Wir haben die Krankheit, wir sind sie nicht
Transcrição
Wir haben die Krankheit, wir sind sie nicht
MITTWOCH, DEN 11. APRIL 2012 OBERLEDINGERLAND GENERAL-ANZEIGER, SEITE 16 „Wir haben die Krankheit, wir sind sie nicht“ GA-SERIE (17) Frank Hillebrand aus Papenburg leidet nach einem schweren Autounfall an Epilepsie Jahre habe er gebraucht, um sein Leiden zu akzeptieren, sagt er. Zumal falsche Klischees kursieren. Er selbst hat vor einem Jahr eine Selbsthilfegruppe gegründet. Kaninchenzucht hat ihm beim Weg zurück geholfen. VON OLE CORDSEN Wöchentlich dosiert er seine Medikamente. Frank Hillebrand liest viel Fachliteratur. Der 29-Jährige am Steuer seines Autos. PAPENBURG - Seit diesem verdammten Wintertag vor gut sechs Jahren ist für Frank Hillebrand aus Papenburg nichts mehr wie zuvor. Am Steuer seines Autos fuhr er in Richtung Neulehe, als ihm mitten in einer scharfen Doppelkurve ein 19-Jähriger mit Tempo 140 entgegenraste, der – auch wenn er fast nichts sehen konnte – zwei Autos überholte. Sein Wagen geriet ins Schleudern. Hillebrand konnte nicht mehr ausweichen, krachte dem jungen Mann schuldlos in die Fahrerseite. Dieser war sofort tot, Hillebrand überlebte. Schwer verletzt. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Hieß: zwei Wochen künstliches Koma, fast zwei Jahre lang Reha. Auch hat er über Jahre hinweg mit Hilfe einer Psychologin versucht, die traumatischen Erlebnisse des Unfalls und dessen Folgen zu verarbeiten. Riechen und schmecken kann er nicht mehr, ohne Brille sieht er nur noch Nebel. Mehrfach wurde der heute 29-Jährige operiert, hat General-Anzeiger inzwischen sieben Stahlplatten im Kopf, das Hirn ist an mehreren Stellen vernarbt. Und, wie die Ärzte früh prophezeiten, haben in diesen Narben etwa ein Jahr nach dem Unfall größere Nervenzellverbände begonnen, verrückt zu spielen, abnorme Entladungen von sich gejagt, quer durch den Körper. Mitbekommen hat Frank Hillebrand nichts davon, er verlor das Bewusstsein, bevor er stürzte, kurz starr lag und dann minutenlang unkontrolliert zuckte. Es war Hillebrands erstes „Grand mal“ (französisch für „großes Übel“), die heftigste Form epileptischer Anfälle. „Ich bin nur 45 Minuten später aufgewacht mit tierischem Muskelkater, Kopfschmerzen hämmerten, und mein gesamter Mund tat schrecklich weh, weil ich mir im Krampf, bewusstlos, auf die Zunge gebissen hatte.“ Der letzte heftige Krampfanfall liegt schon etwa zweieinhalb Jahre zurück. Der „Herd“ in Hillebrands Hirn blieb reglos. Die Stelle, von der aus urplötzlich die Nervenbahnen außer Kontrolle geraten, liegt beim Papen- VÖLLEN - Der Männerkreis der Kirchengemeinde Völlen trifft sich am kommenden Freitag wieder ab 19.30 Uhr im Martin-Luther-Haus in Völlenerfehn. Das Thema lautet „Umgang mit Energie“. Zu Gast ist Pastor Simon Kramer aus Steenfelde. IG Bau lädt ein zum Boßeln - Der IG-Bau-Ortsverband Overledingerland lädt alle Mitglieder, Freunde und Bekannte zu einem Boßelnachmittag ein. Es geht los am Sonnabend, 21. April, um 14 Uhr ab Hotel Meyerhoff in Holterfehn. Nach der Tour gibt es ein Essen im Hotel Meyerhoff. Wer mitmachen möchte, kann sich unter der Telefonnummer 04952/5470 oder 04952/952035 anmelden. OBERLEDINGERLAND Sitzung des Sozialverbands Die Ostrhauderfehner Gruppe des Sozialverbandes Deutschland – ehemals Reichsbund – hat ihre Jahreshauptversammlung am kommenden Freitag ab 19 Uhr in der Gaststätte „Zur alten Schleuse“ in Ostrhauderfehn. Der Vorstand wird gewählt. Anschließend gibt es einen Imbiss. Anmeldungen unter der Rufnummer 04952/4621 oder 04952/61237. OSTRHAUDERFEHN Radfahren ohne Helm könnte für Frank Hillebrand lebensgefährlich werden. Serie Selbsthilfe Männerkreis trifft sich wieder Selbsthilfe-Serie Wegen Schlaganfall, Parkinson, Sucht, Krebs, Rheuma, Depressionen, Diabetes und vielen anderen Erkrankungen suchen rund 10 000 Menschen in den Landkreisen Leer, Emsland und Cloppenburg Hilfe und Unterstützung in insgesamt rund 400 un- burger direkt zwischen Sehund Sprachzentrum des Hirns und kann deshalb von keinem Neurochirurgen operiert werden. „Sonst wäre ich wahrscheinlich blind, oder könnte nicht mehr sprechen“, sagt Hillebrand. Die Krankheit schlummert überwiegend in ihm, man sieht sie ihm in keiner Weise an. Seit fünf Monaten ereilen Hillebrand aber kleinere Anfälle, vielleicht einmal wöchentlich. „Meist sehe ich kurz vorher einen weißen Blitz, der nicht da ist. Es ist eine Vorahnung, ,Aura’ nennt man das. Wenn ich meine Tochter auf dem Arm habe, bringe ich sie dann schnell zu meiner Familie, damit nichts passiert, und die Kleine keinen Schrecken bekommt.“ Hillebrand fügt an: „Bei diesen kleineren Anfällen zuckt mein Arm heftig, als würde ich einen Sandsack verhauen. Das kann jeder sehen, wenn ich, ohne es zu wollen, die Arme von mir wegschlage.“ Anfangs habe er sich für die Krankheit geschämt, sagt Ehefrau Britta und Tochter Laura-Sophie Hillebrand. geben Frank Hillebrand Kraft. Es habe ihn ken anscheinend viele: Stellen wir den ein, hat der dauterschiedlichen Selbsthilernd Anfälle – wir werden ihn fegruppen. Der GA widmet aber nicht los, weil er als sich im Rahmen einer ArtiSchwerbehinderter vor Künkel-Serie einmal wöchentdigungen geschützt ist“, sagt lich, jeweils mittwochs, der 29-Jährige. Allmählich reMenschen, die in Selbstsigniert er, will Erwerbsunfähilfegruppen mit „Gleichhigkeit beantragen. Gern gesinnten“ ihre Probleme würde er professionell über bewältigen wollen. Betrofseine Krankheit dozieren, doch ihm fehlt die medizinifene aus den Selbsthilfesche Ausbildung. gruppen der Region schilDie Familie von Frank Hildern ihre Erfahrungen. lebrand fing ihn liebevoll auf, stützte ihn, half ihm auf dem „ziemlich runtergerissen, Weg, seine Krankheit anzuweil es ja keine Krankheit ist, nehmen. Auch seine Frau die einfach heilbar oder Britta, die ihn kennenlernte, leicht zu behandeln ist“. Zu- als er schon erkrankt war, mal: „Bis heute kursiert der gibt ihm Kraft – ebenso wie Irrglaube, dass Anfallskranke die fast dreijährige Tochter auch geisteskrank sind. Das Laura-Sophie. Zudem hat der ist widerlegt. Trotzdem hält 29-Jährige zig Seminare und sich der Blödsinn leider in Schulungen zu seiner Erkranvielen Köpfen“, sagt er. Eben- kung besucht, hat sich in so hartnäckig halte sich die Fachliteratur vertieft, um Bezeichnung „Epileptiker“, mehr zu erfahren, was bei was die Betroffenen „has- Epilepsie im Körper passiert, sen“, wie Hillebrand sagt. welche Behandlungsmetho„Wir haben die Krankheit, den es gibt. wir sind sie nicht. Das ist ein Dieses Wissen wollte HilUnterschied. Wir sind Men- lebrand teilen. „Außerdem schen mit Epilepsie, aber wir habe ich gemerkt, dass man möchten nicht gleichgesetzt manche Erlebnisse mit der werden mit dem, worunter Krankheit anderen, die sie nicht haben, wir leiden.“ nur schwierig Weil in der Ein Video zu diesem Thema gibt es im Internet unter: vermitteln Gesellschaft www.ga-online.de und darüber zu Unrecht sprechen schiefe Bilder und Klischees von Epilepsie kann“, sagt er. Deswegen, kursieren, ducken sich Kran- und weil es im Umkreis keine ke mitunter weg, verstecken einzige Selbsthilfegruppe für ihr Leiden, versuchen, es ge- Menschen mit Epilepsie gab, heim zu halten, sagt Hille- gründete er selbst vor einem brand – „auch wenn es ja oft Jahr eine Selbsthilfegruppe in Papenburg. Er sagt: „Wir taumonatelang nie auftaucht“. Auch Arbeitgebern macht schen uns eng aus, teilen ErEpilepsie anscheinend Angst. lebnisse und Erfahrungen Um die 200 Bewerbungen hat mit Medikamenten, sprechen Hillebrand geschrieben, über neue Therapien. Das nachdem er aus der Reha zu- Tolle ist aber einfach auch: rück war. Nur zwei Firmen Wir sind füreinander da. luden ihn ein, eine Stelle be- Wenn jemand einen neuen kam der Einzelhandelskauf- Weg wagt, wird er untermann und fortgebildete Fi- stützt, und man bekommt nanzbuchhalter nirgends. dort eine Menge Mut, Zuver„Wer sagt, dass er Epilepsie sicht und das Gefühl, dass alhat, hat verloren. Dann den- les gut wird.“ BILDER: CORDSEN Krankheit und Hilfe Epilepsie, ,im Deutschen „Fallsucht“ oder auch „Krampfleiden“ genannt, bezeichnet ein Krankheitsbild mit mindestens einem spontan auftretenden Krampfanfall, der nicht durch eine vorausgehende erkennbare Ursache (beispielsweise eine akute Entzündung, einen Stromschlag oder eine Vergiftung) hervorgerufen wurde. Ein solcher epileptischer Krampfanfall ist Folge anfallsartiger (paroxysmaler), zeitgleicher Entladungen von Neuronengruppen im Gehirn, die zu plötzlichen unwillkürlichen stereotypen Verhaltens- oder Befindensstörungen führen. Epilepsie kann infolge angeborener Merkmale entstehen, aber auch im Anschluss an Unfälle, bei denen Hirnareale beschädigt wurden. Etwa 0,5 bis 1 Prozent aller Deutschen leiden vermutlich an Epilepsie. In der Region gibt es seit gut einem Jahr die Epilepsie-Selbsthilfegruppe in Papenburg, die sich an jedem dritten Montag des Monats im Don-Bosco-Heim, Umländerwiek rechts 1, trifft. Umfangreiche Infos zur Krankheit gibt es auf der Homepage der Gruppe unter www.epilepsieshgpapenburg.de.tl. Weitere Infos und Kontakt unter der Telefonnummer 0174/1743566. Infos zum Bluthochdruck - Im Collinghorster Männertreff geht am Montag, 16. April, um 19.30 Uhr der „Blutdruck“ hoch – oder mit Dr. H.-J. Stühn-Pfeifer aus Papenburg vielleicht auch herunter. Der Arzt referiert zum Thema „Bluthochdruck“. COLLINGHORST General Anzeiger für Ostfriesland, Emsland und Oldenburgerland – Fehntjer Blatt ZGO Zeitungsgruppe Ostfriesland GmbH Untenende 21, 26817 Rhauderfehn Internet: www.ga-online.de Herausgeber: Dr. Gerfried Engelberg Geschäftsleitung: Ute de Buhr, Robert Dunkmann Verantwortlicher Chefredakteur: Uwe Heitmann Lokales: Felix Weiper (fw, Leitung), Ole Cordsen (ole), Astrid Fertig (fe), Karl-Heinz Janßen (kja), Marion Janßen (mj), Jana Köhler (jk), Günter Radtke (ra), Elke Wieking (ew) Sport: Georg Lilienthal (gl, Leitung), Til Bettenstaedt (tib) Günther Czempiel (cze), Horst Kruse (hk), Sören Siemens (sps) Überregionales: Rolf Seelheim, Oldenburg Online-Redaktion: Timo Sager Verantwortlich für Anzeigen: Uwe Boden Amtliches Bekanntmachungsorgan für den Landkreis Leer und den Landkreis Cloppenburg sowie die Gemeinden Barßel, Ostrhauderfehn, Rhauderfehn, Westoverledingen. Bezugsgeld monatlich 26,60 Euro, (Postzustellung außerhalb des Verbreitungsgebietes 28,10 Euro), einschl. Botenlohn und 7% MwSt. Druck: WE-Druck GmbH & Co. KG, 26125 Oldenburg Bei höherer Gewalt (Störung des Arbeitsfriedens, der Zeitungsherstellung, des Zustellerdienstes) besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung bzw. Rückzahlung des Bezugsgeldes und kein Entschädigungsanspruch. Abonnementsabbestellungen können nur zum Monatsende ausgesprochen werden und müssen bis zum 10. des laufenden Monats im Verlag schriftlich vorliegen. Alle Nachrichten werden nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr veröffentlicht. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte oder abgegebene Manuskripte. Rücksendung nur, wenn Porto beiliegt. ZGO-Anzeigenpreisliste Nr. 45 vom 1. Januar 2012. Kontakt: Herausgeber Tel.: 0 49 52 / 927 100 Fax: 0 49 52 / 927 111 Anzeigen und Abonnements Tel.: 0 49 52 / 927 500 Mail: [email protected] [email protected] Redaktion Tel.: 0 49 52 / 927 400 Fax: 0 49 52 / 927 422 Mail: [email protected] Sportredaktion Tel.: 0 49 52 /927 480 Fax: 0 49 52 / 927 488