Laserbasierte Bearbeitung von Rohrglas

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Laserbasierte Bearbeitung von Rohrglas
Fachberichte
Hendrik Gebauer, Weilburg
Laserbasierte Bearbeitung von Rohrglas
Derzeit kommt bei der Heißbearbeitung von Rohrglas überwiegend der
Gasbrenner zum Einsatz. Je nach Glastyp werden dabei unterschiedliche Gase verwendet, um die zur Verarbeitung notwendige Glastemperatur einstellen zu können. So steht beispielsweise bei Quarzglas nur
Wasserstoff zur Verfügung, der entsprechend heiß genug verbrennt.
Sollen Rohrgläser im Vorfeld der Heißglasprozesse separiert werden,
geschieht das entweder durch Ritz-Brech-Verfahren, Thermoschocktrennverfahren oder mittels mechanischer Säge, was wiederum Waschund Trocknungsvorgänge einschließt, um die beim Sägen entstandenen Splitter vom Rohrglas zu entfernen. Die gewünschte Fertigung vom
langen Rohr ist deshalb, je nach Bauteilkomplexität, nur selten möglich.
Im heutigen Umfeld ist die Reduzierung der Fertigungskosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Produktqualität einer der entscheidenden Faktoren, um am globalen Markt bestehen
zu können. Dies gilt auch für die glasbeund verarbeitende Industrie. Ein probates Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist die Erhöhung des Automatisierungsgrades in der Produktion bzw.
die Senkung der Personalkosten. An
dieser Stelle kann der Laser, der seit
Jahrzehnten unter anderem in der Automobil- und Metallindustrie erfolgreich eingesetzt wird, auch in der
Rohrglasindustrie einen Beitrag leisten. Gerade in der Flexibilität der
Bearbeitungsmöglichkeiten liegt einer der großen Vorteile des Werkzeuges Laser. So ist durch Fokussierung
der Laserstrahlung das Schneiden von
Quarzglas, aber auch das Anritzen von
Gläsern höherer thermischer Ausdehnung (z. Bsp. Borosilikat-, AR-Glas)
bzw. das Thermoschocktrennen möglich. Bei der Defokussierung der Strahlung, also der Einstellung größerer
Laserstrahldurchmesser am Rohrglas,
erfolgt die Glaserwärmung für beispielsweise Form- oder Fügeprozesse.
Dabei können die Temperatur in der
Erwärmungszone als auch die Temperaturverteilung an sich gezielt ein-
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gestellt werden. So sind mithilfe einer
Temperaturregelung, die den Vorteil
der guten Automatisier- und Regelbarkeit des Lasers ausnutzt, vollautomatische und reproduzierbare Glasbearbeitungsprozesse möglich. Der
Anlagenbediener ist somit in der Lage,
Temperaturverläufe in Testreihen zu
ermitteln, die zu reproduzierbaren
Fertigungsprozessen führen. Da die
Glasviskosität hauptsächlich der Temperatur folgt, ist die Verwendung einer
Temperaturregelung ein hervorragendes Werkzeug zur Stabilisierung von
Fertigungsprozessen bzw. eröffnet
auch ganz neue Möglichkeiten. So wird
beispielsweise die Bearbeitung von
dünnwandigem Glas möglich, da kein
Flammdruck zur Verformung des
niederviskosen Glases führt. Diese
Flexibilität, einerseits das Schneiden
und andererseits die gezielte Erwärmung von Glas mit nur einem Werkzeug umsetzen zu können, eröffnet die
Möglichkeit, verschiedene Fertigungsschritte in einer Bearbeitungsstation
zu integrieren.
Bild 1: Laserbearbeitungszelle P1040Laser.
Bild: H. Arnold GmbH
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Bild 2: Programmieroberfläche.
Die Systemtechnik
Ein Beispiel für eine solche Bearbeitungszelle zeigt Bild 1. Im oberen Teil der Anlage ist der Laser untergebracht, dessen Strahlung über
Spiegel in den Bearbeitungsraum
umgelenkt wird. Hier befindet sich
das Handlingsystem in Form einer
Glasdrehbank.
Dieses System bietet die Möglichkeit, Rohrgläser mithilfe zweier Arbeitsköpfe zur Bearbeitung aufzunehmen, in Rotation zu versetzen bzw.
axial zu verfahren. Weiterhin ist eine
in der Höhe verfahrbare Achse zur
Aufnahme der Fokussierlinse integriert, mit der im Bearbeitungsprozess
verschiedene Laserstrahldurchmesser
eingestellt werden können. Je nach
Kundenapplikation kann diese Anlage
um weitere Elemente erweitert werden. Dies beinhaltet beispielsweise Ab-
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Bild: H. Arnold GmbH
saugvorrichtungen, Positioniersysteme
zur Rohrkantenerfassung, Pyrometer
zur Temperaturmessung, Formwerkzeuge etc. Aufgrund der gewählten
Einhausung des Bearbeitungsbereiches
ist der Anlagenbediener vor der Laserstrahlung geschützt und hat dennoch
die Möglichkeit der visuellen Inspektion des Bearbeitungsprozesses. Während der Schaltschrank rückseitig angeordnet ist, ist im unteren Teil der
Anlage die Medienversorgung (Druckluft, Kühlung etc.) untergebracht. Die
Maschinensteuerung erfolgt über einen Touchscreen, der ebenfalls zur Programmierung von vollautomatischen
Bearbeitungsprozessen genutzt wird,
Bild 2.
ernde Hardware ausgewählt und in
den gewünschten Programmschritt
(Bild 2, rechte Seite) gezogen und
dort parametriert. Die Kenntnis einer
Programmiersprache seitens des
Anlagenbedieners ist nicht notwendig. Mithilfe dieser Systemtechnik
können beispielsweise folgende
Bearbeitungsverfahren durchgeführt
werden: Trennen (Sublimationsschneiden, Schmelzschneiden, Thermoschocktrennen, Anritzen), Fügen
artgleicher und artfremder Materialien, Formen, Bohren, Strukturieren,
Beschriften oder Polieren.
Die Erstellung der vollautomatischen
Programmabläufe erfolgt über eine
Drag&Drop-Software. Hierbei wird
aus einem Werkzeugkasten (Bild 2,
links) das Symbol für die anzusteu-
In der Laborgerätefertigung sind
oftmals mehrere Prozessschritte notwendig, um zum finalen Produkt zu
gelangen. So werden beispielsweise
bei der Herstellung von Thermome-
Applikationsbeispiel
Laborgerätefertigung
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Bild 3: Laserfügen eines Messkolbens.
Bild 4: Laserschneiden von Quarzrohr.
Bild: H. Arnold GmbH
tern Rohrgläser zunächst verjüngt, in
der verjüngten Zone getrennt und anschließend an dieser Stelle mit Rohrgläsern, die dem verjüngten Durchmesser entsprechen, gefügt. Im Fertigungsverlauf müssen weiterhin die
Enden des großen und kleinen Rohrdurchmessers verschlossen werden.
Somit sind mehrere Heißglasprozesse
in Form von Form- und Fügevorgängen umzusetzen. Hier kann der
Laser mithilfe einer Temperaturregelung genutzt werden, um reproduzierbare und kontinuierlich gleich
aussehende Bearbeitungsergebnisse
zu liefern. Dabei wird die Glastemperatur mithilfe eines Pyrometers
erfasst und in einem Regelkreis verarbeitet. Über die Regelung werden dem
Laser dann kontinuierlich neue Leistungswerte vorgegeben. So ist es möglich, reproduzierbar und ohne Glasbruch die Verarbeitungstemperatur
des Glases innerhalb weniger Sekunden zu erreichen, was die Prozesszeiten signifikant verkürzt. Bild 3 zeigt
exemplarisch den Fügeprozess an einem Messkolben.
Der zwischengeschaltete Trennschritt
in der beschriebenen Verjüngungszone kann online im Gesamtfertigungsprozess durchgeführt werden.
Dabei wird mithilfe der Fokussierlinse
der Laserstrahldurchmesser verringert
und das verjüngte Rohrglas schmelzgeschnitten. Eine Entnahme der Probenkörper aus der Maschine während
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des Fertigungsprozesses entfällt, was
die Fertigung vom langen Rohr ermöglicht. Da es sich bei Laserstrahlung
um elektromagnetische Strahlung
handelt, entfällt jedweder chemischer
Einfluss auf das Glas. Es treten weder
Kondenswasser, Ruß noch das Einbringen von Verbrennungsrückständen auf, wie von der Brennererwärmung bekannt.
Applikationsbeispiel
Schneiden von Quarzrohr
Das Ablängen von Quarzrohr wird
derzeit typischerweise mit mechanischen Sägen umgesetzt. Hierbei wird
ein wassergekühltes diamantbesetztes
Sägeblatt durch das Rohrglas geführt.
Aufgrund der werkzeugbedingten
Krafteinbringung werden kleine Teile aus dem Rohr, nahe der Schnittkante, herausgebrochen. Je nach
Weiterverarbeitung muss die gesägte
Kante nachgearbeitet werden, was
Schleifprozesse bzw. das Feuerpolieren beinhaltet. In beiden Fällen ist das
Waschen und Trocknen der Rohre zur
Entfernung der Splitter notwendig. Im
Gegensatz dazu sind beim Laserschneiden von Quarzrohr keine zusätzlichen Prozessschritte notwendig.
Der Laserstrahl wird je nach Wandstärke fokussiert und zur Verdampfung des bestrahlten Materials genutzt,
die Schnittbreite beträgt ca. 100 μm.
Die Kontamination des Glasrohrs
Bild: H. Arnold GmbH
durch entstehenden Quarzdampf wird
durch eine effiziente Absaugung vermieden. Die Schnittzeiten liegen bei
Rohren mit Außendurchmessern bis
50 mm und Wandstärken bis 3 mm
zwischen 4 und 10 Sekunden. Das
getrennte Quarzrohr kann nach dem
Laserschnitt sofort entnommen und
weiterverarbeitet werden. Nachbearbeitungsschritte wie das Waschen und
Trocknen entfallen. Da bei der Bearbeitung kein Verschleiß am Laser auftritt, bleibt die Qualität der Schneidergebnisse konstant. Sollen Rohre unterschiedlicher Durchmesser bzw.
Wandstärke auf einer Anlage geschnitten werden, werden automatisch
die Parameter für Laserleistung,
Fokusabstand und Drehzahl angepasst. Im Falle längerer Be-und Entstückungszeiten kann der Laserstrahl
über verfahrbare Spiegel auf mehrere
Anlagen umgeschaltet werden. Diese
Art der sequentiellen Nutzung verringert dabei zusätzlich die Amortisationszeit. Nicht zuletzt punktet der
Laser mit seinem geringem bzw. keinem Wartungsaufwand.
Weitere Informationen/Autor:
H. Arnold GmbH & Co. KG,
Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Gebauer,
Weilstrasse 6, D-35781 Weilburg,
T: +49 (0)6471 9394 225,
e-Mail: [email protected], www.arnold-gruppe.de
Ein Video zur Anlage finden Sie auf
unserem YouTube Kanal unter:
www.youtube.com/arnoldgruppe
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