The Future of Regional Head Quarters in Austria Schlank Und
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The Future of Regional Head Quarters in Austria Schlank Und
BCG The Boston Consulting Group S CHLANK UND SCHLAU MARKTNAH UND MOBIL Juni 2003 Welche Perspektiven haben multinationale Osteuropazentralen in Österreich? – Als weltweit führende strategische Unternehmensberatung entwickeln wir mit unseren K u n d e n i n n o v a t i v e S t r a t e g i e n , d i e i h n e n s p ü r b a r e We t t b e w e r b s v o r t e i l e v e r s c h a f f e n u n d d a s Unternehmensergebnis nachhaltig verbessern. Unser Beratungsansatz basiert auf maßges c h n e i d e r t e n K o n z e p t e n , d i e w i r i n s i c h t b a r e Ve r ä n d e r u n g u m s e t z e n . 1 9 6 3 i n d e n U S A gegründet, arbeiten heute mehr als 2.600 Berater weltweit für uns – 590 davon in den sieben deutschen Büros sowie den Büros in Wien und Athen. M e h r ü b e r u n s e r f a h r e n S i e u n t e r : w w w. b c g . a t © 2 0 0 3 T h e B o s t o n C o n s u l t i n g G r o u p G m b H. A l l e R e c h t e v o r b e h a l t e n . Für Auskünfte und Nachdruckgenehmigungen wenden Sie sich bitte an die BCG unter folgender Adresse: The Boston Consulting Group Am Hof 8 1010 Wien Te l : 0 1 5 3 7 5 6 - 8 2 1 3 Fa x : 0 1 5 3 7 5 6 - 8 1 1 0 E-Mail: [email protected] INHALT VORWORT 3 ZUSAMMENFASSUNG 5 EINLEITUNG – MOTIVATION UND ZIEL DER STUDIE 9 TEIL 1: DIE ZUKUNFT DER ÖSTERREICHISCHEN OSTEUROPAZENTRALEN 15 Das Profil einer typischen Osteuropazentrale in Österreich 15 Die zukünftigen Aufgaben der Osteuropazentralen 18 Positionierung des Standortes Österreich 24 Ausblick: Die österreichische Osteuropazentrale in fünf Jahren 28 TEIL 2: EMPFEHLUNGEN 33 Empfehlungen für Unternehmen 33 Empfehlungen für die Politik 36 1 V ORWORT Die bevorstehende EU-Osterweiterung rückt Österreich in den Mittelpunkt des zukünftigen europäischen Wirtschaftsraumes. Einerseits besteht dadurch für Österreich die Chance, in noch engeren wirtschaftlichen Kontakt mit seinen osteuropäischen Nachbarländern zu treten. Andererseits entstehen Herausforderungen, denen sich sowohl der Standort Österreich als auch in Österreich ansässige Unternehmen aktiv stellen müssen. Schwerpunkt dabei ist die Frage, ob Österreich seine traditionelle Rolle als Brückenkopf zu Osteuropa verliert oder ausbauen kann. Geographisch und historisch bedingt war Österreich ein begünstigter Standort für den Aufbau von Osteuropazentralen multinationaler Unternehmen. Für die österreichische Volkswirtschaft ist dieser Wirtschaftszweig mit knapp 10.000 Arbeitsplätzen von erheblicher Bedeutung. Die Faktoren, die Unternehmen in der Vergangenheit zu einer Ansiedelung in Österreich veranlassten, sind durch die EU-Erweiterung und die volkswirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa jedoch weitgehend obsolet. Sowohl der Standort Österreich als auch österreichische Osteuropazentralen müssen sich daher neu definieren. Ziel der vorliegenden Studie ist es, Unternehmen auf die zu erwartenden Herausforderungen vorzubereiten. In der vorliegenden Untersuchung wurden Status quo und geplante Strukturveränderungen mittels einer Firmenumfrage und Einzelinterviews bei 25 Osteuropazentralen erfasst. Unser besonderer Dank gilt den Umfrage- und Interviewpartnern, die uns bereitwillig ihr Know-how und ihre Erfahrungswerte weitergegeben haben. Herzlichen Dank auch dem BCG-Team – Christian Artmann, Gerald Prinzhorn, Susanne Riedler, Vanessa Sternak-Heider und Ellen Treml –, ohne dessen Einsatz diese Studie nicht zu Stande gekommen wäre. Dr. Antonella Mei-Pochtler Geschäftsführerin The Boston Consulting Group Dr. Rainer Reich Geschäftsführer The Boston Consulting Group 3 Z USAMMENFASSUNG Im Zuge der Globalisierung und der anstehenden EU-Osterweiterung erscheint Österreichs besondere Funktion als regionale Zentrale für den osteuropäischen Wirtschaftsraum akut gefährdet. Einerseits zwingt der erhöhte Kostendruck im globalen Wettbewerb Unternehmen zu größerer Effizienz und Transparenz ihrer Organisationsstrukturen. In der Folge werden regionale Zwischenstufen in den Aufbaustrukturen eines Unternehmens vermehrt in Frage gestellt. Andererseits wird auch Österreichs historischer Standortvorteil als "Tor zum Osten" im Zuge der Öffnung und Erweiterung hinfällig. Westliche Unternehmen können sich nun direkt vor Ort in Osteuropa positionieren, und Städte wie Budapest und Prag machen ihre historischen Standortnachteile gegenüber Österreich Schritt für Schritt wett. Trotz dieser Entwicklungen herrscht in Österreich großer Optimismus hinsichtlich der Rolle Wiens als einer regionalen Zentrale für den osteuropäischen Markt. Einzelne Ansiedlungen scheinen diesen Optimismus auch zu rechtfertigen. Wie ist es also wirklich um die Chancen Wiens und Österreichs als Standort für regionale Osteuropazentralen bestellt? Nicht zuletzt weil diese Frage auch insgesamt für den Standort Österreich von außerordentlicher Bedeutung ist, hat sich The Boston Consulting Group entschieden, das Zukunftspotenzial in Österreich ansässiger Osteuropazentralen noch einmal von Grund auf neu zu analysieren. Empirische Basis der Studie sind eine standardisierte Firmenumfrage bei 25 Unternehmen sowie Einzelinterviews bei neun führenden Osteuropazentralen. Das Thema dieser Studie ist von erheblicher Brisanz für die österreichische Volkswirtschaft. Schon ein paar Fakten verdeutlichen dies: ■ Rund 300 internationale Unternehmen koordinieren ihre Osteuropageschäfte von Österreich aus, darunter 28 Fortune-500-Firmen. ■ Die Osteuropazentralen multinationaler Unternehmen haben am Standort Österreich bis zu 9.000 Arbeitsplätze und etwa 15 Prozent der Arbeitsplätze für leitende Angestellte in Wien geschaffen. 90 Prozent der in Österreich ansässigen Osteuropazentralen konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf die benachbarten Länder Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei und Kroatien. Knapp ein Drittel der Zentralen stammt aus Deutschland und der Schweiz, rund 50 Prozent aus Übersee. Knapp 90 Prozent dieser Zentralen sind aus bestehenden österreichischen Landesorganisationen hervorgegangen. Wie werden sich die in Österreich ansässigen Osteuropazentralen zukünftig entwickeln? Unsere Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: ■ Trotz einer relativen Standortverbesserung Osteuropas gegenüber Österreich und einer zu erwartenden weiteren Straffung der Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen ist eine breite Abwanderungsbewegung der Osteuropazentralen aus Österreich kurzfristig relativ unwahrscheinlich. Abwanderungs- und Expansionspläne halten sich derzeit in etwa die Waage. 5 ■ Allerdings wird es zu einer erheblichen Verschlankung der bestehenden Zentralen kommen. Folgende Faktoren sind dafür verantwortlich: – Nach Abschluss der Aufbauphase ihrer Osteuropageschäfte werden internationale Unternehmen ihre Kapazitäten in der folgenden Konsolidierungsphase wieder abbauen. – Skalierbare Funktionen werden auf der überregionalen Ebene gebündelt, um die Kosteneffizienz zu steigern. – Alle Funktionen, die größtmögliche Marktnähe voraussetzen, werden direkt vor Ort in den Landesorganisationen durchgeführt werden. – Weiterhin regional auszuführende Funktionen werden an die dafür optimalen Standorte verlagert. – Durch die Standortoptimierung der Zentralen-Funktionen wird es verstärkt zu einer "Virtualisierung" der Osteuropazentralen kommen: Verschiedene regionale Funktionen werden nicht mehr an einem, sondern an verschiedenen Standorten ausgeführt. Was folgt aus diesen Ergebnissen für Unternehmen und Politik? Im Zuge der genannten Entwicklungen müssen alle Unternehmen ihre bestehende Osteuropasteuerung von Grund auf neu überprüfen. Nur eine effizient 6 arbeitende Osteuropazentrale hat die Chance, als solche erhalten zu bleiben. Schwerpunkt muss dabei die Optimierung aller Zentralen-Funktionen sein, mit dem Ziel, sowohl die Kosteneffizienz als auch die strategische Wettbewerbsposition der Zentrale zu verbessern. Die bestehenden in Österreich ansässigen Osteuropazentralen sollten außerdem eine gemeinsame Lobbyingoffensive in Erwägung ziehen, um ihre Interessen und Anliegen gemeinsam noch stärker vertreten zu können. Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die noch existierenden Standortvorteile Österreichs aufrechterhalten und gestärkt werden. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf den Ausbau der Infrastruktur (vor allem im Hinblick auf das Verkehrsnetz – Flug, Bahn und Straße) und der "kulturellen Nähe" zu Osteuropa ("Ost"-Know-how – insbesondere Sprachenkenntnisse) gelegt werden. Weiters sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Expatriate- und Holdingbesteuerung optimiert werden. Im neuen Standortwettbewerb der "virtuellen Zentralen" wird es darüber hinaus noch stärker als bisher darauf ankommen, nicht nur insgesamt als Standort attraktiv zu sein, sondern auch für einzelne Funktionen als Kompetenzzentrum akzeptiert zu werden. Dabei besteht im Bereich der know-how-intensiven ZentralenFunktionen (z. B. regionale Forschung und Entwicklung, Finanzfunktionen) die sicherste Aussicht, den Lohnkostenvorteilen anderer Standorte eigene Vorteile entgegenzusetzen. So besitzt auf Grund der erwähnten zunehmenden "Virtualisierung" der regionalen Osteuropazentralen der Standort Österreich die Chance, in Fällen, in denen keine Osteuropazentrale in Österreich existiert, zumindest einzelne Zentralen-Funktionen nach Österreich zu bringen. E INLEITUNG – MOTIVATION UND ZIEL DER STUDIE Auf Grund seiner Geschichte und geographischen Lage sieht sich Österreich gern als Brückenkopf zu Osteuropa. Österreich gilt als "ideales Sprungbrett" für die wirtschaftlichen Aktivitäten multinationaler Unternehmen in Osteuropa. Und tatsächlich: Eine solche Brückenkopffunktion existiert, und sie ist für die österreichische Volkswirtschaft von nicht zu vernachlässigender Bedeutung. 28 Fortune-500-Unternehmen betreiben – wie bereits erwähnt – ihre Osteuropageschäfte von Österreich aus. Darunter befinden sich weltweit führende Firmen wie Coca-Cola, McDonald's, Eli Lilly, HewlettPackard, IBM, Siemens und BASF. Insgesamt nutzen rund 300 multinationale Unternehmen Österreich als Standort für eine Osteuropazentrale. Bei durchschnittlich 25 Mitarbeitern pro Zentrale resultieren daraus direkt bis zu 7.500 Arbeitsplätze für den Standort Österreich. Die meisten dieser Arbeitsplätze sind Managementpositionen mit überdurchschnittlichem Einkommen. So schaffen Osteuropazentralen rund fünf Prozent der Arbeitsplätze für leitende Angestellte in Österreich und umgerechnet sogar 15 Prozent am Standort Wien. Zusätzlich entstehen Sekundäreffekte durch die Auslagerung von Dienstleistungen und Beratungsfunktionen. Die für unsere Studie durchgeführte Umfrage zeigt: Die in Österreich ansässigen Osteuropazentralen beschäftigen durchschnittlich rund fünf externe Vollzeitkräfte (VZK): typischerweise eine VZK für Rechtsberatung, zwei VZK für IT-Dienstleistungen und zwei VZK aus OSTEUROPAZENTRALEN SCHAFFEN BIS ZU 9.000 ARBEITSPLÄTZE IN ÖSTERREICH Anteil an leitenden Angestellten (4) (Bruttobezüge > € 70.000 pro Jahr) Abschätzung Arbeitsplatzschaffung durch Osteuropazentralen Österreich insgesamt Ca. 25 Mitarbeiter pro Zentrale, davon ca. zwei (1) Drittel leitende Angestellte Ca. fünf externe (2) Vollzeitkräfte pro Zentrale 200 – 300 Zentralen(3) Bis zu 9.000 Beschäftigte, davon bis zu 1.500 extern Bis zu 5.000 leitend Bis zu 4.000 nichtleitend Manager Osteuropazentralen bis zu 5 % Sonstige mindestens 95 % Standort Wien (5) Manager Osteuropazentralen bis zu 15 % Sonstige mindestens 85 % (1) Konservative Schätzung BCG auf Basis einer Firmenumfrage sowie Experteninterviews (2) Annahme basiert auf Firmenumfrage: Durchschnittlich 1 VZK Rechtsberatung, 2 VZK IT-Unterstützung und 2 VZK Agenturen (Werbung, Kreativ ...); Annahme: hauptsächlich nichtleitende Stellen (3) Beste Schätzung BCG, 78 Zentralen individuell identifiziert, Presserecherche (4) Basiert auf der Lohnsteuerstatistik für 2001 des Österreichischen Finanzministeriums (5) Annahme: Die Mehrheit der Osteuropazentralen befindet sich in Wien und Umgebung; basiert auf Firmenumfrage Quellen: BCG-Analyse; Firmeninterviews 9 Agenturen im Werbe- und Kreativbereich. Damit sind Osteuropazentralen in Österreich noch einmal zusätzlich für rund 1.500 Arbeitsplätze (fünf externe VZK × 300 Zentralen) verantwortlich. Inklusive dieser Sekundäreffekte schaffen Osteuropazentralen also bis zu 9.000 Arbeitsplätze für den Standort Österreich. Berücksichtigt man die Einkommen der in Osteuropazentralen Beschäftigten, so generieren die in Österreich ansässigen Osteuropazentralen ein Gesamt-Lohneinkommen von bis zu 700 Millionen Euro. OSTEUROPAZENTRALEN GENERIEREN EIN LOHNEINKOMMEN VON BIS ZU 700 MILLIONEN EURO Gehaltsverteilung Leitende Angestellte (Bruttobezüge > € 70.000 pro Jahr) 68 % 23 % 5% Bis zu 5.000 Arbeitsplätze Bis zu € 500 Mio. Bis zu 4.000 Arbeitsplätze Bis zu € 200 Mio. 4% 70 – 100 100 – 150 150 – 200 > 200 Gehaltsstufen (Bruttogehalt pro Jahr, Tsd. €) Nichtleitende Angestellte (Bruttobezüge € 30.000 – 70.000 pro Jahr) 55 % 25 % 20 % 30 – 40 40 – 50 50 – 70 Gehaltsstufen (Bruttogehalt pro Jahr, Tsd. €) Gesamteinkommen bis zu € 700 Mio. Quelle: Lohnsteuerstatistik 2001 des Österreichischen Finanzministeriums Osteuropazentralen stellen also einen bedeutenden Faktor für die österreichische Volkswirtschaft dar. Angesichts der stark wachsenden Märkte in Osteuropa scheint es fast, als könnte Österreichs Rolle als Brückenkopf zu den neuen EU-Beitrittskandidaten ebenfalls weiter wachsen. Doch eine derartig euphorische Sichtweise verkennt die Herausforderungen, vor denen die in Österreich ansässigen Osteuropazentralen stehen. Drei Entwicklungen sind zu nennen: Erstens zwingt der globale Wettbewerb multinationale Unternehmen zu größerer Effizienz und Transparenz in ihren Organisationsstrukturen. Einzelne Funktionen der Osteuropazentralen werden dabei so weit wie möglich zentralisiert, um Kostenvorteile zu 10 erzielen. Funktionen, die Marktnähe benötigen, werden in die jeweiligen Landesorganisationen transferiert. Regionale Zwischenstufen und "MiddleManagement"-Ebenen in den Aufbaustrukturen werden vermehrt in Frage gestellt. Zweitens ist Österreichs historischer Standortvorteil als "Tor zum Osten" im Zuge der Ostöffnung und EUOsterweiterung in vielerlei Hinsicht hinfällig geworden. Seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" 1989/1990 sind westliche Unternehmen nicht mehr auf Österreich angewiesen, um einen Zugang zu den osteuropäischen Märkten herzustellen. Ganz im Gegenteil: sie können nun direkt vor Ort in Osteuropa aktiv werden. HISTORISCHE STANDORTATTRAKTIVITÄT ÖSTERREICHS BERUHTE AUF DER ROLLE ALS "TOR ZUM OSTEN" … Kalter Krieg 1945 – 1990 Betrachtungsweise Österreichs Treiber für Osteuropazentralen in Österreich Politisch getriebene Betrachtungsweise Österreich als politisches "Tor zum Osten" Marshallplan-Förderung maßgeblich an Investitionen beteiligt Ostöffnung ab 1989 EU-Osterweiterung ab 2004 Politisch-ökonomisch getriebene Betrachtungsweise Österreich als politisches "Tor zum Osten" und als Ökonomische Plattform für die Erschließung der neuen Märkte Ökonomisch getriebene Betrachtungsweise Österreich im ökonomischen Wettbewerb mit Ländern Zentral- und Osteuropas Vorteil im Standortwettbewerb Politische Förderung Persönliche Präferenz Geschichte … jedoch Trend zu einer rein ökonomischen Standortlogik erkennbar Wien befindet sich damit in einem direkten Standortwettbewerb mit dynamischen osteuropäischen Metropolen wie Budapest und Prag. Diese werden im Zuge der EU-Osterweiterung Schritt für Schritt ihre einstigen Standortnachteile bei Bildungsniveau, Informationsbeschaffung, Transportinfrastruktur und Dienstleistungen wettmachen und so im Vergleich zu Wien immer weiter an Attraktivität gewinnen. Von den noch 1996 in einer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführten Umfrage genannten Standortvorteilen gegenüber osteuropäischen Städten sind schon heute nahezu alle obsolet. ÖSTERREICHS ROLLE ALS BRÜCKENKOPF ZU OSTEUROPA ERSCHEINT GEFÄHRDET Traditionelle Standortkriterien Ökonomische Vorteile Nach EUVor EUOsterweiterung Osterweiterung Zugang zum Ostmarkt Informationsbeschaffung Bildungsniveau Transportinfrastruktur Lokale Dienstleistungen Quellen: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung 1996; BCG-Analyse; Firmeninterviews Kommentar Nach Ostöffnung und EU-Osterweiterung nicht mehr relevant; Unternehmen können sich direkt in Osteuropa positionieren Verliert nach EU-Osterweiterung an Bedeutung Besseres Management-Know-how in Osteuropa durch kontinuierlichen Know-how-Transfer relativiert traditionelle Vorteile Infrastrukturanbindung alternativer EU-Standorte stark verbessert Infrastruktur innerhalb Osteuropas verbessert Ausbau der notwendigen lokalen Dienstleistungen in Osteuropa Hoch Gering 11 Drittens können sich bestehende Osteuropazentralen nach Abschluss der Aufbauphase ihrer Ostbearbeitung (Aufbau von Landesorganisationen und Vertriebsnetzen etc.) verschlanken. Ausschließlich für den Aufbau notwendige Kapazitäten werden in der nun folgenden Konsolidierungsphase reduziert, marktnah auszuführende Funktionen an die in Osteuropa direkt tätigen Landesorganisationen transferiert. Der notwendige Leistungsumfang der bestehenden regionalen Osteuropazentralen sinkt also. Die volkswirtschaftliche Tragweite dieser Entwicklungen darf nicht unterschätzt werden. Multinationale Unternehmen wurden für diese Studie zwar in besonderer Weise empirisch berücksichtigt, da sie den Standort Österreich besonders nüchtern beurteilen. Doch auch heimische Unternehmen werden ihre Zentralen-Strategie für Osteuropa im Hinblick auf Standortveränderungen und Geschäftsverlagerungen kritisch hinterfragen müssen. Damit wird die volkswirtschaftliche Bedeutung verstärkt. Mit Hinblick auf die erhebliche Brisanz und Tragweite des Themas hat sich The Boston Consulting Group entschieden, die Rolle Österreichs als Brückenkopf noch einmal von Grund auf neu zu analysieren. Ziel der vorliegenden Studie ist es, eine rea- 2 12 listische Einschätzung von Österreichs Potenzial als zukünftiger Brückenkopf zu Osteuropa zu erstellen. Eine Prognose der zukünftigen Entwicklung österreichischer Osteuropazentralen dient dabei als Grundlage, um Unternehmen und Politik konkrete Anregungen und Empfehlungen für Standort- und Zentralen-Strategie zu geben. Die Studie ist daher in zwei Teile gegliedert: ■ Teil 1: Die Zukunft der österreichischen Osteuropazentralen. Worin bestehen zukünftig die Aufgaben für Osteuropazentralen? Worin liegt dabei die Chance für den Standort Österreich? Wie wird sich eine typische Osteuropazentrale in der Zukunft bezüglich ihres Wirkungskreises, ihres Branchenfokus und der Funktionen, die sie ausübt, entwickeln? ■ Teil 2: Empfehlungen. Wie können sowohl internationale als auch österreichische Unternehmen die Strategie für ihre Osteuropazentralen optimieren? Wie kann Österreich die sich ergebenden Chancen nutzen? Der Studie liegen eine Firmenumfrage bei 25 Unternehmen sowie Einzelinterviews bei neun führenden Osteuropazentralen zu Grunde.2 Da ein Großteil der befragten Unternehmen eine Osteuropazentrale in Österreich unterhält, kann angenommen werden, dass die Antworten generell etwas positiver gegenüber dem Standort Österreich ausfallen. T EIL 1: DIE ZUKUNFT DER ÖSTERREICHISCHEN OSTEUROPAZENTRALEN Das Profil einer typischen Osteuropazentrale in Österreich In unserer Studie wurden ausschließlich operative Osteuropazentralen multinationaler Unternehmen berücksichtigt. Eingeschlossen wurden dabei alle Zentralen, die mehr als ein osteuropäisches Land betreuen – wobei auch einige Zentralen, welche nicht mehr in Österreich sind, miteinbezogen wurden. Die Erfüllung einer strikten juristischen Definition von Osteuropazentralen war keine Bedingung für die Aufnahme in unsere Studie. Die Osteuropazentralen österreichischer Unternehmen wurden in unseren Umfragen nicht berücksichtigt, da sie auf Grund des Zusammenfallens der regionalen und der globalen Zentrale nur über eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten verfügen. Trotzdem sind die Ergebnisse unserer Analyse auch für österreichische Unternehmen relevant. Klare Schwerpunkte bei Herkunft und Wirkungskreis Unter den in unserer Studie berücksichtigten Osteuropazentralen sind sowohl hinsichtlich Herkunft als auch Wirkungskreis eindeutige Schwerpunkte erkennbar. Fast ein Drittel der österreichischen Osteuropazentralen stammen aus Deutschland und der Schweiz, knapp die Hälfte aus Übersee. Relativ wenige Zentralen kommen aus den nicht deutschsprachigen Regionen Europas. Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien. Österreich investiert in diese Länder nicht nur durchschnittlich eine Milliarde Euro pro Land, sondern hält auch einen hohen Anteil an den gesamten ausländischen Investitionen (10 – 50 Prozent). In Nordosteuropa (Polen und ehemalige UdSSR) sind die österreichischen Investitionen dagegen sehr viel geringer, sowohl absolut (durchschnittlich unter einer halben Milliarde Euro pro Land) als auch relativ (0 – 5 Prozent der gesamten ausländischen Investitionen). Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Österreichs Ostinfrastruktur und Know-how vor allem auf die Nachbarregion konzentriert sind. Daher ist es wahrscheinlich, dass multinationale Unternehmen Österreich auch weiterhin besonders im Hinblick auf Österreichs Nachbarregion bevorzugen werden. Stark wachsende österreichische Direktinvestitionen in Südosteuropa (75 – 300 Prozent Wachstum pro Jahr je nach Land) deuten jedoch auf eine mittelfristige Ausweitung des Wirkungskreises österreichischer Osteuropazentralen hin. Insbesondere Bulgarien, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und SerbienMontenegro werden zukünftig eine größere Rolle für die österreichischen Osteuropazentralen spielen. Schon heute geben 59 Prozent der befragten Unternehmen Südosteuropa als Wirkungskreis ihrer Osteuropazentralen an. Die durchgeführten Firmeninterviews zeigen jedoch, dass die tatsächliche Präsenz der Unternehmen in Südosteuropa mit kleinen Vertriebsbüros und Repräsentanzen zumeist noch erheblich schwächer ausgebildet ist als in Österreichs direkter Nachbarregion, wo häufig schon Landesorganisationen als "Legal Entities" bestehen. Bei 90 Prozent aller Osteuropazentralen in Österreich konzentriert sich die Tätigkeit auf die unmittelbare Nachbarregion, bestehend aus Tschechien, 15 Vo r a u s exe mpl ar für di e Pr es s e "NACHBARREGION" ALS WIRKUNGSKREIS DER HEUTIGEN OSTEUROPAZENTRALEN IM FOKUS "Nordosteuropa" Polen Russland Weißrussland Ukraine Estland Lettland Litauen Deutschland/ Schweiz Übersee 46 % Nordosteuropa "Nachbarregion" Tschechien Ungarn Slowakei Kroatien Slowenien 33 % 29 % 88 % Nachbarregion Sonstiges 25 % Europa "Südosteuropa" Bosnien Serbien Mazedonien Albanien Bulgarien Rumänien 59 % Südosteuropa Quellen: (a) Herkunftsland: BCG-Research, Hochrechnung auf Basis von 28 identifizierten Fortune-500-Zentralen (b) Wirkungskreis: BCG-Firmenumfrage, Mehrfachnennung erlaubt; Aussage deckt sich mit einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (1996) HOHE DIREKTINVESTITIONEN BESTÄTIGEN STARKE AFFINITÄT ÖSTERREICHS ZUR "NACHBARREGION" Wachstum österreichischer Direktinvestitionen in den Jahren 1999 – 2001 (%) (x.) 300 Serbien Bosnien (8.) Rumänien (6.) Kroatien (1.) Ranking Österreichs, wo angegeben € 1.000 Mio. Investitionsbestand 100 Russland (13.) Bulgarien (5.) Slowakei (3.) Polen (10.) Ukraine (10.) 50 "Nordosteuropa" "Nachbarrregion" Tschechien (3.) Slowenien (1.) Lettland 0 Weißrussland (7.) Ungarn (3.) Estland -50 10 20 30 50 Österreichischer Anteil an den Gesamtinvestitionen 2001 (%) Österreichische Affinität zur "Nachbarregion" führt zu Fokussierung von Infrastruktur und Know-how auf diese Länder Ausweitung des Infrastrukturangebots auf Südosteuropa auf Grund wachsender Investitionsbestände wahrscheinlich Nordosteuropa auch weiterhin selten im Fokus österreichischer Zentralen Quelle: Österreichische Wirtschaftskammer (2003) 16 "Südosteuropa" Marktbetreuung und -koordination im Wertschöpfungsfokus Regionale Osteuropazentralen stellen eine Mischung aus zentraler und lokaler Wertschöpfung dar. Alle Funktionen, von Finanzierung/Investitionen über Marketing und Produktion bis zu Vertrieb und Logistik, können regional gebündelt werden. Die tatsächlichen Funktionen einer regionalen Zentrale sind aber stark von Zielmarkt und Unternehmensstrategie abhängig. Die Zielregion österreichischer Osteuropazentralen – insbesondere die Länder Slowenien, Tschechien und Ungarn – wird dank ihrer bereits relativ hohen Kaufkraft (durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen pro Jahr von rund $15.000) als Absatzmarkt immer attraktiver. Marktbetreuung und -koordination stehen daher im Wertschöpfungsfokus der Zentralen. "NACHBARREGION" BEREITS EIN ABSATZMARKT MIT HOHER KAUFKRAFT BIP pro Kopf 2002 (Index: Österreich = 100) 70 Slowenien 60 Tschechien 50 Slowakei Estland 40 Litauen Russland Polen Strategischer Fokus: Absatzmarkt Strategischer Fokus: Beschaffungsmarkt Lettland 30 Kroatien Rumänien 20 $ 150 Mrd. BIP 2002 Ungarn Ukraine Entwicklungspfad 10 0 10 20 30 50 40 60 Lohnstückkosten 2002 (Index: Österreich = 100) Quellen: CIA Factbook 2002; Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche 2002 Die Ergebnisse unserer Firmenumfrage bestätigen diese Hypothese. Folgende Funktionen stehen im Mittelpunkt der Arbeit österreichischer Osteuropazentralen: ■ Managementfunktionen: Human Resources, Budgetierung/Controlling, Investitionsentscheidungen ■ Marktbetreuungsfunktionen: Strategisches Marketing, Vertriebskoordination, Werbung/ Vertrieb/Logistik ■ Supportfunktionen: IT-Dienstleistungen, Backoffice Die Funktionen Produktion oder operatives Management bilden damit typischerweise keinen Schwerpunkt für die Arbeit der Osteuropazentralen in Österreich. 17 MARKTBETREUUNG UND -KOORDINATION IM FOKUS ÖSTERREICHISCHER OSTEUROPAZENTRALEN Wertschöpfungsfokus Überregionale Zentrale Entwicklung/ Finanzierung/ ProduktionsInvestition vorgaben Strategisches Marketing Produktion Werbung und PR Vertrieb Logistik Die wichtigsten Funktionen der österreichischen Osteuropazentralen (1) Anteil Einstufung als "wichtig" (%) 72 72 44 39 Vertriebskoordination Werbung, Vertrieb, Logistik 67 55 50 Budgetierung, Controlling Investitionsentscheidung Regionale Zentrale Strategisches Marketing Marktbetreuungsfunktion Landesorganisationen Entwicklung/ Finanzierung/ ProduktionsInvestition vorgaben (1) Einstufung von mindestens 7 auf einer Skala von 0 bis 10 Quelle: Firmenumfrage der Boston Consulting Group bei 25 Unternehmen, Mai bis Juni 2003 Die zukünftigen Aufgaben der Osteuropazentralen Eine regionale Steuerung bietet nachhaltige strategische Vorteile Multinationale Unternehmen können über eine regionale Steuerung je nach Produkt- und Marktstrategie nachhaltige Vorteile im Vergleich zu einer überregionalen oder lokalen Steuerung erzielen. Dies gilt vor allem in der Phase des Aufbaus neuer Märkte, in der die Landesorganisationen noch keine kritische Größe erreicht haben. Gegenüber einer überregionalen Steuerung bietet eine regionale Zentrale bedeutend mehr Marktnähe. Im Vergleich beispielsweise zu einer in London tätigen Osteuropazentrale ist die Marktkenntnis einer regionalen Osteuropazentrale etwa in Wien wesentlich höher. Die Entscheidungen des Managements orientieren sich enger an der Realität des lokalen Marktes ("enge Führung"). Zusätzlich begünstigt eine 18 Strategisches Marketing Human Resources Managementfunktion Produktion Werbung und PR Fokus IT-Dienstleistung Supportfunktion Vertrieb Logistik Kein Fokus regionale Zentrale die kulturelle und sprachliche Verflechtung mit dem Zielmarkt und fördert so vertiefte Geschäftsbeziehungen und Networking-Aktivitäten, die speziell im Hinblick auf eine Wachstumsstrategie nutzbringend sein können. Ein weiterer Vorteil einer regionalen gegenüber einer überregionalen Steuerung besteht durch den aktiven Knowhow-Transfer von der regionalen Zentrale zu den Landesorganisationen. Dies ist für Investitionen in die osteuropäischen "Transition-Economies" von erheblicher Bedeutung. Nach wie vor besteht, insbesondere in der Aufbauphase osteuropäischer Landesorganisationen, ein hoher Bedarf für einen Transfer von westlicher Unternehmenskultur und Managementexpertise. Auch im Vergleich zu einer lokalen Steuerung – z. B. Landesorganisation Tschechien mit eigener Zentrale in Prag, welche direkt an eine Produktdivision berichtet – bietet eine regionale Zentrale zahlreiche strategische Vorteile sowohl im Hinblick auf Kostenopti- mierungen als auch für einen verbesserten Knowhow-Transfer. So können unterschiedliche Funktionen, die auf der lokalen Ebene (noch) keine kritische Größe erreichen, regional gebündelt werden ("Regional Shared Services"). Regionale Synergieund Skaleneffekte einzelner Funktionen können dadurch optimal genutzt werden, was zu einer Qualitätsverbesserung und Kostensenkung führt. Die Ergebnisse unserer Firmenumfrage unterstützen diese Einschätzung der strategischen Vorteile regionaler Zentralen. NACHHALTIGE VORTEILE IN DER GESCHÄFTSLOGIK DURCH REGIONALE ZENTRALEN IDENTIFIZIERT Die wichtigsten Vorteile gegenüber überregionalen Zentralen Vorteile (1) 83 % Kulturelle/sprachliche Verflechtung Ähnlicher Kundenaufbau Gemeinsames Markenverständnis 67 % Know-how-Transfer Regionale Präsenz erleichtert Know-how-Transfer an die Landesorganisationen Enge Führung Kurze Entscheidungswege Kleine Führungsspanne Networking Regionale Präsenz erleichtert Networking-Aktivitäten Vorteile Einstufung als "wichtig" Marktnähe Region wird mit einem Vertriebsteam bearbeitet Standardisierte Marketingstrategie Die wichtigsten Vorteile gegenüber Landesorganisationen 56 % 44 % 39 % Einstufung als "wichtig" Kritische Größe Landesorganisationen noch nicht groß genug für Zentralen-Funktionen 78 % Synergien Qualitätsverbesserung durch zentrale Nutzung vor allem von administrativen Tätigkeiten 56 % Hohe Zentralen-Kompetenz Landesorganisationen noch ohne ausreichendes ManagementKnow-how 44 % Skaleneffekte Kostenoptimierung durch Nutzung von Skaleneffekten Historischer Marktzugang Vor 1989 Zugang zum Ostmarkt nur über lokale Distributoren möglich (1) 39 % 15 % (1) Einstufung von mindestens 7 auf einer Skala von 0 bis 10 Quelle: Firmenumfrage der Boston Consulting Group bei 25 Unternehmen, Mai – Juni 2003 Aber: Tendenz zu einer Straffung der Organisationsstrukturen Die grundsätzlichen Vorteile einer regionalen Steuerung sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass multinationale Unternehmen ihre Organisationsstrukturen vermehrt straffen. Die Existenz geographischer Zwischenstufen und damit auch regionaler Osteuropazentralen wird damit zunehmend in Frage gestellt. Dafür sind vor allem zwei Tendenzen verantwortlich: der erhöhte Kosten- und Ergebnisdruck der letzten Jahre sowie der Trend zu divisionalen Unternehmensstrukturen. Der erhöhte Kosten- und Ergebnisdruck der letzten Jahre rückt Aspekte der Effizienz und Transparenz in den Mittelpunkt der Organisationsstrategien internationaler Unternehmen. Zwischen dem Wunsch nach 19 größtmöglicher Marktnähe und der Notwendigkeit der Kosteneffizienz müssen zunehmend pragmatische Kompromisse gefunden werden. Im Zuge dieser Entwicklung kommt es zu einer immer stärkeren Divisionalisierung der Organisation multinationaler Unternehmen. Organisationsformen mit hauptsächlich geographischem Aufbau weichen Strukturen, die sich an Funktionen oder Produkten orientieren. Die Notwendigkeit regionaler Zwischenstufen im Aufbau multinationaler Unternehmen ist damit zusätzlich in Frage gestellt. Regionale Steuerung nur bei klaren Vorteilen gegenüber überregionaler und lokaler Steuerung Regionale Zentralen können im Grunde alle Wertschöpfungsfunktionen regional bündeln – umgekehrt gibt es aber kaum eine Wertschöpfungsfunktion, die nicht alternativ lokal oder überregional ausgeführt werden könnte. Da sowohl die überregionale Zentrale als auch die lokalen Landesorganisationen zumeist unverzichtbar sind, ist bei einer Straffung der Organisationsstrukturen am ehesten die regionale Zwischenstufe gefährdet. ■ Bei synergie- und skalenlastigen Funktionen besteht die Tendenz zur Abwanderung in die überregionale Zentrale. Einkauf, Dienstleistungen (z. B. IT) und Finanzfunktionen (z. B. Auditing, Controlling) werden daher vermehrt als "Central Shared Services" in einer überregionalen oder globalen Zentrale gebündelt. ■ Bei marktnah auszuführenden Funktionen besteht die Tendenz zur Abwanderung in die Landesorganisationen. Vertrieb, lokale Werbung und Produktadaption, Human-ResourceManagement, Rechtsberatung und lokale PR können zunehmend vor Ort durchgeführt werden. Dabei gilt der Grundsatz: Je weiter die Marktentwicklung pro Land fortgeschritten ist, desto eher ist die kritische Größe für eine lokale Ausführung der Zentralen-Funktionen erreicht. BEISPIEL: ZENTRALISIERUNG EINES GLOBAL FÜHRENDEN ENERGIEUNTERNEHMENS In den frühen 90er Jahren war das Unternehmen hauptsächlich regional orientiert und über regionale Zentralen aufgestellt. Zwischen 1996 und 1998 folgte eine über Komitees strukturierte Matrixorganisation, bis 1999 der geographische Aspekt nahezu gänzlich entfiel und einer Aufstellung über globale Geschäftsfelder wich. Heute unterstehen Landesorganisationen direkt den Geschäftsfeldern, regionale Strukturen wurden nachhaltig verschlankt. 20 REGIONALE ZENTRALEN GEFÄHRDET, DA NUR WENIGE FUNKTIONEN REGIONAL GEBUNDEN SIND Mögliche Abwanderungstendenzen regionaler Funktionen Abwanderungstendenz in überregionale Zentrale Überregionale Zentrale Einkauf Gebündelte Dienstleistungen (z. B. IT) Finanzfunktionen (Auditing, Controlling) Regionale Zentrale Abwanderungstendenz in Landesorganisationen Vertriebskoordination Werbung Produktadaption Human Resources Rechtliche Beratung Kommunikation Infrastruktur Landesorganisationen Quellen: BCG-Analyse; Firmeninterviews Auf Grund dieser Abwanderungstendenzen werden Best-Practice-Unternehmen in Zukunft Funktionen nur dann regional steuern, wenn dadurch klare Vorteile sowohl gegenüber einer überregionalen als auch gegenüber einer lokalen Steuerung ermöglicht werden. Das heißt konkret: Funktionen werden nur dann regional ausgeführt, wenn sie gleichzeitig skalierbar sind und auch Marktnähe voraussetzen. Skalierbar sind Funktionen unter anderem dann, wenn ■ Landesorganisationen noch zu klein für eine Steuerung vor Ort sind; ■ Skalen- und Synergieeffekte vorliegen. Marktnähe ist notwendig, wenn kulturelle/sprachliche Verflechtung, Know-how-Transfer, enge Führung und Networking in der Bearbeitung des Marktes eine signifikante Rolle spielen. 21 REGIONALE STEUERUNG IN ZUKUNFT NUR BEI KLAREN VORTEILEN GEGENÜBER ÜBERREGIONALER UND LOKALER STEUERUNG Notwendig Vorteile gegenüber überregionaler Steuerung Lokale Steuerung Regionale Steuerung Lokale oder überregionale Steuerung Überregionale Steuerung Marktnähe Nicht notwendig Nicht vorhanden Vorhanden Skalierbarkeit Vorteile gegenüber lokaler Steuerung Quellen: BCG-Analyse; Firmeninterviews Die entscheidenden Faktoren: Entwicklungsphase, Branche und Geschäftsmodell Zentralen-Funktionen werden nur dann regional durchgeführt, wenn dies Vorteile sowohl gegenüber überregionaler als auch gegenüber lokaler Steuerung bietet. Drei Faktoren bestimmen, ob diese Voraussetzung gegeben ist: ■ die Entwicklungsphase der Osteuropabearbeitung (Aufbau- versus Konsolidierungsphase), ■ die Branchenzugehörigkeit, ■ das Geschäftsmodell. Die Frage, in welcher Phase des Osteuropageschäfts sich ein Unternehmen befindet, ist mitentscheidend 22 für den Funktionsaufbau der regionalen Zentrale. Unternehmen, die noch am Anfang ihrer Eroberungsstrategie stehen, haben lokal noch nicht die kritische Größe, um Zentralen-Funktionen in östlichen Landesorganisationen ausführen zu können. Gleichzeitig ist eine überregionale Steuerung für eine enge Betreuung des Osteuropaaufbaus in den meisten Fällen – speziell bei Berücksichtigung des notwendigen Know-how-Transfers – zu marktfern. In der Aufbauphase des Osteuropageschäfts bietet eine regionale Steuerung daher über alle Funktionsstufen, Branchen und Geschäftsmodelle hinweg einschlägige Vorteile sowohl gegenüber lokaler als auch gegenüber überregionaler Steuerung. Nach Abschluss der Aufbauphase kommt es dann zu einer nach Branchen und Geschäftsmodellen diffe- renzierten Sichtweise regionaler Zentralen. Nur solche Funktionen sind nachhaltig auf regionaler Ebene optimiert, die selbst nach dem Aufbau autonomer Landesorganisationen nach Abschluss des Know-how-Transfers Bedarf für größtmögliche Marktnähe besteht, sind: ■ F & E: Healthcare, Telekom-Betreiber ■ weiterhin skalierbar sind und ■ Einkauf: Konsumgüter (Perishable Goods) ■ trotz Abschluss des Know-how-Transfers immer noch Marktnähe voraussetzen. ■ Produktion: Konsumgüter (Perishable Goods), Dienstleister, Zulieferer ■ Marketing: Retailorientierte Geschäftsmodelle Nachhaltig skalierbar sind Funktionen nur dann, wenn sie einen hohen Fixkostenanteil besitzen. Je nach Wertschöpfungsstufe trifft dies beispielsweise auf folgende Branchen zu: ■ ■ ■ ■ Dagegen sind für Branchen der Großindustrie und Wholesale-Geschäftsmodelle Marktnähe und enge Führung generell weit weniger zwingend. Forschung und Entwicklung (F & E): Konsumgüter, Healthcare, Automotive, High Tech Einkauf: Schwerindustrie, Konsumgüter, Healthcare, Telekom (Geräte), Automotive, Utilities, High Tech Produktion: Schwerindustrie, Konsumgüter, Healthcare, Automotive, High Tech Marketing: Konsumgüter, Healthcare, Telekom (Geräte), Automotive, High Tech Relativ niedrige Fixkosten hingegen bestehen für die meisten Funktionen vor allem in der Dienstleistungsbranche. In dieser Branche existiert normalerweise also kein nachhaltiger Vorteil einer regionalen Steuerung, außer im Hinblick auf erforderlichen Know-how-Transfer. Skalierbarkeit und Notwendigkeit von Marktnähe bestehen gleichzeitig beispielsweise bei folgenden Funktionsstufen, Branchen und Geschäftsmodellen: ■ F & E: Healthcare ■ Einkauf: Konsumgüter (Perishable Goods) ■ Produktion: Konsumgüter (Perishable Goods), Zulieferer ■ Marketing: Retailorientierte Geschäftsmodelle, insbesondere in den Bereichen Konsumgüter, Healthcare und Automotive Es ist zu beachten, dass diese Analyse fallspezifisch durchgeführt werden muss. Die obige Branchen- und Geschäftsmodelleinteilung ist als beispielhafte Illustration zu betrachten. Die Notwendigkeit von Marktnähe ist je nach Branchenzugehörigkeit und Geschäftsmodell unterschiedlich. Beispiele für Funktionen, bei denen auch 23 ENTSCHEIDUNG FÜR REGIONALE STEUERUNG IN AUFBAU- UND KONSOLIDIERUNGSPHASE UNTERSCHIEDLICH Aufbauphase Konsolidierungsphase Vorteile gegenüber überregionaler Steuerung? Vorteile gegenüber überregionaler und lokaler Steuerung? Über alle Funktionen gegeben, da Marktnähe beim Aufbau östlicher Landesorganisationen essenziell Von Funktion, Branche und Geschäftsmodell abhängig Beispielhafte Darstellung: Branche Vorteile gegenüber lokaler Steuerung? Über alle Funktionen gegeben, da östliche Landesorganisationen noch zu klein und Steuerung damit skalierbar F&E Healthcare Einkauf Konsumgüter Produktion Konsumgüter (Perishable Goods), Zulieferer Geschäftsmodell Retailorientierte Geschäftsmodelle Marketing Regionale Steuerung fallspezifisch zu prüfen Regionale Steuerung über alle Funktionen hinweg sinnvoll Quellen: BCG-Analyse; Firmeninterviews Fazit ■ ■ Multinationale Unternehmen werden die Wertschaffung ihrer regionalen Zentralen im Zuge einer weiteren Straffung ihrer Organisationsstrukturen kritisch hinterfragen. ■ Dabei gilt der Grundsatz: Nur Funktionen mit klaren Vorteilen sowohl gegenüber überregionaler als auch gegenüber lokaler Steuerung werden zukünftig regional ausgeführt werden. Mit anderen Worten: Nur Funktionen, die gleichzeitig skalierbar sind und Marktnähe voraussetzen, werden für multinationale Unternehmen auch weiterhin als regional auszuführende Funktionen in Frage kommen. ■ 24 In der Aufbauphase der Bearbeitung osteuropäischer Märkte werden verstärkt bestehende Organisationsstrukturen genutzt. Eine regionale Steuerung bietet dabei über alle Branchen, Geschäftsmodelle und Funktionsstufen hinweg strategische Vorteile. In der Konsolidierungsphase sollte fallspezifisch nach Branchenzugehörigkeit und Geschäftsmodell analysiert werden, ob eine regionale Steuerung der Funktionen sinnvoll ist. Positionierung des Standortes Österreich Drei Parameter bei der Standortwahl: Zielmarkt, Standortbezug und Standortfaktoren Die erste Frage, die im Mittelpunkt von Teil 1 steht, ist damit beantwortet: Regionale Osteuropazentralen sind nach wie vor durchaus sinnvoll – allerdings nachhaltig nur für einen engen Korridor von Funktionen, Branchen und Geschäftsmodellen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der Standort Österreich gegen eine Abwanderung oder Verschlankung bestehender Osteuropazentralen abgesichert ist oder sogar neue Zentralen anziehen kann. Schließlich bieten sich seit der Öffnung der osteuropäischen Märkte und verstärkt im Zuge der EU-Osterweiterung auch Standorte wie Prag und Budapest für regionale Zentralen an. Damit sind wir bei der zweiten zentralen Frage unserer Analyse in Teil 1: Wie wird sich der Standort Österreich in diesem Standortwettbewerb behaupten können? Nachdem Österreichs historischer Vorteil als traditioneller Brückenkopf nach Osteuropa verloren gegangen ist, sind heute drei Auswahlparameter für die Ansiedlung oder den Ausbau von Osteuropazentralen entscheidend: ■ die relative Nähe zum Zielmarkt, ■ die bestehende wirtschaftliche Verflechtung mit dem Standort der regionalen Zentrale, ■ Standortfaktoren, die sich in die Qualität des Standortes ("Kompetenz") und die Kosten am Standort ("Effizienz") aufteilen lassen. Die relative Nähe zum Zielmarkt ist sowohl in geographischer Hinsicht als auch im Hinblick auf kulturelle Verflechtung, vertiefte Geschäftsbeziehungen und damit besseres Marktverständnis zu sehen. Die eindeutige geographische Schwerpunktsetzung österreichischer Osteuropazentralen indiziert die Bedeutung dieses Parameters: 90 Prozent der Unternehmen geben Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien als Zielregion an, verglichen mit 59 Prozent für Südosteuropa und nur 33 Prozent für Nordosteuropa. Gleichzeitig ist auch eine starke wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung mit dem Standort der regionalen Zentrale von großer Bedeutung. 90 Prozent der befragten Unternehmen hatten vor Aufbau der Osteuropazentrale bereits eine österreichische Landesorganisation. Bei 50 Prozent der befragten Unternehmen beträgt der Marktanteil in Österreich über 25 Prozent. Eine schon vorhandene lokale Präsenz kann also als Voraussetzung für den Aufbau einer regionalen Zentrale am Standort angesehen werden. Neben Nähe zum Zielmarkt und bestehender wirtschaftlicher Verflechtung mit dem Standort der regionalen Zentrale sind die Standortfaktoren "Kompetenz" und "Effizienz" für die Entscheidung der Unternehmen ausschlaggebend. Folgende Aspekte spielen bezüglich der Standortkompetenz eine besondere Rolle: ■ Die Infrastruktur – sowohl hinsichtlich der Transportanbindung an die Zielmärkte als auch hinsichtlich der Dienstleistungen (Beratungsunternehmen, Rechtsanwälte, IT) – ist für 61 Prozent der befragten Unternehmen wichtig. ■ Die Innovationsfreundlichkeit (speziell für Unternehmen mit hoher Bedeutung von F & E) ist für 44 Prozent der Unternehmen wichtig. ■ Standortproduktivität – insbesondere hinsichtlich unterstützender Dienstleistungen – und Ausbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter – vor allem im Hinblick auf Kenntnis osteuropäischer Sprachen und Förderprogramme – nannten 39 Prozent der befragten Unternehmen als wichtig. ■ Lebensqualität (Kultur und Freizeit, Schulausbildung) wurde von 39 Prozent der befragten Unternehmen als wichtiger Aspekt der Standortkompetenz genannt. ■ Die politische und sozioökonomische Stabilität des Standortes, Förderangebote und bürokratische Hemmnisse – etwa im Hinblick auf Arbeitsgenehmigungen für Ausländer – gaben 28 Prozent der befragten Unternehmen als wichtigen Aspekt der Standortkompetenz an. Bezüglich der Standorteffizienz spielen die folgenden Kostenfaktoren die wichtigste Rolle: ■ Steuerliche Belastung: Körperschaftssteuer, Einkommenssteuer (Fokus: ExpatriateBesteuerung), Schachtelprivilege zum Verrechnen von Verlusten mit osteuropäischen 25 Tochterunternehmen – für 11 Prozent der befragten Unternehmen wichtig. ■ Faktorkosten (Lohn- und Lohnnebenkosten) – für 6 Prozent der befragten Unternehmen wichtig. ■ Fixkosten (Grundstücke, Büros …) – für 6 Prozent der befragten Unternehmen wichtig. Der Standort Osteuropa holt im Zuge der EU-Osterweiterung auf Historisch gesehen besitzt Österreich gegenüber Osteuropa gerade bei der Standortkompetenz erhebliche Vorteile: ■ Die Infrastruktur der österreichischen Volkswirtschaft ist, was Transportanbindung und Dienstleistungen angeht, den osteuropäischen Ländern traditionell eindeutig überlegen. ■ In der Vergangenheit hat Österreich für viele Unternehmen als Innovationsstandort eine bedeutende Rolle gespielt, woraus eine besondere Kompetenz in diesem Bereich ableitbar ist. ■ Die Standortproduktivität ist noch immer um ein Drittel bis zur Hälfte höher als in Österreichs osteuropäischer Nachbarregion. Auch bei der Ausbildung gibt es Vorteile zumindest hinsichtlich Management-Know-how und -Training. ■ Österreich bietet mit seinem kulturellen Angebot, seinem Freizeitangebot sowie seiner sicheren Umgebung eine international anerkannte Lebensqualität. ■ Politische Stabilität in Österreich steht politischem Umbruch und Neuanfang in Osteuropa gegenüber. 26 Doch im Zuge der EU-Osterweiterung wird der Standort Osteuropa, wie bereits ausgeführt, bezüglich Produktivität, Management-Training, Innovationsfreundlichkeit, politischer Stabilität, Verwaltungskapazität und Infrastrukturangebot Schritt für Schritt zu Österreich aufschließen. Dieser Prozess wird durch starke EU-Förderprogramme (PHARE, ISPA, Ziel-1EU-Förderungen) für fast alle Nachbarländer Österreichs noch einmal beschleunigt. So erhält Österreichs Nachbarregion durchschnittlich vier- bis fünfmal so hohe EU-Förderungen pro Kopf wie Österreich. Österreichs traditionelle Nachteile bei den Standortkosten bleiben dagegen zumindest kurzfristig unvermindert bestehen. Einer Körperschaftssteuerbelastung von 34 Prozent und Lohnkosten von 20 Euro pro Stunde in Österreich stehen gerade einmal 18 Prozent und 8 Euro in Ungarn gegenüber. Mittelfristig werden die Faktorkosten der Ostländer allerdings steigen, und bereits heute liegen Budapest und Prag bei den Fixkosten (z. B. bei Büromieten) gleichauf mit Wien. Eine potenzielle Verlagerung des Geschäftsschwerpunktes multinationaler Unternehmen in Richtung Osten (z. B. Russland, Ukraine, Weißrussland) würde darüber hinaus Österreichs traditionelle Nähe zu den Zielmärkten Osteuropas abschwächen. Eine Tendenz für eine solche Verlagerung ist bereits bei 17 Prozent der befragten Unternehmen erkennbar. DURCH EU-OSTERWEITERUNG SUKZESSIVE SCHWÄCHUNG DER STANDORTVORTEILE ÖSTERREICHS VERSUS OSTEUROPA Einschätzung Österreich versus Osteuropa Status quo Entwicklung Bedeutung für Standort: (1) Einstufung als "wichtig" Nähe zum Zielmarkt 61 % Bezug zum Zentralen-Standort 44 % Produktivität Mittelfristig steigendes Produktivitäts- und Ausbildungsniveau in Osteuropa 39 % Ausbildung Österreich mit fallender Attraktivität(2) 44 % Innovationsfreundlichkeit Kompetenz Standortfaktoren Politisches Umfeld EU bringt politische und wirtschaftliche Stabilität, zusätzliche Förderung für Ostländer 28 % Infrastruktur 61 % 39 % Lebensqualität Steuern Effizienz Mögliche Verlagerung der Zielmärkte Richtung Osten 11 % Bessere verkehrstechnische Anbindung an den Westen Österreich eventuell mit langfristigem Vorteil Keine kurzfristige Veränderung absehbar Faktorkosten 6% Mittelfristig steigende Faktorkosten in Osteuropa zu erwarten Fixkosten 6% Keine kurzfristige Veränderung absehbar Vorteil für Standort Österreich Nachteil für Standort Österreich (1) Einstufung von mindestens 7 auf einer Skala von 0 bis 10 (2) Industriellenvereinigung, Januar 2003 Quelle: Firmenumfrage der Boston Consulting Group bei 25 Unternehmen, Mai bis Juni 2003 Eine Anmerkung soll noch dem Standortvergleich mit anderen westlichen Ländern gelten. Einerseits besitzt Österreich überlegenes kulturelles Know-how in Bezug auf die östliche Nachbarregion und Südosteuropa (für 50 Prozent der befragten Unternehmen bedeutsam). Die Nähe zu Osteuropa ermöglicht darüber hinaus eine bessere Infrastrukturanbindung im Vergleich zu sonstigen EU-Standorten, der Schweiz und Liechtenstein (für 89 Prozent der Unternehmen wichtig). Aus einer rein operativen Sicht bietet Österreich also weiterhin gewisse Standortvorteile. Auf der anderen Seite locken speziell die Schweiz und Liechtenstein mit weitaus niedrigeren Körperschaftssteuersätzen – 14 Prozent (pro Kanton variabler Mindeststeuersatz) und 20 Prozent im Vergleich zu 34 Prozent in Österreich. Und selbst Deutschland liegt nach der Steuerreform mit einer Körperschaftssteuer von 25 Prozent mittlerweile deutlich unterhalb des österreichischen Satzes. Wenn zusätzlich zur operativen Funktion auch steuertechni- sche Optimierung im Vordergrund steht, besteht damit ein schlagkräftiges Argument, einen alternativen westlichen Standort vorzuziehen. BEISPIEL FÜR DIE SELEKTIVE NUTZUNG DER STANDORTVORTEILE Internationales Healthcare-Unternehmen nutzt Wien als Standort für eine kleine operative Osteuropazentrale mit enger Anbindung an eine F&E-orientierte Landesorganisation in Österreich. Das juristische Headquarter liegt jedoch aus steuerlichen Gründen in der Schweiz, Finanzfunktionen werden als Shared Services in der Europazentrale Brüssel ausgeführt. 27 zentralen eine Kapazitätsreduktion. Trotz wachsenden Geschäfts schrumpft also die Tätigkeit von Österreichs Osteuropazentralen. Aussicht: Die österreichische Osteuropazentrale in fünf Jahren Die Resultate der Firmenumfrage und Einzelinterviews vermitteln folgende Einblicke in die Perspektiven bestehender Osteuropazentralen in Österreich: ■ Nur 28 Prozent der befragten Firmen streben eine Expansion der Osteuropazentrale am Standort Österreich an, obwohl 72 Prozent eine weitere Expansion des Osteuropageschäfts voraussehen. Dagegen planen 44 Prozent der bestehenden Osteuropa- ■ 61 Prozent der befragten Osteuropazentralen werden in Zukunft nach besseren Standortbedingungen suchen. Dabei sehen nur 28 Prozent eine Verlagerung der gesamten Zentrale vor (11 Prozent nach Osteuropa und 17 Prozent in alternative EU-Länder bzw. die Schweiz). 33 Prozent der befragten Unternehmen werden dagegen nur für einzelne Zentralen-Funktionen bessere Standortbedingungen suchen. STRAFFUNG UND "VIRTUALISIERUNG" DER REGIONALEN ZENTRALEN ZU ERWARTEN Veränderungsszenarien Vorteile Nachteile Verlagerung der gesamten Zentrale nach Osteuropa Ausnutzung der sukzessiven Standortverbesserung Osteuropas versus Österreich Evtl. zusätzlich gesteigerte Marktnähe Switching-Costs bei Infrastruktur, SupportServices und Personal Verlust von Kompetenzvorteilen Österreichs Verlagerung der gesamten Zentrale nach Westeuropa Evtl. fallspezifische Optimierung (z. B. Steuern) Bei Zentralisierung Straffung der Organisationsstruktur mit möglichen Effizienzgewinnen Switching-Costs bei Infrastruktur, SupportServices und Personal Verlust von Standortvorteilen Österreichs Taktische Nutzung von Standortvorteilen pro Funktion Bildung von standortoptimierten Kompetenzzentren Switching-Costs bleiben gering Vermehrter Abstimmungsbedarf Verlagerung einzelner Funktionen ("Virtualisierung") Straffung/Reduktion der Osteuropazentrale Straffung der Organisation nach Abschluss der Aufbauphase und des Know-howTransfers Expansion am Standort Österreich Skaleneffekte und Synergien werden vergrößert (1) Mehrfachnennungen möglich Quelle: Firmenumfrage der Boston Consulting Group bei 25 Unternehmen, Mai bis Juni 2003 28 Anteil Nennungen der (1) befragten Zentralen 11 % 17 % 33 % 44 % Verstärkter "Lock-in"-Effekt in Österreich trotz fallender Standortattraktivität 28 % Schwerpunkte der zu erwartenden Veränderungstendenzen In Kombination mit den Überlegungen zur Geschäftslogik- und Standortanalyse ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für die bestehenden Osteuropazentralen in Österreich: BEISPIELE FÜR DIE "VIRTUALISIERUNG" VERLAGERTER OSTEUROPAZENTRALEN ■ Internationales Industrial-Goods-Unternehmen gibt nach Abschluss der Aufbauphase östlicher ■ ■ Landesorganisationen 1998 seine österreichische Trotz einer relativen Standortverbesserung Osteuropas im Vergleich zu Österreich und einer weiteren Straffung der Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen ist eine Abwanderung ganzer Osteuropazentralen aus Österreich relativ unwahrscheinlich. Allerdings wird es zu einer erheblichen Verschlankung der bestehenden Zentralen kommen. Folgende Faktoren sind dafür verantwortlich: Osteuropazentrale auf. Die bisherige ZentralenStruktur wird in die Europazentrale in Luxemburg integriert. Dabei werden einzelne regionale Zentralen-Funktionen jedoch an verschiedenen Orten (Prag, Wien) lokal ausgeführt. ■ Internationales Energieunternehmen teilt seine österreichische Osteuropazentrale nach Abschluss der Aufbauphase der Ostbearbeitung wie folgt auf: – sche Größe erreicht haben (ca. 1.000 Mit- – Nach Abschluss der Aufbauphase ihres Osteuropageschäfts werden internationale Unternehmen die nur diesem Aufbau gewidmeten Kapazitäten in der nun folgenden Konsolidierungsphase wieder abbauen. arbeiter), führen selbstständige ZentralenFunktionen aus und berichten direkt an die überregionale Zentrale (z. B. Polen). – – Skalierbare Funktionen werden auf der überregionalen Ebene gebündelt, um die Kosteneffizienz zu steigern. Östliche Landesorganisationen, die eine kriti- Kleinere Landesorganisationen unterstehen einem "virtuellen" Zentralen-Netzwerk: Je nach lokaler Kompetenz übernehmen einzelne Landesorganisationen die regionale Steuerung für bestimmte Funktionen. Wien übernimmt – Funktionen, die größtmögliche Marktnähe voraussetzen, werden lokal gesteuert. keine Zentralen-Funktionen mehr. – Weiterhin regional auszuführende Funktionen werden standortoptimiert. ■ Durch die Standortoptimierung einzelner Funktionen wird es verstärkt zu einer "Virtualisierung" der Osteuropazentralen kommen: Verschiedene Funktionen werden an verschiedenen Standorten ausgeführt. Diese Entwicklung gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass auch gänzlich aus Österreich abgezogene Zentralen nach der Verlagerung "virtualisiert" werden. Der entscheidende Vorteil solch "virtueller" Organisationsformen ist, dass sie die Nutzung von Skalenpotenzialen bei gleichzeitiger Standortoptimierung erlauben. Selbst in Fällen, in denen sich der Aufbau oder die Erhaltung einer vollständigen Osteuropazentrale in Österreich nicht lohnt, besteht dadurch die Chance, dass zumindest einzelne ZentralenFunktionen internationaler Unternehmen in Österreich verbleiben bzw. angezogen werden können. 29 WIE SIEHT ALSO DIE ÖSTERREICHISCHE OSTEUROPAZENTRALE DER ZUKUNFT KONKRET AUS? Um die zu erwartenden Trends zu veranschaulichen, hat BCG ein Zukunftsszenario für eine fiktive Osteuropazentrale entwickelt. Ausgangsbasis ist eine Zentrale in Österreich mit 35 Vollzeitkräften (VZK) und folgender Funktionsaufteilung: ■ 10 VZK im Bereich Strategisches Marketing (hauptsächlich Brand- und Produktmanager sowie zwei Führungskräfte im Marketing Osteuropa) ■ 5 VZK im Finanzbereich (Schwerpunkt Controlling und Budgetierung) ■ 5 VZK im Bereich F & E (regionale F & E für Osteuropa) ■ 2 VZK zum Aufbau der östlichen Landesorganisationen ■ 8 VZK im Vertrieb mit der Aufgabe, den lokalen Vertrieb in Osteuropa über Distributoren und Landesorganisationen zu koordinieren ■ 5 VZK im Dienstleistungsbereich (Backoffice und IT) Mittelfristig wird sich die Zentrale stark verschlanken und strukturell verändern. Vier Faktoren sind dafür verantwortlich: ■ Eine Zentralisierung von Shared-Services-Funktionen auf überregionaler Ebene, um Skaleneffekte und Synergien voll auszuschöpfen ■ Ein Transfer der unteren Hierarchiestufen aller bisher regional ausgeführten Zentralen-Funktionen in die östlichen Landesorganisationen, um ein größtmögliches Maß an Marktnähe zu garantieren ■ Eine Reduktion bzw. Verlagerung der zum Aufbau der östlichen Landesorganisationen notwendigen Kapazitäten nach Abschluss der Aufbauphase ■ Eine Standortoptimierung der einzelnen regionalen Funktionen im Sinne einer "Virtualisierung": Funktionen, für welche die Standorteffizienz ausschlaggebend ist, wandern nach Osteuropa ab. Funktionen, für die die Standortkompetenz entscheidend ist, verbleiben in Österreich. Die Ausgestaltung einer "virtuellen" Zentrale ist letztendlich stark von der Ausprägung lokaler Kompetenzen abhängig. In unserem Beispiel könnten diese Faktoren folgende konkreten Veränderungen bewirken: ■ Zentralisierung von Shared-Services-Funktionen: 4 VZK im Finanzbereich und 2 VZK im Dienstleistungsbereich (IT) wandern in die Europazentrale des Unternehmens ab. ■ Transfer von unteren Hierarchiestufen in die Landesorganisationen: 8 Brand- und Produktmanager werden in östliche Landesorganisationen transferiert; in Österreich verbleiben nur noch 2 Führungskräfte im Bereich Strategisches Marketing. ■ Reduktion bzw. Verlagerung von Aufbaukapazitäten: Die 2 Aufbau-VZK werden im Unternehmen anderweitig eingesetzt (z. B. in lokalen Zentralen) oder abgebaut. ■ Standortoptimierung der regionalen Zentralen-Funktionen: Vertriebs- und Backoffice-Funktionen (zusammen 11 VZK) werden in eine osteuropäische Zentrale verlagert (z. B. Ungarn), da sie hier mit größerer Kosteneffizienz ausgeführt werden können. Die österreichische Regionalzentrale würde somit von 35 VZK auf nur noch 8 VZK verschlankt, die ausschließlich in Funktionen angesiedelt sind, welche die besondere Standortkompetenz Österreichs nutzen (2 Führungskräfte im Strategischen Marketing, 1 VZK im Finanzbereich und 5 VZK im F&E-Bereich). 30 TYPISCHE REGIONALE ZENTRALEN WERDEN SICH DURCH FUNKTIONALE ABWANDERUNG VERSCHLANKEN Beispielhafte Entwicklung einer fiktiven Osteuropazentrale Status quo Stand in 2 – 5 Jahren Überregionale Zentrale: +6 MA Überregionale Zentrale Regionale Zentrale Östereich: 35 MA Finanzfunktionen 4 MA Dienstleistungen (IT) 2 MA Strategisches Marketing 10 MA Finanzfunktionen 5 MA F&E 5 MA Aufbau östlicher Landesorgas 2 MA Regionale Zentrale Östereich: -27 MA Strategisches Marketing Finanzfunktionen F&E 2 MA 1 MA 5 MA Vertrieb Dienstleistungen (Backoffice, IT …) Regionale Zentrale Ungarn: +11 MA Vertrieb Dienstleistungen (Backoffice, IT …) 8 MA 3 MA 8 MA 5 MA Lokales Marketing Landesorganisationen Landesorganisationen: +10 MA 8 MA Transfer Aufbaumanager an Landesorganisationen 2 MA "Virtualisierung" der Zentrale erlaubt Nutzung des Skalenpotenzials bei gleichzeitiger Standortoptimierung Ausgestaltung der "virtuellen" Zentrale letztendlich stark von vorhandenen Kompetenzen abhängig Durch vermehrte "Virtualisierung" Chance für Ansiedlung einzelner regionaler Funktionen in Österreich Quellen: BCG-Analyse; Firmeninterviews Funktionen mit Schwerpunkt Standortkompetenz Funktionen mit Schwerpunkt Standorteffizienz 31 T EIL 2: EMPFEHLUNGEN Empfehlungen für Unternehmen Optimierung der Osteuropazentralen-Strategie in zwei Schritten Im Zuge von Globalisierung und EU-Osterweiterung ergeben sich sowohl für internationale als auch für österreichische Unternehmen Chancen, die Strategie für ihre Osteuropazentralen zu optimieren. In Osteuropa aktive westliche Unternehmen sollten deshalb ihre bestehende Zentralen-Strategie neu überdenken. Drei Wertschöpfungshebel stehen im Mittelpunkt einer Optimierung der Osteuropazentralen: ■ Zentralisierung von Funktionen mit Synergieund Skaleneffekten ■ Lokalisierung von marktnah auszuführenden Funktionen ■ Standortoptimierung der verbleibenden regionalen Funktionen Die Lokalisierung von marktnah auszuführenden Funktionen führt zu einer Stärkung der strategischen Positionierung vor Ort. Funktionen, die Marktnähe, enge Führung, Networking sowie kulturelles und sprachliches Know-how voraussetzen, werden an Landesorganisationen abgegeben. Zum Beispiel kann unter Umständen die Vertriebskoordination aus der regionalen Zentrale in die einzelnen lokalen Landesorganisationen abwandern. Bei allen auf der regionalen Ebene verbleibenden Funktionen sollten darüber hinaus Standortkompetenz und -effizienz der einzelnen Länder optimal genutzt werden. Dies kann zur Entstehung einer "virtuellen" Zentrale führen. Verschiedene regionale Funktionen werden dann an verschiedenen Standorten ausgeführt. Die Zentralisierung von bestimmten Funktionen hat eine Steigerung der Kosteneffizienz zum Ziel. Dabei werden skalen- und synergiegetriebene Funktionen auf einer höheren Organisationsebene zusammengefasst. Beispielsweise kann ein bisher regional für Osteuropa ausgeführtes Controlling in Zukunft auf überregionaler Ebene, etwa in der Europazentrale, durchgeführt werden. 33 DREI HEBEL ZUR OPTIMIERUNG VON BESTEHENDEN OSTEUROPAZENTRALEN Beschreibung Zentralisierung von Funktionen mit Synergieund Skaleneffekten Lokalisierung von marktnah auszuführenden Funktionen Standortoptimierung der regionalen Funktionen Zusatznutzen Funktionen mit Synergie- und/oder Skaleneffekten werden als "Shared Services" auf einer höheren Organisationsstufe zusammengefasst Transfer von bisher in Landesorganisationen ausgeführten Funktionen in die regionale oder die überregionale Zentrale Transfer von bisher regional ausgeführten Funktionen in die überregionale Zentrale Funktionen, die Marktnähe, enge Führung und kulturelle/sprachliche Verflechtung voraussetzen, werden lokalisiert Transfer von bisher regional ausgeführten Funktionen in die Landesorganisationen Alle regional ausgeführten Funktionen werden standortoptimiert Optimierung der Standortwahl für die regionale Zentrale Optimierung der Standortwahl für einzelne regionale Zentralen-Funktionen Kostenvorteile Stärkung der strategischen Positionierung in Osteuropa vor Ort Kostenvorteile, verbesserte Funktionserfüllung Quelle: BCG-Analyse Schritt 1: Bestimmung der regional auszuführenden Funktionen über drei Parameter Ob die Voraussetzung für eine regionale Steuerung der Funktion gegeben ist, sollte fallspezifisch entschieden werden. Drei Parameter sind dabei – wie bereits erwähnt – entscheidend: ■ Entwicklungsphase des Osteuropageschäfts (Aufbau versus Konsolidierung) ■ Branchenzugehörigkeit ■ Geschäftsmodell In der Aufbauphase des Osteuropageschäfts bestehen über alle Funktionen, Branchen und Geschäftsmodelle hinweg Vorteile für eine regionale Strategie. Unternehmen, die am Anfang ihrer Osteuropastrategie stehen, sollten deshalb unbedingt den Aufbau einer regionalen Zentrale – und zwar für alle Funktionen (F & E, Einkauf, Marketing …) – in Erwägung ziehen. 34 In der Konsolidierungsphase des Osteuropageschäfts muss je nach Lage und Strategie des einzelnen Unternehmens entschieden werden, welche Funktionen weiterhin regional auszuführen sind. Branchenzugehörigkeit und Geschäftsmodell entscheiden darüber, ob die Voraussetzung für eine regionale Steuerung der Funktionen – nämlich gleichzeitige Skalierbarkeit und Notwendigkeit der Marktnähe – immer noch gegeben ist. Schritt 2: Standortoptimierung der regional auszuführenden Funktionen Nachdem auf diese Weise bestimmt worden ist, welche Funktionen weiterhin regional auszuführen sind, sollte für jede dieser Funktionen der optimale Standort gefunden werden. Dabei sind drei Aspekte entscheidend: ■ Zielmärkte: Sind die Zielmärkte vorwiegend in Österreichs Nachbarregion oder weiter in Südosteuropa zu suchen, so ist Österreich sicherlich ein passender Standort. Liegen die Zielmärkte hingegen weiter im östlichen Osteuropa oder in Nordosteuropa, so wird man unter Umständen von Deutschland aus oder direkt vor Ort besser operieren können. Österreich hat für diese Länder keine wesentlichen Standortvorteile zu bieten. ■ Positionierung am Standort: Wie weiter oben beschrieben, errichten Unternehmen zumeist nur dort eine regionale Zentrale, wo es bereits eine relativ starke Landesorganisation gibt, um Synergien so gut wie möglich zu realisieren. Dementsprechend ist eine gut ausgebaute Landesorganisation an einem Standort eine Voraussetzung, um regionale ZentralenFunktionen auszuführen. Standortfaktoren: Sind die Zielmärkte nah gelegen und ist an diesem Standort bereits eine Landesorganisation vorhanden, so müssen nun in einem letzten Schritt die relevanten Standortfaktoren zwischen den noch verbliebenen Alternativen verglichen werden – und zwar sowohl in Bezug auf Kompetenz als auch auf die Effizienz des Standortes. ■ Anhand der oben vorgenommenen Standortanalyse kann die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für den Standort Österreich wie folgt eingeschätzt werden: ENTSCHEIDUNG FÜR ÖSTERREICH ÜBER DREI AUSWAHLPARAMETER Zielmarkt Bezug zum ZentralenStandort Österreich Standortfaktoren Beeinflussbar Kompetenz Stark Effizienz Nachbarregion und Südosteuropa Hoch Kompetenz Schwach Effizienz Kompetenz Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für den Standort Österreich Stark Effizienz Nordosteuropa Kompetenz Schwach Effizienz Niedrig Quelle: BCG-Analyse Die Optimierung der regional auszuführenden Funktionen kann zu einer "Virtualisierung" der Osteuropazentralen führen. Backoffice-Funktionen zum Beispiel sind an einem Standort mit geringen Faktorkosten (d. h. mit hoher Kosteneffizienz) am besten aufgehoben. Regionale F & E dagegen sollte an einem Standort mit hoher Innovationskompetenz angesiedelt werden. So kann eine "virtuelle" Zentrale entstehen, die verschiedene Funktionen an verschiedenen Standorten durchführt. 35 Stärkung des gemeinsamen Standortlobbyings Zusätzlich zur vorgeschlagenen Funktionen- und Standortoptimierung sollten Osteuropazentralen sich zu einer Lobbyingoffensive zusammenschließen, um ihre Position gegenüber der Politik zu stärken. Ziel sollte es sein, die notwendigen Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu beschleunigen. ■ Innovation: Aufbauend auf dem hohen Bildungsniveau sollte sich Österreich als "Wiege der Innovation" begreifen. Die befragten Firmen schlugen konkret die Bildung von Förderungsfonds durch die öffentliche Hand vor. ■ Politisches Umfeld: Die restriktive Handhabung der Arbeitsbewilligungen für NichtEU-Bürger stellt ein bedeutendes Hindernis für die befragten Konzerne dar. Auch zeitlich beschränkte Bewilligungen sind weiterhin nur schwer zu erhalten. Zumindest im Hinblick auf Mitarbeiter aus den Oststaaten ist im Zuge der EU-Erweiterung eine Lösung in Sicht. Doch auch für Manager aus Übersee ist das Thema relevant. Weiters kann eine politische Unterstützung bei der Ausschöpfung des Förderangebots innerhalb der bestehenden EUProgramme erhebliche Erleichterungen für Betriebe mit sich bringen. ■ Infrastruktur: Die Straßen-, Flug- und Eisenbahnanbindung an die osteuropäischen Nachbarstädte sollte weiter ausgebaut werden. Speziell die Straßenverbindung nach Prag und Bratislava wurde in Interviews als nicht optimal bewertet. ■ Steuern: Die befragten Unternehmen gaben Anregungen hinsichtlich einer vorteilhafteren Besteuerung von Expatriates und Holdingstrukturen. Empfehlungen für die Politik Ein auffälliges Ergebnis unserer Umfrage ist, dass bei der Standortauswahl besonders Faktoren der Standortkompetenz eine bedeutende Rolle spielen. Natürlich sollte das Thema Standortkosten (-effizienz) deswegen trotzdem keinesfalls vernachlässigt werden. Doch sollten sich die Gestalter der Rahmenbedingungen auch darauf konzentrieren, Österreichs traditionelle Vorteile bei der Standortkompetenz aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen. Speziell mit Hinblick auf die zunehmende "Virtualisierung" der Osteuropazentralen bietet dies auch die Chance, den Standort Österreich für kompetenzlastige Funktionen zu profilieren. Unsere Firmenumfrage und -interviews gaben folgende Anregungen für spezifische Stoßrichtungen und Maßnahmen: ■ 36 Ausbildung: Osteuropa sollte vermehrt in den Mittelpunkt der Ausbildung in Österreich rücken. In den Firmeninterviews wurde konkret vorgeschlagen, Ostsprachenunterricht verstärkt zu fördern und Austauschprogramme mit östlichen Universitäten aufzubauen bzw. zu intensivieren. BCG Deutschland The Boston Consulting Group Dircksenstraße 41 10178 Berlin The Boston Consulting Group Stadttor 1 40219 Düsseldorf Te l : 0 3 0 2 8 8 7 - 1 0 Te l : 0 2 1 1 3 0 1 1 - 3 0 The Boston Consulting Group K ö l n Tu r m Im Mediapark 8 50670 Köln The Boston Consulting Group Chilehaus A Fischertwiete 2 20095 Hamburg Te l : 0 2 2 1 5 5 0 0 - 5 0 Te l : 0 4 0 3 0 9 9 - 6 0 The Boston Consulting Group Ludwigstraße 21 80539 München The Boston Consulting Group Kronprinzstraße 28 70173 Stuttgart Te l : 0 8 9 2 3 1 7 - 4 0 Te l : 0 7 1 1 2 0 2 0 - 7 0 The Boston Consulting Group A n d e r We l l e 3 6 0 3 2 2 Fr a n k f u r t a m M a i n Te l : 0 6 9 9 1 5 0 - 2 0 BCG Österreich Ansprechpartner The Boston Consulting Group Am Hof 8 1010 Wien Für weitere Informationen zu dieser Studie kontaktieren Sie bitte: Te l : 0 1 5 3 7 5 6 - 8 0 A n t o n e l l a M e i - P o c h t l e r : m e i - p o c h t l e r. a n t o n e l l a @ b c g . c o m Rainer Reich: [email protected] BCG The Boston Consulting Group Amsterdam Athens Atlanta Auckland Bangkok Barcelona Beijing Berlin Boston Brussels Budapest Buenos Aires Chicago Copenhagen Dallas Düsseldorf Frankfurt Hamburg Helsinki Hong Kong www.bcg.at Houston Istanbul Jakarta Köln Kuala Lumpur Lisbon London Los Angeles Madrid Melbourne Mexico City Miami Milan Monterrey Moscow München Mumbai New Delhi New York Oslo Paris Rome San Francisco Santiago São Paulo Seoul Shanghai Singapore Stockholm Stuttgart Sydney Taipei Tokyo Toronto Warsaw Washington Wien Zürich