BeBo-Schmerz

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BeBo-Schmerz
• BURSITIS
Schleimbeutelentzündung der Hüfte
• BeBo
Beckenbodenschmerzen
• ISG-SCHALTORT
Das Schaltzentrum
Becken
• SCHMERZEN
Die Theorie
des Schmerzes
• vdms-asmm Weiterbildung
Die neue Weiterbildungsbroschüre 2015 ist da!
• SVfBS
• Entzündungen
• Kongresstag mit Dr. U. Warnke
Becken
2 0 1 4
S E P T .
verband der medizinischen masseure der schweiz
Schweizerische Vereinigung für Biochemie nach Dr. Schüssler
T H E M A
vdms
P R A X I S
für physikalische Therapie
V E R B Ä N D E
Reflexe
Zeitschrift
THEMA
BeBo-Schmerz
BeBo
Der Beckenboden besteht aus
drei übereinanderliegenden
Muskelschichten, welche den
Boden des Rumpfes bilden. Sie
sind verantwortlich, die Beckenorgane im Becken zu halten,
Kontinenz zu bewahren und eine
kontrollierte und vollständige
Ausscheidung von Urin, Stuhl
und Geburt auszuführen. Wenn
diese Muskeln sich verkrampfen,
können Blasen- und Darmprobleme und/oder chronische Beckenbodenschmerzen entstehen.
◗ Prof. Dr. med. Regula Doggweiler
Experten sind inzwischen davon überzeugt, dass Muskeln im Beckenboden, die
nicht richtig funktionieren, Triggerpunkte (TrP) entwickeln. Wenn diese TrP nicht
behandelt werden, können chronische Beckenbodenschmerzen entstehen.1
und Verkrampfung (Spastizität) des Harnsphinkters ausdrücken. Was sich dann über
die Zeit in Harndrang, wiederkehrende Blasenentzündungen und/oder Beckenboden­
dysfunktion und -schmerzen entwickeln
kann.3
TrP sind überempfindliche Stellen in einem tastbar verspannten Bündel von Muskelfasern. Aktive TrP können Schmerzen
bei Bewegungen und auch in der Ruhestellung verursachen. So können zum Beispiel
TrP in dem Piriformmuskel Schmerzen in
den Beckenboden ausstrahlen.
Mögliche Schmerzverursacher
im Becken
Interstitielle Zystitis ist ein schmerzvolles Syndrom der Blase, gekennzeichnet
durch Harndrang, Schmerzen und Schwierigkeiten beim Entleeren, Dyspareunia und
oft chronischen Beckenbodenschmerzen.
Die Harnkultur ist negativ. Häufig beklagen sich die Patienten auch über Reizdarm,
Endometriose, Fybro­
mialgie und andere chronische Schmerzsyndrome. Noch
immer ist Interstitielle Zystitis ein Enigma und die Ursachen und Therapie werden nach wie vor weiter erforscht. Die Behandlung von TrP und Rehabilitierung von
Die Muskeln, die verletzt worden sind,
haben eine Tendenz, sich vor Bewegung zu
schützen, was dann die Bewegungsfreiheit
desselben und auch von anderen Muskeln
beschränken kann. Dadurch entstehen Verspannungen in Muskeln und somit Beeinträchtigung der Zirkulation und mit der
Zeit Entwicklung von spastischen und dysfunktionalen Muskeln (TrP).2
Beckenbodenmuskeln erhält erst langsam
mehr Aufmerksamkeit und muss weiter erforscht werden.4
Prostataschmerzen und chronische Beckenbodenschmerzen bei Männern sind in
der Vergangenheit oft beschrieben worden
als chronische Prostatitis oder Prostatodynia.
Die Symptome sowie die Behandlung sind
ähnlich wie bei der interstitiellen Zystitis.
Chronische viszerale Schmerzen und
ausstrahlende Schmerzen von TrP sind
im Allgemeinen diffus und schwierig zu
lokalisieren. In beiden Zuständen werden periphere Nerven und das zentrale
Nervensystem sensibilisiert und führen
zur Erniedrigung der nozizeptiven Reizschwelle. Dies kann sich dann in Hypersensivität und Allodynie (Schmerzempfindung bei leichter, normalerweise nicht
schmerzhafter Berührung) entwickeln.
GRAFIK 1 – TRP
Grafik 1:
Triggerpunkte im
Die Organe des Beckens und die Muskeln des Beckenbodens haben dieselbe Innervation und neurologischen Reflexe und
Koordination. Das Füllen und Entleeren
der Blase ist kontrolliert durch neurale Regulierung im Hirn und dem Rückenmark
und involviert die Koordination von glatter und Skelettmuskulatur. Die Koordina­
tion der Sphinktermuskulatur wird erst
nach der Geburt gelernt. Wenn diese Entwicklung nicht richtig stattfindet oder
durch ein Ereignis unterbrochen wurde,
kann es zu Entleerungsstörungen führen.
Das kann sich durch Überempfindlichkeit
­Gluteus-Minimus­Muskel (x) strahlen
Schmerzen in die roten
und rot gepunkteten
­Regionen aus.
Bildnachweis
der ­Grafiken:
Simons DG, Travell JG,
Simons LS: Travell & Simons' Myofascial Pain
and Dysfunction:
The Trigger Point Manual,
vol.1, edn 2. ­Baltimore:
Williams & Wilkins;
1999.)
September 2014 Reflexe
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THEMA
BeBo
I N S E R AT
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TA B E L L E 1
Ausstrahlung der Schmerzen
Abdominale Schmerzen
Rectus abdominis, Obliquus externus abdominis, Iliocostalis
thoracis, Multifidi, Quadratus lumbarum, Pyramidalis
Gesässschmerzen
Gluteus medius, Gluteus maximus, Quadratus lumbarum,
Iliocostalis lumbarum, Longissimus thoracis, Semitendinosus,
Semimembranosus, Piriformis, Gluteus minimus, Rectus
abdominus, Soleus
Iliosakralschmerzen
Levator ani, Coccygeus, Gluteus medius, Quadratus lumbarum, Gluteus maximus, Multifidi, Soleus, Rectus abdominis
Beckenbodenschmerzen
Coccygeus, Levator ani, Obturator internus, Abductor magnus, Piriformis, Obliquus internus abdominis
Beckenbodens sein oder sie können sich
langsam entwickeln durch eine Überbeanspruchung, repetierende Bewegungen oder
schlechte Körperhaltung.2
Die Aktivierung der TrP kann durch ein
akutes Ereignis (Unfall, Operation) entstehen. Wobei häufig kein eindeutiges Ereignis identifiziert werden kann. Jedoch
schlechte Körperhaltung und Dysfunk­tion
der Iliosakralgelenke und des sakrokokzygealen Gelenkes können das Auslösen von
TrP verstärken. Aber auch ein verkürztes Bein kann zur Formänderung (Entstellen) des Beckenbodens beitragen und
kann mit ein Grund sein zur Bildung von
TrP und damit einhergehenden, entstehenden Schmerzen. Deshalb sollten auch stets
Körperhaltung, Ergonomik bei der Arbeit,
Schlafposition und auch Schuhe in Erwägung gezogen werden.2
Chronische Schmerzreize können die sy- Harn- und Stuhldrang, Übelkeit sowie auch
naptische Übertragung von Schmerzinfor- psychologischen Symptomen wie Müdigmationen vom peripheren auf das Zentral- keit, Ängstlichkeit und Depression.6
nervensystem anhaltend potenzieren. Die
synaptischen Veränderungen sind denen
Hypothesen der Entstehung von
im Hippocampus ähnlich, die beim LerTrP in den Beckenbodenmuskeln
Triggerpunkte können trügerisch sein,
nen und bei der Bildung eines kognitiven
Das Entstehen von TrP kann ausgeGedächtnisses beteiligt sind.5 Somit entwi- löst werden durch mechanische, physi- da sie oft erst bemerkbar werden, wenn
ckelt sich das Schmerzgedächtnis. Die vis- kalische, systemische oder psychologi- mehrere Überbelastungen stattgefunden
zeralen
Schmerzen
sind häufig verbunden sche Belastung.
Dies können Unfälle mit haben.20.06.14
Das können immer
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10:17wiederkehrenSeite 1
mit anderen vegetativen Symptomen wie Überdehnung oder direkter Verletzung des de Blasenentzündungen sein, gefolgt von
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Reflexe September 2014
GRAFIK 3 – TRP PIRIFORM
THEMA
G R A F I K 2 – T R P P E LV I S
TrP2
B
TrP1
Sphincter ani, levator ani,
und coccygeus
(Ansicht von unten)
BeBo
A
Opturator internus
(schräge Frontansicht)
Grafik 2:
Grafik 3:
A: Schmerzausstrahlung der Triggerpunkte (x) in Sphincter-Ani-Muskel, Levator-Ani-Muskel und
Schmerzausstrahlung der Triggerpunkte (x)
Coccy­geus-Muskel B: Schmerzausstrahlung der Triggerpunkte (x) im Obturator-Internus-Muskel.
im Piriform-Muskel.
einem Unfall, oder eine Überbeanspruchung von Muskeln während eines Sportes. Durch repetierende Entzündungen
entsteht eine Übersensitivität der Nerven7
und kann dann zur Entwicklung von Blasenentleerungstörungen und chronischen
Beckenbodenschmerzen führen.
Die Untersuchung des Beckenbodens
erfolgt liegend. Für diese Patienten kann
das sehr schmerzhaft sein und muss behutsam gemacht werden. Ein «Pain Mapping» ist wichtig. Zuerst wird mit einem
Wattestäbchen die Haut, dann die Scheide, die Klitoris in der Frau und der Penis
sowie die Hoden beim Mann berührt. Die
Untersuchung der Beckenbodenmuskulatur erfolgt vaginal oder anal und besteht
aus vorsichtigem Abtasten der Muskeln,
um die schmerzhaften Punkte zu lokalisieren. Spekulums dürfen nur mit Vorsicht
angewendet werden. Häufig sind die Patienten unfähig, die Beckenbodenmuskulatur zu kontrahieren, da sich die Muskeln
in einem dauernden spastischen Zustand
befinden.2
Es kann sein, dass Beckenbodenpro­
bleme und Entleerungsprobleme bereits
in der Kindheit beginnen. In der persönlichen Erfahrung haben mehr als 50 Prozent
der Patienten mit Beckenbodenschmerzen
eine Geschichte von Entleerungsstörungen
(Bettnässen, wiederkehrende Blasenentzündungen, Harndrang, Verstopfung) in
der Kindheit bereits gehabt.
Psychologische Faktoren können eine
Rolle mitspielen, sollten aber nicht überwertet werden. Chronische Schmerzen
sind Grund für psychologische Belastung
und können Folge und nicht Grund der
Schmerzen sein.
Diagnose
Um eine Diagnose machen zu können,
ist eine genaue Anamnese wesentlich. Das
beinhaltet neben der allgemeinen Krankheitsgeschichte auch Fragen über PottyTraining (Sauberkeitserziehung), eventuelle sexuelle Vergewaltigung oder Probleme
sowie ganz generelle Darmentleerungsprobleme. Ebenfalls wesentlich ist es, zu erfahren, welche bisherigen Operationen aus
welchen Gründen bereits gemacht wurden
(Hysterektomie, Blasenspiegelungen, Laparoskopien etc.) und welche aktuellen
Probleme zusätzlich in Erwägung zu ziehen sind.
Dauernder Harndrang (manchmal alle
30 Minuten oder öfters) Tag und Nacht,
Schmerzen während Sex, Verstopfung und/
oder Durchfall und chronische Schmerzen sind die Hauptsymptome. Typisch ist,
dass das häufige Urinlösen aus Angst vor
Schmerzen stattfindet und nicht aus Angst
der Inkontinenz. Typisch ist auch, dass
Urinieren schwierig und schmerzhaft ist.
Ein Blasentagebuch ist grundlegend für
die Bestätigung von interstitieller Zystitis. Oft sind die Entleerungsvolumen nur
50–150 ml (ein normales Volumen bei jeder Entleerung sollte ca. 300–500 ml sein).8
Ein Harnstatus muss gemacht werden,
um eine Blasenentzündung auszuschlies­
sen und allenfalls die Harnkultur zu untersuchen. Häufig haben diese Patienten
sterile Pyuria und Hämaturie. Eine Blasenspiegelung und radiologische Untersuchungen erfolgen, wenn indiziert.
Die Untersuchung
Der Patient muss auf Haltung (stehend
und sitzend), Gang und Symmetrie des Beckens erforscht werden. Patienten mit Beckenbodenschmerzen gehen oft langsam,
sitzen nur auf einer Seite oder ziehen es
vor, zu stehen, um Druck auf den Beckenboden zu vermeiden.
Es besteht kein spezifischer Labortest,
der die Diagnose von TrP bestätigen kann.
Allerdings haben Oberflächen-Elektromyografie und Ultrasound ein Potenzial für die
klinische Anwendung in der Diagnose.
Die Behandlung
Die Behandlung beginnt mit dem Erklären der Situation. Dabei gilt es zu diskutieren, welche Änderungen im Alltagsleben möglich sind und wie diese helfen
könnten. Das betrifft insbesondere Diät,
Stressmanagement, Schlafgewohnheiten,
Turnen etc. Atmungsübungen werden eingeführt, die der Entspannung dienlich sind
und die mehrere Male pro Tag ausgeführt
werden sollten.
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THEMA
BeBo
Literaturhinweise
1 Moldwin RM1, Fariello JY. Myofascial
trigger points of the pelvic floor: associations with urological pain syndromes and treatment strategies including
injection therapy. Curr Urol Rep. 2013
Oct;14(5):409–17.
2 Simons DG, Travell JG, Simons LS: Travell & Simons' Myofascial Pain and
Dysfunction: The Trigger Point ­Manual,
vol.1, edn 2. Baltimore: Williams &
Wilkins; 1999.
3 Fitz Gerald MP: Chronic pelvic pain. Curr
Womens Health Rep 2003, 3:327–333.
4(Pontari M1, Giusto L. New developments in the diagnosis and treatment
of chronic prostatitis/chronic pelvic
pain syndrome. Curr Opin Urol. 2013
Nov;23(6):565-9.
5 h t t p : / / w w w. s c h m e r z - t h e r a p i e deutschland.de/pages/zeitschrift/
z2_05/12-15_Sandkuehler.htm.
6http://www.arztundpraxis.at/index.
php?id=262&tx_ttnews[tt_news]=4
782&cHash=87927c516faf09821d782
5b418049405
7 Naoki Yoshimura, Teruyuki Ogawa, Minoru
Miyazato, Takeya Kitta, Akira Furuta, Michael B. Chancellor,1 and Pradeep Tyagi Neural Mechanisms Underlying Lower Urinary Tract Dysfunction(Korean
J Urol. Feb 2014; 55(2): 81–90.
8 Doggweiler-Wiygul R., MacDiarmid SA:
Interstitial cystitis. Female Patient
2004, 29:14–22.
9 Simons DG, Travell JG: Myofascial origins of low back pain. 1: principles of
diagnosis and treatment. Postgrad Med
1983, 73:66, 68–70.
AUTOR I N
Es ist wichtig, den Patienten und/oder
Partner mit in die Behandlung miteinzubeziehen und sie zu lehren, wie sie zuhause
die Triggerpunkte selbst behandeln können. Das gibt den Betroffenen ein wenig
Kontrolle in der schwierigen Situation und
reduziert das Gefühl der Hilflosigkeit. Es ist
aber auch wichtig, weiterhin auslösenden
Faktoren zu erforschen und zu eliminieren,
um das wiederbilden der TrP so weit wie
möglich zu verhindern.9
Diese Behandlung zieht sich meistens
über Wochen hin und verlangt die aktive
Mitarbeit des Patienten. Das Ziel ist, dass
der Patient mit der Zeit selbst erkennt, was
hilft und was vermieden werden sollte, um
so wieder mehr Kontrolle im Leben zu bekommen. l
Prof. Dr. med. Regula Doggweiler
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I N S E R AT
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Die Behandlung von TrP selbst besteht
in «Myofascial Release». Der betroffene
Muskel wird untersucht, bis der TrP gefunden ist. Mit den Fingern wird Druck angewandt und leicht den Muskelfibern entlang gedehnt. Das ist sehr schmerzhaft für
den Patienten. Es ist wichtig, während dieses Prozesses, mit dem Atem des Patienten zu arbeiten, um weitere Verspannung
zu verhindern. Manchmal sind Stosswellen oder sogar Injektion eines lokalen Anästhetikums notwendig. Anschliessend
folgt das Strecken der Muskeln. Auch diese Übungen sollten täglich öfters repetiert
werden.
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Reflexe September 2014