Forschungsergebnisse möglich, die vorher nicht oder nur unter sehr hohem Kostenaufwand ermittelt werden konnten. Besonders die natürliche Untersuchungssituation der Befragten
und die einfache, seit Langem etablierte Bedienung über die
TV-Fernbedienung ermöglichen einen weitestgehend barrierefreien Zugang zu den Einstellungen und Antworten der befragten TV-Zuschauer.
Johannes Hercher, Rogator, und Martin Krautsieder,
SevenOne Media
In der Laudatio, die Rainer Valentin, Leiter Forschung & Entwicklung bei der Basler Versicherungen und Mitglied der Jury vortrug, heißt es:
Seit 2005 vergibt der BVM den Innovationspreis und selten
war sich die Jury so schnell einig, wer ihn diesmal verdient
hat. Und was sagt die Jury zum Preisträger? Ich zitiere:
W irklich neu, genial für die Werbeforschung, für Reichweitenmessung, für Programmforschung, von Tiernahrung bis Automobilforschung, alles geht.
Methodisch sinnvoll, der Befragungszeitpunkt kann optimal gewählt werden
Komplett neue Technologie und neuartige Erhebungsmethode
Pop-up-Befragung ohne Medienbruch im TV, und diesmal, überraschenderweise, nicht im Internet.
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Stellen Sie sich einmal vor:
Es ist Montag, der 22. April, abends, 21:15 Uhr. Sie sehen
fern. Ziemlich cool: Ihr neues internetfähiges Smart-TV-Gerät, 106 cm Bildschirmdiagonale.
Günther Jauchs „Wer wird Millionär“ war heute etwas langatmig, es läuft gerade die Werbung. Katzenfutter, toll …
Und dann passiert es:
Auf Ihrem 106cm-Bildschirmdiagonale-TV öffnet sich ein
Fenster und lädt Sie zu einer Befragung ein:
Sollte Günther Jauch besser „Wetten, dass …“ moderieren? Oder:
Haben Sie in letzter Zeit Werbung für Tiernahrung beobachtet? Oder:
Irgendein anderes sinnvolles Thema.
Sie nehmen Ihre Fernbedienung zur Hand und beantworten
die Fragen, ist ja sowieso gerade Werbepause. Der Werbeblock läuft im Hintergrund weiter. Eine neue Hybrid-Technologie – Online-Umfragen via HbbTV sind 2013 Realität. Und
sie eröffnen ungeahnte Möglichkeiten:
Der große Vorteil liegt in der zeitgleichen, unmittelbaren
Befragung der Zuschauer. Posttestergebnisse eines
Werbespots könnten wenige Minuten nach der ersten
Ausstrahlung vorliegen.
Oder die Messung von Einschaltquoten nicht mehr aus
der Erinnerung heraus, am Tag danach, sondern online,
gleich nach – was sage ich – während der Sendung.
Oder stellen Sie sich mal die Fallzahlen vor, die Sie bei einem Millionenpublikum in wenigen Minuten beisammen
haben.
Oder die TV-Programmforschung: Wer kommt bei Dieter
Bohlen DSDS in die nächste Runde? Entscheidung über
die Fernbedienung.
Meine Damen und Herren, auch wenn es sich bei dieser
Einreichung noch um einen Testpiloten handelt, auch wenn
HbbTV heute noch nicht jeden erreicht: Das ist innovativ,
das ist preiswürdig.
Johannes Hercher, Rogator, und Martin Krautsieder, SevenOne Media
BVM inbrief August 2013 21
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Nominiert für den Innovationspreis
Ströer Media Deutschland, Deutsche Telekom AG und eye square
ATLAS – Ein kurzer Blick mit langer Wirkung
Messung der Werbekontaktqualität in der Außenwerbung durch ATLAS
Die Anzahl der Kundenkontaktpunkte für Werbung steigen immer weiter und weisen mittlerweise eine
recht breite Spanne auf. Um bei den sehr gut messbaren „digitalen Kanälen“ mitzuhalten, besteht auch
für Out-of-Home-Medien der Anspruch, Wirksamkeit nachzuweisen und sich damit von anderen Kundenkontaktpunkten abzugrenzen.
Speziell für den bisher schlecht untersuchten Roadside-Bereich ergeben
sich damit die Fragen: Wie unterscheiden sich Plakatwerbeträger in ihrer Wirkung und wie kann man die Wirkung
von Plakatkreationen unter realistischen
Bedingungen testen?
Um die oben gestellten Fragen beantworten zu können, wurde ein innovatives
Verfahren eingesetzt: Fahren im Fahrsimulator unter experimentell kontrollier-
ten Bedingungen. Den eingeladenen
Probanden wurde gesagt, dass sie an
einer Studie zur Erforschung des Fahrverhaltens in Innenstädten teilnehmen.
Bereits nach kürzester Zeit befindet sich
der Fahrer im Autofahr-Modus, da das
Gerät fast wie ein normales Auto zu
steuern und zu bedienen ist. Bei dem
Stadtbild handelt es sich um einen 3DDatenraum, der frei bearbeitet werden
kann, nicht um einen Film. Werbeträger
Mit dieser Untersuchungsmethode lässt sich eine Reihe
von detaillierten Fragestellungen rund um das Thema Wirkung im Bereich Außenwerbung beantworten, sowohl in
der WT-Forschung als auch in der Kreationsoptimierung für
Werbekunden.
(WT) und –mittel können frei im Raum
programmiert werden. Der Fahrer interagiert mit dem System, er muss also
auf die anderen Verkehrsteilnehmer reagieren. Während der Fahrt können die
Blickbewegungen mittels Eye Tracker
aufgezeichnet werden.
Mit dieser Untersuchungsmethode lässt
sich eine Reihe von detaillierten Fragestellungen rund um das Thema Wirkung
im Bereich Außenwerbung beantworten, sowohl in der WT-Forschung als
auch in der Kreationsoptimierung für
Werbekunden.
Fahrsimulator der Firma Foerst GmbH.
22 BVM inbrief August 2013
System 1: In einem Test zur Wirkung
verschiedener OoH-WT wurden in einer
vorab definierten Strecke WT der vier
wichtigsten Plakatformen platziert. Als
Kreationen wurden reale Kampagnen
von fünf bekannten Marken aus ver-
schiedenen Branchen eingesetzt. Kreationseinflüsse auf die Wahrnehmung
der einzelnen WT können durch isolierte
Variation ausgeschlossen werden. Einzelne Einflussvariablen, wie Verkehrsdichte, Kontakthäufigkeit, Motive und
WT, wurden isoliert und zwischen den
Versuchsgruppen variiert.
Wirkungsdimensionen: Die Betrachtungsdauer wurde mit einem Eye Tracker gemessen. In einer anschließenden CAPI-Befragung wurden KPIs in
den Bereichen Awareness, Image und
Impact erhoben. Bei Image und Impact
handelte es sich sowohl um explizite als
auch um implizite KPIs.
System 2: In einem Kreationstest werden mehrere Kreationen in verschiedenen Gruppen untereinander getestet,
die in der Strecke auf den gleichen WT
zu sehen sind. Alle Probanden fahren
die gleiche Strecke (ceteris paribus).
Jede Kreation wird monadisch getestet. Es ergeben sich Erkenntnisse zu:
Durchsetzung der Kreation in der Umgebung, Blickführung und Blickverlauf,
Vergleich zu anderen Testmotiven, Gestaltung und Aktivierung. Mit diesem
Test konnte die unterschiedliche Wirkung der beiden Motive, ihre Stärken
und Schwächen, sehr gut hervorgehoben werden, die in der künftigen Kreationserstellung berücksichtigt werden. Georg Schotten, Ströer Media
Deutschland
Nominiert für den Innovationspreis
VERBI Software. Consult. Sozialforschung.
Mobile Visual Coding & Transfer (MVCT)
Datenerhebung mit MAXApp, visuelles Codieren mit emoticode und webbasierter Datentransfer
zu MAXQDA
Interviewnotizen schnell unterwegs mit dem iPad festhalten, Fotos und Videos erstellen oder Audio aufnehmen und alle Daten sofort kategorisieren. Viele Apps ermöglichen die einfache Datenerhebung unterwegs, allerdings ist das Überführen der Daten in ein Analysewerkzeug meist umständlich und muss
im schlimmsten Fall für jede Datei einzeln vorgenommen werden.
Das MVCT-Verfahren bietet hierfür eine
unkomplizierte und zeitsparende Lösung. Es ist eine neuartige Verbindung
mobiler Datenerhebung mit der weltweit
ersten QDA-App: MAXApp für iOS. Es
verfügt über ein völlig neuartiges Codierverfahren mit emoticode und ermöglicht den direkten Transfer und die
weitere Analyse der erhobenen Daten
in der zugrunde liegenden Basissoftware zur Datenanalyse MAXQDA. Das
Verfahren ist extrem einfach zu handhaben und stellt eine direkte Verbindung
aus dem Feld in das Zentrum der Forschung zur Verfügung. Alle erhobenen
Daten können jederzeit per Cloud an die
Forschungszentrale übermittelt und zur
Weiterbearbeitung direkt in MAXQDA
eingelesen werden.
MAXApp ist ein speziell für die Anforderungen der mobilen Datenerhebung
und -kategorisierung in der Markt- und
Sozialforschung entwickeltes Tool, das
perfekt mit MAXQDA zusammenarbeitet. Es handelt sich um eine Software
für die Analyse qualitativer und Mixed-
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
Methods-Daten. Sie ist eine ideale Ergänzung für alle, die mobil forschen,
und kann sowohl für iPhone und iPad
kostenlos im iTunes App Store heruntergeladen werden. Eine Android-Version
ist in Vorbereitung.
MVCT ist für viele Felder der qualitativen
Markt- und Sozialforschung geeignet,
und besonders effizient in Situationen,
in denen Daten mobil erhoben und kategorisiert werden sollen, unter anderem bei Online-Diaries oder Konzepttests. Hierbei können viele Arten von
Daten erhoben werden: Bilder, Texte,
Filme oder Audiodokumente. Die Kategorisierung erfolgt mit Visual Coding. So
können Daten mit Hilfe von Symbolen
sehr schnell klassifiziert werden und das
umständliche Tippen auf der Smartphonetastatur wird ersetzt durch ein jedem
Laien unmittelbar zugängliches System,
das schnelle, verständliche Bewertungen zulässt, so z.B. ein fröhliches oder
trauriges Smiley. So werden Datenerhebung und -bewertung zu simultan verlaufenden Prozessen.
Nach dem Transfer der
so vorkategorisierten
Daten zu MAXQDA stehen alle Möglichkeiten
einer professionellen
Analysesoftware zur
Verfügung, um die Daten einer State-of-theArt-Analyse zuzuführen.
Anne Kuckartz, Geschäftsführerin VERBI
Software. Consult.
Sozialforschung.
BVM inbrief August 2013 23
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
BVM/VMÖ Nachwuchsforscher 2013, Kategorie Master-/Diplomarbeit
Carmen Wilhelms
The Dark Side of Word-of-Mouth
Negative Auswirkungen der aktiven Einbeziehung von Konsumenten in den Vermarktungs­
prozess
Im digitalen Zeitalter begreifen sich Konsumenten keinesfalls mehr als letztes Glied der Wertschöpfungskette, sondern greifen zunehmend in die Marketingaktivitäten der Unternehmen
ein. Um diesem veränderten Rollenverständnis zu begegnen, gehen immer mehr Unternehmen
dazu über, Konsumenten aktiv in die innerbetriebliche Wertschöpfung einzubinden.
Während in der Fachliteratur bislang vor allem die Vorteile
dieses aktiven Einbezugs betont werden, zeigt die Marketingpraxis, dass besonders die Einbeziehung in Vermarktungsaktivitäten mit schwerwiegenden, jedoch bisher kaum erforschten Risiken verbunden ist. So entwickelte sich z.B. aus dem
Ideenwettbewerb der Marke Pril eine Welle von negativem
Word-of-Mouth (WOM), weil involvierte Konsumenten sich
nicht ausreichend wertgeschätzt fühlten. Diese öffentlich artikulierte Unzufriedenheit kann vom Unternehmen nicht mehr
kontrolliert werden und schwerwiegende Imageschäden zur
Folge haben.
Die Arbeit setzt sich mit der Analyse und Erklärung dieser
Problematik auseinander und untersucht, inwieweit der aktive Einbezug auch negative Auswirkungen im Sinne einer
gestärkten Bereitschaft zu negativem WOM haben kann, falls
konsumentenseitige Erwartungen an die Einbeziehung nicht
erfüllt werden.
Am Beispiel der Ermächtigung zur Auswahl der vom Unternehmen einzusetzenden Marketingkampagne eines Erfrischungsgetränks werden dabei negative Auswirkungen
verschiedener konsumentenseitiger Erwartungsverletzungen
adressiert: (1) Die ausbleibende Realisierung der persönlich
präferierten Kampagne und (2) die vollständige Missachtung
In der Laudatio von Professor Dr. Raimund Wildner,
stellvertretender BVM-Vorsitzender und Jurymitglied, heißt es:
Facebook, Twitter, Co-Creation: Beispiele für neue Instrumente des Marketings: ja, für neue Instrumente der Marktforschung: ja, auch das. Aber: All diese Dinge, bei denen
im Idealfall die Konsumenten aktiv zum Erfolg eines Produkts oder einer Dienstleistung beitragen, haben auch eine
dunkle Seite. Carmen Wilhelms hat dazu ein sehr sauber
angelegtes Experiment durchgeführt. Die Ergebnisse dazu
waren sehr klar und zeigten, dass die Einbeziehung des
Konsumenten sinnvoll ist, solange man ihn nicht betrügt.
Selten lassen sich die Ergebnisse der Marketingforschung
so einfach zusammenfassen. Die Preisträgerin hat da eine
sehr klare, innovative und praxisrelevante Arbeit geschrieben, welche der Jury der 1. Preis in der Kategorie Masterarbeiten/Diplomarbeit wert war.
24 BVM inbrief August 2013
der offerierten Beteiligungsmöglichkeit durch den Einsatz einer völlig anderen Kampagne.
Auf Basis der empirischen Ergebnisse einer experimentellen
Online-Studie kann zunächst eine „Entwarnung“ dahingegen
ausgesprochen werden, dass trotz der ausbleibenden Realisierung der vom Konsumenten präferierten Kampagne kein
unmittelbarer Effekt im Sinne einer negativen Welle an WOM
zu erwarten ist. Aufgrund des durch die ausbleibende Realisierung ausgelösten „tendenziellen“ Rückgangs in zusätzlich
erfassten Variablen (Kaufabsicht, Einstellung) sollten Unternehmen zwecks Vermeidung nicht vollständig ausschließbarer
negativer Effekte die Einladung einer homogenen Partizipantengruppe1 und eine transparente Kommunikation tatsächlicher Einflussmöglichkeiten sicherstellen.
In Bezug auf die vollständige Missachtung der anfänglich angebotenen Beteiligungsmöglichkeit zeigen die empirischen
Ergebnisse, dass eine durch unzureichende Planung der Einbeziehungsmaßnahme erforderliche nachträgliche Einschränkung der offerierten Mitbestimmung negative Mundpropaganda auslöst. Bevor Konsumenten Beteiligungsmöglichkeiten
eingeräumt werden, sollten sich Unternehmen daher den damit einhergehenden Kontrollverlust und folglich auch etwaige
nicht intendierte Ergebnisse vor Augen halten sowie gewillt
sein, auch diese zu akzeptieren. Andernfalls sollten geeignete
Modalitäten (z.B. das Zwischenschalten einer internen Jury)
festgelegt und entsprechend kommuniziert werden.
Um die Limitationen der Untersuchung („convenience sample“, Abfrage von Verhaltenswahrscheinlichkeiten, künstliche
Bedingungen eines Experimentaldesigns) zu adressieren,
sollte zukünftige Forschung vor allem der externen Validität
einen hohen Stellenwert einräumen und eine repräsentative
Konsumentengruppe in einer realitätsnahen Situation mit erhöhten Beteiligungsmöglichkeiten ausstatten. Die Ergebnisse
sollten weiterhin durch die Betrachtung zusätzlicher Produktkategorien (z.B. High-Involvement-Kategorien) und weiterer
Ausgestaltungsformen der Mitwirkung (z.B. Ermächtigung zur
Einreichung eigener Vorschläge) erweitert werden.
1) Vgl. hierzu auch Fuchs, Christoph / Prandelli, Emanuela /
Schreier, Martin (2010): The Psychological Effects of Empowerment Strategies on Consumers’ Product Demand, in: Journal of Marketing, 74 (1), S. 77.
BVM/VMÖ Nachwuchsforscher 2013, Kategorie Dissertation
Dr. Stefan Hattula, Universität Stuttgart, Lehrstuhl für ABWL und Marketing
Effektivität des Signaling in Erfahrungsgüter­
märkten
Hersteller von Erfahrungsgütern sind mit besonderen Herausforderungen im Management
von Stakeholder-Beziehungen konfrontiert. Aufgrund der Tatsache, dass die Qualität von Erfahrungsgütern vor dem Kauf nicht vollständig beurteilt werden kann, nehmen beispielsweise
Konsumenten ein verstärktes Kaufrisiko wahr, das vom Kauf abhalten und damit unmittelbar
negative Auswirkungen auf den ökonomischen Erfolg von Unternehmen haben kann.
Es ist daher im Interesse von Unternehmen in Erfahrungsgütermärkten, die Diskrepanz zwischen sich und Stakeholdern
bezüglich Qualitätsinformationen (Informationsasymmetrie)
zu mindern. Dabei nimmt die Kommunikationspolitik und
insbesondere das Signaling eine zentrale Rolle ein. Signaling
bezeichnet die Bereitstellung von möglichst eindeutigen und
verlässlichen Informationen über Fähigkeiten und Intentionen
von Unternehmen, die den Stakeholdern eine Einschätzung
der Qualität der Produkte ermöglichen.
Hattula hat in zwei Studien die Dynamik der Effektivität von Signalen im organisationalen Lebenszyklus untersucht. Grundlage dafür bildeten objektive Sekundärdaten zu zwölf Sportvereinen über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren (Studie
1) sowie ein objektiver Sekundärdatensatz zu 25 kommerziellen US-Banken über einen Zeitraum von 18 Jahren (Studie 2).
Beurteilt werden dabei die Signale Teamausgaben und Markenwert von Sportvereinen (Studie 1) sowie Werbeausgaben
und Mitarbeiterausgaben von Banken (Studie 2) hinsichtlich
ihrer Effektivität im Zeitverlauf.
Die Ergebnisse beider Studien machen deutlich, dass die Effektivität von Signalen stark an die Phase im organisationalen
Lebenszyklus gekoppelt ist. Da in frühen Phasen ihres Lebens
Unternehmen noch relativ reputationslos sind und damit der
Markenwert praktisch nicht verfügbar ist, stellt dieser in frühen
Phasen kein glaubwürdiges Signal dar. Effektiv sind dagegen
vor allem Informationen zu Investitionen von Unternehmen,
wie Werbeausgaben und Mitarbeiterausgaben. Entsprechend
theoretischen Überlegungen zum Cue Scope Framework
werden daher mit der Verfügbarkeit von Signalen hoher Valenz, wie dem Markenwert, Signale geringer Valenz, wie finanzielle Investitionen, in späteren Phasen des Lebenszyklus von
Stakeholdern nicht mehr so stark nachgefragt und büßen an
Effektivität im Zeitverlauf ein.
Basis der Untersuchung der Dynamik von Signaling im Konjunkturzyklus bildet Studie 2, die auf dem objektiven Sekundärdatensatz zu kommerziellen US-Banken basiert. Die Ergebnisse deuten an, dass die Effektivität von Signalen an die
gesamtwirtschaftliche Situation (den Konjunkturzyklus) gekoppelt ist. In Bezug auf Konsumenten weisen sowohl das
Signal Werbeausgaben als auch das Signal Mitarbeiteraus-
Preis der Deutschen Marktforschung
INHALT
gaben eine antizyklische Effektivität im Sinne der besseren
Stimulierung des Kaufverhaltens in Phasen der Rezession auf.
Im Gegensatz dazu sind beide Signale tendenziell durch eine
prozyklische Effektivität für Shareholder gekennzeichnet, womit insbesondere in ökonomischen Aufschwungphasen beide
Signale relevanter sind. Schließlich deutet sich für Werbeausgaben eine prozyklische und für Mitarbeiterausgaben eine
antizyklische Stimulierung des Ausgabeverhaltens von Wettbewerbern an. Somit sehen sich Wettbewerber v.a. in Expansionsphasen (Rezessionsphasen) veranlasst, als Reaktion auf
hohe Werbeausgaben (Mitarbeiterausgaben) den Wettbewerb
zu intensivieren.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die vorliegende Arbeit
einen ersten Schritt hin zu einem Verständnis für die Ursachen unterschiedlicher Effektivität von Signalen darstellt. Die
gewonnenen Erkenntnisse tragen zu einem differenzierteren
Umgang mit dem Einsatz dieses Kommunikationsinstruments
in der Wissenschaft bei und bieten Managern Hilfestellungen
bei der Optimierung ihrer Ressourcenallokationen.
Dazu heißt es in der Laudatio, vorgetragen von Professor Dr. Raimund Wildner, stellvertretendender
BVM-Vorsitzender und Mitglied der Jury:
Hattula hat sich in seiner Dissertation damit beschäftigt,
wie Signale im Konjunkturverlauf und im Lebenszyklus eines Angebots variiert werden müssen. Er wandte mehrere
Ebenen von vector-autoregressiven Modellen und nichtlinearen Regressionen an, um diese Fragen am Beispiel
der 1. Fußballliga und der Finanzbranche zu beantworten.
Erstmals werden dabei Interaktionen zwischen zwei endogenen Variablen integriert. Die Methodik ist komplex und
innovativ. Trotzdem sind die Ergebnisse klar. Die Kombination aus relevanter Fragestellung, anspruchsvollen und
innovativen Methoden sowie klaren und für die Praxis nützlichen Ergebnissen war der Jury ein 1. Preis in der Kategorie Dissertation wert.
BVM inbrief August 2013 25
Kongress
INHALT
Dr. Frank Knapp, BVM-Vorsitzender
Gudrun Kneißl, MAN Truck & Bus
Kongressrückblick
Wirkliche Innovation
braucht so viel Energie
wie der Kampf um eine
Goldmedaille
Frank Schomburg, nextpractice
Dr. Tobias Hildenbrand, SAP
Stefan Grünewald, rheingold
Die Frage, wie man die Zukunft mit neuen Ideen,
Instrumenten und Erkenntnissen meistert,
war zentrales Thema des diesjährigen BVMKongresses in Berlin
Am 22. und 23. April dieses Jahres trafen sich
rund 400 Anbieter und Nutzer von Marktforschung in Berlin, um sich unter dem Thema
„Innovation. Motor für Märkte von morgen” mit
Ansätzen und Fragen des Innovationsmanagements und mit der Rolle der Marktforschung
in diesem Prozess in Zeiten technologischen,
sozialen und wirtschaftlichen Umbruchs zu beschäftigen.
Marc Hassenzahl, Folkwang Universität der Künste
Kongress
INHALT
Professor Dr. Gunter Dueck, Chief Innovation Officer IBM i.R.
Anna Cremers, nugg.ad
Auf dem Kongress der Deutschen Marktforschung, den der BVM
Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher in diesem
Jahr zum 48. Mal veranstaltete, thematisierten Experten aus
Instituten und Unternehmen, die Marktforschungsleistungen
beziehen, sowie aus der Wissenschaft eine Vielzahl von Konzepten, Studien und Instrumenten des Innovationsmanagements, und diskutierten die Bedeutung, die der Marktforschung
in solchen Prozessen zukommt.
„Der Marktforschung erwachsen in diesen Zeiten des disruptiven Wandels eine Vielzahl von
Chancen – allerdings mit der Folge, dass sie
sich von einigen ihrer bewährten Ansätze und
Methoden verabschieden muss.”
Jan Hofer, ARD
Dr. Karlheinz Steinmüller
Darüber hinaus kamen auch wieder namhafte Experten aus
Wissenschaft und Praxis zu Wort, die sich aus unterschiedlichen – nicht direkt zur Markt-, Medien- und Meinungsforschung gehörenden – Perspektiven mit dem Thema Innovation
beschäftigten.
Szenarien zukünftiger Marktforschungspotenziale
Als erster Redner, der in das Thema des diesjährigen Kongresses einführte, leitete der Zukunftsforscher Dr. Karlheinz Steinmüller, Z_punkt, seine Analyse mit der folgende Hypothese ein:
Der Marktforschung erwachsen in diesen Zeiten des disruptiven Wandels eine Vielzahl von Chancen – allerdings mit der Folge, dass sie sich von einigen ihrer bewährten Ansätze und Methoden verabschieden müsse. In drei „spekulativen” Szenarien
Dr. Florian Kerkau, Goldmedia Custom Research
Kongressplenum
Detlev Happel, Dialego mit Jan Hofer, ARD
Kongress
INHALT
Dr. Dieter Korczak, ESOMAR-Präsident ex ufficio
Dr. Ralph Wirth, GfK
zu den Themen „Big Data und deren Folgen für das Geschäft mit
Umfragen”, „Gaming statt Forschung” und „Agenten statt Probanden – agentenbasiertes Modelling” setzte er sich kritisch
mit den Zukunftspotenzialen und -optionen dieser Ansätze
für die Marktforschung, aber auch mit den damit verbundenen
Qualitäts- und Datenschutzfragen auseinander. Sein Fazit: „Es
sieht so aus, als würde der Marktforschung in den nächsten
Jahren eine hochinteressante Entwicklung bevorstehen. Dennoch sollten wir nicht ganz sicher sein, dass die Welt so bleibt,
wie sie derzeit ist. Es gibt immer wieder disruptive Ereignisse,
die zu Entwicklungen führen, die heute noch gar nicht erkennbar sind.”
Andreas Neef, L’Oréal
Dr. Steven Schuh, MAN Truck & Bus AG, und Petra Fetzer, M.A.,
hucon – human consulting
Dr. Josef Köster, BMW Group
Design Thinking und Experience Design
Der SAP-Innovationsmanager Dr. Tobias Hildenbrand stellte
das von immer mehr großen Unternehmen genutzte Konzept
des „Design Thinking” vor und konkretisierte anhand eines Projekts für die deutsche Segelmannschaft, wie diese – strikt auf
„multidisziplinäre” Teamarbeit und die Kooperation mit dem
Kunden und Endnutzer setzende – Vorgehensweise in Innovationsprozessen angewendet wird. „Wir nutzen diesen iterativ
vorgehenden Ansatz in der Entwicklung der Funktionalitäten
unserer Produkte, mit dem Ziel, die versteckten Bedürfnisse
von Nutzern herauszufinden und diese mit technischer Machbarkeit und wirtschaftlicher Rentabilität abzustimmen. Das hat
sich insbesondere dort bewährt, wo es darum geht, sehr komplexe Problemlösungen zu erarbeiten oder neue Ideen in für die
Bedürfnisse der Nutzer geeignete Lösungen umzusetzen.”
Ganz ähnlich der Ansatz, den der Leiter der „Experience Design”Gruppe, Professor Dr. Marc Hassenzahl, Folkwang Universität
Mark Schiefelbein, Wakoopa
Kongress
INHALT
Dr. Karlheinz Steinmüller, Z_punkt
Gerald Neumüller, SevenOneMedia
der Künste, Essen, aus der Perspektive eines Produktdesigners
vorstellte. Er thematisierte am Beispiel von Fragen, die sich mit
den Einstellungen und der Nutzung von Automobilen beschäftigen, wie man technische Funktionen und Erlebnisse in der
Gestaltung von Produkten miteinander verbinden kann. In den
letzten zehn Jahren hat sich – so Hassenzahl – eine neue Sicht
des Designs entwickelt, die Erlebnisse ganz selbstverständlich
als gestaltbaren Teil eines jeden Produktes versteht. Seine These: „Technologische Möglichkeiten sind nur die Materialien. Was
wir wirklich designen, sind Erlebnisse und Gefühle. Das ist das
eigentliche Gestaltungsziel. Das Erleben ist also das eigentliche
Produkt und damit auch der Gegenstand des Designs.”
„Technologische Möglichkeiten sind nur die
Materialien. Was wir wirklich designen, sind
Erlebnisse und Gefühle.”
Mathias Streicher, Universität Innsbruck
Professor Dr. Marc Hassenzahl
Es bedarf anpassungsfähiger Strategieportfolios
Nach Ansicht des in Brüssel und seit kurzem auch an der Universität der Künste, Berlin, lehrenden Marketingexperten Professor
Dr. Christian Blümelhuber erschweren immer neue Imperative
sowohl seitens der Konsumenten als auch des Marketings die
Gewinnung, Analyse und Interpretation von Daten. Diese unter
anderem mittels Marktforschung gewonnenen Daten sind – so
Blümelhuber – die wichtigste Hintergrundquelle des Marketing- und Zukunftsmanagements in Unternehmen. Seine These: Angesichts dessen, dass sich die Welt schneller ändert, als
wir reagieren können, erweisen sich langfristig angelegte Ein-
Wim van Slooten, General­direktor von MOA
Dr. Benedikt Köhler, d.core, und Jan Hofer, ARD
Doris Sibum, Deutsche Post DHL, und Jan Hofer, ARD
Kongress
INHALT
v.l.n.r. Werner Dag, Foerster & Thelen, Dr. Ulrich Haspel, Haspel &
Partner Teststudio, Uwe Förster, Ina Förster, Tim Thelen-Liesenfeld,
Foerster & Thelen
zelstrategien als untauglich. Vielmehr gehe es darum ressourcen, und bedürfnisorientiert zu denken, zu experimentieren und
auf – ständig der jeweils neuen Entwicklung anzupassende –
Portfolios von Strategien zu setzen. „Die Marktforschung spielt
dabei eine entscheidende Rolle, indem sie den Unternehmen
und ihren Entscheidern Hypothesen für deren Strategien liefert:
sowohl zu den Gefühlen, Wünschen und Denk- und Verhaltensweisen der Konsumenten als auch zu der Art, wie Märkte und
die Welt heute und zukünftig allgemein funktionieren.”
„Angesichts dessen, dass sich die Welt
schneller ändert, als wir reagieren können,
erweisen sich langfristig angelegte Einzel­
strategien als untauglich.”
Sandra Lades (GfK Verein, Presseleitung) und Petra Svamberk (Hostess)
an der BrainFood Bar des GfK-Vereins
Professor Dr. Christian Blümelhuber
Professor Dr. Gunter Dueck
Professor Dr. Christian Blümelhuber
Wirkliche Innovationen haben viele Feinde
Als letzter Redner auf dem Kongress beschäftigte sich der Mathematiker und Philosoph Professor Dr. Gunter Dueck mit der
Frage, wie sich Innovationen in Unternehmen – trotz der vielen Widerstände von allen nur denkbaren Seiten – durchsetzen
können. Und er ist überzeugt, dass Unternehmen wie nie zuvor
in diesen Zeiten rapiden technischen Wandels gezwungen sind,
innovativ zu sein. Seine Warnung: „Lachende Unternehmen gehen unter”. Als Beispiele führte er die Banken an, die über Internetbanken höhnten, Unternehmen wie Kodak, die Digitalkameras nicht ernst nahmen, oder den Buchhandel, der den Erfolg
von E-Books nicht wahrhaben wollten. Wirkliche Innovatoren
mit zukunftsweisenden Ideen stoßen in den Unternehmen, für
die sie arbeiten, meist auf extremen Widerstand. Sie werden
sich laut Dueck nur dann durchsetzen, wenn sie die Kunst beherrschen, das Neue mit unerschütterlicher Energie über alle
Hindernisse hinweg durchzusetzen. „Innovationen brauchen so
viel Energie wie der Kampf um eine Goldmedaille. Innovation,
die sich lohnen soll, muss als Herkulesaufgabe betrieben werden, mit voller Kraft.”
Und Innovation in der Marktforschung?
Unter dem Titel „Market Research Reloaded – neue Wege in der
Marktforschung?” stellte Wim van Slooten, Generaldirektor der
niederländischen Marktforschervereinigung (MOA), die neue
Verbandsstrategie vor. Angesichts des derzeit atemberaubenden technologischen Fortschritts erlebt – so der Referent – die
Branche der Marktforschung und Informationsdienstleistung
eine beispiellose Phase der Veränderung. Da neue Anbieter von
Informationsservices gegenwärtig mit Macht auf den Markt
drängten, müsse die Branche schnell reagieren. Genau damit
habe die MOA Ende 2009 begonnen (siehe dazu den Beitrag
von van Slooten in Ausgabe 1/2013 des BVM inbrief). Sie habe
sich zugunsten der Alternative entschieden, sich den neuen
Anbietern zu öffnen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, ebenfalls von der MOA repräsentiert zu werden. Im Anschluss daran
diskutierten Professor Dr. Raimund Wildner, stellvertretender
BVM-Vorsitzender, und Dr. Benedikt Köhler, d.core, mit Wim
van Slooten über die neue Verbandspolitik (siehe dazu die Replik von Köhler und das Interview von Michael Bartl mit Edward
Appleton auf Seite 8 in dieser Ausgabe).
INHALT
Auszeichnung für gute Präsentationen auf
dem Kongress
Wie üblich wurden die Besucher unmittelbar nach dem Kongress gebeten, an einer Befragung
teilzunehmen und ihre Meinung zum Kongress allgemein, zu den Referenten und zur KongressLocation, Organisation etc. abzugeben. Erstmals in diesem Jahr lobt der BVM die besten Präsentationen aus.
An der Kongressbefragung hatte sich gut ein Drittel der Kongressbesucher beteiligt. Der Vorstand hat entschieden, auf
Basis dieser Befragung eine seit langem diskutierte Idee in
die Tat umzusetzen, nämlich diejenigen Referenten, deren
Präsentationen von den Kongressbesuchern besonders gut
bewertet wurden, auszuzeichnen. Die Keynote-Sprecher und
der Moderator, die durchweg Bestnoten erhalten hatten wurden natürlich nicht in der Analyse berücksichtigt.
Ebenso überdurchschnittlich gut wurden die folgenden Referenten und ihre Präsentationen bewertet:
Wir beglückwünschen in diesem Jahr sechs Referenten mit
fünf Beiträgen, die nach Ansicht der Kongressteilnehmer
besonders gelungen präsentiert haben:
Dr. Ralph Wirth, GfK
If you can make it here, can you make it anywhere?
An erster Stelle und gleichauf drei Referenten, die auch
schon als Sieger im Wettbewerb um den Preis der Deutschen
Marktforschung 2013 ausgezeichnet wurden:
Kongress
Premiere
Dr. Benedikt Köhler, d.core
Visual Intelligence und Big Data in der Marktforschung
Gerald Neumüller, SevenOne Media
ROI Analyzer – ein Modelling-Ansatz zur Erfassung der langfristigen Werbewirkung
Die Videoaufzeichnungen der Vorträge dieser Referenten und
die Charts dazu finden Sie ebenfalls unter www.bvm.org/
vortraege/.
Carmen Wilhelms
The Dark Side of Word-of-Mouth. Negative Auswirkungen
der Einbeziehung von Konsumenten in den Vermarktungsprozess
Johannes Herrcher, Rogator, und Martin Krautsieder, Seven­
One Media
Neue Hybridtechnologie – Online-Umfragen via HbbTV
Die Tonaufzeichnung der Vorträge der beiden Referenten
und die Präsentationscharts finden Sie unter www.bvm.org/
vortraege/.
BVM inbrief August 2013 31
INHALT
Kongress
BVM-Kongress 2013
Von Eisbergen, Cola-Flaschen und der
­Sexyness der Marktforscher
Annika Benner und Isabella Maier, FAMS-Auszubildende und Schüler des Joseph-DuMont-Berufskollegs, schildern, wie Marktforscher von morgen den Kongress der „MaFo-Szene” erobern
Vieles haben wir erleben dürfen in den mit spannenden Vorträgen, interessanten Gesprächen
und gutem Essen gefüllten zwei Tagen in Berlin. Allem voraus erkannten wir, was die Markt­
forschung mit Pfauen, Chamäleons und den allseits beliebten Birkenfaltern gemeinsam hat.
Aber zunächst einmal ein paar Worte zu uns: Wir sind die
zukünftigen FAMS (Fachangestellte für Markt- und Sozialforschung) drei verschiedener Jahrgangsstufen des Joseph-­
DuMont-Berufskollegs in Köln – und dementsprechend alle
noch recht grün hinter den MaFo-Ohren.
Während des BVM-Kongresses zeigte die Innovation ihre verschiedenen Gesichter: Egal ob online oder offline, verbal oder
non-verbal, open oder closed, in Form von Big Data und Small
Data, gegenwärtig sowie zukünftig.
Doch wie zeichnet sich Innovation in der Marktforschung nun
aus? Führt die Sperm-Strategy wirklich zu mehr Glück? Ist der
Hype um Neuroscience abgeebbt und wird nun überrollt von einer Big-Data-Welle? Werden Smartphones die Marktforschungswelt zukünftig verändern oder haben sie das bereits getan?
Doch wie zeichnet sich Innovation in der
Marktforschung nun aus? Führt die SpermStrategy wirklich zu mehr Glück? Ist der Hype
um Neuroscience abgeebbt und wird nun
überrollt von einer Big-Data-Welle?
All diese Fragen stellten wir uns unmittelbar nach den vielzähligen Vorträgen und Impulsen, die uns der Kongress bot.
So begleitet uns der BVM-Kongress auch bis in unseren Alltag, denn heute fragen wir uns beispielsweise beim üblichen
Einkauf, ob wir uns durch die Haptik bestimmter Produkte
beeinflussen lassen oder ob der Geschmack der Coca-Cola alleine für den Kauf ausschlaggebend ist. Es scheint demnach
wichtig, bei der Entwicklung neuer Produkte die Haptik nicht
außer Acht zu lassen.
Aber nicht nur dies spielt im Rahmen von Innovation eine Rolle, da auch das „Unsichtbare” (der untere Teil des Eisbergs) von
Bedeutung ist. Nicht nur die Eisbergspitze (die potenziellen
Endkunden), auch Mitarbeiterstruktur und Unternehmenskultur können in den Innovationsprozess mit eingebunden werden. So gibt es das „Eisbergproblem” anscheinend heute wie
damals, denn dazu passend haben wir am Abend der Gala eine
wichtige Erkenntnis gewonnen: „Die Arche wurde von Amateuren gebaut, die Titanic von Profis.”
Dies hat uns gezeigt, dass neben Profis auch Amateure in
die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen mit einbezogen
werden sollten, um diese erfolgreich zu gestalten und individuell anzupassen. Anpassungsfähigkeit in unserer schnelllebigen Welt ist, wie bereits bekannt, essenziell für gewinnbringendes Überleben in der Marktforschung. Doch nicht nur
anpassungsfähig wie ein Chamäleon, sondern auch sexy wie
ein Pfau soll er sein, der Marktforscher von heute ...
Wir persönlich freuen uns besonders darüber, dass Träume
bedeutend für die Marktforschung sind. Denn wer liebt es
nicht, das Träumen? Ob Tag, ob Nacht, Träume sind letztlich
Innovationsmotoren. Vermutlich waren sie auch Motor für
die Entwicklung des HbbTV, dem wir bereits entgegenfiebern.
Mit fernsehtauglichen Umfragen werden bestimmt die Werbepausen zwischen den geliebten Trash-TV-Formaten à la
Dschungelcamp erträglicher. Wir Marktforscher schauen uns
solche Sendungen selbstverständlich nicht an, sondern zählen auch in unserer Freizeit nur Erbsen.
Annika Benner absolviert eine Ausbildung zur Fachangestellten Markt- und Sozialforschung
(FAMS) bei MANUFACTS Research & Dialog GmbH,
Isabella Maier beim SKOPOS Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Sie besuchten
zusammen mit 13 anderen FAMS-Auszubildenden den BVM-Kongress 2013 und sprechen stellvertretend für die Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung der Klassen FT12A, FT11A
und FT10A des Joseph-DuMont-Berufskollegs, Köln.
32 BVM inbrief August 2013
INHALT
FAMS-Auszubildende des Joseph-DuMont-Berufskollegs, Köln (v.l.n.r.): Marcel Palm, Jan Unverzagt, Dr. Jörg Maas, Lehrer am
Berufskolleg, Florian Pering, Dr. Ulrike Schöneberg, BVM-Vorstand, Moritz Winterhager, Annika Benner, Mortimer Schlieker,
Anna Schlösser, Isabella Maier, Nathalie Best, Gianni Balistreri, Tim Nawrath, Sandra Stetten, Matthias Föhrmann, Niels Christ.
Aber da wir schon bei Klischees angelangt sind – die Deutschen erfüllen übrigens auch online sämtliche Klischees, zumindest wenn es um das Surfverhalten geht: Männer besuchen vermehrt Autoseiten, wohingegen Frauen Modeseiten
bevorzugen. Eine Erkenntnis, die wir nun doch nicht ganz so
überraschend fanden wie die Tatsache, dass Ampeln nicht nur
auf Straßen und in der Politik, sondern auch im Live-Monitoring der Marktforschung existieren.
terstützt haben, und bei unserem Bildungsgangleiter Herrn
Dr. Maas, der uns in Berlin begleitet und die Vorträge mit uns
im Unterricht nachbereitet hat. Gerne möchten wir den BVMKongress in Zukunft erneut besuchen, wer weiß, in welcher
Funktion – die Wichtigkeit des Träumens haben wir zumindest nicht verlernt ...
Gerne möchten wir den BVM-Kongress in
Zukunft erneut besuchen, wer weiß, in welcher Funktion – die Wichtigkeit des Träumens
haben wir zumindest nicht verlernt ...
Abschließend möchten wir uns ausdrücklich bei Frau Dr. Schöneberg und Frau Didszus vom BVM bedanken sowie bei Herrn
Prof. Dr. Raimund Wildner vom GfK-Verein, die es uns durch
reduzierte Kongressgebühren und Sponsoring der Abend-Gala
ermöglicht haben, an diesem spannenden MarktforschungsEvent teilnehmen zu können. Zudem bedanken wir uns herzlich bei unseren Ausbildungsbetrieben, die uns finanziell un-
Wichtiger Termin
49. Kongress der Deutschen Marktforschung
19. und 20. Mai 2014 in Berlin
BVM inbrief August 2013 33
Wichtiger Termin
49. Kongress der Deutschen
Marktforschung
19. und 20. Mai 2014 in Berlin
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Im Fokus
Die vielen Gesichter der Innovation
Die Beiträge der Teilnehmer am Wettbewerb zum Best Paper 2013
In diesem Jahr hat der BVM zum zweiten Mal den Call for Papers and Contributions für den Kongress der Deutschen Marktforschung verknüpft mit dem Wettbewerb zum Preis für den besten
Kongressbeitrag.
Der Jury lagen insgesamt 32 Bewerbungen vor, von denen sie
18 in das Programm aufnahm. Am Wettbewerb zum Best Paper, für das über eine Kurzfassung des Projektthemas hinaus
ein ausführlicheres Manuskript eingereicht werden musste,
lagen schließlich 15 Beiträge vor.
Alle Kongressbeiträge wurden entweder als Video oder als
Tonaufzeichnung mitgeschnitten. Die meisten dieser Aufnahmen und viele der Präsentationen können auf der BVMWebseite www.bvm.org/vortraege/ angesehen bzw. angehört
sowie gegebenenfalls herunter geladen werden. Für Teilnehmer des diesjährigen Kongresses ist der Zugang zu den auf der
Webseite vorhandenen Beiträgen kostenlos. Interessenten,
die nicht am Kongress teilnehmen konnten, zahlen 25 Euro pro
Manuskript, Präsentation oder Bild- bzw. Tonaufzeichnung
und 250 Euro für die gesamten Kongressunterlagen.
Drei Manuskripte, die wegen ihres Umfangs im Folgenden
nicht wiedergegeben sind, können Sie von der Webseite
www.bvm.org/inbrief herunterladen. Es sind die Beiträge
von:
Anna Cremers, nugg.ad, Berlin
So surft das Netz – eine Studie zum Online-Surfverhalten der
Deutschen
Dr. Florian Kerkau, Goldmedia Custom Research, Berlin
Neuroscience-Methoden für die angewandte Medienforschung – Welchen Beitrag leisten NIRS, EEG und Pupillometrie?
Lisa-Charlotte Wolter, Hamburg Media School
Soziale Netzwerke für klassische Medienmarken? Wirkungsweise von Facebook-Fan-Communities
12 der 15 eingereichten Papiere sind im anschließenden
Fokus abgedruckt.
BVM inbrief August 2013 35
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Best Paper 2013
Gemeinsam Branchenzukünfte vorausdenken
Dr. Alexander Fink, ScMI, Gudrun Kneißl, MAN Truck & Bus, und Hanna Rammig, ScMI,
stellen Szenarien zur Zukunft von urbaner Mobilität, Nutzfahrzeugen und busbasiertem
Reiseverkehr vor
Innovation kann nur dann gelingen, wenn Zukunft nicht mehr als Verlängerung der Vergangenheit verstanden wird. Daher müssen Marktforscher verstärkt in alternativen Zukünften denken.
Die MAN Truck & Bus AG verfügt über fundierte Erfahrung dabei, solche Szenarien gemeinsam
mit externen Partnern zu entwerfen. In dem Beitrag zeigen die Autoren anhand der Erfahrungen
in drei unterschiedlich aufgesetzten Projekten, welche Nutzenpotenziale mit einer gemeinschaftlichen Szenarioentwicklung erschlossen werden können – und worauf Unternehmen bei
der Vorausschau achten müssen.
Zukunft vorauszudenken ist Bestandteil jeder Innovation,
denn die reine Extrapolation vergangenheitsbezogener Daten
führt selten zu Neuem und befördert einen statischen Ansatz
der Marktforschung. Daher werden mit vielfältigen Werkzeugen wie Trendforschung, Trendmanagement, Trendanalyse,
Trendradar oder Trendportfolios aktuelle Entwicklungstendenzen identifiziert, um so Marktmodelle oder Simulationen
an zukünftige Veränderungen anzupassen.1)
Dabei wird allerdings stillschweigend davon ausgegangen,
dass sich Zukunft vorhersagen lässt. Dies mag bei kurzfristigen Fragestellungen – und in Einzelfällen auch darüber hinaus
– funktionieren, bei der Suche nach innovativen Geschäftsmodellen sowie nach Strategien und Roadmaps für die Produktund Marketingplanung führt ein solches Vorgehen immer
wieder zu kapitalen Fehlprognosen.2)
Markt- und Wettbewerbsumfelder sind von zunehmender
Komplexität und Ungewissheit geprägt.3) Dennoch neigen Unternehmen zunächst dazu, sich auf eine Prognose festzulegen
– oder sie versuchen, kurzfristig möglichst flexibel reagieren
zu können.4) Beide Ansätze führen dazu, dass sie strukturelle
Veränderungen oft zu spät erkennen. Daher müssen Unternehmen vor allem zwei Denkweisen entwickeln:5)
Zukunftsoffenes Denken: Aufgrund der Ungewissheit in
politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Umfeldern sowie in konkreten Branchen und
Handlungsfeldern wird nicht mehr versucht, die Zukunft
exakt vorherzusagen. Stattdessen werden gezielt mehrere
vorstellbare Zukunftsbilder entwickelt und beschrieben.
V
ernetztes Denken: Die Vielfalt der Einflüsse auf unternehmerisches Handeln hat sich durch Globalisierung, Digitalisierung und veränderte Ansprüche und Anspruchsgruppen
stetig erhöht. Hinzu kommt die zunehmende Dynamik die-
36 BVM inbrief August 2013
ser Änderungsprozesse. Daher haben wir es in der Regel
mit komplexen Systemen zu tun, die adäquat nur durch
vernetztes oder systemisches Denken gehandhabt werden
können.6)
Die Kombination zukunftsoffenen und vernetzten Denkens
führt zu alternativen Zukünften, die als Szenarien bezeichnet
werden. Sie beschreiben eine von mehreren Möglichkeiten
und beruhen auf einer schlüssigen Kombination denkbarer
Entwicklungsannahmen verschiedener Einflussgrößen. Insofern sind Trends und Szenarien die Werkzeuge, die Veränderungsimpulse aufnehmen – wobei Szenarien aufgrund der
Zukunftsoffenheit und Vernetzung als weitreichender angesehen werden können (Abbildung 1, links).
Nur zu gerne möchte man nach der Szenarioentwicklung direkt mit dem gewohnten Prozess des Road Mapping oder der
konkreten Produkt- und Marketingplanung beginnen – und
möglichst kurzfristig zu konkreten Maßnahmen kommen.
Dies gelingt aber nur selten, da wir den Umgang mit Ungewissheit und mehreren Zukünften nicht gewohnt sind. Zukunftsoffenheit kann nicht auf das Unternehmensumfeld beAbbildung 1: Szenarien als erweiterte Perspektive der Marktforschung
grenzt werden, sondern verlangt nach einer Betrachtung der
eigenen Handlungsalternativen.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abbildung 2: Schritte der Szenario-Entwicklung und
-Bewertung
Insofern folgt einer Szenarioentwicklung stets das Durchdenken strategischer Konsequenzen. Im rechten Teil von Abbildung 1 ist dies über die vielfältig genutzten Begriffe Vision und
Strategie ausgedrückt.7) Insofern wird deutlich, dass mit Szenarien auch eine Perspektiverweiterung der traditionell eher
an der Analyse vergangenheitsbezogener Daten sowie in der
Gegenwart erkennbarer Trends orientierten Marktforschung
verbunden ist.
Wie Szenarien entwickelt, bewertet und interpretiert
­werden
Szenarien sind keine Strategien. Sie beschreiben klassischerweise die Frage, wie sich Rahmenbedingungen in der Zukunft
verändern könnten – sie sind also so etwas wie der Wetterbericht für die Zukunft. Bei der Erstellung solcher Umfeldszenarien ist zunächst zu überlegen, ob und in welcher Form Wahrscheinlichkeiten im Szenario-Prozess berücksichtigt werden
sollen. Hier trifft man auf zwei Denkschulen.
früh und genau quantifizieren und in ihren Planungsprozess
integrieren möchten. Nach unserer Erfahrung müssen Szenarien sowohl als Denk- als auch als Planungswerkzeuge verstanden werden. Dabei ist es notwendig, zwischen SzenarioEntwicklung und Szenario-Bewertung zu unterscheiden.
Viele Szenario-Denker lehnen die Nutzung von Wahrscheinlichkeiten kategorisch ab – vor allem, da sie ihre Zukunftsbilder primär als Denkwerkzeuge verstehen. Dem stehen Planungsverantwortliche gegenüber, die Szenarien möglichst
Im Rahmen der Szenario-Entwicklung werden alternative Zukunftsbilder entworfen – und zwar als Denkwerkzeuge ohne
die Betrachtung von Wahrscheinlichkeiten. Dabei durchläuft
man drei grundlegende Schritte (Abbildung 2): 8)
Dr. Ing. Alexander Fink, Gründungsinitiator und Mitglied des Vorstands der ScMI Scenario Management
International, Paderborn
verfügt über langjährige Erfahrung bei der strategischen Beratung von Industrie- und Dienstleistungs­
unternehmen. Der promovierte Wirtschafts-Ingenieur ist Autor und Mitautor mehrerer Bücher. 1998 erhielt er
den „Prize for Outstanding Paper” in „Technological Forecasting and Social Change”. Schwerpunkte seiner Arbeit
sind Szenarienplanung und Zukunftsmanagement, visionäre Strategieentwicklung sowie die Inte­gration von
Früherkennung und Szenarien in Führungs- und Planungsprozesse von Unternehmen und Organisationen.
Gudrun Kneißl, Leiterin des Bereichs Sales Long Term Projects, MAN Truck & Bus, München
ist für strategische Langzeitprojekte im Vertrieb der MAN Truck & Bus AG verantwortlich. Die Diplom-­Ökonomin
begann ihre Konzernlaufbahn bei der auf Druckmaschinen spezialisierten MAN-Tochter m
­ anroland AG als Head
of Market Intelligence, wechselte dann zur MAN Truck & Bus in die Abteilung Business Intelligence, die sie bis
2012 leitete. Zuvor war sie 13 Jahre bei TNS Infratest in den Bereichen S
­ ozialforschung und Stakeholder Management tätig.
Dipl.-Kffr. Hanna Rammig ist seit 2002 als Beraterin bei der ScMI Scenario Management International
AG tätig. Sie studierte Medienwirtschaft an der TU Ilmenau mit den Schwerpunkten Strategische
Unternehmensführung und Marketing. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Entwicklung von Szenarien
zur Zukunft der Medienlandschaft in Deutschland. Hanna Rammig hat national und international
Szenario-Projekte in verschiedenen Branchen betreut - darunter auch Projekte im öffentlichen Bereich.
Ihre Spezialgebiete sind szenariogestützte Analysen zu gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungsprozessen sowie Strategieentwicklung.
BVM inbrief August 2013 37
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Systemanalyse und Auswahl von Schlüsselfaktoren
(Schritt 1): Zunächst wird das betrachtete Themenfeld in
einem Systembild („Radarschirm”) visualisiert und durch
eine Vielzahl konkreter Einflussfaktoren beschrieben. Aus
diesen werden anschließend etwa 15 bis 20 langfristig wirkende Schlüsselfaktoren ausgewählt. Auf diesen Faktoren
beruhen die späteren Szenarien – sie sind sozusagen „unsere Fragen an die Zukunft”.
Viele Szenario-Denker lehnen die Nutzung
von Wahrscheinlichkeiten kategorisch ab –
vor allem, da sie ihre Zukunftsbilder primär
als Denkwerkzeuge verstehen.
E
ntwicklung von alternativen Zukunftsprojektionen
(Schritt 2): Hier werden je Schlüsselfaktor mögliche künftige Entwicklungen aufgezeigt. Diese Zukunftsprojektionen
beschreiben strategisch relevante Entwicklungsalternativen. Dabei werden bewusst auch aus heutiger Sicht weniger wahrscheinliche Möglichkeiten einbezogen.9) Diese Zukunftsprojektionen können als „Bausteine der Szenarien”
verstanden werden.
Verknüpfung von Zukunftsprojektionen zu Szenarien
(Schritt 3): Szenarien sind prägnante Darstellungen möglicher alternativer Zukünfte. Ihre Erstellung kann auf zwei
Arten erfolgen: Bei einer modellgestützten Logik werden
„bottom-up” einzelne Zukunftsprojektionen systematisch
verknüpft, während bei einer intuitiven Logik die Themen
der einzelnen Szenarien „top-down” definiert und später
durch einzelne Zukunftsprojektionen zu kompletten Szenarien ergänzt werden.10)
Insgesamt verfolgt man bei der Szenarioentwicklung zwei
parallele Ziele: Zum einen soll jedes einzelne Szenario ein
anschauliches Bild einer möglichen und relevanten Zukunft
aufzeigen. Die Szenarien wirken dabei wie ein „Bildband” aus
der Zukunft, anhand dessen Planer und Entscheider sich mit
solchen Möglichkeiten vertraut machen können. Zum anderen soll die Gesamtheit der entwickelten Szenarien den Möglichkeitsraum soweit es geht aufspannen. Dabei entsteht so
etwas wie eine „Landkarte der Zukunft”, anhand derer sich
verschiedene Entwicklungsalternativen durchdenken lassen.
Nachdem der Zukunftsraum ausgeleuchtet worden ist, stellt
sich die Frage, welche der skizzierten Szenarien erwartet werden – und wie der Weg hin zu diesen erwarteten Zukünften
aussehen könnte. Mit dieser Szenario-Bewertung wird aus
den Zukunftsbildern zusätzlich ein Planungswerkzeug.11) Dazu
ist es allerdings notwendig, dass die von den Szenarien ausgespannte „Landkarte” den Zukunftsraum möglichst weitreichend abbildet.
38 BVM inbrief August 2013
Szenarien müssen als Werkzeuge verstanden werden, um
zu zukunftsrobusten Strategien, Geschäftsmodellen oder Innovationen zu kommen. Daher schließt sich an die Szenario­
entwicklung und -bewertung stets eine Interpretation im
Rahmen eines „Szenario-Transfers” an. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, ob man sich auf einzelne
Umfeldszenarien konzentrieren kann (fokussierte Entscheidungen) oder ob man mehrere Umfeldszenarien zu berücksichtigen hat (zukunftsrobuste Entscheidungen).
Wie MAN Truck & Bus in die Zukunft denkt
Die MAN Truck & Bus AG agiert in komplexen und ungewissen Marktumfeldern. Mit der Durchsetzung neuer Antriebssysteme, der Globalisierung der Märkte sowie der veränderten Regulierung zeichnen sich strukturelle Veränderungen
von Geschäftsmodellen und Branchenstrukturen ab. Dem
entsprechenden Innovationsdruck begegnet die MAN mit
verschiedenen Werkzeugen, darunter auch dem SzenarioManagement.12)
Viele Unternehmen neigen bei der Vorausschau dazu, zu stark
auf brancheninterne oder branchennahe Entwicklungen zu
achten, obwohl etwa zwei Drittel aller relevanten Veränderungen durch Kräfte angestoßen werden, die außerhalb des
gegenwärtigen Wettbewerberfeldes liegen.13) Daher ist es
wichtig, dass in einem Szenarioprozess die äußeren Kräfte
nicht ausgeblendet werden. Unternehmen, die an dieser Stelle
sichergehen wollen, öffnen ihre Vorausschau-Aktivitäten und
entwickeln Szenarien gemeinsam mit Externen. Die MAN verfügt dabei über fundierte Erfahrung, da sie in den vergangenen Jahren drei unterschiedliche Ansätze der gemeinschaftlichen Entwicklung von Zukunftsbildern genutzt hat.
1.Den Branchendialog pflegen – Zukunft Nutzfahrzeuge
2025
2008 wurde im Rahmen des Initiativkreises Forschung und
Innovation der IHK Heilbronn-Franken angeregt, ein Szenarioprojekt „Zukunft Nutzfahrzeuge 2025” durchzuführen. Daraufhin haben sich sechs namhafte Unternehmen der Nutzfahrzeug-Branche – neben der MAN auch KS Kolbenschmidt,
Knorr-Bremse, ZF Friedrichshafen, Robert Bosch und MAGNA
Powertrain – zusammengefunden und ein Gemeinschaftsprojekt gestartet.
Bereits im Rahmen des ersten von vier Workshops wurde
deutlich, dass der notwendige Detaillierungsgrad nicht mit
einem einzelnen Szenario-Satz erreicht werden kann. Daher wurde bei der Auswahl der Schlüsselfaktoren zwischen
allgemeinen und den für die Teilmärkte „LKW” und „Bus”
spezifischen Schlüsselfaktoren unterschieden. Anschließend wurden neun Szenarien für das allgemeine Umfeld der
Nutzfahrzeugbranche entwickelt und zur besseren Kommunikation in vier Szenario-Cluster gegliedert. Abbildung 3 zeigt
im oberen Teil die Landkarte der Zukunft für die allgemeinen
Branchenszenarien.
Abbildung 3: Zukunftsraum der Nutzfahrzeugbranche 2025
transport ist eine wesentliche Herausforderung an urbane
Zentren und Ballungsräume. Gleichzeitig ist hier die gegenseitige Beeinflussung vieler Themen besonders hoch. Daher
ist es angeraten, auch bei der Vorausschau einen interdisziplinären Ansatz zu verfolgen.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Insofern wurde für das von der ScMI AG initiierte SzenarioProjekt „Zukünftige Mobilität in deutschen Ballungsräumen
2030” ein branchenübergreifendes Team zusammengestellt.
Ihm gehörten der Hamburger Verkehrsverbund und der
Rhein-Main-Verkehrsverbund, Siemens, die Metro-Group und
das Market Research und Service Center der Deutschen Post
an. Der öffentliche Part wurde durch das Logistikportal und
das Innovationszentrum Niedersachsen repräsentiert. Die
MAN konnte noch einmal zwei Perspektiven in das Projekt
einbringen, da hier sowohl Busse für den Personen- als auch
LKW für den Gütertransport herstellt werden.
Abbildung 4: Studienbericht als Werkzeug des offenen
Dialogs
Anschließend konnten auf Basis der segmentspezifischen
Schlüsselfaktoren Subszenarien für die zwei Teilmärkte „Güterverkehr/LKW” sowie „Personenmobilität/Bus” aufbereitet
werden. Eine Verknüpfung der allgemeinen und spezifischen
Szenarien lieferte den Partnern die Zukunftsinformationen,
die sie für ihre Planungsprozesse nutzen wollten. So gab es
beispielsweise Antworten auf die Frage, welche Entwicklungsmöglichkeiten für den LKW- und den Bus-Markt in den
einzelnen Umfeldern bestehen (Abbildung 3).
Im Rahmen des Projektes wurden sieben Szenarien erarbeitet, die von einem Kollaps des
Straßenverkehrs über multimodale Konzepte
in wachsenden Ballungsräumen bis zu einer
Abkehr vom Mobilitätsdenken und der Durchsetzung neuer Geschäftsmodelle reichen.
Ein von allen Projektpartnern geäußertes Feedback war, dass
in den jeweils bei einem der Partner vor Ort durchgeführten
Workshops ein intensiver und auf Zukunftsthemen ausgerichteter Branchendialog ermöglicht wurde. Daraus haben
sich im Nachgang auch bilaterale Entwicklungskooperationen
zwischen einzelnen Partnerunternehmen ergeben.
Im Rahmen des Projektes wurden sieben Szenarien erarbeitet, die von einem Kollaps des Straßenverkehrs über multimodale Konzepte in wachsenden Ballungsräumen bis zu einer
Abkehr vom Mobilitätsdenken und der Durchsetzung neuer
Geschäftsmodelle reichen.14) Diese Szenarien wurden von den
Projektteilnehmern in einem gemeinsamen Studienbericht
veröffentlicht, um sie so in den Dialog mit Kunden und Gesellschaft einbringen zu können (Abbildung 4). Darüber hinaus
wurden die Szenarien von den meisten Teilnehmern gemeinsam bewertet. In einem Transfer-Workshop ging es dann abschließend darum, diese Sichtweisen abzugleichen und noch
einmal von- beziehungsweise miteinander zu lernen.
2.Branchengrenzen überwinden – Zukünftige Mobilität in
deutschen Ballungsräumen
Im Jahr 2007 lebten erstmals mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten. In Deutschland liegt der Verstädterungsgrad
deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. Die Bereitstellung
einer geeigneten Infrastruktur für den Personen- und Güter-
3.Eigene Vorausschauprojekte öffnen – Busbasierter Reiseverkehr in Europa 2030
Ein führender Bus-Hersteller wie MAN beschäftigt sich kontinuierlich mit den Entwicklungsmöglichkeiten seines Markt­
umfelds – vor allem in den Segmenten Bus-Tourismus und
busbasierter Fernlinienverkehr. Da dieser Zukunftsmarkt vor
BVM inbrief August 2013 39
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abbildung 5: Beispiel einer Zeitung aus der Zukunft
Neben einer zu erwartenden breiten Rezeption im Unternehmen hat die MAN Truck & Bus AG die Studie für einen intensiven Branchendialog genutzt und die Ergebnisse in die Entwicklung neuer Fahrzeuge und Baureihen einfließen lassen.
Nutzenpotenziale gemeinschaftlicher Szenarioentwicklung
Die meisten in Unternehmen erfolgreich eingesetzten Szenarien sind keine zugekauften Studien, sondern entstehen in
einem gruppendynamischen Prozess auf Basis des im Unternehmen vorhandenen Zukunftswissens. Damit verbunden ist
sowohl eine höhere Identifikation mit den „eigenen” Szenarien
als auch die Möglichkeit des gemeinsamen Lernens im Rahmen eines strukturierten Zukunftsprozesses.
erheblichen Unsicherheiten steht, wurde 2010 ein Projekt
„Busbasierter Reiseverkehr in Europa 2030” aufgesetzt (Abbildung 4).
Um dabei nicht nur die herstellerspezifische Sicht einzunehmen, wurden 17 Player und Stakeholder aus den unterschiedlichsten Branchen eingeladen, sich an dem Prozess zu beteiligen. Dies waren zunächst Vertreter der eigenen Branche wie
BMW, Volkswagen, Goodyear, Continental und Michelin – aber
auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer
und der RDA Internationale Bustouristik Verband. Darüber
hinaus wurden aber auch branchenfremde Innovatoren wie
Airbus, Henkel, Evonik, T-Systems und die Lechwerke (RWEGruppe) in den Szenarioprozess eingebunden.
Mit der Zunahme von Komplexität und Ungewissheit werden Szenarien zu einem
wichtigen Werkzeug der Entscheidungsunterstützung. Das dafür notwendige Wissen befindet sich zunächst in den Unternehmen, die
es durch geeignete Prozesse erschließen und
vernetzen müssen.
In sieben unterschiedlichen Szenarien wurden der Einfluss von
Reisegewohnheiten, Umweltschutzanforderungen, Nutzerprofilen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf den
Reisemarkt untersucht. Hier reicht das Spektrum von allgemeinen Wachstumsszenarien über spezifische Zukunftsbilder
wie das Premium-Szenario bis hin zu eher negativen Zukünften, die von einer Fragmentierung der Branche oder einem Abrutschen in eine Nischenrolle für Senioren ausgehen. Parallel
zu den fachlichen Szenario-Beschreibungen wurden eine Reihe von Szenario-Geschichten formuliert sowie Interviews und
Zeitungen aus der Zukunft aufbereitet (Abbildung 5).15)
40 BVM inbrief August 2013
Wie in den drei Beispielen gezeigt, nutzen viele Unternehmen
ihre Szenario-Prozesse darüber hinaus dazu, mit Kunden,
Lieferanten, Innovatoren oder gesellschaftlichen Gruppen in
einen Dialog zu kommen. Mit solchen gemeinschaftlichen
Szenario-Entwicklungen lassen sich verschiedene Nutzenpotenziale erschließen:16)
Ausbrechen aus dem Unternehmens- und Branchendenken:
Durch den vorwettbewerblichen Austausch mit Branchenvertretern wird dafür gesorgt, dass man nicht allein auf die im eigenen Unternehmen vorhandenen Denkmuster zurückgreift.
Die Etablierung eines branchenübergreifenden SzenarioTeams stellt darüber hinaus sicher, dass in der eigenen Branche dominante Denkschablonen aufgebrochen und vollständig neue Perspektiven auf die Art der eigenen Wertschöpfung
gewonnen werden.17)
Gemeinsame Generierung von Orientierungswissen:
In gemeinschaftlichen Szenario-Projekten entsteht Orientierungswissen, das alle Teilnehmer individuell nutzen können.18)
Im Mobilitäts-Projekt hat ein Partner darauf aufbauend spezifische Szenarien für seinen Handlungsbereich entwickelt und
diese gegen verschiedene Mobilitätsumfelder abgesichert.
Abgleich von Zukunftserwartungen:
Szenarien sind zunächst Denkwerkzeuge. Daher werden bei
ihrer Entwicklung bewusst keine Wahrscheinlichkeiten betrachtet. Für die Nutzung in Strategie- und Innovationsprozessen schließt sich aber eine Szenario-Bewertung an, so
dass Tendenzen und Entwicklungspfade erkennbar werden.
Diese Bewertung kann – wie in allen drei Projekten geschehen – gemeinsam erfolgen. So können die Partner nicht nur
ihre „Weltbilder”, sondern auch ihre Erwartungen miteinander
abgleichen.
Schaffung einer Grundlage für Umfeld-Monitoring:
Durch den systematischen Prozess werden Schlüsselfaktoren
und Indikatoren identifiziert, die eine geeignete Grundlage für
eine systematische Marktbeobachtung im Sinne einer strategischen Früherkennung darstellen.19)
Schaffung eines Forums für Dialog und Konfliktlösung:
Szenarien sind stets ein Instrument für strategische Dialoge.20) Dabei ist es auch möglich, dass in einem Szenario-Prozess Unternehmen oder Organisationen zusammenarbeiten,
die gegenläufige Interessen verfolgen oder sich in operativen
Konflikten befinden. Teilweise lassen sich solche Differenzen
durch den „Umweg” langfristiger Vorausschau sogar auf einen
Nenner bringen21) und regen dazu an, gemeinsam über strategische Konsequenzen zu sprechen.
Wer den Gedanken gemeinschaftlicher Szenario-Projekte
konsequent weiterdenkt, stößt auf das Konzept des Open
Foresight.22) Darunter werden Vorausschau-Aktivitäten verstanden, über deren Teilnehmerkreis weder das Unternehmen
selbst noch ein Dritter im Vorfeld entscheidet, sondern die
grundsätzlich offen sind. Dazu zählen verschiedene OnlineFormate, aber auch Bar Camps und andere Großgruppenformate. Inwieweit diese sich für zukunftsoffenes und vernetztes Denken eignen, wird sich in der Zukunft zeigen.
Fazit
Mit der Zunahme von Komplexität und Ungewissheit werden
Szenarien zu einem wichtigen Werkzeug der Entscheidungsunterstützung. Das dafür notwendige Wissen befindet sich
zunächst in den Unternehmen, die es durch geeignete Prozesse erschließen und vernetzen müssen. Darüber hinaus kann
über gemeinschaftliche Szenario-Prozesse auch externes Zukunftswissen eingebunden werden. Dadurch lassen sich interne Denkmuster überprüfen, zusätzliche Impulse generieren
und Dialogoptionen schaffen. Anmerkungen
1.Beispiele hierfür sind: Eberl, Ulrich: Zukunft 2050. Wie wir schon heute
die Zukunft erfinden. Beltz & Gelberg, Weinheim, 2011; Opaschowski,
Horst W.: Deutschland 2030. Wie wir in Zukunft leben. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2008; Randers, Jorgen: 2052. Der neue Bericht an
den Club of Rome. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre.
Oekom, München, 2012; Rinke, Andreas / Schwägerl, Christian: 11 drohende Kriege. Künftige Konflikte um Technologien, Rohstoffe, Territorien und Nahrung. C. Bertelsmann, München, 2012
2.Brater, Jürgen: Keine Ahnung, aber davon viel. Die peinlichsten Prognosen der Welt. Ullstein, Berlin, 2011; Fink, Alexander / Siebe, Andreas: Handbuch Zukunftsmanagement. Werkzeuge der strategischen
Planung und Früherkennung. 2. Auflage, Frankfurt, New York, 2011, S.
18ff; Gardner, Dan: Future Babble. Why Expert predictions are next to
worthless. And You can do better. Penguin, New York, 2011
3.Johansen, Bob / Institute for the Future: Get there Early. Sensing the
Future to Compete in the Present. San Francisco, 1997
4.Courtney, Hugh: 20|20 Foresight. Crafting Strategy in an Uncertain
World, Harvard Business School Press, Boston, 2001
5.Fink, Alexander / Siebe, Andreas: Handbuch Zukunftsmanagement.
Werkzeuge der strategischen Planung und Früherkennung. 2. Auflage,
Frankfurt, New York, 2011
6.Scharmer, C. Otto: Theorie U. Von der Zukunft her führen. Carl-Auer,
Heidelberg, 2009, S. 79ff; Ulrich, Hans / Probst, Gilbert J.B.: Anleitung
zum ganzheitlichen Denken und Handeln. Ein Brevier für Führungskräfte. 3. Aufl., Haupt, Bern, 1995
7.Zum Visions- und Strategiebegriff siehe u.a.: Gälweiler, Aloys: Strategische Unternehmensführung, zusammengestellt, bearb. und erg. von
Markus Schwaninger. 2. Aufl., Frankfurt/New York, 1991; Hinterhuber,
Hans A.: Strategische Unternehmensführung, I. Strategisches Denken.
6. Aufl., de Gruyter, Berlin/New York, 1996; Malik, Fredmund: Strategie.
Navigieren in der Komplexität der neuen Welt, Campus, Frankfurt/New
York, 2011
8.Steinmüller, Angela / Steinmüller Karlheinz: Wild Cards. Wenn das
Unwahrscheinliche eintritt. 2. Aufl., Murmann, Hamburg, 2004; Taleb,
Nassim Nicholas: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. Hanser, München, 2008
9.Da der Bottom-Up-Ansatz (Szenariotechnik) vor allem in Kontinentaleuropa und der Top-Down-Ansatz (Scenario planning) im anglo-amerikanischen Raum Verwendung finden, wird umgangssprachlich auch
vom „German way of scenario construction” und dem „Californian way
of scenario construction” gesprochen.
10.Steinmüller, Angela / Steinmüller Karlheinz: Wild Cards. Wenn das
Unwahrscheinliche eintritt. 2. Aufl., Murmann, Hamburg, 2004; Taleb,
Nassim Nicholas: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. Hanser, München, 2008
11.Fink, Alexander / Siebe, Andreas: In Zukünften denken. Change X, Folge
16 der Serie Zukunft der Zukunft, 18.01.2013, http://www.changex.de/
Article/serie_zukunft16_fink_siebe_zukuenfte/6G3gvI0eeEkA25S7x2
QsO9wAJAF7Od
12.Fink, Alexander / Schlake, Oliver / Siebe, Andreas: Erfolg durch Szenario-Management. Prinzip und Werkzeuge der strategischen Vorausschau, Campus, Frankfurt/New York, 2001
13.Schoemaker, Paul J.H.: Profiting from Uncertainty. Strategies for Succeeding No Matter What the Future Brings. Free Press, New York, 2002
14.ScMI Scenario Management International AG: Zukünftige Mobilität in
deutschen Ballungsräumen 2030 – Szenario-Studie, Paderborn, 2010
15.MAN Truck & Bus AG: Busbasierter Reiseverkehr in Europa 2030 – Interne Szenario-Studie, München, 2012
16.Fink, Alexander / Siebe, Andreas: Handbuch Zukunftsmanagement.
Werkzeuge der strategischen Planung und Früherkennung. 2. Auflage, Frankfurt, New York, 2011, S. 95ff; Fink, Alexander / Siebe, Andreas / Bergfeld, Katharina: Future Scenarios as a tool for Collaborative
Strategizing. Strategic Management Society, Special Conference – Intersections of Strategy processes and strategy practices, Levi/Finland,
2010; Fink, Alexander / Siebe, Andreas: Gemeinschaftliche Szenarioentwicklung als Option für mittelständische Industrieunternehmen.
In: Gausemeier, Jürgen (Hrsg.): Vorausschau und Technologieplanung,
6. Symposium, 28./29. Oktober 2010, HNI-Verlagsschriftenreihe, Band
276, Paderborn, 2010, S. 237-253
17.Day, George S. / Schoemaker, Paul J.H.: Peripheral Vision. Detecting
the Weak Signals That Will Make or Break Your Company. Harvard
Business School Press, Boston, 2006; Besonders intensive wird dieser
Ansatz von Shell genutzt. Siehe dazu u.a.: 40 years of Shell Scenarios, http://www.shell.com/global/future-energy/scenarios/40-years.
html
18.Beispiele hierfür sind auch die Szenarioprojekte des World Economic
Forum. Siehe dazu: http://www.weforum.org/issues/strategic-foresight
19.Bazerman, Max H. / Watkins, Michael D.: Predictable Surprises. The Disasters you Should have seen coming and how to prevent them. Harvard Business School Press, Boston, 2004; Fink, Alexander / Schlake,
Oliver / Siebe, Andreas: Erfolg durch Szenario-Management. Prinzip
und Werkzeuge der strategischen Vorausschau, Frankfurt, New York,
2001, S. 182ff; Müller, Adrian W. / Müller-Stewens, Günter: Strategic
Foresight. Trend- und Zukunftsforschung in Unternehmen – Instrumente, Prozesse, Fallstudien. Schäffer Poeschel, Stuttgart, 2009
20.Ogilvy, James A.: Facing the Fold. Essays on scenario planning. Triarchy Press, Axminster, 2011; Van der Heijden, Kees: Scenarios. The Art of
Strategic Conversation. Wiley, Chichester, 1996
21.Siehe dazu: Kahane, Adam: Transformative Scenario Planning. Working
together to Change the Future. Berrett-Koehler, San Francisco, 2012
22.Miemis, Vanessa / Smart, John / Brigis, Alvis: Open Foresight. In: Journal of Futures Studies, September 2012, 17(1): S. 91-98
Fokus Best Paper 2013
INHALT
BVM inbrief August 2013 41
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Nominiert für das Best Paper
Das gefühlte Morgen
Dr. Josef Köster, BMW Group, und Frank Schomburg, nextpractice, zur Simulation zukünftiger
Alltagswelten als Werkzeug der Zukunftsforschung
Die Globalisierung und die neuen Kommunikationstechnologien haben in den letzten Jahrzehnten die Vernetzung zwischen den Lebens- und Erlebenswelten der Menschen unaufhalt­
sam vorangetrieben. Die Instabilität und Unvorhersagbarkeit der dadurch entstandenen
komplexen Dynamik erhöhen den Druck auf die Entscheidungsträger. Die Autoren stellen ein
Untersuchungsdesign vor, das Menschen virtuell mit 3D-Welten konfrontiert, die zukünftig zu
erwarten sind, um aus deren Reaktionen und Assoziationen Empfehlungen für Trendaussagen
und strategische Entscheidungen abzuleiten. Mittels der sukzessiven Änderung von Prämissen
können auf diesem Weg neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Umfeldvariablen auf das
Verhalten von Konsumenten in unterschiedlichen Zukunftsszenarien gewonnen werden.
Fragen an die heutige kundenbezogene Zukunftsforschung
(Customer Foresight) beginnen häufig mit den Worten: „Wie
würden die Kunden reagieren, wenn …”. Um sie belastbar zu
beantworten, müsste man Kunden in die Zukunft schicken
und ihre Verhaltenspräferenzen unter den entsprechend
veränderten Umfeldbedingungen untersuchen. Da dies unmöglich ist, haben die BMW Group und nextpractice in den
letzten Jahren gemeinsam ein Untersuchungsdesign entwickelt und mehrfach erfolgreich angewendet, das denkbare
Zukunftsszenarien simuliert: „Simulated VIEWtureS”. Dabei
werden Probanden in virtuelle 3D-Welten versetzt und die
über eine spezielle Befragung gewonnenen Assoziationen
und Bewertungen zu Zukunftsperspektiven verdichtet. Über
eine sukzessive Änderung der Prämissen können auf diesem
Weg neue Erkenntnisse über die Auswirkungen von UmfeldVariablen auf das Kundenverhalten in den unterschiedlichen
Zukunftsszenarien gewonnen werden. Ist die Simulation von
Wirklichkeit möglich?
Die Idee der Simulation von Wirklichkeit ist
nicht neu, doch noch nie waren wir dem erklärten Ziel, die Grenze zwischen „Fact und
Fiction” verschwimmen zu lassen, so nahe
wie jetzt. Das enorme Suchtpotenzial, das virtuelle Welten inzwischen entfalten, spricht in
diesem Zusammenhang Bände.
Die Idee der Simulation von Wirklichkeit ist nicht neu, doch
noch nie waren wir dem erklärten Ziel, die Grenze zwischen
„Fact und Fiction” verschwimmen zu lassen, so nahe wie
jetzt. Das enorme Suchtpotenzial, das virtuelle Welten inzwischen entfalten, spricht in diesem Zusammenhang Bände. In
Wahrnehmung und Handeln wird eine hohe Erlebnisintensität erreicht, die zu tiefgreifenden emotionalen Reaktionen
42 BVM inbrief August 2013
und nachhaltigen Lernprozessen führen kann. Kommen die
simulierten Welten der Realität sehr nahe, sind sie weit mehr
als originelle Erlebnisräume. Dann eröffnen sie möglicherweise auch die Chance, mit überschaubarem Risiko Handlungskonsequenzen abzuschätzen und zukünftige Entwicklungen
vorherzusagen.
Was also liegt näher, als die Gestaltung virtueller Realitäten
für die Zukunftsforschung einzusetzen? Ist es also möglich,
Menschen virtuell mit Situationen zu konfrontieren, die in
Zukunft zu erwarten sind, und dann aus ihren Reaktionen in
der künstlichen Wirklichkeit Empfehlungen für strategisches
Handeln abzuleiten? Inwieweit Konsumenten tatsächlich in
eine andere, virtuell erschaffene Umgebung hineinversetzt
werden können und welche Gestaltungsprinzipien und Stimuli
sich gegebenenfalls dafür besonders eignen, haben die BMW
Group und nextpractice in einem aufwendigen Methodentest
evaluiert, der nachstehend beschrieben wird.
Der experimentelle Methodentest zum Thema City-Maut
Aus Erkenntnissen, die anhand des menschlichen Verhaltens
in der virtuellen Realität gewonnen werden, Antworten für die
Wirklichkeit abzuleiten, ist in erster Linie eine psychologische
Problemstellung. Ob eine virtuelle Realität den Anspruch erheben kann, für die Menschen „wirk”-lich zu sein, wird davon
bestimmt, wie sehr die künstliche Erlebniswelt dem alltäglichen Lernumfeld der Menschen entspricht. Für den Methodentest fiel die Wahl deshalb auf ein natürliches Experiment
in Schweden rund um das Thema „City-Maut”:
Im Rahmen des Tests sollte mit einer speziellen Befragung
ermittelt werden, wie Stockholmer und Göteborger Bewohner
Mobilität in ihrer Stadt wahrnehmen, bewerten und welche
Rolle die City-Maut dabei spielt. In Stockholm gab es bereits
seit längerem eine City-Maut, in Göteborg zu dem Zeitpunkt
des Tests hingegen noch nicht. Bewohner von Göteborg dien-
ten somit als Experimentalgruppe, die City-Maut über verschiedene Stimuli-Settings erlebte, während Bewohner von
Stockholm, die reale Erfahrungen mit der City-Maut hatten,
als Vergleichsgruppe fungierten.
Das eigentliche Ziel dieser Methode, Aussagen über zukünftige Kundenbewertungen zu gewinnen, wurde also zum Zweck
des methodologischen Tests erweitert: Die zeitliche Varianz
der Rahmenbedingungen (Göteborg heute vs. Göteborg morgen) wurde durch eine räumliche Varianz (Göteborg vs. Stockholm) ergänzt, so dass sich unmittelbar Schlussfolgerungen
über die Ähnlichkeit von Ergebnissen herstellen ließen, die
einerseits unter realen, andererseits unter virtuellen UmfeldBedingungen zustande kamen. Rekrutiert wurden einheitlich
Neuwagenfahrer (Kaufentscheider). Die Probanden in Göteborg waren Personen, die eine ausgewählte Strecke – einen
üblichen Arbeitsweg in die Stadt hinein – regelmäßig zumindest abschnittsweise mit dem Auto zurücklegten.
Unterschiedliche strukturgleiche Gruppen wurden mit verschiedenen Stimuli-Settings konfrontiert:
Die Gruppe 1 „Göteborg Maut virtuell” (n=30) erhielt als Stimulus eine aufwendig erstellte 3D-Animation von ausgewählten
Straßenzügen in Göteborg, durch die die Probanden am PC –
ausgerüstet mit Lenkrad und Pedale – fahren konnten. Die
technische Basis dieser Simulation war eine „Spiele-Engine”,
anhand derer es nicht nur möglich war, realitätsgetreue Abbildungen von Straßen und Gebäuden zu erzeugen, sondern
die es auch gestattete, ein realitätsähnliches Bewegen eines
Fahrzeugs im Verkehr erlebbar zu machen.
Erstellt wurde die Simulation von der französischen Firma
enodo, die sich auf industrielle Anwendungen dieser SpieleEngine (z.B. zum Erlebbarmachen von Architekturentwürfen) spezialisiert hat. Auf der Strecke der Simulation wurden
sowohl Fußgänger als auch Straßenverkehr dargestellt. Die
Probanden konnten in begrenztem Umfang Einfluss auf die
Steuerung des Autos nehmen – oder alternativ sich für die
Nutzung der Straßenbahn entscheiden. In die 3D-Simulation
wurden City-Maut-typische Merkmale wie Bezahlstationen,
Hinweisschilder und Kontrollsysteme eingebaut. Nach einer
Einleitung und unter Aufsicht sollten die Probanden im Studio
die ihnen bekannte, in 3D dargestellte Strecke durch die Stadt
Göteborg eigenständig befahren und dabei Erfahrungen mit
der simulierten City-Maut machen.
Die Gruppe 2 „Göteborg Maut-Broschüre” (n = 30) erhielt –
im Sinne einer klassischen „Information Acceleration” – als
Stimulus eine offiziell wirkende Informationsbroschüre des
Schwedischen Straßenverkehrsamts, in der über die geplante
Einführung einer City-Maut in Göteborg berichtet wurde. Mit
dieser setzten sich die Probanden initial auseinander.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Die Gruppe 3 „Göteborg real ohne Maut” (n=30) diente als Kontrollgruppe ohne reale Erfahrung mit City-Maut. Die Probanden begannen ohne Stimulus direkt mit den Interviews.
Im Rahmen des Tests sollte mit einer speziellen Befragung ermittelt werden, wie Stockholmer und Göteborger Bewohner Mobilität in
ihrer Stadt wahrnehmen, bewerten und welche Rolle die City-Maut dabei spielt.
Die Gruppe 4 „Stockholm Maut real” (n=30) in Stockholm diente ohne Stimulus als Vergleichsgruppe. In Stockholm wurde
eine City-Maut bereits im Jahr 2006 eingeführt.
Anforderungen an das Befragungsverfahren
In der Konzipierungsphase der Simulated VIEWtureS stellte
sich prominent die Frage, wie die eigentliche Messung des
Feedbacks der Probanden vorgenommen werden sollte. Einerseits wurde eine Methode gebraucht, die offen für unvorhergesehene Effekte durch die Simulation ist. Denn es konnte
nicht davon ausgegangen werden, dass sich alle denkbaren
Effekte apriorisch vorwegnehmen und als standardisierte
Frage vorformulieren lassen. Eine standardisierte quantitative Befragung erschien daher ungeeignet.
Andererseits wurde ein Verfahren benötigt, das sensibel misst
und einen einfachen und objektiven Vergleich von Subgruppenergebnissen gestattet – was gegen die Verwendung eines
klassischen qualitativen Ansatzes spricht. Darüber hinaus ist
die praktische Nutzung animierter Szenarien in der Zukunftsforschung angesichts der zu erwartenden Störeffekte durch
kognitive Dissonanz an Messverfahren gebunden, die die
Wirkung von Simulationen jenseits bewusster Eindrücke und
akzeptierter Bewertungen erfassbar machen. Das Verfahren
muss daher in der Lage sein, Änderungen in den verhaltenswirksamen Einstellungen und Präferenzen von Experimental-
Dr. Josef Köster, Head of Customer Foresight,
BMW Group, München
studierte Sozialwissenschaften und ist seit 2002 bei der BMW Group tätig. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Automobilbranche und hat sich unter anderem auf Trend-Scouting und Konsumenten-Verhalten
spezialisiert. Seit 2008 arbeitet er in seiner jetzigen Position.
Frank Schomburg, Mitbegründer und Gesellschafter, nextpractice, Bremen
war nach dem Studium der Informatik in verschiedenen Industrieunternehmen als Projektleiter für produktionstechnische EDV-Systeme tätig. 1991 gründete er zusammen mit weiteren Gesellschaftern ein Softwareentwicklungsunternehmen. In einem interdisziplinären Team aus Informatikern und Psychologen entwickelte er gemeinsam mit Professor Dr. Peter Kruse die Basiskonzepte für die nextpractice-Werkzeuge.
Als Berater erarbeitet er
heute Konzepte für den Methodeneinsatz in Unternehmen und leitet deren Umsetzung.
BVM inbrief August 2013 43
Fokus Best Paper 2013
INHALT
gruppen zu erfassen, noch bevor die Schwelle zur kritischen
Selbstwahrnehmung überschritten wird.
Dabei sollte das Verfahren nicht nur quantitative Auswertungen gestatten, sondern die Möglichkeit eröffnen, über die
Erkennung qualitativer Musterbildungen Entwicklungstendenzen abschätzbar zu machen. Dafür ist notwendig, die unbewussten emotionalen Präferenzen einzelner Probanden zu
überindividuellen und bedeutungshaltigen kulturellen Kraftfeldern zu verrechnen. Auch zu diesem Zweck ist es erforderlich,
die Vergleichbarkeit standardisierter Fragebögen mit der inhaltlichen Aussagekraft frei geführter Interviews zu verbinden.
Nur wenn die Menschen Erlebtes weitgehend ohne Vorgaben
und unter Verwendung ihrer eigenen Wortwahl beschreiben
können, können unbewusste emotionale Inhalte Eingang in
die Datenerhebung finden. Und nur, wenn die individuell erzeugten Bedeutungen mathematisch zu einem einheitlichen
Bezugsrahmen verrechnet werden können, lassen sich die Dynamiken abschätzen, die hinter der Vielzahl scheinbar unabhängiger Einzelwirklichkeiten die Grundlage synchronisierter
Aktivität in sozialen Systemen bilden. Kurz gesagt: Gelingt die
vergleichende Messung der unbewussten emotionalen Beeinflussungen, die durch ein simuliertes Zukunftsszenario ausgelöst werden, öffnet sich ein Fenster, durch das wir erkennen
können, wie sich zukünftige kulturelle Muster bilden, die das
Verhalten der Menschen bestimmen werden.
Das qualitativ-quantitative Interviewverfahren nextexpertizer
Vor diesem Hintergrund wurde für die Befragung das von
nextpractice entwickelte qualitativ-quantitative InterviewverAbbildung 3: Matrize eines einzelnen Interviews
fahren nextexpertizer eingesetzt, das sich in den vergangenen
Jahren als sehr sensibel erwiesen hat, die Auswirkungen von
Veränderungen auf die „Wirklichkeitskonstruktion” von Menschen zu messen. Das dem Befragungsinstrument zugrunde
44 BVM inbrief August 2013
liegende Verfahren ist sprachgebunden und erlaubt dennoch
die Erfassung unbewusster emotionaler Bewertungsmuster.
Zur Anwendung kommen dabei drei wissenschaftlich gut begründete Prinzipien:
1.Die Probanden bilden über assoziative Paarvergleiche in einer Befragung Beschreibungsdimensionen in ihrer eigenen
Sprache und nicht in vorgegebenen Antwortkategorien.
Dadurch entsprechen die Beschreibungen viel besser ihrer
jeweiligen unbewussten Gefühlslage. Hierauf beruht letztlich die inhaltliche Aussagekraft frei geführter Interviews.
Nur wenn die Menschen Erlebtes weitgehend
ohne Vorgaben und unter Verwendung ihrer
eigenen Wortwahl beschreiben können, können unbewusste emotionale Inhalte Eingang
in die Datenerhebung finden.
2.Die Probanden werden in einem rechnergestützten Befragungsritual dazu veranlasst, auf der Basis ihrer selbst erzeugten Beschreibungsdimensionen eine unüberschaubar
große Zahl von intuitiven Einzelentscheidungen zu treffen.
Das reduziert die Möglichkeit, die Ergebnisse willkürlich rational zu beeinflussen. Hierauf beruht letztlich ja auch die
Aussagekraft von Choice-Based-Conjoint-Analysen.
Mit dem an Wittgensteins Sprachtheorie (Philosophi3.
sche Untersuchungen) orientierten Prinzip der Wortverwendungsähnlichkeit lässt sich das Problem der Mehrdeutigkeit von Sprache lösen: Aus der
Summe der auf der Basis der eigenen
Beschreibungsdimensionen
getroffenen Einzelentscheidungen ergibt sich ein
mathematisch weiter zu verarbeitendes
Profil der jeweiligen persönlichen Wortverwendung der Probanden. Auf diesem
Wege ist es möglich, die Ähnlichkeit der
Verwendungsprofile verschiedener Menschen zu berechnen und unterschiedliche
Worte einem einheitlichen Bedeutungskonzept oder ein gleiches Wort unterschiedlichen Konzepten zuzuordnen (z.B.
clever=hinterlistig oder clever= intelligent).
Eine Messung mit diesem Verfahren
beginnt mit der Bestimmung von Vergleichselementen, die den Suchraum der
Erhebung definieren und das assoziative Gerüst der einzelnen Befragung bilden (Schritt 1: Festlegung des Elemente-Sets). Die im engen Diskurs mit den
Auftraggebern ausgewählten Elemente
definieren das Untersuchungsfeld. Bei einer Untersuchung
mit nextexpertizer werden dann die für die Befragung geeigneten Probanden bestimmt (Schritt 2: Bestimmung der Probanden). Die Probanden müssen für die Vergleichselemente
einen ausreichenden Kenntnisstand mitbringen, das heißt,
sie sollten für die Fragestellung »Erfahrungsexperten« sein
oder eben in der Interviewsituation mit unbekannten Stimuli
konfrontiert werden.
Ein mit dieser Vorgehensweise durchgeführtes Interview läuft
in dem von Kruse und Raeithel entwickelten Bremer Verfahren (s. Kruse et al. 1992, 1994a,b) nach einem festen, auf dem
robusten Prinzip des assoziativen Paarvergleiches basierenden Erhebungsritual ab (Schritt 3: Durchführung der Interviews). Zu Beginn des Erhebungsrituals wird der Proband aufgefordert, zwei der speziell für die Befragung ausgewählten
Elemente – beispielsweise »urbane Lebensqualität für mich«
und »Großstädte mit Maut-System« – als ähnlich oder unterschiedlich einzustufen (zu vergleichen).
Hat sich die Person für eine Alternative entschieden, bekommt
sie die Aufgabe, den Unterschied bzw. die Gemeinsamkeit mit
einer für sie persönlich bedeutsamen Beschreibungsdimension zu qualifizieren – beispielsweise »freie, unbeschwerte Beweglichkeit« versus »zwangsgeregelt bewegen«. Der initiale
Vergleich und die Benennung der polaren Konstrukt-Dimension werden als »Evokationsphase« bezeichnet. Im Anschluss
an die Konstrukt-Evokation werden nun alle übrigen Elemente des Sets schnell und ohne langes Nachdenken einem der
selbst definierten Konstrukt-Pole zugeordnet. Den Probanden stehen als Antwortalternativen zudem die Bewertungen
»beides«, »keins von beidem« und »keine Aussage« zur Verfügung. Das gesamte Vorgehen wird solange wiederholt, bis
der Proband alle ihm zur Beschreibung des interessierenden
Untersuchungsbereiches wichtig erscheinenden KonstruktDimensionen hervorgebracht hat.
Gelingt die vergleichende Messung der unbewussten emotionalen Beeinflussungen, die
durch ein simuliertes Zukunftsszenario ausgelöst werden, öffnet sich ein Fenster, durch
das wir erkennen können, wie sich zukünftige
kulturelle Muster bilden, die das Verhalten
der Menschen bestimmen werden.
Das in der so entstandenen Matrize enthaltene relationale
Muster von Elementen und Konstrukten wird über eine Eigenstrukturanalyse (ESA) nach Slater (1977) in einen leicht
interpretierbaren mehrdimensionalen Bedeutungsraum
umgerechnet und dem Probanden rückgemeldet (Schritt 4:
Konsensuelle Validierung). Für Gruppenvergleiche oder Zeitverlaufsanalysen werden mehrere dieser Bedeutungsräume
zusammengefasst (Multi-ESA) und nach Inhaltskategorien oder Kenngrößen (z.B. Elementdistanzen) ausgewertet
(Schritt 5: Analyse der Musterbildungen).
Mit nextexpertizer können auf diese Weise die unbewussten
emotionalen Präferenzen einzelner Probanden systematisch
erfasst und zu überindividuellen und bedeutungshaltigen kulturellen Kraftfeldern verrechnet werden. Das Instrument ver-
bindet die Vergleichbarkeit standardisierter Fragebögen mit
der inhaltlichen Aussagekraft frei geführter Interviews und
ermittelt die assoziativen Anker, die beachtet werden müssen,
um aus einem virtuellen Szenario einen maximalen Transfer
auf die Realität zu gewährleisten.
Das dem Werkzeug zugrunde liegende Verfahren ist sprachgebunden und erlaubt dennoch die Erfassung unbewusster emotionaler
Bewertungsmuster.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Darüber hinaus ist es möglich, die Wirkungen virtueller Szenarien auf die handelnden Menschen direkt zu überprüfen und
die darin gemachten Erfahrungen zu mathematisch gestützten Trendaussagen zu verdichten, ohne Gefahr zu laufen, über
unzulässige Rationalisierungen in die Irre geleitet zu werden,
wie es bei Fragebögen nahezu unvermeidbar ist. Das dem
Werkzeug zugrunde liegende Verfahren ist sprachgebunden
und erlaubt dennoch die Erfassung unbewusster emotionaler
Bewertungsmuster.
Die Ergebnisse zusammengefasst
Mittels des Pre-Post-Experiments konnte nachgewiesen
werden, dass die in Göteborg durchgeführte Befragung in dem
virtuell in 3D simulierten City-Maut-Umfeld zu ähnlichen Befragungsergebnissen führt wie die Befragung von Probanden
in Stockholm, für die das City-Maut-Umfeld zur Realität ihres
täglichen Erlebens gehörte – und das im Gegensatz zu Subsamples, die ohne Stimulus oder nach schriftlicher „Information Acceleration” befragt wurden.
Zusammengefasst lassen sich folgende Aussagen festhalten:
Die Simulation wird von den Probanden gut angenommen
und hat den gewünschten Priming-Effekt
Die Übereinstimmung der Gruppen „Stockholm Maut real”
und „Göteborg Maut virtuell” ist sehr hoch
Die in der Analyse identifizierten Unterschiede lassen sich
auf Merkmale der Simulation zurückführen
Der Einfluss der Informationsbroschüre („Information Acceleration”) auf Wahrnehmungsänderungen ist inhaltsanalytisch gering
Simulated VIEWtureS hat das Potenzial, Auswirkungen von
neuen Impulsen auf die Wahrnehmung des Bestehenden
zu überprüfen.
Insgesamt wurde mit dem Methodentest der Nachweis erbracht, dass sich auch komplexe Effekte veränderter UmfeldBedingungen – zu diesen gehören auch eigene Angebotsstrategien des Unternehmens! – auf die Einstellungsmuster von
Kunden simulieren und erfassen lassen. Dadurch lassen sich
Chancen-Risiko-Abschätzungen von Entwicklungen sehr viel
breiter, feiner und empirisch begründet vornehmen. BVM inbrief August 2013 45
Fokus Best Paper 2013
INHALT
nominiert für Best paper 2013
Bridging the gap
Michael Schießl, eye square, und Dr. Steffen Schmidt, Leibniz Universität Hannover zu einem
integrierten Modelling von impliziten und expliziten Messmethoden zur Vorhersage von Verhaltensentscheidungen
Zunehmend betonen Marketingpraktiker sowie Marketingwissenschaftler die Relevanz impliziter Hirnprozesse bei Kaufentscheidungen. Für die Analyse des Kundenverhaltens ist aber nicht
nur der Einsatz von neuartigen impliziten Erhebungstechniken relevant. Vielmehr liefert auch
die klassische Markt- und Marketingforschung mit ihren etablierten expliziten Messverfahren
einen wesentlichen Beitrag für ein umfassendes Kundenverständnis. Bisher mangelt es aber an
gemeinsamen und systematischen Ansätzen. Die in diesem Beitrag vorgestellten Studien stellen integrierte Messansätze von impliziten und expliziten Indikatoren vor, welche einen im Vergleich zu einer isolierten Messung überlegenen prognostischen und diagnostischen Mehrwert
aufweisen.
In den letzten beiden Dekaden hat ein fundamentaler Paradigmenwechsel in der Ökonomie im Allgemeinen sowie
im Marketing im Speziellen stattgefunden. Die traditionelle
Verhaltensannahme, dass der Mensch in der theoretischen
Modellrolle eines Homo oeconomicus ein vernunftbegabtes
Wesen ist, das vollständig rational (Kauf-)Entscheidungen
trifft und auf Basis rein sachlogischer Überlegungen Auskunft
über die dahinterliegenden Motive geben kann, ist spätestens
mit dem Aufkommen von modernen bildgebenden Verfahren
der Hirnforschung Anfang der neunziger Jahre sowohl auf der
wissenschaftlichen als auch auf der praktischen Seite zunehmend infrage gestellt worden.
Relevanz der Thematik
Klassische Experimente, wie der legendäre Cola-Blindverkostungstest aus dem Jahre 1975 („Take the Pepsi Challenge!”),
haben in der Vergangenheit bereits mehrfach aufzeigen können, dass zwischen verbalisierten Urteilen und spontanen
Entscheidungen – je nach Stimulikontakt – eine deutliche
Wahrnehmungs-Verhaltenslücke liegen kann. Der Cola-Versuchsaufbau wurde verschiedentlich wiederholt, unter anderem auch mit neurophysiologischen beziehungsweise -psy-
chologischen Methodiken. Insbesondere die fMRI-Studie von
Montague und seinem Forscherteam brachte neue Erkenntnisse in Bezug auf das Blindverkostungsphänomen. In dieser
Untersuchung konnte im Blindtest, also ohne Markendarstellung, keine eindeutige Präferenz für Pepsi oder Cola festgestellt werden.
Beide Marken aktivierten die gleichen Hirnregionen, unter
anderem nämlich Areale für sensorische Informationsverarbeitung sowie Belohnung. Völlig andere Ergebnisse ergaben
sich beim Zeigen der Markenlogos. Nun wurde nicht nur Coke
mehrheitlich bevorzugt, sondern die Präsentation des CokeMarkenlogos führte zu einer zusätzlichen Aktivierung von
Hirnbereichen, die unter anderem mit Gedächtnisleistungen
sowie dem Selbstbild assoziiert sind und stark durch soziokulturell erfahrene Informationen beeinflusst werden (z.B.
Werbung). Beim Pepsi-Markenlogo zeigten diese Hirnbereiche keine derartigen Erregungsmuster. Das über Jahrzehnte
dominierende Branding von Coca-Cola führt hier zu einem
klaren Wettbewerbsvorteil, der sich auf neuronaler Ebene in
den verschiedenen impliziten Hirnbereichen der Kunden niederschlägt.
Michael Schießl, Gründer und Geschäftsführer von eye square, Berlin
Er forscht und publiziert im Bereich User Experience und Markenforschung. Michael Schießl ist Experte für die
Anwendung von impliziten Methoden für Kommunikation, Produktinnovation & Shoppergestaltung. Michael
Schießl spricht regelmäßig auf Konferenzen. Für den BVM engagiert er sich als Leiter der Regionalgruppe Berlin.
Dr. Steffen Schmidt, Akademischer Rat, Leibniz Universität, Hannover
hat nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften im Bereich Marketing promoviert. In seiner gegenwärtigen Tätigkeit als Akademischer Rat und Habilitand am Institut für Marketing und Management der Leibniz
Universität setzt er sich in Forschung und Lehre mit der neuro- und verhaltensökonomischen Marketingforschung auseinander. Des Weiteren berät er B2C- und B2B-Unternehmen mit Fokus auf S
­ trategisches Marketing
und Marketingforschung.
46 BVM inbrief August 2013
Die maßgeblichen Diskurse, die mit derartigen Studien einhergehen, lassen sich mit den Verschlagwortungen Neuromarketing und Behavioral Economics kennzeichnen. Im „new
implicit neuro look” herrscht Übereinstimmung bei folgenden
Im „new implicit neuro look” herrscht Übereinstimmung bei folgenden Punkten: Skepsis gegenüber der Existenz eines rationalen
Entscheiders, die Renaissance der Emotionen
und die Infragestellung des etablierten Methodenkanons.
Punkten: Skepsis gegenüber der Existenz eines rationalen
Entscheiders, die Renaissance der Emotionen und die Infragestellung des etablierten Methodenkanons.
Für die Markt- und Marketingforschung stellt sich nunmehr
die Herausforderung, diesem Paradigmenwechsel durch den
kombinierten Einsatz von expliziten (z.B. schriftlicher Fragebogen, telefonisches Interview) und impliziten Messverfahren
Rechnung zu tragen, um ein möglichst ganzheitliches (Meinungs-)Bild vom Kunden zu erhalten. Während sich in Bezug
auf implizite Methodiken der Einsatz von neurophysiologischen Bildgebungsverfahren wie fMRI in der Regel als wenig
praxistauglich herausstellt, da er auf der Anwenderseite einen
hohen Zeit- und Kostenaufwand bedeutet (ganz zu schweigen
Abbildung 1: Eingesetzte implizite Messtechniken
von der Expertise bei der Methodenanwendung und Datenauswertung), überzeugen andere (weiter-)entwickelte implizite Messverfahren durch den einfachen und kostengünstigen
Einsatz mit einer hohen Leistungsstärke beim alltäglichen
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Praxiseinsatz. Zu nennen seien hier neben wohletablierten
Messmethoden wie Eye Tracking und Hautwiderstandsmessung (elektrodermale Aktivität, kurz EDA) in erster Linie
Elektroenzephalografie (EEG), softwaregestützte Gesichtserkennung (Facial Expression Coding) sowie Reaktionszeitmessungen (Abbildung 1).
Eine systematische, integrierte Betrachtung von expliziten
und impliziten Messindikatoren hat bis heute allerdings – sowohl was die Wissenschaft als auch die Praxis betrifft – nur
in wenigen Einzelfällen stattgefunden. Dies liegt primär an
verhärteten Ideologiefronten. Auf der einen Seite stehen die
„Neuro-Hardliner”, die die Bedeutung der expliziten Ebene mit
Bewusstsein und reflexiven Prozessen gänzlich infrage stellen (oder sie zumindest nicht näher betrachten wollen). Auf
der anderen Seite befinden sich „Befragungs-Nostalgiker”, die
unermüdlich Versuche unternehmen, implizite Messansätze
mit den Standards der klassischen Forschung zu evaluieren.
Die dabei häufig herangeführten Korrelationsanalysen, die
per se schon nicht geeignet sind, irgendwelche UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zu bestimmen – wie es eine erkenntnisleitende Marktforschung aber benötigen würde –,
zeigen in der Regel keine bis niedrige Korrelationen zwischen
impliziten und expliziten Daten auf, was dann, je nach originärer Forschungsgesinnung, zu Bestätigung oder Enttäuschung
bzgl. der (Nicht-)Brauchbarkeit von impliziten Verfahren führt.
Eine systematische, integrierte Betrachtung
von expliziten und impliziten Messindikatoren hat bis heute allerdings – sowohl was die
Wissenschaft als auch die Praxis betrifft –
nur in wenigen Einzelfällen stattgefunden.
In der Mitte des ideologischen Grabenkampfes halten sich
vor allem Verhaltensökonomen und Psychologen auf, die aufgrund ihres biographischen Wissenschaftshintergrundes einen differenzierteren und damit entspannteren Blick auf das
Thema werfen (können). Diese „Forschungs-Friedenstruppe”
folgt einem situativen Ansatz: Geht es zum Beispiel um die
Bestimmung der (in der Zukunft gelagerten) Kaufabsicht
bei neuartigen High-Interest-Produkten, so stellen explizite
Maße das primäre Analysewerkzeug dar, während implizite
Maße unter anderem bei der Untersuchung des (in der aktuellen Situation gelagerten) spontanen und/oder automatisierten Kaufverhaltens vertrauter Low-Interest-Produkte zum
Einsatz kommen (sollten).
BVM inbrief August 2013 47
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Weder mentale Prozesse noch beobachtbare Entscheidungsreaktionen bestehen also in realitas vollständig aus schwarzen (impliziten) oder weißen (expliziten) Denk- und Handlungsvorlagen, sondern eher aus vielen „Grautönen”, die mal
mehr, mal etwas weniger hell bzw. dunkel die Wahrnehmung
bzw. das Verhalten „eintrüben” (bestimmen). So müssen zum
Beispiel auch der menschlichen Natur entsprechend spontane
Impulskäufe, die ursprünglich durch eine implizite Ebene gesteuert sind, nachträglich auf einer expliziten Ebene gerechtfertigt werden, damit sich der Mensch als konsistent verhaltendes Wesen verstehen kann, das alles unter Kontrolle hat.
Vor diesem Hintergrund sind implizite und explizite Techniken
gemeinsam einzusetzen. Auf diesem Wege kann die für die
Wissensgenerierung verantwortliche Markt- und Marketingforschung die erkenntnisgetriebene und managementorientierte Handlungsfähigkeit der Unternehmen sicherstellen.
Diesem ganzheitlichen Forschungsansatz haben sich eye
square auf der Praxisseite und das Institut für Marketing und
Management der Leibniz Universität Hannover auf der Wissenschaftsseite in verschiedenen Online- und Lab-Studien
im vergangenen Jahr gewidmet, um damit auch den theoretischen Mehrwert eines integrierten Modelling impliziter und
expliziter Maße empirisch zu überprüfen. Neben dem Heranziehen expliziter Indikatoren (z.B. Relevanz, Recall, Awareness)
anhand bewährter Fragenbatterien sowie Freitextabfragen
kam ein breites Toolset impliziter Indikatoren zum Einsatz:
Eye Tracking, Facial Expression Coding, Reaktionszeitmessung, EEG (nur im Lab) und EDA (nur im Lab). Zwei Studien
sollen im Folgenden zur Demonstration eines diagnostischen
Analysemehrwertes näher vorgestellt werden. Während es
bei der ersten Studie um die Vorhersage der Kaufentscheidung geht, betrachtet die zweite Studie eine motivbezogene
Positionierung von Marken. Alle Daten wurden in einem kohärenten Single-Source-Modell integriert. Bei der Analyse wurden Strukturgleichungsmodelle und Choice-Modelling-Ansätze verwendet. Ziel war es, den Anteil der Prädiktion bzw. die
Prognosestärke eines jeden Indikators zu bestimmen.
Vorstellung der Studienergebnisse
Erste Studie:
Der Einfluss der expliziten und impliziten Touchpoint Experience auf die Kaufentscheidung
In dieser explorativen Lab-Studie lag der Forschungsfokus
auf der Prognose der Kaufentscheidung unter Zuhilfenahme
expliziter sowie impliziter Messdaten. Befragt wurden insgesamt 120 Frauen zu Marken aus den Produktkategorien Kosmetik und Erfrischungsgetränke. Spezifisch sollte näher untersucht werden, welchen kommunikativen Markenmehrwert
verschiedene Touchpoints liefern (Werbespots, Verkaufsregal,
48 BVM inbrief August 2013
Produktverpackung) und in welchem Ausmaß die explizit sowie implizit erhobenen Daten das Kaufentscheidungsverhalten vorhersagen können. Nach einer Nullmessung sahen die
Probandinnen zunächst verschiedene Werbespots.
Anschließend erfuhren sie eine Markenexposition durch eine
computergestützte Darstellung von Verkaufsregalen und Produktverpackungen, gefolgt von einer Nachhermessung. Als
explizite Messverfahren kamen standardmäßige Itembatterien und offene Fragestellungen zum Einsatz, um die üblichen
expliziten Messindikatoren wie beispielsweise Recall, Awareness, Relevanz und Liking zu erfassen. Um die implizite Wirkungsebene umfassend zu bestimmen, wurden die in Abbildung 1 skizzierten vier impliziten Messtechniken eingesetzt:
Eye Tracking, EEG, EDA und Facial Recognition, anhand derer
implizite Messindikatoren wie zum Beispiel Aufmerksamkeitsstärke, Engagement und Erregung abgeleitet worden
sind. Als zusätzlicher Vorteil von impliziten Verfahren stellt
sich hierbei die synchrone Datenerfassung heraus. Während
explizite Techniken lediglich eine nachgelagerte (asynchrone)
Erfassung der kommunikativen Markenwirksamkeit ermöglichen, sind implizite Techniken zur simultanen Datenerhebung
während der Touchpoint Experience fähig, wie in Abbildung 2
dargeboten.
Weder mentale Prozesse noch beobachtbare
Entscheidungsreaktionen bestehen also in
realitas vollständig aus schwarzen (impliziten) oder weißen (expliziten) Denk- und
Handlungsvorlagen, sondern eher aus vielen
„Grautönen”.
Als Analysetechnik wurde eine logistische Regression zum
Zwecke eines binären Choice-Modelling-Ansatzes (hier: Kauf
oder Nicht-Kauf) verwendet. In Abbildung 3 sind die Erklärungsgehalte der binär-logistischen Regressionsmodelle für
Kosmetik und Erfrischungsgetränke im Detail wiedergegeben.
Die Prognosegüte (McFaddens R²) der aufgestellten Modelle
erreicht beim alleinigen Einsatz von expliziten Daten zufriedenstellende Werte von 0.28 und 0.38, was auf eine ausreichende bis gute Modellanpassung schließen lässt. Unter zusätzlichem Heranziehen von impliziten Daten wird mit Werten
von 0.73 und 0.75 sogar eine sehr gute bis ausgezeichnete
Modellgüte erreicht. Diese Gütewerte zeigen eindrucksvoll auf,
dass der Einbezug von impliziten Daten zu einer deutlichen
Verbesserung der Prognose von Kaufentscheidungen führt.
Zwar erklärten die expliziten Daten bereits einen wesentlichen Teil des Kaufentscheidungsverhaltens, die impliziten
Daten erhöhten die Erklärungskraft der Entscheidungspro-
Abbildung 2: Simultane Erhebung impliziter Messdaten –
Eye Tracking (links), EDA und EEG (rechts)
Abbildung 3: Erklärungsgehalte der binär-logistischen
­Regressionsmodelle
gnosemodelle aber noch einmal um etwa den Faktor 2. Des
Weiteren erwiesen sich die eingesetzten impliziten Indikatoren als unabhängig. So erwies sich Facial Recognition für
die Erklärung der Kaufentscheidung von hoher Bedeutung,
während EDA und EEG vor allem zusätzliche Insights zum
Wirkungsverständnis der TV-Spots lieferten. Als stärkste
Kaufentscheidungsprädiktoren erwiesen sich die Aufmerksamkeitsstärke (via Eye Tracking) und die affektive Erregung
(via Facial Recognition).
Zweite Studie:
Der Einfluss von expliziten und impliziten Markenmotiven
auf die Markenwahrnehmung und das Markenverhalten
Bei dieser explorativen Online-Studie wurde der Fokus auf die
Prognose der Markenwahrnehmung und des Markenverhaltens unter Rückgriff auf eine explizite und implizite Markenmotivmessung gelegt. Hierzu wurden 339 aktive Motorradfahrer zu sechs bekannten Motorradreifenmarken befragt,
wobei jeder Motorradfahrer jeweils nur eine Marke bewertet
hat. Im Detail sollte bestimmt werden, welchen Einfluss die
Motivdimensionen auf zentrale Erfolgsgrößen der Marken-
Fokus Best Paper 2013
INHALT
wahrnehmung (z.B. Image, Vertrauen) und des Markenverhaltens (z.B. Treue, Kaufabsicht) ausüben, um darüber Aussagen über eine leistungsstarke Markenmotivpositionierung
ableiten zu können. Hierzu wurde für alle Motivdimensionen
(hier: Freude, Stärke, Sicherheit) ein spezifischer MarkenKunden-Motivfit nach der Formel ‚Motivausprägung Marke’
minus ‚Motivausprägung Kunde’ [M(brand)–M(customer)]
berechnet.
Ein positiver Motivfit zeigt eine hohe Belohnungskompetenz
der Marke an, da die Marke das jeweilige Motivbedürfnis des
Kunden zu befriedigen vermag. Die Markenwahrnehmung
und das Markenverhalten wurden unter Rückgriff auf validierte Messmodelle und eine 5er-Likert-Skala (1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme voll und ganz zu) erfasst. Jede
der drei Motivdimensionen wurde a) einmal in Bezug auf die
Marke sowie in Bezug auf die eigene Person und b) explizit
und implizit bestimmt. Die explizite Motivmessung erfolgte
mit Hilfe von 7-poligen semantischen Differentialen. Zur Bestimmung der impliziten Motivausprägungen kam mit dem i²
BRANDREACT eine Reaktionszeitmessung zum Einsatz, wie
sie in Abbildung 4 beispielhaft dargestellt ist.
Die simultane Auswertung aller expliziten und impliziten Erhebungsdaten erfolgte unter Rückgriff auf das kausalanalytische Strukturgleichungsverfahren Partial Least Squares (PLS)
und der Software SmartPLS 2.0. Die Pfadkoeffizienten und
Bestimmtheitsmaße sind in Abbildung 5 abgetragen. Mit R²Werten von 0.32 (Markenimage) bis 0.82 (Markentreue) erzielt
das aufgestellte Kausalmodell eine ausreichende bis hervorragende Modellgüte. Sowohl von einer expliziten als auch impliziten Ebene geht vom Marken-Kunden-Motivfit eine direkte
Wirkung auf nahezu alle zentralen Erfolgsgrößen der Markenführung aus, die in dieser Studie herangezogen wurden. Sig-
Menschliche Entscheidungsprozesse sind
vielschichtig und keine Einbahnstraßen, die
nur eine Richtung kennen. Konsumenten
entscheiden sich nicht entweder nur bewusst
oder unbewusst, sondern die Prozesse greifen ineinander.
nifikante Totaleffekte (direkte plus indirekte Wirkungseffekte)
konnten sogar auf sämtliche Erfolgsgrößen nachgewiesen
werden. Als besonders interessant erweist sich hierbei das
Ergebnis, dass unterschiedliche Motivfits auf der expliziten
und impliziten Ebene wirksam sind, wie der Abbildung 6 entnommen werden kann.
BVM inbrief August 2013 49
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abbildung 4: Empirisches Untersuchungsmodell
leistungsstarke Analyseverfahren eingesetzt werden). Folglich ist die von Teilen der Neuro-Fraktion zum Teil hysterisch
anmutende Kritik an der klassischen Marktforschung weitgehend unbegründet.
Auch die vorgebrachte Argumentation, dass ein Großteil der
Verhaltensentscheidungen von rein unbewussten Prozessen
determiniert ist, führt bei alleiniger Berücksichtigung eben
dieser impliziten Prozesse zu einem Bias in den Insights.
Menschliche Entscheidungsprozesse sind vielschichtig und
keine Einbahnstraßen, die nur eine Richtung kennen. Konsumenten entscheiden sich nicht entweder nur bewusst oder
unbewusst, sondern die Prozesse greifen ineinander. Die
damit einhergehende Einsicht für die Praxis ist, dass nur Unternehmen nachhaltig und langfristig Erfolg haben, die einen
implizit motivierten Kunden auch während seines Rechtfertigungsprozesses bewusst überzeugen können.
Abbildung 5: Total-Effekte der Marken-Kunden-Motiv­
fitindikatoren
Während auf der expliziten Motivebene vom Sicherheits- und
Stärke-Motivfit ein signifikanter Wirkungseffekt ausgeht, beeinflusst auf der impliziten Motivebene der Freude-Motivfit
die Markenwahrnehmung und das Markenverhalten signifikant. Diese empirische Erkenntnis deutet an, dass eine Motorradreifenmarke zum Zwecke einer starken Markenpositionierung auf einer bewussten Ebene vor allem Sicherheit und
Stärke kommunizieren bzw. ausstrahlen sollte (z.B. textlastige
Markenkommunikation, um eine deliberate bzw. kontrollierte
Informationsverarbeitung hervorzurufen). Im Gegensatz dazu
gilt es auf einer unbewussten Ebene Freude zu verkörpern
(z.B. symbollastige Markenkommunikation, um eine automatische bzw. intuitive Informationsverarbeitung auszulösen).
Fazit und Ausblick
Mit Hilfe der beiden vorgestellten Studien konnte nachgewiesen werden, dass explizite und implizite Maße über eine voneinander unabhängige Vorhersagekraft für Kaufentscheidungen und Markenpräferenzen verfügen. Die Ergebnisse zeigen
an, dass die klassische Marktforschung mit ihren rein expliziten Messansätzen keineswegs in dem ihr bisweilen nachgesagten Dunkeln tappt, sondern mit ihren Instrumenten eine
valide Vorhersage des Kundenverhaltens und den zugrunde
liegenden Entscheidungsprozessen leisten kann (sofern auch
50 BVM inbrief August 2013
Andererseits wurde bisher zum großen Teil unterschätzt, gerade auch von der klassischen Marktforschung, welche Wichtigkeit implizite Maße bei der Analyse des Kundenverhaltens
spielen, um diese in all ihren Facetten zu verstehen. Wie die
präsentierten Studien aufgezeigt haben, konnte die Prognose
von Verhaltensentscheidungen durch das zusätzliche Heranziehen impliziter Maße deutlich verbessert werden. Ein weiterer Vorteil von impliziten Maßen, auf den in diesem Beitrag
nicht näher eingegangen wurde, ist die höhere Sensitivität in
der Abbildung von Markenkontaktpunkten (Touchpoint Experience). So ziehen Mediakontakte wie TV, Online oder Sponsoring deutlich stärkere Veränderungseffekte auf der impliziten
Ebene nach sich, während auf der expliziten Ebene manchmal
gar keine oder nur sehr geringe Effekte zu erkennen sind.
Zusammengefasst liegt der entscheidende Stellenwert impliziter Messverfahren in einer präziseren und tiefergehenden
Diagnose, indem räumlich und zeitlich hochauflösende Aufschlüsse über Entscheidungsprozesse erzielt werden können.
Derartige Consumer Insights sind gerade bei der Gestaltung
von Triggern, Farbwahl und Aufbau von Stories zur Umsetzung von Mediakampagnen sowie Produktgestaltungen von
zentraler Bedeutung für ein wissensgetriebenes Marketingmanagement.
Die in diesem Beitrag skizzierte diagnostische Leistungsfähigkeit eines integrierten Methodeneinsatzes soll die Diskussion über das Verhältnis von impliziten und expliziten Messansätzen anreichern bzw. beleben und darüber hinaus einen
motivierten Ausgangspunkt zur konsequenten Integration
beider Ansätze in der Praxis leisten. Referenzen zum Text sind auf Anfrage bei den Autoren
­erhältlich.
Wissen, was die Kunden nicht wissen können
Gabriele Hildmann, InnovationsPlattform, und Professor Dr. Ulrich Vossebein, Technische
Hochschule Mittelhessen, zur Bedeutung der internen Unternehmenskultur im Innovationsprozess
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Alle Neuerungen in der Marktforschungsmethodik der letzten Jahre haben im Bereich der Innovationen zu keiner merklichen Verbesserung des eigentlichen Ergebnisses geführt. Geradezu
beängstigend ist die Stabilität des Misserfolgs im Bereich der Fast Moving Consumer Goods
(FMCG). Je nach Berechnungsart schaffen es zwischen 70 und 85 Prozent der „neuen” Produkte
nicht, mittel- und langfristig einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Die Autoren
­diskutieren die Frage, ob durch weitere Verbesserungen der Markt- und Kundenanalysen das
Kernproblem der Innovation gelöst werden kann.
Allerdings sollte vor dem weiteren Auf- und Ausbau des
Marktforschungsinstrumentariums im Tun eingehalten und
die Frage gestellt werden, wie effektiv Innovationsmarktforschung heute eingesetzt wird. Dabei wird deutlich werden,
dass sich die Innovationsmarktforschung aktuell – mehr oder
weniger effizient – fast ausschließlich mit der Beschaffung
von Informationen beschäftigt, die selbst nur partiell zur Lösung des eigentlichen Innovationsproblems beitragen können.
Abbildung 1: Eisbergproblem in der Innovationsforschung
Wahre Markt- und
Kundenanforderungen
sichtbar
Wasserlinie
unsichtbar
Markt- und Kundenanforderungen, wie
sie die Innovationsmarktforschung liefert
Interne, nicht markt- oder
kundenbezogene Erfolgsfaktoren, die noch nicht
Gegenstand der Innovationsmarktforschung sind
Bezeichnen wir dieses Problem als Eisbergproblem der Innovationsmarktforschung. Die Kenntnis der Markt- und Kundenanforderung ist nur der „sichtbare” Teil der Erfolgsfaktoren der
Innovation. Die heutige Innovationsmarktforschung ist mehr
oder weniger gut in der Lage, diesen sichtbaren Teil zu modellieren. Sicherlich ist es wünschenswert, das Instrumentarium
weiter zu verbessern, so dass eine perfekte Übereinstimmung
zwischen wahren Markt- und Kundenanforderungen und dem
Bild, das die Innovationsmarktforschung davon liefert, erreicht
wird. Allerdings kann aber auch die perfekte Abbildung dieser
Begebenheiten nur 15–20 Prozent der gesamten Erfolgsfaktoren der Innovation abdecken. Ist es deshalb nicht wesentlich
effektiver, sich marktforscherisch stärker diesen 80 – 85 Prozent der internen Erfolgsfaktoren zuzuwenden?
Erfolgsfaktoren der Innovation sind bekannt
Die Frage nach den relevanten Erfolgsfaktoren bzw. den größten Barrieren im Innovationsmanagement wird seit langem
von den unterschiedlichsten Institutionen und Personen wissenschaftlich untersucht. Dabei erweisen sich die wesentlichen Erkenntnisse über die Ansätze hinweg als überraschend
robust. Vereinfachend kann gesagt werden, dass die Probleme
schon länger bekannt sind und es verschiedene Ansätze zur
Überwindung dieser Probleme gibt. So präsentierte beispielsweise Trommsdorff in seinem Vortrag bei AUDI (Trommsdorff,
Volker [2012]: Vortrag Innovationsmarketing bei AUDI) auf der
Grundlage von Meta-Analysen, in denen hunderte Einzelstudien betrachtet wurden, dass es zwei Gruppen von Erfolgsfaktoren für Neuprodukte gibt. Zur ersten Gruppe gehören die
Markt- und Umweltfaktoren, auf die sich die aktuelle Marktforschung überwiegend konzentriert, die aber vom Innovator
nicht beeinflusst werden können. Es liegt auf der Hand, dass
Unternehmen möglichst viel über diese exogenen Faktoren
wissen sollen. Das erklärt aber nicht, weshalb die Marktforschung der zweiten Gruppe von Erfolgsfaktoren noch so wenig
Beachtung zumisst. Zu dieser zweiten Gruppe gehören diejenigen Erfolgsfaktoren, die sich aus den internen Strukturen im
Unternehmen ergeben und somit eigentlich vom Unternehmen gesteuert werden können.
Die ersten Ergebnisse des Gi:ve-Projekts (z.B. Scholl, Wolfgang
[2011]: Bedingungen der Innovationsfähigkeit kleiner professioneller Dienstleistungsunternehmen) zeigen, dass Organisation, Kommunikation, Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter sowie die Integration von Kunden und Mitarbeitern
in die unternehmerischen Innovationsprozesse wesentliche
Erfolgsfaktoren sind. Bestätigt wird die hohe Bedeutung der
„internen” Faktoren auch durch die Studie „Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit”, die bereits
2007 die Fraunhofer-Institute IAO (Institut Arbeitswirtschaft
und Organisation) und ISI (Institut System- und InnovationsBVM inbrief August 2013 51
Fokus Best Paper 2013
INHALT
forschung) mit Unterstützung des BMBF durchgeführt haben.
Von 28 identifizierten Erfolgsfaktoren beziehen sich 25 auf interne Aspekte.
Wesentliche Erfolgsfaktoren bleiben unerfasst
Alles klar mit den Erfolgsfaktoren der Innovation? Offensichtlich nicht, wie in der aktuellen Studie zur Innovationsmarktforschung in Deutschland (planung & analyse, Frankfurt /
research tools, Esslingen, Oktober 2012) deutlich wird. Die
Studie zeigt, dass die internen Erfolgsfaktoren weiterhin unberücksichtigt bleiben. Besonders bemerkenswert ist dabei,
dass einige der befragten Marktforschungsinstitute explizit
anmerkten: „Ohne eine Veränderung der internen Abläufe
werden die Innovationserfolge weiterhin ‚überschaubar’ bleiben”. Allerdings gab keines der vorgestellten Institute an,
Lösungsansätze für die Integration der internen Prozesse im
Angebotsportfolio zu haben.
Eine deutliche Erhöhung des Innovationserfolgs ist nur möglich, wenn die Erkenntnisziele der Marktforschung auf die internen
Bereiche ausgeweitet werden. Es ist an der
Zeit, die interne Innovationsmarktforschung
als eigenständigen Bereich der Marktforschung zu etablieren.
Dabei ist es offensichtlich: Eine deutliche Erhöhung des Innovationserfolgs ist nur möglich, wenn die Erkenntnisziele der
Marktforschung auf die internen Bereiche ausgeweitet werden. Es ist an der Zeit, die interne Innovationsmarktforschung
als eigenständigen Bereich der Marktforschung zu etablieren.
Die Marktforschung muss zukünftig den Kunden ganzheitliche Lösungen anbieten, die in der Lage sind, das gesamte
Abbildung 2: Komponenten des Innovationserfolgs
Marktund Kundenanforderungen
Nutzung internen Wissens
Abbau von internen Innovationsbarrieren
Innovationsumfeld systemisch zu erfassen und damit die Innovationsbemühungen der Unternehmen zu kanalisieren und
zu verbessern.
Komponenten des Innovationserfolgs
Wie soll die interne Innovationsmarktforschung aussehen und
welche Bereiche sollen marktforscherisch erfasst werden? Die
Innovationsforschung zeigt, dass zwei Bereiche im Fokus der
internen Innovationsmarktforschung stehen müssen. Grundlegend für eine Verbesserung der Innovationsergebnisse
ist zum einen die Identifizierung und Beseitigung von Innovationsbarrieren. Zum anderen muss das im Unternehmen
vorhandene interne Wissen offengelegt werden. Beides sind
Felder, die von der Innovationsmarktforschung bisher weitgehend ignoriert wurden. Erst wenn die gewonnenen Erkenntnisse aus diesen beiden Bereichen um die Kenntnis über die
Markt- und Kundenanforderungen (klassische Innovationsmarktforschung) ergänzt werden, werden alle Komponenten
des Innovationserfolgs erfasst. Abbildung 2 stellt die Komponenten des Innovationserfolgs und ihre Relevanz dar.
Gabriele Hildmann, Projektleiterin, ARGE InnovationsPlattform, Kronberg
war nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre zunächst im Research-Bereich einer Bank tätig und dort mit
dem Aufbau des Quantitativen Researchs beauftragt. Sie wechselte dann zu einem Beratungs­unternehmen, wo
sie verschiedene Projekte in den Bereichen Strategisches Marketing, Marktforschung und Innovationsmanagement betreute. Seit vielen Jahren hat sie einen Lehrauftrag der Technischen Hochschule Mittelhessen.
Professor Dr. Ulrich Vossebein, Lehrstuhl Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing,
Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
studierte in Frankfurt am Main Volkswirtschaftslehre und promovierte dort während seiner anschließenden Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Danach war er bei der Firma Eckes in der Marktforschung tätig. Er ist Mitbegründer des Instituts für Marktanalysen und Umfrageforschung an der Technischen Hochschule Mittelhessen.
52 BVM inbrief August 2013
Tabelle 1: Innovationsbarrieren und internes Wissen
Erforschung der Innovationsbarrieren
Nutzung internen Wissens
Innovationskultur
Marktgegebenheiten
Innovationsziele und -strategie
Technische Möglichkeiten
Freiräume für Mitarbeiter
Interne Prozesse
Nutzung von Synergien
Erfahrungswerte
Ressourcenmängel
Rahmenbedingungen
Interne Kommunikation /
Ideenaustausch
Interne Kunden- und Service­
orientierung
Kunden-und Serviceorientierung
Promotoren
Fehlerkultur / Interner Wettbewerb
Fachwissen
Handlungs-, Entscheidungs- und
Umsetzungsfähigkeit
Anreizsysteme
Um endlich den Innovationserfolg merklich zu verbessern,
muss das Unternehmen im Wesentlichen qualifizierte Informationen zu relevanten internen Aspekten der Innovationsfähigkeit haben. Die Unternehmen müssen also wissen, was
die Kunden nicht wissen können. Die systematische interne
Innovationsmarktforschung stellt damit die notwendige Bedingung für den nachhaltigen Innovationserfolg dar. In der
Tabelle 1 sind beide Felder der internen Innovationsmarktforschung (Erforschung von Innovationsbarrieren und Nutzung
des internen Wissens) beschrieben.
Leider existiert zur Erfassung der in Tabelle 1 genannten Aspekte bisher noch kein einheitliches Messverfahren (vgl. Hölzle, Katharina: Vortrag Junge Spitzenforscher und Mittelstand,
Forum Petersberg 23.06.10). Vereinfachend ist, dass in den
meisten Fällen die Erhebungsinstrumente nicht neu erfunden
werden müssen, da sie bereits in der klassischen Innovationsmarktforschung erprobt sind.
Innovationskultur erfassen – Innovationsbarrieren abbauen
Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung ist die Erfassung der
Innovationskultur eines Unternehmens wesentlich. Unter
Innovationskultur wird die grundsätzliche Denkhaltung aller
Organisationsmitglieder sowie die typischen Verhaltens- und
Entscheidungsmuster verstanden, die im Unternehmen auftreten. Stimmt die Innovationskultur nicht, gehen viele gute
Ideen verloren, die Prozesse werden behindert und der Innovationserfolg ist stark gefährdet. (vgl. z.B. Greiner, Oliver: Das
Steuerrad der Innovation, Ganzheitliches Innovationsmanagement realisieren, Horváth & Partners, White Paper April 2009).
Viele Aspekte spielen für die Innovationskultur eines Unternehmens eine Rolle. Beispielhaft sei der Komplex der übergeordneten Zielstellungen und Werte genannt. Mit Hilfe der
(internen) Imageanalyse lässt sich ein profundes Bild dieses
Komplexes zeichnen. Das Ergebnis der Analyse liefert Antwor-
Fokus Best Paper 2013
INHALT
ten auf die zentralen Fragen, wie die Mitarbeiter das Unternehmen und seine Innovationsfähigkeit bewerten und welche
Innovationsbarrieren im Unternehmen gesehen werden. Mit
Hilfe bekannter qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden wird ein umfassendes internes Imageprofil des Unternehmens erstellt. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, die zur Verbesserung
der Innovationskultur im Unternehmen führen.
Mitarbeiterfokusgruppen wiederum können zur Erfassung
von Innovationsbarrieren, der Erforschung der internen Akzeptanz von Prozessänderungen oder der Bewertung von
Innovationen, um nur einige Einsatzgebiete zu nennen, eingesetzt werden. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur
Verbesserung des Innovationsprozesses. Letztlich kann die
gesamte Breite des marktforscherischen Instrumentariums
sinnvoll eingesetzt werden, um das Zusammenspiel der einzelnen Unternehmensbereiche zu erfassen, interne Barrieren
abzubauen und internes Wissen zu nutzen.
Die Behauptung, ein Unternehmen wisse auch ohne Marktforschung, was der Kunde will, gehört inzwischen der Vergangenheit an. Die Behauptung, ein Unternehmen wisse auch
ohne interne Marktforschung, wie es um die Innovationskultur in seinem Unternehmen bestellt ist, ist leider noch normale Praxis.
Um endlich den Innovationserfolg merklich
zu verbessern, muss das Unternehmen im
Wesentlichen qualifizierte Informationen
zu relevanten internen Aspekten der Innovationsfähigkeit haben. Die Unternehmen
müssen also wissen, was die Kunden nicht
wissen können.
Der -Fehler im Innovationsprozess
Ein besonderes Problem im Innovationsprozess stellt die Bewertung der Innovationsideen dar. Das Risiko, ein Produkt zu
entwickeln, das auf dem Markt durchfällt, ist bekannt. Kaum
berücksichtigt wird dagegen die Gefahr, potente innovative
Ideen aufgrund von internen Innovationsbarrieren zu verwerfen. Die Gefahr, marktfähige Innovationen nicht weiter zu
verfolgen, kann als -Fehler der Innovationsentwicklung bezeichnet werden. Der Abbau von Barrieren durch zielgerichtete Informationen, beispielsweise über Mitarbeiterbedürfnisse,
-einstellungen und -wünsche, verbessert den Selektionsprozess. Das Unternehmen muss zwingend wissen, wie anpassungs-, handlungs- und entscheidungsfähig es im Hinblick
––> Fortsetzung Seite 57
auf Innovationen ist. BVM inbrief August 2013 53
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Wie Smartphones die Onlinemarktforschung
verändern werden
Dr. Thomas Rodenhausen, Harris Interactive, zu den Konsequenzen des Fortschritts der
­mobilen Kommunikation
Der Siegeszug des Apple iPhones hat den Markt für mobile Kommunikation und Informationsbeschaffung grundlegend verändert. Er wird auch die Marktforschung verändern. Die Kombination aus leistungsfähigem Computer, hoch auflösendem Farbbildschirm und mobilem
Internetzugang macht Online-Interviews immer und überall möglich.
Auf Smartphones spezialisierte Befragungsplattformen stoßen auf großes Interesse von Kunden und Instituten. Schon
jetzt, so scheint es, haben sich mobile Befragungen als eigenständiger Befragungskanal neben den vorherrschenden CATIund Onlinebefragungen etabliert.
Smartphones werden die Online-Marktforschung
­verändern ...
Begünstigt wird dies durch die Dynamik der Marktdurchdringung und der Geräte- und Tarifentwicklung:
Tatsächlich finden bereits jetzt mobile Zugriffsversuche auf
konventionelle Befragungen statt: Im Online-Panel der Harris
Interactive AG beträgt ihr Anteil an allen Zugriffen im Durchschnitt knapp 4 Prozent. Wir erwarten, dass dieser Anteil innerhalb kurzer Zeit zunehmen wird: Bereits jetzt sind in einzelnen Studien mobile Zugriffsraten von mehr als 10 Prozent
zu beobachten. Mit anderen Worten: Die Trennung zwischen
Smartphone- und Onlinebefragungen entspricht offensichtlich nicht mehr der Lebenswirklichkeit aller Befragungsteilnehmer.
Die Bildschirme der Smartphones werden größer und nähern sich denen kleinerer Tablet-PCs an. Die Darstellung
von Online-Inhalten wird dadurch verbessert und die Interaktion mit Websites erleichtert.
Mobile Teilnahmen an konventionellen Befragungen:
Die Wahl zwischen Not und Elend?
Die Marktforschung steht damit vor der Entscheidung, mobile Befragungen an konventionellen Befragungen zuzulassen
oder zu unterbinden. Beide Alternativen bedrohen die Qualität
von Befragungsergebnissen: Schließt man mobile Teilnahmen
an dafür nicht optimierten Befragungen nicht aus, so können
Probleme in der Fragebogendarstellung und -handhabung zu
einer verminderten Antwortqualität führen. Werden sie hingegen unterbunden, kann der Befragungszugriff für einen Teil
der potenziellen Teilnehmer schwieriger und weniger attraktiv
werden. Eine verzerrte Abbildung der Grundgesamtheit in der
Stichprobe würde die Folge sein.
Ein immer größerer Teil der Bevölkerung besitzt Smartphones. Dabei werden diese nicht nur unterwegs genutzt,
sondern auch zu Hause anstelle von konventionellen Computern. Damit entfällt ein immer größerer Anteil der Onlinezeit insgesamt auf Smartphones.
Deshalb führten wir 2012 und 2013 zwei Studien durch, um
das Ausmaß dieser beiden Bedrohungen der Ergebnisqualität
abzuschätzen. Ihre Basis sind panelrepräsentative Stichproben aus dem deutschen Teil des Online-Panels von Harris Interactive.
… aber vielleicht nicht so, wie erwartet
Wenn aber immer mehr Menschen mit Smartphones immer
mehr Zeit im Internet verbringen, stellt sich die Frage, inwieweit die Trennung zwischen konventionellen Onlinebefragungen und Befragungen mittels Smartphones überhaupt noch
aufrechtzuerhalten ist oder ob Onlinebefragungen zunehmend durch mobile Befragungen ersetzt werden.
Studie 1: Smartphones – Nutzungsverhalten und Einstellungen
Die Nutzung von Smartphones und die Einstellungen ihnen
gegenüber waren Gegenstand der ersten Studie. Es wurde
eine Zufallsstichprobe von ca. 4.000 Mitgliedern des HarrisInteractive-Panels eingeladen. Dieser Einladung folgten knapp
1.800 Mitglieder, von denen sich knapp zwei Drittel durch die
private Nutzung von Smartphones für die Befragungsteilnah-
Die mobile Internetnutzung ist preiswert geworden: Mobilfunkverträge mit Online-Flatrates sind mittlerweile für
weniger als 10 Euro im Monat erhältlich.
Flatrate-Tarife haben die mobile Internetnutzung verändert: Es gibt keine einzelnen Internetzugriffsereignisse
mehr, die separat abgerechnet werden. Smartphones sind
zunehmend „always on”.
54 BVM inbrief August 2013
me qualifizierten. Insgesamt beendeten 1.059 Teilnehmer die
20-minütige Befragung.
Studie 2: Experimentelle Prüfung der Auswirkungen auf die
Teilnahmequalität von Smartphoneteilnahmen an konventionellen Onlinebefragungen
Eine Zufallsstichprobe aus dem Harris-Interactive-Panel
wurde zu ihrer Bereitschaft befragt, an einem Interview per
Smartphone teilzunehmen. Diejenigen, die hierzu grundsätzlich bereit waren, wurden per Zufall gebeten, entweder konventionell oder mobil eine weitere Befragung mit einer Länge
von fünf, zehn oder zwanzig Minuten zu beantworten.
Die Trennung zwischen Smartphone- und
Onlinebefragungen entspricht offensichtlich
nicht mehr der Lebenswirklichkeit aller Befragungsteilnehmer.
Mobile Teilnahmen an konventionellen Befragungen:
­sieben Fakten
Fakt 1: Smartphones werden bereits zur Teilnahme an
konventionellen Befragungen genutzt
64 Prozent der Mitglieder des Harris-Interactive-Panels nutzen privat ein Smartphone. Von diesen greifen wiederum 71
Prozent mehrere Male am Tag per Smartphone auf das Internet zu. Computer werden mit 80 Prozent insgesamt zwar
noch häufiger verwendet, der Anteil für konventionelle Desktop-PCs beträgt jedoch nur noch 35 Prozent.
Internetzugriffe per Smartphone erfolgen dabei sowohl unterwegs über das Mobilfunknetz (74 Prozent) als auch zu Hause
über W-Lan (76 Prozent).
61 Prozent glauben, dass ihre Internetnutzung via Smartphone in der Zukunft etwas oder stark zunehmen wird, während
eine Abnahme nur 2 Prozent erwarten.
12 Prozent nahmen bereits per Smartphone an einer Onlinebefragung teil. Drei Viertel von ihnen wurden hierzu aus einem
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Online-Panel per Mail eingeladen. Grundsätzlich eine Befragungsteilnahme per Smartphone vorstellen können sich 62
Prozent aller Befragten, und 60 Prozent hätten gerne bei jeder Befragung die Wahl zwischen mobiler und konventioneller
Teilnahme.
Fakt 2a: Durch Unterbindung von Smartphoneteilnahmen
drohen Stichprobenverzerrungen
Die private Smartphonenutzung ist stark altersabhängig:
Während der Anteil privater Smartphonenutzer in der Altersgruppe bis 30 Jahre 77 Prozent beträgt, sind es in der Altersgruppe ab 50 nur 46 Prozent. Zudem wird das Smartphone
durch jüngere Panelmitglieder deutlich intensiver genutzt:
Mehr als 80 Prozent von ihnen besuchen das Internet mehrere Male am Tag mit dem Smartphone, während dies unter
älteren Panelmitgliedern nur knapp 60 Prozent tun.
Die Aufgeschlossenheit gegenüber mobilen Befragungsteilnahmen ist dementsprechend umso höher, je jünger die Befragten sind: In der Altersgruppe ab 45 Jahre können sich nur
41 Prozent vorstellen, per Smartphone teilzunehmen, während es in der Altersgruppe bis 34 Jahre 76 Prozent sind.
Fakt 2b: Durch Zulassung von Smartphoneteilnahmen
drohen ebenfalls Stichprobenverzerrungen
In der experimentellen Studie reagierten Smartphoneteilnehmer deutlich schneller auf die Befragungseinladung: Während
bei ihnen zwischen Einladung und erstmaligem Befragungszugriff im Durchschnitt 17 Stunden vergingen, waren es bei
konventionellen Teilnehmern 23 Stunden.
Fakt 3: Zwischen Smartphoneteilnahme und Antwortqualität besteht kein zwangsläufiger Zusammenhang
Internetbrowser übermitteln automatisch Angaben zu Hardund Software, anhand derer die instruktionsgemäße mobile
bzw. konventionelle Befragungsteilnahme an der experimentellen Studie geprüft wurde. Während sich in der konventionellen Teilnahmegruppe 97 Prozent der Befragten an die Instruktion hielten, waren es in der Smartphonegruppe nur 64
Prozent. Dabei wurde gegen die Instruktion umso eher verstoßen, je höher das Alter war: Während sich in der jüngsten
Dr. Thomas Rodenhausen, Vorstandssprecher Harris Interactive AG, Hamburg
hat bereits vor einer Dekade mit namhaften Kunden aus der Konsumgüterindustrie strenge Qualitätsrichtlinien
für die Arbeit mit Online-Panels formuliert und in Fach- und Kongressbeiträgen zu neuen Methoden, insbesondere der internationalen Online-Marktforschung, Stellung bezogen. Er ist Psychologe und nimmt gelegentlich
Lehraufträge wahr, zuletzt an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
BVM inbrief August 2013 55
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Altersgruppe bis 24 Jahre 74 Prozent instruktionsgemäß verhielten, waren es in der ältesten Altersgruppe ab 55 Jahre nur
33 Prozent.
Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer ohne Unterbrechungen war in der Smartphonegruppe mit 14,7 Minuten deutlich
länger als in der konventionellen Teilnahmegruppe mit 10,9
Minuten. Diejenigen, die gegen die Smartphoneinstruktion verstießen, bearbeiteten die Befragung mit 10,5 Minuten
nochmals ein wenig schneller.
Die Unterschiede in der Teilnahmequalität
auf Gesamtbefragungsebene spiegeln sich in
Qualitätsunterschieden in der Bearbeitung
der einzelnen Fragen wider: Insgesamt war
die Qualität in der Gruppe, die entgegen der
Instruktion konventionell auf die Befragung
zugriffen, am geringsten.
Auch die gesamte Teilnahmedauer vom erstmaligen Befragungszugriff bis zur Beendigung der Befragung war in
der konventionellen Teilnahmegruppe mit 42,9 Minuten im
Durchschnitt am kürzesten. Befragte, die instruktionsgemäß
mit dem Smartphone teilnahmen, benötigten 64,3 Minuten.
Nochmals mehr Zeit ließen sich diejenigen, die gegen die
Smartphone-Instruktion verstießen: Ihre durchschnittliche
Teilnahmedauer betrug 125,8 Minuten.
Die Unterschiede in der Teilnahmequalität auf Gesamtbefragungsebene spiegeln sich in Qualitätsunterschieden in der
Bearbeitung der einzelnen Fragen wider: Insgesamt war die
Qualität in der Gruppe, die entgegen der Instruktion konventionell auf die Befragung zugriffen, am geringsten. Im Vergleich
zu regulär konventionell Teilnehmenden fielen ihre offenen
Nennungen kürzer aus, sie wählten weniger Antwortmöglichkeiten in Multiple-Choice-Fragen und ihre Angaben zur
Markenbekanntheit, -nutzung und -wahl waren weniger
konsistent. Ihr Antwortverhalten in einer Matrixabfrage mit
Einstellungsaussagen und einer fünfstufigen Zustimmungsskala war ebenfalls qualitativ schlechter: Sie wählten häufiger
immer dieselbe Antwortkategorie in der gesamten Matrix und
übersahen Fangfragen.
Smartphoneteilnehmer hingegen bearbeiteten die meisten
Aufgaben ebenso gut wie Befragte, die instruktionsgemäß
konventionell teilnahmen. Selbst ihr Wahlverhalten in einer
wahlbasierten Conjointabfrage mit zwölf Aufgaben und vier
Alternativen pro Aufgabe war ebenso gut mathematisch modellierbar wie das der anderen Teilnehmer.
Fakt 4: Die Teilnahme an einer konventionellen Befragung
per Smartphone ist unattraktiv
Die Einstellung der Panelmitglieder gegenüber Internetbesuchen per Smartphone ist ambivalent: 57 Prozent von ihnen
sagen, dass viele Internetinhalte und -angebote auf Smart-
56 BVM inbrief August 2013
phones nur schlecht nutzbar sind, 50 Prozent bevorzugen
Websites speziell für mobile Geräte und 48 Prozent finden,
dass Applikationen in der Regel komfortabler zu bedienen
sind als die zugehörigen Websites.
Die hohe Antwortqualität der mobilen Teilnehmer an der experimentellen Befragung ging mit einer deutlich längeren Bearbeitungsdauer einher. Dementsprechend beklagten knapp 40
Prozent von ihnen Probleme in der Befragungshandhabung.
Fakt 5: Ohne Qualitätsmanagement drohen Einbußen der
Ergebnisqualität durch Smartphoneteilnahmen an konventionellen Befragungen
Diejenigen Befragten, die mobil hätten teilnehmen sollen, den
erhöhten Aufwand dafür aber nicht in Kauf nehmen wollten,
wechselten in der experimentellen Studie vom Smartphone
auf einen konventionellen Computer. Wie lange werden sie
dies aber noch tun?
Die bei Smartphoneteilnehmern um sechs Stunden kürzere
Latenzzeit zwischen Befragungseinladung und erstmaligem
Befragungszugriff unterstreicht, wie viel spontaner Smartphones im Vergleich zu konventionellen Computern mittlerweile genutzt werden, um auf das Internet zuzugreifen. Es ist
deswegen zu erwarten, dass zukünftig vermehrt Panelmitglieder per Smartphone an einer Befragung teilnehmen, auch
wenn sie nicht dazu bereit sind, den dafür notwendigen erhöhten Einsatz zu zeigen. Ohne qualitätssichernde Maßnahmen wird darunter die Ergebnisqualität leiden.
Fakt 6: Der Bedienungskomfort von Smartphones wird in
den nächsten Jahren stark zunehmen
Smartphoneanbieter arbeiten intensiv an innovativen UserInterfaces, die den berührungsempfindlichen Bildschirm als
derzeit wichtigste Schnittstelle zwischen Gerät und Nutzer
unterstützen und möglicherweise ablösen werden. Zukünftige Smartphonegenerationen werden über Sprache, Gestik, Mimik und Blickbewegungen gesteuert werden können. Zugleich
werden die Bildschirme größer. Die Nutzung von konventionellen Websites inklusive Onlinefragebögen wird dadurch
deutlich vereinfacht werden.
Fakt 7: Smartphones eröffnen der Befragungsmarkt­
forschung völlig neue Datenquellen und Untersuchungs­
ansätze
Neben größeren Bildschirmen, besseren Kameras, schnelleren
Prozessoren und komfortableren User-Interfaces sind Sensoren, mit denen Smartphones ihre Umwelt „wahrnehmen”, ein
weiterer Entwicklungstrend. Schon heutzutage gibt es eine
Reihe von externen Sensoren im Zubehörhandel, mit denen
ein Smartphone medizinische Parameter wie Puls, Blutdruck
und Blutzuckerspiegel messen, analysieren und dokumentieren kann. Zukünftige Generationen von Smartphones werden über eine Vielzahl von Sensoren verfügen, dank derer sie
immer passgenauere orts- und situationsadäquate Dienste
werden anbieten können. Der Marktforschung eröffnen sich
damit völlig neuartige Möglichkeiten, um Interviews situationsabhängig auszulösen, die Befragungen mit Umgebungs-
informationen anzureichern und die Angaben der Befragten
durch objektive Messwerte zu ergänzen.
Die Annahme, dass mobile und konventionelle Onlinebefragungen gezielt und überschneidungsfrei eingesetzt werden können,
muss revidiert werden. Zwar ist die mobile
Teilnahme an einer konventionellen Befragung noch unkomfortabel und findet insgesamt eher selten statt.
Fazit und Ausblick
Die Annahme, dass mobile und konventionelle Onlinebefragungen gezielt und überschneidungsfrei eingesetzt werden
können, muss revidiert werden. Zwar ist die mobile Teilnahme
an einer konventionellen Befragung noch unkomfortabel und
findet insgesamt eher selten statt. Es ist jedoch kein Zufall,
dass die höchsten mobilen Zugriffsraten auf konventionelle
Befragungen in B2B-Befragungen beobachtet werden: In diesen Zielgruppen wiegt der Vorteil, jederzeit und überall eine
Befragung beginnen zu können, schwerer als der Nachteil des
eingeschränkten Komforts beim Ausfüllen des Fragebogens.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
In der Praxis wird die Entscheidung zwischen Ausschluss, begrenzter oder völliger Freigabe von Smartphoneteilnahmen
deswegen vor dem Hintergrund der Fragestellung, vor allem
aber der interessierenden Grundgesamtheit erfolgen müssen. Entwickeln sich Smartphones weiter wie zuletzt, wird
die Fragestellung schon bald eine radikal andere sein: Sollen
überhaupt noch Teilnahmen über konventionelle Computer
zugelassen werden, wenn Smartphoneteilnahmen ihnen gegenüber so viele Vorteile bieten? ––> Fortsetzung „Wissen, was die Kunden nicht wissen
können” von Seite 53
Nur die interne Marktforschung kann fundierte Antworten auf
Fragen geben wie: Welchen Stellenwert hat die Kundenorientierung im Unternehmen? Wie ist die interne Kommunikation
geprägt (z. B. durch Hoffnung auf Erfolg oder durch Furcht vor
Misserfolg)? Welche Position nehmen Promotoren im Innovationsprozess ein? Wo entstehen Widerstände im Innovationsprozess? Welche Faktoren verhindern eine gemeinsame innovationsorientierte Einstellung aller Beteiligten?
Instrumentarium der internen Marktforschung
Nur durch die konsequente Anwendung der internen Marktforschung können diese Fragen verlässlich beantwortet
werden. Zum Einsatz können hierbei – neben klassischen
Mitarbeiter- und Führungskräftebefragungen – Gruppendiskussionen, Lead-Mitarbeiter-Diaries, Akzeptanztests, Mystery-Studien oder auch Conjoint-Analysen kommen. Die Komplexität der Erhebungsinstrumente wird hauptsächlich durch
die mögliche Fallzahl begrenzt, die in kleinen Unternehmen
z.B. multivariate Ansätze erschweren. Hauptansatzpunkt für
die interne Marktforschung muss der einzelne Mitarbeiter
sein. Um durch eine Längsschnittbetrachtung den Lernprozess im Unternehmen zu beschleunigen, empfiehlt sich die
Definition von internen Panels.
Ziel: Ein klares Bild des Eisbergs der Innovation
Nur wenn das Innovationsmanagement auf ein festes informatorisches Fundament gestellt wird, kann der Eisberg der
Innovation in seiner Ganzheit erfasst werden. Das Wissen um
die „Gestalt” der 85 Prozent des Eisbergs, die unter Wasser
liegen, ist gleichzusetzen mit der Kenntnis über die internen
Erfolgsfaktoren der Innovation. Die Hypothese, die fehlende
Berücksichtigung der internen Erfolgsfaktoren sei die Ursache
für die bis zu 85 Prozent betragende Floprate bei Innovationen, steht im Raum und ist zu überprüfen. Gewiss ist bereits
jetzt, dass ohne Beseitigung der Innovationsbarrieren und
ohne Nutzung des internen Wissens der Verbesserung des
Innovationserfolgs enge Grenzen gesetzt sind. Literatur
Greiner, Oliver: Das Steuerrad der Innovation, Ganzheitliches Innovationsmanagement realisieren, Horváth & Partners, White Paper April 2009
Kirner, Eva, Spomenka Maloca, Thorsten Rogowski, Alexander Slama, Oliver
Som, Anne Spitzley, Kristina Wagner: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit, Empirische Studie bei produzierenden KMU.
Hrsg.: Fraunhofer IAO, Stuttgart; Fraunhofer ISI, Karlsruhe; Univ. Stuttgart,
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT, 2. Aufl.
2007, Fraunhofer IRB Verlag
planung & analyse (Hrsg.): Studie Innovationsmarktforschung in Deutschland, Frankfurt am Main 2012
Scholl, Wolfgang: Bedingungen der Innovationsfähigkeit kleiner professioneller Dienstleistungsunternehmen, Zeitschrift für Arbeitsforschung,
Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. Stuttgart: Lucius & Lucius Verl.-Ges,
Vol. 21.2012, 2/3, S. 118–131
Trommsdorff, Volker (2012): Vortrag Innovationsmarketing bei AUDI,
https://www.autouni.de
BVM inbrief August 2013 57
Fokus Best Paper 2013
INHALT
nominiert für das best paper 2013
From the Hand to the Mind
Mathias Streicher, Universität Innsbruck, zur Relevanz haptischer Eigenschaften von Marken
Im Konsumgüterbereich wird bei Produkten und Verpackungen im zunehmenden Maße auf
haptisch wahrnehmbare Gestaltungselemente geachtet, mit dem Ziel, ein markentypisches
taktiles Erlebnis beim Anfassen der Produkte zu schaffen. Anhand der Ergebnisse dreier Experimente und eines Pretests zeigt Mathias Streicher, dass vertraute haptische Empfindungen einer
Marke die kognitive Verarbeitungsflüssigkeit einer Marke steigern, was wiederum Produktgefallen und Kaufbereitschaft positiv beeinflusst.
Die Produkt-und Verpackungsgestaltung ist ein wichtiges
Marketing-Tool, das dem Kunden ähnlich einer Visitenkarte
erste taktile und visuelle Eindrücke von Produkten und Marken vermittelt. Heineken beispielsweise hat erst kürzlich ein
frisch anmutendes Design für Bierdosen mit taktiler Tinte
auf den Markt gebracht, um den Eindruck von kondensierten
Tröpfchen auf der Dosenoberfläche zu evozieren und um ein
einzigartiges haptisches Erlebnis mit der Marke zu schaffen.
Im Laufe der Zeit können haptische Produkteigenschaften
wie zum Beispiel die berühmte Coca-Cola-Flasche nicht nur
zu einem für die Marke typischen Attribut werden, sondern
buchstäblich die Persönlichkeit der Marke in den Köpfen der
Konsumenten prägen (Lindstrom, 2005).
In Zeiten von hochentwickelten Konsumgütermärkten mit einer Fülle an austauschbaren Produkten ist die kognitive Verankerung
von sensorischen Merkmalen für eine Marke
eine weitere Differenzierungsalternative, um
sich vom Wettbewerb abzuheben.
In Zeiten von hochentwickelten Konsumgütermärkten mit
einer Fülle an austauschbaren Produkten ist die kognitive
Verankerung von sensorischen Merkmalen für eine Marke
eine weitere Differenzierungsalternative, um sich vom Wettbewerb abzuheben und um zusätzlichen Wiedererkennungswert am Point-of-Sale zu schaffen. Das Vorhandensein von
einzigartigen haptischen Merkmalen, die dem Konsumenten
beim Anfassen eines Produktes ein Gefühl der Vertrautheit
geben, könnte aber auch dann effektiv sein, wenn die visuelle
Erscheinung von Produktdesigns durch Produktdifferenzie-
rung oder inkrementelle Produktverbesserung verändert wurde. Das Fühlen vertrauter haptischer Markensignaturen kann
solche visuellen Diskontinuitäten beim Anfassen des Produktes abfedern und die Wahrnehmung neuer Produktdesigns
positiv beeinflussen.
In unserer Forschung zeigen wir auf, wie haptische Markensignaturen beim Anfassen von Produkten die visuelle Wahrnehmungsflüssigkeit von neuen Produktdesigns beschleunigen und dadurch die Produktbewertung und Kaufbereitschaft
positiv beeinflussen. Wir stützen uns dabei auf Erkenntnisse
über perzeptuelle Verarbeitungsflüssigkeit, deren hedonistische Eigenschaft seit der Beschreibung des Mere-ExposureEffektes durch Zajonc (1968) in zahlreichen Studien belegt
wurde.
Theoretischer Hintergrund
Die Flüssigkeit, mit der Konsumenten produkt- und markenbezogene Informationen verarbeiten, ist vor allem am Pointof-Sale relevant, wenn Kaufentscheidungen auf Basis spontaner affektiver Reaktionen getroffen werden. Das Besondere
an der kognitiven Verarbeitungsflüssigkeit ist, dass sie als
eigenständige metakognitive Information grundsätzlich positiv erlebt wird (Schwarz, 2004; Winkielman & Cacioppo, 2001),
einen Stimulus per se ästhetischer erscheinen lässt (Reber,
Schwarz, & Winkielman, 2004) und dadurch Produkt- und Markenentscheidungen beeinflussen kann (Janiszewski & Mayvis,
2001; Labroo, Dhar, & Schwarz, 2008; Labroo & Lee, 2006; Lee
& Labroo, 2004; Nedungadi, 1990; Shapiro, 1999; Shapiro, MacInnis, & Heckler, 1997).
Verarbeitungsflüssigkeit kann aus verschiedenen Variablen
resultieren, so zum Beispiel aus gutem Figur-Grund-Kontrast
(Reber, Winkielman, & Schwarz, 1998), aus wiederholter Dar-
Mathias Streicher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Institut für Strategisches Management,
Marketing & Tourismus, Universität Innsbruck
hat Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspsychologie an der LMU München und am Salt Lake ­Community
College in Utah, USA, studiert. Unter anderem war er auch Dozent bei Siemens Education.
58 BVM inbrief August 2013
bietung des gleichen Reizes (Jacoby und Dallas, 1981) oder aus
semantischem Priming, das durch Aktivierung assoziativer
Netzwerkstrukturen die perzeptuelle Verarbeitung eines Reizes beschleunigt (Labroo et al., 2008). Werden beispielsweise
Markennamen in einer vorgeschobenen Aufgabe geprimt und
einige davon später zusammen mit neuen Markennamen erneut gezeigt, so werden die zuvor geprimten Markennamen
beim erneuten Wahrnehmen visuell schneller verarbeitet als
die nicht geprimten Markennamen (Lee, 2002).
Labroo et al. (2008) zeigten in ihren Studien, dass auch das
Primen semantischer Konzepte (z.B. das Wort Frosch) die visuelle Verarbeitung eines passenden visuellen Gestaltungselements auf einer Produktverpackung in einer nachfolgenden Situation beschleunigt (ein Frosch auf dem Etikett einer
Weinflasche) und zu Markenentscheidungen zugunsten der
visuell schneller verarbeiteten Produktdesigns führt. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass visuelle
Verarbeitungsflüssigkeit, die aus einer Aktivierung semantischer Netzwerkstrukturen resultiert, nicht davon abhängt,
wie exakt der aktivierende Reiz dem zu verarbeitenden Reiz
im perzeptuellen Sinne gleicht und ob Voraktivierung und
Reizverarbeitung in unterschiedlicher Sinnesmodalität erfolgt
(Winkielman, Schwarz, Fazendeiro, & Reber, 2003). Obwohl die
Forschung bisweilen cross-modale Flüssigkeitseffekte wenig
untersucht hat, gibt es Hinweise aus der Sozialpsychologie
und der Embodiment-Forschung, dass haptische Reize Gedächtnisstrukturen nichtbewusst aktivieren können (Barsalou, 1999; Williams & Bargh, 2008).
In unserer Forschung gehen wir deshalb der Frage nach, ob
das haptische Gefühl einer Produktverpackung, sofern es mit
der entsprechenden Produktmarke assoziiert wird, die Bewertung neuer Produktdesigns dieser Marke positiv beeinflusst,
da eine Aktivierung der Gedächtnisstrukturen der Marke die
visuelle Interpretation des ungewohnten Produktdesigns erleichtern könnte.
Experimente
In einem ersten Experiment wurde daher zunächst die Frage geklärt, ob das bloße haptische Gefühl einer Produktverpackung, das mit der dazugehörigen Marke assoziiert wird,
tatsächlich die visuelle Verarbeitungsflüssigkeit beim Wahrnehmen markenrelevanter Stimuli beschleunigt. Auf der Basis
eines Pretests wurden die klassische 0,25l-Coca-Cola-Flasche
und die 0,25l-Red-Bull-Dose als markentypische haptische
Stimuli bestimmt. In einem vorgeschobenen Gewichtseinschätzungstest wurden den Probanden dann mit verbundenen Augen entweder zwei Coca-Cola-Flaschen oder zwei RedBull-Dosen gereicht.
Die Aufgabe bestand darin, den angeblichen Gewichtsunterschied der Objekte in maximal zwei Sekunden zu bestimmen.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Eine dritte Kontrollgruppe wurde keinem Gewichtseinschätzungstest unterzogen. Im Anschluss daran wurde gemessen,
wie schnell die Versuchspersonen den Markennamen „Red
Bull” visuell erkennen können, der mit langsam zunehmender
Klarheit am Bildschirm gezeigt wurde.
Die Studien zeigen, dass haptische Produktmerkmale, die mit ihrer Marke assoziiert
werden, tatsächlich ganz automatisch die visuelle Verarbeitung von markenspezifischen
Inhalten beschleunigen können.
Tatsächlich zeigt die Auswertung einer univariaten ANOVA,
dass die Gruppe, die die Red-Bull-Dosen in dem Gewichtseinschätzungstest bekam, im Vergleich zu allen anderen Gruppen signifikant schneller war: MRed Bull = 2.83 Sek. vs. MCoca-Cola
= 3.03 Sek. vs. MKontrollgruppe = 3.04 Sek.; F(2, 149) = 7.37, p < .01,
partielles ŋ2 = .090 (Tukey Post-Hoc-Analyse mit p < 0.5). Die
Richtung und Signifikanz der Ergebnisse veränderte sich nicht,
wenn die Analyse nur mit solchen Personen durchgeführt
wurde, die sich in einer abschließenden Befragung nicht explizit an die Objekte des Gewichtseinschätzungstests erinnern
konnten.
Das gleiche Ergebnis stellte sich in einer Replikationsstudie
ein, wo die Versuchspersonen mit einer klassischen 0,25l-Coca-Cola-Flasche und einer 0,25l-Römerquelle-Wasserflasche
geprimt wurden. In der anschließenden visuellen Klarifikationsaufgabe wurde die Wortmarke Coca-Cola mit aufsteigender Klarheit eingeblendet. In diesem Fall war die Gruppe, die
die Coca-Cola-Flaschen in dem Gewichtseinschätzungstest
bekam, im Vergleich zu allen anderen Gruppen beim Erkennen der Wortmarke Coca-Cola signifikant schneller: MCoca-Cola =
3.09 Sek. vs. MRömerquelle = 3.24 Sek. vs. MKontrollgruppe = 3.27 Sek.,
F(2, 174) = 6.29, p < .01, partielles ŋ2 = .067 (Tukey Post-HocAnalyse mit p < .05).
Beide Studien zeigen, dass haptische Produktmerkmale, die
mit ihrer Marke assoziiert werden, tatsächlich ganz automatisch die visuelle Verarbeitung von markenspezifischen
Inhalten beschleunigen können. Die Replikationsstudie zeigt
zudem, dass spezifische haptische Eigenschaften, wie eine
ganz besondere Oberflächentextur oder die volumetrische
Form eines Produktes, haptische Identifikatoren für eine
Marke sein können, da die 0,25l-Römerquelle-Wasserflasche
wie die 0,25l-Coca-Cola-Flasche ähnlich schwer, dick und aus
Glas ist.
In einem dritten Experiment wurden Versuchspersonen im
Rahmen einer Produktdesignstudie neuartige FlaschenBVM inbrief August 2013 59
Fokus Best Paper 2013
INHALT
designs einer Coca-Cola-Flasche am Bildschirm gezeigt. Als
Basis wurde die Kontur einer 0,25l-Coca-Cola-Aluminiumflasche verwendet, die Anfang 2007 von Coca-Cola als „Special
Edition” auf den Markt gebracht wurde. Abbildung 1 zeigt die
Flaschen, die eigens für das Experiment gestaltet und in einem Pretest geeicht wurden.
Die Versuchspersonen bekamen per Zufallsauswahl eine der
Flaschen am rechten Bildschirmrand zu sehen und sollten
dabei die Flasche rechts hinter dem Bildschirm zusätzlich
angreifen. Sowohl die Flasche auf dem Bildschirm sowie die
hinter dem Bildschirm dargebotene Flasche waren in Echtgröße und in exakt gleicher Position und wurden für genau 3
Sekunden gezeigt (die Flaschen wurden auf einer versenkten
Halterung arretiert). Blicke hinter den Bildschirm waren durch
die Sitzposition und einen zusätzlichen Sichtschutz versperrt.
Abbildung 1: Phänomen-Scribbling
Abbildung 2: Haptische Stimuli in der Produktdesignstudie
Classic
Coca-Cola
Aluminium
Coca-Cola
Die Manipulation bestand darin, dass eine Versuchsgruppe
die klassische 0,25l-Coca-Cola-Flasche zum Angreifen bekam,
eine andere Gruppe die 0,25l-Coca-Cola-Aluminiumflasche
und eine dritte Kontrollgruppe das neuartige Flaschendesigns
ohne haptischen Input begutachten sollte (Abbildung 2). Die
Coca-Cola-Aluminiumflasche wurde in einem Pretest von nur
16 Prozent der Befragten mit verbundenen Augen mit der
Marke Coca-Cola assoziiert, während die klassische CocaCola-Flasche immerhin von 87 Prozent der Befragten erkannt
wurde. Entsprechend sollte nur das Angreifen der klassischen
Coca-Cola-Flasche die visuelle Verarbeitungsflüssigkeit beim
60 BVM inbrief August 2013
Betrachten der neuartigen Flaschendesigns im Vergleich zur
Kontrollgruppe beschleunigen und Produktgefallen und Kaufbereitschaft erhöhen.
Als abhängige Variable wurden die neuartigen Flaschendesigns nach ihrem Gefallen und der Kaufbereitschaft bewertet (Einstellungsindex; Chronbach’s Alpha = .81). Zusätzlich
wurden die Probanden gebeten, ihre subjektiv empfundene
Verarbeitungsflüssigkeit beim Betrachten der neuen Flaschendesigns anzugeben (Index aus drei Items analog zu Labroo et al., 2008; Chronbach’s Alpha = .80).
Die Ergebnisse einer signifikanten ANCOVA (F(2, 139) = 5.37, p
< .01, partielles ŋ2 = .07) mit Präferenz für Coca-Cola als Kovariate zeigt, dass die neuartigen Flaschendesigns im Vergleich
zur Kontrollgruppe nur dann signifikant besser bewertet wurden, wenn die Versuchspersonen die klassische Coca-ColaFlasche hinter dem Bildschirm in der Hand hielten: Mklassische Coca-Cola = 5.31 vs. MKontrollgruppe = 4.64, t(139) = -3.26, p < .01, r = .27.
Das Anfassen der Aluminiumflasche erbrachte – im Vergleich
zur Kontrollgruppe – keine signifikante Verbesserung der Einstellungen (MAlu Coca-Cola = 5.04, p > .05), obwohl die Aluminiumflasche in Form und Textur der visuellen Darstellung eigentlich
viel besser entsprach als die klassische Coca-Cola-Flasche.
Da die haptische Anmutung nach dem Anfassen der Flaschen
ebenfalls gemessen wurde und ein Vergleich keine signifikanten Unterschiede erbrachte, kann eine bessere haptische
Anmutung der klassischen Coca-Cola-Flasche als Ursache für
diese Unterschiede ausgeschlossen werden. Um abschließend zu klären, ob eine höhere Verarbeitungsflüssigkeit die
positiveren Einstellungswerte verursacht hatte, wurde eine
multiple Mediationsanalyse nach Preacher und Hayes (2008)
durchgeführt. Da das bloße Anfassen von Produkten auch den
subjektiv empfundenen Besitz und dadurch Einstellungen beeinflussen kann (Peck & Shu, 2009), wurde zusätzlich der subjektiv empfundene Besitz für das Produkt nach der Präsentation der Flaschen abgefragt (zwei Items analog zu Peck & Shu,
2009; Chronbach’s Alpha = .94) und in das Mediationsmodell
neben Verarbeitungsflüssigkeit als Mediator eingeschlossen
(Abbildung 3).
Das Ergebnis der Mediationsanalyse mit den zwei Faktorstufen „klassische Coca-Cola-Flasche” und „Kontrollgruppe”
zeigt, dass die positiven Effekte durch das Anfassen der klassischen Coca-Cola-Flasche auf die Bewertung der neuartigen
Flaschendesigns durch eine höhere Verarbeitungsflüssigkeit
vermittelt wird, nicht aber durch den subjektiv empfundenen
Besitz (95 % CIPfad_a1b1 = .1000–.7250 vs. 95 % CI Pfad_a2b2 = -0205–
.1681).
Außerdem ergab eine Kontrastanalyse der Schätzwerte der
beiden indirekten Pfade a1b1 und a2b2, dass der indirekte
Effekt durch Verarbeitungsflüssigkeit signifikant stärker ist
als der indirekte Effekt durch subjektiv empfundenen Besitz
(SchätzwertME1 = .4055 vs. SchätzwertME2 = .0604, 95% CI =
.0364–.7068).
Abb. 3: Multiples Mediationsmodell mit Regressions­
koeffizienten (Bootstrap, 5000 Stichproben)
Zusätzlich wurde das autotelische Bedürfnis der Probanden
nach haptischer Stimulation erfasst und als mögliche Einflussquelle berücksichtigt (Peck & Childers, 2003). Da in einer
Spotlight-Analyse (Fitzsimons, 2008) mit haptischer Manipulation als unabhängiger Variablen und Produkteinstellungen
als abhängiger Variablen das autotelische Bedürfnis nach
haptischer Stimulation keinen Moderator-Effekt auf die Ergebnisse zeigte, kann ausgeschlossen werden, dass affektive
Reaktionen durch taktile Stimulation den Unterschied zwischen den Gruppen erklären.
Diskussion und Implikationen
Haptische Merkmale von Produkten sind psychologisch wirksame Differenzierungsmerkmale für Marken, da sie ähnlich wie visuelle Wort- und Bildzeichen ein einzigartiger Bestandteil des Markenwissens sein können und einen taktilen
Kontaktpunkt zwischen Konsument und Marke schaffen. In
unseren Experimenten zeigen wir, dass die Wahrnehmung
haptischer Markensignaturen assoziative Netzwerkstrukturen einer Marke aktivieren und zu visuellen Flüssigkeitseffekten beim Wahrnehmen markenrelevanter Stimuli führen.
Darüber hinaus gefallen neue Produktdesigns besser und
werden eher gekauft, wenn Produkte an bereits verankerten
haptischen Signaturen festhalten, die mit der Marke assoziiert werden. In einfachen Worten ausgedrückt, kann ein für die
Marke typisches haptisches Produkterlebnis als Katalysator
fungieren, welcher beim Angreifen die visuelle Verarbeitung
und Interpretation neuartiger Produktdesigns erleichtert und
dadurch Produktgefallen und Kaufbereitschaft erhöht.
Es ist daher empfehlenswert, dass Produktmanager zunächst
einmal grundsätzlich haptische Signaturen entwickeln, die
aus Kundensicht einzigartig für das Produkt und die Marke
sind. Darüber hinaus ist bei der Produktneugestaltung darauf zu achten, dass eine Veränderung bestehender haptischer
Markensignaturen unter Umständen wertvolles Markenkapital kannibalisiert. Literaturverzeichnis
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Fokus Best Paper 2013
INHALT
BVM inbrief August 2013 61
Fokus Best Paper 2013
INHALT
ROI Analyzer
Gerald Neumüller, SevenOne Media, stellt einen Modelling-Ansatz zur Erfassung der lang­
fristigen Werbewirkung vor
Nach Ansicht des Autors muss ein tragfähiges Modell zum Zusammenhang von TV-Werbung
und Abverkauf langfristige Aspekte der Markenbindung berücksichtigen. Der von ihm vorgestellte ROI Analyzer, ein Modelling, das die SevenOne Media in Kooperation mit dem GfK-Verein
und der GfK Fernsehforschung konzipiert hat, setzt hier an. Für jede untersuchte Kampagne
wird mittels logistischer Regression der Einfluss der Werbekontakte auf den Kauf der Marke
über mehrere Jahre hinweg bestimmt.
Ob Toastbrot, Tiefkühlpizza oder Körperlotion – beim Einkauf im Supermarkt greifen wir häufig zum Markenprodukt.
Dass TV-Werbung daran einen ganz wesentlichen Anteil hat,
ist naheliegend, und doch fehlte es bis jetzt an stichhaltigen
Beweisen für die Leistungsfähigkeit des Mediums in puncto
Abverkauf.
Und Werbung steht ganz offensichtlich in engem Zusammenhang mit der Loyalität der Käufer, denn Marktanteilsgewinner investieren auch mehr in Werbung. Es spricht also vieles
dafür, dass ein tragfähiges Modell zum Zusammenhang von
TV-Werbung und Abverkauf eben solche langfristigen Aspekte
der Markenbindung berücksichtigen muss.
Grund dafür ist, dass bisherige Studien das Kaufverhalten der
Verbraucher nur kurzfristig betrachten. Werbung, Preis oder
auch Promotions nehmen unmittelbar Einfluss auf den Abverkauf und sind Bestandteil einer Vielzahl von Modellings
zur Bestimmung des „Return on Investment” (ROI). Mittelbare
Aspekte wie langfristige Präferenzbildung, Markensympathie
oder auch Image, die letztlich anzeigen, ob der Verbraucher
Vertrauen in eine Marke hat, werden dagegen vernachlässigt.
Doch genau hier liegt die Stärke des Mediums Fernsehen –
langfristig Markenvertrauen aufbauen, welches wiederum der
entscheidende Schlüssel zum Abverkauf der Marke ist.
Genau hier setzt der ROI Analyzer an, den die SevenOne Media
in Kooperation mit der GfK konzipiert hat.
Abbildung 1: Modell des ROI Analyzer
Treue Käufer sind das Rückgrat einer Marke, denn sie generieren einen Großteil des Umsatzes. Es gilt, gerade diese Käufergruppe zu halten, um auf lange Sicht den Erfolg zu sichern. Ein
Vergleich von Marken, die Marktanteile verloren haben, mit
solchen, die Marktanteile gewonnen haben, zeigt sehr deutlich, dass vor allem die Stammkäufer ursächlich zu Gewinn
oder Verlust von Marktanteilen beitragen.
62 BVM inbrief August 2013
Treue Käufer sind das Rückgrat einer Marke,
denn sie generieren einen Großteil des Umsatzes. Es gilt, gerade diese Käufergruppe
zu halten, um auf lange Sicht den Erfolg zu
sichern.
Das Modell der Werbewirkung
Das Modell des ROI Analyzer (Abbildung 1) berücksichtigt
neben den Kontakten mit der Werbung eine Vielzahl von unabhängigen Variablen, um den TV-Einfluss möglichst unverfälscht bestimmen zu können. Langfristige Einflüsse finden
dabei als Stufe der Markenbindung Eingang in das Modell. In
den folgenden Abschnitten wird dargelegt, in welcher Form
die einzelnen unabhängigen Variablen in die Analyse eingehen
und wie dabei auch langfristige Effekte berücksichtigt werden.
1. Die Kontakte mit der Werbung
Der ROI Analyzer modelliert den Zusammenhang zwischen
Werbekontakten im Fernsehen und dem Abverkauf von
Marken. Das Einkaufsverhalten der Haushalte im Bereich
Schnelldreher wird im Verbraucherpanel GfK ConsumerScan
elektronisch erfasst. Das Panel selbst liefert jedoch keine Informationen über die Kontakte mit der Werbung. Der ROI Analyzer greift daher auf die Daten des AGF/GfK-Fernsehpanels
zurück und fusioniert daraus Merkmale der TV-Nutzung ins
Verbraucherpanel.
Fusion
Allgemein werden bei einer Fusion Datensätze von Personen
aus zwei verschiedenen Erhebungen zusammengeführt. Da-
bei werden einzelne Merkmale der einen Erhebung (DonorenStichprobe) in die andere Erhebung (Rezipienten-Stichprobe)
überführt. Beide Datensätze enthalten einen Teil gleicher
Informationen, die gemeinsamen Merkmale (Abbildung 2).
Im Falle des ROI Analyzer handelt es sich dabei um soziodemografische Merkmale, um Freizeitaktivitäten sowie Genre­
präferenzen.
Abbildung 2: Gemeinsame Merkmale, die in die Fusion beim ROI
Analyzer eingehen
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Im Gegensatz dazu stehen die spezifischen Merkmale, die
nur Personen der Donoren-Stichprobe aufweisen. Die spezifischen Merkmale, in diesem Fall Merkmale der TV-Nutzung,
werden auf die Personen der Rezipienten-Stichprobe übertragen, und zwar auf den jeweils ähnlichsten Befragten. Die
Ähnlichkeit der Befragten wird auf Basis der gemeinsamen
Merkmale bestimmt.
Berechnung der Werbekontakte
So können TV-Nutzungswahrscheinlichkeiten auf Basis von
Werbeinseln (P-Werte) auf die Haushaltführenden im GfK
Consumer Scan übertragen werden. Die P-Werte für die Werbung betrachten für jeden Zuschauer die gemessene Sehdauer einer Werbeinsel und vergleichen sie mit der Gesamtlänge
des Blocks.
Der P-Wert wird folgendermaßen bestimmt:
P – Wert Sponsoring ij =
gemessene Sehdauer Sponsoring ij
Dauer Werbeinsel i
i = Werbeinsel
j = Zuschauer
Die P-Werte für die Kontakte mit der Werbung werden mit
den jeweiligen Kampagnenschaltungen nach Nielsen Media
Research abgeglichen und ergeben in der Summe einen realistischen Schätzwert für die Anzahl der erzielten Kampagnenkontakte.
Dabei gehen alle Kontakte in die Analyse ein, die jeweils 180
Tage vor einem Kaufakt erzielt wurden. Wird in einem Haushalt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Marke gekauft, wird
das gesamte Halbjahr vor diesem Kaufakt betrachtet und die
Kontaktdosis für die Kampagne berechnet, die diesem einen Kaufakt zuzuordnen ist. Der Zeitraum von 180 Tagen ist
nicht willkürlich gewählt, sondern basiert auf fundierten Erfahrungswerten, die besagen, dass die unmittelbare Wirkung
eines Kampagnenkontakts maximal ein halbes Jahr anhalten
kann.
Auch Sponsoring-Kontakte werden bei der Bestimmung der
Kontaktdosis berücksichtigt. Die Formel für den P-Wert Sponsoring ist:
P – Wert Sponsoring ij =
gemessene Sehdauer Sponsoring ij
Dauer Sponsoring i
i = Sponsoring
j = Zuschauer
Analog werden nicht nur die Kampagnenkontakte mit der jeweils analysierten Marke bestimmt, sondern auch Dachmarkenkontakte und Konkurrenzmarkenkontakte nach diesem
Schema berechnet. Kontakte mit sonstiger Werbung ergeben
sich aus den Werbeblöcken im AGF/GfK Fernsehpanel.
Dachmarkenkontakte spielen eine Rolle, weil etwa im Fall von
Bier bei der Analyse von Pils-Marken der Kauf von Jever Pils
auch von Kontakten mit Kampagnen für andere Jever-Biersorten beeinflusst werden kann. Das gleiche gilt für Kontakte mit
Kampagnen von Konkurrenzmarken. Auch diese können sich
auf den Kauf auswirken, sei es positiv oder negativ.
Dachmarkenkontakte spielen eine Rolle, weil
etwa im Fall von Bier bei der Analyse von
Pils-Marken der Kauf von Jever Pils auch von
Kontakten mit Kampagnen für andere JeverBiersorten beeinflusst werden kann. Das
gleiche gilt für Kontakte mit Kampagnen von
Konkurrenzmarken.
Die Kontakte mit sonstiger Werbung (= gesamte Werbenutzung der jeweiligen Person) sind ein Indikator dafür, wie viel
Werbung eine Person ausgesetzt ist. Dieses Merkmal dient
als Kontrollvariable innerhalb des Modells, da es hoch mit
Gerald Neumüller, Director Research, SevenOne Media, München
studierte BWL an der LMU München mit Schwerpunkt Marketing, empirische betriebswirtschaftliche Forschung
und Werbepsychologie. Er startete seine Berufslaufbahn als Account Executive bei A.C. Nielsen in Frankfurt am
Main, war dann Manager Marketinganalyse der MGM MediaGruppe München, danach Assistent der Geschäftsführung und, bevor er seine jetzige Position einnahm, Leiter Strategic Research bei SevenOne Intermedia (vormals
Kirch Intermedia).
BVM inbrief August 2013 63
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Persönlichkeitsvariablen der Zuschauer korreliert, wie etwa
Einstellungen der Zuschauer, aber auch soziodemographische
Variablen, die Einfluss auf die TV-Nutzung haben. Die explizite Berücksichtigung sonstiger Werbekontakte stellt damit
sicher, dass solche Persönlichkeitsmerkmale nicht die eigentliche Analyse zum Zusammenhang von Werbekontakten und
Abverkauf stören.
Abbildung 3: Anteil der folgenden Kaufakte nach Stufe der Markenbindung
ke wird er zum Gelegenheitskäufer, beim nächsten zum Wiederholungskäufer und beim übernächsten zum Treuekäufer.
Kauft er weiter die Marke, bleibt der Haushalt auf dieser Stufe.
Bei jedem Kauf eines Konkurrenzproduktes steigt er um eine
Stufe herab, bis er wieder die Stufe Nichtkäufer erreicht hat.
Welchen Einfluss die Stufe der Markenbindung hat, zeigt ein
Beispiel aus dem Waschmittelbereich: Kaufakte, die auf der
Stufe Nichtkäufer stattfinden, führen in diesem Fall nur bei
4,9 Prozent aller nachfolgenden Kaufakte zum Kauf der Marke,
Kaufakte auf der Stufe Treuekäufer dagegen zu 80,4 Prozent
(Abbildung 3).
Durch die Berücksichtigung der Stufe der Markenbindung ist
gewährleistet, dass die Nähe zur Marke nicht fälschlicherweise als Werbewirkung interpretiert wird. Zugleich können
dadurch aber auch langfristige Werbeeffekte auf die Markentreue zuverlässig ermittelt und quantifiziert werden.
Im Datensatz wird jeder Kaufakt eines Haushalts im Zeitverlauf einer Stufe der Markenbindung zugeordnet. Zusätzlich
wird eine weitere Variable gebildet, die erfasst, ob in den letzten 12 Monaten die Marke gekauft wurde.
Gewichtung der Kontakte
Ein Werbekontakt unmittelbar vor einem Kaufakt hat eine
stärkere Wirkung als ein Kontakt, der bereits einige Wochen
oder sogar Monate zurückliegt. Daher gehen beim ROI Analyzer nicht alle Kontakte vor einem Kauf mit demselben Gewicht
in die Modellierung ein. Vielmehr erfolgt eine Abzinsung der
Kontakte, je nach zeitlichem Abstand zum Kaufakt.
Die Gewichte für die Kontakte mit der Werbung sind so gewählt, dass der Werbekontakt einen Tag vor dem Kauf mit seinem vollen Gewicht von 1 eingeht. Das Gewicht für i Tage vor
dem Kauf (i = 1,…., 180) berechnet sich durch
gew(i) =
1
α i –1
Der Wert α wird für jede einzelne Kampagne so bestimmt,
dass die Modellanpassung eines logistischen Regressionsmodells, bei der die Werbekontakte als unabhängige Variable
und der Kauf der Marke (ja / nein) als abhängige Variable dienen, maximiert wird.
Für die Kontakte mit sonstiger Werbung und mit der Konkurrenzwerbung wird für die Abzinsung ein mittleres a (Median)
aus den bisher analysierten Marken gewählt, das alle rund 50
Analysen aktualisiert wird. Kontakte mit der Dachmarkenwerbung werden mit demselben a abgezinst wie die Markenwerbung.
2. Stufen der Markenbindung
Eine zentrale Bedeutung im Modell haben die Treuestufen,
denn über diese werden langfristige Effekte der Werbung berücksichtigt.
Ein Haushalt, der die untersuchte Marke noch nicht gekauft
hat, wird als Nichtkäufer eingestuft. Beim ersten Kauf der Mar-
64 BVM inbrief August 2013
3. Marktanteil Key Account
Eine weitere Variable im Prognosemodell ist der Marktanteil
der Marke im Key Account. Hier wird der nationale Marktanteil
je Quartal für insgesamt 26 Key Accounts verwendet.
4. Anteil Kauf in Promotion
Auch Promotion wird für alle analysierten Marken berücksichtigt und fließt als Aktionsanteil in die Modellierung ein. Der
Aktionsanteil zeigt wochenweise, wie viel Prozent des Umsatzes der Marke in einer Preisaktion erzielt wurden.
5. Soziodemografische Variablen
Der ROI Analyzer bezieht auch soziodemografische Variablen
als unabhängige Variablen ein und nutzt dazu die Familienlebenswelten. Dabei handelt es sich um eine von Professor
Kleining (Universität Hamburg) entwickelte Segmentierung,
die den Lebenszyklus und die soziale Schicht eines Haushalts
gleichzeitig berücksichtigt. Die Einteilung in die soziale Schicht
erfolgt aufgrund des Berufs des/der Hauptverdieners/in des
Haushalts. Folgende Familienwelten werden unterschieden,
wobei die Zahlen angeben, welchen Anteil die Lebenswelten
jeweils an allen Haushalten haben.
Ein Werbekontakt unmittelbar vor einem
Kaufakt hat eine stärkere Wirkung als ein
Kontakt, der bereits einige Wochen oder
sogar Monate zurückliegt. Daher gehen beim
ROI Analyzer nicht alle Kontakte vor einem
Kauf mit demselben Gewicht in die Modellierung ein.
Modellierung der Werbewirkung im Analysejahr
Für jede Kampagne im ROI Analyzer wird für den Zeitraum des
jeweiligen Analysejahres (t0) mittels logistischer Regression
der Einfluss der Werbekontakte auf den Kauf der Marke bestimmt. Neben den Werbekontakten gehen hierbei auch alle
anderen unabhängigen Variablen ins Modell ein, die Einfluss
auf das Kaufverhalten im Haushalt nehmen können.
Die bisherigen Ergebnisse sind schon ein
starker Hinweis auf die tatsächliche Wirkungskraft des Fernsehens.
Aus dieser Regression resultiert jeweils pro Marke ein Vorhersage-Modell. Statistische Parameter geben Aufschluss darüber, wie gut die Regression gelungen ist (R2) und welches Gewicht den einzelnen Einflussfaktoren im Hinblick auf den Kauf
zukommt (Beta-Gewichte und Signifikanz der unabhängigen
Variablen – Abbildung 4).
Fortschreibung des Modells für die Folgejahre
Gleichzeitig ermöglicht das Modell, die Werbung des Analysejahrs (t0) auf Null zu setzen, das heißt, zu simulieren, was in
t0 passiert wäre, wenn es keine Werbung gegeben hätte. Im
Anschluss wird dann ebenfalls per Simulation die Entwicklung
der Folgejahre t1 bis t4 fortgeschrieben.
Die Prognose des Kaufverhaltens erfolgt in separaten Pfaden
für die beiden Werbedruckalternativen „mit vs. ohne TV-Werbung im Jahr t0”. Dabei wird pro Haushalt fortschreitend jeweils der nächste Kaufakt prognostiziert und auf Basis dieser
Vorhersage wiederum der nächste Kaufakt usw. Der einzige
Unterschied zwischen den beiden Analysepfaden besteht darin, dass bei den Vorhersagen in Pfad 1 die Werbung im Zeitraum t0 berücksichtigt wird, während die Vorhersagen in Pfad
2 unter der Prämisse „keine Werbekontakte” getroffen werden.
0,8, der Langfrist-ROI nach fünf Jahren dagegen bei 1,9 (Abbildung 6).
Dabei ist auch der jeweilige Produktbereich eine entscheidende Einflussgröße, denn je nach Warengruppe werden unterschiedlich hohe ROIs erzielt. Die bisherigen Ergebnisse sind
schon ein starker Hinweis auf die tatsächliche Wirkungskraft
des Fernsehens. Um noch verlässlichere generalisierende
Aussagen treffen zu können, wird der ROI Analyzer aktuell auf
eine breitere Datenbasis gestellt. Bis Mitte des Jahres werden
ca. 250 weitere Kampagnen analysiert, die neue spannende
Ergebnisse zur Langfristwirkung von TV-Werbung liefern werden. Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abbildung 4: Ermittlung des Einflusses der Werbekontakte
mittels logistischer Regression
Abbildung 5: Berechnung des Langfrist-ROI
Die Treuestufe des Haushalts wird dabei je nach Ergebnis
der Prognose angepasst und geht dann in die Prognose des
nächsten Einkaufs ein. Die Einkäufe des Haushaltes werden
auch für alle Folgejahre simuliert.
Im Ergebnis resultieren für beide Pfade unterschiedlich viele
Kaufakte für die Marke. In der Regel werden unter der Bedingung „mit Werbung” deutlich mehr Einkäufe für die Marke
prognostiziert. Die Differenz aus den beiden Pfaden ist eine
Größe, die die Käufe des Haushalts quantifiziert, die auf die
Werbung im Zeitraum t0 zurückzuführen sind.
Abbildung 6: ROI von 31 Testmarken
Der Langfrist-ROI für eine Kampagne errechnet sich aus dem
erzielten Zusatzumsatz t0 bis t4 im Verhältnis zu den TV-Investitionen in t0. Der Kurzfrist-ROI lässt sich analog abbilden,
indem man lediglich den Zusatzumsatz aus t0 verrechnet.
Soweit vorhanden, wird bei der Berechnung ein tagesaktueller
Durchschnittspreis verwendet, ansonsten der Durchschnittspreis (Abbildung 5).
Erste Ergebnisse
Die ersten ROI-Berechnungen auf Basis von 31 Kampagnen
zeigen schon jetzt, dass sich TV-Werbung langfristig auszahlt:
So liegt der Kurzfrist-ROI nach einem Jahr bei durchschnittlich
BVM inbrief August 2013 65
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Betroffene zu Beteiligten machen
Petra Fetzer und Dr. Steven Schuh zur Rolle der Marktforschung im Innovations- und Ideenmanagement des Unternehmens
Innovation ist nicht nur der „Motor für Märkte von morgen”, sondern notwendige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen. Denn Innovation bedeutet nichts anderes
als eine Anpassungsleistung des Unternehmens an eine sich wandelnde Umwelt, und gut angepasste Systeme sind erfolgreich. Innovation kann demnach auch nur durch Impulse von außen
entstehen. Der von den Autoren vorgestellte Ansatz zeigt das Potenzial der Marktforschung für
den Erfolg des Innovations- und Ideenmanagements.
Kein System, also weder Organismen noch Organisationen
sind in der Lage, sich aus sich heraus zu erneuern. Dazu sind
immer Umweltinformationen erforderlich, die von dem System aufgenommen, verarbeitet (= gelernt) und umgesetzt
werden. Im Falle von Unternehmen sind es die Mitarbeiter, die
dies durch eine mehr oder weniger effektive Zusammenarbeit
tun.
Ein schwieriger Mix aus Selbstverständnis, Fremdwahrnehmung und Positionierung
Hier kommt nun die Marktforschung ins Spiel. Sie hat die explizite Aufgabe, Informationen aus der Umwelt in die Unternehmen hineinzutragen, und ist daher einer der wichtigsten
Akteure im Unternehmen. Diese bedeutende Rolle, die die
Marktforschung im Innovations- und Ideenmanagement von
Unternehmen aufweist, wird ihr aber meist nicht (mehr) zugesprochen, und die Tragweite ihrer Bedeutung ist ihr häufig
nicht einmal selbst bewusst.
In vielen Fällen ist die mangelnde Relevanz
der Marktforschung und ihrer Leistungen ein
hausgemachtes Problem. Denn solange die
Marktforschung sich selbst als Lieferant „objektiver” Daten und Wahrheiten im Gegensatz
zu sogenannten subjektiven Interessen und
Intuitionen ihrer (internen) Kunden positioniert, wird sie auch weiterhin mit Akzeptanzschwierigkeiten zu kämpfen haben.
Im Gegenteil: Seit einiger Zeit kursiert eine hartnäckige Diskussion um die Relevanz und die Zukunftsfähigkeit der Marktforschung, nicht nur in den einschlägigen Fachmedien. Im aktuellen „marktforschung.dossier” beschäftigen sich verschiedene
Experten der Zunft mit der wegweisenden Frage „Marktforschung 2020: Besser, anders oder gar nicht mehr da?”. Auch
in einer Ausgabe der F.A.Z. vom 16. Januar 2012 „erhitzt die
Bedeutung von Marktforschung die Gemüter”. Darin beklagt
66 BVM inbrief August 2013
sich Thomas Strerath, Deutschland-Chef der Agentur Ogilvy
& Mather, dass die Marketingabteilungen die Gestaltung von
Werbekampagnen zu sehr an Marktforschungstests ausrichteten und dass man als Werbetreibender zunehmend den
Eindruck gewönne, man säße „in Besprechungen, in denen der
gesunde Menschenverstand ausgeschaltet ist”.
Die Ursache für die teils mangelnde Wertschätzung von
Marktforschung formulierte Stefan Althoff, Lufthansa Technik, in seinem Artikel im inbrief 04/2011 so: „(…) Ursachen sind
der Glaube, Betriebsmarktforscher seien eigentlich entbehrlich, und das wenig befriedigende Gefühl, dass häufig aus den
Studienergebnissen zu wenig gemacht wird.” Und er liefert
die Begründung dafür gleich nach: „Sie (die Betriebsmarktforscher) kämpfen häufig um ihre Position innerhalb der Betriebe
– egal, wo sie in Organigrammen zu finden sind.”
Seit Jahren hält sich hartnäckig das Vorurteil vom unkreativen Datensammler, der keine Ahnung vom Tagesgeschäft hat.
Dies mag darin begründet sein, dass in vielen Unternehmen
der Marktforschung aufgrund ihrer organisatorischen Anbindung in der Unternehmenshierarchie formal nur geringer
Einfluss ermöglicht wird. In vielen Fällen ist die mangelnde
Relevanz der Marktforschung und ihrer Leistungen aber ein
hausgemachtes Problem. Denn solange die Marktforschung
sich selbst als Lieferant „objektiver” Daten und Wahrheiten im
Gegensatz zu sogenannten subjektiven Interessen und Intuitionen ihrer (internen) Kunden positioniert, wird sie auch weiterhin mit Akzeptanzschwierigkeiten zu kämpfen haben. Dies
wird sich auch nicht dadurch ändern, dass der mangelnden
Relevanz von Marktforschungsergebnissen mit neuen Methoden und noch mehr Daten (Stichwort Big Data) begegnet
wird, solange diese Kundendaten über unternehmensinternes
Know-how und Intuition gestellt werden.
Unser Beitrag enttäuscht daher die Erwartung der Leser, die
glauben, hier eine bahnbrechende neue Methodik zu finden.
Wir verzichten bewusst darauf, uns in einer neuen Methodendiskussion zu verheddern, denn ein mehr desselben löst nicht
das Problem. Wir wollen vielmehr den Blick darauf lenken, um
was es eigentlich geht, nämlich die unbefriedigend verlaufen-
de Vermittlung von Marktinformationen und deren Integration in den betrieblichen Entscheidungsprozess. Zwischen Information und Umsetzung gibt es eine breite Lücke, die nicht
durch neue Methoden gefüllt werden kann, sondern nur durch
eine grundlegend neue prozessuale und strukturelle Verankerung der Marktforschung in den betrieblichen Entscheidungsprozessen – und eine andere Haltung des Marktforschers!
Die Notwendigkeit der Integration von Information, Entscheidung und Umsetzung
Innovationsmarktforschung heute vollzieht sich in der Regel
als einseitig lineare Vermittlung von Informationen aus dem
Marktumfeld in das Unternehmen hinein. In den Prozess sind
leider meist nur Produktmanagement und Marktforschung
involviert, oder es werden Einzelstudien in den F&E-Abteilungen durchgeführt. Andere Abteilungen, die in den nachfolgenden Prozessen von möglichen Innovationen betroffen sind,
wie etwa der Vertrieb, das Markenmanagement oder das Engineering, werden dagegen oft erst bei der Ergebnispräsentation einbezogen und dann ausschließlich mit den Resultaten
konfrontiert.
Umgekehrt ist auch die Marktforschung oft von den betrieblichen Entscheidungsprozessen abgekoppelt. Es werden keine
Prozesse direkter Interaktion angestoßen, in denen die Anforderungen der Kunden, Visionen von Experten, Ressourcen des
Unternehmens sowie der betroffenen Mitarbeiter abgeglichen
und gebündelt werden. In der Folge entstehen zwar gute Ide-
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Die Marktforschung ist oft von den betrieblichen Entscheidungsprozessen abgekoppelt.
Es werden keine Prozesse direkter Interaktion
angestoßen, in denen die Anforderungen der
Kunden, Visionen von Experten, Ressourcen
des Unternehmens sowie der betroffenen Mitarbeiter abgeglichen und gebündelt werden.
en, die aber letztendlich viel zu langsam, manchmal widerwillig und oft gar nicht von den übrigen betroffenen Abteilungen
mitgetragen werden.
Marktforschung sollte aber als ein wichtiger Bestandteil des
betrieblichen Innovations- und Ideenmanagements verstanden werden: weg „vom reinen Datensammler und Methodenhandwerker” und hin zum Moderator und Impulsgeber bei der
Umwandlung von Marktinformationen in neue Produkte und
Services. Dazu ist es notwendig, das jeweilige Forschungsanliegen in einen größeren Gesamtzusammenhang einzuordnen,
auch interne Perspektiven einzuholen, aus dieser Sicht die Ergebnisse zu bewerten und erst dann zu einer Empfehlung zu
kommen (absatzwirtschaft 01.07.1987!). Oder wie es Hendrik
Steckhan, Deutschlandchef Coca-Cola, einmal formuliert hat:
„Trauen Sie uns zu, dass wir kompetent sind, und bauen Sie
das mit in die Art ein, wie Sie mit uns arbeiten. Und vergessen
Petra Fetzer, M.A., Gründerin und Geschäftsführerin, hucon – human consulting, Heidelberg
studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Romanistik an den Universitäten Mainz und Heidelberg. Sie
absolvierte Ausbildungen unter anderem in systemischer Beratung und Therapie und hat sich auf die Umsetzung
des sogenannten „systemischen Paradigmas” in der Marktforschung spezialisiert.
Dr. Steven Schuh, Leiter der Marktforschung der MAN Truck & Bus AG, München
war bis 2011 im Marktforschungsteam für die internationale Kundenbindungsstudie des Unternehmens zuständig. Seit Herbst 2012 engagiert er sich außerdem als stellvertretender Leiter für die Regionalgruppe Bayern des
BVM. Schuh hat am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz promoviert.
BVM inbrief August 2013 67
Abbildung 1: Ideenphase
LEAD USER + Mitarbeiter
Fahrgastinnenraum
Revolutionierung des Layouts/Modularität
Knutsch-Kapseln
Fahrgäste können die Sitze ­
drehen und schieben
Mehr Küche weniger Schlafkabine
Surf- und Telefonierecke
Sitzabstände auf die Anzahl der
­Passagiere anpassbar
EXPERTEN + Mitarbeiter
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abgetrennte Bereiche im
Innenraum
Der eigentliche Prozess begann mit einer methodisch kon­
trollierten Klärung des Anliegens. Im Kreise der relevanten
internen Stakeholder (Marktforschung, Produktmanagement,
Engineering) wurde ein profundes gegenseitiges Verständnis
für explizite und implizite Ansichten und Hypothesen in Bezug
auf das Forschungsthema entwickelt.
Fahrgastraum etwas niedriger,
dafür Staufächer über dem
Radlauf etwas höher
Toiletten höher
Abbildung 2: Konzeptphase – Fahrgastinnenraum
LEAD USER + Mitarbeiter
Raumkonzepte
Lounge, Clubecke
Separee
Schlafbox
Multimedia-Box
Transportbox
Küche
Besprechungstisch
Konzepte für
Menschen mit eingeschränkter Mobilität
Luxusklasse und
Klassenfahrt mit
einem Fahrzeug
Bistrotisch
Darauf folgte ein intensiver zweitägiger Kreativworkshop. In
fünf Prozessschritten (Kritikphase, Ideenphase, Reduktion
und Konkretisierung, Konzeptphase, Feedback) wurden interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsteams im Verlauf wiederholt neu gemischt und motiviert, unterschiedliche Erfahrungen, Kenntnisse und Idealbilder immer wieder aufs Neue
miteinander zu vernetzen.
Die Teams setzten sich wie folgt zusammen:
Treppenlifter
Lastenaufzug
Dienstleistungskonzept:
Baukastenservice
von MAN
Servicezentrum
Sie nicht, dass wir am Ende des Tages Verantwortung tragen
für Verkaufs- und Gewinnzahlen” (inbrief 08/2011).
In die Praxis umgesetzt bedeutet dies, dass der Marktforschungsprozess bereits in den betroffenen Abteilungen des
Unternehmens starten muss. Idealerweise werden sämtliche
Abteilungen eingebunden und dann durch den Forschungsprozess geführt. Dort werden sie dazu angeleitet, inspirierende und gleichermaßen zielgerechte Diskurse zum Beispiel
mit Kunden, Anwendern und Experten zu führen. Das daraus
Erlernte fließt dann unverfälscht über den direkten FeedbackKanal der beteiligten Stakeholder wieder in die betroffenen
Abteilungen des Unternehmens zurück.
Ein Beispiel eines mehrstufigen vernetzten Ansatzes
Der von MAN und hucon – human consulting gemeinsam
entwickelte Ansatz ist ein Beispiel für eine derartige Herangehensweise. In einem mehrstufig aufgebauten Forschungsund Kreativprozess wurden durch die Vernetzung verschiedener Perspektiven nicht nur Ideen und Impulse, sondern
konkrete realitätsbezogene Innovationen für den Geschäftsbereich Reisebus-/Überlandbus der MAN Truck & Bus AG
generiert, die inhaltlich von allen Beteiligten in gleicher Weise
verstanden und mitgetragen wurden.
68 BVM inbrief August 2013
Gleichzeitig wurde durch den sozialen Aspekt, insbesondere
das gemeinsame Prozesserlebnis und die darin konsequent
praktizierte wertschätzende Haltung gegenüber allen Beiträgen, die Bereitschaft der Beteiligten gefördert, an einem
Strang zu ziehen und die Innovation innerhalb des Unternehmens zu vertreten.
Lead User Reise-/Überlandbus:
Besonders qualifizierte und motivierte Fahrer (Eigenschaften definiert nach Eric v. Hippel)
Experten analoger Bereiche:
Vertreter der renommiertesten Unternehmen bzw. Organisationen aus den Bereichen Luftfahrt, Automobilzulieferindustrie, Wissenschaft und Forschung (Human Machine
Interface)
Mitarbeiter der MAN Truck & Bus AG:
Vertrieb, Produktmanagement, Design, Engineering, Innovationsmanagement
Moderiert wurde der Prozess von externen und internen Moderatoren aus der Marktforschung, der Produktentwicklung
und der Organisationsentwicklung. In der ersten Phase des
Kreativworkshops, der Kritikphase, erarbeiteten zwei gemischte Teams, Lead User und Mitarbeiter auf der einen und
Experten und Mitarbeiter auf der anderen Seite, Probleme und
Bedürfnisse im Hinblick auf Fahrerarbeitsplatz und Fahrgast­
innenraum beim Reise-/Überlandbus.
In der Ideenphase wurden dann, unter Missachtung jeglichen
Machbarkeitsdenkens, Ideen zur Problemlösung gesammelt
und der jeweils anderen Gruppe vorgestellt, um einen vergleichbaren Wissensstand herzustellen. Eine unter zahlreichen Ideen war die Vorstellung, das Layout des Fahrgastinnenraums zu revolutionieren.
Das Prinzip, Betroffene zu Beteiligten zu machen und ihnen von Beginn an die Möglichkeit
zu geben, ihre Interessen und ihre Kompetenzen einzubringen, ermöglichte erst eine effiziente Erweiterung des Unternehmenswissens
und die schnelle Umsetzbarkeit in Produktinnovationen.
Mit Rückgriff auf ihr Fachwissen und die internen Rahmenbedingungen reduzierten die beteiligten Mitarbeiter der MAN
Truck & Bus AG zum Schluss die erfolgversprechendsten Ideen auf den wesentlichen Kern. In wiederum neu gemischten
Teams wurden diese dann zu zwei realitätsbezogenen Kernkonzepten ausgearbeitet.
Die Konzepte wurden detailliert verbal beschrieben und mit
der Unterstützung der Designer der MAN Bus & Truck AG visualisiert.
Nach der Präsentation der Konzepte im Plenum wurde unter
allen Teilnehmern ein Feedback zum Prozess und zu den Ideenhighlights eingeholt. Im Hinblick auf den Prozess würdigten
die Mitarbeiter der MAN Bus & Truck AG vor allem die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Gruppen. Dadurch
konnten viele neue Erfahrungen gesammelt, andere Perspektiven kennengelernt und das eigene Wissen grundlegend angereichert werden: „Man fischt weniger im Trüben”.
Es wurden viele schnell und unmittelbar umsetzbare Verbesserungsmöglichkeiten gefunden „wo man einfach bisher nicht
richtig hingeschaut hat”. Die Aufmerksamkeit für Nachholbedarfe wurde geschärft und konkrete Probleme auf den Tisch
gebracht, die schon längst hätten gelöst sein müssen.
Resümee: Betroffene zu Beteiligten zu machen, erhöht den
Lerneffekt
Das hier gezeigte Konzept der Modularität des Fahrgastinnenraums stellte, wie einige andere Teilkonzepte auch, eine
Abbildung 3: Konzeptphase – Fahrgastinnenraum
Anforderungen
Trennungssysteme
Wegklappbar
Flexibel
Ausbaubar
Zusammenfaltbar
Räume abteilen
können
Einfache
Handhabung
Schnell einsetzbar
Leicht verstaubar
Formstabil
Geräuschgedämmt
Konturgerecht
(Innenwand)
Abbildung 4: Konzeptphase – Fahrgastinnenraum
Trennungssysteme
Lösungsansätze
Aus allen gesammelten Ideen wurden in der Konkretisierungsphase die Ideen mit dem größten Problemlösungspotenzial ausgewählt und in neu gemischten Teams (Lead User/
Experten/Mitarbeiter) noch detaillierter ausgearbeitet. Unter anderem wurde auch der Vorschlag der Modularisierung
des Fahrgastraums selektiert und weiterentwickelt. Durch
Verlegung von Kreativphasen in bereitgestellte MAN/NEOPLAN-Reisebusse, gemeinsame Fahrten unter anderem auf
der MAN-Teststrecke sowie dem Besuch eines Airbus 340 im
Lufthansa-Wartungszentrum in München wurden alle Teilnehmer zusätzlich inspiriert und stimuliert.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Lösungskonzept
Befestigung
Rollos mit
Durchgang
Dicke/schall­
gedämte Rollos
Mit Magneten
befestigen
Flexible Haut
Trennungen aus
dem Ladenbau
Am Boden
eingehämngt
Druckluft­
anschluss
Mit Druckknöpfen
Wurfzelt
Aufblasbare
Zwischenwände,
die die Kontur
annehmen
Aufbewahrung
Einrollen in
eine Stange
Lamellenschrank
Verschiebbare
Trennwände
Im Boden
versenkbar
ganz neue Sichtweise auf das Gesamtprodukt dar. Es ist aus
heutiger Perspektive aufwändig zu realisieren, bietet aber Potenziale für zukünftige Innovationsfelder.
In der abschließenden Ergebnispräsentation wurden der Projektleiter und sein Team in Anwesenheit der übrigen ProjektStakeholder über die Ergebnisse informiert, um weitere Prozesse anzustoßen und zu ermöglichen.
Der direkte Kontakt der Mitarbeiter der MAN Truck & Bus AG
mit den Sichtweisen ihrer Kunden und der Experten hatte einen hohen Lerneffekt, denn Marktforschung wurde für alle
erlebbar und dadurch begreifbarer. Es wurde die Bereitschaft
erhöht, die Ergebnisse mitzutragen, und die Mitarbeiter fungierten zudem als Promotoren aller erarbeiteten Konzepte in
ihren Abteilungen.
Das Prinzip, Betroffene zu Beteiligten zu machen und ihnen
von Beginn an die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen und
ihre Kompetenzen einzubringen, ermöglichte erst eine effiziente Erweiterung des Unternehmenswissens und die schnelle
Umsetzbarkeit in Produktinnovationen. BVM inbrief August 2013 69
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Ideation und Fuzzy Front-End
Dr. Martin Neumann, KSPG Automotive Group, und Dr. Andreas Riel, Universität Grenoble und
ILI CONSULTING, zur Entwicklung einer strukturierten Ideengenerierung im Fuzzy Front-End
des Innovationsmanagements eines Tier-1-Automobilzulieferers
Jede Innovation basiert auf einer Idee, deren Entstehung die Initialzündung nachfolgender Innovationsaktivitäten darstellt. Die Generierung und Auswahl von Produktideen, kurz „Ideation”
genannt, geschieht in der Regel im sogenannten Fuzzy Front-End des Innovationsprozesses.
Diese Phase zeichnet sich jedoch durch eine hohe Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Abhängigkeit von individuellen Einzelleistungen aus. Trotz alledem sehen Unternehmen – vor allem in der
Automobilindustrie – genau in dieser Phase die Notwendigkeit, ihre Innovationsmanagement­
aktivitäten zu verbessern, um ihre Innovationskraft auch in Zukunft garantieren zu können. Die
von den Autoren identifizierten Erfolgsfaktoren für Ideation sollen helfen, firmenspezifische
Ideengenerierungsprozesse unter Berücksichtigung der jeweiligen Organisation und Innovationskultur ableiten zu können.
Unternehmen agieren heutzutage – mehr als je zuvor – in einem immer komplexer werdenden Umfeld gesättigter Märkte mit hohem Konkurrenzdruck und sich immer rascher ändernder Marktbedingungen. Unter solchen Voraussetzungen
entscheiden Innovationen maßgeblich über den Erfolg und
Misserfolg im Geschäftsleben. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die ihren Wettbewerbsvorteil durch technologischen Vorsprung erzielen. Die Automobilindustrie gehört zu
diesem technologiegetriebenen Sektor. Verstärkte Kundennachfrage nach Komfort, Sicherheit, Kraftstoffreduzierung etc.
sowie der steigende internationale Wettbewerb und Umweltstandards bzw. gesetzliche Vorschriften sind die wichtigsten
Treiber für Innovationen im Automobilbereich. Automobilhersteller (OEMs) sowie deren Zulieferer müssen offensiv mit
diesem zunehmenden Innovationsdruck umgehen.
Ideation in der Frühphase des FFE ist eine
äußerst schwierige Aufgabe für das Innovationsmanagement, da Entscheidungen
im Front-End nicht nur das Ergebnis des
Innovationsprozesses – namentlich die Innovationen – maßgeblich bestimmen, sondern
auch die hierfür anfallenden Kosten durch die
benötigte Zeit und die Ressourcen zur Durchführung des Prozesses.
Daher messen OEMs und Zulieferer Innovationsmanagementsystemen, die sich auf eine systematische Generierung
von Ideen für kommerziell erfolgversprechende Produkte,
Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle fokussieren, eine
immer größer werdende Bedeutung zu. Somit muss das In-
70 BVM inbrief August 2013
novationsmanagement eine gezielte Ideengenerierung und
Ideenauswahl in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellen,
um den Neuproduktentwicklungsprozess zu unterstützen.
Für diese zentrale Aufgabe des Innovationsmanagements soll
hier der Begriff „Ideation” verwendet werden.
Der deutsche Tier-1-Automobilzulieferer KSPG stand vor der
Herausforderung, das Thema Ideation systematisch voranzutreiben (Neumann, Riel und Brissaud 2011a) und die am Beginn des gesamten Innovationsprozesses stehende undeutliche Phase – im Englischen „Fuzzy Front-End” (FFE) genannt
– durch einen strukturierten Stage-Gate-Prozess (Cooper
2011) beschreiben zu können. Bei KSPG standen deshalb folgende Fragen im Raum (Neumann et al. 2012):
Wie strukturieren andere Unternehmen ihren Ideengenerierungsprozess?
Welche Best-Practice-Beispiele lassen sich ableiten?
Welche „lessons learned” sind bei der Entwicklung und
Umsetzung eines Ideengenerierungsprozesses zu beachten?
Welche Quellen eignen sich besonders bei der Generierung
von Ideen?
Welche Methoden nutzen Unternehmen für die Ideengenerierung?
Welche Schnittstellen und Verantwortlichkeiten sind erforderlich für die Ideengenerierung?
Das Fuzzy Front-End: Herausforderung an das moderne
Innovationsmanagement
In der Literatur wird der gesamte Innovationsprozess in drei
aufeinanderfolgende Phasen unterteilt: 1. in FFE, 2. in Neuproduktentwicklung (im Englischen „New Product Development” [NPD] genannt) und 3. in Kommerzialisierung (Koen et
al. 2002). Die Findung und Auswahl von Ideen findet vorrangig
in der frühen und oft unstrukturierten Phase des
FFE statt (Khurana und Rosenthal 1998).
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Abbildung 1: Aufbau der Forschungsmethode
Ideation in der Frühphase des FFE ist eine äußerst schwierige Aufgabe für das Innovationsmanagement, da Entscheidungen im Front-End
nicht nur das Ergebnis des Innovationsprozesses
– namentlich die Innovationen – maßgeblich bestimmen, sondern auch die hierfür anfallenden
Kosten durch die benötigte Zeit und die Ressourcen zur Durchführung des Prozesses. Ein
effektives Management in der frühen Phase des
Innovationsprozesses, d.h. die Qualität und die
Wirksamkeit der Methoden bei der Auswahl der
„richtigen” Ideen im FFE, beeinflusst nachweislich
den Erfolg der nachfolgenden Prozessphasen und
wurde in empirischen Studien belegt (Herstatt
und Verworn 2007). Trotz des breiten Konsenses
über die Bedeutung des FFE auf den gesamten
Innovationserfolg fehlt vielen Unternehmen ein
systematischer Ansatz, um diese ersten Impulse und/oder Chancen für ein neues Produkt oder
eine Dienstleistung in der Frühphase der Innovation zu managen (Khurana und Rosenthal 1998;
Herstatt und Verworn 2007).
Es existieren zwar verschiedene theoretische Modelle, die versuchen, dieses Dilemma zu lösen, doch diese Ansätze setzen
voraus, dass die Idee bereits existiert, und beschreiben nicht
genauer, wie diese Idee geboren wurde. Hier besteht klar eine
Lücke, die diese Forschungsarbeit schließen will. Die zentrale
Frage lautet: Ist es möglich, einen strukturierten Ansatz für
die frühe Phase des FFE zu finden, der Ideation fördert, ohne
jedoch die immanenten Merkmale der Ideengenerierung – namentlich Dynamik und Kreativität – außer Acht zu lassen?
Lernen aus Theorie und Praxis
Die formulierte Forschungsfrage sollte sowohl im Allgemeinen als auch mit Fokus auf die spezifischen Anforderungen
des Automobilzulieferers KSPG beantwortet werden. Dazu
wurde eine Methodik gewählt, die theoretische Grundlagen
mit Erfahrungen aus der Industrie verknüpft. Die wichtigsten
Schritte zur Findung eines Ideation-Prozesses sind in Abbildung 1 dargestellt.
Dr. Martin Neumann, Manager Innovation Services, KSPG Automotive Group, Neuss
Arbeitet innerhalb der zentralen Abteilung Forschung und Technologie des Automobilzulieferers und ist seit
vielen Jahren für KSPG und deren Tochtergesellschaft Pierburg in den Bereichen Marktforschung und Innovationsmanagement tätig. Berufsbegleitend promovierte Dr. Neumann am Grenoble INP und beschäftigte sich
während dieser Forschungsarbeit eingehend mit der Entwicklung eines „Ideation Process Model”. Er hat zudem
Berufserfahrung in den Bereichen Marketing, Consulting und Marktforschung und ist EU-zertifizierter Innovationsmanager.
Dr. Andreas Riel, Universität Grenoble und ILI CONSULTING
Riel hat zehn Jahre Berufserfahrung in Forschung und Entwicklung und Innovationsmanagement im Bereich Autotriebwerke. Er hat unter anderem VRL-KCIP, das europäische Exzellenz-Netzwerk für Innovative Produkt- und
Systementwicklung koordiniert und für die International EMIRAcle Forschungsorganisation gearbeitet und an der
Universität Grenoble zum Thema Produktentwicklung und Innovation habilitiert.
BVM inbrief August 2013 71
Fokus Best Paper 2013
INHALT
In einem ersten Schritt wurde eine umfangreiche Literaturrecherche zum derzeitigen Stand in den Forschungsdisziplinen
Innovationsmanagement, FFE und Neuproduktentwicklung
durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten, dass auch neueste
Studien nicht explizit einen klar definierten Ideation-Prozess
bei der Strukturierung des Innovationsprozesses berücksichtigen (Ernst 2002). Da eine allgemeingültige Prozessstruktur
schwer in den verschiedenen, individuellen Unternehmenskontexten gelingen dürfte, haben Khurana und Rosenthal
sogenannte Erfolgsfaktoren identifiziert, auf deren Basis eine
unternehmensspezifische Neuproduktentwicklung gestaltet
werden kann (Khurana und Rosenthal 1998). Doch auch bei
diesen Ergebnissen der Erfolgsfaktorenforschung stand Ideation nicht im wissenschaftlichen Fokus.
Umsetzung von Ideation-Aktivitäten und die hierfür benötigte
Bereitstellung der Ressourcen garantieren kann.
2. Ideengenerierung braucht eine klare Fokussierung!
Die systematische Analyse der Gesamtsituation zur Identifikation von Handlungsfeldern steigert die Effektivität bei der
Ideengenerierung. Insbesondere die befragten Experten aus
der Automobilindustrie drängten darauf, dass nur mit Hilfe einer Innovationsstrategie, die auf einer umfassenden Analyse
der externen Marktbedingungen und internen Kompetenzen
beruht, für alle am Ideation-Prozess beteiligten Akteure ein
für den Erfolg des Prozesses wichtiges Ziel ausgerufen werden kann.
Deshalb wurden in einem zweiten Schritt Experteninterviews
durchgeführt, um die bisherigen Erkenntnisse aus der Theorie mit praktischen Best Practices zu validieren und sinnvoll
zu ergänzen. Da es nicht möglich ist, eine unternehmensspezifische Best Practice 1:1 in einer anderen Organisation zu
kopieren, wurde bei der Analyse darauf geachtet, universelle
Erfolgsfaktoren zu extrahieren. Insgesamt wurden Interviews
mit Experten aus den Bereichen F&E sowie Innovationsmanagement der nachfolgenden drei Gruppen von Unternehmen
durchgeführt:
3. Ideengenerierung findet in Netzwerken statt!
Eine gezielte Einbindung von internen und externen Akteuren
erhöht das Innovationspotenzial und hilft, „Me-Too-Innovationen” zu verhindern. Bei der Ideengenerierung müssen alle
Mitarbeiter des Unternehmens eingebunden werden. Der
Prozess darf nicht nur auf den Schultern einer kleinen Kerngruppe von Entwicklern ruhen. Unternehmen müssen sich
öffnen und bei der Ideengenerierung Netzwerke und externe
Partnerschaften nutzen, um das mögliche Innovationspotenzial voll auszuschöpfen. Oder wie einer der Interviewpartner
es treffend formulierte: „Kreativität entsteht aus vernetztem
Arbeiten!”
Auf Basis dieser Analyse konnten sechs universelle unternehmens- und branchenunabhängige Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche
Ideengenerierung und Ideenauswahl identifiziert werden. Diese sollen nachfolgend kurz
beschrieben werden.
4. Ideengenerierung verlangt nach Kreativität!
Die Förderung von Kreativität und deren Einbindung in die
Unternehmensprozesse steigern die Qualität und Quantität
der Ideen. Die Entwicklung von Ideen muss Bestandteil der
Unternehmenskultur und täglichen Arbeit sein. Dies zeigten
ganz klar die Best-Practice-Beispiele der untersuchten Innovationsführer.
vier weltweit operierende deutsche Automobilhersteller
drei weltweit agierende deutsche Automobilzulieferer
sechs weltweit anerkannte Non-Automotive-Innovationsführer
Auf Basis dieser Analyse konnten sechs universelle unternehmens- und branchenunabhängige Erfolgsfaktoren für eine
erfolgreiche Ideengenerierung und Ideenauswahl identifiziert
werden. Diese sollen nachfolgend kurz beschrieben werden.
Open Innovation bereichert Ideation
1. Ideengenerierung fängt beim Top-Management an!
Ein Aufruf und klares Bekenntnis zur Ideengenerierung seitens
des Top-Managements ist Grundvoraussetzung und muss für
alle Mitarbeiter sichtbar sein. Alle Interviewpartner waren sich
darin einig, dass nur das Top-Management-Commitment die
72 BVM inbrief August 2013
5. Ideengenerierung erfordert Unternehmertum!
Der Wettbewerb von Ideen und deren Vermarktung im Unternehmen fördern den Reifegrad und die Qualität der Ideen. Die
Ideengeber müssen zu ihren Ideen stehen und diese im Unternehmen vermarkten. Nur wer die besten Ideen liefern kann,
bekommt auch die Mittel, die es erlauben diese umzusetzen.
6. Ideengenerierung braucht organisatorische Orientierung!
Zielführende Entscheidungsprozesse mit transparenten Bewertungskriterien unterstützen die Kommunikation und Umsetzung von Ideen. Für die Interviewpartner – insbesondere
für die Gruppe der deutschen OEMs – ist eine nachvollziehbare
Entscheidungsfindung wichtig.
Alle hier angeführten Erfolgsfaktoren tragen dazu bei, die
Schaffung und Stärkung einer Organisationskultur in Richtung
Abbildung 2: Generischer Ideation-Prozess
Fokus Best Paper 2013
INHALT
spezifischer Formen von Organisation,
Kultur, Führungsstil, Prozessen und operativen Arbeitsmethoden. Dieser IdeationProzess konnte nahtlos in die bestehende
Prozesslandschaft eingebunden werden.
Durch diese Vorgehensweise konnten –
abschließend gesagt – dem deutschen
Tier-1-Automobilzulieferer KSPG Handlungsfelder im Bereich Ideation aufgezeigt
und daran anknüpfend ein praktischer
Mehrwert durch die Einführung eines
KSPG-spezifischen
Ideation-Prozesses
geschaffen werden. Open Innovation, also der verstärkten Einbindung von internen und externen Akteuren, anzustreben.
Zwischen den einzelnen Faktoren besteht eine klare logische
Abhängigkeit. Dies kann als Indikator für deren Eignung und
Konsistenz bewertet werden.
Unternehmensspezifische Merkmale einbeziehen
Mit Hilfe der Erfolgsfaktoren war es dann möglich, einen generischen Ideation-Stage-Gate-Prozess zu definieren, der die
wesentlichen Prozessschritte für eine strukturierte Generierung und Auswahl von Ideen abbildet (siehe Abbildung 2).
Diese Verallgemeinerung soll helfen, eine Reproduktion des
Prozesses in unterschiedlichen Organisationen und Unternehmen möglich zu machen (Meboldt 2008).
Der Ideation-Prozess durchläuft die folgenden drei Prozess­
phasen: 1. Grundvoraussetzungen schaffen, 2. Ideen generieren und 3. Ideen auswählen (Neumann et al. 2012). Ein besonderes Hauptaugenmerk muss auf der ersten Phase liegen,
da die hier festgelegten Parameter das Fundament für den
späteren Erfolg des Prozessablaufes bilden. Die Ideengenerierungsphase folgt dem modernen Paradigma der Open Innovation und muss die Entwicklung von Ideen zu einem Maximum vorantreiben (Neumann, Riel und Brissaud 2011b). In
der letzten Phase – der Ideenauswahl – ist es wichtig, eine
Wettbewerbssituation zwischen den Ideen zu schaffen, um
hierdurch die Qualität der Ideen zu steigern. Die abschließende Bewertung der Ideen muss für alle Mitarbeiter im Unternehmen transparent ablaufen.
Das allgemeine Prozessmodell wurde dann als Vorlage für die
Formulierung eines auf KSPG zugeschnittenen Ideation-Prozesses verwendet, unter Berücksichtigung unternehmens-
Quellen
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Innovation. 4. Auflage, Basic Books, New York, NY.
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Innovationsphasen: Grundlagen – Methoden – Neue Ansätze, 2. Auflage,
Gabler, Wiesbaden.
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In: Winkler, D., O’Connor R., Messnarz R. (Hrsg.): Systems, Software and
Services Process Improvement – 19th European Conference, EuroSPI 2012,
Vienna, Austria, June 25-27, 2012, CCIS 301, Proceedings, Springer-Verlag,
Berlin Heidelberg, S. 229-240.
BVM inbrief August 2013 73
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Mediaplanung 3.0
Karin Immenroth, L’Équipe L’Oréal, sowie Catrin Klein und Andreas Neef, L’Oréal, zur Real-TimeBeobachtung, Steuerung, Optimierung und Prognose von Werbekampagnen durch LIVE-Monitoring
Werbung spielt bei FMCG-Produkten eine zentrale Rolle. In vielen Studien ist bewiesen worden,
dass Werbebotschaften dann am effektivsten sind, wenn sie unmittelbar vor einer anstehenden Kaufentscheidung empfangen werden (Recency Planning). Dies stellt die Mediaplanung
vor neue Herausforderungen und erfordert bei Agenturen ein Umdenken: der Abverkauf von
Produkten rückt als härtester Key Performance Indicator (KPI) stärker in den Fokus. Agenturen
müssen deswegen schneller auf Kampagnenentwicklungen reagieren können. Die Autoren stellen den gemeinsam entwickelten Ansatz des LIVE-Monitoring vor, der ihrer Ansicht nach diesen
Anforderungen bestmöglich Rechnung trägt.
Der im Folgenden dargestellte Ansatz des LIVE-Monitoring
ermöglicht dem Marketing des Werbetreibenden, laufende
Kampagnen wochenaktuell in Hinblick auf Absatzentwicklungen zu bewerten und zeitnah mit Werbung auf etwaige negative Entwicklungen zu reagieren. Dafür haben L’Oréal und
L’Équipe L’Oréal ein mehrstufiges Forschungskonzept entwickelt, das mittels eines „Early Indicators” ein frühzeitiges Eingreifen auf Seiten der Mediaagentur, aber auch auf Kundenseite beispielsweise mit Promotions etc. ermöglicht. Zentraler
KPI des Ansatzes ist die Entwicklung der härtesten Währung
des Werbetreibenden: die Sales des Produkts am Point of Sales (POS).
Zentraler KPI des Ansatzes ist die Entwicklung der härtesten Währung des Werbetreibenden: die Sales des Produkts am POS.
Verschiedene Faktoren beeinflussen den Absatz einer
Marke
Das LIVE-Monitoring trägt den aktuellen Prozessen in der
Mediaplanung Rechnung und ermöglicht es wegen seines
mehrstufigen Ansatzes, ein umfassendes Bild einer Kampagne aufzuzeigen. Eine rein deskriptive Analyse der Absätze
in Kombination mit den eingesetzten Media würde zu kurz
greifen. Denn neben der Werbung gibt es viele andere Faktoren, die den Absatz einer Marke beeinflussen können. Dies
können beispielsweise Preiseffekte, Promotion-Aktivitäten
der Marke oder aber auch Saison- oder Wettereffekte sein.
Multivariate Methoden wie Regressionsanalysen, die das Ursache-Wirkungs-Verhältnis untersuchen, können den Beitrag
durch Werbung realistisch bestimmen und von den anderen
Faktoren trennen.
74 BVM inbrief August 2013
Multivariate Methoden ermitteln den Absatzbeitrag von
Werbung
Ausgangspunkt im LIVE-Monitoring-Ansatz ist ein klassisches Sales-Modelling, das auf Basis der vorhandenen Daten
(Absatz, Werbedruck, Werbeausgaben, Preise, Saisonabhängigkeit, Wetter etc.) aufzeigt, wie eine Marke „funktioniert”
und welche Faktoren in welcher Stärke zum Absatz der Marke
beigetragen haben. Das Sales-Modelling wird rückwirkend für
drei Jahre aufgebaut, um über genügend Datenpunkte die Entwicklung der Marke detailliert aufzeigen zu können.
Diese Herangehensweise ist zunächst Basis und Grundlage
für das Verständnis der Marke sowie der beeinflussenden
Faktoren auf den Absatz der Marke. Aufgrund der verzögerten Verfügbarkeit von Daten zu Werbe-Spendings (circa ein
Monat Zeitverzug) eignet sich das klassische Sales-Modelling
nicht für ein zeitnahes und kurzfristiges Monitoring, da eine
schnelle Reaktion durch die Mediaplanung in Form von beispielsweise Veränderung des Sendermix oder Adaption des
Zeitzonenmix nicht gewährleistet werden kann.
Ein klassisches Sales-Modelling ist die Basis für das LIVEMonitoring
Vom klassischen Sales-Modelling zum LIVE-Monitoring: Auf
Basis wöchentlich erscheinender Absatzdaten eines Handelspartners kann der Kurzfristigkeit im Mediaplanungsprozess idealerweise Rechnung getragen werden. Mit dem entwickelten Monitoring-Modell adaptiert das Analyseteam die
aus dem klassischen Marketing-Mix-Modell generierten, auf
Nielsen-Basis gewonnenen Erkenntnisse auf Basis der wöchentlich aktuellen Handelspartner-Daten.
Mit den aktuellen Daten und dem Monitoring-Modell kann
während der laufenden Kampagne ein Modell-Absatz be-
rechnet werden: So ergibt sich die Benchmark für die aktuelle Kampagne beziehungsweise die Möglichkeit, zukünftige
Kampagnen zu simulieren und prognostizieren. Weicht der
tatsächliche Absatz während der laufenden Kampagne vom
Benchmark-Absatz ab, wird in Zukunft über einen „Early
Alert” zeitnah „gewarnt”. In diesem Fall ist die Mediaplanung
gefragt, die über diverse Stellschrauben wie Medienwahl, Zeitzonenmix, Sendermix etc. kurzfristig reagieren und gegensteuern kann.
Das LIVE-Monitoring gibt Hinweise, ob die Wirkung von Werbekampagnen nachlässt. Eine zeitnahe beziehungsweise sofortige Reaktion mit Media ermöglicht die Optimierung und
bestmögliche Aussteuerung der Kampagne im noch laufenden Kampagnenprozess.
Das LIVE-Monitoring ermöglicht eine Prognose zukünftiger
Kampagnen
Die Simulation und Prognose zukünftiger Kampagnen revolutioniert den Mediaplanungsprozess. Kampagnen-KPIs sowie
Sales-Entwicklungen lassen sich über das entwickelte LIVEMonitoring simulieren. Das LIVE-Monitoring verhindert somit
„böse Überraschungen” in Hinblick auf die Sales-Entwicklung
im Handel – zeitgleich wird kontinuierlich an einer Optimierung bzw. Steigerung der Sales-Entwicklung gearbeitet. Fazit:
Das LIVE-Monitoring gewährleistet für Werbetreibenden und
Agentur eine frühestmögliche, zeitnahe und aktuelle Identifikation nachlassender Absatzwirkung von Werbekampagnen.
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Produktinnovationen erfordern eine Adaption des Ansatzes
Innovationen und Produktlancierungen stellen Kunden und
Agenturen häufig vor neue Herausforderungen. Innovationen
sind für Werbungtreibende ein besonders wichtiger Treiber
und häufig Mittelpunkt der Kommunikation. Produktlancierungen rücken daher meist in den besonderen Fokus der
Unternehmensführung und werden vor allem beim Launch
im Handel besonders beobachtet und analysiert. Bekannt ist,
dass bei neuen Produkten Werbung vor allem in Hinblick auf
Bekanntheit und Absatz eine sehr wichtige, wenn nicht sogar
die zentralste Rolle spielt.
Um diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und um künftig auch valide Aussagen für Produktneueinführungen treffen
zu können, wurde für diese Kategorie ein weiterer speziell auf
Produkt-Lancierungen ausgerichteter Ansatz entwickelt. Dies
ist vor allem deswegen notwendig, da diese die Schwierigkeit
mit sich bringen, dass kein differenziertes, auf die Marke bezogenes Modelling aufgebaut werden kann, da zu wenig Datenpunkte vorhanden sind beziehungsweise auf keine rückwirkenden Daten zurückgegriffen werden kann.
Ein Launch-Modelling ermöglicht das Monitoring von Produktlancierungen
Das Launch-Modelling ist ein Modell, das auf der Basis von verschiedenen Innovationen oder Lancierungen aus einem definierten Produktbereich berechnet wird. Hier wird über mehrere
Innovationen beziehungsweise das Ausweichen in benachbar-
Karin Immenroth, Managing Partner/Head of Analytics&Insight, L’Equipe L‘Oréal – A GroupM Company,
­Düsseldorf
hat Kommunikationswissenschaften studiert und anschließend mehrere Jahre in Agenturen gearbeitet. Vor ihrer
jetzigen Tätigkeit war sie Leiterin der Marktforschungsabteilung bei einem großen deutschen Online-­Vermarkter.
Catrin Klein, Director Market & Consumer Insights, L’Oréal Deutschland, Düsseldorf
ist seit 1999 bei L’Oréal Deutschland in unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Marktforschung tätig und
leitet diese seit 2006. Vorher war sie bei der GfK in der Kommunikationsforschung.
Andreas Neef, Mediadirektor D/A/CH, L’Oréal, Düsseldorf
war zuvor als Bereichsleiter Media bei der Metro Group Advertising tätig. Davor hat er in verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet und Etats unter anderen von Coca-Cola und der Deutschen Telekom betreut.
BVM inbrief August 2013 75
Fokus Best Paper 2013
INHALT
te Produktkategorien oder die Betrachtung des Wettbewerbs
ein maximales Benchmarking über diverse Kampagnen sichergestellt. Über diesen Ansatz wird die generelle Funktionsweise
von Lancierungen aufgezeigt und das Launch-Modell fungiert
als solide Benchmark für zukünftige Innovationen oder Lancierungen im untersuchten Produktbereich.
Die Simulation und Prognose zukünftiger
Kampagnen revolutioniert den Media­
planungsprozess.
Des Weiteren kann die Modellformel des Launch-Modells als
Grundlage genutzt werden, um den Absatz von Lancierungen
zu benchmarken bzw. zu simulieren. Anhand des Launch-Modells wird der zu erwartende Absatz für das lancierte Produkt
in Form eines Benchmarks berechnet und mit dem Ist-Absatz
bei Produkt-Lancierungen verglichen. So kann zeitnah mit nur
einer Woche Zeitverzug bewertet werden, ob die Launch-Kampagne für dieses Produkt unter- oder überdurchschnittlich
abgeschnitten hat. Ein zeitnahes Gegensteuern/Reagieren im
Launch-Prozess wird somit analog dem klassischen MarkenLIVE-Monitoring über die Mediaplanung gewährleistet.
Ein tagesaktuelles Dashboard ermöglicht ein Live-Monitoring, das tatsächlich live ist
Die Darstellung und Visualisierung des LIVE-Monitorings
ist ein zentraler Faktor für die Nutzbarkeit auf Kunden- und
Agenturseite. Die Mediaplanung wird komplexer, die Datenströme werden täglich größer, es entstehen permanent neue
KPIs und Plattformen. Denn Unternehmen müssen nicht nur
ihren eigenen Markt genau beobachten, sondern auch den
des Wettbewerbs. Dies erfordert den Einsatz einer entwickelten Technologieplattform. Das LIVE-Monitoring wird in
einem täglich aktualisierten Dashboard, dem sogenannten
Marketing Intelligence Cockpit (MIC), dargestellt. So können
zum einen der „Early Alert” des LIVE-Monitorings, aber auch
die aktuellen Kampagnenentwicklungen wie beispielsweise
Media-Mix, Sendermix etc. ideal beobachtet werden. Sowohl
Kunde als auch Agentur greifen somit jederzeit auf die gleiche
Datenbasis zu.
Die Vorteile des MIC sind vielfältig. Zum einen wird die Geschwindigkeit der Datenverfügbarkeit deutlich erhöht. Außerdem liegen sämtliche Daten strukturiert und effizient nutzbar
sowohl für Kunde und Agentur in einer Plattform vor. Durch
Aggregation und Kombination verschiedener Datenströme
wird des Weiteren maximale Übersichtlichkeit geschaffen,
die zu einer effizienten Nutzung verschiedener Datenquellen beiträgt. Während bislang Daten häufig nur in das „Berichtswesen” eingehen, ermöglicht das MIC eine detaillierte
76 BVM inbrief August 2013
Datenanalyse. Dies bedeutet eine Revolution der Kampagnen-Reportings: die Zeit der Kampagnenreports nach Kampagnenende ist somit vorbei. Real-Time-Analyse lautet das
Stichwort der Zukunft.
Das LIVE-Monitoring zeigt „rot” – die Zukunft der Mediaplanung
Planungsalltag: Jeden Freitag um 9 Uhr morgens erhalten die
verantwortlichen Mediaplaner ein Monitoring-Update für ihre
Marken. Produkt Y steht auf „grün”. Kein Handlungsbedarf.
Produkt V steht auf „gelb”. Hier wird schon mal ein kurzer
Blick in die anderen KPIs geworfen. Noch ist keine Reaktion
notwendig. Klarer Handlungsbedarf jedoch bei einer anderen
Marke: Das Produkt Z steht auf „rot”. Es wird sofort reagiert.
Mittels des Dashboards MIC verschafft sich der Mediaplaner direkt ein Bild über den aktuellen Stand des Produkts. Er
schaut sich die Entwicklungen des Wettbewerbs an und erhält
einen detaillierten Eindruck von etwaigen Promotion-Aktivitäten. Außerdem schaut er sich die Entwicklung der Kampagne im Hinblick auf Media-Mix, Sendermix etc. an. Schnell wird
klar: es muss reagiert werden. 9.15 Uhr – Telefonat mit dem
zuständigen Produktmanager. Gemeinsam wirft man nochmals einen Blick in das MIC und bespricht die Entwicklungen
für das Produkt Z.
Real-Time-Analyse lautet das Stichwort der
Zukunft.
Sofort werden zentrale Stellschrauben besprochen: Kampagnenstopp, Veränderung der Kreation, Adaption des MediaMix oder beispielsweise eine besondere Promotion-Aktion
könnten mögliche Entscheidungen sein. Was zu tun ist, wird
schnell klar: Die Budgetverteilung in TV und Online wird verändert. Der TV-Share in den Nachmittagsschienen wird leicht
gesenkt – der Online-Bewegtbild-Share wird um acht Prozent
erhöht. Auf Basis der Simulationen im LIVE-Monitoring kann
so schnell abgeschätzt werden, ob sich der „rote” „Early Alert”
innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen in einen Positivtrend umkehrt.
LIVE-Monitoring: Mediaplanung der Zukunft
Die Entwicklung und Einführung des LIVE-Monitoring ist der
erste Schritt in eine neue Ära der Mediaplanung. Der wichtigste
KPI des Kunden – der Sales – wird in das Zentrum der Kampagnenbeurteilung gerückt. Schnellere Reaktionszeiten und ein
tiefergehendes Verständnis für die Entwicklung von Produkten
stellen eine Maximierung der Effizienz von Werbung sicher.
Das LIVE-Monitoring ist der zentrale gemeinsame Schritt von
Kunde und Mediaagentur in Richtung Zukunft.
Unser Leben – online und in Farbe
Mark Schiefelbein, Wakoopa, zur Motivation und den Unterschieden im Nutzungsverhalten von
Konsumenten bei Online-Aktivitäten und Kaufentscheidungen
Fokus Best Paper 2013
INHALT
In seinem Beitrag berichtet Mark Schiefelbein über die Ergebnisse eines Experiments, das
­sozio-psychologische Profile und umfangreiche Daten aus passiver Messung kombiniert,
um das Internetverhalten von Konsumenten zu beschreiben.
Ein gutes Jahrhundert vorher hatte Alfred Adler die Individualpsychologie begründet, deren Ziel es ist, das Verhalten des
Einzelnen in Abhängigkeit von der Gesellschaft und als Teil
sozialer Prozesse zu interpretieren.2) Unter anderem bietet
dieser individualpsychologische Ansatz einen sehr guten Ausgangspunkt für die Erforschung der Motivation bei Kaufentscheidungen von Konsumenten.
Ein gutes Jahrhundert vorher hatte Alfred
Adler die Individualpsychologie begründet,
deren Ziel es ist, das Verhalten des Einzelnen
in Abhängigkeit von der Gesellschaft und als
Teil sozialer Prozesse zu interpretieren.
Abbildung 1: Segmente des BSR-Modells
VITALITY
Psychological
/ Vertical axis
differentiates
an expansive,
open-minded personality from the
more defensive
way of thinking
(protective of
one‘s values,
image, traditions,
etc).
Expansive
HARMONY
Psychological
axis
CONTROL
Sociological axis
Protective
Social Adaptive
In dem Experiment, das hier vorgestellt wird, werden Elemente aus der Individualpsychologie Adlers mit sehr umfangreichen Daten aus passiven Messungen der Internetnutzung
von Teilnehmern eines Konsumentenpanels kombiniert.
Ausgangspunkt dafür ist das sogenannte BSR-Modell (Brand
Strategy Research) SmartAgent, Niederlande, das dazu dient,
Konsumenten anhand von sozio-psychologischen Merkmalen
zu segmentieren.3) Diese Segmente sind eine gute Grundlage
für die Erforschung der Motivation bei Kaufentscheidungen
von Konsumenten.
Die Teilnehmer der Studie werden gebeten, eine App zu installieren, die die passive Messung ihrer Internetnutzung
ermöglicht, und einen Fragebogen auszufüllen, der das BSRSegment ermittelt, dem sie angehören. Die Applikation zur
passiven Messung der Internetnutzung wurde von Wakoopa4)
entwickelt, die seit Jahren in Zusammenarbeit mit Marktforschungsinstituten die Internetnutzung in Konsumentenpanels passiv misst. Diese Messtechnologie ist sehr komplex
und erfasst das Onlineverhalten sowohl auf Desktop- und
Laptop-Computern wie auf Smartphones und Tablets. Unter
strikter Wahrung des Schutzes der Privatsphäre werden Besuche von Webseiten, Werbekontakte und die Nutzung von
Apps registriert. Diese Daten sind über ein Dashboard zugänglich.
Ego Assertive
Bereits 2008 plädierte die World Federation of Advertisers
(WFA) im Rahmen ihres „Blueprint for consumer-centric holistic measurement” für eine ganzheitliche, benutzerzentrierte
Messung von Internetdaten.1) In diesem Entwurf definiert die
WFA eine Zielsetzung sowie sehr konkrete Vorstellungen, wie
das digitale Nutzungsverhalten von Konsumenten vollständig
und präzise gemessen werden kann. Im Mittelpunkt dieser
Ausführungen steht die passive Messung bei gleichzeitigem
Schutz der Privatsphäre.
Sociological /
Horizontal axis
differentiates
personalities that
are ego-assertive
(separated from
the crowd) from
those that are
more socially
oriented (accepted
as part oft the
crowd).
SECURITY
1.BSR-Modell
Das BSR-Modell segmentiert Konsumenten in zwei Dimensionen: Die erste ist die soziologische Achse, die den Konsumenten in seiner Beziehung zu seiner sozialen Umgebung bewertet: egozentrisch oder gruppenorientiert. Die zweite ist die
psychologische Achse, die eine Typisierung in extravertierte
beziehungsweise introvertierte Menschen vornimmt. Die sich
daraus ergebenden vier Segmente werden der Einfachheit
halber farblich gekennzeichnet (Abbildung 1).
Mark Schiefelbein, Produktmanager, Wakoopa, Amsterdam
beschäftigt sich im Rahmen seiner Arbeit bei Wakoopa seit vielen Jahren mit der passiven Messung von Internetdaten. Er hat langjährige Erfahrungen als Produktmanager in einer Reihe von Internet- und Technologiefirmen.
BVM inbrief August 2013 77
Aus dieser Einteilung ergeben sich vier Segmente:
Das Segment der Vitalität (rot):
Die wichtigsten Beweggründe der Menschen, die zu diesem
Segment gehören, sind persönliches Wachstum, das Entdecken neuer Dinge und das Überschreiten von Grenzen. Typische Merkmale sind Aufgeschlossenheit, Selbstbewusstsein,
Abenteuerlust, Leidenschaft, Energie und Kreativität.
Das Segment der Kontrolle (blau):
Personen aus dieser Gruppe wollen Kontrolle über ihre Emotionen und Gefühle haben und sich geistig und materiell von
der Masse abgrenzen. Sie haben das Bedürfnis, als erfolgreich
angesehen werden. Typische Merkmale sind Individualität,
Ambition, Rationalität, Wettbewerb, Intelligenz und Karriere.
Das Segment der Harmonie (gelb):
Kontakt mit vielen, auch unbekannten Menschen ist ein
Hauptmotiv dieses Segments. Personen dieses Typs teilen
gerne ihr Leben, ihre Erfahrungen und Gefühle auf harmonische Weise mit anderen und werden mit Spontaneität, Enthusiasmus, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Fürsorge und
Optimismus assoziiert.
Das Segment der Sicherheit (grün):
Personen in diesem Feld wollen sich sicher und geschützt
fühlen und haben das Bedürfnis, zu einer bestimmten Kultur
oder Gruppe zu gehören. Typische Eigenschaften sind Ordnung, Disziplin, Routine, Normen, Stabilität und Struktur. Sie
können als ruhig, vorsichtig, konservativ und traditionell bezeichnet werden.
2. Passive Online-Messung
Alle am Experiment teilnehmenden Probanden werden gebeten, für einen Incentive einmalig eine Applikation zu installieren, die ihr Browse- und Suchverhalten im Internet und Verhalten gegenüber Online-Werbung aufzeichnet. Probanden
können diese App auf ihrem PC, ihrem Smartphone und ihrem
Tablet installieren.
Ein Proband, der sich entschließt, an der passiven OnlineMessung teilzunehmen, klickt auf einen Link und installiert
diese App. Vor der Installation wird der Teilnehmer explizit um
Zustimmung gefragt (opt-in). Die Installation ist einmalig, erfordert nicht mehr als einen Klick und dauert in der Regel maximal eine Minute. Nach erfolgreicher Installation beginnt das
Registrieren der Internetdaten des Probanden. Der Proband
hat über ein Symbol in der Systemleiste jederzeit Zugriff auf
die Applikation, um die Registrierung zu unterbrechen, auf bestimmte Webseiten zu beschränken oder komplett zu beenden. Er kann auch einsehen, welche Daten registriert werden.
Diese Technologie, mit der Online-Nutzungsdaten passiv
erfasst werden, kann sehr gut mit traditionellen Umfragewerkzeugen kombiniert werden. Gemessenes Verhalten ist
bei weitem präziser als behauptetes Verhalten und bietet im
Zusammenhang mit Befragungen über Beweggründe bisher
unbekannte Einblicke in das digitale Leben der Verbraucher.
78 BVM inbrief August 2013
Abbildung 2: Internetnutzung nach BSR-Segment
Overall internet usage (PC)
120%
attention span index
Fokus Best Paper 2013
INHALT
100%
80%
80%
100%
time on site index
120%
3. Website-Nutzung nach BSR-Segment
Webseiten werden oft anhand zweier Kernzahlen bewertet,
nämlich nach der mittleren Dauer und der Tiefe eines Besuchs.
Die Dauer wird in Sekunden gemessen, die Tiefe anhand der
Anzahl der angeklickten Seiten bei einem Besuch.
Die vier BSR-Segmente unterscheiden sich sehr deutlich in ihrer Internetnutzung (Abbildung 2). Wie die folgende Abbildung
zeigt, ist beispielsweise bei Personen, die dem grünen Sicherheitssegment angehören, die durchschnittliche Dauer eines
Besuches sehr hoch, dagegen die mittlere Tiefe sehr niedrig.
Das heißt: Sicherheitsorientierte Menschen nehmen sich also
viel Zeit für den Konsum einer relativ begrenzten Anzahl von
Informationsquellen.
Es lassen sich darüber hinaus Webseiten bewerten, indem
man die BSR-Profile der Webseite erstellt und mit deren allgemeiner Nutzung vergleicht.
Gemessenes Verhalten ist bei weitem präziser als behauptetes Verhalten und bietet
im Zusammenhang mit Befragungen über
Beweggründe bisher unbekannte Einblicke in
das digitale Leben der Verbraucher.
Das folgende Profil von Facebook zeigt zum Beispiel, dass die
Angehörigen des gelben Harmonie-Segments deutlich mehr
Zeit auf Facebook verbringen als auf einer durchschnittlichen Webseite (Abbildung 3). Das Mitteilungsbedürfnis dieser
Gruppe wird durch Facebook hervorragend befriedigt. Eine
zusätzliche Stärke von Facebook ist, dass es gelingt, auch die
Angehörigen des innovativeren roten Vitalitäts- und des blauen Kontroll-Segments zu binden. Diese Nutzergruppen haben
Facebook groß gemacht. Sie sind in der Regel die ersten Nutzer von neuen Diensten und auch die ersten, die diese Dienste
wieder verlassen, wenn sie für sie nicht mehr als interessant
und innovativ genug sind. Dieser Effekt ist bis jetzt bei Facebook noch nicht eingetreten.
Abbildung 3: Facebook-Nutzung nach BSR-Segment
Abbildung 5: Internetauftritt von Apple nach BSR-Segment
facebook.com
apple.com
search: apple
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
apple banner ads
attention span index
150%
100%
Unique visitor index
Unique visitor index
Fokus Best Paper 2013
INHALT
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
Unique visitor index
Abbildung 6: Internetauftritt von Volvo nach BSR-Segment
50%
50%
100%
time on site index
volvocars.com
search: volvo
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
volvo banner ads
150%
Abbildung 4: LinkedIn-Nutzung nach BSR-Segment
linkedin.com
Unique visitor index
attention span index
200%
-15 -10 -5 0 5 10 15 20%
Unique visitor index
Ein weniger optimales Bild ist beispielsweise bei der Marke
Volvo zu erkennen (Abbildung 6). Die Profile der verschiedenen
Internetbereiche sind stark fragmentiert. Zum Beispiel dominiert in der Suche die gelbe Harmoniegruppe, während Volvo
mit ihren Online-Kampagnen hauptsächlich das grüne Sicherheits- und das blaue Kontroll-Segment erreicht.
100%
0%
0%
Unique visitor index
100%
time on site index
150%
Ein noch deutlicheres Bild des Verhaltens der verschiedenen
Segmente zeigt sich bei der Nutzung des Business-Netzwerks
LinkedIn (Abbildung 4). Das Netzwerk ist mit seinem starken
Fokus auf das blaue Kontroll-Segment und dessen typische
Ausprägung von Ambition und Karriere außerordentlich erfolgreich. Die Angehörigen des Kontroll-Segments verbringen
fast doppelt so viel Zeit auf LinkedIn wie durchschnittlich auf
anderen Webseiten.
4. BSR-Profile von Marken
Der Messungsansatz mittels BSR-Profile lässt sich auch auf
den Internetauftritt von Marken ausweiten, und zwar in Bezug
auf deren Webseite, die Suchmaschinenoptimierung und die
Online-Werbekampagnen.
Ein Blick auf den Internetauftritt von Apple zeigt ein sehr positives Bild (Abbildung 5). Die BSR-Profile erweisen sich über
die verschiedenen Online-Kanäle hinweg als konsistent und
passen perfekt in die Ausrichtung der Marke. Apple erreicht
erfolgreich die durch Kreativität charakterisierten Angehörigen des roten Segments der Vitalität.
5. Kombination von passiver Messung und BSR-Segmenten im Online-Marketing
BSR-Profile und passive Messung sind ein sehr wertvolles
Werkzeug für das Online-Marketing. Denn BSR-Profile charakterisieren Zielgruppen besser als soziodemografische
Merkmale, weil sie stärker auf Motivationen und Beweggründe unter anderem von Kaufentscheidungen eingehen. Und
die passive Messung erlaubt extrem detaillierte Einsichten in
wirkliches Verhalten von Konsumenten.
Die Einsatzgebiete sind entsprechend breit gefächert. Beispiele dafür sind:
Marken, die ihren Onlineauftritt optimieren wollen
Produktentwicklungsabteilungen, die mit dem Lebenszyklus-Management von Produkten befasst sind
Mediaagenturen, die eine neue und effektive Methode für
die Medienplanung anwenden wollen
Verlage, die eine Optimierung von Inhalten, Werbung und
Lesern erzielen wollen
Anmerkungen und Quellenhinweise
1)Siehe http://www.wfablueprint.org/Blueprint_English_June_2008.pdf
2) Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Adler
3) Siehe http://www.smartagent.nl/
4) Siehe http://wakoopa.com/
BVM inbrief August 2013 79
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Bretter vorm Kopf
Konsumenten konsumieren. Marktforscher
forschen
Detlef Happel, Dialego, über Geht-Nicht-Paradigmen zum Thema Innovation und zur Frage,
wie es trotzdem funktioniert
Von Henry Ford stammt der berühmte Satz „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie
wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.” Ein deutliches Statement, dass vom Fußvolk keine
Ideenimpulse zu neuen Produkten zu erwarten sind. Die Grundannahme hier ist, dass Konsumenten quasi mit einem Brett vorm Kopf durch die Welt laufen und außerhalb ihrer Erfahrungswelt keine oder eine nur sehr begrenzte Vorstellungskraft besitzen. Dass sie also nicht selbst in
der Lage sind, ihr Leben zu verbessern, sondern angeleitet werden müssen von jemandem, der
ihnen den Weg zeigt (Abbildung 1).
„Seit Joseph Schumpeters Theorie der ökonomischen Entwicklung von 1934 gilt der Lehrsatz, dass Innovationen von
den Herstellern ausgehen. Schumpeter ging sogar davon aus,
dass die Produzenten gar Bedürfnisse beim Verbraucher erschaffen.” (Quelle: Technology Review 03.2011, Interview mit
Professor Eric von Hippel, MIT Sloan School of Management,
Cambridge MA, USA)
Konsumenten konsumieren, sonst noch was?
Diese Grundannahme hat in den Unternehmenskulturen eine
nachhaltige Wirkung hinterlassen: Innovationen können nur
von Experten entwickelt werden, von den R&D-Hohepriestern.
Diese Grundannahme ist von den Marktrealitäten längst
überholt.
Abbildung 1: Ein berühmtes Brett: Wer will denn die Beatles hören?
„Uns gefällt Ihr Sound nicht, und Gitarrenmusik ist ohnehin nicht gefragt.” Begründung von DECCA 1962, warum sie die Beatles nicht unter
Vertrag nehmen wollten.
80 BVM inbrief August 2013
Wieder von Hippel: „Die übliche Herangehensweise an Innovationen in einer Firma ist, erst einmal Marktforschung zu betreiben, eine Zielgruppe zu finden und dann die Entwicklung
im eigenen Hause anzuschieben. Das Problem daran ist, dass
Marktforscher oft verkennen, dass in den Erzählungen der
Verbraucher schon Lösungen enthalten sind.”
Das bestätigt auch eine globale Grand-Thornton-Studie, die
2009 zentrale Innovations-Treiber in Unternehmen untersucht hat: „Customers are the # 1 source of best innovation
ideas”, weit vor R&D-Abteilungen oder Innovation-Teams.
Hier ist ein klarer Wandel sichtbar, heraus aus dem ExpertenElfenbeinturm, hin zur Orientierung an echten VerbraucherBedürfnissen bei der Produktentwicklung. Die Frage ist nur,
wer kann das?
Marktforscher forschen, geht noch mehr?
Kann ein Marktforscher auch Impulse setzen, Welten eröffnen,
innovieren? Laut Aussage vieler Experten ein Paradoxon, liegt
die Kernkompetenz des Marktforschers doch eher im Zählen von Mehrheiten. Innovationen sind per se aber zunächst
einmal eher zarte Pflänzchen, scheue Seltenheiten. Wenn die
Kompetenz des Marktforschers derart begrenzt ist, stellt sich
die Frage: Wie kann ein Marktforscher überhaupt neue Ideen
finden bzw. beim Konsumenten finden oder fördern, wenn er
doch Kraft seines Amtes hauptsächlich bereits Existentes verifiziert – oder eben falsifiziert?
Albert Einstein wird eine erhellende Erkenntnis zugeschrieben:
„Insanity is doing the same thing over and over again expecting different results”. Auf unsere Branchenroutine bezogen
lässt sich feststellen: Der Marktforscher erhebt Bedürfnisse
beim Konsumenten und präsentiert diese dem Unternehmen.
Dort leiten „Experten” aus den Bedürfnissen Nutzen- oder
Wirkversprechen ab, die anschließend wieder vom Marktforscher auf Akzeptanz beim Verbraucher geprüft werden.
Dieses immer noch vielfach übliche Vorgehen kann nicht verhindern, das etwa 80 Prozent aller Produktneueinführungen
nach einem Jahr wieder aus den Supermarktregalen ver-
Fokus Best Paper 2013
INHALT
schwunden sind. Um bei Einstein zu bleiben: Warum sollte bei
diesem immer gleichen Vorgehen etwas wirklich Neues herauskommen?
Wie geht denn noch mehr?
Wie kann die Marktforschung wirklich neue Dinge (mit)entwickeln? Indem Menschen nicht nur als Herdentiere betrachtet
werden, sondern als reflektierte Menschen, deren kreativer
Geist geweckt werden kann. Indem sehr viele Menschen befragt werden: Denn viel hilft viel. Indem der Blick bewusst von
den Mehrheiten auf die Besonderheiten umgelenkt wird. Aber
was genau ist damit gemeint?
Wie kann die Marktforschung wirklich neue
Dinge (mit)entwickeln? Indem Menschen
nicht nur als Herdentiere betrachtet werden,
sondern als reflektierte Menschen, deren kreativer Geist geweckt werden kann.
Wir erweitern das Methodenspektrum der Marktforschung
gezielt um CrowdSourcing- und CoCreation-Ansätze. Hiermit
sind wir sehr nah bei sehr vielen Konsumenten, wir hören auf
ihre wertvollen Erfahrungen. Wir regen ihre Gedanken an und
animieren sie, in Richtungen auch außerhalb der untersuchten Kategorie zu denken. Wir nehmen ihnen hiermit bewusst
das passive Konsum-Brett vom Kopf und machen sie zu aktiven Mitgestaltern.
Um echte Innovationen zu entdecken, stellen wir das klassische Marktforschungsprinzip, also die Suche nach Mehrheiten,
bewusst auf den Kopf. Indikatoren für starke Innovationen
sind in Anlehnung an die Longtail-Theorie (Chris Anderson,
Wired Magazine 2004) eher die vielen kleinen Seltenheiten,
ungewohnte Einzelnennungen in großen Datenmengen. Und
nur diese werden für die Weiterentwicklung genutzt. Aus
den ungewöhnlicheren Ideenfunken – also den Seltenheiten
– werden im Weiteren Prozess-Benefits abgeleitet und Concept-Boards entwickelt.
Detlef Happel, Leiter der Abteilung Hello!Innovation, Dialego, Aachen
Der Diplom-Ingenieur für Werbewirtschaft und Werbetechnik hat in seiner Funktion als Strategischer Planer in
den letzten 20 Jahren konsumentenzentrierte Kommunikation für namhafte Kunden in großen Agentur-Networks
vorangetrieben. Seit 2012 arbeitet Happel in seiner jetzigen Position.
BVM inbrief August 2013 81
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Wie finden wir die Stecknadel im Heuhaufen, wie werden aus
dem riesigen Datenwust die spannenden Seltenheiten gefiltert? Mit einem semantischen Textalgorithmus, der laut Prof.
Frank Piller, Inhaber des Lehrstuhls Technologie- und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen und am MIT Cambridge zum Forschungsschwerpunkt Mass Customization tätig, einzigartig ist.
Was Menschen zugetraut werden kann, auch wenn sie
keine „Experten” sind.
Im Rahmen des CoCreation-Prozesses decken wir Consumer
Insights auf, lassen Konsumenten eigene Ideen entwickeln,
scheuen uns aber bewusst nicht davor, die Konsumenten auch
in die Entwicklung konkreter Benefits einzubinden. Insight ist
wichtig für das Zielgruppenverständnis, erst ein relevanter
Benefit schlägt die Brücke zum erfolgreichen Neuprodukt.
Wie Menschen angeregt werden mitzugestalten
Geht es darum, die wahren Bedürfnisse von Verbrauchern
kennenzulernen, laden wir Teilnehmer ein, in einem mehrtägigen Online-Forum ihre Gedanken zu einem bestimmten Produkt- oder Service-Angebot mit anderen Menschen auszutauschen. Hierbei gewinnen wir Tausende von interessanten
Abbildung 3: Ideengenerierung und Filterprozess an einem
Workshop-Tag
lemstellung auseinanderzusetzen und hierzu eigene Lösungen zu entwickeln. Hier erhalten wir viele Ideen, sozusagen
Rohdiamanten, die im Anschluss wieder gemeinsam mit Auftraggeber und Verbrauchern so lange geschliffen und poliert
werden, bis sie in Konzept-Boards münden.
Marktforscher können über Online-CoCreation-Methoden mit Konsumenten einen
wertvollen Beitrag zur Innovationsentwicklung leisten. Im kollaborativen Prozess lassen
sich Innovationskonzepte mit einem wesentlich höheren Durchsetzungspotenzial im
Markt entwickeln.
Ergänzend werden Diskussionen im Social Web analysiert.
Menschen, die sich im Netz austauschen, sind stark involviert
und diskutieren viel, Content-Analysen generieren aber oft
nur riesige unverdauliche Datenhaufen mit Häufigkeiten. Die
Erfahrung zeigt: Wer unspezifisch sucht, erhält unspezifische
Antworten, überraschende Erkenntnisse oder Ideen bleiben
Fehlanzeige. Wie lässt sich hier die Nadel
im Heuhaufen finden? Intelligente Keyword-Kombinationen sind der Schlüssel
zum Erfolg, sie wirken wie ein starker
Magnet und ziehen die interessantesten
Einträge aus Social-Media-Kanälen an.
Diesmal ist der „Experte” gefragt, denn
hier hat der semantisch begabte Marktforscher mit dem richtigen Werkzeug
sprichwörtlich den Schlüssel in der Hand!
Abbildung 4: Online Filter Dashboard
Wie CoCreation erfolgreich für ein
Innovationsprojekt im Bereich AutoMobilität genutzt wurde.
Die Untersuchung ging der tagtäglichen
Pein der von Dauerstaus, roten Ampelphasen und Baustellen geplagten deutschen Autofahrer auf den Grund (Abbildung 2). Zentrale Frage war hier, wie
kann mit Hilfe von innovativen Fahrzeugideen das Wohlgefühl beim Autofahren
wiederhergestellt werden? Das Wohlgefühl, das heutige Generationen nur noch
aus Heinz-Erhard-Film-Szenen der 50erJahre kennen.
Einträgen aus dem echten Leben der Menschen. Sehr viel Inhalt, der viele Insights beinhaltet, aber auch bereits Ideen, die
Konsumenten spontan zu einem bestimmten Thema äußern.
Beauftragt wurde das Forschungsprojekt
vom Deutschen Marketing-JuniorenVerband im Rahmen der Jahrestagung
2011. An dem multidisziplinären Projekt
beteiligt waren Konsumenten, Verbandsmitglieder, Kollegen
der Innovationswerkstatt eines Autoherstellers mit Stern und
Mitarbeiter des Instituts.
Produktspezifisch regen wir Teilnehmer mit DeBono-Kreativitätstechniken dazu an, sich aktiv mit einer konkreten Prob-
In einem Live-Workshop mit 15 Teilnehmern unterschiedlichster Disziplinen und einer simultan geschalteten Online-
82 BVM inbrief August 2013
CoCreation-Session mit 300 Menschen wurden innerhalb eines Tages Hunderte von „Ideenfunken” entwickelt. Ergänzt
um eine umfangreiche Social-Media-Analyse wurden Stimmen von Menschen gesichtet und gesammelt, die sich in
sozialen Netzwerken zum Thema Autofahrer-Missmut und
-Wohlfühlwünschen auseinandersetzen (Abbildung 3).
Die Online-CoCreation-Session wurde zweistufig angesetzt.
Zunächst wurde jeder einzelne Online-Beteiligte gebeten,
spontan und unabhängig von anderen Teilnehmern erste
Problemlösungen und Ideenansätze zu entwickeln, stimuliert
durch Kreativitätstechniken, die verstecke Potenziale offenlegen. Die Ansätze wurden anschließend selektiv von anderen
Teilnehmern online kommentiert und gemeinsam weiterentwickelt.
In einem ersten Filterprozess wurde die Spreu vom Weizen
getrennt. Die sehr umfangreichen Einträge aus der OnlineCoCreation-Session und aus den Social-Media-Quellen wurden mit Hilfe von automatischen semantischen Textanalysen
aufbereitet, kategorisiert und nach echtem Innovationspotenzial durchforstet. Aus der Online-CoCreation-Session wurden
40 Benefit-Statements abgeleitet, aus der Social-Media-Erhebung 18 Idea-Boards. Beide Quellen ergaben Impulse unter anderem zu Themen wie Raumgefühl, Lichtstimmungen,
Spracherkennung oder Farbharmonie.
Die Ergebnisse beider Quellen dienten den Marketing-Junioren im Workshop als Stimulus zur Live-CoCreation. Hier wurde
kreativ aufgedreht. Aufgeteilt in vier Gruppen wurden innerhalb kürzester Zeit 23 Konzepte entwickelt, u.a. „Fußklimapedale”, „Kindernavigationsstimme”, „Rückenmassagesitze”,
„Aromaluftfilterspender”, „Primafahrstil-Autosprachkomplimente” und weitere.
Die Konzepte wurden noch am Workshop-Tag in einem
Online-Filter ca. 250 Autofahrern zur kritischen Bewertung
vorgestellt. Mit Hilfe eines visuellen Heatmap-Instruments
konnten diese spontan und intuitiv Stärken und Schwächen
der Konzepte markieren und sie konnten kommentieren, was
sie zu den Konzepten denken und fühlen, was ihnen gefällt
und was nicht (Abbildung 4).
In die engere Auswahl kamen sechs Idea-Boards. Aus insgesamt 230 Ideenfunken zu Beginn des Prozesses ergaben sich
zwei Semi-Finalisten im Funktionskontext Windschutzscheibe (Abbildung 5).
Die Frostschutz- und Antibeschlagscheibe:
Da die Scheibe nicht mehr beschlägt, ermöglicht sie freie Sicht
bei jeder Wetterlage. Da das Eiskratzen entfällt, ist der Fahrer
nicht mehr den eisigen Temperaturen ausgesetzt und spart
obendrein noch Zeit.
Abbildung 5: Online Filter: Heatmap-Ergebnisse der
Konzept-Finalisten
Fokus Best Paper 2013
INHALT
Beide Konzepte wurden im Online-Filter weiter bewertet und
optimiert. Gewinner war die restlichtverstärkende Autofrontscheibe.
Dieses Fallbeispiel zeigt CoCreation mit dem Verbraucher im
Driver Seat von Anfang bis zum Ende. In nur einem Tag realisiert, ist das Workshop-Ergebnis ein wertvoller Impuls für
am Verbrauchernutzen orientierte Innovationen des Automobilherstellers.
Learnings:
Jeder Mensch ist kreativ, es kommt auf den Stimulus an.
Konsumenten co-kreieren längst selbst und müssen nicht
erst von Unternehmen dazu animiert werden. Nutzen wir
es.
Den Schlüssel hat der Marktforscher in der Hand: Kaum jemand ist näher am Verbraucher.
Auch der Marktforscher kann echte Ideen generieren. Indem er innovativ denkt und forscht. Und damit sein Brett
vorm Kopf verliert.
Bei der Ideenfindung gibt es keine richtige oder falsche
Methode. Die Ansicht, Konsumenten seien nicht kreativ, ist
spätestens seit „Mass Customization” ad absurdum geführt.
Resümee:
Marktforscher können über Online-CoCreation-Methoden
mit Konsumenten einen wertvollen Beitrag zur Innovationsentwicklung leisten. Im kollaborativen Prozess lassen sich
Innovationskonzepte mit einem wesentlich höheren Durchsetzungspotenzial im Markt entwickeln. Diese co-kreierten
Konzepte sind von Beginn an von denen mitentwickelt worden, die das spätere Käuferpotenzial darstellen.
Schlussbemerkung:
Wir alle können die Bretter vorm Kopf abreißen: Kunde, Marktforscher und Konsument. Die restlichtverstärkende Autofrontschreibe:
Sie hilft bei schlechten Sichtverhältnissen tags oder nachts.
Durch einen Verstärker wird die Fahrstrecke bei Dunkelheit
so hell wie bei Tag wahrgenommen. So kommt der Autofahrer sicherer und entspannter ans Ziel.
BVM inbrief August 2013 83
Verbandsarbeit
INHALT
10 Jahre Firmenmitgliedschaften
AachenMünchener Lebensversicherung AG
abs Marktforschung Stefan Ströhle
Bayer Animal Health
BOGESTRA Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG
BP Europe SE
Danone
GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung
Grohe Holding
Happy Thinking People
IMR Institute for Marketing Research
INDEX Gesellschaft für Kommunikationsforschung
INNOFACT AG
Lilly Deutschland
MANAGEMENT consult Dr. Eisele + Dr. Noll
Mediascore Gesellschaft für Medien- und Kommunikationsforschung
Reislöhner Marktforschung
Sparkasse Hannover
SPORTFIVE
Süddeutsche Zeitung
SV SparkassenVersicherung Holding AG
TransMarket Pharma Research & Consulting
VivaKi
84 BVM inbrief August 2013
INHALT
Herzlichen Dank an alle BVM-Angehörigen für ihre
langjährige Mitgliedschaft und Treue gegenüber
dem BVM Berufsverband Deutscher Markt- und
Sozialforscher e.V.
Verbandsarbeit
Jubilare 2013
20 Jahre
Wilhelm H. Ennemann
Dieter Franke
Kurt Galler
Werner Ott
Thomas Ansorge
Ralph Hartmann
Klaus-Dieter Knoll
Dr. Petra Knöß
Wilfriede Pirovsky
Gabriele Ritter
Theo Schuchardt
45 Jahre
10 Jahre
Volker Gehrke
Dr. Klaus Haupt
Klaus Kastin
Dr. Ulrich Lachmann
Michael Albers
Jörg Anderer
Carsten Bach
Simone Baecker-Neuchl
Eva Balzer
Jens Bartels
Yvonne Blunck
Kai Bruns
Wolfgang Bücherl
Martin Cyrus
Petra Fetzer
Uta Formeseyn
Holger Geißler
Michael Götzinger
Harald Hasselmann
Heidemarie Hendzlik
Jürgen Heno
Frank Olaf Homburg
Dagmar Junge
Wilhelm Kampik
Bettina Klumpe
Gudrun Kneißl
Tobias Köhler
Daniela Korf
Laura Lamieri
Sandra Leible
Frank Lüttschwager
50 Jahre
40 Jahre
Dr. Dieter Korczak
Totila Zapf
35 Jahre
Volker Coester
Ulrich C. Heckner
Ute Löffler
25 Jahre
Dr. Walter Bertl
Andreas Bruckert
Wolfgang Burkhardt M.A.
Frank H. Gehre
Prof. Dr. Werner Hagstotz
Siegfried Högl
Frank Jaenecke
Thomas Keller
Joachim Klöfers
Hans Joachim Lulay
Jutta Rietschel
Peter Wippermann
Thomas Margott
Eveline Mathe
Jürgen Meixner
Klaus Miller
Hans Mumme
Herbert Neumaier
Manfred Niesel
Edzard Nitzsche
Albert Pappenheimer
Heinrich Rademacher
Tobias Reislöhner
Claudia Rummel
Stefan Ruthenberg
Hartmut Scheffler
Anja Schneider
Damian Schnyder v.W.
Katja Schröder
Detlef Schröter
Andreas Schubert
Katja Schultheis
Oliver Sievers
Thomas Starsetzki
Wolfgang Stippler
Dr. Detlef Struck
Jörg Thiele
Katrin Thom
Beate Waibel-Flanz
Thomas Wiemers
BVM inbrief August 2013 85
INHALT
Verbandsarbeit
MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2013
Herausforderungen mit Offenheit, Kreativität und
Professionalität begegnen
Rund 80 Verbandsmitglieder informierten sich über die aktuelle Entwicklung des BVM auf
der diesjährigen Mitgliederversammlung am 21. April in Berlin. Traditionell fand die Mitgliederversammlung wieder am Vortag des Kongresses der Deutschen Marktforschung statt.
Nach der Ehrung langjähriger Mitglieder und Danksagung
an die Gremien, an den Verband unterstützende Kollegen,
Partnerverbände und die Kanzlei Prof. Schweizer stellte Vorstandsvorsitzender Dr. Frank Knapp zunächst den Geschäftsbericht 2012/2013 vor und berichtete über Verbandshighlights des vergangenen Jahres.
Bericht und Entlastung des Vorstands
Der BVM hat mit 1.500 Mitgliedern weiterhin eine starke Basis.
Besonders hervorzuheben ist, dass der BVM im Altersdurchschnitt ein relativ junger Verband ist, dem seine Mitglieder
trotzdem über lange Jahre die Treue halten. Mit der Einführung des Siegels „Marktforscher BVM“ Anfang dieses Jahres
haben nun auch persönliche, in der Berufsrolle eingetragene
Mitglieder die Möglichkeit, ihre Verbandszugehörigkeit optisch
zu unterstreichen.
Die Veranstaltungen des Jahres 2012 – Kongress, Symposium, Seminare, Fachtagungen, Regionalabende und
Fachgruppen – fanden mit rund 2.500 Teilnehmern großen
Zuspruch. Ein Erfolgsfaktor ist dabei, dass die thematische
Bandbreite der Veranstaltungsangebote stets an die Bedürfnisse der Mitglieder und an aktuelle Trends angepasst wird,
so Dr. Knapp.
Viele seit langem geplante Projekte konnten 2012 final umgesetzt werden. Hierzu gehört in erster Linie der vollständige
Relaunch der Website, mit dem eine größere Benutzerfreundlichkeit geschaffen und der Zugriff auf die Verbandsdienste
erheblich vereinfacht wurde. Damit konnten nun auch neue
Services wie die Jobbörse und der Open-BVM-Blog realisiert
werden. Nach und nach werden weitere Services für die Mitglieder dazukommen. Die Zugriffszahlen haben sich seit dem
Relaunch mehr als verdreifacht.
Zu den gemeinsamen Aktivitäten der Verbände gehört die Ini­
tiative Markt- und Sozialforschung. Nach der vom BVM angekündigten Beitragsreduzierung erfolgte eine Überprüfung
Der BVM-Vorstand: Dr. Frank Knapp, Vorsitzender, Dr. Ulrike Schöneberg, Michael Pusler, Ellen Didszus, BVM-Geschäftsführerin, Joerg
Ermert, Dr. Michael Bartl, Dr. Florian Bauer, Professor Dr. Raimund Wildner, Stellvertretender Vorsitzender, Dr. Sven Dierks, als Sprecher
des Regionalrats kooptiertes Mitglied des BVM-Vorstands
86 BVM inbrief August 2013
Verbandsarbeit
INHALT
Dr. Frank Knapp, BVM-Vorsitzender
des Gesamtkonzeptes durch den Vorstand der Initiative. Beschlossen wurden aktuell eine personelle Neubesetzung der
Geschäftsstelle und eine Überarbeitung der Kommunikationsstrategie. Der finanzielle Rahmen für 2013 wird bei einer Budgetobergrenze von 100.000 Euro liegen. Angesichts dessen
wird der BVM sein Engagement wieder erhöhen und zurückführen auf den ursprünglichen Beitragssatz von 10.000 Euro.
Martina Winicker und Sabine Menzel, Ex-Mitglieder des BVM-Vorstands
Jahres-Mitgliedsbeiträge für Persönliche Mitglieder in E
Mitglied
Vollmitglied
seit 2012
ab 2014
310*
333*)
Pensionär
80
unverändert
Erwerbslos
50
unverändert
Studierende
50
unverändert
*Mitarbeiter eines korporativen Mitglieds: beitragsfrei
Mit Blick auf die zukünftigen Aktivitäten des BVM führte Dr.
Knapp für den Vorstand aus, dass die Erschließung neuer Zielgruppen und das Aufgreifen neuer Trends und Strömungen im
Vordergrund stehen. Außerdem sollen z.B. durch die Planung
von Hochschultagen sowie gemeinsamen Branchenaktivitäten im Rahmen der Initiative Markt- und Sozialforschung und
beim Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung mehr
Praxistransfer erreicht und interne Prozesse bei inbrief und
BVM NET modernisiert werden.
Jahres-Mitgliedsbeiträge für Korporative Mitglieder in E
Zahl der Mitarbeiter
Erhöhung der Mitgliedsbeiträge beschlossen
Die Mitgliederversammlung entschied darüber hinaus über
die turnusmäßig fällige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge für
persönliche Mitglieder. Der Vorstand erläuterte, dass mit einer
Beitragsanpassung eine größere finanzielle Sicherheit für die
Zukunft des Verbandes geschaffen und der Verband zudem
in die Lage versetzt werde, wichtige Zukunftsinvestitionen anzustoßen und die gemeinsamen Branchenaktivitäten wie die
Initiative und den Rat unter den aktuellen Gegebenheiten adäquat zu unterstützen. Seinem Vorschlag, die Beiträge ab 1.
Januar 2014 für persönliche und korporative Mitglieder um
durchschnittlich 7% anzuheben, wurde von den Mitgliedern
mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Beiträge für Erwerbslose, Mitglieder im Ruhestand und Studierende bleiben unverändert.
Beitrag Euro
bis 5
0,5
695
6 bis 9
1,0
1.050
10 bis 14
1,5
1.750
15 bis 25
2,5
2.625
26 bis 49
5,0
4.175
50 bis 249
25
6.250
25 – 50
10.500
> 50
13.400
250 bis 499
Nach Antrag des Fachbeirats und auf Empfehlung der Rechnungsprüfer wird der Vorstand durch die Mitgliederversammlung einstimmig entlastet.
Umsatz Mio. Euro
500 und mehr
BVM-Gremien
Wahlausschuss neu gewählt
Turnusmäßig wurde auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Wahlausschuss neu gewählt. Aufgabe des Wahlausschusses ist die ordnungsgemäße Abwicklung der Wahlen
der verschiedenen Gremien des BVM. Die bisherigen Amtsinhaber Wolfgang Bücherl, Thomas Helmreich und Gabriele
Lehmann stellten sich wieder zur Wahl und wurden von der
Mitgliederversammlung einstimmig in ihrem Amt bestätigt. Das Protokoll der Mitgliederversammlung und der Geschäftsbericht 2012/2013 stehen den Mitgliedern im Mitgliederbereich unter www.bvm.org zum Download zur Verfügung. Ellen Didszus, BVM-Geschäftsführerin
Wolfgang Bücherl, Project Leader Non-Interventional Studies,
Winicker Norimed Medizinische Forschung, Thomas Helmreich,
Research Manager, GfK, Gabriele Lehmann, Manager Consumer
Research, Johnson Controls (v.l.n.r)
BVM inbrief August 2013 87
INHALT
Verbandsarbeit
NEU
Richtlinie für Studien im Gesundheitswesen
veröffentlicht
Die Verbände der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung in Deutschland haben gemeinsam die „Richtlinie für Studien im Gesundheitswesen zu Zwecken der
Markt- und Sozialforschung“ veröffentlicht. Sie ersetzt
mit ihrem Inkrafttreten am 1. Juni 2013 die „Richtlinie
für Befragungen von Ärzten“ aus dem Jahr 2007.
Die Richtlinie enthält verbindliche berufsständische Verhaltensregeln für alle Studien im Gesundheitswesen zu Zwecken
der Markt- und Sozialforschung unabhängig von der jeweiligen Zielgruppe sowie den eingesetzten Methoden und Techniken der Datenerhebung und Datenanalyse. Sie regelt, dass
Interviews möglichst außerhalb der Dienstzeiten und Diensträume der Teilnehmer der Studie durchzuführen sind.
Wenn die Teilnehmer diesbezüglich andere Wünsche äußern,
sind sie auf sich aus dem Dienstvertrag möglicherweise ergebende Pflichten hinzuweisen. Ein generelles gesetzliches
Erfordernis zum Einholen der sogenannten „Dienstherrengenehmigung“ gibt es aber nicht.
Die Mitwirkung der Forschungsinstitute an Berichten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei Studien zu Zwecken
der Markt- und Sozialforschung ist nur im Rahmen der berufsständischen Verhaltensregeln möglich. Insbesondere muss
dabei die Anonymität der Teilnehmer ausnahmslos gewahrt
werden.
Download der Richtlinie: www.rat-marktforschung.de oder
www.bvm.org/recht-berufskodizes
BVM
ADM
IT-Sicherheit in der Markt- und Sozialforschung
Gemeinschaftsveranstaltung von TeleTrusT und ADM im Oktober 2013
Mit zunehmender Digitalisierung und
weltweiter Vernetzung der Marktund Sozialforschung gewinnt die
Frage der IT-Sicherheit stark an Bedeutung. Die Möglichkeiten des Internets als Instrument der Forschung
können in ihrer ganzen Bandbreite
nur genutzt werden, wenn die Daten vor externen Zugriffen geschützt
sind. Dazu veranstalten TeleTrusT
und ADM am 16. Oktober in Berlin eine Veranstaltung
zum Thema „IT-Sicherheit in der Marktforschung“.
Das gilt für Cybercrime und die Sammelwut privater und staatlicher Stellen gleichermaßen. „Als wir unseren gemeinsamen
Informationstag geplant haben, konnten wir nicht ahnen, welche Aktualität die IT-Sicherheit durch die jüngsten Enthüllungen bekommen wird“, so Dr. Holger Mühlbauer, Geschäftsführer von TeleTrusT – Bundesverband IT-Sicherheit e.V.
88 BVM inbrief August 2013
Die Markt- und Sozialforschung in
Deutschland hat in vielen Jahren ein umfassendes System der Selbstregulierung
geschaffen, bei dem die Wahrung der Anonymität der Teilnehmer an Studien und
die Trennung von Forschung und anderen
Tätigkeiten an zentraler Stelle stehen. Die
forschungsmethodischen und berufsethischen Verhaltensregeln der Markt- und
Sozialforschung müssen jetzt durch konkrete Anforderungen an die Sicherheit der Informationstechnologie ergänzt werden. „Das ist eine zentrale Herausforderung
für die Selbstregulierung der Profession, der wir uns zeitnah
stellen müssen“, so Erich Wiegand, Geschäftsführer des ADM
Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute
e.V.
Weitere Informationen:
www.teletrust.de
ADM
BVM-Geschäftsbericht 2012/2013
Jahresbericht 2012
liegt vor
Herausforderungen mit Offenheit,
Kreativität und Professionalität
begegnen
Der ADM Arbeitskreis Deutscher
Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. hat seinen Jahresbericht 2012 vorgelegt. BVMMitglieder haben den Bericht
zusammen mit dieser Ausgabe
des BVM inbrief erhalten. Eine
Druckversion kann über die
ADM-Geschäftsstelle in Frankfurt am Main kostenfrei bezogen
werden. Weitere Informationen und Download des Berichts unter
www.adm-ev.de
Das Jahr 2012 war für den BVM
ein in dieser Hinsicht bewegtes und spannendes Jahr, in
dem viele der von langer Hand
geplanten Projekte erfolgreich
realisiert und erste Weichen für
den Start neuer Projekte gestellt
wurden. Über diese und über
die Entwicklung des Verbands
informiert der BVM seine Mitglieder in seinem Geschäftsbericht 2012/2013. Verbandsarbeit
INHALT
Download unter www.bvm.org/mein-bvm/
Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung
Eigenständige Beschwer- Personelle Änderungen
destelle eingerichtet
im Beschwerderat
Weil in den letzten Jahren Komplexität und
Formalisierungsgrad von Beschwerdeverfahren tendenziell zugenommen haben,
hat der Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung neben der Geschäftsstelle
eine eigenständige Beschwerdestelle eingerichtet, die den Prüfungsausschuss und
den Beschwerderat bei der Durchführung
von Verfahren organisatorisch und technisch unterstützen soll. Gleichzeitig wird
insbesondere zu Beginn des Beschwerdeprozesses hinsichtlich der Beschwerde
sowie am Ende des Beschwerdeprozesses (Beschluss)juristische Beratung eingeholt. Beschwerden sind ab sofort zu richten an:
Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung e.V., Beschwerdestelle
Kurt-Schumacher-Straße 16
53113 Bonn
Telefon: 0228 96690740
Fax: 0228 96690741
[email protected]
Wegen alters- bzw. berufsbedingter Veränderungen von gab es in beiden Kammern des Beschwerderats personelle
Neubesetzungen. Neu in den Beschwerderat gewählt wurden Kurt Behrens, Hamburg, und Florian Wenzel, Nürnberg. Sie
sind die Nachfolger der langjährigen Ratsmitglieder Dr. Werner Paul und Totila Zapf.
Den beiden Kammern des Beschwerderates gehören an:
Erste Kammer:
Dr. Anne Niedermann (Vors.)
Kurt Behrens
Professor Dr. Paul Hill
Dorothea Nowak
Zweite Kammer:
Dr. Almut Pflüger (Vors.)
Professor Dr. Jürgen Schupp
Roy Walsh
Florian Wenzel Weitere Informationen:
www.rat-marktforschung.de
BVM inbrief August 2013 89
INHALT
Verbandsarbeit
Fachbeirat
Wählen Sie Ihre Repräsentanten
Als Organ des BVM repräsentiert der Fachbeirat die Mitglieder des Verbandes. Er ist ausschließlich der Mitgliederversammlung verantwortlich und frei in der Wahl seiner Aufgaben und
Arbeitsweisen. Ihm gehören 15 Delegierte an, die ehrenamtlich tätig sind. Diese werden im
September/Oktober dieses Jahres für eine Amtszeit von vier Jahren neu gewählt.
Vom 14. September bis zum 4. Oktober 2013 werden die
15 Delegierten des Fachbeirats in schriftlicher und geheimer
Wahl gewählt. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre. Für die diesjährige Wahl haben sich 20 Personen als Kandidaten gemeldet,
die sich im Folgenden kurz persönlich vorstellen.
Wer kann wählen?
Wahlberechtigt sind alle persönlichen Mitglieder – das heißt
auch die persönlichen Mitglieder im Rahmen der korporativen
Mitgliedschaft. Jeder Wahlberechtigte verfügt über insgesamt
15 Stimmen, von denen er maximal 3 Stimmen für je einen
Kandidaten abgeben kann.
Welche Aufgaben hat der Fachbeirat?
Die Hauptaufgabe des Fachbeirates besteht darin, die Organe des Verbandes zu beraten und Empfehlungen auszusprechen. Er wirkt an der Erstellung und Umsetzung von Konzepten für die Arbeit des Verbandes mit. Mindestens zweimal im
Geschäftsjahr tritt er im Plenum zusammen.
In der vergangenen Amtsperiode beschäftigte sich der Fachbeirat neben seinen in der Satzung festgeschriebenen Aufgaben mit weiteren Feldern, die die Fachbeiratsmitglieder selbst
erarbeiteten und entwickelten. Dies waren unter anderem:
Erarbeitung von Struktur und Inhalt des Aus- und Weiterbildungsangebotes des BVM (Seminare, Fachtagungen)
Behandlung von Fragen und Aufgaben rund um den Verband bzw. die Mitgliedschaft, z.B. Entwicklung des Berufsbildes des Marktforschers, Leitbildentwicklung, Aufwertung
der Mitgliedschaft und Maßnahmen zur Mitgliedergewinnung
Aktive Neu- und Weiterentwicklung verschiedener Standesregeln und Qualitätsnormen in Zusammenarbeit mit
anderen Verbänden
Schaffung neuer Angebote speziell für betriebliche Marktforscher, um auch diese stärker in den Verband einzubinden
90 BVM inbrief August 2013
Die Termine zur Fachbeiratswahl
Wahlbeginn und Versand der Wahlunterlagen: 14. September
Letzter Wahltag: 4. Oktober
Bekanntgabe des Wahlergebnisses: ca. Mitte Oktober
Die meisten Themen werden in den vom Fachbeirat gebildeten Fachgremien behandelt. Dies waren in der vergangenen
Amtsperiode folgende Gremien:
Aus- und Weiterbildung
Mitglieder
Standesregeln/Qualität/Methoden
Betriebliche Marktforscher
Fachbeiratsdelegierte sind verpflichtet, über die allgemeinen
Tätigkeiten hinaus in mindestens einem der Fachgremien aktiv
mitzuarbeiten.
Bei allen diesen Aufgaben erwarten die Mitglieder und der
Vorstand des BVM von den Fachbeiratsmitgliedern konkrete,
direkt umsetzbare Arbeitsergebnisse.
Kontakt: Frank Lüttschwager
Vorsitzender BVM-Fachbeirat
[email protected]
Nutzen Sie Ihr Stimmrecht.
Wir freuen uns auf eine rege
­Beteiligung an der Wahl. Die
Unterlagen zur Wahl werden
allen Mitgliedern postalisch
zugeschickt.
INHALT
Fachbeiratswahl 2013:
Andreas Bruckert
Inhaber und Geschäftsführer
des MAFO-Instituts,
Schwalbach am Taunus
Seit 1987 beim MAFO-Institut. Zuvor als Marktforscher bei
Burke, Cincinnati, USA und ISL, Toronto, Canada, tätig.
Studium der Volkswirtschaftslehre in Heidelberg. Seit
1988 persönliches Mitglied im BVM, seit 2005 Mitglied im
BVM-Fachbeirat, seit 2005 stellvertretendes Mitglied im
Beschwerderat des Rates der Deutschen Markt- und Sozialforschung, Mitgliedschaft bei ESOMAR, ADM-Vertreter
des MAFO-Instituts.
Dr. Kai Bruns
Consultant, Global Market Research & Teamleader Germany
& Japan, LMR Diabetes bei Lilly
Deutschland, Bad Homburg
Von 1987 bis 1994 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit
verschiedenen Forschungsaufträgen und als Entwickler
der Datenbank “Waldbodeninformationssystem”, WaBIS,
für Hessen. Seit 1994 Tätigkeit bei Lilly Deutschland; seit
1997 in der Marktforschung. Tätigkeitsbereiche: Primärund Sekundär-Marktforschung, Indikationsgebiete mit
wechselnden Schwerpunkten.
Promotion an der Justus-Liebig-Universität Gießen und an
der Biologischen Anstalt Helgoland.
Seit 2003 persönliches Mitglied im BVM, seit 2005 Mitglied
im BVM-Fachbeirat.
Prof. Dr. Matthias Fank
Professor an der Fachhochschule Köln, Institut für
Informationswissenschaft
Prof. Matthias Fank lehrt ein großes Fächerspektrum der
Marktforschung im Masterstudiengang Markt- und Medienforschung an der FH Köln und leitet diesen Studiengang.
Er ist zudem Initiator und jetziger Leiter der Weiterbildung
zum Social Media Manager an der FH Köln.
Mitherausgeber der Zeitschrift Social Media Manager und
Gesellschafter des Social-Media-Monitoring-Unternehmens infospeed.
Seit 2011 persönliches Mitglied im BVM.
Verbandsarbeit
Die Kandidaten, die sich zur Wahl stellen
Stefan Gerhardt
Global Manager Corporate PR
bei der GfK, Nürnberg
Seit mehr als 17 Jahren Pressesprecher und Kommunikationsexperte für Marktforschungsunternehmen. Erste berufliche Station war das B-to-B-Marktforschungsunternehmen
Frost & Sullivan, darauf folgten A.C. Nielsen Deutschland
und phaydon | research+consulting. Seit 2009 bei der GfK.
Studium der Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität
in Bamberg.
Seit 2008 persönliches Mitglied im BVM.
Thomas Helmreich
Research Manager bei der GfK
Consumer Experiences Germany, Opinions & Perceptions,
Nürnberg
Seit 1992 bei der GfK.
Studium der Betriebswirtschaftslehre (FH) in Nürnberg.
Seit 1994 persönliches Mitglied im BVM, seit 1995 stellvertretender Regionalleiter der BVM-Regionalgruppe Bayern,
kommissarischer Leiter der BVM-Regionalgruppe Franken,
seit 1998 Regionalleiter der BVM-Regionalgruppe Franken,
seit 1997 Mitglied im BVM-Fachbeirat, seit 2001 Mitglied
im BVM-Wahlausschuss, seit 2006 Mitglied in der Satzungskommission des BVM.
Jürgen Hofrichter
Bereichsleiter Wahlforschung
bei Infratest dimap, Berlin
Zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität
Mannheim, danach mehrjährige leitende Tätigkeit am Zentrum für Europäische Umfrageanalysen und Studien und
bei MARPLAN in Offenbach. Seit 1997 bei Infratest dimap.
Verantwortet dort bundesweite und regionale Umfragen
sowie nationale und internationale Studien zu Wahl,- Sozial- und Politikforschung. An Wahlwochenenden verantwortlich für das infratest dimap TV-Studio-Team in Regionalprogrammen der ARD.
Studium der Soziologe, Politischen Wissenschaft und international vergleichenden Sozialforschung an der Universität Mannheim.
Seit 1995 persönliches Mitglied im BVM.
BVM inbrief August 2013 91
Verbandsarbeit
INHALT
Kerstin Klär
Geschäftsführerin/Gesellschafterin Q | Agentur für Forschung
GmbH, Mannheim
Von 1999 bis 2008 tätig als Senior Research & Consultant
bei Sinus Sociovision. 2008 gründete Kerstin Klär gemeinsam mit Oliver Tabino die Full-Service-Agentur Q | Agentur
für Forschung.
Seit 2002 Lehrtätigkeit als Dozentin für „Qualitative und
Psychologische Marktforschung“ an der Hochschule
Pforzheim und seit 2006 am BBDO-Lehrstuhl für Medienwissenschaften an der Zeppelin University in Friedrichshafen. Seit März 2010 Mitglied des Beirats der Fakultät für
Wirtschaft und Recht an der Hochschule Pforzheim.
Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt
Markt- und Kommunikationsforschung an der Hochschule
Pforzheim.
Seit 2005 persönliches Mitglied im BVM.
Christoph Knappik
Senior Projektleiter bei V
­ ocatus
Consulting AG & Co. KG,
­München
Seit 2007 bei Vocatus tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte
sind Preisoptimierung und -strategie, die Modellierung von
Entscheidungsprozessen und Implementierung komplexer
statistischer Verfahren. Davor war er bei Icon Added Value
in der qualitativen Forschung tätig.
Studium der Psychologie an der Universität Regensburg
und Aufbaustudium in Statistik an der LMU München..
Seit 2013 persönliches Mitglied im BVM.
Ilka Kuhagen
Gründerin und Inhaberin von
IKM – Ilka Kuhagen Marketingforschung. International Qualitative Marketing Research
llka Kuhagen gründete 1994 IKM, nachdem sie mehrere
Jahre in Deutschland als Unternehmensberaterin und Institutsmarktforscherin tätig war.
Studium der Betriebswirtschaftslehre (Schwerpunkt Marketing und Psychologie) an der LMU in München.
Ilka Kuhagen ist seit 1994 persönliches Mitglied im BVM,
seit 2009 Mitglied des BVM-Fachbeirats.
92 BVM inbrief August 2013
Holger Liljeberg, Dr. jur.
Geschäftsführender Gesellschafter des Meinungsforschungsinstituts INFO GmbH,
Berlin
Nach seiner Promotion auf dem Gebiet der sozialwissenschaftlichen Jugendforschung gründete er das Meinungsforschungsinstitut Info GmbH. Seit 2001 außerdem
Geschäftsführer des IFM Institut für Markt- und Medienforschung Berlin GmbH, seit 2007 auch geschäftsführender
Gesellschafter von LILJEBERG Research International in
Berlin und Antalya/Türkei sowie der ARGE TrafficResearch
International (INFO Research Group).
Seit 1992 persönliches Mitglied im BVM, von 1996 bis
2005 Mitglied im BVM-Bundesvorstand, zuletzt als Vorstandsvorsitzender. Seit 2009 Leitung der BVM ExpertenServiceLine.
Frank Lüttschwager
Geschäftsführender Gesellschafter von EARSandEYES,
Hamburg
Der gelernte Kommunikationselektroniker stieg 1995 während seines Studiums bei g/d/p Markt- und Meinungsumfragen in die Marktforschung ein. 1998 gründete er
zusammen mit zwei Partnern EARSandEYES – Institut
für Markt- und Trendforschung, seit 2002 fungiert er als
geschäftsführender Gesellschafter und leitet den Bereich
Marktforschung. Er ist seit 2003 persönliches BVM-Mitglied und seit 2009 aktiv im BVM-Fachbeirat tätig, zu dessen Vorsitzenden er 2012 gewählt wurde.
Dr. Jörg Maas
Leiter des Bildungsgangs
Fachangestelle(r) für Markt- und
Sozialforschung am JosephDuMont-Berufskolleg, Köln, und
Lehrbeauftragter an der Rheinischen Fachhochschule Köln
(RFH)
1995 bis 2006 leitende Tätigkeiten im Bereich qualitative
Forschung bei acos, München, psychonomics, Köln, und
der RSG Marketing Research, Düsseldorf, von 2006 bis
2009 Senior-Projekt-Manager und Leiter Unternehmensentwicklung bei phaydon I research+consulting. 2008 Beginn der Lehrtätigkeit am Joseph-DuMont-Berufskolleg in
Köln.
Seit 2005 persönliches Mitglied im BVM, seit 2009 Mitglied
im BVM-Fachbeirat, zuvor bereits 4 Jahre Mitarbeit als
Ersatzdelegierter in den Fachgremien Aus- und Weiterbildung und Mitglieder.
Sandra Meiers
Betriebliche Marktforscherin
Telekom Deutschland
Seit 2008 Marktforscherin im Konzern der Deutschen Telekom AG.
Davor Strategischer Planer auf Agenturseite, sowie Marktforscher auf Instituts- und Unternehmensseite.
Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität
des Saarlandes, Master-Studium Strategic Marketing an
der Henley Business School UK.
Seit 2011 persönliches Mitglied im BVM.
Dr. Thomas Rodenhausen
Vorstandssprecher und
Präsident bei Harris Interactive,
Hamburg
2000 Einstieg in die Institutsmarktforschung bei MediaTransfer Netresearch & Consulting, 2002 Berufung in den
Vorstand. Seit 2005 ist er Vorstandssprecher. 2007 koordinierte er die Übernahme durch Harris Interactive Inc.
Studium der Psychologie an der Technischen Universität
Berlin, Promotion in Psychologie an der Freien Universität
Berlin.
Seit 2002 persönliches Mitglied im BVM. Er gehört seit
2012 dem Fachbeirat an und hat seitdem mehrere BVMFachtagungen koordiniert und moderiert.
Klaus-Peter Schulze-Holz
Marktforscher BVM i.R.
1958 bis 1999 bei Infratest, München (und Folgegesellschaften) tätig, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung der
Infratest Sozialforschung.
Studium am Deutschen Institut für Film und Fernsehen,
München.
Seit 1967 persönliches Mitglied im BVM, Ehrenmitglied
seit 2009, 1977–1978 Mitglied des BVM-Vorstandes. Mitbegründer des BVM-Fachbeirates, seit 1981 Mitglied im
BVM-Fachbeirat; von 1981–1983 und von 1989 –1997
dessen Vorsitzender; seit 1979 Mitglied der BVM-Satzungskommission, seit 2000 Rechnungsprüfer beim BVM.
Jürgen Schunter
Senior Lead Projektmanager bei
Markt- und Sozialforschungsinstitut, Forschung und Beratung,
USUMA, Berlin
Verbandsarbeit
INHALT
Jürgen Schunter war 2002 bis 2004 zunächst als Projektleiter bei dem wirtschaftspsychologischen Beratungsunternehmen Intelligenz-System-Transfer in Potsdam tätig. Seit
2004 bei USUMA, er verantwortet von der Akquisition bis
zur Präsentation qualitative Markt- und Sozialforschungsprojekte.
Studium der Psychologie an der Freien Universität Berlin,
seit 2009 Promotion an der Leibniz Universität Hannover.
Seit 2012 persönliches Mitglied im BVM.
Dr. Detlef Struck
Inhaber der alegas ag, München
Mehrjährige Tätigkeit als Berater bei McKinsey und im zentralen Marketing von Siemens ICN, bei der Infratest Gruppe
in München als Bereichsleiter und in London als Managing
Director und Board Member, Geschäftsführer bei Simpson
Carpenter in München, zurzeit Inhaber der alegas ag.
Studium der Informatik und Wirtschaftswissenschaften an
der Universität Kaiserslautern, Promotion in Volkswirtschaft
an der E.N.S.T Paris.
Seit 2003 persönliches Mitglied im BVM, von 2005 bis
2009 Mitglied im Fachbeirat; Mitarbeit im Fachgremium
„Aus- und Weiterbildung“.
Bastian Verdel
Geschäftsführender Gesellschafter bei Blauw Research,
Nürnberg
Sein Einstieg in die Marktforschung begann 1998 als Senior-Projektleiter bei Psyma im Bereich qualitativer und auch
quantitativer Konsumforschung. 2003 bis 2005 wechselte
er zur Online-Forschung bei Psyma. 2006 gründete er zusammen mit Wout van der Wijk Blauw Research, wo er bis
heute tätig ist.
Studium der Betriebswirtschaftslehre (FH) in Nürnberg.
Seit 2002 persönliches Mitglied im BVM, seit 2006 persönliches Mitglied bei ESOMAR.
BVM inbrief August 2013 93
Verbandsarbeit
INHALT
Peter Wiegelmann
Geschäftsführer der Interrogare
GmbH
Peter Wiegelmann blickt auf langjährige Erfahrung in der
Marktforschung und im Management zurück. 1992 während seines Studiums Einstieg in die Marktforschung bei
TNS Infratest (damals Emnid). Er arbeitete dort zuletzt als
stellvertretender Abteilungsleiter. 1998 gründete er zusammen mit einem Partner Interrogare. Seit Beginn fungiert er
als geschäftsführender Gesellschafter und leitet den kaufmännischen Bereich des Marktforschungsinstitutes.
Studium der Biologie.
Seit 2013 persönliches Mitglied im BVM, Mitglied bei
DGOF, Initiative D21, Bikonet (Vorstand).
Martina Winicker, IFAK
Miteigentümerin und Geschäftsführerin des IFAK Instituts
GmbH & Co KG in Taunusstein
1987 Einstieg in die Marktforschung bei der GfK, zunächst
in die Fernsehforschung, später in die Medienforschung.
Seit 1994 Miteigentümerin und Geschäftsführerin des IFAK
Instituts. Sie hat langjährige Kompetenz im Bereich der Medien- und Sozialforschung.
Studium der Psychologie in Landau/Pfalz und Würzburg
Seit 1994 persönliches Mitglied im BVM und ESOMAR.
Von 2005 – 2011 Mitglied im BVM-Vorstand, dort zuständig
für das Ressort Weiterbildung. Seit Etablierung des Rats
der Deutschen Marktforschung Mitglied des Prüfungsausschusses.
AKQua
2013 finden zwei Plenumsveranstaltungen statt
Erste Plenumsveranstaltung am 14. September in Köln zum Thema „PR für Qualitative Marktund Sozialforschung
Wer die BVM-Fachgruppe AKQua kennt, der kennt
auch die Plenumsveranstaltungen, zu denen interessierte und aktive qualitative Forscher zweimal jährlich
zusammenkommen. Sie sind das Herzstück von AKQua. Sie bieten Raum für Networking und inhaltlichen
Austausch.
Das erste der diesjährigen Plenen mit dem Thema „Die
­Darstellung der Qualitativen Forschung in unterschiedlichen
Medien“ findet am 14. September statt.
In zwei Impulsvorträgen mit anschließender Diskussion werden wir diesmal aus unterschiedlichen Perspektiven zweier
erfahrener PR-Experten beispielhaft beleuchten:
1.W ie PR für qualitative Markt- und Sozialforschung aktuell
aussieht.
2. Was zur optimalen PR wichtig ist (Do’s and Don’ts).
Natürlich werden wir auch die BVM/AKQua-Vision für die Zukunft vorstellen und gemeinsam weiterentwickeln:
Überblick zum Status von BVM/AKQua 2013
Aspekte zum Umbau des BVM/AKQua-Hauses und der
Ziele für 2014
Aktuelle Kernthemen und Projekte (Medialer Auftritt / Ausund Weiterbildung)
Neue Kommunikationsplattformen für Interessierte und Aktive
Die Veranstaltung findet im rheingold salon statt, im ehemaligen Stollwerkhaus im Herzen von Köln. Noch zentraler wäre
94 BVM inbrief August 2013
nur der Dom. Die Atmosphäre der Räume soll bewusst Networking und kreativen Austausch fördern – also eine perfekte
Umgebung für engagierte, qualitative Forscher.
Wir sind sicher, dass Sie an diesem Tag spannende Impulse
für den eigenen Unternehmensauftritt mitnehmen können und
wir freuen uns auf zahlreiche Teilnehmer aus der qualitativen
Markt- und Sozialforschung.
Die Teilnahme am AKQua-Plenum ist unabhängig von einer
BVM- Mitgliedschaft möglich und kostenlos. Für Organisation,
Betreuung und Bewirtung fallen lediglich
20 Euro pro Person an, die vor Ort in bar bezahlt werden.
Aufbauend auf Plenum I/2013 wollen wir in Plenum II
das Thema „Qualitative Studien erfolgreich beim Kunden platzieren“ behandeln.
Im Fokus dieser Veranstaltungen stehen die Erwartungshaltungen von Unternehmensmarktforschung, Marketing,
Einkaufsabteilungen und Agenturen, wobei es bei der Angebotserstellung gilt, diese vielen Facetten optimal zu berücksichtigen. Der geplante Impulsvortrag wird darauf eingehen,
welche Hürden es dabei zu nehmen gilt, und auch erfahrenen
Forschern Ideen vermitteln, wie das (noch besser) zu bewältigen ist.
Die Anmeldung erfolgt über die BVM-Webseite
www.bvm.org. Anmeldschluss ist der 10. September
2013 INHALT
AKQua Planning-Team neu gewählt
Der Arbeitskreis Qualitative Markt- und Sozialforschung (AKQua) hat Anfang 2013 das neue
Planning-Team für die nächsten zwei Jahre gewählt.
Das AKQua Planning-Team trifft sich zwei- bis dreimal im Jahr,
um die Belange des AKQua zu diskutieren und erfolgreich
weiterzuentwickeln. Dabei werden Status quo und Next Steps
bereichsübergreifend besprochen und aufgeteilt. Natürlich
stehen die Mitglieder des Teams darüber hinaus regelmäßig
telefonisch und via Mail oder Forum in Kontakt miteinander.
Die Mitglieder des AKQua Planning-Teams
Astrid Meier, Geschäfts­
führende Gesellschafterin,
mindline Gruppe, Hamburg
Astrid Meier verantwortet seit 2002
die qualitative Forschung bei mindline. Mitglied in AKQua ist sie seit
2005, seit 2010 außerdem Mitglied im AKQua Planning-Team. Ihr
Schwerpunkt ist dort der Bereich
Kommunikation und Community mit
dem Ziel, den Austausch unter den AKQua-Aktiven und -Interessenten zu intensivieren.
„Die Weiterentwicklung und Verbreitung der qualitativen Verfahren und Ansätze ist für mich ein wichtiger Teil meiner Arbeit.
Dabei spielt die nationale und internationale Vernetzung der
qualitativen Forscher eine große Rolle, um so dem vielfältigen
gesellschaftlichen Wandel und der veränderten Medienlandschaft forscherisch zu begegnen. Für den AKQua wünsche
ich mir, dass wir gemeinsam eine lebendige Plattform zum
Austausch schaffen, die uns qualitative Forscher inspiriert und
der qualitativen Markt- und Sozialforschung Impulse gibt, die
den Kunden und Forschenden über alle Kanäle zugänglich
gemacht werden können. Ich freue mich auf den Austausch
und die Möglichkeit, mich für die AKQua-Veranstaltungen zu
engagieren, von interessanten Fachtagungen bis zu regionalen Stammtischen und der stärkeren Einbindung des OnlineAustausches“.
Christine Liebers, Senior
Consultant bei rheingold salon,
Köln
Christinie Liebers leitete von 2008
bis 2012 das Team „Depth Psychology“ bei Ipsos, Hamburg und hat
15 Jahre Erfahrung in der qualitativpsychologischen und quantitativen
Markt- und Medienforschung, unter
anderem bei rheingold und im Monheimer Institut. Seit acht Jahren ist
sie bei AKQua aktiv und dort für das Thema Aus- und Weiterbildung zuständig. Sie ist BVM-Referentin für „Morphologische Markt- und Medienwirkungsforschung‘“ und seit 2010
Verbandsarbeit
AKQua
gewähltes Mitglied des AKQua Planning-Teams, wo sie die
Tätigkeit der Projektgruppen koordiniert.
„Qualitative Markt- und Medienforschung ist der Schlüssel,
wenn es um ein tiefgreifendes Verständnis von menschlichem
Verhalten und Erleben geht. AKQua-Mitglied zu sein bedeutet
für mich, an der positiven Entwicklung dieses Forschungszweiges in Deutschland mitzuarbeiten. Darüber hinaus ist Networking mit anderen qualitativen Forschern sinnvoll, es schafft
Verständnis für die Gesamtsituation und die neusten Entwicklungen und macht einfach Spaß. Meine AKQua-Vision ist es,
den Kommunikationsraum für Qualitative Forscher zu erhalten
und AKQua zu dem Ansprechpartner für alle Aspekte der qualitativen Forschung zu machen.“
Andreas Möller, CEO der
AnswerS AG, Berlin
Andras Möller betrachtet sich als
Marktforscher aus genetischer Disposition, denn schon seine Eltern
waren und sind in der Marktforschung aktiv. Anfang der 80er Jahre
startete das Mafo-Leben, zunächst
als freier Mitarbeiter für die Studiengruppe Naether (Hamburg) und
später im väterlichen Institut TransMarket. Ende der 80er Jahre kam schnell der Fokus auf die qualitative Marktforschung
im pharmazeutischen Bereich. 1997 verließ er TransMarket
und gründete mit AnswerS sein eigenes Pharma-Marktforschungs-Institut. Seit 2013 ist er gewähltes Mitglied des AKQua Planning-Teams und zuständig für die interne Kommunikation mit dem BVM.
„Rekrutierer, Transkribierer, Teststudios, Analisten, Interviewer
und Moderatoren – sie alle leben von der qualitativen Marktforschung. Ich möchte über den BVM-AKQua mehr Miteinander
und Vernetzung erreichen und so die Position der qualitativen
Marktforschung weiter stärken. Ich wünsche mir, dass der Austausch deutlich wächst – von einem offenen und kollegialen
Austausch profitieren wir alle.“ Kontakt: AKQua Planning-Team:
Christine Liebers, Senior Consultant, rheingold salon
Kontakt: Tel. 0221 912 77761, E-mail: [email protected]
Astrid Meier, Geschäftsführerin, mindline
Kontakt: Tel. 040 790 907 02, E-mail: [email protected]
Andreas Möller, Vorstand, AnswerS Pharmaceutical Marketing
Research & Consulting
Kontakt: Tel. 030 200 045 23, E-mail: [email protected]
Weitere Informationen zu AKQua: ww.bvm.org
BVM inbrief August 2013 95
BVM-Regionalgruppen
INHALT
Regionalgruppe Berlin
Big-Data-Trend- und Marktforschung im Web 2.0
Dr. Benjamin Kettner und Martin B. Schultz, ixto, präsentierten eine Fallstudie
Das 21. Jahrhundert ist durch einen Überfluss an Informationen gekennzeichnet – die Menge an
Daten wächst rasant, Prognosen zufolge verdoppelt sich deren Volumen alle zwei Jahre. Die riesige Datenfülle, ihre Analyse und Auswertung haben den Begriff „Big Data“ geprägt.
Big Data ist ein aktuelles Trendthema der Marktforschung. Im
Fokus stehen hier vor allem jene Daten, die aus Quellen des
Web 2.0 stammen, wie zum Beispiel Beiträge aus sozialen
Netzwerken, Internet-Foren und Blog-Einträgen. In der Verwertung dieser Informationen wird großes Potenzial gesehen,
spiegeln sie doch in Echtzeit qualitative Aspekte, individuelle
Meinungen und Trends wider und können so einen besonderen Einblick in die Märkte bieten. Doch so vielversprechend
die Möglichkeiten von Big Data scheinen, ihre Auswertung
und Analyse stellt eine große Herausforderung dar.
Genau dieser Problematik widmeten sich die Referenten Dr.
Benjamin Kettner und Martin B. Schultz der ixto GmbH in ihrem Vortrag „Big-Data-Trend- und Marktforschung im Web
2.0“ auf dem Regionalabend im April in Berlin. Zusammen
mit einem großen Einzelhandelsunternehmen entwickelte die
ixto GmbH eine Strategie, mit der frei verfügbare Big Data aus
Martin B. Schultz und Dr. Benjamin Kettner, ixto GmbH
dem Internet im Rahmen einer herkömmlichen IT-Infrastruktur
analysiert werden und aus den gewonnen Daten Trends erkannt werden sollen. Diese Strategie und ihr Potenzial für die
Markforschung galt es vorzustellen. Der Anspruch der Referenten lautete: „Wir wollen hier eine Machbarkeitsstudie vorstellen und zeigen, was auch mit einfachen Mittel möglich ist.“
Denn: Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts sehen sich
viele Unternehmen nicht ausreichend mit Ressourcen für die
Nutzung von Big Data ausgestattet. So mangelt es beispiels-
96 BVM inbrief August 2013
weise an der personellen Expertise, dem notwendigen Budget
oder der technischen Infrastruktur.
Zur besseren Einordnung der Problematik widmete sich Mathematiker Kettner zunächst der Frage: Was ist eigentlich
Big Data und was macht ihre Analyse so schwierig? Er bediente sich hierbei der sogenannten 3 Vs, mit denen sich Big
Data folgendermaßen beschreiben lässt: Big Data zeichnen
sich dadurch aus, dass die anfallenden Daten mit hoher Geschwindigkeit (Velocity), in großen Mengen (Volume) und in
unterschiedlichen Formaten (Variety) anfallen. Daher lautet, so
Kettner, das oberste Gebot: „Wir müssen vorab entscheiden,
welche Daten für uns von Interesse sind.“ Nur so sei eine Auswertung und Analyse auch mit herkömmlichen Standardtools
möglich.
Big Data zeichnen sich dadurch aus, dass
die anfallenden Daten mit hoher Geschwindigkeit (Velocity), in großen Mengen (Volume) und in unterschiedlichen Formaten
(Variety) anfallen.
Wie dies in der Praxis aussieht, erklärte Kettner am konkreten
Projekt. Hierbei ging es um ein klassisches Unternehmen des
Einzelhandels – einen Getränkemarkt. Durch die Nutzung von
Big Data sollte der bisher an Erfahrungen orientierte Einkauf
systematisiert und auf eine verlässliche Datenbasis gestellt
werden. Die große Frage also für den Kunden: Wie erkennen wir Trends am Markt, um unser Produktangebot daran
zu orientieren? Im vorgestellten Beispiel wurde die Marktentwicklung eines koffeinhaltigen Erfrischungsgetränks anhand
von Google-Suchanfragen und „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook beobachtet. Das soziale Netzwerk bietet ein Werkzeug an, mit dem die tägliches „Likes“ einer Facebook-Seite
registriert werden können. Das Tool Google Trends ermöglicht
es, die aktuell beliebtesten Suchanfragen zahlenmäßig zu erfassen.
Auf Grundlage dieser beiden Datenquellen entwarf Kettner vier
unterschiedliche Szenarien und leitete daraus Empfehlungen
für den Getränkemarkt ab. Wenn beispielsweise die Zahl der
täglichen Facebook-„Likes“ steigt, gleichzeitig das Produkt
auch zunehmend bei Google gesucht wird, sei dies ein klarer Hinweis für den Getränkemarkt, den Einkauf des entspre-
Regionalgruppe Berlin
Meinungsforschung in Wahlkämpfen: USA und Deutschland im Vergleich
BVM-Regionalgruppen
INHALT
Alexander Mauß, Institut Mauss Research, zur
Rolle der Meinungsforschung in den USA und
Deutschland
chenden Produkts zu erhöhen. Die gegenteilige Empfehlung
sprach Kettner in einem anderen, von ihm beobachteten Fall
aus. Die täglichen Suchanfragen zum Getränk stiegen schlagartig an, die Zahlen der täglichen Facebook-„Likes“ wiederum
sanken. Zugleich zeigte auch ein Blick auf die „People talking
about“-Zahlen von Facebook, dass das Produkt ein großes
Thema in dem sozialen Netzwerk war.
Betrachtete man nun den entsprechenden Zeitraum, war die
Erklärung schnell gefunden. Der Getränkehersteller hatte ein
virales Video verbreitet, in dem ein Konkurrent bloßgestellt
und dessen Werbeclips ins Lächerliche gezogen wurden.
Dies stieß offenbar – so Kettner – nicht auf den Geschmack
der Kunden. Die aggressive Werbestrategie war gescheitert.
Sein Fazit daher: „Der Getränkemarkt sollte den Einkauf dieses Getränks verringern.“ Ergebnisse, inwieweit sich die an
den Getränkemarkt gegebenen Empfehlungen auch in den
Verkaufszahlen widerspiegeln, konnten die Referenten noch
nicht präsentieren. Das durchgeführte Pilotprojekt befindet
sich derzeit noch in der Auswertung und Weiterentwicklung.
Doch eines steht nach Aussage der Referenten bereits fest:
Das Web 2.0 bietet einen reichen Schatz an Daten für die
Trend-Forschung, und dieser lässt sich auch mit einer herkömmlichen IT-Infrastruktur heben.
In der anschließend regen Diskussion rückten jedoch auch
die Grenzen der vorgestellten Untersuchung in den Fokus.
Fragen nach der Repräsentativität und Aussagekraft der erhobenen Daten kamen auf. Die Analyse eigne sich nach Meinung der Teilnehmer nur für bestimmte Kundengruppen und
Marktsegmente. Zudem bleibe fraglich, welche Handlungen
und Kaufentscheidungen letztendlich aus einer „Gefällt mir“Angabe folgen. Trotz aller Bedenken waren sich die Zuhörer
aber über die Potenziale der Big-Data-Forschung einig. Auch
wenn solche Methoden nicht universell einsetzbar sind, können sie doch eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Marktforschung bieten. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt:
„Also ich finde das wirklich spannend.“ Heiko Gothe, Regionalleitung Berlin (c/o Infratest dimap),
und Laura Leißner, Infratest dimap
1) Fraunhofer-Institut für intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS (2013). Big Data – Vorsprung durch Wissen. Innovationspotenzialanalyse. Abgerufen am 29.05.2013 von
http://www.bigdata.fraunhofer.de/content/dam/bigdata/de/documents/FraunhoferIAIS_Big-Data-Analyse_Doku.pdf
Die Bundestagswahl naht, die Programme der
Parteien sind beschlossen und der Wahlkampf
ist in die heiße Phase gestartet. Die Meinungsforschung schafft Entscheidungsgrundlagen
für die strategische Ausrichtung einer Kampagne und die zielgerichtete Ansprache bestimmter Wählergruppen.
Besucher des Veranstaltung
Als Vorreiter gelten hier vor allem die US-Wahlkämpfe, die
auch den deutschen Wahlkämpfern immer wieder als Beispiel
dienen. Inwieweit sich einzelne Instrumente übertragen lassen und wo die zentralen Unterschiede liegen, wurde auf dem
Berliner Regionalabend im Juni diskutiert. Referent Alexander
Mauß, Institut Mauss Research, widmete sich in seinem Vortrag auf dem Regionalabend am 13. Juni 2013 der Rolle von
Meinungsforschung in US-Wahlkämpfen und stellte die dort
eingesetzten Methoden vor. Ausgehend davon analysierte er
die Differenzen zu den deutschen Wahlkämpfen und erörterte
die Entwicklungspotenziale hierzulande.
Ein zentraler struktureller Unterschied liegt in der Rolle, welche die Meinungsforscher im Wahlkampfteam einnehmen. In
den USA sind sie fester Bestandteil des Wahlkampfteams und
kontinuierlich als Berater tätig. Zudem stehen ihnen umfangreichere finanzielle Ressourcen zur Verfügung. US-Wahlkämpfer wenden laut Mauß rund fünf bis zehn Prozent ihres geBVM inbrief August 2013 97
BVM-Regionalgruppen
INHALT
samten Budgets für Meinungsforschung auf, in Deutschland
werden nur zwei bis drei Prozent in Forschung investiert – angesichts deutlich größerer Budgets in den USA ein immenser
Unterschied.
Auch hinsichtlich des Einsatzes und der Verwendung verschiedener Forschungsinstrumente verdeutlichte Mauß Unterschiede. So werden zwar in beiden Ländern sowohl qualitative als auch quantitative Methoden angewandt. Jedoch
Im Rahmen von quantitativen Erhebungen stehen vor allem
Stärken-und-Schwächen-Profile der Kandidaten sowie die
Wirkungen der vorgebrachten Argumente im Vordergrund.
Die Ergebnisse der Befragungen dienen als direkter Input für
die Entwicklung von Wahlkampfinstrumenten wie zum Beispiel
Fernsehspots oder Direct-Mailings. „Es geht hier um Sprache
und um Emotionen“, so Mauß.
Dieser Fokus wird auch bei einem weiteren Instrument deutlich
– der Real-Time-Response-Messung. Der Ansatz zielt darauf,
kontinuierlich Messdaten zur Wahrnehmung eines bestimmten Stimulus, wie einer Rede oder eines Videos, zu erhalten.
Zuschauer können mit Hilfe von Dreh- oder Schiebereglern
kontinuierlich ihr spontanes, intuitives Urteil zum präsentierten Material abgeben. In den USA bei Präsidentschafts- und
Senatorenwahlen bereits eingesetzt, findet es in deutschen
Wahlkämpfen noch keine Verwendung. Dies sollte sich nach
Mauß jedoch ändern. „Es ist ein tolles Instrument, um Stimmungen zu analysieren und sonst im Verborgenen liegende
emotionale Motive zu ergründen“, zeigte sich der Referent
begeistert.
Ein weiteres Verfahren der US-Wahlkämpfer ist das sogenannte Microtargeting. Hierbei werden „klassische“ Umfragedaten zusätzlichen mit personenbezogenen Informationen,
wie Parteipräferenz, Kreditwürdigkeit oder Konfession, angereichert. Diese Daten werden entweder selbst erhoben oder
vom kommerziellen Dienstleistern angekauft. Auf Grundlage
des Microtargeting-Verfahrens werden dann Prognosemodelle für das individuelle Wahlverhalten entwickelt, die den Kampagnenstrategen zur zielgenauen, themenspezifischen und
effektiven Wähleransprache dienen.
Networking zum Ausklang der Veranstaltung
ist der Stellenwert und inhaltliche Fokus dieser Instrumente
ein anderer. Während zum Beispiel Gruppendiskussionen
in den USA zum Standardrepertoire gehören, stehen sie in
Deutschland hinsichtlich ihrer Bedeutung immer noch hinter
den quantitativen Methoden. Diese qualitative Herangehensweise eignet sich laut Mauß jedoch besonders gut, um tieferliegende Einstellungen von potenziellen Wählergruppen an die
Oberfläche zu bringen.
Meinungsforscher legen den Teilnehmern einer Gruppendiskussion beispielsweise Konzeptpapiere oder Broschüren zur
Bewertung vor und nutzen ihre Reaktionen direkt zur Weiterentwicklung ihrer Programme und strategischen Ausrichtung.
98 BVM inbrief August 2013
In Deutschland sind solche Praktiken aufgrund der strengeren
Datenschutzbestimmungen in diesem Umfang nicht möglich.
Laut Mauß liegt jedoch hierzulande eine große Chance im
geografischen Targeting. Parteipotenziale werden dabei auf
Basis von vorherigen Wahlergebnissen und sozio-strukturellen
Merkmalen für kleinere Gebiete geschätzt. Eine selbst entwickelte Anwendung stellte Mauß am Beispiel von Häuserblocks
in Rostock vor. Die daraus entwickelten Modelle ermöglichen
die strategische Planung von Hausbesuchen, Postwurfsendungen und Plakatstellplätzen.
In seinem abschließenden Fazit und mit Blick auf die kommende Bundestagswahl vermutete Mauß, „dass das geografische
Targeting zukünftig eine größere Rolle spielen wird.“ Auch werden aus seiner Sicht Online-Forschung und Social-Media-Analyse zunehmen. Dennoch schlussfolgert Mauß: „Die Parteien
hierzulande schöpfen das Potenzial, das Meinungsforschung
für die Wahlkampfplanung bietet, nicht aus.“
Heiko Gothe, Regionalleitung Berlin (c/o infratest dimap),
Laura Leißner, infratest dimap
INHALT
Wichtiger Termin
49. Kongress der Deutschen
Marktforschung
19. und 20. Mai 2014 in Berlin
Impressum
Herausgeber:
BVM Berufsverband
­Deutscher Markt- und
Sozialforscher e.V.
Friedrichstraße 187
10117 Berlin
Tel.: 030-49 90 74 20
Fax: 030-49 90 74 21
[email protected]
www.bvm.org
V.i.S.d.P.:
BVM-Bundesvorstand
Lektorat
Dr. Gisela Hack-Molitor
Druck:
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Chefredaktion:
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Gestaltung:
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Design Büro, Fürth
Anzeigen in dieser
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­Koordination:
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Sabine Steig
Bildmaterial:
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Diverse Bildarchive
BVM inbrief August 2013 99
Handelsmarktforschung
Europaweit
Zustellqualität von Haushaltswerbung
Preiserfassung
Kundenbefragung
Einzugsgebietsmessung
Mystery Shopping
Wettbewerbsbeobachtung
closer to life
www.iwd-marketresearch.de/handelsbefragung.htm
IWD market research GmbH
Lorenzweg 42
39124 Magdeburg
Tel.: +49 (0) 391 7347053
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