Disulfiram zur Rückfallprophylaxe bei der Alkoholabhängigkeit
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Disulfiram zur Rückfallprophylaxe bei der Alkoholabhängigkeit
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie - Suchtmedizin - Disulfiram zur Rückfallprophylaxe bei der Alkoholabhängigkeit * = 0.05 Dirk Wedekind und Ursula Havemann-Reinecke Universitätsmedizin Göttingen, Abt. Psychiatrie & Psychotherapie Einleitung: Disulfiram ist seit 1951 von der FDA als Aversivum zur Alkoholrückfallprophylaxe zugelassen. Über eine Hemmung der hepatischen Aldehyddehydrogenase (ALDH) führt eine prophylaktische Disulfirameinnahme bei Alkoholkonsum durch Kumulation von Acetaldehyd zu einer charakteristischen psychovegetativen Reaktion. Disulfiram war nie Therapeutikum erster Wahl, war aber immer integraler Bestandteil in der Alkoholrückfallprophylaxe. Mit der Rückgabe der Zulassung durch den Hersteller 2011 und die erschwerte Verschreibbarkeit droht eine Substanz an klinischer Relevanz zu verlieren, die wahrscheinlich auch zentralnervöse und epigenetische Effekte haben könnte, die zum Therapieseffekt beisteuern. Studienlage: Frühe Disulfiramstudien hatten überwiegend mangelhafte methodische Designs und beschränkte Aussagekraft. Alle seit 2000 durchgeführten klinischen Studien zeigen eine hohe Effektivität von Disulfiram in der Alkoholrückfallprophylaxe. Zum Großteil besteht eine signifikante Überlegenheit gegenüber AnticravingSubstanzen wie Acamprosat und Naltrexon, bei sehr guter Verträglichkeit. Die mittlere Zeit bis zum ersten schweren Rückfall ist unter Disulfiram annähernd doppelt so lang wie bei den Vergleichsubstanzen, eine Abhängigkeit der Dosis zur Anzahl trinkfreier Tage konnte gezeigt werden. Ein positiver Effekt bei der Alkoholabhängigkeit mit komorbiden Störungen ergab sich z.B. bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, der PTBS und der Kokainabhängigkeit. Neue Aspekte: Disulfiram ist ein potenter Inhibitor der Dopamin-ßHydroxylase (DBH). Eine inhibierte DBH-Aktivität bewirkt eine erhöhte Dopamin/Noradrenalin-Ratio in Hirnarealen, was zu einem relevanten Effekt auf das „Reward-System“ führen könnte. Rückfallrisiko und Substanzverlangen stehen in enger Verbindung mit der ALDH-Aktivität. Es gibt Hinweise für einen zentralnervösen inhibierenden Effekt des ALDHInhibitors Disulfiram auf die Ethanol bedingte Dopaminfreisetzung in der ventralen tegmentalen Area (VTA). Dies könnte den Dosis-abhängigen Effekt auf die Reduktion von Trinktagen von Disulfiram erklären. Epigenetische Effekte von Disulfiram: Die bei Alkoholabhängigen vielfach bestätigten erhöhten Serumspiegel von Homocystein können mit verstärkten DNA-Methylierungsprozessen einhergehen und somit zu einer veränderten GenomPlastizität und Dysregulation genspezifischer Promoter führen, z.B. von Kandidatengene für die monoaminerge Neurotransmission (wie 5HTTPR, COMT). Obwohl diesbezüglich keine Untersuchungen mit Alkoholabhängigen durchgeführt worden sind, konnten neuerdings vielfach DANN-demethylierende Eigenschaften von Disulfiram gezeigt werden. Dies ging z.B. mit einer Inhibition von Prostata- und Mamma-Karzinom Zellwachstum in klinisch-onkologischen Studien einher. Ausblick: Aufgrund der aktuellen klinischen Vergleichsstudien kommt Disulfiram eine hohe Relevanz in der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit bei guter Verträglichkeit zu. Eine Kombination mit Anti-Craving-Substanzen könnte vorteilhaft sein. Bei vergleichsweise niedrigen Behandlungskosten stellt Disulfiram eine Substanz dar, deren Wirkungsspektrum weit über einen rein suggestiven Effekt oder die Disulfiram-EthanolReaktion hinausgeht. Dosisabhängige AntiCraving-Effekte durch zentralnervösen DBH- und ALDH-Inhibitionseffekte sind als zusätzliche Wirkfaktoren anzunehmen. Zudem lassen onkologische Studien vermuten, dass Disulfiram durch DNA-demethylierende Effekte epigenetische Prozesse moduliert. Literatur: De Sousa A, et al. A one-year pragmatic trial of naltrexone vs disulfiram in the treatment of alcohol dependence Alcohol Alcohol 2004 39(6):528-31. de Sousa A, et al. An open randomized study comparing disulfiram and acamprosate in the treatment of alcohol dependence. Alcohol Alcohol. 2005 40(6):545-48. Fuller RK, et al. Disulfiram treatment of alcoholism. A Veterans Administration cooperative study JAMA. 1986 256(11):1449-55. Laaksonen E, et al. A randomized, multicentre, open-label, comparative trial of disulfiram, naltrexone and acamprosate in the treatment of alcohol dependence Alcohol Alcohol. 2008 43(1):53-61. Mutschler J, et al. [Recent results in relaps prevention of alcoholism with Disulfiram], Mol Interv 2009 ;9(4):175-87.