Nichts ist luxuriöser als ein verrückter W unsch, der in Erfüllung geht

Transcrição

Nichts ist luxuriöser als ein verrückter W unsch, der in Erfüllung geht
Nichts ist luxuriöser als ein verrückter Wunsch, der in Erfüllung geht. Wer mehr als Teures von der
Stange sucht, muss sich nicht finanziell ruinieren: »CUSTOM MADE« gibt es auch auf Sterne-Niveau
ICH BIN’S!
K U LT UR & LE B E N
124
Geht nicht?
Gibt’s nicht!
»Kristiania«
Lech/Arlberg
Butler-Dienste
inklusive
»Schwarz«
Mieming/Tirol
Meine Suite, mein
Koch, mein Urlaub.
In der Royal-MountainSuite gibt es fast
keinen Grund, vor die
Tür zu gehen. Sauna,
Spa, alles zur privaten
Verfügung. Berge,
Schnee und Loipen
bleiben „outdoor“
FOCUS 42/2012
M
enschen gibt’s, die haben
alles. Fast alles. Manchmal
fehlt nur ein Getränk. Ein
ganz bestimmtes Getränk.
Gertrud Schneider aus Lech am Arlberg
ist eine Expertin für solche Momente.
Den Service der Hotelchefin lösungsorientiert zu nennen wäre Untertreibung.
Einmal verlangte einer ihrer Gäste um
zwei Uhr morgens nach einem Glas
Pimm’s. „Der Drink war damals noch
nicht wieder in Mode“, sagt Schneider,
„außerhalb britischer Polo-Clubs galt
er als ziemlich spießig. Wir hatten ihn
jedenfalls nicht im Haus.“
In einem Hotel wie dem „Kristiania“
heißt es da für den Zimmerservice: anziehen und hinaus in den frisch gefallenen Pulverschnee. Schneider: „Mein
Mitarbeiter hat den Pimm’s noch aufgetrieben. Morgens um drei in einem
Nightclub.“
„Wohnen wie bei Freunden“ ist ein Versprechen, das immer mehr Hotels ihren
Gästen geben. Das Ideal des Standardisierten und Erwartbaren – es gilt nicht
mehr, vor allem im Luxussegment. New
York, Rio, Tokio: Die immer gleichen
Kosmetikpröbchen im Bad können auch
deprimieren, und wer beruflich viel
unterwegs ist, verbindet das geprägte
Hotel-Logo im Aschenbechersand
125
Fotos: Dirk Bruniecki/FOCUS-Magazin, M. Ziegelböck
Frühstück ist fertig!
Warum nicht direkt
an der Piste? Im
„Kristiania“ hat man
viel übrig für exzentrische Gäste. Auch
das Schnee-Picknick
wird nachgefragt:
inklusive Isomatten,
Perserteppich und
Pelzdecken
K U LT UR & LE B E N
K U LT UR & LE B E N
vor dem Lift eher mit langen Arbeitstagen als mit Freizeit.
Der Branchenverband Dehoga beschreibt das neue Bedürfnis nach Unverwechselbarkeit und Originalität in
einer internen Studie als „Megatrend“.
„Weiche Faktoren“ wie eine originelle
Gestaltung der Räume, eine authentische lokale Note und ein höchstpersönlicher Service sollen dem Gast eine
emotionale „Gesamterfahrung“ ermöglichen. „Wohnen wie bei Freunden?“
Es müssen schon sehr wohlhabende
Freunde sein, die nicht nur ein Bett
zur Verfügung stellen, sondern auch
gleich ihren Butler.
Den „Lese-Butler“ zum Beispiel. So etwas präsentiert Schneider ihren Gästen
im Lecher „Kristiania“. Vor der Anreise
mitgeteilte Lektürewünsche oder Bitten
um Empfehlungen werden gewissenhaft erfüllt. Die Bücher liegen bei der
Ankunft dann schon auf dem Nachttisch. Und sie gehören dem Gast.
Die – nicht riesigen – Zimmer kosten
im Schnitt rund 500 Euro. Dafür wird
die Minibar nach persönlichen Präferenzen gefüllt. Beim Pre-Check-in werden diese ebenso vom Gast abgefragt
wie Vorlieben bei Kissen, Bettdecke und
Matratze. Der „Bade-Butler“ besorgt
Badezusätze. Der „Ski-Butler“ pflegt
nicht nur die Ausrüstung, er begleitet
Ski-Novizen auch zum Händler.
Schneider ist eine Pionierin der HotelIndividualität. Ihr Haus gehörte als erstes in Österreich zur Gilde der „Small
Luxury Hotels of the World“. Als sie
126
Ihr TV-Gerät passend zum Teppich?
Denken Sie sorgfältig über Ihre Wünsche nach – sie könnten in Erfüllung
gehen. Das neue Flaggschiff von
Loewe ist ab 5500 Euro zu haben
Hinter jedem großartigen Cappuccino
verbirgt sich ein Geheimnis.
Made in Switzerland
Kessler Skier & Snowboards
Die total Verrückten schwören drauf:
handgearbeitet und von SnowboardPionier Hansjürg Kessler persönlich
signiert. Profi-Niveau für alle!
»Du bist dein Fahrrad«
Urbike, München & Hamburg
Kein Schriftzug, keine Aufkleber.
Klassisches Design, robuste Technik
ohne Schnickschnack. Dafür viele
Farben. Auf Wunsch auch monochrom
Lachs über Kopf
Beyerdynamics T 50
Wer gern mobil etwas auf
die Ohren kriegt, kennt das
Equipment von Beyerdynamics. Auch hier gilt: die Technik vom Feinsten, das Design
nach Wunsch. Lachsleder
ist eine Option. Oder doch
lieber Kuschelvelours?
FOCUS 42/2012
on macht noch weniger als
drei Prozent des Konsumgütermarkts aus.“ Zusammen mit dem Aachener
Wirtschaftswissenschaftler
Frank Piller hat Walcher
500 solcher Internet-Anbieter untersucht. Vor allem einfache Produkte wie
Postkarten, T-Shirts und
Lebensmittel verkaufen
sich gut. Interessant auch:
Die meisten dieser Firmen
sitzen in den USA oder in
Deutschland.
Personalisierung als Kaufanreiz: Walcher ist davon
überzeugt, dass wir Zeugen
eines Paradigmenwechsels
werden: „Individuelle Massenware ist kein Widerspruch mehr. Es ist eine
neue, hybride Produktform des postindustriellen Zeitalters.“
Je komplexer das Produkt, desto unwahrscheinlicher sei es allerdings, dass
der Kunde es auch gleich im Netz
kauft: „Der Konfigurator ist dann ein
Informationsinstrument, das vor dem
Gang zum Händler ausgiebig studiert
wird.“ Zum Beispiel beim Erwerb eines
Fernsehers, der laut Hersteller „mehr
als eine Million individueller Kombinationsmöglichkeiten“ bei Design, multimedialen Vernetzungen und SoundSystem bietet. Das traditionsreiche Unternehmen Loewe wird ihn zum Jahreswechsel auf den Markt bringen.
Getoppt wird der Individual TV noch
vom Reference ID, der Anfang September auf der Berliner Funkausstellung
präsentiert wurde.
Für den Reference ID gilt das RollsRoyce-Prinzip: Die Technik ist sowieso vom Feinsten. Darüber hinaus wird
jeder Farbwunsch, jede noch so exotische Idee verwirklicht, solange sie
die technische Funktionalität nicht beeinträchtigt.
Das TV-Gerät als Prestige-Möbel? „So
kann man das verstehen“, bestätigt
Loewe-Sprecher Roland Raithel: „So
ein Fernseher soll vor allem gesehen
werden. Die Zielgruppe hat erfahrungsgemäß gar nicht so viel Zeit zum
Schauen.“
■
128
Nur ein perfekter Espresso macht
Nu
aus frischer Milch eine großartige
Kaffeespezialität.
Entdecken Sie mehr:
Kaf
www.nespresso.com/geheimnis
ww
ELLEN DANIEL
FOCUS 42/2012
Foto: M. Zimmermann
Loewe Reference ID
wirtschaftliches Grundprinzip, sondern
auch im Prozess des Auswählens und
Konsumierens. Massenware hat eben
nicht die Aura des Unikats.
Du bist, was du kaufst? Der Historiker
Andreas Wirsching hat untersucht, wie
die bis Ende der 80er-Jahre weit verbreitete Konsumkritik in Europa einem
geradezu gegenteiligen Konsens gewichen ist: Heute denken wir den „Konsumbürger“ nicht mehr als armes,
manipuliertes Wesen. Sondern als Individuum, das sich durch Kaufentscheidungen und persönlichen Stil aus der
Masse hervorheben kann.
Konsumkritische Milieus, die sich mit
Vintage-Mode oder Biokost abzugrenzen wünschen, scheinen Wirschings
Analyse nur zu bestätigen.
Echte Maßarbeit bleibt teuer. Bei
komplexen Industriegütern wird sie
rasch unerschwinglich. Einen dritten
Weg sehen Marketingexperten in einem
Verfahren, das sich „Mass Customization“ nennt. Gemeint sind standardisierte
Produkte, die man – meist per Mausklick – nach persönlichen Vorlieben
gestalten kann: „Maßarbeit“ nach dem
Baukastenprinzip. Adidas und Nike
gingen 2001 mit Turnschuhen voraus.
Das Web 2.0 schien das Ende der Konfektion einzuläuten.
Heute müssen Fach-Gurus wie Dominik Walcher von der Fachhochschule
Salzburg einräumen: „Mass CustomizatiFoto: beyerdynamics
Echt individuell
2008 anfing, ihre Lese-Butler-Idee und
schräge Angebote wie ein Schnee-Picknick zu verwirklichen, wurde sie von
den Gold-und-Kaviar-Hoteliers am Arlberg verlacht. „Das hat sich gelegt“,
sagt Schneider. Ihr Haus ist von Dezember bis April öffnet.
Fernab des Jetsets, auf dem Mieminger Hochplateau, liegt das „Alpenresort
Schwarz“. Das Familienhotel hat sich
über die Jahrzehnte zu einer WellnessHochburg mit 230 Betten entwickelt.
Die Kundschaft ist gediegen, viele
Schweizer kommen, die das exzellente
Preis-Leistungs-Verhältnis und die Tiroler Herzlichkeit zu schätzen wissen.
Auch im „Schwarz“ gibt es seit geraumer Zeit Luxussuiten mit Butler-Service.
„Wir hören sehr genau hin“, sagt Juniorchef Franz-Josef Pirktl. „Was macht
den Gast glücklich? Eine ganz bestimmte Kaffeesorte? Die Heimatzeitung aus
Deutschland? Wenn die irgendwo
in Tirol ausgeliefert wird, haben wir
sie morgen im Haus.“ Mehrere junge Damen versorgen im
24-Stunden-Service vier
Suiten. Der Frühstückstisch wird in der Suite
gedeckt. Wer auch mittags und abends für sich
bleiben will, kann den
Hotelkoch in die eigene
Küche kommen lassen.
„Mir geht nichts über
Mich.“ Das Zitat des deutschen Philosophen Max
Stirner könnte das Motto
der neuen Luxus-Befindlichkeit sein. Der Kunde
bestimmt das Produkt.
Nicht nur als markt-

Documentos relacionados