Modularbeit: Die Darstellung der Frau in den contes von Guy de

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Modularbeit: Die Darstellung der Frau in den contes von Guy de
Universität Potsdam
Institut für Romanistik
Dozentin: Dr. Anne Christine Kraume
Wintersemester 2011/12
Modularbeit:
Die Darstellung der Frau in den contes von
Guy de Maupassant
vorgelegt von:
Tina Grunert
Schützenstraße 17
13127 Berlin
[email protected]
Matrikel-Nr.: 745250
Inhalt
Einleitung
S. 1-3
I. Die gesellschaftliche Stellung der Frau
S. 4-8
II. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau
S. 9-13
III. Sprachlich-stilistische Besonderheiten
S. 14-15
Fazit
S. 16
Bibliographie
S. 17
Einleitung
In der vorliegenden Arbeit sollen vier Erzählungen des französischen Schriftstellers
Guy de Maupassant (5. August 1850 – 6. Juli 1893) die Grundlage für eine literarische
Analyse bilden, die sich mit der Repräsentation der Frau auseinandersetzt. Hierbei stellt
sich die Frage, ob der Feminismus thematisiert oder eine klassische Rollenverteilung
vermittelt wird. Die ersten Frauenbewegungen fanden bereits Mitte des 19. Jahrhunderts
bzw. schon mit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts statt (vgl.
Devance 1988: 205). Bereits vor Maupassants Geburt wurden Frauen auch auf dem
literarischen bzw. journalistischen Gebiet aktiv. 1832 erschien die erste feministische
Zeitschrift „Femme libre“ in Frankreich, ab 1848 wurde zusätzlich eine feministische
Tageszeitung, „La voix des femmes“, veröffentlicht (vgl. Devance 1988: 207 ff.). Die
Autorinnen kämpften unter anderem gegen die verbreitete Annahme, dass die Frau dem
Mann von Natur aus unterlegen sei. Für den Autor Maupassant können diese
Entwicklungen von Interesse gewesen sein. In der Sekundärliteratur wird zwar oft
darauf hingewiesen, dass die Frauen eine überaus wichtige Rolle in den contes von
Maupassant spielen, ihre Emanzipation steht dabei aber nicht im Vordergrund. Vielmehr
wird oft ein negatives Bild von ihr vermittelt:
Amoureuse, indifférente, trompeuse, voleuse, menteuse, gourmande, nerveuse. Voilà,
pour Maupassant – et c'est lui-même qui le dit: „ce que sont toutes les femmes depuis
le commencement du monde.(Donaldson-Evans 1993: 65)
Maupassant selbst soll nie eine Frau wirklich geliebt haben, was seine schlechte
Meinung über das andere Geschlecht verstärkt hat und was sich mitunter auch in seinen
Geschichten zeigt: „Maupassant porte sur la femme un regard désabusé.“ (Turiel 1999:
67). In den Beispielerzählungen soll untersucht werden, inwiefern diese Aussage
zutrifft. Die Kurzgeschichten Le port, L'Odysée d'une fille, Mouche und die etwas
längere Erzählung Les sœurs Rondoli wurden gewählt, weil hier jeweils eine Frau als
Protagonistin auftritt, in drei der vier contes ist sogar der Titel nach ihr benannt. Ferner
spielt die Prostitution eine wichtige Rolle. Diese Thematik soll in Kapitel I näher
erläutert werden. Auch bei Campa (2004: 71) heißt es:
Les femmes sont omniprésentes dans l'œuvre de Maupassant. Elles sillonnent ses
romans et ses nouvelles sous différents aspect. La figure de la prostituée est l'une
des plus présentes.
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Zum besseren Verständnis der folgenden Arbeit wird hier kurz auf den Inhalt der
einzelnen contes eingegangen:
In Le port geht um den Matrosen Célestin Duclos, der nach mehreren Monaten auf See
im Hafen von Marseille einläuft und mit seinen Kameraden das Nachtleben genießen
will. Die Mannschaft besucht ein Bordell, wo Célestin zu spät erkennt, dass die
Prostituierte, die er gewählt hat, seine jüngere Schwester Françoise ist, die er Jahre
zuvor auf dem elterlichen Hof zurückgelassen hat. Nach dem Tod der Familie bleibt ihr
nichts Anderes übrig, als sich ihren Lebensunterhalt durch Prostitution zu verdienen.
In L'Odysée d'une fille geht es ebenfalls um eine junge Prostituierte. Die Protagonistin
erzählt einem Mann, der ihr nachts auf der Straße Schutz vor der Polizei bietet, ihre
Leidensgeschichte. Nachdem sie vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen
ihrem einstigen Geliebten und ihrem Arbeitgeber geflohen ist und später auf der Flucht
von Polizisten vergewaltigt worden ist, ist sie mittellos und sieht in der Prostitution den
letzten Ausweg, um an Geld zu kommen und sich zu ernähren.
Mouche handelt von einer Gruppe Kanu-Fahrer in Paris, die ihre Wochenenden auf der
Seine verbringen. Die Männergruppe findet in einer jungen Frau, die sie Mouche taufen,
eine unterhaltsame Begleitung. Zunächst beginnt sie eine Affäre mit einem der Männer,
aber nach und nach wird sie die Geliebte von allen. Als sie schwanger wird, weiß
keiner, wer der mögliche Vater des Kindes ist und die Männer schwören, dass sie sich
alle gleichberechtigt um Mutter und Kind sorgen werden. Am Ende der Geschichte
erleidet Mouche eine Fehlgeburt. Die Männer wollen, dass sie weiterhin ihre Geliebte
bleibt, damit sie ihr ein neues Kind zeugen können.
In Les sœurs Rondoli unternehmen zwei Freunde eine Reise nach Italien. Im Zug
machen sie Bekanntschaft mit einer jungen Italienerin namens Francesca, die sie trotz
ihres abweisenden und unfreundlichen Benehmens und ihrer offensichtlich ärmlichen
Herkunft sehr anziehend finden. Der Protagonist kommt dank seiner Sprachkenntnisse
mit ihr in Kontakt und nimmt sie mit in sein Hotel. Während seines gesamten
Italienaufenthaltes bleibt die junge Frau an seiner Seite und wird seine Geliebte. Als sie
allein ihre Familie besuchen will, verspricht er, nachzukommen bzw. auf sie zu warten.
Letztendlich fährt er aber, ohne sein Versprechen einzuhalten, zurück nach Frankreich.
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Ein Jahr später reist er an denselben Ort und sucht vor Neugierde und Sehnsucht das
Elternhaus seiner einstigen Geliebten auf. Francesca wohnt nicht mehr dort, aber ihm
wird von ihrer Mutter ihre jüngere Schwester vorgestellt. Sie wird Francescas
Nachfolgerin. Als er nach Frankreich fährt und sie zurück lässt, leidet sie sehr. Zum
Schluss der Geschichte deutet der Erzähler an, dass es noch zwei weitere jüngere
Schwestern in der Familie gibt. Im folgenden Jahr wird er wieder nach Italien reisen
und die Familie aufsuchen.
Zum Aufbau dieser Arbeit: Wie bereits angedeutet, soll es in Kapitel I um das Thema
der Prostitution und allgemein um die gesellschaftliche Stellung der Frau gehen. In
Kapitel II wird das Verhältnis zwischen Mann und Frau untersucht und in Kapitel III
soll darauf eingegangen werden, inwiefern sich die Darstellung der Frau sprachlich und
stilistisch realisiert.
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I. Die gesellschaftliche Stellung der Frau
In allen hier aufgeführten contes steht eine sexuelle Beziehung und Prostitution im
Vordergrund. Man könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, dass sich in allen vier
Fällen die Protagonistinnen prostituieren. Bei Le port und L'Odysée d'une fille wird der
Begriff prostitution bzw. prostituée explizit genannt, bei Mouche und Les sœurs Rondoli
ist es eine Frage der Interpretation. Bei Les sœurs Rondoli wird eigentlich negiert, dass
Francesca eine „Professionelle“ ist, als der Protagonist Vermutungen über ihre Herkunft
anstellt:
Certes, elle n'était point une drôlesse, faisant profession de l'amour. Elle me
paraissait plutôt quelque fille de pauvres gens, séduite, emmenée, puis lâchée, et
perdue maintenant.
Es handelt sich also nicht direkt um Prostitution, aber die Protagonistinnen
kennzeichnen sich durch bestimmte Eigenschaften, die denen einer Prostituierten nicht
unähnlich sind. Francesca und ihre Schwestern werden ausgenutzt, der Besucher aus
Frankreich nimmt sich, was er will. Francesca erfüllt ihm seine Wünsche und steht ihm
zur Verfügung:
Francesca, toujours silencieuse et d'humeur irrité, vivait à mon côté plutôt avec moi,
répondant à tous mes désirs, à toutes mes demandes, à toutes mes proposition […]
Sie ist eine Zeit lang seine Geliebte und profitiert in materieller Hinsicht davon. Zwar
bekommt sie von ihm kein Geld, aber zumindest kann sie in einem vornehmen Hotel
nächtigen, Essen gehen, Ausflüge machen und teure Kosmetika benutzen. Der
Protagonist, der während der gesamten Handlung namenlos bleibt, bezeichnet Francesca
als seine Geliebte:
[…] j'inventais des plaisirs, des distractions, des promenades pour amuser ma
maîtresse […]
Auch Mouche ist keine richtige Prostituierte. Auf ihre Herkunft wird nur kurz
eingegangen, auch sie ist aus keiner höheren Schicht. Als der Erzähler über ihr
Verhalten und ihre anfängliche Treue philosophiert, vergleicht er sie direkt mit Frauen
aus einer „besseren Welt“:
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Pourquoi, en vertu de quelle loi d'exception, de quel principe inacceptable,
Mouche, qui ne parassait gênée par aucun préjugé, serait-elle fidèle à son amant,
alors que les femmes du meilleur monde ne le sont pas à leurs maris?
Gemäß dieses Zitates sind doch alle Frauen gleich, nämlich treulos. Mouche
charakterisiert sich ebenfalls durch bestimmte Eigenschaften, die dem Berufsfeld der
Prostitution sehr nahe kommen: Sie amüsiert die Männer, sie haben Spaß an ihr. Ihr
richtiger Name spielt keine Rolle, er bleibt unbekannt. Dafür trägt sie die ganze Zeit
über einen Spitznamen. Treue ist irrelevant, sie geht mit mehreren Männern gleichzeitig
eine sexuelle Beziehung ein.
Bei Le port und L'Odysée d'une fille hingegen stellt die Prostitution den einzigen Weg
dar, um zu überleben und Geld zu verdienen. Françoise und das Mädchen aus L'Odysée
d'une fille haben gar keine andere Möglichkeit, ihre Armut zwingt sie zu ihrem
Schicksal. Beide üben diesen Beruf nicht freiwillig aus und schämen sich dafür.
Exemplarisch hierfür ist die Situation, als Françoise ihren Bruder fragt: „C'est-il de ma
faute?“ und auch in der anderen Geschichte heißt es: „Est-ce que c'est ma faute?“ Das
Schicksal der jungen Frauen ist unabwendbar, beide Erzählungen spiegeln ihre
existentielle Not wieder.
Prostituierte leben in einer Art Parallelgesellschaft, was allein schon durch die
nächtliche Tätigkeit gegeben ist. Sowohl bei Le port als auch bei L'Odysée d'une fille
vollzieht sich die Handlung nachts. Eine Prostituierte wird als Aussätzige behandelt, als
eine Frau, die am Rande der Gesellschaft existiert, was besonders bei L'Odysée d'une
fille zur Geltung kommt:
J'ai touché ce fond noir de la misère humaine; j'ai compris l'impossibilité de la vie
honnête pour quelques-uns.
Prostitution steht in einem klaren Gegensatz zu einem ehrenwerten Beruf. Gleichzeitig
bringt der Erzähler ein wenig Mitleid und Verständnis für die junge Frau auf. Er kann
nachvollziehen, dass manche Menschen keine andere Wahl haben und nicht so
privilegiert sein können. Anstatt den Menschen für seine Tätigkeit zu verurteilen, nimmt
man ihn in Schutz und entschuldigt sein Handeln. Die Frau als Prostituierte wird hier als
Opfer präsentiert, was man auch bei Frédéric Turiel (1999: 153) lesen kann:
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La prostitution n'est excusée que dans certains cas. Si l'héroïne de L'Odysée d'une fille et
Françoise Duclos dans Le port trouvent grâce aux yeux du narrateur, c'est parce qu'elles
sont victimes de la fatalité que les poursuit ou d'une société égoïste qui ne leur a pas
permis d'exercer un autre métier.
(Turiel 1999: 153)
Ferner wird das Mädchen in L'Odysée d'une fille als „cette abandonée“ bezeichnet,
dessen Schicksal vorherbestimmt und unbesiegbar ist: „J'ai eu […] la sinistre sensation
de la fatalité invincible.“
Gleichzeitig wird diesen Frauen Geringschätzung entgegen gebracht: Sie sind weniger
wert als Andere, ihnen wird wenig bzw. gar kein Respekt gezollt. Dies zeigt sich vor
allem in der Erzählung L'Odysée d'une fille. Die Prostituierten sind ungepflegt („Elles
suivaient l'homme […] lui soufflant au visage leur haleine putride […]“), die Frau wird
als abstoßend und belästigend empfunden. Der Ich-Erzähler, der offensichtlich sozial
besser gestellt ist als sie, ist „harcelé et soulevé de dégoût“, er ekelt sich vor ihr und will
sich von ihr befreien („débarasser d'elle“). Die Armut und Unterlegenheit zeigt sich am
deutlichsten bei Les sœurs Rondoli : Der soziale Status von Francesca wird durch ihr
Äußeres, ihr Benehmen und ihren bescheidenen Besitz dargestellt, wobei ihre
Beschreibung fast durchgängig abwertend ist. Der Erzähler vermittelt außerdem die
Annahme, dass man jemandem aufgrund seiner Gesichtszüge und seiner Kleidung den
sozialen Status bzw. die Herkunft ansehen kann. Francesca bildet das Pendant zur
adeligen Frau:
Vêtue avec élégance et un certain mauvais goût méridional, elle semblait un peu
commune. Les traits réguliers de sa face n'avaient point cette grâce, ce fini des races
élégantes, cette délicatesse légère que les fils d'aristocrates reçoivent en naissant et qui
est comme la marque héréditaire d'un sang moins épais.
Von ihrem Aussehen wird auf ihr Verhalten geschlossen. Der Erzähler urteilt über sie,
ohne sie genauer zu kennen:
Elle portait des bracelets trop larges pour être en or, des boucles d'oreilles ornées
de pierres transparentes trop grosses pour être des diamants; et elle avait dans toute sa
personne un je-ne-sais-quoi de peuple. On devinait qu'elle devait parler trop fort, crier
en toute occasion avec des gestes exubérants.
Diese Vorurteile werden schließlich noch bestätigt, ihr ganzes Verhalten wird lächerlich
gemacht und übertrieben dargestellt. Sie wird ihre Rolle als einfaches, ungebildetes,
armes Mädchen nicht los. Allein die Tatsache, dass der Ich-Erzähler fließend Italienisch
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spricht, während sie gar kein Französisch versteht und selbst ihr italienischer
Wortschatz sehr begrenzt ist, spricht für sich. Francesca ist keine Sympathieträgerin,
sondern bleibt einem als Leser suspekt. Selbst ihre Essgewohnheiten werden
geringschätzig betrachtet und unterstreichen ihren sozialen Status:
Notre voisine mangeait une orange. Décidément, elle n'était pas d'allure distinguée. Elle
avait ouvert son mouchoir sur ses genoux; et sa manière d'arracher la peau dorée,
d'ouvrir la bouche pour saisir les quartiers entre ses lèvres, de cracher les pépins par
la portière, révélaient toute une éducation commune d'habitudes et de gestes.
Oft findet auch ein direkter Vergleich zwischen Francesca und den männlichen
Protagonisten statt. Die Darstellung ihres Benehmens nutzt der Erzähler, um sich selbst
als sehr kultiviert und elegant zu schildern, zum Beispiel in folgender Situation:
Mlle Francesca mangeait comme un gouffre. Dès qu'elle eut achevé son repas, elle
s'assouopit sur le canapé. Cependant, je voyais venir avec inquiétude l'heure
décisive de la répartition des logements. Je me résolus à brusquer les choses, et
m'asseyant auprès de l'Italienne, je lui baisais la main avec galanterie.
Der Gegensatz zwischen Francesca und ihren beiden männlichen Begleitern ist so
offensichtlich, dass er auch Anderen auffallen muss:
Des Français parfois se retournaient, étonées de reconnaître des compatriotes en
compagnie de cette fille ennuyée aux toilettes voyantes, dont l'allure vraiment
semblait singulière, déplacée entre nous, compromettante.
Ihre einfache Herkunft geht mit Gier und schlechtem Benehmen einher: Zunächst
bedient sie sich ungehemmt an dem Proviant ihrer Mitreisenden und später benutzt sie
Unmengen des teuren Parfüms, welches ihr Begleiter ihr zur Verfügung stellt. Ihre
eigenen Habseligkeiten sind sehr bescheiden, alles an ihr signalisiert Einfachheit und
wenig Geld. Der Erzähler ist sich seiner finanziellen Überlegenheit jederzeit bewusst.
Seine Beschreibung von ihr hat einen sehr überheblichen Ton, was die folgenden zwei
Textauszüge belegen:
[…] je pris, par terre, sa petite caisse de bois noir, une vraie malle de domestique
[…];
Une chemise de nuit, brodée au col, achetée toute faite dans un magasin de
confection, luxe de débutante, gisait sur une chaise.
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Der Erzähler geht sogar noch einen Schritt weiter: Eine Frau, die so ungepflegt und
unkultiviert ist, kann nur die Syphilis haben:
Et tu te persuades que tu ne cours pas plus de danger ce soir que si tu allais passer
la nuit dans le lit d'une... d'une femme atteinte de petite vérole.
Zum Schluss werden alle Vermutungen bestätigt, die Familienverhältnisse von
Francesca sind für den Leser keine Überraschung mehr. Ihr Wohnhaus ist sehr
bescheiden („Et je pénétrai dans une petite salle assez obscure, meublée d'une table et
de quelques chaises.“). Sowohl ihre Mutter als auch ihre Schwester sind ungepflegte
und ärmliche Erscheinungen:
Une grosse femme vint ouvrir, qui avait dû être fort belle, et qui n'était plus que fort
sale. […] Ses cheveux dépeignés tombaient par mèches sur son front et sur ses
épaules, et on voyait flotter, dans une vaste robe de chambre criblée de taches, tout
son gros corps balottant. […] et une grande fille parut, brune, mince et jolie, mais
dépeignée aussi, et laissant deviner, sous une vieille robe de sa mère, son corps jeune et
svelte.
Der Vater war ein einfacher Arbeiter, nach seinem Tod ist es um die Familie finanziell
schlecht bestellt; die Darstellung von Francesca und ihrer Familie bleibt stereotyp.
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II. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau
Nicht nur sozial sind die Protagonistinnen dem Erzähler oder der männlichen
Hauptfigur unterlegen: Generell ist in den Geschichten von Maupassant eine Hierarchie
zwischen Männern und Frauen erkennbar. Die Frau wird häufig als minderwertig, als
niederes Wesen dargestellt. Mouche wird Beispiel sehr herablassend beschrieben, sie ist
nur eine Frau von vielen:
Elle était gentille, pas jolie, une ébauche de femme où il y avait de tout, une de ces
silhouettes que les dessinateurs crayonnent en trois traits sur une nappe de café après
dîner entre un verre d'eau-de-vie et une cigarette.
Auch das Mitleid, das man ihr entgegenbringt, zeigt die Überlegenheit des Mannes. Er
bezeichnet sie als „la pauvre petite“ und als „pauvre être défaillant, pâle“ und
signalisiert damit, dass sie sich nicht auf Augenhöhe begegnen. Bei L'Odysée d'une fille
erscheint am Ende der Geschichte ebenfalls der Ausruf „Pauvre fille!“ Auffallend bei
diesem Text ist, dass die Protagonistin durchgängig als fille und nicht als dame oder
femme bezeichnet wird. Im Laufe der Erzählung nennt sie der Mann sogar einmal „mon
enfant“, was erneut die weibliche Unterlegenheit verdeutlicht. Neben dieser eindeutigen
Arroganz des Mannes zeigt sich ein Widerspruch: Eine Frau kann nämlich auch zutiefst
bewundert und verehrt werden. Bei Mouche rechnet man der Protagonistin ihren Witz
und ihre Schlagfertigkeit hoch an. In Bezug auf die Totgeburt bewundert man ihren
„courage d'héroïnes“, der Artz sagt: „Elle est en acier, cette fille.“ Eine große Verehrung
erntet die Frau aber vor allem dank ihres Aussehens und ihres Körpers. Während Frauen
das andere Geschlecht durch ihr Äußeres beeindrucken, versuchen Männer hingegen die
Aufmerksamkeit der Frauen durch ihre intellektuellen Fähigkeiten und ihre
Kultiviertheit auf sich zu lenken:
Et il se remit à causer avec moi, donnant jour à une procession d'idées distinguées,
citant familièrement des noms connus. Elle ne prenait nullement garde à ses efforts.
(aus Les sœurs Rondoli)
Für den Mann ist die Frau in den Erzählungen in erster Linie ein Sexualobjekt. Sie wird
auf ihren Körper reduziert, dem die ungeteilte Aufmerksamkeit und Bewunderung des
Mannes gilt. Francesca wird sogar mit einem Gemälde des großen italienischen
Renaissance-Malers Tizian verglichen:
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Je demeurai sur la porte, surpris, émerveillé. Elle dormait déjà, toute nue, sur le lit.
Le sommeil l'avait surprise comme elle venait de se dévêtir; et elle reposait dans la
pose charmante de la grande femme du Titien […] Quoi de plus joli qu'une femme
endormie? Ce corps, dont tous les contours sont doux, dont toutes les courbes
séduisent, dont toutes les molles saillies troublent le cœur, semble fait pour
l'immobilité du lit. Cette ligne onduleuse qui se creuse au flanc, se soulève à la hanche,
puis descend la pente légère et gracieuse de la jambe pour finir si coquettement au bout
du pied ne se dessine vraiment avec tout son charme exquis, qu'allongée sur les draps
d'une couche.
Die Rolle der Frau ist in der Hinsicht sehr begrenzt. Ihre einzige Aufgabe und ihre
einziges Recht ist es, dem Mann zu gefallen und ihn zu unterhalten (vgl. DonaldsonEvans 1993: 72). Diese Einstellung kommt unter anderem bei Mouche sehr gut zum
Ausdruck:
Une femme, c'est indispensable dans un canot. Indispensable parce que ça tient l'esprit
et le cœur en éveil, parce que ça anime, ça amuse, ça distrait, ça pimente et ça fait décor
[...]
Eine Frau ist das schmückende Beiwerk des Mannes und wird somit einem Objekt
gleichgesetzt. Für ein mögliches Liebesabenteuer ist eine Frau immer gut genug, ihre
Meinung über sie kann schnell geändert werden (siehe Les sœurs Rondoli):
Mais je commençais justement à trouver l'Italienne beaucoup mieux que je ne l'avais
jugée d'abord; et je tenais, oui, je tenais à l'emmener maintenant. J'étais même ravi de
cette pensée, et je sentais déjà ces petits frissons d'attente que la perspective d'une nuit
d'amour vous fait passer dans les veines.
Verschmäht sie den Mann, kann er nichts Gutes mehr an ihr erkennen. Dieses
Phänomen ist in der Erzählung Les sœurs Rondoli sehr stark ausgeprägt. Zunächst ist
von Paul die Rede, dessen Lebensinhalt sich einzig und allein um das andere Geschlecht
dreht, Frauen versüßen ihm seine Existenz:
Vous connaissez Paul. Pour lui, le monde, la vie, c'est la femme. Il y a beaucoup
d'hommes de cette race-là. L'existence lui apparaît poétisée, illuminée par la
présence des femmes. La terre n'est habitable que parce qu'elles y sont […]
Sobald klar wird, dass Francesca nicht an ihm, sondern an seinem Freund interessiert
ist, hat er seine Eifersucht nicht mehr unter Kontrolle. Er versucht mit allen Mitteln,
seinem Freund die Frau auszureden, er gönnt sie ihm nicht. Francesca wird fast schon
wie eine Trophäe gehandelt, Pauls Motto könnte lauten: „Wenn ich sie nicht haben
kann, bekommst Du sie auch nicht!“ In der Geschichte sagt er zum Beispiel:
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Que veux-tu que nous fassions de cette femme qui a l'air de je ne sais quoi? On ne
va seulement pas nous recevoir dans un hôtel comme il faut! […] Oui, avec une
Italienne qui a plutôt l'air d'une fille que d'une duchesse.
Nur das sexuelle Abenteuer ist von Belang. Um einer Frau näher zu kommen, müssen
andere Dinge in Kauf genommen werden. Man will sich zwar mit ihr vergnügen, aber in
der Öffentlichkeit schämt man sich für sie, man möchte nicht mit ihr gesehen werden.
Als Francesca mit den Männern das Hotel betritt, denkt der Protagonist: „Et je le suivis,
honteux d'entrer en cette compagnie suspecte.“ Echte Gefühle oder gar Liebe werden
für die Frau nicht empfunden, was das Ende von Les sœurs Rondoli deutlich macht: Um
auf seine Kosten zu kommen, tauscht der Mann die Frauen jedes Jahr aus – die Gefühle
der jungen Mädchen scheinen ihm egal zu sein. Er will sich amüsieren, am besten mit
immer jüngeren und „unverbrauchten“ Frauen. Laut Campa wird Liebe bei Maupassant
immer ausschließlich als körperliche Liebe verstanden:
Pour Maupassant, les femmes, l'amour, le désir n'ont de sens que s'ils répondent à
l'instinct naturel, à la réalisation de fantasmes sexuels. La fonction de l'amour est
limitée et doit s'achever précisément ici: donner et prendre du plaisir […]“ (Campa
2004: 72)
Diese Einstellung ist auch charakteristisch für Les sœrs Rondoli. Der Erzähler
beschreibt seine Gefühle und spricht dabei direkt zum Leser, der sich in seine
Empfindungswelt hineinversetzen soll. Die Erinnerung an Francesca quält ihn, er kann
sie nicht vergessen, aber in seinen Gedanken kommt nur das rein Körperliche zum
Vorschein:
Son image, fuyante et précise, est devant vous, passe, revient et disparaît. Elle vous
torture comme un cauchemar, vous tient, vous emplit le cœur, vous émeut les sens
par sa présence irréelle. L'œil l'aperçoit; l'odeur de son parfum vous poursuit; on a
sur les lèvres le goût de ses baisers, et la caresse de sa chair sur la peau. […] Il semble
qu'on vient d'être abandonné pour toujours. Tous les objets prennent une signification
désolante, jettent à l'âme, au cœur, une impression horrible d'isolement, de délaissement.
Dabei stellt er sich als den verlassenen und leidenden Mann dar, obwohl es genau
andersherum gewesen ist – er hatte sie zurück gelassen. Es geht nicht um romantische
Empfindungen, er ist vielmehr besessen von der Frau:
Connaissez-vous cette obsession d'une femme longtemps après, quand on
retourne aux lieux où on l'a aimée et possédée?
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Durch die Bezeichnung „cette femelle“, die in der gleichen Erzählung auftritt, zeigt sich
ebenso klar die Dominanz des Mannes: Er besitzt und beherrscht die Frau, sie muss von
ihm erobert werden:
[…] il suffisait peut-être d'un rien, d'une envie éveillée, d'un mot, d'une offre bien
faite pour la dérider, la décider et la conquérir. (aus Les sœurs Rondoli)
Auf tragische Weise muss das auch die junge Frau in L'Odysée d'une fille erfahren: Ihre
Situation wird ausgenutzt, sie wird von den Männern vergewaltigt, von denen sie sich
Hilfe erhofft hatte.
In der Erzählung Mouche lässt sich teilweise auch eine weibliche Passivität beobachten:
Nicht die Frau selbst erzählt von ihrer Schwangerschaft, sondern der Mann muss es
seinen Freunden berichten, sie selbst wird in die Besprechung gar nicht mit einbezogen.
Hinzu kommt, dass in ihrer Gegenwart von ihr in der dritten Person gesprochen wird,
als wäre sie gar nicht anwesend.
Ein weiterer Punkt, der für die Überlegenheit des Mannes spricht, ist seine Rationalität.
In den Geschichten werden Männer als vernünftig beschrieben, Frauen dagegen lassen
sich von ihren Gefühlen leiten und bringen diese vielmehr zum Ausdruck. Am Schluss
von Mouche ist die weibliche Hauptfigur untröstlich („elle pleura“; „les yeux sous une
glace de larmes“; „elle balbutia“; „elle sanglotait“; „elle se mit à gémir, presque à hurler
de désespoir“). Während Mouches Gefühlsausbruch detailliert beschrieben wird, sind
die Männer nur „émus“ und sehr kontrolliert. Sie werden pragmatisch dargestellt, das
Ende ist fast grotesk: Wenn Mouche ein Kind verliert, dann macht man ihr einfach ein
neues. In Le port kann sich die weibliche Hauptfigur Françoise auch nicht zurückhalten:
„Elle eut, en une seconde, les yeux pleins de larmes et balbutia […]“ In L'Odysée d'une
fille fängt die Prostituierte ebenso unvermittelt an zu weinen: „Elle eut une sorte de
mouvement de rage, puis, brusquement, se mit à sangloter.“
Es treten in den contes aber auch Ausnahmesituationen auf, in denen das
Hierarchiegefälle umgedreht wird. In Les sœurs Rondoli wird beschrieben, dass es den
Männern nicht immer leicht fällt, auf eine Frau zuzugehen und sie zu „erobern“. Paul
gesteht seine Schüchternheit und Befangenheit ein. Bei Annäherungsversuchen kann der
Mann der Frau unterlegen sein, weil sie ihn auslachen darf:
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Je suis d'une timidité stupide au début. […] Une seule fois j'ai fait une tentative de
conversation. Comme je voyais de la façon la plus évidente qu'on attendait mes
ouvertures, et comme il fallait absolument dire quelque chose, je balbutiai: „Vous allez
bien, madame?“ Elle me rit au nez, et je me suis sauvé.
Genauso nimmt die Figur Mouche eine Sonderstellung unter der Gruppe von Männern
ein. Sie ist diejenige, die die Männer erobert:
Tombée dans ce nid d'hommes prêts à toutes les folies, elle fut bien vite maîtresse
de la situation, et dès le lendemain elle nous avait conquis.
Teilweise darf sie über das Verhalten der Männer bestimmen. Der Erzähler übertreibt
stark und vergleicht seine Situation mit derer von Sklaven:
[…] cinq gars, joyeux et robustes, gouvernés, sous un parasol de papier peint, par
une vive et écervelée personne qui nous traitait comme des esclaves chargés de la
promener sur l'eau […]
In der Erzählung Le port ist es der Mann, der kopflos und höchst emotional reagiert. Er
ist betrunken und hat sich sowohl körperlich als auch geistig nicht mehr unter Kontrolle,
er stottert und schwankt:
Il balbutiait […] Puis il fit trois pas, chancela, étendit les bras, tomba sur la face. Et il se
roulait par terre en criant, en battant le sol de ses quatre membres, et en poussant de tels
gémissements qu'il semblaient des râles d'agonie.
Trotz aller Verführungs- und Eroberungskünste bleibt die Frau für den Mann
unergründbar. In Les sœurs Rondoli wird der Protagonist nicht schlau aus ihr, alle
Versuche, sie zu verstehen oder etwas über sie in Erfahrung zu bringen, scheitern
kläglich. Francesca ist ein Mysterium:
Qui était-elle? D'où venait-elle? Que faisait-elle? Avait-elle un projet, une idée? Ou bien
vivait-elle, à l'aventure, de rencontres et de hasards? Je cherchais en vain à la
comprendre, à la pénétrer, à l'expliquer. Plus je la connaissais, plus elle m'étonnait,
m'aparaissait comme une énigme.
Da das Verhalten der Frau für den Mann unvorhersehbar ist, kann sie ihn auch immer
wieder überraschen. Mouches Vorstellungsvermögen ist für ihre männlichen Begleiter
erstaunlich:
Alors elle donnait essor à son imagination de la façon la plus fantastiques.
C'étaient des récits interminables, des inventions stupéfiantes (...)
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III. Sprachlich-stilistische Besonderheiten
Bei Les sœurs Rondoli und Mouche gipfelt die unterlegene Stellung der Frau in den
Tierbezeichnungen, die für sie verwendet werden. Bei Mouche spricht der Titel für sich,
einmal wird auch der Vergleich zu einer cantharide, einem anderen Insekt, angestellt. In
Les sœurs Rondoli beschimpft die Figur Paul Francesca aufgrund ihres unkultivierten
Verhaltens während ihrer Abwesenheit mit dem Wort chameau, was in erster Linie im
zoologischen Kontext auftritt. Es kann als Metapher aber auch als Beleidigung für eine
unfreundliche, unangenehme Person gebraucht werden (vgl. Micro Robert Poche.
Dictionnaire d'apprentissage de la langue française, 2006). Eine weitere Metapher tritt
bei L'Odysée d'une fille auf. Die Protagonistin ist „fanée déjà“. Eine Blume dient als
Symbol für die Frau, deren einstige Schönheit wie eine Blüte verwelkt ist.
Hinsichtlich der Erzählperspektive ist auffallend, dass bei L'Odysée d'une fille, Les
sœurs Rondoli und auch Mouche ein männlicher Ich-Erzähler auftritt. Nur in
Le port gibt es einen allwissenden Erzähler. In Les sœurs Rondoli und Mouche ist der
Erzähler gleichzeitig eine handelnde Figur der Geschichte. In L'Odysée d'une fille
kommt der männliche Erzähler zwar auch als Figur in der Handlung vor, aber aufgrund
der Rahmenerzählung tritt er nur zu Beginn und zum Schluss der Geschichte auf und
bleibt ansonsten ein passiver Zuhörer der direkten Rede der Frau. Dabei bildet diese
Erzählung eine Ausnahme. Laut Mary Donaldson-Evans (1993: 73) kennzeichnet sich
der Großteil der contes von Maupassant durch eine männliche Erzählerstimme:
Parmi les plus de 300 contes de l'écrivain, il n'y en a que 7 où l'acte narratif est pris
en charge entièrement par une femme, et la narration devant un groupe d'auditeurs
n'appartient pas au rôle de la femme. Dans les récits encadrés où un narrrateur cède la
place à un autre (il y en a 126 en tout), le cadre est toujours raconté par un narrateur
masculin ou non marqué, et les récits enchâssés racontés par les femmes se réduisent au
nombre de 23.
Die junge Frau erzählt in L'Odysée d'une fille ihre Geschichte, wobei die mündliche
Rede
direkt
wiedergegeben
wird.
Ihre
Sprache
wirkt
durch
kurze
Sätze,
umgangssprachliche Wendungen, anschauliche Formulierungen und Verkürzungen sehr
authentisch (z.B.: „Mais v'là qu'une nuit M. Lerable entend du bruit.“; „Me v'là partie.“;
„Me v'là donc à marcher avec un ventre qui chante.“). Die mündliche Rede wird
genauso transkribiert, wie sie zu hören sein könnte, das „e muet“ wird nicht
verschriftlicht, sondern weggelassen (z.B.: „ l'disais“; „d'puis“). Es kommt auch zu
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häufigen Wechseln der Tempora. Die Geschichte der jungen Frau ist inhaltlich
chronologisch, aber die Formen vom passé (imparfait und passé simple) und vom
présent wechseln sich permanent ab. Durch die Verwendung des présent wirkt die
Erzählung noch unmittelbarer, aber es gibt keine einheitliche zeitliche Ebene, was die
mündliche Rede noch authentischer macht, z. B.:
Il faisait chaud. Le soleil piquait. Midi passe. J'allais toujours. Tout à coup j'entends
des chevaux derrière moi.
Durch die genannten Stilmittel will der Erzähler ein bestimmtes Milieu beschreiben. Er
suggeriert wieder das Bild einer ungebildeten, intellektuell unterlegenen Frau. Ähnliche
sprachliche Besonderheiten wie Verkürzungen und
umgangssprachliche Ausdrücke
finden sich auch bei Le port. Hier ist diese Form der mündlichen Rede allerdings nicht
allein auf die weibliche Figur beschränkt, auch Célestin wird durch einen nicht sehr
elaborierten Sprachgebrauch charakterisiert, was realitätsnah wirkt: Beispiele für die
direkte Rede von Célestin: „Aimes-tu c'te vie là?“; „T'es pas d'ici?“; „T'es de loin?“
und Beispiele für die direkte Rede von Françoise: „C'est pas plus embêtant qu'autre
chose.“; „Toi, t'es marin?“; „Mais, une femme donc, une femme comme moi.“
Auch das Gefühlsbetonte, was zum größten Teil den Frauen zugeschrieben wird,
realisiert sich in der direkten Rede der weiblichen Figuren. Es werden viele
Wiederholungen und Ausrufe verwendet, zum Beispiel bei Mouche:
Mouche s'écria: „Oh! mes amis ! mes amis ! Vous êtes de braves cœurs... de braves
cœurs... de braves cœurs...Merci tous!“ […] Oh ! si vous saviez, si vous saviez... quel
chagrin... quel chagrin... je ne me consolerai jamais.
Auch die mündliche Rede der Mutter in Les sœurs Rondoli ist sehr emotional, aber hier
treten, im Gegensatz zu Mouche, positive Empfindungen in den Vordergrund. Ihre
Euphorie wird, ebenso wie Mouches Kummer, durch viele Wiederholungen dargestellt:
[…] que je suis contente de vous voir! Que je suis contente! […] Elle vous a attendu
un mois, monsieur, oui, un mois. […] Et elle a attendu, oui, monsieur, plus d'un mois; et
elle était bien triste, allez, bien triste.
Durch die zahlreichen Wiederholungen, Ausrufe und den einfachen Wortschatz wird
hier erneut die geistige Unterlegenheit deutlich, die weiblichen Figuren werden dadurch
lächerlich gemacht.
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Fazit
Die Darstellung der Frau kennzeichnet sich durch viele Stereotype. Der Erzähler kann
sich nur schwer in die weiblichen Figuren hineinversetzen, was eine klischeehafte
Abbildung zur Folge hat. In den untersuchten contes stammt die Frau meist aus
ärmlichen Verhältnissen, was mit geistiger Unterlegenheit und einem ungepflegten
Erscheinungsbild gleichgesetzt wird. Als Prostituierte lebt sie am Rande der
Gesellschaft. Sie hat die Funktion eines Erotikobjekts. Der Mann verhält sich der Frau
gegenüber arrogant, abgesehen von wenigen Ausnahmen darf auf die Frau
herabgeschaut werden. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der männlichen Figuren,
während die Frau das Nachsehen hat.
Die Frau übt zwar Faszination auf den Mann aus, aber für sie wird keine Liebe
empfunden. Der Mann verspürt ihr gegenüber nur Lust und leichte Sympathie, vor
allem bei Mouche und Les sœurs Rondoli. Bei den Erzählungen Le port und L'Odysée
d'une fille wird statt Zuneigung Mitleid für die Protagonistinnen gehegt. Geschätzt wird
an der Frau ihre Schönheit, hinsichtlich der Erotik wird ein positives Bild vermittelt.
Bevor sie die Rolle der Geliebten einnimmt, wird sie indessen sehr kritisch betrachtet
(siehe Les sœurs Rondoli).
Maupassant zeigt in seinen Erzählungen, in denen keine Form von Emanzipation
erkennbar ist, dass er feministische Bewegungen scharf verurteilt (vgl. DonaldsonEvans 1993: 72) und somit eher ein konservatives als modernes Weltbild vermittelt.
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Bibliographie
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principales œuvres. Levallois Perret: Jeunes Éditions 2004.
Devance, Louis: „Femme, famille, travail et morale sexuelle dans l'idéologie de 1848“,
in: Baader, Renate (Hg.): Das Frauenbild im literarischen Frankreich. Vom Mittelalter
bis zur Gegenwart, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 204-242.
Dizol, Jean-Marie: Guy de Maupassant. Toulouse: Milan 1997.
Donaldson-Evans, Mary: „La femme (r)enfermée chez Maupassant“, in: Forestier,
Louis (Hg.): Maupassant et l'écriture. Acte du colloque de Fécamp, 21.-22.-23. mai
1993, Paris: Nathan 1993, S. 63-74.
Herbig, Heinz-Dieter: Die Exzessiven. Rausch, Sucht, Erkenntnis. Würzburg:
Königshausen und Neumann 1997.
Savinio, Alberto: Maupassant und der „andere“. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988.
Thumerel, Thérèse und Fabrice: Maupassant. Paris: Armand Colin 1992.
Turiel, Frédéric: Maupassant. Biographie. Étude de l'œuvre. Paris: Vuibert 1999.
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