SONDERDRUCK AUS TIERÄRZTLICHE UMSCHAU

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SONDERDRUCK AUS TIERÄRZTLICHE UMSCHAU
TU
SONDERDRUCK
AUS
TIERÄRZTLICHE UMSCHAU
Zeitschrift für alle Gebiete der Veterinärmedizin
(1)
Institut für Virologie, Freie Universität Berlin, (2)Robert Koch-Institut,
Projekt Bornavirus-Infektionen,Berlin,
(3)
Tierärztliche Klinik Altforweiler, Überherrn-Altforweiler
Bornavirus (BDV) beim Pferd –
Klinik, Diagnostik und Therapie bei einem
lokalen Infektionsgeschehen im Saarland
und tierseuchenrechtliche Betrachtungen
von R. Dieckhöfer(1) (2), Liv Bode(2), H. Ludwig*(1), Majka Kiefer (3),
Patrizia Reckwald (2) und A. Rupp(3)
(11 Abbildungen, 56 Literaturangaben)
Kurztitel: BDV-Infektion bei Pferden im Saarland
Stichworte: BDV – Pferd – neue Blutdiagnostik – hohe Durchseuchung –
vielfältige Klinik – erfolgreiche Behandlung
59. Jahrgang / Nr. 11
vom 1. November 2004
Seite 619 – 632
Terra-Verlag GmbH
Postfach 10 21 44
D-78421 Konstanz
Tel. 0 75 31/81 22-0
Fax 0 75 31/81 22 99
SONDERDRUCK
(1)
Institut für Virologie, Freie Universität Berlin, (2)Robert Koch-Institut,
Projekt Bornavirus-Infektionen,Berlin,
(3)
Tierärztliche Klinik Altforweiler, Überherrn-Altforweiler
Bornavirus (BDV) beim Pferd –
Klinik, Diagnostik und Therapie bei einem
lokalen Infektionsgeschehen im Saarland
und tierseuchenrechtliche Betrachtungen
von R. Dieckhöfer(1) (2), Liv Bode(2), H. Ludwig*(1), Majka Kiefer (3),
Patrizia Reckwald (2) und A. Rupp(3)
(11 Abbildungen, 56 Literaturangaben)
Kurztitel: BDV-Infektion bei Pferden im Saarland
Stichworte: BDV – Pferd – neue Blutdiagnostik – hohe Durchseuchung –
vielfältige Klinik – erfolgreiche Behandlung
Zusammenfassung
Zur Bornavirus-Infektion und der Bornaschen Krankheit beim Pferd wurden anlässlich eines Ausbruchs im Saarland neue Erkenntnisse für Klinik, Diagnostik
und Therapie zusammengefasst, die für den praktischen Tierarzt und Pferdebesitzer von weit reichender Bedeutung erscheinen. Die Einführung neuer
Bornavirus-Infektionsmarker (Antigene [pAG], Immunkomplexe [CIC]) im Blut
führten zum Nachweis einer hohen Prävalenz von 60 % bei gesunden Pferden
(Saarland und Bundesgebiet). Hohe Antigenämie-Belastungen waren bei
10-15 % gesunder Pferde nachweisbar und korrelierten mit erhöhtem
Erkrankungsrisiko. Das Symptomspektrum erwies sich als erheblich facettenreicher als früher berichtet und schloss vielfältige Störungen in Verhalten,
Bewegung, Nahrungsaufnahme und Leistungsniveau mit ein (5 Fallstudien im
Detail vorgestellt). Akut erkrankte Pferde waren zu 100 % infiziert und zu
50% hoch mit Antigenämie belastet (CIC-, pAG-, Antikörper [AK]-Nachweis
mit BDV-Triple-Enzymimmunassay). Eine virostatische Behandlung mit
Amantadin war überaus erfolgreich (> 80 % Gesundung). Im Gegensatz zur
bisherigen Auffassung muss danach von einer hohen Viruszirkulation in der
Pferdepopulation und relativ geringer, effizient behandelbarer Morbidität ausgegangen werden, die ein Umdenken in der praktischen Tiermedizin, sowie eine
Neujustierung tierseuchenrechtlicher Betrachtungen erforderlich erscheinen
lässt.
Abstract
Bornavirus (BDV) in horses – clinical symptoms, diagnosis, and therapy during a local epidemic in the federal state Saarland, Germany, and
current legal regulations
Key words: BDV – horses – novel diagnosis – high prevalence – beneficial
therapy of symptoms
BDV infections and Borna disease in
horses were monitored during a local
epidemic in Saarland, Germany, eliciting novel clinical, diagnostic, and therapeutic findings of high impact in veterinary practice. The implementation
2
of novel BDV infection markers (antigens [pAG] and circulating immune
complexes [CIC]) previously discovered led to the detection of a high infection prevalence of 60 % in the healthy
horse population (Saarland and other
German federal states). High loads
with viral antigens and CIC were
detectable in 10-15 % of healthy horses
and correlated with an increased morbidity-risk. The spectrum of clinical
symptoms varied significantly more
distinctively than previously reported
and included disorders of behaviour,
movement, eating, and general perfor-
mance (5 case reports detailed). Acutely diseased horses exhibited an infection rate of 100 % and elevated antigenemia in 50 % of the cases (CIC-,
pAG-, antibody-detection by BDV triple enzyme immune assay). A virus static treatment of sick horses using amantadine was extremely effective (> 80 %
recovery). In contrast to current opinion, the study showed evidence for a
high circulation of Bornavirus within
the healthy horse population, and a relatively low and efficiently treatable
morbidity, both of which requiring a
complete re-consideration in veterinary practice, as well as a re-adjustment of legal regulations.
1 Einleitung
Die Bornasche Krankheit (BK) wird
durch das Bornavirus ausgelöst. Infektionen mit diesem neurotropen Virus
sind weltweit bekannt (Ludwig und Bode, 2000) und unter natürlichen Bedingungen bei Pferd, Rind, Schaf, Katze
und Affen beschrieben (Zwick, 1939;
Altmann et al., 1976; Bode et al., 1994;
Lundgren et al., 1995; Nowotny und
Weissenböck, 1995; Vahlenkamp et al.,
2002). Die neu geschaffene eigenständige Virusfamilie (Bornaviridae) mit
dem einzigen Genus – Bornavirus –
gehört zur Ordnung der Mononegavirales (de la Torre et al., 2000). Viele Vertreter dieser Ordnung, wie auch das
Bornavirus, sind Erreger bedeutender
Tier- und Humankrankheiten (zur
Übersicht siehe auch Bode, 1999).
Die BK, benannt nach der sächsischen
Stadt Borna bei Leipzig, wird in ihrer
klassischen neurologischen Symptomatik seit dem 17. Jahrhundert erwähnt
(Galiberti, 1660) und ist später als
»Kopfkrankheit« (von Sind, 1767,
1781), »Gehirnentzündung«, »hitzige
Kopfkrankheit«, seuchenhafte GehirnRückenmarksentzündung oder auch
Meningoenzephalomyelitis seit über
hundert Jahren in die Literatur eingegangen (Joest und Degen, 1911; Zwick,
1939). Eine eingehende Sichtung bedeutsamer historischer Meilensteine
der »Borna Disease Virus« (BDV) Infektion mit ihrer weltweiten Verbreitung und Hinweisen auf den zoonotischen Charakter ist kürzlich erfolgt
(Dürrwald und Ludwig, 1997).
Zu den hervorstechenden Symptomen
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gehören z.B. Apathie, Ängstlichkeit,
Fressunlust, Schwindel, Gangunsicherheit, Kopfschlagen, Kolik und Festliegen. Die alte auf Post-mortem-Diagnose beschränkte Literatur ging davon
aus, dass die Erkrankung mit einer hohen Mortalitätsrate von 80-90 % einhergeht (Schmidt, 1912; Zwick, 1939).
Noch bis vor wenigen Jahrzehnten galt
die Krankheit mit ca. 200 Todesfällen
p.a. in Deutschland als zwar seltene,
aber fast immer fatale neurologische
Erkrankung von Pferd und Schaf, die
als unbehandelbar angesehen wurde
(Dürrwald und Ludwig, 1997).
Das klinische Bild, das vor allem von
einem patho-physiologischen Geschehen im Gehirn und auch Auge ausgeht
(Müller und Fritsch, 1955; Ludwig und
Bode, 1997) ist aus heutiger Sicht wesentlich facettenreicher (Bode, 1999)
als früher angenommen (Schmidt,
1912; Ludwig et al., 1985; Grabner und
Fischer, 1991) und schließt geringgradige Verhaltensauffälligkeiten ebenso
ein wie die seltenen fatalen Verläufe.
Neu ist, dass protrahierte klinische Verläufe spontan vollständig remittieren
können und dass die Krankheit in Phasen verläuft. Meist kommt es jedoch zu
mehr oder minder auffälligen Veränderungen des Normalverhaltens und Bewusstseins sowie Störungen in Sensorik und Motorik (Bode, 1999).
Nachdem neue Intra-vitam-Diagnosen
der BDV-Infektion im Blut möglich
wurden (Bode et al., 1994; 1995), ergab
sich ein wesentlich differenzierteres
Bild mit dem Nachweis, dass gesunde
Virusträger ebenso wie klinisch erkrankte vorkommen und der epidemiologisch bedeutsamen Evidenz, dass die
Infektion mehrheitlich symptomfrei
bleibt. Außerdem wird postuliert, dass
eine antivirale Therapie mit Amantadin
erfolgreich ist (Bode et al., 1997; Ludwig und Bode, 2000; Bode und Ludwig,
2003).
BDV ist nicht zytopathogen und damit
nur durch erschwerte Nachweismethoden zu messen (Ludwig et al., 1993). Es
löst in vitro wie in vivo persistente Infektionen aus (Ludwig et al., 1988).
Dies wurde beim Pferd und anderen
Tieren schon länger vermutet (Mayr,
1989) und ist auch durch umfassende
neuere klinische und immunhistologische Untersuchungen bei natürlichen
wie experimentellen Infektionen be-
stätigt worden (Ludwig et al., 1985).
Feld- und Laborstämme weisen eine
hohe
genetische
Verwandtschaft
(>95 %) auf (Schneider et al., 1994;
Bode et al., 1996, 1997; Nakamura et
al., 2000).
Althergebrachte Diagnosemethoden,
z.B. Joest-Degensche-Einschlusskörperchen in Neuronen sowie histologische Befunde mit perivaskulären lymphozytären Infiltraten (Joest und Degen, 1911) oder auch Tierversuche an
Kaninchen und kleinen Nagern (Zwick
et al., 1927; Nicolau und Galloway,
1928; Zwick, 1939; Nitzschke, 1963;
Wagner et al., 1968; Ludwig und Bode,
2000), sind heute durch moderne immunhistologische Verfahren oder auch
In-situ-Hybridisierungstechniken an
Post-mortem-Gehirnpräparationen abgelöst worden (zur Übersicht siehe
auch Gosztonyi und Ludwig, 1995; Ikuta et al., 2002).
Der Virusnachweis post mortem am
Pferdegehirn (Gosztonyi und Ludwig,
1984) sowie die Zellkulturuntersuchungen von Pferdestämmen und die
Messung spezifischer Antikörper in Serum und Liquor haben die diagnostischen Möglichkeiten erheblich verbessert (Ludwig und Thein, 1977; Grabner
und Fischer, 1991; Ludwig et al., 1993;
Ludwig und Bode, 1997). Neuerdings
wird mit einem ELISA zum Antigennachweis und sensitiven RT-PCRTechniken zur Erfassung BDV-spezifischer RNA in der Post-mortem-Diagnostik gearbeitet (Bode, 1999).
Für die tierärztliche Praxis mit dem
Ziel effektiver ursächlicher Behandlung ist der Intra-vitam-Infektionsnachweis im Blut von fundamentaler
Bedeutung geworden (Bode et al.,
1994b). Die aktuellsten Methoden stellen die in der Berliner Arbeitsgruppe
entwickelten, nach dem so genannten
Double-Sandwich-Prinzip aufgebauten
ELISA-Teste dar, die sowohl Antikörper aus Blutplasma oder Blutserum, als
auch Antigene (Virusproteine) und in
der Folge gebildete virusspezifische
Immunkomplexe des jeweiligen Patienten feststellen können (Bode et al.,
2001). Durch die Verwendung von
monoklonalen Antikörpern (mAK), die
jeweils ein streng konserviertes Spezies-übergreifendes Epitop auf den Virusproteinen p40 und p24 erkennen
(Ludwig et al., 1993), wird eine hohe
Spezifität und Sensitivität gewährleistet (zur Übersicht siehe Bode und
Ludwig, 2003). Diese völlig neue Methode erlaubt, intra-vitam eine Diagnose zu stellen, die aktivierte von ruhenden Infektionsperioden unterscheiden
kann. Sie ist nach bisheriger Kenntnis
ausreichend, so dass die stressvolle
Liquorpunktion bei erkrankten und
ohnehin schon immunsupprimierten
Patienten entfallen kann. Die Ansicht,
die Liquorpunktion sei unumgänglich
für eine Diagnosefindung (Grabner
und Fischer, 1991; Grabner et al.,
2002), muss daher inzwischen als sehr
problematisch angesehen werden, insbesondere, weil die erforderliche
Anästhesie das infizierte Gehirn zusätzlich belastet und zu einer schlechteren Prognose im weiteren Krankheitsverlauf beitragen kann. Die Liquordiagnostik hat allerdings früher wertvolle
Hinweise auf das Infektionsgeschehen
im ZNS erbracht (Hiepe, 1958, 1959;
Ludwig und Thein, 1977).
Schon früh im 20. Jahrhundert stellte
sich die Frage nach einer wirksamen
Behandlung der BK. So wird über
Therapieversuche mit Sulfonamiden
(Goerttler und Vöhringer, 1954), mit
Hexamethylentetramin
(Hexamin)
(von Ostertag, 1924) bis hin zu Impfungen mit Lebendvakzinen (Zwick, 1939;
Möhlmann und Maas, 1960; Fechner,
1964) mehrfach berichtet; dies allerdings mit uneinheitlichen Ergebnissen
(zur Übersicht siehe auch Dürrwald
und Ludwig, 1997). Durch von Ostertag (1924) initiiert, wurde in Württemberg zeitweise sogar eine gesetzliche
Verpflichtung zur Behandlung mit Hexamin eingeführt. Bei mittelschweren
bis schweren Pferden wurde empfohlen, 20g Hexamin in destilliertem oder
abgekochtem Wasser gelöst täglich einbis zweimal, je nach Stärke der Krankheit in die Blutbahn oder unter die Haut
zu verabreichen, mit wechselndem Erfolg. In der Berliner Arbeitsgruppe
wurden in den 90iger Jahren In-vitroVersuche mit Hexamin durchgeführt.
Es gelang erstmals eine Hemmwirkung
gegen BDV nachzuweisen (Bode und
Stoyloff, unpubliziert), jedoch wird bezweifelt, dass mit obiger Methode eine
ausreichend hohe Wirkstoffkonzentration im Blut erreicht werden kann (Bode, 1999). Ein verwandtes Präparat des
Hexamins aus der gleichen Stoffgruppe
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SONDERDRUCK
der zyklischen Amine, der Wirkstoff
Amantadin, erwies sich jedoch in vitro
mit einem Humanisolat und in vivo bei
einer depressiven Patientin als virostatisch und damit erfolgreich. Dieses lange bekannte Arzneimittel erreichte eine
sehr viel stärkere Infektionshemmung
(ID50) bei einer viel geringeren Stoffkonzentration als Hexamin (Bode et al.,
1997). Herauszuheben ist nicht nur der
Hemmeffekt in vivo, sondern auch die
erfolgreiche Inhibition humaner und
equiner BDV-Isolate in Zellkultur (Invitro-Assays), bei denen der Virustiter
im Gegensatz zu Versuchen mit Laborviren dosisabhängig signifikant reduziert werden konnte (Bode et al., 1997;
Ludwig und Bode, 2000; Bode und Ludwig, 2003). Daraufhin erfolgten erste
präliminäre Behandlungsversuche an
todkranken Pferden, die bei weit fortgeschrittener neurologischer Symptomatik in Einzelfällen zu spektakulärer
Besserung führten (Thein, Bode, Ludwig, unpubliziert). Eine weniger stark
ausgeprägte Symptomatik beim Pferd
ließ hoffen, dass nach Amantadinbehandlung vollständige Symptomfreiheit erzielt werden könnte, ohne dass
Nebenwirkungen zu befürchten wären
(Bode, 1999).
Die Bornasche Krankheit findet sich in
der bisher geltenden deutschen Gesetzgebung in der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten, eine Verordnung, die auf dem deutschen Tierseuchengesetz basiert. Außerdem finden sich nähere Informationen zur BK
auch in den Erläuterungen zu den meldepflichtigen Tierkrankheiten wieder.
Anlass für unsere Untersuchungen waren das gehäufte Auftreten ungeklärter
klinischer Symptomatiken bei Pferden
im Saarland, die teilweise dazu führten,
dass schwer erkrankte (z.B. aggressive)
Tiere eingeschläfert werden mussten.
Differentialdiagnostische Überlegungen ließen an eine Bornavirus-Infektion denken. Tierarzt Dr. Vidovic
brachte vor einiger Zeit die Erfahrungen über Borna-Pferdepatienten aus der
Tierklinik Hochmoor mit in die
Tierärztliche Klinik Altforweiler ein
und sensibilisierte damit die Kollegen
Doctores Rupp und Schubert für die
auffälligen und bisher ungeklärten
Krankheitsausbrüche im Saarland, denen bis dahin bereits wertvolle Pferde
durch Euthanasie zum Opfer gefallen
waren. Tierärztin Kiefer befasste sich
daraufhin intensiv mit auffälliger
Krankheitssymptomatik bei Verdachtsfällen, aber auch mit Kontrollbeständen
im Saarland und angrenzenden Praxisgebieten.
Nachfolgend dargestellte Ergebnisse
basieren auf klinischen und labordiagnostischen Untersuchungen an über
300 Pferdepatienten, wobei die Blutproben im Projekt Bornavirus-Infektionen
des Robert Koch-Instituts mit den dort
in Kooperation mit Kollegen der Freien
Universität entwickelten ELISA-Testen
untersucht wurden. Die initiale Virusdiagnostik ermöglichte zusammen mit
therapiebegleitendem Blutmonitoring
eine äußerst erfolgreiche systematische
Implementierung ursächlicher antiviraler Behandlung (Amantadin).
Am Beispiel dieser BDV-Epizootie
Abb. 1: Schematischer Aufbau des ELISA zum Nachweis von
zirkulierenden BDV-spezifischen Immunkomplexen im Blut.
4
wurden außerdem schwelende Fragen
der tierseuchenrechtlichen Maßregelung der Bornaschen Krankheit aufgegriffen und Vorschläge für eine praxisgerechte Neujustierung der tierseuchenrechtlichen Betrachtung der BDVInfektion beim Pferd vorgestellt.
2 Eigene Untersuchungen
2.1 Material und Methoden
2.1.1 Patienten und Probensammlung
In der Pferdepopulation von ca. 5 000
Tieren mit Schwerpunkt im Umkreis
der Tierklinik Altforweiler wurden etwa 500 Pferde untersucht und ca. 300
unter nähere Beobachtung gestellt. In
die Diagnostik wurden Fahrsportpferde, Traber, Dressur- und Freizeitpferde
eingeschlossen. Die unterschiedlichsten Rassen wie Orlow-Traber, Hannoveraner, Trakehner, Zweibrücker, Haflinger, Westfälisches Warmblut (hier
nur einige Beispiele ungeachtet der
Häufigkeit) gingen in die Untersuchung ein. Die Pferde stammen aus verschiedensten Regionen des Saarlandes
und sind zum Teil auch aus anderen
Bundesländern ins Saarland eingeführt
worden.
Aus Vorberichten von Tierbesitzern
und Tierärzten wurden alle Verdachtsfälle ausgewählt und einer gründlichen
klinischen Untersuchung unterzogen.
Dabei wurde der Blickwinkel der bisherigen bekannten klassischen Symptomatik ausgeweitet auf ungewöhnliche auffallende Abweichungen vom
Normalbefinden und Verhalten.
In allen Verdachtsfällen wurde neben
Abb. 2: Regionale Verteilung von BDV-positiven und -negativen Pferden im Saarland.
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routinemäßigen Blutuntersuchungen
10 ml Zitratblut für die labordiagnostische Untersuchung auf Bornavirus - Infektionsmarker entnommen.
2.1.2 Untersuchungsmethoden
Aus den ungerinnbar gemachten Blutproben wurden die weißen Blutzellen
über Ficoll-Paque abgetrennt (Lagerung bei –70 °C) und das Blutplasma
(gelagert bei –20 °C) auf drei Parameter untersucht: 1. BDV-spezifisches
Plasma-Antigen (pAG) 2. Zirkulierende Immunkomplexe (circulating immune complexes, CIC) 3. Antikörper
(AK).
Diese drei Parameter wurden mit einem
Triple-ELISA gemessen, der im Detail
kürzlich beschrieben worden war (Bode et al., 2001).
Wie schematisch in Cartoon – Form
dargestellt (Abbildung 1) werden für
alle Teste / Parameter dieselben Fang –
Antikörper eingesetzt (modulares Prinzip) und zwar BDV – spezifische anti-
N und anti-P Protein monoklonale Antikörper (Ludwig et al., 1993). Zur Bestimmung von pAG wird als zweiter
BDV-spezifischer Antikörper Hyperimmunserum aus Kaninchen verwendet und über alkalische Phosphatase
gekoppelte sekundäre Antikörper (APconjugated AffiniPure Goat Anti-Rabbit IgG, FcFragment-spezifisch, Dianova) gemessen.
Über den Antigenteil an die Fang-Antikörper gebundene CICs werden unter
Verwendung von BDV-spezifischem
Anti-Pferde IgG, gekoppelt mit alkalischer Phosphatase (Dianova) bestimmt
(Abbildung 1).
Zur AK-Messung wird BDV-spezifisches standardisiertes Antigen (s-AG,
soluble antigen) (Ludwig et al., 1993)
aus infiziertem Gehirn an die FangAntikörper gebunden und damit die
Proben-Antikörper unter Verwendung
eines alkalische Phoshatase gekoppelten sekundären AK (Anti Pferde IgG
von der Ziege, Dianova) nach der be-
schriebenen ELISA-Methode (Bode et
al., 2001) gemessen. S-AG Präparationen wurden bereits in früheren diagnostischen Testen für die Komplementbindungsreaktion verwendet (von
Sprockhoff, 1959; Nitzschke, 1963).
Die virostatisch wirkende AmantadinTherapie wurde im für Humanpatienten
zulässigen Dosisbereich (2 – 4mg
Amantadin / kg Körpergewicht) systematisch analog angewendet. In bestimmten Fällen, vor allem bei aggressivem Verhalten, wurde eine symptomatische additive Therapie zur Stabilisierung des Tieres mit Nortriptylin und
Carbamazepin angewendet (siehe 2.3
Therapie).
Zur Klärung der tierseuchenrechtlichen
Maßregelungen der BDV-Infektion
und der Ausarbeitung einer Neujustierung, basierend auf den neuesten medizinischen Erkenntnissen beim Pferd,
wurden die einschlägigen Tierseuchenrechtsvorschriften samt Verordnungen
eingesehen und unter anderem Aus-
Abb. 3: Pferde mit fortgeschrittener Bornascher Krankheit (Auswahl): Apathie mit Verletzungen am Kopf, Manegebewegung,
Einbrechen in Vorder- und Hinterhand, Spreizstellung der Beine (Bilder im Uhrzeigersinn).
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künfte von Herrn Dr. Bätza (BMVEL)
eingeholt.
2.2 Ergebnisse
2.2.1 Neue Aspekte zur klinischen
Symptomatik
In einem akut verlaufenden Krankheitsgeschehen bei Pferden im Saarland wurden einige Tiere wegen der
nicht einzuordnenden Symptomatik
eingeschläfert. Die auf ein Borna-Geschehen hingewiesenen und sensibilisierten Tierärzte und Tierbesitzer sammelten daraufhin Informationen zu Klinik und Verlaufsuntersuchungen von
ca. 300 Tieren. Diese stammten etwa
gleich verteilt aus dem gesamten Saarland (Abbildung 2).
Neben den wenigen Fällen der BK mit
aus der Literatur bekannter »klassischer« Form (Schmidt, 1912; Zwick,
1939) (Abbildung 3) war auffällig, dass
bei zahlreichen Pferden ein Symptomenkomplex in unterschiedlichster
Kombination auftrat. Im Verlaufe des
Seuchenzuges kristallisierte sich heraus, dass oft nur Einzelsymptomatiken
zu beobachten waren. Diese umfassten
Orientierungslosigkeit, Leistungsabfall,
Aggressivität,
Reizbarkeit,
Schreckhaftigkeit, Antriebslosigkeit,
Apathie, tagelanges schläfriges Verhalten, vermehrtes unerklärbares Scharren
mit den Hufen, wechselnde Appetitlosigkeit, Lichtempfindlichkeit, Kopfschütteln, Standanomalien (Spreizstellung), wiederkehrende Koliken und
Muskelzucken. Aus der Literatur gibt
es außer eigenen früheren Hinweisen
der Berliner Arbeitsgruppe (Bode et al.,
1994b; Bode, 1999) keine Berichte,
dass derartige Einzelbeschwerden oder
Symptomkombinationen mit einer aktivierten Bornavirus-Infektion in Zusammenhang zu bringen sind.
Diese neuen klinischen Beobachtungen
und die Möglichkeit, dem praktischen
Tierarzt eine schnellere Diagnosefindung an die Hand zu geben, veranlassten uns, eine »Bornaskala« zu entwerfen, die Art und Schweregrad der Symptome quantitativ erfassen und damit
den Tierarzt für eine Labordiagnose
richtungweisend sensibilisieren soll.
Vor allem soll auf feinste Veränderungen in den fünf großen Komplexen:
Verhalten, Bewegung, Futteraufnahme,
Darmtrakt und Befinden geachtet werden (siehe Bornaskala beim Pferd). Um
die Bandbreite der Symptome zu zeigen, werden fünf Fallbeispiele präsentiert (Fall IV und Fall V sind exemplarisch in die Bornaskala eingetragen).
Die fünf Fallbeispiele (siehe unten) ergaben Punktzahlen für die Pferde S.: 24
Punkte, E.: 28 Punke, T.: 13 Punke, F.:
24 Punkte und L.: 25 Punkte. Nach einer Amantadintherapie (siehe auch Abschnitt 3.3) konnten alle Pferde mit 0
Punkten eingestuft werden, bis auf
Pferd T..
Fall I
1. Freizeitpferd S.; 10 J.; ApaloosaHaflinger Mischling; Wallach; Resequin; Influenza; Tetanus; Tollwut; Stallhaltung mit tägl. Weidegang; Nachbar
auch »BDV-positiv«.
2. Juni 2003 Leistungsabfall, Appetitlosigkeit, Verhaltensänderung, Tier
war immer sehr brav und ausgeglichen,
beißt neuerdings; Ende Juni Harnverhalten, Verdacht auf Harnsteine; Ataxie, Bewegung wie Kreuzverschlag,
Blutuntersuchung, Ultraschalluntersuchung: Harngries, Blase gespült; August: Aggressivität besser, Pferd träge,
zu brav. Links am Rippenbogen
Schwellung, ständiges Unterbauchtreten, Umdrehen, Hintern beißen; Verhalten wie Kolik; Rektale US ObB;
Akupunkturbehandlung: Verdacht auf
Hüftproblematik; Reiten auf Platz:
Steif, Schweif juckt; September: Bewegung wie Cauda-equina-Syndrom,
Rücken aufgewölbt, Hinterseite verkrampft, li. Hinterbein nicht belastbar,
Huf über Boden gezogen, Röntg. Untersuchung obB; Verdacht auf Lumbago, Schwellung li. Seite wieder da; keine Verbesserung auf Phenylbutazon;
nach Bornablutergebnis Behandlung
mit Amantadin nach Plan, Ruhe, nur
Auslauf; Oktober: seit 2 Monaten Auslauf, 1. Reiten: Pferd langsam, träge,
kommt nicht nach, 3 x gescheiterter
Versuch zu urinieren, nur noch Auslauf.
Allgemeinbefinden bessert sich 5 Wochen nach Beginn AS-Behandlung, S.
wird übermütig, springt über Boxentür,
als Nachbarpferd Box verlässt.
12.03.04 Pferd in Halle, übermütig,
bockt, rennt; 14.03.04 Satteln, S. beißt;
16.03.04 Ausreiten: Vergeblicher Versuch zu urinieren, Bockstellung, träge,
Reiterin hat Angst, Pferd breche zusammen, abgestiegen; 25.03.04 Komplette tierärztliche Untersuchung obB.
Wieder Anfluten von AS nach Plan.
15.04.04 S. verhält sich übermütig, ist
unterfordert, rennt durch Paddock, wiehert, sucht Kontakt. Reiterin geht ausreiten, S. ist sehr brav, läuft taktrein,
keine Unterbrechung. Weiterhin Bewegung, Beschäftigung des Pferdes.
01.06.04 S. zeigt keine klinischen Symptome mehr; beim Ausreiten ausgeglichen, bei einer kleinen Vorführung sehr
wesensstark und ruhig. Steht noch unter AS-Behandlung.
3. 1. Labor (16.09.2003): CIC+++;
pAG++++; AK++++; AS-Behandlung
ab 10.10.2003; 2. Labor: CIC++;
pAG++++; AK++++
Fall II
1. Fahrpferd E.; 7 J.; Warmblut; Wallach; Resequin; Influenza; Tetanus;
Tollwut; Stallhaltung mit tägl. Weidegang.
2. Juli 03 plötzliches aggressives und
schreckhaftes Verhaltensmuster. Fast
nicht mehr reitbar, wehrt sich gegen jede Berührung. Stellt sich beim Freilaufen in Halle mit dem Kopf gegen die
Wand. Tierärztliche Untersuchung ohne besondere Befunde. Enormer Gewichtsverlust und Scharren in der Box.
Das Scharren scheint einem Muster zu
folgen. Es wird nur in einer bestimmten
Kreisbewegung um die Ecke der Box
gescharrt, dies innerhalb einer Woche
täglich. Dieses Pferd hatte gleichzeitig
und identisch mit zwei benachbarten,
ebenfalls »BDV-positiven« Pferden eine entzündete Wunde am Mund unbekannter Herkunft. Sieht aus wie mit
»Mistgabel gestochen«, keine Erklärung zu finden. Verdacht Borna,
Blutprobe an RKI. Während des normalen Trainings in der Halle kommt es
zum Niederbruch. Das Pferd leidet unter Beißkrämpfen. Pferd ist nicht mehr
reitbar. Anfluten mit 400mg Amantadin, 200mg Carbamazepin und 100mg
Nortriptylin, Behandlung nach Plan.
August 03: Pferd 3 Wochen nach Beginn Behandlung ruhig, lässt sich wieder reiten. Nach Verabreichung der
höheren Dosis wurde das Pferd wieder
aggressiver und schreckhafter. Dosis
wird wieder vermindert und Pferd keiner Belastung mehr ausgesetzt. Pferd
geht nur auf Koppel. 05.02.04:. Dieses
Pferd zeigt wieder normale Verhaltensweisen. Es wird wieder leicht gearbeitet, bisher noch kein Turnier. Pferd ist
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SONDERDRUCK
nicht mehr aggressiv, lässt sich anfassen.
3. 1. Labor (07.07.2003): CIC++;
pAG++; AK++; AS-Behandlung ab
10.10.2003; 2. Labor (04.09.2003):
CIC++; pAG++; AK+; 3. Labor
(28.11.2003): CIC+++; pAG++++;
AK+++; 4. Labor (09.03.2004):
CIC++; pAG+++; AK (+);
Fall III
1. Fahrpferd T.; 8 J.; Warmblut; Wallach; Resequin; Influenza; Tetanus;
Tollwut; Stallhaltung mit tägl. Weidegang.
2. Juli 03: Im Training plötzlicher
Leistungseinbruch, sehr matt, einmaliger starker Schweißausbruch, aber
kein Fieber, anfangs flacher, unnatürlicher Husten. Tierärztliche Behandlung kein Erfolg. Pferd zeigt Freßunlust, Besitzer hat Gefühl, als würde
Pferd das Fressen vergessen. Pferd legte sich sehr oft zum Ruhen in die Box.
Entzündete Wunde am Maul (wie Einstich einer Mistgabel). Hier wurde eine
niedrige Tablettendosis (400mg AS)
über einen Zeitraum von ca. 6 Wochen
angewandt. Zusätzlich auch Carbamazepin und Nortriptylin. Da die 2. Verlaufsuntersuchung einen Anstieg der
Krankheit ergab, wurde auf die höhere,
empfohlene Dosis (1500mg AS) umgestellt, aber keine zusätzlichen Medikamente. Pferd wird völlig in Ruhe gelassen. AS nach Plan, Ausschleichen
nach Plan. 05.02.04: Trainingsbeginn.
Das Pferd zeigt schnellere Ermüdungszustände als zeitgleich im letzten Jahr. Das Verhaltensmuster hat sich
allgemein geändert. Das Pferd ist jetzt
unkontrollierbarer als vorher, leichter
reizbar. Pferd springt manchmal plötzlich und unkontrolliert vor. Husten kam
nicht wieder. Frisst wieder gut.
3. 1. Labor (07.07.2003): CIC+;
pAG++; AK+; 2. Labor (04.09.2003):
CIC+; pAG+++; AK-; 3. Labor
(28.11.2003): CIC+; pAG++; AK+;
4.
Labor
(06.11.2004):
CIC+;
pAG++; AK+
Fall IV
1. Fahrpferd, Turnier-, Dressurpferd,
F.; 9J.; Württemberger; Wallach; Resequin; Influenza; Tetanus; Tollwut;
Stallhaltung mit tägl. Weidegang.
2. Juli 03: F. steht gut im Training, ist
fleißig, intelligent, aufmerksam. Fahr8
turnier im Juli: F. vergisst während des
Turniers, was zu tun ist. Kennt normalerweise den Turnierablauf, ist völlig
überfordert von den Hindernissen,
läuft, als wäre es sein erstes Turnier.
Atemfrequenz steigt an. F. läuft taktunrein, sehr unsauberer Gang. Wird
aus Turnier genommen und tierärztlich
untersucht. Leistungsabfall und hohe
Atemfrequenz noch Tage später trotz
tierärztlicher Behandlung. F. ist sehr
matt, liegt viel. Übermäßiges Gähnen
und vermehrtes Liegen fällt auf. Bornauntersuchung. August 03 Amantadinbehandlung nach Plan. F. wird aus
Turniersport genommen und steht
stressfrei auf der Weide. 4,5 Wochen
nach Beginn AS-Behandlung; fällt auf,
dass F. noch extrem faul ist, aber nicht
mehr so oft liegt. Übermäßiges Gähnen
hat abgenommen. Allgemeinzustand
und Orientierungslosigkeit haben sich
gebessert. Februar 04 F. wird wieder in
Turniersport aufgenommen. Schwunglose Bewegung, aber kein Gähnen
mehr, liegt nicht mehr, ist taktrein.
April 04 Turnier mit Bravour gemeistert! Keine Ausfälle.
3. 1. Labor (13.08.2003): CIC+++;
pAG+++; AK+++; 2. Labor (29.10.
2003): CIC++; pAG+++; AK++; 3. Labor (17.05.2003): CIC+; pAG++; AK+
Fall V
1. Freizeitpferd L.; 3J.; Kaltblut; Stute;
Resequin; Influenza; Tetanus; Tollwut;
Stallhaltung mit tägl. Weidegang.
2. Juli 03: Seit Dezember 2002 leichtes
Schlagen mit Kopf. Schwankende
Kopfbewegung bei Seitbewegung des
Kopfes. Klinik: Verdacht auf Mittelohrentzündung, Sedation, Ohren gespült,
AB eingelegt, SH mittelgradig gerötet.
Dezember: nach AB-Instill. 2 Wochen
Besserung. Januar: schlägt wieder mit
Kopf, vermehrt bei Geräuschen: Wassertropfen. Versuch: Akupunktur; Blutuntersuchung: Borellien AK negativ,
alle Leberwerte erhöht. Kotunterersuchung: Chronische Parasitose Strongyloides; Nach Akupunktur deutliche
Besserung, L. nicht mehr geräuschempfindlich, schlägt nicht mehr mit
Kopf, Allgemeinbefinden deutlich gebessert. Ivomectinjektion; 05.02.03
Akupunktur: Bl 2,3; 3FE 6, Gb, Aminin-Infusion; 06.02. Kopfschlagen
fängt wieder an, Besitzerin entnervt;
07.02. Pferd schlägt auch angebunden
mit dem Kopf, vorher brauchte es
»Auslöser« Geräusch. Besitzerin geht
reiten, L. verhält sich völlig normal,
kein Kopfschlagen. 11.02. Pferd
schlägt vermehrt mit Kopf, »frisst wie
Fohlen«, steht am liebsten in der dunklen Ecke des Stalls, nimmt kein Heu
vom Boden mehr auf, frisst es aber bei
Hochlegen in Futterkrippe; 12.02. L.
fällt fast um beim Wenden. Erschrickt
vor Stimme Besitzerin, erschrickt beim
Schnauben der anderen Pferde. Frisst
viel, Trinkt nur aus Eimer. Kopf wird
annähernd schief nach links gehalten.
Panische Reaktionen, zittert am ganzen
Körper. 13.02. 2. Blutentnahme Bornauntersuchung. Besitzerin will DD
nicht abklären. Anfluten Amantadin p.
os ohne Abwarten des Ergebnisses von
RKI; 14. 02. L. steht nur noch in dunkler Ecke des Stalls. Erschrickt vor jedem Geräusch. Gräbt sich Loch in
Stroh, streckt Nüster hinein und verharrt in dieser Stellung. Umdrehen fast
nicht möglich, steht hinten bodenweit,
zehenweit, keine Koordination. Kopfnicken zu keiner Zeit aufgehört.
Fenster wird abgehängt, Behandlung
Amantadin nach Plan, wegen Apathie
und starker Ängstlichkeit Antidepressiva und Mood Stabilizer Nortriptylin
und Carbamazepin nach Plan; 16.02.
Kopf wird nun ständig nach links gehalten. Bei Annäherungsversuchen panische Angst und Zurückweichen an
Wand. Keine Möglichkeit, sich der linken Seite des Pferdes zu nähern. Keine
Möglichkeit, Halfter aufzuziehen. L.
frisst und trinkt, nimmt Medikamente
ohne Probleme. Muskelzittern. Bei
Geräusch Kopf nach unten hinten, Hinterteil nach oben gestreckt, knickt mit
Vorderläufen ein. 17.02. L. nimmt
Amantadin auf. Besitzerin spricht leise
mit ihr, Pferd erträgt keine lauten
Geräusche. Bei Schnauben des Nachbarpferdes Niederbruch, Kopf in dunkelste Ecke. Steht mit Hinterteil zum
Fenster, linke Seite an Wand. Kann
nicht geradeaus gehen, Seitwärtsbewegung mit überkreuzten Beinen. Besitzerin kann sich nicht nähern, Pferd
drängt bei Näherkommen zitternd an
die Wand. 24.02. Besitzerin kann Halfter aufziehen. L. erschrickt vor Geräuschen, aber bei Ansprechen mehr Aufmerksamkeit. Blutentnahme möglich,
Borelliose und Listeriosetiter negativ.
Kein Annähern der linken Seite mög-
SONDERDRUCK
lich. Neonlicht wird ab heute geduldet.
27.02. Bode und Ludwig zu Besuch.
Weit auseinandergestellte Vorderbeine. Kopfschiefhaltung. Kopf immer
in dunkler Ecke. Zusammenzucken bei
Lichteinfall. Händeklatschen wird akzeptiert. 01.03. Beginn Ausschleichen
der Medikamente ausser Amantadin.
L. geht nicht aus Box. 03.03. Zustand
wesentlich gebessert. Kein Annähern
an li. Seite möglich, aber Kopf wird
nicht schief gehalten. Fenster werden
geöffnet für Lichteinfall. L. erschrickt
durch Geräusch, fällt hin. Kopfschiefhaltung, absolut verängstigt. Verletzung mit Anschwellung Fessel hi. li.,
Besitzerin kann sich nicht annähern,
Equipalazonegabe; 04.03. Kopf wieder
gerade. Pferd sehr aufmerksam. Besitzerin durfte sich li. Seite nähern. Nortriptylin auf 50mg. 07.03. Besitzerin erhöht Amantadin auf 3000mg. Pferd
wird unruhig, schlägt mit Kopf. Kopf
wird gerade gehalten, wieder kein
Annähern an linke Seite möglich.
11.03.2004: 10 Minuten nach Eingabe
von 3000 mg Amantadin bekommt L.
»Anfall« und schlägt mit Kopf. Tel. Beratung von RKI: nicht über 2000mg mit
Amantadin. L. schlägt wie irre mit beiden Hinterbeinen gegen Boxenwand,
Notrilen auf 50, Besitzerin will mit Medikamenten außer Amantadin aufhören. 20.03.04 bekommt weiterhin
2000mg Amantadin, kein Schlagen
mehr mit Hinterbeinen, Kopf wird wieder schief gehalten, Zusammenzucken,
wenn Fremde den Stall betreten und sofort mit der linken Seite Anstellen an
Boxenwand.
01.04.04 L. frisst Heu unter der Futterraufe. War vorher nur in Futterraufe
möglich. Zuschauer sind erlaubt. Auch
etwas lauteres Reden wird akzeptiert;
08.04.04 Kein Versuch, den Stall zu
verlassen, obwohl Stalltür offen ist und
die anderen Pferde draußen sind. Geht
nicht Richtung Boxausgang. Will im
Stall bleiben.
11.04.2004: 2 Schritte vor Boxentür
gemacht, rückwärts wieder herein. Keine Panik, aber totale Unsicherheit.
12.04.04 L. geht nicht vor Tür. 13.04.04
L. ist an der frischen Luft. Sie hat die
Box etwas holprig verlassen, trabt dann
aber unbeholfen über den Sandboden.
19.04.04 L. wird aus Stall gelassen. C.
(Nachbarpferd) steht schon draußen.
Kopf wird extrem schief gehalten, wiehert, andere Pferde sind schon draußen.
Läuft leicht ataktisch, trabt zum ausgelegten Heu, läuft drüber, bremst kurz
vor Wand, frisst. Dreht sich etwas unbeholfen über linke Seite, läuft an
Zaun, wiehert zu anderen Pferden, die
etwas entfernt auf Koppel stehen.
25.04.2004: Durch Unachtsamkeit
kommt ein drittes Pferd auf die Koppel,
das L. gegen den Kopf tritt. Leichte
Platzwunde über re Auge, Kopf wieder
verstärkt schief gehalten. 28.04.04
Schwellung besser, L. fühlt sich besser.
05.05.04 Besitzerin will Amantadin absetzen. Blutentnahme! 10.05.04 L. galoppiert über Koppel. Abbremsen
macht leicht Schwierigkeiten, ansonsten fühlt sie sich gut. Läuft mit anderem Pferd über Koppel. L. war früher
Alphastute, jetzt keine Rangkämpfe.
Duldet Vordrängeln anderen Pferdes an
der Heuraufe. 17.05.04 Besitzerin will
Amantadin über 2 Wochen ausschleichen. 02.06.04 Amantadin abgesetzt. L.
ist sehr energisch. Frisst nach wie vor
gut, stampft mit Huf auf Boden wenn es
ihr nicht schnell genug geht. Schnaubt,
Abb. 4: Organigramm für den Einsatz des BDV-TripleEnzymimmunassays zum Nachweis von virusspezifischen
Immunkomplexen, Antigenen und Antikörpern im Blut.
bei Ansprechen wird Kopf zur Seite gehalten. Vorderbeine werden nicht mehr
zehenweit gestellt.
3. 1. Labor (21.10.2003): CIC+; pAG–;
AK?; 2. Labor (12.02.2003): CIC–;
pAG–; AK–; 3. Labor (27.05.2003):
CIC–; pAG?; AK–
Fall V gehört virologisch zu den seltenen Ausnahmen, bei denen nur marginale Infektionsmarker im Blut messbar
waren, d.h., Gehirn- und Blutinfektion
unterschiedlich ausgeprägt vorlagen.
2.2.2 Labordiagnostische Daten auch
im Hinblick auf Prognostik
Als schneller Suchtest für den Infektionsnachweis wurde standardmäßig
der Immunkomplextest (BDV-CICEIA) (s. Abbildung 1) eingesetzt. Je
nach Ergebnis schlossen sich Antigen
(pAG)-EIA und Antikörpertest (AKEIA) an. In Abbildung 4 wird in Form
eines Organigramms dargestellt, wie
durch Bestimmung dieser drei Infektionsmarker für den Tierarzt eine klare
Labordiagnose gestellt werden kann,
die klinisch und therapeutisch Entscheidungshilfen anbietet.
2.2.2.1 Für die im Saarland und Umgebung erhobenen Fälle wurden 307 Tiere mit Hilfe des BDV-Triple ELISA in
Form einer Punktprävalenz (Erstuntersuchung, eine Probe pro Tier) untersucht. Davon waren im Hinblick auf
CIC-Werte (diese geben nach empirischen Erfahrungen an ca. 3000 Pferden
aus unserer Datenbank den besten Wert
für den Infektionsstatus wider) 190
Pferde positiv und 117 Pferde negativ,
d.h., 61,9 % der Tiere zeigten positive
CIC-Werte und waren somit infiziert.
Abb. 5: BDV-Infektionsstatus bei gesunden Pferden aus dem
Saarland. CIC = zirkulierende Immunkomplexe, pAG =
Plasma Antigen, AK = Antikörper. Hohe Werte ab einer Extinktion von 0,600 (=+++) im EIA (405 nm) in Initialverdünnungen: 1:20 bei CIC, 1:2 bei pAG und 1:100 bei AK.
9
SONDERDRUCK
Mit diesem Marker wurden in der Tat
annähernd alle Infektionen erfasst, weil
die ermittelte Prävalenz der Infektion
unter Mitberücksichtigung der anderen
Marker (positive pAG- und AK-Werte)
nur unwesentlich höher war (66,4 %).
Auf Grund der zur Verfügung gestellten
anamnestischen Daten ließen sich 156
Tiere als eindeutig gesund und 37 Tiere
nach den oben angeführten Kriterien
eindeutig als krank einstufen. In der gesunden Population, die sich aus Bestands- und Einzeltieren zusammen
setzte, waren basierend auf dem Immunkomplex-Suchtest (von (+) bis
++++) 97 Tiere, d.h., 62,2 % infiziert,
bei Berücksichtigung aller drei Marker
67,9 % (106 Tiere) (Abbildung 5). Dabei wurden bei einem Sechstel (14,1 %
CIC-positiv) höhere Antigenbelastungen nachgewiesen (CIC und pAG gesamt sogar 21.2 %). In einer prospektiven Untersuchung in saarländischen
Beständen zeigte sich, dass länger anhaltende starke Antigenämiephasen
(bis 2 Monate) das Erkrankungsrisiko
gesunder Pferde deutlich erhöhen, d.h.,
prognostisch ungünstig sind (Abbildung 6). Die überraschend hohe Durchseuchung gesunder Pferdebestände im
Saarland wird durch bundesweite Erhebungen mit zufällig ausgewählten Pferden (n=289) aus sieben Beständen bestätigt, ebenso wie ein mindestens
10%iger Anteil von Pferden mit erhöhtem Erkrankungsrisiko (Abbildung 7).
2.2.2.2 Im Unterschied zu gesunden
Trägern waren klinisch charakteristisch
erkrankte Pferde (siehe 3.1) zu 100 %
infiziert, wenn die drei Infektionsmarker (CIC, pAG und AK) zu Grunde gelegt werden. Darüber hinaus sind über
die Hälfte akut erkrankter Pferde mit
hohen Antigenämiewerten belastet,
wie eine repräsentative Erhebung
(N=38 Pferde) aus neun Bundesländern
belegt (Abbildung 8). Bei kranken
Pferden wurden entsprechende CIC
und pAG-Prävalenzen von an die 90 %
gefunden. Die Untersuchung von 37
eindeutig erkrankten saarländischen
Tieren bestätigte mit 89,2 % die hohen
bundesweit gefundenen CIC-Prävalenzen.
2.3 Therapie
Amantadinsulfat wird in einer täglichen Regeldosis von 2-4mg pro kg
Körpergewicht oral verabreicht für
mindestens 12 Wochen (Abbildung 9).
Bei hochakuten Fällen kann in den ersten Tagen eine Infusionstherapie in
demselben Dosierungsbereich der oralen Behandlung vorangestellt werden
zur rascheren Stabilisierung des Patienten. Dieser Therapievorschlag lehnt
sich an die Behandlung bei Humanpatienten an und ist empirisch beim Pferd
an mehreren 100 Fällen ermittelt worden. Nebenwirkungen wurden bisher
weder vom Besitzer noch von Tierärzten mitgeteilt.
Als Behandlungsschema wurde wie
folgt vorgegangen:
Abb. 6: Infektionsstatus bei gesunden Pferden aus einem zufällig ausgewählten saarländischen Bestand. Mit * sind gefährdete Pferde mit hoher Antigenbelastung markiert. Die
mit Pfeil gekennzeichneten Tiere erkrankten 7-9 Wochen später. Abkürzungen CIC, pAG, AK: siehe Abbildung 5.
10
Orale Tagesdosis (zur Hälfte morgens
und zur Hälfte mittags (1-1-0)) für 12
Wochen (bei 500kg Körpergewischt
des Pferdes):
1. Tag:
500mg Amantadinsulfat
(750mg bei hoher Antigenlast)
2. Tag:
500mg Amantadinsulfat
(1000mg bei hoher Antigenlast)
3. Tag:
750mg Amantadinsulfat
(1000mg bei hoher Antigenlast)
4.-5. Tag: 1000mg Amantadinsulfat
(1500mg bei hoher Antigenlast)
8.-30. Tag: 1500mg Amantadinsulfat
(2000mg bei hoher Antigenlast)
31.-90. Tag: 1500mg Amantadinsulfat
(2000mg bei hoher Antigenlast)
Zum Therapieerfolg bei den 37 im
Saarland eindeutig erkrankten Tieren
liegen bisher Rückmeldungen von 13
Besitzern vor, aus denen eine deutliche
Besserung des Allgemeinbefindens der
Pferde ersichtlich wird. Hier konnte
auch in der Mehrzahl der Fälle ein
Rückgang der virologischen Marker
gemessen werden. Eine abschließende
Beurteilung aller saarländischen Pferde
mit Behandlung ist gegenwärtig noch
nicht möglich.
In einer gut definierten klinischen
Kohorte von 38 kranken Pferden aus
anderen Bundesländern Deutschlands
Abb. 7: BDV-Infektionsstatus (Immunkomplex-Messung) bei
gesunden Pferden aus dem gesamten Bundesgebiet (7 zufällig ausgewählte Bestände).
SONDERDRUCK
ließen sich jedoch klinisch, wie auch
virologisch exakte Werte ermitteln
(Abbildungen 10a,b). Die Ergebnisse
zeigen, dass sich über 80 % der Tiere
nach durchschnittlich 7,6 Wochen einer
Amantadin-Behandlung klinisch sehr
deutlich gebessert hatten (Abbildung
10a). Die gebesserten Tiere wiesen
mehrheitlich nach durchschnittlich 6,4
Wochen eine günstige virologische
Entwicklung auf, die sich als Ausbleiben eines weiteren Antigenanstiegs
oder Reduktion der krankheitsassoziierten Antigenbelastung äußerte. In
Einzelfällen wurde in den ersten 4 Wochen der Behandlung zunächst ein Anstieg der Antigenämie beobachtet, bevor es zum Rückgang kam, weil in einen akuten Krankheitsschub hinein behandelt wurde.
Wenn Apathie und starke Ängstlichkeit
als dominante klinische Symptome auffallen, hat sich eine additive symptomatische Behandlung mit Psychophar-
maka aus der Humanmedizin als hilfreich erwiesen, wobei die Dosierung
der für Menschen zulässigen Tagesdosis folgt:
Behandlungsschema: (Mindestens 8
Wochen; falls nötig auch bis zu 6 Monaten)
1.-3. Tag: 50mg Nortriptylin,
100mg Carbamazepin
4.-6. Tag: 75mg Nortriptylin,
200mg Carbamazepin
7.-10. Tag: 100mg Nortriptylin,
300mg Carbamazepin
11.-56. Tag: 100mg Nortriptylin,
400mg Carbamazepin.
2.4 Tierseuchenrechtliche Maßregelung der Bornaschen Krankheit
Die historische Entwicklung der Betrachtung der BK in Bezug auf Anzeige-, Meldepflicht und Ersatzleistungen
ist in einem Schaubild wiedergegeben.
Daraus sich ergebende Schlüsse sind
als Kommentar angehängt.
Abb. 8: BDV-Infektionsstatus bei unbehandelten kranken
Pferden (Erstuntersuchung in 9 Bundesländern). Abkürzungen und Symbole wie in Abbildung 5.
2.5 Diskussion
Der Ausbruch der Bornaschen Krankheit als so genannte »Tierseuche« ist im
europäischen Raum mehrfach belegt
(Zwick et al., 1927; Zwick, 1939; Ludwig und Thein, 1977; Ludwig et al.,
1985; Grabner et al., 2002; für eine detaillierte Gesamtübersicht siehe Dürrwald und Ludwig, 1997).
Die Notwendigkeit einer Neubewertung von Bornavirus-Infektion, Diagnostik und Krankheit wurde bereits
Ende der 1990iger Jahre durch neue Erkenntnisse in einem Überblick dargelegt und diskutiert (Bode, 1999). Die
hier an einem umgrenzten Infektionsgeschehen und teilweise ungewöhnlicher Symptomatologie aus dem Saarland präsentierten Daten bestätigen erneut, dass ein Paradigmenwechsel für
eine optimale tierärztliche Versorgung
der an akuter BK leidenden Tiere und
zur Überwachung und Erhaltung der
Pferdegesundheit in infizierten Bestän-
Abb. 9: Therapieschema zur virostatischen Behandlung von
Pferden mit Bornascher Krankheit mit Amantadin und Strukturmodell von Amantadinsulfat.
Abb. 10b
Abb. 10a
Abb. 10: Behandlungseffizienz der Amantadintherapie bei Pferden mit klinisch definierter und virologisch verifizierter Bornascher Krankheit.
10 a) Klinische Besserung und 10 b) virologische Besserung der Laborwerte im Blut nach mehrwöchiger Behandlung mit
Amantadin. Abkürzungen CIC und pAG: siehe Abbildung 5.
11
SONDERDRUCK
den dringlicher denn je erscheint. Diese
exemplarische Studie richtet sich daher
bewusst an den praktischen Tierarzt
und an Besitzer von Sport-, Hobby- und
Zuchtpferden.
In früheren Schriften ist bereits auf die
strikte Unterscheidung zwischen BDVInfektion und Bornascher Krankheit
hingewiesen worden (Bode et al.,
1994b; Bode, 1999; Ludwig und Bode,
2000), wobei vor allem Antikörperuntersuchungen bereits auf ein Infektionsgeschehen auch bei gesund erscheinenden persistent infizierten Tieren hingewiesen hatten (Ludwig et al., 1985,
1988; Lange et al., 1987; Kao et al,
1993; Bode et al., 1994b; Grabner et
al., 2002; Ikuta et al., 2002). Die aus
klinischer Sicht als »latent« angesehene Infektion bei »gesunden« Pferden
wurde bereits vor 50 Jahren diskutiert
(Matthias, 1958; Ihlenburg, 1964).
Deutsches Reich:
Auch weltweit ist die BDV-Infektion
beim Pferd inzwischen durch Antikörperuntersuchungen oder durch den
Nachweis von Nukleinsäure in PBMCs
nachgewiesen worden (Nakamura et
al., 1995; Bahmani et al., 1996; Ludwig
und Bode, 2000; Ikuta et al., 2002;
Yilmaz et al., 2002).
Erst die Entdeckung, dass sich diese Infektion vor allem durch (begrenzte) Antigenschübe auszeichnet, die im Blutplasma zur Antikörperantwort des Wirtes und darauf folgender Immunkomplexbildung führen, hat nach Entwicklung geeigneter ELISA-Teste erkennen
lassen, dass die Durchseuchung bei
Gesunden unterschätzt worden war
(Bode et al., 2001; Bode und Ludwig,
2003). Antikörperteste auf Immunfluoreszenzbasis, die viele Jahre als
Standarddiagnostik verwendet wurden
und nach wie vor angeboten werden,
erkennen nur einen Teil der mit dem
Immunkomplextest erfassten Infektionen. Dies bedeutet auch, dass ein negativer Antikörperstatus die Infektion
nicht ausschließt und daher als alleinige Nachweismethode ungenügend ist.
Dagegen erwiesen sich BDV-spezifische Immunkomplexe, deren molekulare Zusammensetzung bis zur Sequenzierung der beteiligten Virusproteine
aufgeklärt werden soll, als empfindliche Screening-Marker. Auf der Basis
des CIC-EIA deckten sich die bei gesunden Pferden im Saarland und in
ganz Deutschland erhobenen Daten nahezu mit den Infektionsprävalenzen,
die sich bei Mitberücksichtigung von
Antigen- und Antikörpertesten ergaben.
Mit CIC-Monitoring fanden wir bei klinisch unauffälligen und gesund erscheinenden Pferden eine Durchseu-
Tierseuchenrechtliche Maßregelung der Bornaschen Krankheit in Deutschland Gesetzesorganigramm:
Gesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 23. Juni 1880
(Reichsgesetzblatt No. 16 S.153)
Ÿ in Kraft getreten 1. April 1881
Ÿ §10 Der Reichskanzler ist befugt, die Anzeigepflicht vorübergehend auch für andere Seuchen einzuführen.
Ÿ hier noch keine Erwähnung der BK
Die Bornasche Krankheit
wird anzeigepflichtig für
die Provinz Sachsen
Bekanntmachung, betreffend die Anzeigepflicht für die Gehirn- und Rückenmarksentzündung der Pferde vom
12. November 1886
(Reichsgesetzblatt Nr. 36 S.713)
Ÿ in Kraft getreten 23. November 1896
Ÿ für die Königlich preußische Provinz Sachsen wird die Anzeigepflicht im Sinne des § 9 des Gesetzes eingeführt.
Nr. 44. Gesetz, die Gewährung von Entschädigung für an Gehirn-Rückenmarksentzündung, beziehntlich an
Gehirnentzündung umgestandene Pferde und für Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh betreffend; vom
12. Mai 1900
Ÿ Gesetz für das Königreich Sachsen
Nr. 45. Verordnung zur Ausführung des Gesetzes vom 12. Mai 1900; vom 14. Mai 1900
Ÿ Anwendung findet die Verordnung vom 04. März 1881 (G.u.V.Bl. S.13)
und anschließende Verordnungen
Ÿ Ob Anmeldung des Entschädigungsanspruches bei Ortspolizeibehörde oder
der vorgesetzten Amtshauptmannschaft erfolgt ist gleichwertig.
Ÿ Verordnung für das Königreich Sachsen
Bekanntmachung, betreffend die Anzeigepflicht für Influenza
sowie für die Gehirn-Rückenmarksentzündung und
die Gehirnentzündung der Pferde. Vom 08. Dezember 1904
> Für das Königreich Sachsen
Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909 (Reichsgesetzblatt 1909, Nr.34 S.519) vom Deutschen Kaiser, König von Preußen
> ohne BK
12
Die Bornasche Krankheit
bleibt anzeigepflichtig für
die Provinz Sachsen
Für das Deutsche Reich und Preußen geltenden Ausführungsvorschriften (L.Nevermann; Paul Parey, 1912)
> Verweis auf die Bekanntmachung vom 12. November 1886, mit der die BK anzeigepflichtig in Sachsen wurde.
(Bekanntmachung auch in diesem Buch abgedruckt)
> Bekanntmachung, betreffend Viehseuchenstatistik und Nachrichtendienst bei Viehseuchen.
(Vom 11. Mai 1912 R.G.Bl. S.381) Anlage A14 BK Vierteljahresübersicht, die von der Landesregierung der
Reichsverwaltung zu übersenden waren.
Die Bornasche Krankheit
wird anzeigepflichtig für
Württemberg
Bekanntmachung betreffend die Anzeigepflicht für die Gehirnrückenmarksentzündung der Pferde vom 25. März 1921
(in Kraft getreten. 01.01.1922)
Ÿ Für den Freistaat Württemberg wird die Anzeigepflicht für BK festgelegt.
(Reichsgesetzblatt S. 343, 25.03.1921)
SONDERDRUCK
Bundesrepublik Deutschland:
Die Bornasche Krankheit
wird anzeigepflichtig für
die DDR
Verordnung über die Einführung der Anzeigepflicht
für die Gehirn-Rückenmarksentzündung
der Einhufer (Borna´sche Krankheit) vom
28. Oktober 1954
Ÿ für das Land Hessen (BGBl.I S.327)
Die Bornasche Krankheit
wird anzeigepflichtig für
Hessen
Verordnung über die Einführung der Anzeigepflicht für die
Gehirn-Rückenmarksentzündung (Bornasche Krankheit) der Pferde,
vom 15. Februar 1951 (GBl.113) DDR in Kraft getreten 19. Februar 1952,
gemäß § 9 Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909 (R.G.Bl. S.519) aus Dr. Heinz Theile
„Die wichtigsten Virus-Tierseuchen, ihre Verhütung und Bekämpfung.“
Verordnung über die Tierseuchen-Entschädigung vom 19. Februar 1953
(GBl. S.319) DDR
> BK
Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Tierseuchen-Entschädigung
vom 19. Februar 1953 (GBl. S.321) DDR
> Entschädigung kann für Einhufer mit BK gewährt werden
Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten
vom 29. April 1970 (BGBl. I S.443)
> keine Bk
Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung
über meldepflichtige Tierkrankheiten vom
21. Januar 1981 BRD
> Änderung von Anzeigepflicht zur Meldepflicht
> Viehseuchengesetz wird durch Tierseuchengesetz
ersetzt.
Deutsche Demokratische Republik:
Die Bornasche Krankheit
wird meldepflichtig für die
BRD
Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die
Tierseuchenentschädigung vom 25. März 1953 (GBl. S.493) DDR
Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen vom 11. April 2001 (BGBl. I S.547)
> auch Anzeigepfllicht für: §1 21a. Pferdeenzephalomyelitis (alle Formen) Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten vom 11. April 2001 (BGBl. I S.540)
> mit BK
Vorschriften zur Bekämpfung der ansteckenden Gehirn-Rückenmarksentzündung der
Einhufer (Geissler, Stein & Bätza, Tierseuchenrecht in Deutschland und Europa, Verlag
RS Schulz, B-12.1)
Ì Hinweis auf Aufhebung der Anzeigepflicht und Einführung der Meldepflicht
Ì Pferdeenzephalomyelitis (alle Formen): „Hierunter fällt im Grunde auch die „Bornasche
Krankheit“, obwohl die wohl nicht (hier) erfaßt werden soll.“
Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten vom 11. April 2001 (BGBl. I S.540)
> mit BK
II.Erläuterungen zu den meldepflichtigen Tierkrankheiten (herausgegeben vom damaligem
Bundesgesundheitsamt, Institut für Veterinärmedizin, später BML bearbeitet, inzwischen entsprechend den
Änderungen der VO über meldepflichtige Tierkrankheiten -vom Verf.-angepaßt worden. Geissler, Stein &
Bätza, Tierseuchenrecht in Deutschland und Europa, Verlag RS Schulz, B-20.2)
Ì vollkommen veraltete Kurzbeschreibung der Ätiologie, des Krankheitsbildes, der Diagnose, der
Vorbeugung und der Behandlung
In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen können die Tierseuchenkassen Beihilfen für den Verlust von Pferden durch Tötung oder Verendung infolge der
Ansteckenden Gehirn- und Rückenmarks-Entzündung (Bornasche Krankheit) gewähren!
Tierseuchenkasse Baden-Württemberg: Leistungssatzung über die Gewährung von Beihilfen vom 16. März 1999 (geändert 29. August 2000, 05. März 2004);
Beihilfen nach Anlage A
Ÿ5. a) Für Pferde, die wegen Krankheitsverdacht oder wegen voraussichtlicher Unheilbarkeit dieser Krankheit mit Zustimmung des Veterinäramtes getötet wurden und die
Krankheit nachgewiesen ist
Ÿ erhalten 80 vom Hundert d.g.W.
Ÿ b) Für verendete oder getötete Pferde, bei denen nach dem Tode Kopfkrankheit festgestellt wurde => erhalten 50 vom Hundert d.g.W.
Tierseuchenkasse Bayern: Satzung über die Leistungen der Bayerischen Tierseuchenkasse (Leistungssatzung) vom 6. November 2001 (geändert 16.Oktober 2003);
§2Nr.3. Bornasche Krankheit
Ÿ Beihilfen für Rinder, Pferde und Schafe, die getötet werden mussten oder verendet sind
Ÿ erhalten 50 % des reinen Schadens (Schätzwert bei Pferden höchstens 5000 Euro, Rinder höchstens 2000 Euro)
Voraussetzung: a) Nachweis der Krankheitsursache für jeden Verlust durch Untersuchung am Untersuchungsinstitut (mindestens Gehirn)
b) Befund über Zerlegung oder Krankschlachtung
c) Equidenpass (Original)
Tierseuchenkasse Hessen: Gesetz zur Neuregelung der Ausführungsvorschriften zum Tierseuchengesetz
und zum Tierkörperbeseitigungsgesetz vom 22. Dezember 2000. Sonstige Leistungen und Beihilfen mit
Rechtsgrundlage: hier Vorstandsbeschluß 08.01.1997
Ÿ Borna´sche Krankheit => Härtebeihilfe für Pferde die getötet wurden oder verendet sind
Ÿ 50 % des gemeinen Wertes, Schätzwert höchstens 3068 Euro
ŸVoraussetzung: Untersuchung an einer amtlichen Untersuchungsstelle
Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt: Satzung der Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt über die Gewährung von Beihilfen (Beihilfensatzung) vom 08.12.1999
(geändert 25.04.2000; 16.05.2003);
Anlage 15 Ansteckende Gehirn-Rückenmarksentzündung der Einhufer (Bornasche Krankheit)
Ÿ schriftlicher Antrag des Pferdebesitzers + Bestätigung der BK durch den Amtstierarzt (Labordiagnostische Untersuchung: Nachweis des Erregers oder Antigens)
Ÿ Gewährung von 50 v.H. des amtlich ermittelten Wertes des Tieres, jedoch höchstens 2500 Euro
Ÿ beizufügen ferner Befundbericht über Schlachttier- und Fleischuntersuchung + Erlösbeleg bei Notschlachtung
Tierseuchenkasse Thüringen: Satzung über Beihilfen der Thüringer Tierseuchenkasse (Beihilfensatzung) vom 14.Oktober 2002 (geändert 04.Dezember 2003);
Anlage zu § 1 Abs.2 Satz 1; 1.Pferd; 1.2 Bornasche Krankheit
Ÿ Tötung einschließlich Verendung infolge Erkrankung
Ÿ Voraussetzung:
a) Nachweis der Krankheit durch histologische Untersuchung oder Virusdiagnostik,
b) Vorlage des Ablieferungsscheins der Tierkörperbeseitigungsanstalt,
c) Schätzung entsprechend §4 Abs.4.
Ÿ Zahlung von 50 v.H. des gemeinen Wertes pro Pferd, höchstens 1500 Euro
Kommentare der Autoren: Dieses Gesetzesorganigramm gibt die wichtigsten historisch gewachsenen tierseuchenrechtlichen Maßregelungen der Bornaschen Krankheit (BK) wieder.
Bereits 1886 wurde sie als wichtige Viehseuche angesehen und anzeigepflichtig. Die rechtliche Handhabung wurde herabgestuft, und ab der Wiedervereinigung 1989 schien sie in ganz
Deutschland als meldepflichtig angesehen zu werden. Der seit 1995 stetig verbesserte Wissensstand zur BDV-Infektion in Deutschland, Europa und der Welt hat vor allem gezeigt, dass
die Infektion in der gesunden Pferdepopulation weit verbreitet ist. Das sporadische Auftreten der BK bietet bei mehrheitlich symptomfrei infizierten Pferdebeständen keine
Präventionsmöglichkeit, zumal diese auch nicht durch Impfung gegeben ist. Auf Grund dieser Datenlage sollte eine neue Risikobewertung der BDV-Infektion aus tierseuchenrechtlicher Sicht eingeleitet und die Streichung der BK aus dem Tierseuchenrecht diskutiert werden. Angestrebt werden sollte eine EU-Regelung, die eine einheitliche Handhabung
der BDV-Infektion beim Pferd auf der Grundlage moderner Diagnoseverfahren sowie Empfehlungen zur Therapie und Überwachung im Krankheitsfall vorsieht.
13
SONDERDRUCK
chungsrate von gut 60 % (Saarland
62,2 %; Bundesgebiet 63 %). Eine derart starke Verbreitung der Infektion in
der Pferdepopulation bedeutet, dass die
Pathogenität von Bornavirus nicht hoch
ist, wie früher angenommen, sondern
relativ niedrig und dass die Erkrankungsrisiken völlig neu ausgelotet werden müssen. Wenn die Antigenbelastung mit Krankheitsepisoden korreliert,
dann sollte sich bei manifest erkrankten
Pferden ein anderes Infektionsmarkerprofil als bei gesunden Trägern ergeben. In der Tat fanden wir bei akut
symptomatischen Tieren nicht nur eine
Infektionsrate von insgesamt 100 %,
sondern auch eine bei jedem zweiten
Tier signifikant erhöhte Antigenbelastung (CIC/pAG). Dass die Stärke und
Dauer der Antigenämie analog auch bei
Gesunden mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko korreliert und prognostischen Wert besitzt, konnte prospektiv
und exemplarisch an einem saarländischen Bestand gezeigt werden, bei dem
nach 7-8 Wochen andauernder hoher
Antigenämie 2 von 4 Pferden manifest
erkrankten. Erhöhte Krankheitsrisiken
durch hohe CIC/ pAG-Belastung wurden bundesweit bei 10 % und im Saarland bei rund 15 % der Pferdebestände
festgestellt. Die Überwachung dieser
gefährdeten Tiere durch vierteljährliches CIC-Monitoring ermöglicht die
rechtzeitige Reduktion von Virusaktivität begünstigenden Stressfaktoren
(Vermeidung z.B. von Umstallung, langen Transporten, Leistungsprüfungen).
Aus den im Saarland für annähernd 40
Fälle präzise dokumentierten Krankheitsverläufen geht eindeutig hervor,
dass zur Bornaschen Krankheit ein
vielfältigeres Symptomspektrum gezählt werden muss als früher angenommen. Dies deckt sich auch mit Auswertungen bundesweiter Pferdeuntersuchungen (Bode, 1999). Für die tierärztliche Praxis wird damit ein Umdenken
in Richtung einer klinisch erheblich
differenzierteren Verdachtsdiagnose
mit frühzeitiger labordiagnostischer
Abklärung erforderlich. Zur Implementierung einer einheitlichen Bewertung schlagen wir die Einführung eines
Punktesystems vor, das die 12 nach unserer Erfahrung wichtigsten Symptomkomplexe auch im Schweregrad bewertet (Borna-Skala). Die fünf im Detail
dargestellten Fallstudien aus dem Saar14
land spiegeln die Symptomenvielfalt
wider und zeigen darüber hinaus, dass
ein Verlaufsmonitoring im Blut bei jedem Verdachtsfall erforderlich ist (d.h.,
mindestens 2 Untersuchungen in Folge), zumal die Blutparameter den Infektionsschüben im Gehirn zeitlich und
quantitativ nicht immer entsprechen
müssen (Ludwig und Thein, 1977; Ludwig und Bode, 1997; Gosztonyi und
Ludwig, 1984, 1995; Ludwig und Bode,
2000).
Wie sich bereits aus offenen Studien
beim Menschen postulieren ließ (Ferszt
et al., 1999; Dietrich et al., 2000), hat
die Amantadintherapie bei erkrankten
Pferden im Saarland – und wie auch an
zahlreichen Fällen über ganz Deutschland demonstriert – einen durchschlagenden Erfolg gezeigt. So konnten immerhin klinischen Berichten zufolge
mehr als 80 % der Tiere nach durchschnittlich 7,5 Wochen als gebessert
vorgestellt werden. Bei der Mehrheit
der gesund gewordenen Pferde hatte
die virostatische Behandlung dazu geführt, dass die Belastung mit Antigenen
im Blut nicht weiter angestiegen war
bzw. abnahm. Die BDV-Infektion wird
zwar nicht eliminiert, aber die Virusaktivität nach einem erfolgreichen Behandlungszyklus nachhaltig reduziert.
Die Bornasche Krankheit galt bisher als
unbehandelbar. Ein Großteil dieser
Pferde wäre ohne Therapie eingeschläfert worden. Mit dieser nebenwirkungsfreien Behandlung hat der Tierarzt nach Infektionsdiagnose unseren
Daten zufolge ein neues effizientes Instrument in der Hand, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit wertvoller
Tiere wieder herzustellen.
Wir haben schließlich an diesem
Krankheitsgeschehen die tierseuchenrechtliche Situation der Bornaschen
Krankheit mit unseren Hinweisen auf
die Bedeutung der BDV-Infektion aufgezeigt. Eine kritische Wertung besagt,
dass bei dem hohen Infektionsgrad mit
Bornavirus und der in Relation dazu
geringen Erkrankungsrate kaum mehr
von einer Seuche mit Maßregelungsbedarf gesprochen werden kann. Dies
heißt, dass die in dieser Studie zusammengestellten Rechts- und Verordnungsvorschriften als überholt angesehen werden müssen. Durch die hohe
Zirkulationsrate von BDV in der Pferdepopulation ist eine Meldepflicht
wertlos geworden. Die Meldung und
amtliche Registrierung an Bornascher
Krankheit gestorbener Pferde kann jedoch noch von statistischem Wert oder
für staatliche Beihilfen relevant sein.
Die hier präsentierten Daten legen nahe, eine Diskussion über BDV Infektionen mit dem Gesetzgeber auf den Weg
zu bringen, damit eine Neujustierung
auch von tierseuchenrechtlicher Seite
geschaffen werden kann. Erstrebenswert ist eine einheitliche Regelung auf
EU-Ebene. Hierfür wäre allerdings die
Erhebung belastbarer Prävalenzdaten
in den Mitgliedsstaaten erforderlich.
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Anmerkungen
und Danksagung
* Die Autoren LB und HL trugen in
gleicher Weise zum Konzept, Präsentation und Schlussfolgerungen im Manuskript bei.
Für sorgfältige Aufarbeitung und Prozessierung der Blutproben danken wir
Gülsüm Baykal und Christine Berndt,
Robert Koch Institut. Herrn Peter
Thein, LMU München, sei für zahlreiche Ratschläge und Informationen zu
Klinik und Therapie beim Pferd gedankt. Herr Roman Stoyloff war an in
vitro-Studien zur Amantadinwirkung
auf BDV entscheidend beteiligt. Besonderer Dank für wertvolle klinische
Informationen und Beobachtungen gilt
den zahlreichen Tierärzten/Innen, Tierbesitzern und Tierliebhabern. Die Untersuchungen wurden durch Forschungsgelder des RKI, der FU-Berlin
und der Tierärztlichen Klinik Altforweiler unterstützt.
Anschrift der Verfasser:
PD Dr. Liv Bode, Robert Koch-Institut,
Projekt Bornavirus-Infektionen, Nordufer 20, 13353 Berlin;
Prof. Dr. H. Ludwig, Institut für Virologie, Freie Universität Berlin, KöniginLuise-Strasse 49, 14195 Berlin
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