Borkum - zu jeder Jahreszeit

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Borkum - zu jeder Jahreszeit
Reiseinformationen Deutschland
Borkum - zu jeder Jahreszeit
Ein Bericht von Udo Haafke
Der alte Hafen von Borkum, die Reede, war schon immer ein Spielball
der Gezeiten. Manchmal jedoch verhalten sich diese etwas anders als
gewohnt und urplötzlich bricht gepflegtes Durcheinander aus. Zwar liegen die Fähren im Hafen, doch steht das Wasser bereits so hoch über
der Kaimauer des Hafenbeckens, dass es sich allmählich auf den
Schmalspurschienen der Inselbahn verteilt, die gerade schnaufend und
leise über die Gleise plätschernd im Bahnhof einläuft. Nur mit einiger
Anstrengung gelingt es die wartenden Autos schließlich auf die Fähre
zu verladen, trotz steilen Anfahrtswinkels der Rampe, und die leichte
Verspätung tatsächlich wieder aufzuholen, trotz aufgewühlter See.
Winterkalte Stürme vertreiben die letzten sommerlichen Gedanken;
Strandkörbe, Liegestühle und Badekarren werden von ihren Besitzern in
sichere Unterkünfte gebracht. Ohne die farbenprächtigen Sinnbilder
deutscher Badekultur wirkt der breite Strand entlang der Promenade
Borkums reichlich aufgeräumt. Lediglich ein paar wetterresistente
Klettergerüste und Rutschbahnen für die Kinder bleiben stehen.
Unentwegte spazieren nach wie vor längs des mittlerweile schmal
gewordenen Küstenstreifens.
Welch Urgewalten der kräftige Westwind auszulösen vermag, spürt
jeder, der sich aus dem Dünenstreifen heraus auf die offene
Strandfläche wagt. Ungehindert treibt der Sturm feinsten Sand vor sich
her. In gut einem halben Meter Höhe fegt er über den Boden, erzeugt
Spuren, die Strömungsverläufen im Windkanal gleichen.
Noch Stunden später finden sich die feuchten Sandkörnchen an allen
möglichen und unmöglichen Stellen von Kleidung und Körper. Nun wird
es auch leicht vorstellbar, welche Auswirkungen und Veränderungen der
permanente Einfluß des Blanken Hans auf Gestalt und Aussehen der
Küstenregionen verursachen kann, welche Einflüsse auf die westlichste
der deutschen Nordseeinseln ausgeübt werden.Als um 1715 die
Blütezeit des Walfangs begann, waren es häufig Borkumer, die
Walfangschiffe auf ihrem mühseligen und mehr als abenteuerlichen
Weg nach Grönland befehligten.
Inselbahn im Fährhafen
Feuerschiff im Hafen
So sieht es im Sommer aus (Foto: Niedersachensen Tourismus)
Kirchstraße mit neuem Leuchtturm
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Relikte dieser damals notwendigen Beutezüge, die heutzutage erheblichen Misskredit hervorrufen würden, sind auch heute noch im Zentrum
des alten Borkum, rund um den alten Leuchtturm zu finden: Knochen
von Walkinnladen verwendete man zur Umfriedung von Gärten, wie
etwa an der Reformierten Pfarrei; aus anderen schlugen Steinmetze
Kreuze heraus. Die kleinen Grabstätten einiger Walfänger am Fuße des
Turms zeigen dafür teils makabre Beispiele. Kreuze wie Gartenzäune
trotzen auch nach so vielen Jahrzehnten den erodierenden Angriffen
von Wind und Wetter, lediglich Flechten machen sich ihrer mancherorts
habhaft.
Typische Badewagen
Die letzten Sonnenstrahlen genießen
Walknochen als Garten-Umfriedung
Symbole der Walfängerzunft, die ein jähes Ende zu Beginn der
Napoleonischen Kriege fand, gibt es in Form von zwei Wetterfahnen
auf dem Meerwasserschwimmbad und eben dem alten Leuchtturm.
Stilisiert zeigen sie den damals etwas ausgeglicheneren Kampf zwischen Mensch und Kreatur. Überhaupt charakterisieren Wetterfahnen
das Bild, welches dem Borkumbesucher meist erst beim zweiten
Hinsehen auffällt. Ins Auge sticht auf der Promenade die patinabelegte
Meerjungfrau auf der runden Kuppel des Teehauses, optischer
Schlußpunkt des historischen Teils der traditionsreichen, immer noch
stark frequentierten Kuranlagen. Die Nixe erfreut sich häufiger Besuche
zweier Möwen, die hier kleine Pausen zwischen ihren luftakrobatischen
Vorführungen einlegen. Viele weitere, typische Borkummotive zieren die
Dachfirste der rotverklinkerten Häuser. Gleich mehrfach dreht sich die
Inselbahn im Wind. Ob Dampflokomotive oder die modernere Version
mit Diesellok und Waggon. Unmittelbar hinter den Dünen gibt es sogar
ein Exemplar mit Strandkorb und rankem Jüngling, der emsig an einer
Sandburg schaufelt.
Inselbahn und Leuchttürme sind Borkums bekannte Markenzeichen.
"Münster", "Emden" und "Berlin" lauten die Namen der roten und gelben Diesellokomotiven, die mit den bunten Waggons auf der 7,5
Kilometer langen Strecke zwischen Reede und Bahnhof im Stadtzentrum
hin- und herpendeln.
Wetterjungfrau mit zwei Möwen
Das moderne Leuchtfeuer
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Beliebt bei Kindern, wegen des an den zahlreichen Bahnübergängen
betätigten Hupsignals, und geschätzt von denjenigen, die ohne fahrbaren Untersatz anreisen, stellt sie eine echte verkehrstechnische
Alternative dar und läßt den Ruf nach einer weitgehend autofreien Insel
lauter werden. Pferdekutschen und Fahrräder haben sich bereits fest im
Stadtbild etabliert, im Übrigen lassen restriktive Vorschriften nur einen
begrenzten Bewegungsraum für private PKW zu. Der ganze Stolz der
Borkumer Kleinbahn, die Dampflok Borkum aus dem Jahre 1941, hält
indes wohlverdienten Winterschlaf, um für den kommenden Sommer
gerüstet zu sein.
Der alte Leuchtturm von 1576 war ursprünglich gleichzeitig Landmarke
und Kirchturm genutzt (das ehemals angeschlossene Kirchenschiff existiert leider nicht mehr). Gebaut aus Ziegeln, die für das Rathaus in
Emden vorgesehen waren - man entschied sich dort dann für eine
Sandsteinfassade - ersetzte er die Kaaps, von denen noch heute zwei
auf den Dünen zu sehen sind. Das große und das kleine Kaap waren
im Mittelalter für die Peilung der Seefahrer unentbehrlich. 1879 nahm
dann der neue Leuchtturm in der zweiten Reihe hinter der
Strandpromenade seinen Betrieb auf, um den gestiegenen nautischen
Anforderungen mit einer Reichweite von gut 45 km gerecht zu werden.
Am Südstrand folgte 12 Jahre später der rot-weiße Lotsenleuchtturm,
der für die Navigation in der Emsmündung notwendig wurde. Die
Borkumer nennen ihn auch heute noch den elektrischen Leuchtturm, weil
er im Gegensatz zu seinen Kollegen von Anfang an elektrisch betrieben
wurde.
Beliebtes Inseltaxi
Der römische Schriftsteller Plinius war es, der vermutlich für die erstmalige geschichtliche Erwähnung Borkums sorgte, als er von einer bohnenförmigen Insel an der Emsmündung berichtete, deren wenige Bewohner
arm und kärglich lebten, den Widrigkeiten der Gezeiten und des
Wetters vielfach hilflos ausgesetzt. Seine Schilderung machte wenig
Lust auf einen Besuch und es dauerte bis ins Jahr 1850, als die ersten
252 Reisenden nach 18-stündiger Dampferfahrt die Insel für den
Der Alte Leuchtturm
Kutter in der Abenddämmerung
Herbstliches Südbad
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Fremdenverkehr eroberten. Ab 1887 kann dann tatsächlich von
Tourismus gesprochen werden. Fähranleger und Inselbahn wurden eingeweiht, die Besucherzahlen stiegen Jahr für Jahr an, nachdem die
Insel bis dahin nur Insidern vorbehalten war. Die lange wirtschaftliche
Durststrecke, die nahezu ein ganzes Jahrhundert währte, war jetzt endgültig vorbei. Heute besuchen alljährlich mehr als 130.000 Menschen
die für ihr ausgezeichnetes Hochseeklima bekannte Insel. Die Zahl der
Einwohner Borkums hält sich nur in den Wintermonaten einigermaßen
die Waage mit der Besucherzahl. In dieser Jahreszeit verfehlt das Klima
seine Wirkung allerdings nicht. Es schränkt lediglich den Aktivitätsradius ein, Baden ist nur den Hartgesottensten zu empfehlen.
Spaziergänge auf der Promenade müssen deshalb aber noch lange
nicht in Polarexpeditionen ausarten und die ausgedehnte
Fußgängerzone bleibt angenehm übersichtlich.
Kleines Kaap
Information:
Kurverwaltung Nordseeheilbad Borkum
eMail: [email protected], www.borkum.de
Anreise: Fährverbindungen nach Borkum für die Fahrt mit dem eigenen
PKW bestehen von Emden aus oder mit der Katamaranfähre vom
niederländischen Eemshaven (Überfahrt unabhängig von den Gezeiten,
Dauer etwa 50 Minuten), mehr Infos unter www.ag-ems.de. Die
Deutsche Bahn bietet eine Direktverbindung mit dem Interregio bis nach
Emden, das Gepäck kann mit dem Haus zu Haus-Dienst der DB auf die
Insel befördert werden.
Unterkunft: es stehen zahlreiche Hotels, Ferienwohnungen und
Apartments oder Zimmer in allen Preisklassen und Qualitäten zur
Verfügung.
Buchung und Kataloge direkt über die Kurverwaltung.
Alle Fotos bis auf extra gekennzeichnete Udo Haafke
Großes Kaap
Teehaus am Abend
Promenade mit neuem Leuchtturm