Vollständiger Artikel aus der April
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Vollständiger Artikel aus der April
Rockstar Peter Maffay hilft Kindern, die Schreckliches erlebt haben. Ein feuriger Geselle unterstützt ihn dabei Im Zeichen des Drachen VON MICHAEL KALLINGER Ein händedruck wie von einem Schraubstock. Der Mann mag nur 1,68 groß sein, aber an Kraft mangelt es ihm nicht. Peter Maffay, 54, Landwirt, Rockstar und Wohltäter, legt sein Gesicht zur Begrüßung lachend in Falten. „Wir können gern beim Du bleiben“, sagt er auf Nachfrage, und alles andere wäre wohl auch unpassend bei ihm, der in Jeans und Flanellhemden wie kaum ein anderer ein Star zum Anfassen geblieben ist. Am Tag zuvor ist er von seinem Bauernhof auf Mallorca zurückgekehrt, hierher, nach Tutzing am Starnberger See. FOTO: © KLAUS GEIS; ILLUSTRATION: © RED ROOSTER 45 RD I APRIL 2004 eit stunden schwebt der Schnee in dicken Flocken auf den Ort herab; ein friedliches Bild, zumal es in Maffays Anwesen wohlig warm ist. In der seenahen Klenzestraße befindet sich die deutsche Niederlassung seines, nun, wie soll man es nennen: Konzerns? Drei Tonstudios sind in den verschiedenen Gebäuden untergebracht, aber auch das Büro seiner S IM ZEICHEN DES DRACHEN richtungen der „Tabaluga Kinderstiftung“, deren Schirmherr Peter Maffay ist. „Rund 300 Kinder werden hier betreut“, erklärt er. „Kinder aus schwierigen Familien, in denen Alkohol, Drogen, Gewalt oder sexueller Missbrauch an der Tagesordnung waren.“ Eine traumatisierte Klientel, der Therapeuten und Pädagogen wieder ein Grundvertrauen in ihre Umwelt vermitteln wollen. „Es geht eigentlich und den Kontakt zu Tieren, verbunden mit therapeutischer Begleitung, wieder Halt finden: der „Tabaluga Hof“. Inzwischen trägt die Stiftung zudem das Therapiezentrum „Sternstundenhaus“, Außenwohngruppen und einige weitere Einrichtungen, in denen seelische Türen wieder geöffnet werden, die lange Zeit fest verschlossen waren; Reittherapie und Spiel, Erlebnispädagogik und Naturerfahrung sind die Schlüssel. „Diese Einrichtungen bieten viele Therapien, die der Staat nicht mehr zu tragen bereit ist“, sagt Maffay, „Musiktherapie zum Beispiel.“ Zorn schwingt mit, als er fortfährt: „Ich vermute mal ganz stark, dass sich irgendwelche schlauen Entscheidungsträger sagen: Was soll denn dieses bisschen Musik bewerkstelligen? Dabei sind sol- „Peter Maffay Stiftung“ und diverse Wohnräume. Von hier aus dirigiert er seine Aktivitäten: die Musikprojekte, sein Engagement für benachteiligte Kinder in Deutschland und Spanien – oder, ganz aktuell, die Tournee mit seiner Kinder-Musical-Produktion „Tabaluga und das verschenkte Glück“. Vier „Tabaluga“-Alben sind inzwischen millionenfach über die Ladentheken gegangen, eine Fernsehserie rankt sich um den grünen Sympathieträger, unzählige Besucher haben sich in Konzerthallen von dem kleinen Drachen verzaubern lassen, dessen Botschaft vor allem eine ist: das Kind im Menschen zu bewahren. Der einprägsame Fantasiename „Tabaluga“ findet sich aber nicht nur auf Tonträgern und Veranstaltungsplakaten. „Tabaluga Hof“ steht auf der Fassade eines Bauernhofs nahe Tutzing; ein Kinderheim am Starnberger See firmiert unter „Tabaluga Haus“ – Ein46 um den Rückeinstieg, darum, so viel psychische Stabilität herzustellen, dass die Kinder alleine in der Gesellschaft zurechtkommen“, fasst Maffay das Konzept zusammen. Vorstand der Stiftung und Leiter der Kinderprojekte ist Dr. Jürgen Haerlin. Er war es, der den prominenten Nachbarn Maffay und sein Team für die Arbeit im heutigen „Tabaluga Haus“ gewinnen konnte. „Jürgen ließ eines Tages nachfragen, ob wir sein „Gabrielenheim“ unterstützen wollten – ob wir ein paar Mark für einen Kinderspielplatz übrig hätten“, erzählt Maffay. „Dann haben wir uns zusammengetan und den Spielplatz gebaut.“ Es sollte der Beginn einer sehr langen Partnerschaft werden. Maffay: „Jürgen hat mir erklärt, dass viele Therapien ohne Spenden nicht machbar seien. Und dann kam er mit der Idee eines Bauernhofs.“ Ein Hof, auf dem traumatisierte Kinder durch Naturnähe FOTOS: © V. DANNENMANN, KEYSTONE „Es geht um den Rückeinstieg, darum, psychische Stabilität herzustellen“ che Therapien oft die einzigen Wege, um diese Kinder noch zu öffnen.“ Der Staat befreie sich von einer unangenehmen Pflicht, indem er die Kosten für den seelischen Schlüsseldienst in den privaten Bereich verlege. Auch deshalb bezeichnet Maffay seine Funktion als die einer „Geldmaschine“, einer Galionsfigur, die auf Hilfsprojekte aufmerksam macht durch ihre Popularität, die Mittel bei Unternehmen und privaten Spendern „generiert“. Für sein Engagement hat er jüngst den deutschen Medienpreis „Bambi“ erhalten. „Eine Auszeichnung, über die ich mich wahnsinnig gefreut habe“, sagt Maffay, in dessen Maffay und seine Frau Tania bei der Eröffnung seiner Finca für Kinder auf Mallorca 2003 und als Schlagerstar in den 70ern 47 RD I APRIL 2004 IM ZEICHEN DES DRACHEN PETER MAFFAY: DIE BIOGRAFIE 48 Seit 2003 füllt Tabaluga wieder die Konzerthallen (oben); Maffay mit gediegener „Vorne kurz, hinten lang“Frisur 1993 beim Konzert in Hamburg FOTOS: © SEBSTIAN DRÜEN; JENS MEYER, FOTEX die Rolling Stones, bei denen der ehemalige Schlagerstar zahlreiche Anfeindungen der mehr als 500 000 Rockfans hinnehmen muss. Ein Jahr später veröffentlicht Maffay das kommerziell sehr erfolgreiche Rockmärchen Tabaluga oder Die Reise zur Vernunft, dem bis 2003 noch drei Fortsetzungen, zwei Bühnenversionen und eine Fernsehserie folgen werden. Anfang der 90er gründet der Musiker mit Freunden die gemeinnützige Organisation Horizon e.V. und setzt sich verstärkt gegen Ausländerfeindlichkeit ein. Später engagiert er sich auch für benachteiligte Kinder und wird Schirmherr der „Tabaluga Kinderstiftung“ mit Sitz am Starnberger See. Im Juni 2003 eröffnet Maffay ein Landhaus auf Mallorca, in dem traumatisierte Kinder Ferienaufenthalte verbringen können. Die Anlage wird getragen von seiner 2002 gegründeten Peter Maffay Stiftung. Der Musiker, der jahrelang eine Farm in Kanada unterhalten hat, wohnt heute abwechselnd in Tutzing am Starnberger See und auf seinem Bauernhof im Norden von Mallorca. Der begeisterte Motorradfahrer ist in vierter Ehe mit der 29jährigen Tania verheiratet und seit Oktober 2003 Vater eines Sohnes namens Yaris. RD FOTO: © TELDEC Peter Alexander Maffay (eigentlich: Makkay) kommt am 30. August 1949 im rumänischen Brasov (Kronstadt) zur Welt. Er ist das einzige Kind eines ungarischen Flugzeugmechanikers und einer Siebenbürgen-Deutschen. 1963 übersiedelt die Familie nach Deutschland und lässt sich im bayrischen Mühldorf nieder. Maffay besucht dort das Gymnasium, beginnt aber schon nach der mittleren Reife 1968 eine Druckerlehre. Zu dieser Zeit tritt er auch in Klubs mit Nummern von Bob Dylan oder Donovan als Folk-Interpret auf. 1969 entdeckt ihn der Texter und Produzent Michael Kunze. Durch ihn erhält Maffay einen Schallplattenvertrag und veröffentlicht 1970 seine erste Single, den von Peter Orloff geschriebenen Schlager „Du“. Die Ballade schafft es an die Spitze der deutschen Hitparade und begründet Maffays steile Karriere. Von Mitte der 70er an bemüht sich der Musiker um einen Image-Wechsel und entwickelt sich nach und nach zu einem der erfolgreichsten deutschen Rockinterpreten. Seine Alben, darunter Steppenwolf (1979) und Revanche (1980) verkaufen sich millionenfach. 1982 spielt Maffay sechs Konzerte als Anheizer für Eingangshalle die Wände mit Goldenen Schallplatten gepflastert sind. „Weil dieser Preis nicht für mich ist. Ich bin nur der Typ auf dem Plakat, dahinter aber steht klar erkennbar eine ganze Gruppe von Menschen.“ Und doch wäre es ohne den „Typen auf dem Plakat“ sehr viel schwerer, wenn nicht unmöglich, so vielen Kindern und Jugendlichen zu helfen. „Das Schicksal hat mir diese Möglichkeit gegeben, also muss ich was daraus machen“, formuliert es Maffay mit ernster Stimme. „Jedes Jahr nur eine neue Rock-’n’-Roll-Scheibe, und noch ein Ohrring und noch eine Tätowierung, das wäre zu wenig.“ Vielleicht hat er deshalb noch mit Ende 40 mit Freunden im Norden von Mallorca einen Bauernhof aufgebaut und dort im Juni 2003 zudem ein Kinderferienhaus seiner noch jungen „Peter Maffay Stiftung“ eröffnet. Die Finca nahe dem Städtchen Pollenca steht traumatisierten Kindern für zweiwöchige Aufenthalte zur Verfügung, mitsamt Ökogarten, Käserei, Schreinerei und Tonstudio. „Jürgen Haerlin stellt die Gruppen zusammen und schickt sie mit ihren Therapeuten zu uns“, beschreibt Maffay die Zusammenarbeit mit der „Tabaluga Kinderstiftung“ in Tutzing. Bald sollen auch die ersten Gäste aus Frankreich, Russland und Tschechien auf die Baleareninsel kommen, Kinder aus Einrichtungen, mit denen Haerlins Haus kooperiert. Maffay: „Wir vor Ort übernehmen die Logistik, vom Essen bis zu den Transporten.“ Das Therapieren überlässt der Musiker den Fachleuten, trotzdem hat er schnell gelernt, dass seine Besucher 49 I APRIL 2004 ginnt schon mit meinem eigenen Sohn. Wenn Yaris ein bisschen zu laut schreit, bin ich hilflos“, bekennt er grinsend. „Mein Mädel sagt dann: Lass uns zuerst mal in die Windel schauen – voll bis zur Halskrause, der kann sich nicht wohl fühlen.“ Ob Yaris auf Mallorca oder am Starnberger See aufwachsen wird, lässt sein Vater offen: „Er wird beides kennen lernen, mal Mit Ende 40 hat Maffay auf Mallorca eine sehen, wo er sich besser weitere Karriere als Landwirt gestartet. fühlt. Wir werden ihn ein Schon früher hatte er eine Farm in Kanada bisschen lenken, aber nicht mehr als ich das bei mir auch psychisch auf der Insel ankom- selbst als zulässig empfunden habe. men müssen. „Du kannst jetzt einen Yaris soll ein freier Kopf sein.“ Seine eigenen Eltern hat Maffay als kleinen Menschen aus dem Flugzeug holen und ihn direkt in den Ökogarten Kind in Rumänien als sehr liberal erführen. Was soll er da machen?“, fragt lebt. „Vor allem in der Familie meines er rhetorisch. „Der hat noch nichts Vaters herrschte von jeher ein gewisgerochen, noch nichts gefühlt. Setz ser Freigeist. Mein Großvater hatte ein ihn lieber ein bisschen ans Meer, lass Kino und fuhr regelmäßig nach Wien, ihn nur zuhören. So viele schöne um dann mit neuen Filmrollen zuGeschichten kannst du gar nicht er- rückzukommen – der lebte in einer ganz anderen Welt.“ zählen.“ Die reale Welt, die der kleine Peter Berührungsängste mit dem Popstar kennen die jungen Besucher nicht. in Transsilvanien kennen lernte, war „Bei denen ist alles viel normaler als weit weniger frei. „Rumänien war einbei uns Erwachsenen“, meint Maffay. fach unerträglich“, erinnert sich Maf„Ich habe Kinder selten nervös erlebt, fay. „Die Planwirtschaft hat dazu gewenn ich aufgetaucht bin. Die sind viel- führt, dass beispielsweise die Ernte leicht ein wenig aufgedreht, sagen: Hey, auf dem Acker verrottete, weil es keine Lkws zum Abtransport gab. Sich über sing mal was, du bist doch Sänger!“ Wenn doch mal etwas aus dem dieses Liegenbleiben zu beschweren Ruder läuft, greift Maffay gern auf bedeutete, dass man im Knast landete kompetente Hilfe zurück: „Das be- – Kritik am System war nicht zulässig.“ 50 FOTO: © DPA RD RD I APRIL 2004 Für die Familie Makkay, wie der Familienname des Künstlers eigentlich lautet, kam erschwerend hinzu: Der Vater war Ungar, die Mutter gar Siebenbürgen-Deutsche. Keine glückliche Kombination in einem Osteuropa, dem die Schrecken des Dritten Reichs Transsilvanien hat Maffay nicht mehr oft besucht. „Ich war erstmals nach 34 Jahren wieder dort“, erinnert er sich, „und da habe ich Rumänien als sehr weit weg empfunden.“ Inzwischen genießt Maffay lieber die spanische Sonne auf seinem Bauern- „Nach 34 Jahren habe ich Rumänien als sehr weit weg empfunden“ noch in allen Knochen saßen. „Die Ungarn galten als sehr deutschfreundlich, das war schlimm genug. Deutsch zu sein aber war ganz schlimm, da warst du als Zwölfjähriger schon ein so genannter Hitlerist, oder zumindest Abkömmling von Hitleristen.“ Eine Stimmung, die sich mehr und mehr im Alltag niederschlug. Maffay: „Zuerst nahm die Zahl der Fächer, die noch auf Deutsch unterrichtet wurden, von Jahr zu Jahr ab. Dann merkten wir, dass plötzlich der Vater oder Bruder des einen oder anderen für eine Woche weg war, oder für zwei. Oder für zwei Jahre.“ Grund genug für die Familie, einen Ausreiseantrag zu stellen. Im Frühjahr 1963 durften der knapp vierzehnjährige Peter und seine Eltern das Land schließlich verlassen. Die Familie ließ sich im bayrischen Mühldorf nieder. hof. Oder, so wie gerade jetzt, den Schneefall am Starnberger See. Als nächstes wird er wieder im Zeichen des Drachen auf Tour gehen: die aktuelle „Tabaluga“-Tour geht aufgrund ihres großen Erfolges in die zweite Runde. Und dann, wer weiß … „Meine Zukunft heißt Stiftung, meine Zukunft heißt Yaris, meine Zukunft heißt Rock ’n’ Roll, meine Zukunft heißt Schafe melken“, erklärt er und legt sein Gesicht noch einmal lächelnd in Falten. Irgendwie passt das schon alles zusammen bei Peter Maffay, 54, Landwirt, Rockstar, Wohltäter. Peter Maffay auf Tournee mit „Tabaluga und das verschenkte Glück“: Frankfurt 19. - 21. 3. / München 26. - 28. 3. / Dortmund 2. - 4. 4. / Kiel 10. - 12. 4. / Karlsruhe 16. - 18. 4. / Erfurt 23. - 25. 4. / Berlin 30. 4. - 2. 5. V E R Z W E I F L U N G S TAT Unser Spaniel Charlie wurde allzu pummelig, weil die Gäste unserer Pension ihn fortwährend fütterten. Deshalb hägte ich ihm ein Pappschild um, auf dem ich die Gäste bat, ihm nichts mehr zu geben. Einen Tag lang ging das gut – dann fraß Charlie das Schild. M. K. 52