Pflege gemeinsam - Basale Stimulation® in der Pflege
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Pflege gemeinsam - Basale Stimulation® in der Pflege
Die zentralen Ziele der Basalen Stimulation in der Pflege Es haben sich aus den Grundüberlegungen des Konzeptes der Basalen Stimulation heraus zentrale Ziele entwickelt, die die Person des kranken Menschen ganz in den Mittelpunkt stellen. Dabei kommt es ganz besonders darauf an, dass Patientinnen und Patienten nicht als Objekte der Pflege gesehen werden, sondern als eigenaktive Subjekte, die derzeit der Pflege bedürfen. Aus diesem Grund beschreiben die zentralen Ziele Aktivitäten aus dem Leben der Patienten, nicht pflegerische Aktivitäten aus dem Berufsleben der Pflegenden. Es ist ein Perspektivwechsel nötig, ein Wechsel der Standpunkte, es wird erforderlich, sich in die Situation der Patienten hineinzuversetzen und daraus Pflege gemeinsam zu entwickeln. Im Weiteren werden die zentralen Ziele aufgelistet und erläutert, wobei die Reihenfolge einen gewissen Aufbau berücksichtigt, der allerdings nicht immer streng einzuhalten ist. Eine schematische Anwendung würde gegen das Prinzip der Individualisierung verstoßen. Die zentralen Ziele • • • • • • • • • Leben erhalten und Entwicklung erfahren Das eigene Leben spüren Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen Den eigenen Rhythmus entwickeln Außenwelt erfahren Beziehung aufnehmen und Begegnung gestalten Sinn und Bedeutung geben Sein Leben gestalten Autonomie und Verantwortung Leben erhalten und Entwicklung erfahren Zunächst geht es einmal darum, das Leben des Patienten erhalten zu helfen. Medizinische Interventionen sind dazu oft notwendig, Pflege unterstützt den Patienten in der Akzeptanz dieser Maßnahme, begleitet ihn und gibt ihm individuelle Hilfen. Zu den Grundfunktionen des Lebenserhaltens gehören atmen, sich ernähren, bewegen. Das eigene Leben spüren Am Leben zu bleiben, das Leben zu erhalten, ist eines, dieses dann in irgendeiner Form wahrzunehmen ist der nächste wichtige Schritt: sich selbst spüren, seinen Körper in der Gegenwart wahrnehmen, ihn im Kontrast zur unbelebten, unmittelbaren Umwelt erleben: „Ich bin ein Individuum, bin für mich, stehe in Kontakt zu anderen und zu Dingen, bleibe aber dennoch eine Einheit“ Was kann ich als Pflegender tun, damit der Patient sich selbst wieder spüren kann? Wie kann ich ihn helfen, eine geeignete Position im Bett oder Stuhl zu finden, kann ich seine körperliche Wahrnehmung den Köper nachformende Berührungen und Waschungen, lasse ich ihn selbst seine Kleidung auswählen und gestalte ich selbst das An- und Ausziehen der Kleidung als Erlebnis. Praxistipp: Vor einer pflegerischen Maßnahme wird der Patient zunächst in angemessener Form angesprochen, sodann erfolgt eine ruhige, eindeutige Berührung am Körper im Bereich des oberen Rumpfes, jedoch nicht am Hals oder Sternum. Die Berührung wird eher stützend und tragend unterhalb der Schulter (Hand zwischen Schulter und Matratze) angeboten. Daraus kann Sich ein Ritual entwickeln, dass Sie für den Patienten vorhersehbar und berechenbar macht. Sicherheit und Vertrauen aufbauen Sicherheit erleben kann man nur dann, wenn bestimmte erkennbare, voneinander unterscheidbare Ereignisse immer wieder auftreten und man langsam erkennen kann, dass sie immer wieder, auch in Zukunft, auftreten werden. Sicherheit erlebt man nur dann, wenn man als Patient merkt, dass ein Stöhnen oder ein Schweißausbruch mit einer Aktivität einer Pflegeperson beantwortet werden. Und erst, wenn es gelingt, in den Patienten ein Gefühl von Sicherheit entstehen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Vertrauen zu den Pflegenden aufbauen, kann man hoffen, dass so etwas wie Kooperation entstehen kann. Wie muss ich mich als Pflegekraft verhalten, damit der Patient mir Vertrauen kann und sich sicher fühlen wird? Wenn ein Patient sein Umfeld nicht selbst beobachten und kontrollieren kann, so kann es vertrauensvoll wirken, wenn Sie – und Ihre KollegInnen – ihn immer gleich begrüßen. Dies kann ein Klopfen an der Tür sein, ein Ansprechen und schließlich auch einen Berührung. Nur wenn ein Patient mit Namen angesprochen wird und an einer bestimmten, deutlich wahrnehmbaren Stellen berührt wird, geschieht etwas mit ihm. Wir benutzen dafür den Begriff: INITILABERÜHRUNG Praxistipp: INITIALBERÜHRUNG Vor einer pflegerischen Maßnahme wird der Patient zunächst in angemessener form angesprochen, sodann erfolgt eine ruhige, eindeutige Berührung am Körper im Bereich des oberen Rumpfes, jedoch nicht über Hals oder Sternum. Die Berührung wird eher stützend und tragend unterhalb der Schulter (Hand zwischen Schulter und Matratze) angeboten. Diese Berührung verweilt einen Moment und geht dann in einen gleitenden Berührung der pflegenden Hand über, die sich von dieser INITIALBERÜHRUNG aus zu der Körperpartie hin bewegt, wo etwas getan werden muss. Die INITIALBERÜHRUNG KANN AUCH ALS Verabschiedungsberührung eingesetzt werden, wieder verweilt die Hand ruhig an der Schulter und erhöht noch einmal kurz den Druck, um sich dann zu entfernen. Diese INITIALBERÜHRUNGen können natürlich nachindividueller Situation auch an einer anderen Körperpartie stattfinden, hier muss zusammen mit dem Patienten nach einer guten Lösung gesucht werden. Daraus kann sich ein Ritual entwickeln, dass Sie vorhersehbar und berechenbar macht. Zum Abschluss der Aktivität können Sie sich ebenso verabschieden. Arbeiten Sie währenddessen im Aufmerksambereich des Patienten, machen Sie sich wahrnehmbar, sodass der Patient nicht erschrickt, wenn Sie ihn plötzlich berühren. Den eigen Rhythmus entwickeln Es geht darum, dass Patienten auch in der fremden Umgebung des Krankenhauses einen eigenen Rhythmus von Wachen, Ruhen und Schlafen entwickeln dürfen. Es gibt aber auch so etwas wie einen Eigenrhythmus der Persönlichkeit: Phasen der Aktivität. Phasen des Nachdenkens und einer scheinbar passiven Aufnahme. Manch einer arbeitet ruhig vor sich hin und hält dies für lange Zeit aus, während ein anderer außerordentlich intensiv arbeitet, um dann wieder eine Zeit der relativen Ruhe braucht. Und selbst die Krankheitsverarbeitung verläuft nicht geradlinig, sondern eher rhythmisch. Manche brauchen lange, um sich mit den dunklen Seiten ihrer Situation zu beschäftigen, andere leben mit bemerkenswerter Heiterkeit und fallen vielleicht nur manchmal in ein Stimmungsloch. Was kann die Pflege tun, um den Patienten in der Entwicklung eines eigenen Rhythmus zu unterstützen? Außenwelt erfahren Es geht nicht um „Bereizung“ oder ein hektisches Zeigen von allem, was um den Patienten herum ist. Es müsse sinnvolle Beziehung zu den einzelnen Objekten aufgebaut werden. Der Nachttisch in seiner Funktion kann nur dann vom Patienten als bedeutungsvoll erlebt werden, wenn er wirklich immer wieder erfährt, dass dieses Ding mit ihm in einem unmittelbaren Zusammenhang steht, das er damit etwas anfangen kann, dass es ihm nützlich ist. Wie kann ich den Patienten darin unterstützen, seine Umwelt zu erfahren? Lassen Sie den Patienten seine Matratze begreifen und ertasten, damit er spürt, wie viel Platz er hat, um sich auf die Seite drehen zu können. Zeigen sie ihm den Nachtschrank, bewegen Sie das Bett, damit er einen anderen Blickwinkel für das Zimmer bekommt. Der Boden ist stabil und trägt und da sind viele Dinge wie Türen, Wasserhähne und Schubladen, die vom Patienten bewegt und in ihrer Bedeutung verstanden werden können. Beziehung aufnehmen und Begegnung gestalten In der Regel suchen wir Pflegende uns „unsere“ Patienten aus oder wir werden ihnen einfach zugeteilt. Wünschenswert wäre es nun, Patienten könnten von sich aus Beziehungen zu unterschiedlichen Personen aufnehmen, schwer beeinträchtigte Menschen können dies nicht tun, daher ist es wichtig, sie genau zu beobachten und von allen stationstätigen Mitarbeiter zu vermitteln, wie diese Frau dieser Mann ihren verbliebenen Möglichkeiten jeweils aktuell Beziehung aufnimmt. Ein Stöhnen könnte solch ein Signal sein, ein leichtes Bewegen der Hand, der Versuch der Hinwendung des Kopfes. Zum Nachdenken: Denken Sie bitte nach: Wer von den Kollegen Ihres Teams sollte Sie am ehesten pflegen? Wer sollte Sie umlagern, wer dürfte Ihnen Nahrung verabreichen, wer könnte Ihnen einen Einlauf? Wer dürfte Sie auf keinen Fall pflegen? Wer sollte sie als Patienten ihm Krankenhaus besuchen? Wann und wie oft dürfte dies sein? Dürften Ihre Angehörigen auch bestimmte Pflegeaufgaben übernehmen? Wie versuchen Sie eine für Sie unangenehme Situation mit anderen Menschen zu beenden? Sagen Sie etwas? Werden Sie Still gehen Sie weg, beschäftigen Sie sich mit etwas Anderem? Wenn es möglich ist, so tauschen Sie sich mit ihren Kollegen darüber aus und entdecken Sie Gemeinsamkeiten und Unterscheide. Sinn und Bedeutung geben Die Krankheit verändert das Leben möglicherweise radikal, der eigene Körper hat sich verändert, er steht nicht mehr zu Diensten, er entfremdet sich dem Patienten. Er ist diese Situation nicht gewohnt, es fehlen Orientierungen. Bisherige Werte gelten nicht mehr, neue Werte sind noch nicht gefunden. Wenn Sicherheit und Vertrauen erlebt werden können, so kann dies eine Hilfe sein, dass ein Mensch neue Deutungen seines Lebens vornehmen kann, dass auch Abschiednehmen von diesen Leben sinnvoll sein kann. Sein Leben gestalten Es ist ein wesentliches Merkmal „lebendiger“ Menschen, dass sie ihr Leben selbst gestalten. Es wird also darum gehen, Patienten dabei unterstützen, ihre persönliche Umwelt ein wenig selbst zu gestalten. Dies betrifft das Bett, den Nachttisch, dies betrifft die kleinen Arrangements im Zimmer. Wer in einer Welt leben muss, die nur von anderen dekoriert wird, kann diese Welt nicht als seine Welt akzeptieren. Welche Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung kann ich dem Patienten anbieten? Zeigen und erklären Sie den Patienten , welche Möglichkeiten er dazu hat: Den Nachtschrank, einen Wand, vielleicht eine Pinnwand oder Magnettafel. Womöglich gibt es neben Fotos noch andere Objekte, die der Patient gerne ansieht und um sich haben möchte, die eine persönliche Bedeutung für ihn haben. Wo sollen dies platziert werden? Die Bettwäsche , das Nachthemd können von zu Hause mitgebracht werden und auch jene nach Stimmung gewechselt werden. Zeigen Sie dem Patienten Bilder und erwecken Sie seine Aufmerksamkeit. Selbst wenn jemand „nur“ gucken kann, so können Sie nahezu ein Spiel daraus machen. Wohin guckt der Patient, was schein ihm von Bedeutung zu sein? Folgt er mit den Augen, wenn ich diesen Gegenstand bewege? Was ist für ihn von Bedeutung? Autonomie und Verantwortung Der Mensch hat in den meisten Lebenssituationen die Möglichkeit in einer gewissen Weise Autonomie zu leben und verantwortlich für andere zu sein. Pflege kann im idealen Fall Menschen darin unterstützen, autonom und verantwortungsvoll zu leben, ja auch autonom und verantwortungsvoll zu sterben. Pflege sorgt sich um den Menschen in seiner Ganzheit, nicht nur um seine Krankheit. In Begegnung mit Pflegenden kann der Patient immer noch , immer wieder , möglicherweise bis zum Ende seines Lebens diese Erfahrung machen, dass er in der Enge einer sozialen Beziehung dennoch autonom ist und andererseits in seiner Autonomie nie alleine ist. Zum Nachdenken: Stellen Sie sich vor, Sie wären als Patient im Krankenhaus. Möchten Sie mitbestimmen, welche Untersuchungen durchgeführt werden? Möchten Sie entscheiden, wann Sie wie gewaschen werden? Wollen Sie verantworten, auf welcher Seite Sie die nächsten zwei Stunden liegen werden? Denken Sie bitte darüber nach, in welchen Aktivitäten des täglichen Lebens sie Entscheidungen selbst treffen möchten und in welchen ATL´s Sie die Entscheidung auch abgeben könnten. Zusammenfassung Basale Stimulation ist ein ganzheitlicher Pflegeansatz, der das Befinden und die Aktivitäten der Patienten in den Mittelpunkt stellt. Patienten werden unterstützt mit anderen Menschen zu kommunizieren, die Umgebung und vor allem sich selbst wahrnehmen. Basale Stimulation hilft eingeschränkten Menschen sich in Bewegung zu erleben und auszudrücken. Sie will auch bei schwerst eingeschränkten Patienten nicht nur die vitalen Grundfunktionen sichern, sondern humane Begegnung zwischen Pflegenden und Patienten gestalten. Diese Begegnungen werden strukturiert, sie vermeiden unnötige Irritationen und Störungen, sie geben Sicherheit. Die Förderung eines Grundvertrauens durch individuelle angepasste Rituale, Widerholungen und persönliche Pflegeangebote gehört zum Kern der Basalen Stimulation. Der Patient ist der Akteur seiner eigenen Entwicklung. Pflege bietet dabei einen unterstützenden, manchmal auch schützenden Rahmen. Verfasser: DGKP Franz KITZLER Literatur: Rundbrief d. internationalen Förderverein Basale Stimulation® in der Pflege, September 2003, 4. Auflage