Porträt von René Kamer, CEO RailAway, im

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Porträt von René Kamer, CEO RailAway, im
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Management-Praxis
René Kamer
700 Partner und
doch treu
René Kamer
ist Geschäftsführer von RailAway AG, einem Freizeitanbieter, der zu 86 Prozent
den SBB gehört. Der Vater zweier Töchter wurde vor zehn Jahren ins Boot
geholt, um RailAway aufzubauen und zu etablieren. Kamer zeichnet seither
für ein beispielloses Wachstum, aus verschiedener Sicht, verantwortlich.
Den Erfolg verdankt er unter anderem seinem menschlichen Führungsstil,
ebenso seinem steten Wissensdurst.
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RailAway, der hierzulande führende Anbieter von Freizeitaktivitäten, gehört zu grossen
Teilen den SBB. Je länger, desto mehr nabelt sich die agile Freizeit-Tochter von der
Mutter ab, der Erfolg gibt diesem Prozess recht.
Zu den engsten Partnern zählen etwa das
Zentrum Paul Klee, Schweiz Tourismus,
Schweizer Radio DRS, Reckitt Benckiser,
Ticketcorner, Pilatusbahnen, Verkehrshaus der Schweiz, Montreux Jazz Festival,
Good News Productions AG und Swiss
Indoors. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen, das heisst, bei 700 ist auch diese
vollständig. 700 sind viel und es kristallisiert sich die Frage heraus, wer sich mit
700 – zumeist höchst potenten – Partnern
ins (Business-)Bett legt.
Die Rede ist von RailAway, dem hierzulande führenden Anbieter von Freizeitausflügen im öffentlichen Verkehr mit
Zusatzleistungen im Inland und nahen
Ausland. Selbst wenn RailAway als Mutter die vor Kraft nur so strotzenden SBB
hat, ist die erlangte Führungsposition in
einer solchen mehr oder minder kurzen
Zeit nicht selbstverständlich. RailAway
ist noch nicht lange den Kinderschuhen
entwachsen, hat man doch mit dem Geschäftsjahr 2010 erst eben das zehnte
Jubilarjahr gefeiert.
Für die Strategie ins Boot geholt
Grund zum Feiern hat das Unternehmen
aber vielmehr betriebswirtschaftlicher
Warte aus. Dass die erfolgsbehaftete­
SBB-Tochter trotz anhaltender Wirtschaftselegie nicht in eine Depression
stürzt, dafür sorgt auf der einen Seite das
breit ausgeworfene Distributionsnetz von
450 (Bahnhofs-)Filialen. Auf der anderen
Seite dürften eingangs erwähnte Partner-
schaften und damit auch der Diversifikationseffekt zum Tragen kommen.
Dies reicht selbstredend kaum aus,
um sich zum Marktführer zu wandeln.
Die wohl wichtigste Komponente ist das
Human­kapital. Ohne den Faktor Mensch
dürfte jedweder Erfolg etwa so gross sein,
wie Jericho über dem Meeresspiegel liegt.
Dreh- und Angelpunkt von RailAway sind
die derzeit 62 Mitarbeitenden, allen voran
Geschäftsführer René Kamer. Der Tourismusprofi dazu: «1999 wurden die SBB zur
spezialrechtlichen AG. Mit der Umwandlung
wuchs die Idee, einen Businessplan und
ein neues Freizeitkonzept zu erstellen, um
den sogenannten Modalsplit zu vollziehen.»
Er weiter: «Damit ist die Verlagerung
vom Strassen- zum Schienenverkehr im
Freizeitmarkt gemeint. Vor dieser Zeit war
man noch nicht so weit respektive es fehlten Strategien. Im Rahmen eines auf vier
Monate befristeten Projekts wurde ich ins
Boot geholt, um ein Businessmodell zu
entwickeln. Ich schloss unter anderem das
vom SKU offerierte Advanced Management Program (AMP) ab.» Kamer, nicht
ohne Stolz, themenabschliessend: «Dieses AMP hat mir enorm viel gebracht und
so konnte ich das Erlernte gleich in die Praxis umsetzen. Es scheint zu funktionieren
und ja, darauf fusst schliesslich RailAway.»
Dass sich der amtierende CEO in diesem
Umfeld wohlfühlt, überrascht nicht, immerhin wurde er quasi auf Schienen geboren,
waren doch bereits sein Vater und zwei von
drei Brüdern in selbigen Gefilden tätig.
Vater hin, Brüder her, René Kamer ist ein
verdeutlichendes Beispiel dafür, dass
Bahnangestellte nicht mehr Synonym für
Gemütlichkeit und pastellfarbene Kurzarmhemden sind. Der zweifache Familienvater spiegelt durchaus den umtriebigen und weltoffenen Untenehmer. Dieser
lagert nicht einfach die Füsse hoch und
lässt sich zuoberst hängende Weintrauben
zu Munde führen. Nein, dieser kämpft gegen widrige Marktumstände, zieht daraus
seine Lehren und profitiert natürlich umgekehrt auch von Marktgegebenheiten.
«MIV» heisst der ärgste Konkurrent
RailAway, aus SBB-Konzernsicht ein
­Nischenplayer, hat schon immer eine
gute Ausgangslage gehabt und wird
es weiterhin haben. Schliesslich aber
gilt es auch hier, dem ärgsten Konkurrenten, «MIV», das Wasser abzugraben.
«MIV» ist das ­Akronym für «Motorisierter
­Individueller Verkehr». An der sich stets
stärker in unseren Köpfen manifestierenden Nachhaltigkeit, Ökologie gehört hier
dazu, stösst sich RailAway sicherlich gesund. Allerdings ist dies kein sakrosankter Erfolgsfakt.
Sakrosankt war früher nichts und es
ist auch heute nichts sakrosankt. Entsprechend muss das Haus RailAway eine
ausgeklügelte Strategie beheimaten,
sodass die Weichen zukunftsweisend
gestellt werden können. Diese fusst etwa
auf Agilität und Authentizität. RailAway
verzichtet auf seichte Effekthascherei,
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besinnt sich auf die Kompetenzen und
schafft ­dadurch den positiven (SBB-)
Imagetransfer. Die SBB haben es überdies verstanden, RailAway die notwendige operative Autonomie zu gewährleisten.
Organisationsstrukturen sind denn auch
schlank, Entscheidungs- und Handlungswege demnach kurz.
– RailAway –
Zehn erfolgreiche Jahre
Seine erste Dekade hat das den SBB zugehörige Unternehmen mit dem abgeschlossenen
Geschäftsjahr 2010 hinter sich gebracht. Rail
Away, eine wahre Erfolgsgeschichte, ist nun
der führende Anbieter von Freizeitausflügen
mit Zusatzleistungen im Inland wie auch nahen
Ausland. Die SBB-Tochter operiert mit ihren
62 Mitarbeitern vom Hauptsitz in Luzern aus,
verfügt über eine weitere Filiale in Lausanne
und Lugano und erwirtschaftete im vergangenen
Jahr einen Umsatz von 74 Millionen Franken.
In den kommenden fünf Jahren ist mit der neuen Strategie eine Steigerung von insgesamt
26 Millionen anvisiert. RailAway greift mit diesem
Ziel nicht überambitioniert nach den Sternen,
verfügt das zehnjährige Unternehmen doch über
Verkaufsstellen in 450 Bahnhöfen und kann
ausserdem auf ein 700 Partner umspannendes
Netzwerk im Tourismus- und Veranstaltungsmarkt zugreifen. RailAway ist preis­gekrönt
(Tourismuspreis Milestone 2005) und agil –
die Weichen scheinen optimal gestellt
zu sein.
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«Ich bin wohl eher ein dankbarer Typ»
CEO Kamer schätzt diese relativ neue
Situation, kaum verwunderlich, überaus.
Er ist sich bewusst und hat es schon oft
erlebt, dass es mit einer derart starken
Mutter zu (un-)wirtlichen Zielkonflikten
kommen kann. Doch wer stellt sich denn
schon in einen solch mütterlichen Schatten und läuft dadurch Gefahr, sich in die
Nesseln zu setzen? Wer ist dieser René
Kamer genau? Wie ist sein Führungsstil und wie viel Führungspersönlichkeit
wurde ihm mit auf den natürlichen Weg
gegeben?
Fragen über Fragen – die der Benjamin von sechs Geschwistern locker-sympathisch zu beantworten weiss: «In erster
­Linie freue ich mich, in einem derart privilegierten Umfeld arbeiten zu können. Wir
haben beispielsweise spannende sowie
zukunftsträchtige Partnerschaften und
wir bewegen uns mit Freizeit in einem
Wachstumsmarkt, der einerseits schweizlastig ist, anderseits viel mit Natur zu tun
hat. Ich bin wohl eher ein dankbarer Typ,
das heisst, ich muss nicht klotzen, tu lieber kleckern und schätze daher die uns
offerierte Möglichkeit, das Geschäftsfeld
Freizeit und Tourismus noch mehr weiterzuentwickeln. Stets versuche ich auch,
meinen Mitarbeitern den Rücken zu stärken. Das Soziale ist mir wichtig.» Der
59-Jährige sieht ausserdem in sich den
Wissensdurstigen, den Umsetzungsstarken: «Laufend bilde ich mich weiter. So
etwa das bereits erwähnte AMP, das zehn
Monate dauert. Sowohl AMP als auch
SKU, der Anbieter, sind zwar nicht so bekannt, nichtsdestotrotz ist diese Weiterbildung etwas vom Besten, was mir bislang
passiert ist.»
Kamer wirft Positives wie Negatives
in die Waagschale: «Sicherlich, die Kosten belaufen sich auf einen tieferen fünfstelligen Frankenbetrag, und die Präsenzzeiten wie auch das Spannungsverhältnis
Familie-Beruf-Weiterbildung sind nicht zu
unterschätzen. Allerdings absolviert man
ein Modul im Ausland, man geniesst viele Referate weltmännischer Wirtschaftsexponenten und kann darüberhinaus sein
Netzwerk weiterstricken. Der Austausch
mit unterschiedlichen Persönlichkeiten,
die aus jeweils völlig anderen Industrien kommen, ist einzigartig.» Kamer abschliessend: «Die Praxisnähe habe ich ja
bereits angedeutet.»
Wenn wir schon von Praxisnähe sprechen, können wir auch wieder zur Praxis zurückkehren. Welches nächste Husarenstück treibt uns künftig Freudentränen
in die Augen? «Ein Primeur im Freizeitmarkt des öffentlichen Verkehrs wird der
SBB-RailAway-Online-Freizeit-Webshop
sein. Im Sommer 2012 ist dieser marktreif. Der Kunde kann dann nicht nur SBBTickets online kaufen und bei Bedarf zu
Hause ausdrucken, sondern auch gleich
die RailAway-Zusatzleistung für sein
Freizeitvergnügen.»
Text: Cyril Schicker, Fotos: Tanja Demarmels