ein längerer Auszug aus den autobiografischen Teilen seiner
Transcrição
ein längerer Auszug aus den autobiografischen Teilen seiner
Aus dem Herzen gesprochen Mein Leben wurde durch viele Erlebnisse geprägt und ich habe viel erlebt. Meine Jugend war ein Terror. Keine Anerkennung, keine Liebe und kein Mitmensch der mir zur Seite stand. Alles ging vorbei. Das Angenehme, die Freude bekam ich mit 15 Jahren . Ich habe viele liebe Mitmenschen kennen gelernt und langsam bekam ich Vertrauen in diese Welt. Meine Tätigkeit im Spital und als Masseur in meiner Praxis, gab mir grosse Anerkennung und ich durfte vielen Menschen helfen . Das Ordensleben (3 Jahre), in einer Gemeinschaft, hat mich ausserdem sehr geprägt. Trotz Enttäuschungen habe ich den Glauben nicht verloren und konnte dadurch viele Menschen glücklich machen. Ich bin 75 Jahre jung und hatte vor 2 Jahren eine tiefe Depression, aus derer ich mich mit eigener Kraft befreien konnte. Meine ganze Jugend kam mir wieder in Erinnerung und löste in mir Angstzustände aus. So entstand die Idee zu diesem Buch in welchem ich darüber berichte und Ihnen mein Leben gerne näher bringen möchte. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser viel Freude damit, eine neue Einstellung zum Leben und grüsse Euch 3ack Cßrum Geburt und Kindheit Ich erblickte das Licht der Welt am 5. Juni 1936 in Maur Kt. Zürich. Mein Bürgerort ist Sagogn Kt. Graubünden . Ich wurde unehelich geboren und meiner leiblichen Mutter sofort nach der Geburt weggenommen. Man brachte mich ins Kinderheim (Josefshaus) in Chur. Die ersten fünf Jahre meines Lebens verbrachte ich in diesem Heim, welches von Klosterfrauen geführt wurde. Ich kann mich sehr gut an die strengen Sitten und Bräuche erinnern. Einmal hat mich eine Nonne in die Besenkammer gesperrt. Unendlich lange kam mir die Zeit in der dunklen Kammer vor, als mich die Nonne rausholte, in die Badewanne stellte und mich mit eiskaltem Wasser abspritzte. Aus Mangel an Luft bin ich blau angelaufen, was zur Folge hatte, dass sie mich ins Bett warf. Es befanden sich ca. 16 - 20 Kinder in einem Raum, in welchem in der Mitte ein 10 Liter Eimer stand, indem wir unsere Geschäfte zu verrichten hatten! Am darauffolgenden Morgen war der Zuber jeweils bis zum Rand voll. Sehr gut erinnere ich mich an den kleinen Waschraum, indem wir dicht aufeinander zusammengepfercht wie Tiere, uns jeweils waschen mussten. Jeder von uns hatte einen Waschlappen fürs Gesicht. Diesen Waschlappen hatten wir immer morgens und abends ausgesogen und gleichzeitig als Durstlöscher benutzt. Ein einziges Mal bot sich mir die Gelegenheit, frisches Wasser vom Hahn zu trinken, wurde jedoch dabei von der Nonne erwischt, welche mir Schläge auf den "Hintern" gab. Am Samstag wurden wir immer gebadet und mussten jeweils in Reihe und Glied bereit stehen. Natürlich wurden wir alle im selben Wasser gebadet. Von zwei Nonnen wurden wir im Eiltempo geschrubbt. Die erste der beiden machte uns nass und die andere seifte den Körper ein. Nach dieser Prozedur wurden wir mit kaltem Wasser abgespült und sofort mussten wir ins Bett. Das Essen war nicht sonderlich abwechslungsreich, dreimal täglich gab es Brei. Eines schönen Tages, wir waren acht Kinder, (Knaben und Mädchen) mussten wir uns an die Wand stellen und wurden sauber hergerichtet. Noch realisierten wir nicht um was es genau ging .... ? Kurz darauf stellten wir jedoch fest, dass fünf Elternpaare vor Ort waren um jeweils ein Kind anzunehmen. Eigentlich war es wie auf einem Viehmarkt und instinktiv lehnte ich alle diese Anwesenden ab. Sie waren mir ausserordentlich unsympathisch. Es kam jedoch wie es kommen musste und auch für mich hatte sich ein Elternpaar entschieden. Es war der Mann der auf mich zeigte und seine Frau war entsprechend erstaunt, dass die Wahl auf mich fiel und bekundete dies mit schroffer Stimme: was ausgerechnet diesen willst Du? Ich wusste in dem Moment eigentlich nicht genau um was es eigentlich ging. Nach einer kurzen Vorstellung und Begutachtung entfernten sich die zukünftigen Eltern wieder. Es vergingen ein paar Wochen (ca. 1 Monat) und ich wurde wieder einmal sauber gewaschen und hübsch gemacht. Sogar neu angezogen hat man mich. Die Nonne erklärte mir, dass ich grosses Glück habe, dass sich eine sehr nette Familie für mich entschieden habe. Eine Scheintante kam ins Kinderheim um mich abzuholen. Sie erklärte mir, dass ich mit der Eisenbahn reisen dürfe und dieses bevorstehende Ereignis machte mich sehr glücklich. Voller Erwartung und Freude fuhren wir mit dem Zug, welcher von einer Dampflokomotive gezogen wurde von Chur GR nach Eschenz TG. Eschenz ist ein kleiner verträumter Ort am Untersee unweit von Stein am Rhein. Inzwischen war es ca. 11.00 Uhr und fast gleichzeitig mit unserem Eintreffen, läuteten die Kirchenglocken. Unweit vom Bahnhof war das Restaurant mit Bäckerei "zur Eintracht". Alles war für mich so neu und ich fühlte mich nicht sehr wohl. Mein Gefühl sagte mir, dass hier etwas nicht stimmte, was sich auch schon bald bestätigte. Zusammen mit der Tante die mich begleitete, setzten wir uns an einen Tisch in der Gaststube zum Mittagessen. Gegenüber sassen meine zukünftigen Pflegeeltern mit zwei Angestellten (Frauen). Gesprochen wurde nichts und bald schon verabschiedete sich die Begleiterin. Ich war unsagbar traurig und fing an zu weinen. Von nun an wurde ich von Vroni sowie einer Angestellten betreut. Diese Vroni war ein richtiges "Mannsweib", mit einem Gewicht von ca. 110 Kg. Als erstes machte ich nun Bekanntschaft mit dem hauseigenen "Bernhardiner Hund". Dieser freute sich so sehr, dass er mich ansprang und mich zu Boden warf. Es war im Monat Mai und ausserhalb des Hauses lag ein Acker. Vroni zeigte mir wie man Kartoffeln setzt. Diese Aufgabe sollte nun bald zu meinem täglichen Arbeitsbereich gehören. Die Arbeit war ausserordentlich streng und so war ich auch immer traurig und selten sah mich jemand lachen. Ich hatte auch keinen Grund dazu, denn Vroni kommandierte mich den ganzen Tag rum, wie ein General. Ausserdem befahl sie mir, immer freundlich lächelnd aufzutreten, sollte einmal jemand vorbeikomme. Dabei war's mir mehr ums weinen als ums lachen. Es wurde Abend und Vroni befahl mir ins Bett zu gehen. Meine Kammer hatte ein Fenster zur Scheune, wo Mehl und Vorrat für die Bäckerei lagerten. Der Lagerraum verdunkelte die Kammer noch zusätzlich, sodass überhaupt kein Tageslicht eintreten konnte. Der Schlag in welchem ich schlafen durfte, war zugleich die Vorratskammer für den Haushalt und die Küche. Es war immer noch Krieg. In demselben Raum befand sich auch ein Kleiderschrank. Der Kasten stank von Kampferkugeln gegen die Motten, welche einen übelriechenden Geruch ausbreiteten. Die ganzen Jagdutensilien wie Gamaschenschuhe, Gewehre usw. wurden hier gelagert. Das Zimmer war ausserdem so klein, dass nur gerade Platz war für das Bett. Geburtstag, Weihnachten oder Ostern durfte ich nie feiern. Ich war aber immer Delegierter und musste täglich in die Kirche und mich an der vordersten Front zeigen. Die Kleider die ich trug wurden von meinen reichen Pflegeeltern im Dorf erbettelt. Mit 10 Jahren durfte ich von der Schule aus zum Zahnarzt. Für die behandelnden Kosten erhielt ich eine Rechnung von Fr. 30.-, welche ich nach Hause brachte. Nun kam mein Vater dermassen in Fahrt und nannte mich einen "Halunken", "Zigeuner", "Taugenichts" und dergleichen mehr. Ausserdem bemerkte er: Du kostest uns sehr viel Geld und ansonsten bringst du gar nichts und gab mir zwei Ohrfeigen. Niemals haben mich meine Pflegeeltern in die Arme geschlossen, von Liebkosungen jeglicher Art konnte ich nur träumen, resp. wusste überhaupt nicht was das ist. Täglich um 05.00 Uhr musste ich aufstehen. Vroni war bereits am zubereiten vom Brotteig und verrichtete andere Arbeiten. Dabei musste ich natürlich assistieren. Wenn ich einmal nicht pünktlich oder verspätet erschien kassierte ich immer harte Schläge. Als ich einmal einschlief in der Backstube, hat sie mich mit ihren Teighänden ins Gesicht geschlagen. Meine Pflegeeltern sind immer erst gegen 08.30 - 09.00 Uhr aufgestanden. Während Vroni sich selbst Butter und Konfitüre aufs Brot schmierte, bekam ich trockenes Brot und Milch. Auch das Mittag- und Abendessen musste ich in der Backstube einnehmen. Auch hier war absolutes Verbot am selben Tisch wie die Pflegeeltern zu sitzen. Am Abend um 19.00 Uhr wurde ich ins Bett (Nest wie sie es nannten) geschickt. So hatte ich wenigstens für den Rest des Tages und die weiteren Stunden der Nacht meine Ruhe. Mit 7.Jahren Schulanfang Mit sieben Jahren durfte ich die Primarschule besuchen. Die Lehrerin schaute mich sehr kritisch an und ich empfand augenblicklich eine grosse Aversion gegen sie. Von Anfang an hatte sie immer etwas zu meckern. Natürlich war ich unterernährt, mein Bauch war wie der eines Biafrakindes und meine Beine waren dünn, wie die eines Storches. Durch dieses etwas komische "Aussehen" wurde ich permanent gehänselt und ausgelacht. Auch der Pfarrer der katholischen Kirche war mir nicht sonderlich sympathisch. Nach der Schule, jeweils während der Mittagspause, musste ich das Brot im ganzen Dorf austragen (ca. 40 Kg) . Mit einem riesigen Hunger kam ich gegen 13.00 Uhr nach Hause und durfte wenigstens mein bescheidenes Essen zu mir nehmen. Natürlich in der Backstube! Gleich im Anschluss musste ich aber wieder in die Schule, denn da ging der Unterricht bereits um 13.30 Uhr wieder los. Nach Schulschluss musste ich immer den Schweinestall sauber machen und hatte deswegen keine Zeit um die Schulaufgaben zu erledigen. Auch am Samstagmittag nach der Schule war ich voll ausgelastet mit dem putzen der Backstube und dem bereit stellen des Holzbackofens. Meine Pflegeeltern hatten, wie ich schon Eingangs erwähnte, ein Restaurant mit Fischküche. Aus diesem Grunde musste ich jeweils die gefangenen Fische schuppen und ausnehmen. Dies waren gut und gerne um die 20 - 30 Portionen, im Sommer wie im Winter, bei Temperaturen von bis zu 12 Grad minus. Meine Hände waren jeweils durchgefroren und blau angelaufen. Zeit um die Schulaufgaben zu machen, blieb dabei natürlich kaum bis niemals. Meine Lehrerin war nicht sehr erfreut über meine schwachen Leistungen und belohnte mich mit Schlägen mittels ihrem Lineal auf meine Hände ......... ! Zudem kam die ganze psychische Belastung, denn ich konnte mich mit niemandem aussprechen oder über meine Sorgen reden, ich war ja total allein auf der Welt! Und wer hätte mir schon geglaubt? Es war im Jahr 1943 und es war immer noch Krieg. Alles war rationiert und man brauchte Lebensmittelmarken. Ich war dafür verantwortlich und wehe es fehlte einmal eine Marke, bekam ich dafür Schläge. Sehr vielen armen Familien mit 4 6 Kindern verlangte ich hin und wieder keine Marken, einfach weil sie mir so leid taten. An den Sonntagen musste ich jeweils die Brotmarken auf A 4 Blätter a 50 Kg. kleben. Jetzt hatte ich aber eine kluge Idee und ich klaute 10 x 1 Kg. Dieser Marken.! Immer an einem Samstag musste ich Gipfeli, Nussgipfel, Zöpfe und Schnecken austragen. Mein Pflegevater war sehr darauf bedacht immer der "Beste" zu sein und erstellte alle diese Süssigkeiten besonders gross. Dies führte natürlich zu einem grossen Defizit in der Kasse, denn für die Herstellung brauchte er viel mehr Zucker, Haselnüsse und andere Zutaten. Dies~s Manko glich er jedoch aus mit dem eingenommenen Geld aus der Fischer-Kasse. Eine Hefeschnecke oder ein Nussgipfel kosteten damals 30 Rappen für ca. 300 gr. Gebäck. Wenn ich einmal nicht alles verkaufen konnte erhielt ich wiederum Schläge und wurde ins Bett geschickt. Weil mir diese vielen armen Leute einfach leid taten hatte ich wieder eine neue Idee und fing an die restlichen Süssigkeiten an die armen Leute zu verschenken. Klar hatte ich dann beim abrechnen ein Manko von bis zu Fr. 20.-- . Aber auch in dieser Hinsicht war ich immer eine Nasenlänge voraus und sagte meinem Pflegevater, dass die Leute kein Kleingeld hatten, oder aber sie würden bei Gelegenheit vorbei kommen um zu bezahlen. Dies machte ich solange, bis diese Schulden wieder ausgeglichen waren! Die Schuldner wurden jeweils in einem Buch festgehalten und die Sache war, zumindest vorübergehend in Ordnung. Nach ca. 2, 3 oder 4 Tagen habe ich die Schuldner im Buch gestrichen und war damit fein raus. Ausserdem musste ich die verbleibenden alten Backwaren während der ganzen Woche als Nachtessen verzehren! Selbstverständlich musste ich auch am Abend während der ganzen Woche alleine essen und freute mich immer wenn es hiess "Hau ab ins Nest: So fand ich meine Ruhe und meinen inneren Frieden ....... .... ! Ca. nach 1 Stunde kam aber Vroni noch ins Zimmer, entblösste mich und schlug mir nochmals den Arsch voll. Ihre Worte: "Ich meins nur guet mit Dir, schlaf gut"! Es war im Februar und immer noch ausserordentlich kalt. Jeweils am Samstag gab es Rindfleisch in der Suppe mit Gemüse und am Montag die aufgewärmten Reste davon. Für mich natürlich nur das Fett und etwas Suppe. Es versteht sich von selbst, dass ich davon Durchfall bekam und in die Hose machte. Die Pflegeeltern zitierten mich in die Waschküche wo ich mich ausziehen musste. Mein Vater kam mit dem Schlauch um mich eiskalt abzuduschen, meine Mutter schrubbte mich mit der Bodenbürste wund und zum Schluss wurde ich nochmals mit kaltem Wasser abgespritzt. Weder ein trockenes Badetuch, noch eine saubere, trockene Hose bekam ich. Dafür musste ich die alte Hose auswaschen und nass wieder anziehen! Dieses Erlebnis war eines der schlimmsten und es verfolgt mich noch heute! Meine Angstzustände wurden immer häufiger und die Folgen davon, dass ich anfing 1 -2 Mal ins Bett zu machen. Ich entsinne mich gut, denn es war mir unglaublich peinlich. Meine Kammer, daran kann ich mich gut erinnern, war klein und nicht geheizt. Ich hatte immer gefroren und deshalb war wahrscheinlich meine Blase erkältet. Als dies die Eltern entdeckten kommandierte sie mich augenblicklich ins Zimmer: "Komm sofort in die Kammer"! Sie drückte mich mit dem Kopf in den Urin und gab mir auf den "Hintern". Öfters kam auch der Vater mit einem alten gebrauchten Schlauch und schlug mich ebenfalls auf meinen Rücken und den Po . Jetzt muss ich unbedingt mein damaliges Nest beschreiben: Es bestand aus einer Bettstatt, die von Vaters Grosseltern stammten. Darin war die Federkernmatratze . In der Mitte waren 2 Federn defekt. Um diese Liegefläche auszufüllen, wurden zwei alte Kissen eingebettet, damit die Fläche ausgeglichen war. Jeden Abend vor dem "schlafen gehen" musste ich meinen Pflegeeltern die Hand geben und mich bedanken für den schönen Tag und eine gute Nacht wünschen. Jetzt konnte ich mich zurückziehen in die Einsamkeit und beten: Herr mein Gott, sage mir, bin ich wirklich so ein böses Kind? Herr segne mich, damit ich den Frieden finde. Amen Schule und Berufslehre in Knutwil LU Während der 2. Und 3. Klasse hatte ich einen Lehrerwechsel. Es war ein männliches Wesen, war Organist und Kirchenchorleiter. Ein recht angesehener Mann beim Pfarrer. Während den ersten drei bis vier Wochen ging es eigentlich recht gut. Bald jedoch merkte der Lehrer, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. In der Gesangsstunde rühmte er mich und ich durfte sogar solo vorsingen. Während die anderen Schulfächer eher etwas unbefriedigend ausfielen. Oft musste ich sitzenbleiben, weil ich einfach überfordert war. Dies zeichnete sich jeweils in den schlechten Noten ab, was wiederum mit Schlägen bestraft wurde. Das Jahr war schliesslich zu Ende und das Schulzeugnis dementsprechend ungenügend und eine Versetzung in die 4. Klasse war kein Thema. Somit wiederholte ich die 3. Klasse. Ich war gerade 11 Jahre alt und musste natürlich während den Frühlingsferien arbeiten. Als mein Vater das schlechte Zeugnis sah, war er ausser sich und schlug mich mit einem Lederriemen. Er war so ausser sich, dass er nicht mehr realisierte wohin er schlug. Meine Beine, der ganze Rücken und sogar der Hinter, waren voller Striemen. Ich hatte keinen einzigen Menschen der mir zur Seite stand! Mein Pflegevater war Berufsfischer und jeweils im April war der grosse Fischfang. An einer bestimmten Stelle wurden grosse Netze ausgelegt und von jeweils zwei Seiten an Land gezogen. Im ersten Wurf waren ca. 200 250 Kg. Fische. Es wurden 6 Mann zusätzlich beschäftigt. Das Netzt hatte ein Gewicht von ca. 200 Kg. Zusammen mit dem Bernadinerhund musste ich das schwere Netz auf einen Wagen laden und nach Hause schleppen. Zu Hause wurden die Netze aufgehängt zum trocknen. Der Fischfang vom ganzen Tag belief sich auf ca. 600 Kilo. Das ging so weiter die ganze Woche. Frühmorgens mussten Vroni und ich jeweils das Netz abnehmen, wieder auf den Wagen laden und das ganze Procedere ging von vorne los .... ! Im Freien beim Hause waren 4 grosse Wasserbecken in denen die Fische gelagert wurden. Einmal an einem Tag, ich war alleine zu Hause, kam ein älterer Mann. Er wollte einen Fisch haben und ich schenkte ihm einen 2 Kg. schweren Hecht. Natürlich hatte mein Vater dies am nächsten Tag erfahren und ich bekam Schläge. Ausserdem warf er mich in den Fischtrog und verschloss den Trog mit dem Deckel. Eine Serviertochter, es war die Schwester von Vroni, hörte meine Hilferufe und drohte dem Vater: wenn du nicht sofort den Knaben rauslässt, rufe ich die Polizei. Ich wäre fast erstickt und war bereits blau angelaufen. Emmi, die Schwester von Vroni, hatte mich dann ins Bett gebracht. Komischerweise war der Vater am Abend sehr nett und ich durfte sogar eine Linzerschnitte essen. Es war das erstemal, dass er mich liebevoll berührte und mir mit der Hand über den Kopf streichelte. Es kam ein unglaublich schönes Gefühl über mich und ich musste weinen. Emmi war sehr lieb mit mir! Die zwei Wochen Frühlingsferien waren vorüber und die Schule fing wieder an. Gott gib mir die Weisheit und den Verstand und segne mich Amen Neuer Schulbeginn in der 3. Klasse. Der Lehrer war kurz angebunden mit mir und fing an mich zu tadeln und lächerlich zu machen. Zweimal wöchentlich hielt er mich zurück, obschon er genau wusste, dass ich das Brot austragen müsste. Ich musste mit ihm in die Heizung wo sich daneben der Kohlenkeller befand. Mit einer Rute in der Hand jagte er mich auf den Kohlenhaufen bis ich voll von Russ war. Nachher durfte ich nach Hause und hier empfingen mich wie immer eine Ohrfeige. Es war im Monat Juni und im Restaurant fand ein Leichenmahl statt. Es war an einem Mittwoch und ich hatte schulfrei. Ca. 35 Personen waren geladen zum Mittagessen. Klar musste ich dabei helfen, in der Küche, im Restaurant aber auch im Service. Als die Gäste langsam verschwanden, musste ich das ganze Geschirr und die Gläser abwaschen und abtrocknen und danach noch das Restaurant putzen. Jetzt war es ganz plötzlich ruhig und ich hatte endlich meinen Frieden. Das Wasser wurde stets mit Gas heiss gemacht und so entstand die Idee auch für mich etwas heisses Wasser zuzubereiten und mich zu waschen. Ich war ganz alleine zu Hause, denn die beiden Dienstmädchen und die Eltern waren zum fischen am See. Ich erinnere mich noch sehr genau, damals gab es das Abwaschmittel VEL. Ich habe mich ausgezogen und setzte mich in den Eimer ins warme wohlige Nass. Plötzlich bekam ich ein steifes Glied und fing an damit zu spielen. Auf einmal stand meine Mutter neben mir. Offensichtlich hatte sie mich beobachtet, auf jeden Fall schimpfte sie gewaltig und schlug mich mit dem Walholz. Sie sagte zu mir, ich sei eine richtige Sau und ein schamloser Saugof. Es war im Sommer und es herrschte immer noch Krieg. Feldarbeit, Unkraut entfernen, Bohnen pflücken und die ersten Kartoffeln ernten standen bevor. Alles bei der grössten Sommerhitze und ohne zu trinken Alle diese Ereignisse haben mich total verängstigt und ich fing an zu stottern. Ich konnte keinen einzigen Satz fehlerfrei aussprechen und erntete dafür permanent Ohrfeigen. Was alles noch viel schwieriger machte. Im Herbst fing die Schule wieder an und mein Sprachfehler blieb natürlich nicht unbemerkt und ich wurde von allen gehänselt und ausgelacht. Sogar der Lehrer spielte dieses fiese Verhalten vor meinen Kollegen mit und tat mir immer weh. Einmal zog er mich an den Ohren hoch, bis ich anfing zu bluten. Ich schämte mich auch, denn meine Kleider und die Wäsche rochen sehr unangenehm. Ein paar Unterhosen mussten genügen für die ganze Woche und zum schlafen hatte ich keinen Pyjama. Es war wieder einmal an einem Samstag und ich musste die Backwaren an die Kunden austragen. Mein Fahrrad mit Anhänger war voll beladen. Die Tour war schon fast beendet, als mich ein Automobilist angefahren hatte. Ich war bewusstlos und wurde nach Hause gebracht. In der Gasthausstube wurde ich auf den Boden gelegt und vom Hausarzt begutachtet. Auf einmal hörte ich die mir bekannte Stimme meiner Mutter: Sie sagte: Wenn er stirbt, so ist es auch egal. Das war für mich unfassbar und gleichzeitig stellte ich traurig fest, dass ich absolut wertlos war. Leider bin ich wieder aufgewacht und die schreckliche Situation war wieder allgegenwärtig. Ich wäre lieber gestorben, denn ich hatte absolut keine Freude mehr am leben. Es verstrichen ein paar Tage und ich wurde aus der Schule gerufen. Eine sehr nette Dame von der Jugendanwaltschaft empfing mich. Wir machten zusammen einen Spaziergang nach Stein am Rhein. Ich sagte ihr jedoch, dass ich dringend nach Hause gehen müsse, ansonsten mich meine Eltern verhauen würden. Sie beruhigte mich jedoch und meinte: Deine Eltern wissen Bescheid dass sie mit mir unterwegs sei. Sie wollte alles von mir wissen und ich musste ihr meinen Oberkörper zeigen, der übersäht von Striemen war. Ich musste nicht mehr nach Hause und durfte mit ihr nach Frauenfeld in eine andere Familie. Zwei Tage später brachte sie mich nach St.Galien ins Haus Oberziel, welches vom Antonius Haus, Solothurn geführt wurde. Ich fühlte mich wie im Himmel, denn alles war so sauber und überall standen schöne Betten. Vier Monate durfte ich in guter Obhut verbleiben und heute noch unterstütze ich mit einer jährlichen Spende das Antoniushaus in Solothurn. Vom Oberziel kam ich auf den Rosenberg nach St. Gallen in die Sprachheilschule. Hier hatte ich endlich einmal eine liebe verständnisvolle Lehrerin, welche versuchte meinen Sprachfehler zu behandeln und vielleicht sogar zu beheben. Es gab viel Gesangsunterricht. Die Lehrerin hatte mich sehr gerne, weil ich so gut singen konnte. Zwei Jahre durfte ich auf dem Rosenberg bleiben und war ein aufgeweckter Schüler. Ja, ich konnte sogar eine Klasse überspringen. Einen Monat vor der Entlassung, hatte mich der Pflegevater besucht und mir den Himmel auf Erden versprochen. Er versuchte mich zu überreden, wieder zurück zu kommen zu meinen damaligen Pflegeeltern. Um das ganze zu besiegeln hätte ich ein Formal unterschreiben müssen. Mein Pflegevater hatte mich dann in ein Restaurant Namens Goliatstübli an der gleichnamigen Gasse in St. Gallen mitgenommen Ich durfte sogar Bier trinken mit ihm. In diesem angetrunkenen Zustand konnte er mich dazu überreden, das genannte Formular zu unterschreiben. Er versprach mich in einer Woche abzuholen. Auesserst überrascht und erstaunt über meinen Entschluss war dann die Direktion. So bin ich also wieder zurück in der alten, traurigen "Heimat". In der Zwischenzeit hatten die Eltern das Restaurant verkauft und die Insel Werd gepachtet. Jetzt war der Umzug geplant auf die ca. 5 Km. Entfernte Insel Werd! Vielleicht war dies auch der Grund, warum mich mein Pflegevater wieder zurück haben wollte. Ich musste nämlich ganz schön anpacken beim Umzug. Der ganze Hausrat und auch das Mobiliar mussten auf einen Wagen gepackt werden. Eigentlich hatte ich wenig Hoffnung, dass sich etwas verändert haben mochte, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich musste jedoch feststellen, dass ich immer noch dasselbe Bett benutzen durfte. Mein Zimmer lag in der obersten Etage. Jeden Tag machte ich acht Transporte. Am Abend war ich jeweils todmüde. All die Versprechungen, die mir der Pflegevater machte, waren vom Winde verweht und nichts wurde gehalten. Als dieser Umzug endlich ein Ende hatte, durfte ich nicht mehr in die Schule, sondern musste arbeiten gehen auf dem Bau als Handlanger. Das Essen war immer noch genau so miserabel wie früher, daran hatte sich absolut nichts geändert. Ich war schon ein bisschen verwöhnt von meinem früheren Aufenthaltsort und hatte grosse Hoffnungen, dass sich wenigstens das Essen etwas geändert haben würde, leider aber nein. An den Abenden kam ich jeweils todmüde von der Arbeit nach Hause, musste dann aber noch anpacken und helfen. Meine Tätigkeit auf dem Bau beinhaltete unter anderem das tragen vonBeton-Hutten auf dem Rücken. Diese Hutten waren um die 40 Kg. schwer und mein Körpergewicht im Vergleich dazu, lag bei 42 Kg. Nach ein paar Wochen war mein Rücken wund gescheuert und bin zum Arzt gegangen. Wie sich herausstellte, war dieser Arzt jedoch ein Fischerfreund meines Vaters. Bei der Untersuchung fragte mich der Arzt natürlich woher dieser offene Rücken denn komme: Ich erzählte ihm von meiner Tätigkeit auf dem Bau und dass ich schon seit 6 Monaten dort arbeiten würde. Er war sehr erstaunt und gleichzeitig auch entsetzt, informierte jedoch telefonisch die Kantonspolizei. Kurz danach kamen die Beamten und nahmen mich mit auf die Jugendanwaltschaft in Frauenfeld. Der Jugendanwalt Dr. Schatzmann war sehr nett zu mir und konnte durchsetzten, dass ich den Pflegeeltern entwendet wurde und diese nicht wussten, wo mein Aufenthaltsort war. Gleichzeitig wurden die Eltern sowie die Bauunternehmung informiert, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Ich möchte noch kurz etwas zu meinen Pflegeeltern sagen: Der Pflegevater hatte 6 Geschwister. Mit all diesen Geschwistern war er sehr zerstritten. Von seinen Eltern wurde er als Herrensöhnchen verwöhnt und konnte das Geschäft Restaurant und Bäckerei erben. Nein, er war niemals ein "Schaffer". Mit 50 Jahren wog er ungefähr 130 Kg und konnte sich kaum mehr bewegen. Das arbeiten überliess er seinen Angestellten und Arbeitern. In Eschenz - Stein am Rhein befand sich die Grenze zu Deutschland. Natürlich war sein Vater ebenfalls deutscher und er selber, stark verbunden mit den Nazis. Er hatte eine Ausstrahlung wie Adolf Hitler. Das Haar trug er gescheitelt in der Mitte, er hatte denselben Oberlippenschnauz und ebenfalls Gamaschen und dieselben Kleider. Der Hitlergruss gehörte zu seiner Persönlichkeit und war ein Modetrend. Nach Ende des Krieges, verkrachten sich die Fanatiker Hitlers und fingen an sich gegenseitig zu beschimpfen. Sau Nazi usw. Meine Pflegemutter war nicht sehr intelligent, um nicht zu sagen dumm und hatte grosse Angst um ihr Erbe. Schliesslich war ich ja adoptiert. Dass jedoch die Behörden während dieser Zeit einiges an Kontrollen verschlafen hatten und keine Inspektionen durchführten, ist eine Schande, nicht nur für den Kanton Thurgau, sondern für die ganze Schweiz! Es war im Oktober des Jahres 1949 als ich ins Erziehungsheim nach Knutwil LU kam. Dieses Heim wurde von Schulbrüdern geleitet. Es gab eine Abteilung für Schwererziehbare Kinder. Im Weiteren eine Abteilung für Kinder welche kein Zuhause hatten, oder aber verwahrlost gehalten wurden. Ich kam auf die Beobachtungsstation. Betreut wurde ich von Pädagogen sowie von Schullehrern. Um mich auf eine bevorstehende Lehre vorzubereiten, musste ich einen Berufsberater besuchen. Ich wurde also richtig getestet während dem ersten Jahr in Knutwil LU. Es wurde festgestellt, dass ich in den Schulfächern "Rechnen", sowie "Geographie" dringend Nachhilfeunterricht brauchte. Ich habe fleissig gelernt und grosse Fortschritte gemacht und schon nach kurzer Zeit hatte ich mich entschieden eine Schneiderlehre zu absolvieren. Der Lehrmeister, Herr Nussbaumer, war zuständig für die Schneidergruppe. Ich empfand ihn als ausserordentlich sympathischen und aufgeschlossenen Lehrmeister. Im Atelier waren insgesamt 8 Lehrlinge tätig und pro Jahr zwei Schüler. Ebenfalls war auch die Gewerbeschule im Heim integriert. Unter all den Lehrlingen der verschiedenen Klassen war ein kollegiales und nettes Verhältnis. Stets unterstützten wir den Lehrmeister indem wir gute Vorbilder waren. 5 Zweimal wöchentlich mussten wir zur hl. Messe in die Kirche (Hauskapelle). Auch gab es einen Kirchenchor indem ich mich sehr zuhause fühlte. Ich bin immer gerne in die Kirche gegangen, denn ich war schon seit jeher sehr gläubig. Dieser tiefe Glauben hat mich auch immer wieder gestärkt und mir im richtigen Moment einen Schutzengel gesandt. Nach 3 V2 Jahren hatte ich die Berufslehre als Schneider gut abgeschlossen! Mein damaliger Lehrmeister ist jetzt 91 Jahre als und wir pflegen bis heute einen netten familiären Kontakt. 6 Mein erstes Gesellenjahr Meine erste Arbeitsstelle hatte ich bei Tuch AG heute Firma Schild AG. Als Änderungsschneider hatte ich die Aufgabe, wie der Name schon sagt, Änderungen vorzunehmen und arbeitete im Atelier. Nach der guten Einarbeitung fühlte ich mich relativ schnell sicher und war sehr aktiv. Ich beherrschte meine Arbeit. Schon nach drei Monaten wurde ich in die Ladenlokale versetzt als Kundenberater. Schon damals gab es sehr viele Kunden die sich ausschliesslich von mir beraten liessen um kleine Korrekturen vornehmen zu lassen. Was mich jedoch immer störte und auch heute noch stört, sind ungepflegte Menschen. Ich hatte oft den Eindruck dass eine Dusche oder ein Bad einfach nie oder nur selten benutz wurden. Es gab sogar Männer die nicht einmal eine Unterhose trugen. Dies alles war im Jahre 1955, ich selbst wohnte damals in einem Zimmer ebenfalls ohne Bad. Weil ich jedoch immer das Bedürfnis hatte, sauber und gepflegt zu sein, ging ich zweimal wöchentlich ins Hallenbad an der Sihlporte. Der Eintritt kostete damals 30 Rappen. Immerhin konnte ich dort warm duschen und baden und gleichzeitig auch noch schwimmen. Ich hatte einen Monatslohn von netto Fr. 520.--. Für mein Zimmer musste ich monatlich Fr. 90.-, die Krankenkassenprämie belief sich auf Fr. 7.-monatlich. 1 Frühstück in einem Cafehaus kostete Fr. 1.20 inkl. 1 Gipfeli, 1 Stück Brot, 1 Butter und 1 Confitüre. Zur gleichen Zeit eröffnete die Migros an der Sihlporte das 1. Restaurant und hier bezahlte man für 1 Kaffee 25 Rappen. Ein Mittagessen kostete dementsprechend Fr. 2.20. An den Sonntagen war das Problem jeweils grösser, da die Migros geschlossen war. Schliesslich bezahlte ich Fr. 5.-für V2 Poulet mit Pommes Frites. Meine persönliche Wäsche waschen lassen vor allen Dingen (Unterwäsche) war auch immer teuer 60 Rappen pro Stck. 1 Hemd kostete schon damals Fr. 1.30. Oft kam es vor dass ich für den ganzen Sonntag gerade einmal 1 Kg. Brot und 1 Liter Milch zur Verfügung hatte, denn die Monate zogen sich immer in die Länge. Rekrutenschule Im Jahre 1955 im Monat Februar, es war der Montag vom "Morgenstreich", mussten wir in der Kaserne Basel einrücken. Pünktlich um 10.00 Uhr war Antrittsverlesen. Kleider, Schuhe usw. fassen. Die erste Woche ging es recht gut ohne Urlaub am Wochenende. Exerzieren ist angesagt, stramm stehen und sich laut und deutlich melden. Dritte Woche Verbandlehre, Anatomie usw. In der zweiten Woche hatten wir Ausgang. Ich bekam Fr.!. -Sold und Fr.!. -Lohnausgleich. Zum Glück hatte ich noch etwas Erspartes ca. Fr. 300. Am Abend im Ausgang besuchten wir die Soldatenstube. In dieser Soldaten Stube konnte man sich günstig verpflegen. Kartenspiel war angesagt. Bänkle 17 auf 21. Dieses Spiel kannte ich schon von früher. Es gab Rekruten, aus der Chemiebranche sowie von der Post, die erhielten den vollen Lohn während der ganzen Rekrutenschule. Alle wollten mit mir spielen und mir gefiel das sehr. Das gab immer einen kleinen Zusatzverdienst. Im Eiltempo vergingen die sieben Wochen und wir kamen in die Verlegung. Lazarette wurden aufgestellt und 1. Hilfe durchexerziert. Nach 8 Wochen wurde ich bereits vorgeschlagen zum weitermachen, was ich aber aus finanziellen Gründen ablehnte. Es wurde mir auch empfohlen eine Lehre am Spital zu absolvieren. Der Kadi war mir sehr behilflich und somit konnte ich mich während der Rekrutenschule in Liestal BL vorstellen. Dort musste ich einen Test absolvieren. Der Test fiel so gut aus, dass ich einen Vertrag erhielt um im Anschluss an die Rekrutenschule mit der Ausbildung anzufangen. Schon in der zehnten Woche waren wir eine sehr gute Kompanie mit einem guten Zusammenhalt und verbrachten tolle Abende zusammen. Auch die Zugführer und die Korporale waren mit uns freundschaftlich verbunden und wir gingen oft alle zusammen in den Ausgang. Das Wochenende verbrachte ich meistens in einem Hotel in Basel. Langsam ging es dem Ende der Rekrutenschule entgegen und unsere Tage waren gezählt. Durch mein jeweils cleveres spielen mit den Karten an den Abenden, konnte ich die stattliche Summe von Fr. 650. -nach Hause nehmen. Somit hatte ich während der Rekrutenschule mehr Geld als während ich arbeitete. Ausbildung in Liestal BL und Stans NW Ca. Mitte des Jahres 1956 fing ich mit der Ausbildung als Pfleger in Liestal BL an. In den ersten zwei Monaten arbeitete ich auf der Chirurgie. Einen Monat im Gips Zimmer, die folgenden 4 Wochen auf der Medizin und weitere drei Monate im Operationssaal. In den verschiedenen Abteilungen wurde ich hervorragend ausgebildet und das erste Halbjahr hatte ich bestens überstanden. Am 1. Januar 1957 hatte ich das zweite Jahr im Spital Stans NW angefangen. Alles an Arbeit war aktuell. Gips Abteilung, aber auch Operationssaal sowie Tätigkeit im Altersheim. In den Monaten Januar und Februar gab es immer sehr viele Skiunfälle. Die Verunfallten wurden von uns jeweils an der Talstation versorgt und danach mit der Ambulanz ins Spital eingeliefert, wo sie ärztlich weiter betreut wurden. Kurz zur Abteilung: Auf einer ganzen Etage lagen 35 Patienten, davon sechs chronisch Kranke, die fest ans Bett gebunden waren. Diese sechs Männer wurden ausschliesslich von mir betreut. Zweimal wöchentlich wurden sie gebadet und gepflegt von Kopf bis Fuss. Einen Patientenkran gab es damals noch nicht und ich musste sie jeweils mit eigener Kraft in die Badewanne heben. Ich habe sie gewaschen, gekämmt, ihnen die Haare geschnitten, habe sie rasiert usw. Das Spital wurde von Nonnen geführt. Es musste permanent Wäsche gespart werden. Die Bettwäsche sollte nicht mehr als einmal wöchentlich gewechselt werden. Bald schon habe ich mit etwas einfallen lassen, denn ich hatte einen guten Kontakt mit der Wäscherei. Während die Nonnen beim Gebet waren, benutzte ich die Gelegenheit in der Wäscherei frische Wäsche zu besorgen und die schmutzige zu entsorgen. Bald schon ging im Dorf das Gerücht um: Im Spital gibt es einen neuen Krankenpfleger, alle Patienten sind sauber, ausgesprochen gepflegt und die Betten immer frisch. Zum Glück gingen ab dem Monat Mai die Sportunfälle massiv zurück, für welche wir eingesetzt wurden! Hinter dem Spital war ein grosser Gemüsegarten. Auch Hühner und Schweine lebten dort. Die Arbeit im Garten und die Pflege der Tiere waren stets abwechslungsreich. Im Spätherbst wurden jeweils 6 Schweine geschlachtet und es gab Schlachtplatte zum Essen. Das ganze Spital wurde damit versorgt und es hatte genug für alle. Ich habe diese Arbeit immer sehr gerne gemacht. Krankentransporte waren täglich zu verzeichnen. Es gab schon damals sehr viele Mopedund Töffunfälle. Helm tragen war zu dieser Zeit noch nicht obligatorisch. Ich erinnere mich genau, es war im Februar und wir mussten einen Patienten in Emmetten oberhalb von Beckenried abholen. Es stand uns ein Krankenwagen Marke Mercedes aus dem Jahre 1948 zur Verfügung. Oberhalb von Beckenried ca. 1 Km. vor dem Haus des Patienten mussten wir den Wagen parkieren. Es lag ungefähr 50 cm Neuschnee auf der Strasse. Also machten wir uns mit einer Liegebahre zu Fuss in Richtung des Hauses. Wir waren selbst todmüde als wir ankamen. Meine Überlegung während dem Aufstieg war: Wir können diesen Mann nur auf einem Holzschlitten nach Emmetten bringen! Zum Glück hatte ich sofort einen Schlitten gefunden. Der Patient war schon sichtlich geschwächt und hustete stark. Mein Verdacht war augenblicklich: Tuberkulose. Jetzt schnallten wir den Patienten auf die Tragbahre und dann auf den Holzschlitten. Nachdem wir losfuhren bekam der Schlitten in kurzer Zeit ein so hohes Tempo, dass wir Angst bekamen. Zum guten Glück wurde er von einem Schneehaufen gebremst und kam somit zum stehen. Nochmals alles gut gegangen! Der Patient war wohlauf und wir konnten ihn ins Spital fahren. Sogleich wurde eine Röntgenaufnahme gemacht und mein Verdacht der Tuberkulose wurde bestätigt. An demselben Tag fuhr ich noch zusammen mit dem Mann nach Davos. Stans blieb für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Die Menschen hier waren sehr offen und direkt. Meine Arbeitszeit, Abrufdienst und andere besonderen Einsätze beliefen sich wöchentlich auf 70 - 80 Stunden. Jeweils zu Weihnachten gab es einen Batzen Fr. 50. und einen Händedruck mit welchem man sich bedankte. Auch in der Kirche war ich stets gefragt und beliebt. Der Kapuziner Pater freute sich über einen männlichen Ministrant und mit ihm zusammen durfte ich Chorgesänge ausüben. Rückblickend stellte ich fest, dass ich in diesem Spital sehr viel gelernt hatte. Am Anfang dieses Kapitels erwähnte ich dass auf der Etage 35 Patienten lagen und betreut wurden von 3 Diplomschwestern, 1 Lernpfleger und 2 Schwesternhilfen, sowie 2 Office-Mädchen. Das Essen kam immer direkt aus der Küche. Im Office standen Platos und Teller bereit. Dort wurde das Essen angerichtet und verteilt. Das Essen für die Patienten und für uns Angestellte war stets gut bürgerlich und genug. Nach dem Essen wurde das Geschirr jeweils auf der Abteilung gewaschen und getrocknet. f)lachdem ein Patient ausgetreten ist wurde das Bett gereinigt und frisch angezogen. Zum Teil waren die Fussböden mit Parkett ausgelegt, welche durch uns geputzt (spänen) werden mussten! Auch die Fenster wurden auf Hochglanz poliert und diese Arbeit war selbstverständlich ebenfalls durch uns zu erledigen. Die Zeit in Stans war geprägt von vielen positiven aber auch anderen Erlebnissen. Auf jeden Fall bleibt sie mir in schöner Erinnerung. Psychiatrie in einer Klinik Am 1. Januar 1958 wechselte ich das Spital und arbeitete für ein halbes Jahr auf der Psychiatrie. Ich empfand die Atmosphäre als sehr kalt und ich möchte den Namen der Klinik hier nicht bekannt geben. Es war Winter und sehr kalt, die Patienten befanden sich alle in einem Raum. Die Abteilung bot Platz für 40 - 50 Personen. Die stickige Luft und die Ausdünstung der Patienten auf Grund der Medikamente, waren für mich neu und ungewohnt. Als ich jedoch sah, in welchem Ausmass die Verabreichung von Medikamenten an die Patienten stattfand, wurde für mich einiges klar. Die Menschen hier waren während dem ganzen Tag sediert, kaum noch ansprechbar. Dies äusserte sich bei jedem Patienten entweder mit aggressivem und/oder apathischem Verhalten, oder eben absoluter Senilität. Eines jedoch suchten alle Patienten: Vertrauen und Liebe. Diesen Menschen etwas Geborgenheit und Liebe zu vermitteln, war wie Medizin für sie. Ganz instinktiv spürten sie die Nähe und sie fingen an Vertrauen zu schöpfen. Die ganze Versorgung war sehr spartanisch und bescheiden. Nur das allernötigste wurde verrichtet und ich habe festgestellt, dass dies zu grossen Defiziten seitens der Patienten führte. 1958 waren das Deckelbad und der Elektroschock aktuell. Bei Schizophrenie wurde Elektroschock angewendet. Bei sehr unruhigen Patienten sogar das Deckelbad. Etwas Menschenunwürdigeres gibt es wohl kaum und ich konnte diese Anwendungen nicht mit ansehen. Ich hatte zwei Patienten der eine links und der andere rechts. Ich füllte eine Wanne mit Wasser 22 Grad. Der eine Patient wurde aggressiv in der Wanne als diese mit einem Holzdeckel verschlossen wurde, und nur noch der Kopf rausschaute. Hat sich der Patient gewehrt, wurde die Kante um den Hals so rauh, dass er während dem toben wund wurde. Ich hatte diesem Patienten in der Folge eine Gaze um den Hals gebunden um die Schmerzen etwas zu tilgen. Im Weiteren tröstete ich die armen Menschen indem ich ihnen die Hand auf den Kopf legte. Wie durch ein Wunder wurden sie ruhig. Es war für mich einfach unfassbar, diese schrecklichen Elektroschocks und die Wannenbäder mit ansehen zu müssen. Die Patienten mussten jeweils für ca. 20 Minuten im kalten Wasser ausharren. Einmal war ein Patient so unterkühlt und schlotterte am ganzen Leib. Ganz spontan habe ich ihn in meine Arme geschlossen und dies hat ihm sehr wohl getan. Das Essen war nicht besonders gut. Es gab Wärter, welche sich von dem Essen verpflegten, damit sie nicht in der Kantine essen mussten und dafür noch viel bezahlen. Oft war Besuch da für die Patienten und hin und wieder bekamen diese auch Schokolade und anderes geschenkt. Um 1.00 Uhr wurden die Süssigkeiten aus den verschlossenen Schränken verabreicht. Es gab auch Pfleger welche sich diesen Süssigkeiten bedienten. Ach wie schön, langsam wird es Frühling und es wird wärmer. Die Patienten dürfen nun in den Hof, welcher von einer zwei Meter hohen Mauer umrahmt ist. Oft spiele ich mit den Patienten und wir hatten es immer lustig zusammen. Wir wurden immer beobachtet von der gegenüberliegenden Seite und da staunte man nicht schlecht, als man bemerkte, wie friedlich meine Patienten waren. Bald bemerkte ich, dass viele Klienten eigentlich gar nicht in der Klinik hätten sein müssen . Patienten denen weitere Deckel Bäder verordnet waren, ignorierte ich einfach. Des Öfteren hatte ich Gespräche geführt mit den Insassen und hatte dabei recht gute Erfolge. Jetzt hatte ich eine Woche Ferien und besuchte zwei weitere Kliniken. Überall bot sich jedoch dasselbe traurige Bild. Trostlos hingen die Patienten, voll gestopft mit Medikamenten, rum! Es war gerade Essenzeit. Ich sah, dass ein Pfleger 3 Patienten nebenan die Hände auf den Rücken gebunden hatte. Jeder hatte einen Latz um den Hals, aus einer Blechschüssel mit einem Esslöffel verabreichte der Pfleger, (damals hiess es Wärter), im Dreivierteltakt das Essen. Es kam mir vor, als würde der Pfleger Gänse füttern. Ich sah wie die Patienten das Gesicht verzogen, auf meine Frage, ist das Essen nicht zu heiss, die Antwort ganz gelassen, das ist schon gut so. Ich war geschockt über die schroffe Art eines Pflegers zu den wehrlosen Patienten. In den Gängen herrschte lautes Geschrei das aus den geschlossenen Zimmern drang. Offensichtlich waren die Patienten sehr unruhig. Der penetrante Geruch war genau der gleiche wie an dem Ort wo ich arbeitete. Die Körperpflege war auch an diesen beiden Kliniken Mangelware. Dies waren also meine Eindrücke von den anderen beiden Häusern. Heute nach 40 Jahren ist es besser geworden und es fallen nicht mehr so viele Patienten auf einen einzigen Pfleger. Ebenfalls die allgemeine Pflege der Patienten hat sich stark verbessert. Noch heute mache ich hin und wieder Krankenbesuche in psychiatrischen Kliniken und stelle dabei immer wieder fest, dass sich die Zustände wesentlich verbessert haben. Ich danke meinem Gott, unserem Schöpfer, der mir immer wieder die Kraft gibt, sich für das Recht unserer Mitmenschen zu wehren. Für mich war die Zeit sehr lehrreich. Aber ich hatte dadurch die Möglichkeit während einer gewissen Zeit den Patienten Liebe, Zuwendung und Geborgenheit zu vermitteln. Der Weg in die ORDENS - Gemeinschaft Im Juli 1958 entschloss ich mich für die Mission. Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Es war eine Gemeinschaft von Geistlichen und Brüdern. Ich war als Postulat tätig und machte in der Gemeinschaft mit. Der Tag begann um 06.00 Uhr morgens mit einer Betrachtung in der Gemeinschaft in dem jeder sich für den Tag vorbereitete. Man lebte mit Gott, versucht sich auf den Tag vorzubereiten und überlegt sich. Was mache ich heute und wie mache ich es um mit den Ordensregeln vertraut zu werden .. Im Anschluss daran, heilige Messe und danach Frühstück. Nach dem Frühstück schweigen, in sich gehen, nicht sprechen und tiefversunken im Gebet sein. Um 08.00 Uhr beginnt die Schule. Einweihung in die Ordensregeln. Um 10.00 Uhr arbeiten im Hause, im Garten und im Büro. Ich habe mich sehr schnell integriert und sehr schnell in der Ordens Regel eingelebt. Im Dezember 1958 begann ich das Noviziat das zwei Jahre dauerte. Der Novizenmeister erteilte uns die Lehre des Ordens. Morgens jeweils von 08.00 - 12.00 Uhr hatten wir Unterricht. Der Orden wurde immer kleiner. Mit meinen 22 Jahren war ich der jüngste. In der Gemeinschaft waren 30 Mitbrüder. 6 von diesen 30 waren altershalber krank und mussten gepflegt werden. Es dauerte nicht lange und ich wurde als Krankenpfleger bestimmt. Die Patienten waren sehr dankbar über meine grosse Hilfe bei der Linderung ihrer Schmerzen. Auch in der Nachbarschaft wurde ich um Hilfe gerufen. Ich spürte sehr bald, wie ich von der Gemeinschaft in der Nachbarschaft akzeptiert wurde und wie mich alle mochten. Nun ist schon 1 Jahr vorbei. Exerzitien sind angesagt. 6 Tage schweigen, beten und Aussprachen mit dem Exerzitien Meister. Spirituelle Vorträge waren täglich auf dem Programm. Wir waren zu dritt und hatten vieles mitbekommen, während die Woche sehr schnell vorbei ging. Der Alltag ist wider eingekehrt und ich machte mich immer mehr vertraut mit den Kranken. So vergingen die Monate und das 2. Jahr war ebenfalls zu Ende. Nun musste ich mich entscheiden ob ich das Gelübde der Ordensregel ablegen soll. Meine Gedanken schwebten in der Luft und ich war mir nicht im Klaren: Soll ich den Schritt wagen und weiter machen!? Ich verweilte 1 Stunde ganz allein in der Kirche und sprach mit Gott. Ich fragte ihn was es mir bringen würde, wenn ich in der Gemeinschaft bleibe. Jetzt stand mein Entschluss fest. Ich konnte in der freien Welt meine Hilfsbereitschaft der Öffentlichkeit genau so gut anbieten. Dazu kam das "Zölibat" Die Keuschheit. Ich wollte aber so gerne eine Familie gründen . Armut und Gehorsam hätte ich akzeptiert So hatte ich mich entschlossen nach dem Noviziat den Austritt bekannt zu geben und habe dies auch getan. In der Gemeinschaft jedoch hat es mir ausgesprochen gut gefallen und ich trennte mich in allem Frieden. Heute bete ich noch täglich um fruchtbaren Nachwuchs für alle Klöster. Dass es immer wieder Frauen und Männer gibt, die die Kraft zu diesem Entschluss haben und somit den Nachwuchs stärken . Universitätsspital Zürich Im Januar 1961 begab ich mich ins Universitätsspital in Zürich. In diesem Spital bekam ich im Wohnbereich 1 Zimmer zur Verfügung gestellt. Im Rotkreuzspital hatte ich das letzte halbe Jahr die Schule als Krankenpfleger vollendet. Am 1. Juni 1961 bekam ich die Anstellung als Pfleger auf der Unfallstation. Ich wurde eingearbeitet im Operationssaal sowie in der Aufnahme der Notfallstation. Jeden Tag wurden ca. 100 - 120 Patienten eingeliefert, welche durch Unfälle auf der Strasse oder bei der Arbeit verletzt wurden. Oft ging es sehr hektisch zu und her, vor allen Dingen am frühen Abend zwischen 16.00 - 20.00 Uhr. Im Jahre 1963 war der Zürichsee komplett zugefroren. Eislaufen war aktuell. Es wurden jeweils an einem Sonntag ca. 180 Unfälle, vorwiegend Brüche der Handgelenke eingeliefert. In lokaler Anästhesie wurden diese Gelenke reponiert und je nach dem eingegipst. Bis spät in die Nacht wurden immer wieder Töff- und Moped Fahrer eingeliefert. Oft waren diese Fahrer sehr betrunken und hatten Schädelbrüche oder andere Verletzungen. Es war damals nicht obligatorisch einen Helm zu tragen .. Im zweiten Jahr 1963 war ich für die Aufnahme der Notfallstation zuständig. Um ca. 23.00 kamen ein paar Clochard zu uns in die Notfallstation . Diese Typen waren stark unterkühlt, durchnässt und hatten Hunger. Es gab eine Nachtküche in der sich der Nachtdienst verpflegen konnte. Kurz vor der Schliessung der Nachtküche habe ich die Resten an die Typen verteilt. Sie waren sehr dankbar und gingen zufrieden nach Hause. Ihr Zuhause war irgendwo unter einer Brücke. Ich habe immer sehr gerne meinen armen Mitmenschen geholfen, auch wenn immer möglich frische, saubere und trockene Wäsche besorgt. Trotz all meinen guten Taten hatte ich ein unruhiges Gewissen und ging zum Direktor des Spitals um ihm die ganze Situation zu erklären. Darauf erklärte Herr Schenker, Direktor Herr Blum ist alles in Ordnung. Sie machen das sehr gut und schön dass es jemanden gibt der sich die Zeit nimmt um armen Leuten zu helfen. Das hat mich sehr gefreut und ich möchte dem Kantonsspital Zürich an dieser Stelle herzlich danken, dass diesen armen Leuten immer wieder hilft und keine Rechnungen stellt. 1965 wurde ich auf die Herz- und Gefässchirurgie befördert. Das war für mich absolutes Neuland. Ich hatte mich jedoch in kurzer Zeit sehr gut eingearbeitet. 1966 wurde ein neuer Chefarzt eingestellt. Prof. Dr. Senning. Ein grosser stattlicher Mann, ein Schwede. Er war Herz- und Gefässchirurg. Ich hatte ihn kurz im Gang gesehen und gehört, dass er gebrochen deutsch sprach. Es war an einem Mittwoch und auf dem Programm stand Diagnose Herz Aneurysma. Die Pfleger für die Operationssäle wurden jeweils am morgen gleich nach dem Rapport bestimmt. Es hiess: Jakob, du gehst heute in den OP von Prof. Senning. Jetzt wusste ich Bescheid und habe sofort den OP bereit gestellt. Die Operationsschwester, aber auch ich, hatten Herzklopfen. Ich machte ihr jedoch Mut, den ich im Grunde selber brauchte. Jetzt wurde der Patient vorbereitet, die Narkose eingeleitet und ich fuhr den Patienten in den OP. Jetzt ging die Tür auf und der neue Chefarzt kam in seiner vollen Grösse in den Saal. Er kam mir vor wie ein Gott mit seiner Ausstrahlung und GrÖsse. Alles ist gut gegangen. Patient gut gelagert, das Licht, alles hatte wunderbar geklappt. Die Operationsschwester lächelte mir unter der Gesichtsmaske zu und deutete an: Alles ist gut gelaufen. Am Nachmittag um 14.00 Uhr hatte sich der neue Chef dem ganzen Team vorgestellt. Ganz bescheiden hat er sein Programm vorgestellt. Er wünschte sich jedoch immer denselben Pfleger. Heute habe er die Ehre gehabt mit mir die 1. Operation durchzuführen und fragte mich entschlossen: Ob ich bereit wäre in Zukunft bei grossen OP die Patienten zu lagern, den technischen Bereich zu führen, sowie die Überwachung zu zuständig zu sein. Mit einem deutlichen JA habe ich ihm diesen Wunsch bestätigt. Es war für mich eine grosse Ehre. Alles neue was er einführte wurde gründlich besprochen im Vorfeld. Eismaschine, Operationstische, alles was gebraucht wird wurde schriftlich festgehalten. Es kam sehr viel Neues auf uns zu, denn alles war Neuland. Oft hatte ich mir im stillen Sorgen gemacht, ob auch wirklich alles gut gehen wird. Alte Füchse-Pfleger konnten uns immer wertvolle Tips geben, für welche wir jüngeren natürlich sehr dankbar waren. Es war eine Freude wie die älteren Pflegern den jüngeren Mut machten und uns unterstützten. In derselben Woche am Freitag war ein grosse Operation angesagt. Ein Herzschrittmacher wurde eingepflanzt. Im Operationssaal standen mehrere Maschinen bereit, unter anderem eine Maschine mit welcher der Patient unterkühlt wurde. Die Herz-Lungenmaschine mit welcher der Patient 3 Stunden im Voraus (um 06.00 Uhr) vorbereitet wurde, war ebenfalls einsatzbereit. Der Patient wurde unter Narkose auf 28 Grad plus unterkühlt, damit die Blutgerinnung stabilisiert werden konnte. Um 09.00 Uhr wurde der Patient operiert. Die OP dauerte damals 3 - 4 Stunden. Anschliessend wurde der Patient immer noch unter Narkose auf 36 Grad plus aufgewärmt. Erst danach wurde die Narkose beendet. Nach diesen ganzen Vorbereitungen, der eigentlichen Operation sowie dem aufwärmen vergingen total 9 Stunden. Heute gibt es Medikament um die Blutgerinnung zu stabilisieren und um sie zu senken. Ein solcher Eingriff dauert heute ca. 2 - 3 Stunden. In der Medizin wurden grosse Fortschritte gemacht, welche das Risiko minimieren und den Erfolg fast gänzlich garantieren. Ein Restrisiko bleibt natürlich bestehen. Zwei Operationssäle wurden für die Herz- und Gefässchirurgie eingerichtet und modernisiert. Somit konnte im Chefarztsaal pausenlos operiert werden manchmal waren es bis zu 6 - 8 Operationen täglich. Die Patienten reisen aus der ganzen Schweiz und aus dem Ausland nach Zürich um sich einem solchen Eingriff zu unterziehen. Eines Tages operierte Prof Senning einen 8-jährigen Jungen aus Wien. Leider verstarb der Knabe auf dem Operationstisch. Prof. Senning kniete neben dem Operationstisch auf den Boden und betete. Das hat mich tief beeindruckt, auch wenn ich ihn schon vor der Operation im Umkleideraum beobachtete wie er betete. Ich habe viele Chirurgen kennengelernt, welche sehr fromm und gläubig sind. Auch sie erbitten jeweils die Unterstützung vom lieben Gott. Mitte 1969 wurde ich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Prof Schwarz, ebenfalls im Team von Prof. Senning, wurde ins Limmat Spital in Schlieren ZH als Chefarzt gewählt und hat mich als Operationspfleger gebeten mit ihm zu kommen. Diese Herausforderung habe ich angenommen! Im Juni 1969 habe ich mich in der Folge vom Universitätsspital verabschiedet, was mir sehr schwer gefallen ist. Ich habe die Uniklinik in allerbester Erinnerung und denke oft an die schönen Zeiten zurück. Immer wieder zog es mich zurück nach Zürich um meine damaligen Arbeitskollegen zu besuchen. Die Forschung war gross an der Uni Zürich. Ich möchte eine kurze wahre Geschichte erzählen: Ich musste in die Forschungsabteilung, welche in einem anderen Gebäude untergebracht war. Hier gab es eine grosse Druckkammer. Darin befanden sich 3 grosse junge Männer die mit der Kammer vertraut waren. Insgesamt waren ca. 10 Forscher daran beschäftigt. 3 Männer bereiteten sich in Taucheranzügen und Sauerstoffmasken usw. vor. Jetzt wurde der Druck auf einer Meerestiefe von 300 m gemessen. Da passierte ein grosser Fehler. Der Druck wurde zu schnell entlastet und die drei Männer starben. Ihnen wurde die Lunge zerrissen. Das war für mich das schlimmste Erlebnis. Noch heute verfolgt mich dieses Bild mit diesen 3 strammen Männern und das ganze liegt nun 45 Jahre zurück. Ich konnte an jenem Tag nicht mehr weiter arbeiten, zu sehr hatte mich alles mitgenommen und aufgewühlt. Ausbildung als Masseur Im Juni machte ich meine Ausbildung als Masseur in Zürich. Ich war einer der ersten der Fussreflexzonen Massage, Lymphdrainage und spez. Rückenmassagen anbot. Der Kurs dauerte 6 Monate und mein Praktikum absolvierte ich am Universitätsspital. Daneben machte ich Nachtwache im erwähnten Spital. Während meinem Praktikum hatte ich schnell gute Erfolge zu verzeichnen, was die Ärzte und auch die Schwestern überraschte. Patienten welche ans Bett gebunden waren, konnten sich nach wenigen Behandlungen durch mich wieder gut bewegen. Sogar Gehversuche wurden ausgeübt und ich hatte immer eine gute Beziehung zu den Patienten. Offensichtlich spürten sie die Liebe die ich ausstrahlte. Die Zeit verging wie im Fluge und ich hatte eine gute Prüfung abgelegt. Zu mir selbst sagte ich oft: Warum mach ich eigentlich nicht eine eigene Praxis auf als Masseur? Dieser Plan ging mir nicht mehr aus dem Kopf und ich wollte mich unbedingt weiterbilden in dieser medizinischen Fachrichtung. Am 1. November 1970 habe ich meine neue Stelle am Limmatspital angefangen. Es war für mich eine Überraschung und gleichzeitig eine Enttäuschung! Nonnen vom Theodosianum, Ingenbohl Schwestern hatten die Schule geleitet. Das ganze Spital wurde praktisch nur von jungen Schwestern geführt. Es gab nur sehr wenige Männer. Generell kam mir das Spital sehr eng vor. Die Operationssäle waren alle klein. Wir waren 4 Pfleger auf der Operationsabteilung und 6 Operationssäle mussten bedient werden. 1 Pfleger hatte jeweils seinen freien Tag oder war in den Ferien. 1 Pfleger hatte Nachtwache und der dritte Pfleger musste jeweils mit der Ambulanz ausrücken und hatte Bereitschaftsdienst für Notfälle und Gipse. Der vierte Pfleger, der war ich, musste alle 6 Operationssäle bedienen. Ich musste immer überall präsent sein. Immer hiess es Jakob komm! Ich hatte mir alles anders vorgestellt, sogar dass ich es vielleicht ein wenig einfacher hätte. Während dieser Zeit habe ich jedoch Weiterbildungskurse für meine Zukunft als Masseur besucht und war nach wie vor fest entschlossen eine eigene Praxis zu eröffnen. So vergingen 4 Jahre und im Oktober 1974 war es dann soweit. Ich hatte eine 4 Zimmer Wohnung an der Schönenwerstrasse in Schlieren gemietet. Die Räumlichkeiten hatte ich sehr schön eingerichtet und am 4. Oktober war die Eröffnung. Ich hatte eine Annonce in die Regionalzeitung Limmatal gesetzt. Von meiner Zeit am Spital hatte ich schon diverse Kunden. Schon nach kurzer Zeit waren es 5 - 8 Kunden, was für den Anfang sehr gut war. Damals kostete eine Behandlung Fr. 35.-und dauerte 30 Minuten. Nach zwei Monaten rief mich die Oberschwester von der Operationsabteilung Limmatspital an. Sie fragte mich, ob ich nicht aushelfen könnte? Sie hätte keinen Pfleger und überhaupt frage sie sich, wie ich das alles geschafft hätte, 6 Operationssäle problemlos zu bedienen. Ich antworte ihr, dass sie dieses Problem schon selbst lösen müsse, evtl. halt mehr Pfleger einstellen. Später habe ich dann erfahren dass schon kurz danach 4 Pfleger mehr eingestellt wurden.