Wo Farbe stört: Graffiti fordern die Gemeinden
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Wo Farbe stört: Graffiti fordern die Gemeinden
ÖFFENTLICHE ANLAGEN Wo Farbe stört: Graffiti fordern die Gemeinden Graffiti verunstalten das Stadtbild und können zur Verwahrlosung des Quartiers führen. Um eine Ausbreitung von Sprayereien zu verhindern, entfernen die meisten Gemeinden die Tags und Zeichnungen jeweils möglichst schnell. Obwohl die Zahl der Farbanschläge eher abgenommen hat, bleibt die Graffitibekämpfung zunehmend auch in ländlichen Ortschaften eine Daueraufgabe. In Stadtzentren sind Sprayereien an der Tagesordnung. Doch: «Graffiti werden immer mehr auch in ländlichen Gemeinden zum Thema. Wie in Städten kommt es darauf an, schnell zu reagieren», sagt Hans Schneller. Denn wenn man die Farbe zu spät entferne, kämen Nachahmer auf den Plan – und die Graffiti würden zur Plage, so der Leiter der Reinigungsfirma Protecting and Cleaning Technologies PCT swiss in Therwil. Deshalb rät Schneller, wachsam zu sein und Schmierereien umgehend zu entfernen, damit sich die Reinigungskosten nicht unnötig summieren. Unterführungen als Graffitimekka Schon länger mit dem Phänomen kämpft etwa die Gemeinde Wallisellen, die sich bereits vor fünf Jahren eine spezielle Massnahme im Kampf gegen die Sprayereien einfallen liess. Damals gab es eine grosse Serie von Sachbeschädigungen in der Höhe von mehreren 10 000 Fr. Deswegen entschieden die Sicherheitsabteilung und der Gemeinderat, die Bevölkerung zur Mithilfe aufzurufen, und setzten eine Belohnung von 500 Fr. für Hinweise auf den Täter aus – mit Erfolg. Dieses Vorgehen nutzte Wallisellen nochmals im Dezember 2011, als es wiederum zu mehreren farbigen Verunstaltungen an öffentlichen Gebäuden kam. Die Beseitigung der 60 Graffiti kostete happige 150 000 Fr. Der Haupttäter konnte schnell ermittelt werden – er wurde aus den eigenen Reihen verraten. Diesen letzten Trumpf bei der Täterüberführung setzt Wallisellen allerdings nur ein, wenn sich der Sachschaden auf mindestens 10 000 Fr. beläuft. Im öffentlichen Raum sind Unterführungen besonders gefährdet, denn hier ist es besonders schwer, Täter zu überführen. «An diesen Orten wird laufend mit Sprayereien und Schriftzügen herumexperimentiert. Da aber auch hier Nulltoleranz gilt, entfernen wir die Farbe ebenso schnell, wie sie aufgetaucht ist», sagt Christian Clavadetscher, Leiter der 30 Druckertinte und Bleistift sind hartnäckig «Vor jeder Entfernung analysieren wir Graffiti sowie Untergrund und erstellen die Offerte», sagt Hans Schneller. Laut dem Geschäftsführer der PCT swiss ist es wichtig, die Entfernungstechnik an die Art der Farbe und den Untergrund anzupassen, sodass das Graffiti vollständig und schattenfrei, aber schonend entfernt werden kann. Eine Herausforderung sei zudem, dass die Sprayer immer hartnäckigere Farben zusammenmischen würden. Nach der Analyse wird auf die betroffene Fläche ein chemischer Entferner mit Quellmittel aufgetragen, welcher die Farbpigmente ablöst. Als Unterstützung für die Entfernung gibt es verschiedene mechanische und physikalische Methoden: • Dampf und Wasserstrahlmaschine – Funktionsweise: 90 bis 100 Grad heisser Dampf oder Wasserstrahl entfernt die aufgequollenen Pigmente. Anschaffungspreis: 8000 bis 12 000 Fr. • Plasmastrahlung – Funktion: Eine 900 bis 20 000 Grad heisse Stahlung bringt die Farbe zum Verdampfen. Anschaffungspreis: 15 000 bis 20 000 Fr. • Trockeneisstrahler – Funktionsweise: Druckluft schiesst Trockeneispartikel von minus 79 Grad auf Oberfläche. Anschaffungspreis: 10 000 Fr. Nach der Reinigung wird ein Anstrich aufgetragen, der die Oberfläche bis 15 Jahre lang schützt. Laut Schneller passen die Firmen ihre Reinigungsmöglichkeiten ständig an neue Sprayermethoden an. «Schwierig, und oft sehr teuer wird es erst, wenn eine unsachgemässe Reinigung stattgefunden hat, die eine erneute Entfernung nötig macht», so Schneller. Besonders schwer zu entfernen seien Druckertinten- und Textilfarben sowie Eddingstifte. So weit die Reinigungstechnik auch fortgeschritten ist: Ein einfacher Bleistiftstrich ist kaum zu entfernen. Gemeindepolizei Wallisellen. Neben den beliebten Unterführungen nehmen sich Graffitianhänger häufig auch Hausfassaden vor. «Sobald ein Ort besonders betroffen ist, wird die Umgebung regelmässig von der Polizei kontrolliert, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können», kommentiert Clavadetscher. Keine Motivation zum Sprayen – Zielscheibe Gemeindehaus Das Entfernen von Graffiti an öffentlichen Gebäuden übernimmt in Wallisellen vorwiegend die Strassenreinigung. «Die Sujets sind meist sehr düster. Wir wollen nicht, dass sich dadurch dubiose Gestalten bei uns wohlfühlen», begründet Clavadetscher den engagierten Kampf gegen die Sprayer. Polizeiintern wurde auch diskutiert, ob man den Jugendlichen Plätze als Alternative zum Austoben mit den Spraydosen anbieten soll. Jedoch wurde die Idee schnell wie- der verworfen, da man befürchtete, dass die Interessenten dann die Grenze zwischen legal und illegal nicht ernst nähmen. «Ausserdem wollen wir bisher noch Inaktive nicht zum Sprayen motivieren oder zwielichtige Personen mit unserem Angebot anlocken.» Anders als in der Zürcher Vorortsgemeinde sind im bernischen Niederbipp Graffiti eine Seltenheit, wie René Suter, Leiter der Bauverwaltung, erklärt. Der Schaden halte sich in Grenzen, und die Graffiti würden lediglich überstrichen. An öffentlichen Gebäuden kam es laut Suter erst einmal zu einem Farbanschlag. Dieser Vorfall, der sich im September 2012 ereignete, sorgte jedoch für beträchtliches Aufsehen: Das Gemeindehaus wurde mit polizeifeindlichen Äusserungen versprayt, besonders die Betonfassade im Erdgeschoss und die Fensterrahmen. Das Gebäude werde erst im kommenden Mai ganz von den Hassparolen befreit sein, da die Schweizer Gemeinde 3/13 ÖFFENTLICHE ANLAGEN Hausfassaden können mit Spezialanstrichen vor Graffiti geschützt werden. Hier wird ein akzeptiertes Graffito vor ungewollten Schmierereien geschützt. Bilder: zvg Die Entfernung von Druckertinte ist sehr aufwendig und sollte möglichst rasch erfolgen. Ohne vorbereiteten Untergrund müssen Graffiti aufwendig gelöst werden. Reinigungsarbeiten, die rund 150 000 Fr. kosten, wegen den niedrigen Temperaturen vorher nicht abgeschlossen werden können. Um das Gebäude vor weiteren, künftigen Farbangriffen zu schützen, würden auf Holz und Beton neu Schutzschichten aufgetragen. Die Sicherheit der öffentlichen Gebäude sei in der Gemeinde am Jurasüdfuss grundsätzlich jedoch stets gewährleistet, ergänzt Suter: «Die Polizei patrouilliert immer wieder dort, wo sich die Jugendlichen gerne aufhalten.» Respektvollen Graffiti Raum lassen Auch die Gemeinde Lausen ist selten betroffen, die Graffitirate ging in den letzten Jahren zurück. Im Winter sei die Situation allgemein eher ruhig, erklärt Andreas Neuenschwander, Leiter der Bauverwaltung. Betroffen waren bis jetzt vor allem Schulhäuser, Unterführungen und Stützmauern. Da Lausen über keine Gemeindepolizei verfügt, sondern die Dienste beim Kanton BaselLandschaft einkauft, wird in Sachen Schweizer Gemeinde 3/13 Graffitiprävention wenig unternommen. «Bis jetzt bestand auch kein Bedarf dafür, weil das Problem ziemlich klein ist.» Neuenschwander geht zudem davon aus, dass es sich nur um einzelne Sprayer und nicht um eine Gang handelt. Neben den hohen Reinigungskosten sind die Botschaften der Graffiti Neuenschwander oft ein Dorn im Auge. «Es handelt sich meist um respektlose oder rassistische Bemerkungen, die wir natürlich sofort entfernen lassen», betont er. Denn werde nichts unternommen, seien Nachahmer zu befürchten. Ausserdem würden solche Sprayereien dem Stadtbild schaden. Viel wichtiger als die Entfernung sei aber die Prävention: «Die Poren des Betons schützen wir beispielsweise mit einem speziellen Anstrich», fügt Neuenschwander an. Rechtlich gesehen verhält sich Lausen wie andere Gemeinden: Bei jedem neuen Graffito wird eine Anzeige gegen unbekannt erstattet. Wird der Täter gefasst, muss er den Sachschaden übernehmen und wird zu Sozialdienst verdonnert. Grundsätzlich könnte sich Neuenschwander aber vorstellen, schönen Graffiti Raum zu lassen. «Wenn sie respektvoll und gut gestaltet wären, wie es das Beispiel des Schwimmbads Bachgraben in Allschwil zeigt, hätte ich nichts dagegen, sie unbehelligt zu lassen.» Nachahmung verhindern Auch die Gemeinde Brugg ist bisher noch kein Opfer von Massensprayereien geworden. «Manchmal häufen sich die Graffiti, dann ist es über Monate wieder ruhig», erklärt Heiner Hossli, Chef der Regionalpolizei Brugg. Es handle sich immer um vereinzelte Sprayereien. Und auch in der Aargauer Gemeinde seien es vorwiegend die Unterführungen, bei denen sich die Graffitibegeisterten ausleben würden. Die Militärbaracken der Kaserne wurden ebenfalls schon Opfer von Spraydosen. Für die Entfernung von Graffiti an öffentlichen Gebäuden ist der Werkdienst Brugg zuständig. Um die Entstehung störender Zeichnungen zu unterbinden, gehören in Brugg Polizeipatrouillen zur Tagesordnung. Denn auch hier gilt die Devise, die Sprayereien im Notfall möglichst schnell wieder zu entfernen, damit nicht die «Broken-Window-Theorie» Wirklichkeit wird: Demnach kann schon ein einzelnes zerbrochenes Fenster dazu führen, dass schliesslich schrittweise das ganze Quartier verwahrlost. Mirjam Rodehacke 31