1939 - Antifa-Info

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1939 - Antifa-Info
"In ergriffener Dankbarkeit gegenüber dem gnädigen Wirken der Vorsehung", wendete sich Hitler im Neujahrsaufruf an seine Parteigenossen. Nicht sein eigenes Spiel mit dem Krieg, nicht die Unfähigkeit der anderen
Großmächte haben Hitler seinen Zielen näher gebracht, nein, es war etwas Metaphysisches: Die Vorsehung! Zum
Jahresbeginn beliefen sich die Arbeitslosenzahlen auf 456.000 im nunmehr "Altreich" gerufenen Teil, auf 150.000
in Österreich (jetzt "Ostmark" genannt) und auf 218.000 im Sudetenland.
Am 5. Jänner wurden alle noch bestehenden politischen Vereinigungen der Juden, wie der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, verboten. Nur der Jüdische Kulturbund in Deutschland bleibt zugelassen.
In Verhandlungen mit dem polnischen Außenminister Beck
besteht Hitler auf die Rückgliederung des Freistaates Danzig ins Deutsche Reich. Polen, das Danzig außenpolitisch
vertrat, lehnt ab.
Der Freistaat Danzig war ein Produkt des Friedensvertrages
nach dem 1. Weltkrieg, die ehemalige Hansestadt war im
Lauf der Jahrhunderte immer wieder von den staatlichen
Veränderungen (polnischen Teilungen usw.) betroffen gewesen, von 1874 bis 1919 war Danzig die Hauptstadt Westpreußens, das gemischtsprachige Westpreußen wurde nach
dem 1. Weltkrieg im Vertrag von Versailles Polen zugesprochen, Danzig erhielt als deutsche Enklave auf polnischem Staatsgebiet den Status eines Freistaates unter dem Schutz des Völkerbundes, Polen war aber für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig.
Am 9. Jänner wird in Berlin die neue "Reichskanzlei" durch Hitler eingeweiht.
die Nordseite der "Neuen Reichskanzlei"
Dieser Monumentalbau für ein "tausendjähriges Reich" wird nur etwas mehr als sechs Jahre bestehen:
aus Trümmern der Reichskanzlei wurde nach 1945 das sowjetische Ehrenmal in Treptow errichtet
1
Die amerikanische Regierung forderte die Respektierung der Rechte amerikanischer Juden in Deutschland, da die
US-Verfassung keine Rassen- und Glaubensunterschiede kenne.
Am 12.1. würdigte der päpstliche Nuntius Orsenigo beim Neujahrsempfang des diplomatischen Korps den "Friedenstag von München" im vergangenen September.
Hitler war seit dem Tod Hindenburgs im August 1934 "Führer und Reichskanzler". Nunmehr sei er nur noch als
"Führer" zu titulieren, wird am 14.1. angeordnet.
Hjamar Schacht wird am 20.1. auch als Reichsbankpräsident abgelöst und durch Wirtschaftsminister Funk ersetzt. Schacht war auch nach seiner Abberufung als Wirtschaftsminister im November 1937 weiterhin gegen die
finanziell ungedeckte Ausweitung der Aufrüstung aufgetreten.
Seine Wirtschaftspolitik1 hatte zwar die immense deutsche Aufrüstung in die Wege geleitet, die Absicht Hitlers,
Deutschland durch Krieg zu sanieren, lag außerhalb seines Verständnisses.
In der Resttschechei leben noch ca. 5.000 Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, deren Auslieferung von
den Nazis gefordert wird. Die demokratischen Länder sollen ihnen Asyl gewähren. Anlässlich eines Besuches des
tschechischen Außenministers in Berlin gibt Hitler diesem zu verstehen, dass die Tschechei die Militäroberhoheit
Deutschlands anerkennen müsse (21.1.).
Göring ordnet an, dass die Auswanderung der Juden mit allen Mitteln zu fördern ist, eine "Reichszentrale für jüdische Auswanderung" wird eingerichtet. Die Errichtung eines eigenen Judenstaates wird abgelehnt, die deutsche
Außenpolitik müsse auf eine Verteilung der Juden gerichtet sein (24.1.).
Außenminister Ribbentrop weilte Ende Jänner mehrere Tage In Polen, er erklärt, durch Verhandlungen seien
alle deutsch-polnischen Probleme lösbar, Einigungen wurden jedoch keine erzielt.
Zum Jahrestag der "Machtergreifung" am 30. Jänner sagte Hitler, er habe für
zehn Millionen Deutsche das Selbstbestimmungsrecht hergestellt, er werde
auch in Zukunft keine Einmischung westlicher Staaten bei "natürlichen und
vernünftigen Lösungen" dulden. Europa könne nicht zur Ruhe kommen, bevor
nicht die "jüdische Frage" ausgeräumt sei, wenn es in Europa nochmals Krieg
gebe (aus Sicht der Nazi-Propaganda: das Finanzjudentum die Völker in einen
Weltkrieg stürzt - schuld am kommenden Krieg sind die Juden), werde die jüdische Rasse vernichtet werden. Der
Reichstag verlängert das Ermächtigungsgesetz, das 1933 das formale Instrument der Errichtung der Nazidiktatur
war, bis 1943.
Im Jänner und Februar fliehen hunderttausende spanische Republikaner vor den blutrünstigen Repressalien der
Putschisten nach Frankreich. Die Faschisten haben gesiegt. Franco wird mit seinem Blutregime sogar den Krieg
überleben. Die Interbrigardisten aus Deutschland und Österreich werden in Frankreich interniert und fallen dadurch, ebenso wie tausende spanische Republikaner, 1940 den Nazis in die Hände.2
Anfang Februar werden drei Forderungen an die tschechische Regierung gerichtet - erstens: deutschfreundliche
Außenpolitik - zweitens: restlose "Ordnung der Judenfrage" - drittens: Rechtssicherung der deutschen Volksgruppe in der Resttschechei
Der katholische Jungmännerverband wird am 6.2. aufgelöst, sein Vermögen beschlagnahmt.
Am 7.2. wird der Einsatz polnischer Landarbeiter in Deutschland vereinbart.
Am 10.2. starb Papst Pius XI., der durch seine Verträge mit Mussolini und das Konkordat mit Hitler als einer der
Handlanger bei der Etablierung der faschistischen Mächte gesehen werden muss. Pius XI. hatte die Rückkehr der
katholischen Vorherrschaft via Klerikalfaschismus erhofft, sein Nachfolger, Pius XII., ließ den Nationalsozialismus gewähren und schwieg zu den Verbrechen
1
Siehe Seite 3 auf http://www.antifa-info.at/chronik/1934.pdf
2
Hierzu ein Bericht eines spanischen Republikaners, der nach der Befreiung aus dem KZ Mauthausen in Österreich blieb: Kurze
Geschichte der Republikanischen Spanier in Österreich - http://www.antifa-info.at/downloads/Comellas.pdf
2
Am 15.2. musste der ungarische Ministerpräsident Imredy zurücktreten: Er hatte eine jüdische Urgroßmutter. In
Anlehnung an die Nürnberger Rassegesetze hatte er in Ungarn ähnliche Unrechtsvorschriften durchgesetzt.
Am 4.3. verteidigt der in die USA emigrierte bayrische Schriftsteller Oskar Maria Graf die deutsche Emigration
gegen den durch die Nazis verursachten Deutschenhass im Ausland: "Ein Vaterland, das nicht mehr mein Vaterland ist, sondern ein Land, in welchem brutale Henker und unverantwortliche Kriegstreiber uns alle unterdrücken!" Er hält den Krieg für unvermeidlich, aber die Siegermächte dürften dann nicht das ganze deutsche Volk
büßen lassen für das, was Hitler angerichtet habe.
Allerdings hat der Nationalsozialismus auch unter Auslandsdeutschen durchaus zahlreiche Gefolgschaft gefunden.
Eigene Auslandsorganisationen der NSDAP wurden eingerichtet, NSDAP-Funktionäre wirkten auch unter den
Emigranten und im Einwanderungsland im Interesse Hitlerdeutschlands.
Zusammenkunft von NS-freundlichen US-Deutschen
Im März spitzte sich die "Tschechenkrise" zu. Gefördert vom Deutschen Reich strebten slowakische Politiker
nach der Errichtung eines völlig von Prag unabhängigen Slowakenstaates. Der slowakische Regierungschef Tiso
wird nach Berlin geflogen und dort dazu gedrängt, die Unabhängigkeit der Slowakei auszurufen. Am 15. März
lässt Hitler den tschechischen Präsidenten Hacha nach Berlin holen, droht ihm den deutschen Einmarsch und die
Bombardierung Prags an und zwingt ihn ein "Abkommen über den Schutz des tschechischen Volkes durch das
Deutsche Reich" zu unterschreiben und lässt deutsche Truppen in die Tschechei einmarschieren. England und
Frankreich zeigen vorerst keinerlei Reaktion auf diesen Bruch des Münchner Abkommens aus dem Vorjahr. Am
16.3. wird das "Protektorat Böhmen und Mähren" als "autonomer" Teil des Großdeutschen Reiches errichtet. Am 17.3. erklärt der britische Premier Chamberlain die Appeasementpolitik
für beendet, es gebe mit Hitler keinen Frieden um jeden Preis.
Am 18.3. besetzt Ungarn die Karpathenukraine, die sich im Zuge
der Zerschlagung der Resttschechei für unabhängig zu erklären
versuchte. Am 19.3. weist das deutsche Außenamt die englischen
und französischen Proteste gegen die Besetzung der Tschechei
zurück und erklärt, die Aktion habe der "Befriedung" Mitteleuropas gedient. Am nächsten Tag berufen England und Frankreich
ihre Botschafter aus Berlin ab. Tiso errichtet eine "unabhängige" Slowakei und stellt sich unter den Schutz des Deutschen
Josef Tiso, Priester und Klerikalfaschist,
Reiches (Schutzvertrag vom 23.3.), der Westteil der Slowakei
Vodca (Führer) der Slowaken
wird von deutschen Truppen besetzt.
Am 20.3. fordert die deutsche Reichsführung Litauen ultimativ auf, das Memelland zurückzugeben (im Versailler
Vertrag war das Grenzland zwischen Ostpreußen und Litauen auf Litauen übertragen worden).
21.3.: Außenminister Ribbentrop legt dem polnischen Botschafter die Forderungen Deutschlands betreffend Danzig und in der Korridorfrage (Transitverkehr über eine exterritoriale Autobahn) vor.
23.3.: Hitler unterzeichnet an Bord des Panzerschiffes »Deutschland« das Reichsgesetz über die Eingliederung
Memels in das Land Preußen, am 25.3. unterschreibt der litauische Außenminister in Berlin den Rückgabevertrag.
3
Am 31.3. gibt England eine Garantieerklärung für den polnischen Staat ab.
Am 25.März wird die Dienstpflicht in der Hitler-Jugend eingeführt, die Jugendlichen werden zwangsweise erfasst.
Am 27.3. trat Franco-Spanien dem "Antikominternpakt" bei. Die endgültige Niederlage der spanischen Republik symbolisierte sich am 1.4. durch die Anerkennung der franco-faschistischen Putschistenregierung durch England und Frankreich.
Am 3.4. gibt Hitler Befehl, den "Fall Weiß", den Krieg gegen Polen, vorzubereiten. Der polnische Außenminister
äußert in London Bedenken gegen ein Bündnis mit der Sowjetunion. England und Polen unterzeichnen am 6.4.
einen beiderseitigen Beistandspakt.
Italien besetzt ab 7.4. Albanien.
Frankreich drängt auf die Abschluss eines Militärabkommens zwischen Frankreich, England und der Sowjetunion.
In der "Ostmark" wird die Gaugliederung endgültig fixiert: Wien, Ober- und Niederdonau, Steiermark, Kärnten,
Salzburg und Tirol. Zum Gau Oberdonau werden der Bezirk Aussee und die Bezirke Kaplitz und Krummau (vormals Sudetenland, CSR) zugeschlagen.
Der 50. Geburtstag Hitlers wird am 20.4. mit entsprechendem Brimborium gefeiert. Es gratulieren: Der päpstliche Nuntius, der vom Reichsprotektor vorgeführte Tschechenpräsident Hacha, Slowakenpräsident Tiso. Bei der
Wehrmachtsparade sieht man an den anwesenden Gästen, dass Hitler nur Italien, Japan, Spanien und kleinere
Balkanstaaten als Freunde geblieben sind.
.
der Führer erfreut sich an seinem Geburtstag am Vorbeimarsch der Wehrmacht mit neuen Waffen, die SS gratuliert ihrem Führer mit einer Festausgabe des SS-Wochenblattes "Das Schwarze Korps"
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Starportrait: die großdeutsche Nummer Eins ist 50!
Hitler zuzujubeln, ist zu einer Art deutscher Volkssport geworden, Heil, Heil, Heil dem geliebten Führer!
Zu Führers Geburtstag wird die einträglichste Dienststelle der SS eingerichtet, Oswald Pohl (1892-1951) leitet das
SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt, diese Dienststelle wird während des Krieges die Verwertung der KZHäftlinge übernehmen, von den geraubten Besitztümern bis zum Verleih der Häftlinge an Rüstungsfirmen wird
die Dienststelle von Pohl (der 1951 von den Amerikanern hingerichtet wurde) das Elend der KZs zu Geld für die
Kassen der SS machen.
Goebbels über die "Großmacht Propaganda" vor den Propagandaleitern der Partei am 26.4.: "In solchen Zeiten
muss ein kleiner Kern fanatischer Anhänger die Masse des Volkes durch die Kraft ihres Glaubens mitreißen können, auch wenn zeitweilig die Einsicht und tiefere Erkenntnis fehlt."
5
Am 28.4. kündigte Hitler den Nichtangriffspakt mit Polen von 1934 und das Flottenabkommen mit England.
Nach einer Gestapo-Statistik waren im April in Deutschland 162.734 Personen in "Schutzhaft" in den KZs, weiters wurden 27.396 politische Angeklagte und 112.432 politische Häftlinge verzeichnet.
In der "Ostmark" wird ab 1.5. wie im "Altreich" Kirchensteuer eingehoben. Man hört sogar heute noch manchmal,
nach 1945 wären alle NS-Bestimmungen abgeschafft worden, nur die Kirchensteuer sei geblieben. Was so nicht
stimmt. In Deutschland war und ist die Kirchensteuer ein Steuerzuschlag und wird von den Finanzämtern mit der
Lohn- und Einkommenssteuer eingehoben, in Österreich müssen die Glaubensgemeinschaften ihre Beiträge selbst
kassieren. Allerdings wurden in Österreich vor dem "Anschluss" die anerkannten Kirchen staatlich finanziert, die
Priester und Bischöfe waren staatlich besoldet.
Am 4.5. löste Stalin den sowjetischen Außenminister Litwinow ab und ersetzte ihn durch Molotow. Litwinow war
jüdischer Abstammung. Bereits einen Tag später wird in Deutschland die Presse angewiesen, die Polemik gegen
den Bolschewismus einzustellen.
Polen ist nicht bereit, die deutschen Forderungen betreffend Danzig und den Korridor zu erfüllen.
Am 15.5. wird das Frauen-KZ Ravensbrück in Mecklenburg in Betrieb genommen.
Goebbels auf einer Kundgebung in Köln: "Der Führer ist ein Friedensfreund. Er will wirklich den Frieden. Die
Wahl liegt bei den anderen, nicht bei uns. Wir sind bewaffnet bis an die Zähne und vertrauen blind auf den Mann,
der Deutschland aus seinem tiefsten Fall von 1919 zur Höhe von 1939 emporführte." (19.5.).
Mit einer Siegesparade verabschiedete der spanische Diktator Franco die deutsche "Legion Condor", die wesentlich zum Gelingen seines Putsches beigetragen hatte (22.5.).
Vor seinen obersten Militärführern erläutert Hitler am 23.5. seine Vorstellungen über den Krieg gegen Polen. Er
rechnet nicht mit dem Eingreifen der Westmächte und erwartet einen raschen Sieg. Die Danzig-Frage sei nur ein
Ablenkungsmanöver, es ginge um die Erweiterung des "Lebensraumes im Osten"3 und die Lösung des "Baltikum-Problems".
Die Sowjetunion verhandelt weiterhin mit England über einen bindenden Militärpakt mit einer Garantieerklärung
für die baltischen Staaten, in Deutschland wird am 26.5. die antikommunistische Propaganda wieder freigegeben.
In einem Gespräch am 30.5. zwischen Staatssekretär Weizsäcker und dem sowjetischen Geschäftsträger Astachow
wird eine vorsichtige Annäherung in die Wege geleitet. Am 31.5. wird der deutschen Presse befohlen, keine Angriffe auf die UdSSR mehr zu veröffentlichen. In Moskau erklärt Molotow, die Verhandlungen mit den Westmächten hätten noch zu keinem Ergebnis geführt, man wolle deshalb nicht auf Beziehungen zu Deutschland und
Italien verzichten.
Anfang Juni weilte der jugoslawische Prinzregent Paul in Deutschland, im Schlusskommuniqué wird "volle Übereinstimmung" zwischen Deutschland, Italien und Jugoslawien festgestellt. Die aus Spanien zurückgekehrte
Legion Condor wird von Hitler geehrt. Am Schauplatz des spanischen Bürgerkrieges konnte die deutsche Wehrmacht ihre Praxistauglichkeit erproben. Besonders die Luftwaffe übte dort den "modernen" Bombenkrieg.
Am 7.6. werden Nichtangriffspakte mit Estland und Lettland unterzeichnet. Die deutsche Presse berichtet massiert
über "polnische Provokationen" gegen Danzig.
Die Sowjets sind über die Weigerung des britischen Außenministers Halifax verärgert, direkt mit Außenminister
Molotow zu verhandeln und statt dessen nur einen untergeordneten Diplomaten zu entsenden.
An 22.6. gibt Hitler weitere Weisungen zum "Fall Weiß" (Krieg gegen Polen) und setzt den 1. September als
Einsatzdatum fest. Er setzt allerdings immer noch auch auf die Aussicht, die Wiedereingliederung Danzigs ohne
militärischen Widerstand erreichen zu können.
Die Verschuldung liegt knapp unter 33 Milliarden Reichsmark und erreicht damit das 2,7fache von 1932. Hitlers
Prestigeobjekt, der Bau der Reichsautobahnen, brachte bisher über 3.000 km fertiggestellte Autobahnen und weitere 2000 km sind im Bau.
In Deutschland werden umfassende Luftschutzeinrichtungen installiert.
Anfang Juli gibt es leichte Annäherungen in den Bündnisverhandlungen zwischen Frankreich, England und der
UdSSR.
Am 17.7. verlangt Molotow von England und Frankreich den gleichzeitigen Abschluss eines politischen und militärischen Bündnisvertrages.
Zur Organisation der jüdischen Auswanderung wird der Zusammenschluss aller Juden in der Reichsvereinigung
der Juden in Deutschland angeordnet.
3
Hitler bildete sich ja ein, das deutsche Siedlungsgebiet wäre zu klein, um eine wachsende Bevölkerung zu ernähren, er schrieb
1925 in "Mein Kampf": "Wollte man in Europa Grund und Boden, dann konnte dies im großen und ganzen nur auf Kosten Russlands geschehen, dann musste sich das neue Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, um mit
dem deutschen Schwert dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu geben."
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Auch im Juli berichtet die deutsche Presse über polnische Grenzverletzungen und über Übergriffe gegen die deutsche Minderheit in Polen. In der zweiten Julihälfte treten die Verhandlungen zwischen der Sowjetunion und den
Westmächten in ein Endstadium.
Anfang August erklärt Ribbentrop gegenüber dem sowjetischen Botschafter, Polen könne innerhalb einer Woche
überrannt werden. Die Pressekampagne gegen Polen wird massiert fortgesetzt: Polnischer Wirtschaftskrieg gegen
Danzig, Polen droht mit Beschießung Danzigs, Polnische Drangsalierung in Oberschlesien...
Am 10. August signalisiert die UdSSR ihre Verhandlungsbereitschaft mit Deutschland, Hitler lässt übermitteln, er
sei zur Bereinigung aller offenen Fragen bereit. Rippentrop ist der Ansicht, falls Polen innerhalb von drei Tagen
besiegt sei, würden die Westmächte nicht eingreifen. Italien weigert sich, an einem Krieg gegen Polen mitzuwirken. Am 14.8. werden in Moskau die Verhandlungen mit den Westmächten unterbrochen, man scheitert am von
der UdSSR geforderten Durchmarschrecht durch Polen, das von der Warschauer Regierung strikt abgelehnt wird,
Molotow ist bereit, Verhandlungen mit dem deutschen Außenminister Rippentrop aufzunehmen, er schlägt
Deutschland den Abschluss eines Nichtangriffspaktes vor (16.8.).
Frankreich versucht, Polen zu einer Zustimmung für ein sowjetisches Durchmarschrecht zu bewegen, Polen lehnt
weiterhin ab (18./19.8.).
Die Sowjetunion schließt mit Deutschland ein Handelsabkommen, Hitler drängt auf politische Verhandlungen
(19./20.8.). Am 22. August informiert Hitler die Oberbefehlshaber der Wehrmacht über seine Kriegspläne, macht
seinen widerstrebenden Generälen klar, dass er zum Krieg entschlossen ist, am 23.8. trifft Ribbentrop in Moskau ein und verhandelt direkt mit Stalin.
Die Verhandlungen werden noch am selben Tag abgeschlossen. Dem
offiziellen Nichtangriffspakt folgt ein geheimes Zusatzabkommen über
die Teilung der Einflusssphären. Finnland, die baltischen Staaten, Bessarabien und Polens Ostteil (in zaristischer Zeit Bestandteile Russlands)
fallen unter den zukünftigen Bereich der UdSSR. Für zehn Jahre verpflichten sich beide Staaten , sich gegenseitig nicht anzugreifen, keinen
dritten Angreifer zu unterstützen und keinem Bündnis, das gegen den
anderen Vertragspartner gerichtet ist, beizutreten. Rechts im Bild: Molotow und Ribbentrop nehmen Platz zur Vertragsunterzeichnung.
der Plan über die Teilung Polens, abgezeichnet von Stalin und Ribbentrop - rechts: so sah ein englischer Karikaturist den Hitler-Stalin-Pakt
Am 25.8. schließt England einen Beistandspakt mit Polen. Am 27.8. schreibt Hitler in einer Antwort auf einen
Verständigungsversuch des französischen Ministerpräsidenten Daladier, er sehe keine friedliche Möglichkeit für
Danzig und die Korridorfrage. Nach England wird gleichzeitig der Schwede Dahlerus als Mittelsmann der deutschen Regierung entsandt mit den Forderungen: Danzig und der Korridor fallen an Deutschland und Deutschland
bekommt seine Kolonien wieder, dafür würden die polnischen Grenzen und der Bestand das British Empire garantiert. England lehnt ab.
Der Forderung, Polen solle sofort einen Sonderbotschafter nach Berlin entsenden, kommt das Land nicht nach
(30.8.).
7
Unter dem Vorwand, Polen habe den deutschen Rundfunksender Gleiwitz überfallen (ein von der SS organisiertes
Manöver), wird am 1. September 1939 der Krieg vom Zaune gebrochen. "Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen", wie Hitler in seiner Reichstagsrede lügt, "meine Friedensliebe und meine endlose Langmut soll
man nicht mit Schwäche oder gar Feigheit verwechseln." Der Reichstag beschließt sogleich ein Gesetz über die
Vereinigung Danzigs mit dem Großdeutschen Reich. Die Presse ist angewiesen, nicht vom "Krieg", sondern nur
vom "Zurückschlagen" zu schreiben.
Hitler bei der Verkündung des Krieges im Reichstag, der Reichstag singt zur Feier des Tages und des Kriegsbeginns das Deutschlandlied
8
der Krieg beginnt ..
.. die Grenzbalken werden ausgehoben
Aufschrift auf einem Eisenbahnwagen - Antisemitismus als Kriegsgrund
Am 3.9. erklären England und Frankreich Deutschland den Krieg, Australien, Neuseeland, Südafrika, Kanada,
Marokko und der Irak schließen sich an. England führt die allgemeine Wehrpflicht ein. Noch ist nur Krieg in Polen, die Ausweitung auf fast die ganze Welt wird bis Ende 1941 geschehen - die Welt steht jedoch jetzt schon unter Waffen.
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Deutschland hat von 1934 bis zum Kriegsbeginn 60 Milliarden Reichsmark in Aufrüstung und laufende Militärausgaben gesteckt. Das Feldheer hat eine Stärke von 2,75 Millionen Mann, die sich im Verlaufe des Krieges auf
eine Höchstzahl 4,4 Millionen steigern wird. Insgesamt werden alle Bereiche zusammen, einschließlich Ersatzheer, 10,7 Millionen (1943) erreichen.
Schützenrudel im Vormarsch
Frankreich hat bei Kriegsbeginn 2,5 Millionen Soldaten unter Waffen, England nur knapp 900.000. Polen könnte
zwar eine Kriegsstärke von 3,6 Millionen Mann erreichen, ist aber waffentechnisch der deutschen Wehrmacht
völlig unterlegen, es fehlen gepanzerte und mechanisierte Verbände, Luftabwehrgeschütze und panzerbrechende
Waffen, dafür hat man immer noch eine vierzig Regimenter umfassende Kavallerie.
Die autoritär ausgerichtete polnische Staatsführung überschätzte die eigenen Kräfte völlig und redete sogar von
einem Einmarsch in Berlin.
Am 5.9. erklären sich die USA für neutral.
Die polnischen Truppen können der deutschen Wehrmacht nur kurze Zeit Widerstand leisten, vor allem die sofort
errungene Lufthoheit und die rasch vorstoßenden Panzerdivisionen, gegen die sogar polnische Kavallerie mit eingelegter Lanze losreitet, entscheiden den Krieg in kurzer Zeit (der Kampf von Lanzenreitern gegen Panzer hatte
allerdings folgenden Hintergrund: Bei deutschen Manövern waren häufig Panzerattrappen - auf Geländefahrzeuge
aufgesetzte Holz- und Pappedekorationen - verwendet worden, vormalige polnische Manövergäste vermuteten
auch 1939 noch solche Attrappen am Schlachtfeld).
Am 5.9. wird die Volksschädlingsverordnung wird erlassen, so stand sie in der NS-Zeit im Lexikon:
Am 17.9. erklärt die sowjetische Regierung, der polnische Staat habe zu existieren aufgehört, die Rote Armee
erhält den Befehl "die Grenze zu überschreiten und das Leben und Eigentum der Bevölkerung der westlichen Ukraine und des westlichen Weißrusslands unter ihren Schutz zu nehmen."
Am 23.9. gibt das Oberkommando der Wehrmacht die Beendigung des "Polenfeldzuges" bekannt. In Warschau
und vereinzelt an anderen Orten wird noch gekämpft. Am 6. Oktober kapitulieren die letzten polnischen Ver10
bände. Fast 700.000 Polen sind in Gefangenschaft. Die eigenen Verluste gibt Hitler mit 10.572 Gefallenen und
3.404 Vermissten an.
An der Westfront hat sich während des Krieges gegen Polen nicht viel ereignet, die deutschen und französischen
Truppen stehen sich gefechtsbereit gegenüber, ohne dass es zu nennenswerten Kampfhandlungen kommt. Die
Franzosen besetzen zwar einige Grenzbereiche, räumen diese aber bald wieder. Hitler befiehlt die Vorbereitung
der Angriffsoperationen an der Westfront und fordert England und Frankreich auf, den Krieg zu beenden. Frankreich lehnt ab. Gegen die englische Marine erzielen die deutschen U-Boote eine Reihe von Erfolgen.
Ab 25.9. gibt es die Warenbewirtschaftung: Vorerst werden Lebensmittelkarten ausgeteilt. Alle allgemein gebrauchten Güter werden während des Krieges (und auch einige Jahre in der Nachkriegszeit) nur gegen Abgabe
von Lebensmittelkartenabschnitten oder Bezugsscheinen verkauft.
Die Gliederung der Staatsgewalt wird mit Wirkung vom 27. September neu organisiert und im
"Reichssicherheitshauptamt" (RSHA) zusammengefasst. Die wichtigsten
Abteilungen:
Amt III - Inlandsnachrichtendienst, Leitung Otto Ohlendorf (1907 - 1951,
von den Amerikanern zum Tode verurteilt und hingerichtet)
Amt IV - Geheime Staatspolizei, Leitung Heinrich Müller,
Amt V - Kriminalpolizei, Leitung Arthur Nebe (1894 - 1945, zwar in die
Verbrechen der Nazis verwickelt, jedoch als Unterstützer der Verschwörer
gegen Hitler hingerichtet),
Amt VI - Auslandsnachrichtendienst, Leitung Walter Schellenberg (1910
- 1952, zu sechs Jahren Haft verurteilt, 1950 schwerkrank enthaftet),
Amt VII - weltanschauliche Forschung und Auswertung.
Am 28.9. ratifiziert Hitler mit der UdSSR den "Deutsch-Russischen Grenzund Freundschaftsvertrag".
Mit 1.9. wird die Weisung Hitlers zurückdatiert "nach menschlichem Ermessen unheilbare Kranke bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes" zu töten. Das "Euthanasieprogramm" der Nazis wird mit dieser
Weisung im Oktober in die Wege geleitet, zehntausende Behinderte und
Kranke werden in den Kriegsjahren in Hadamar, Grafeneck, Sonnenstein,
Bernburg und Hartheim ermordet.
11
SS-Gruppenführer (Generalleutnant)
Reinhard Heydrich war der erste Chef
des RSHA
7.10.: Der Reichsführer SS Heinrich Himmler wird zum «Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums» ernannt. Ihm obliegt:
1. die Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland,
2. die Ausschaltung des schädigenden Einflusses von volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das
Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten,
3. die Gestaltung neuer deutscher Siedlungsgebiete durch Umsiedlung, im besonderen durch Seßhaftmachung der
aus dem Ausland heimkehrenden Reichs- und Volksdeutschen.
Das Großdeutsche Reich erhält ab 8.10. zwei neue Gaue: Danzig-Westpreußen und Posen (später in Wartheland
umbenannt).
Ab 20.10. tritt an der Westfront fast völlige Kampfesruhe ein.
Am 24.10. wird angeordnet, dass für die Kriegsdauer keine Häftlinge aus der "Schutzhaft" entlassen werden dürfen.
Im als "Generalgouvernement" bezeichneten Teil Polens, der nach dem Abkommen mit Stalin dem Großdeutschen Reich zugefallen ist, tritt am 29.10. Generalgouverneur Frank seinen Posten an.
Am 1.11. vereinigt die UdSSR die Westukraine mit der Ukrainischen Volksrepublik.
Am 8.11. wird bei der Gedenkveranstaltung an den Hitlerputsch von 1923 im Münchner Bürgerbräukeller ein
Bombenanschlag auf Hitler verübt. Der Anschlag fordert unter den versammelten "alten Kämpfern" sieben Tote,
Hitler hatte aber die Veranstaltung früher als geplant verlassen und ist zum Zeitpunkt der Explosion leider nicht
mehr anwesend.
Hitler spricht zu den "alten Kämpfern"
12
die Attentatstätte im Bürgerbräu
Die Sowjetregierung drückte am 11.11. "ihr Bedauern und ihre Entrüstung über den ruchlosen Anschlag von
München, ihre Freude über die glückliche Errettung Adolf Hitlers aus Lebensgefahr und ihr Beileid für die Opfer
des Attentates" aus.
Auch sonst handelte Stalin anders, als dass man es mit der Interpretation von später alleine erklären könnte, er
habe mit dem Abkommen Zeit gewinnen und durch die Rückeroberung des ehemals ohnedies russischen Teiles
Polens einen Sicherheitspolster anlegen wollen: Eine Anzahl von in die Sowjetunion geflohenen deutschen und
österreichischen Kommunisten wurde an die Gestapo ausgeliefert (formal natürlich nicht, da werden sie bloß aus
der UdSSR "ausgewiesen"), u.a. auch der ehemalige leitende KPÖ-Funktionär Franz Koritschoner, er und viele
andere werden dadurch gemeinsame Opfer von Hitler und Stalin.
eines der Opfer von Stalin und Hitler: Franz Koritschoner, geboren 1892, wichtiger KPÖ-Funktionär der Anfangsjahre, vor dem Faschismus in die UdSSR geflüchtet, dort im Oktober 1940 "ausgewiesen"und 1941 in
Auschwitz ermordet (Foto der Gestapo-Leitstelle Wien).
Am 22.11. wird die Festnahme des Attentäters bekannt gegeben, der 36jährige Georg Elser (bereits am 9.11. verhaftet) habe im Auftrag des englischen Geheimdienstes gehandelt. Elser war jedoch ein Einzeltäter, er hatte in
wochenlanger Arbeit im Veranstaltungssaal eine Säule ausgehöhlt und darin die Höllenmaschine verborgen. Politisch stand der Attentäter links, er war bis 1933 KPD-Wähler, allerdings ohne der Partei anzugehören oder für sie
aktiv zu sein.
13
ein einsamer Held des Widerstandes, Georg Elser - rechts der 1903 Geborene in der KZ-Haft, er wurde am
5.4.1945 im KZ Dachau ermordet
Nachdem sich die Verhandlungen zwischen der UdSSR und Finnland über einen Gebietstausch zerschlagen hatten
(die Sowjetunion strebte einen solchen Tausch zur Sicherung der Nordflanke Leningrads an), greift die Rote Armee am 30.11. Finnland an. Die Sowjetunion wird deswegen am 14.12. aus dem Völkerbund ausgeschlossen.
Deutschland will gegen England durch Angriffe auf den Warenschiffsverkehr eine Wirtschaftsblockade erreichen,
bis 1.12. wurden im Seekrieg 194 Handelsschiffe versenkt.
Juden müssen im Generalgouvernement ab 1.12. einen "gelben Stern" am rechten Ärmel tragen.
Zwei Beispiele zur politischen Verfolgung:
im August wurde sie festgenommen und im Dezember wird gegen die bekannte österreichische Sozialistin
Rosa Jochmann "Schutzhaft" angeordnet - sie bleibt bis Kriegsende im KZ
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der aus dem Mühlviertel stammende Siegfried Köhl sitzt als Funktionär des KJV (Kommunistischer Jugendverband) bis 1945 ein, nach 1945 ist er ein bekannter linksgerichteter Rechtsanwalt in Linz
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Am 21.12. unterschrieb Himmler in Rom ein Abkommen über die Aussiedlung der Südtiroler. Die deutschsprachigen Südtiroler erhalten die Option, entweder ins "Reich" auszuwandern oder sich zu assimilieren.
Am 31.12. sagte Hitler: "Wir kämpfen für den Aufbau eines neuen Europa, vor uns liegt der schwerste Kampf um
das Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes! Mit stolzer Zuversicht blicke ich und die ganze Nation auf Euch,
denn: mit solchen Soldaten muss Deutschland siegen!"
Im "Altreich" leben am Jahresende noch 234.000 Juden (gegenüber 503.000 im Jahre 1933), in Wien sind es noch
91.500.
Ende 1939
16

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