Neue Therapiemodalitäten
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Neue Therapiemodalitäten
MEDIZIN FORUM Multiple Sklerose Neue Therapiemodalitäten Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Schutzschicht der im Gehirn und Rückenmark verlaufenden Nervenfasern zerstört wird. In den letzten Jahren wurden einige wichtige Fortschritte bei der Therapie der MS gemacht. Therapiebeginn bereits beim ersten Schub Da zunehmend Hinweise vorliegen, dass ein früher Therapiebeginn bereits nach dem ersten Schub sich günstig auf den weiteren Verlauf der Krankheit auswirken kann (5), wird heute dem Anfangsstadium der Erkrankung, dem sogenannten CIS, mehr Bedeutung geschenkt als früher, wo jeweils noch auf einen weiteren Schub gewartet wurde, bevor Medikamente eingesetzt wurden. Unter CIS inne versteht man die erste klinische Manifestation, die innerhalb der nächsten Jahre mit grosser Wahrscheinlichkeit in eine definitive MS h ko übergeht. Multifokale MRI Läsionen wurden als ein erhöhtes Risiko eseines raschen Übergangs zur MS angesehen und gemäss den neuesoch ten Diagnosekriterien (6) genügt der Nachweis von frischen, jedoch ne klinisch asymptomatischen Gadolinium aufnehmenden Läsionen, um das Vorliegen einer MS zu erhärten, was einer früheren und spezifischeren Diagnosestellung entspricht. Da unsere bisherigen Therapien wenig bis keinen direkten Einfluss auf die Neurodegene Neurodegeneration nehmen, ist eine frühe Einflussnahme auf die entzündlichen Aspekte wichtig, um einer Neurodegeneration vorzubeugen. Eine n indizie Frühtherapie ist deshalb in den meisten Fällen indiziert D med. d. Claude Vaney V Dr. Crans-Montana ontana f. Dr. med. Tobias De Prof. Derfuss Basel Therapiemöglichkeiten erapiemöglichkeiten bei schubförmiger schub MS Aktuell ktuell sind bei schubförmiger MS Theerapien mit Interferon beta aferon), Interferon beta 1a s.c. (Rebif) und i.m. (Avo1b s.c. (Betaferon), nmodulator Glatirameracetat Glatira nex), der Immunmodulator (Copaxone) und das neu ent Fingolimod Fingoli neue orale Medikament (Gilenya) zugelassen. Während di die Interferone und Glati Glatirameracetat nebst einer verminderten Krankhe m MRI M auch eine ca. 30% Reduktion der Krankheitsaktivität im rlichen Schubrate bewirken, bew jährlichen weist Fingolimod eine ca. 50% Reduktion der jährlichen Schubrate auf (7). Durch Hemmung des Auswandernss von Lym Lymphozyten aus den Lymphknoten führt Finggolimod zu einerr Re Reduktion der Lymphozyten im Blut. ass die wichtigsten Punkte, welche bei der VerabTabelle 1 fasst reichu reichung von Fingolimod beachtet werden müssen, kurz zusammen. Trotz diesem erheblichen guten Effizienznachweis empNebenwirkungen und Vorsichtsmassnahmen assnahmen bei und vor der Einnahm Einnahme fiehlt der ärztliche Beirat der TAB. 1 von Fingolimod (Gilenya) SMSG weiterhin auch einen Problembereich Massnahmen Therapiebeginn mit Interferonen oder Glatirameracetat als ronotrope Effe HerzrhythmusBei der ersten Verabreichung ist der n negativ chronotrope Effekt (Brady kardie, AV-Block, störungen QTc- Zeit) zu beachten. Dieser Effekt kli klingt mit den weitere weiteren Gaben rasch ab. Entsprechend sinnvolle Option, insbesondere er Erstabgabe ein kardiova ist nur bei der kardiovaskuläres Monitoring vorgeschrieben (Kontinuierliches wenn Hinweise auf einen beniMonitoring mitt EKG über 6 Stunden Stunden). gnen Verlauf (niedrige SchubInfektionsgefahr Von infektiologischerr Seite zeigten sich Infekte der u unteren Atemwege etwas gehäuft unter frequenz, afferente Symptome, limod ; opportunistische ische Infektionen oder ein Fingolimod eine allgemein erhöhte Infektrate traten unter monofokale Schübe, schneleser Therapie bisher bi dieser aber nicht auf. le und vollständige Remission) Wegen der seltenen Kom Makulaoedem Komplikation eines Maku Makulaödems wird vor sowie nach vier Monaten vorliegen, zumal die Sicherheit ophthalmologi suc Therapie eine ophthalmologische Untersuchung empfohlen. dieser Therapien durch Langu Lymphopenie Bei einem Abfall der Lymphozyten unter 200/ml kann eine Therapiepause oder eine Gabe zeitdaten gut belegt ist (8). Bei erw von Fingolimod jeden zweiten Tag erwogen werden. In den klinischen Studien waren erniedaktivem Krankheitsverlauf ni rigte Lymphozytenwerte allerdings nicht mit einer erhöhten Infektrate assoziiert. (hohe Schubfrequenz, efferente LeberBei einem A Anstieg der Leberwerte über das Fünffache der oberen Norm sollte Fingolimod pauSymptome, multifokale Schubenzymanstieg manstieg siert werden und eine entsprechende Diagnostik zur Klärung der Ätiologie eingeleitet werden. symptomatik oder schlechte Schwangerschaft wanger Frauen en im gebärfähige gebärfähigen Alter sind auf eine wirksame Empfängnisverhütung aufmerksam zu Remission) ist aber auch schon machen. Da die Eliminatio Elimination von Fingolimod nach Absetzen des Medikaments etwa 2 Monate dauert, sollte Fingolimod mindestens 3 Monate vor einer gewünschten Konzeption abgesetzt initial eine Therapie mit Fingowerden. Eine unerwartete wart Schwangerschaft unter Fingolimod ist aber keine zwingende Indikatilimod gerechtfertigt. Auch Paon für einen Schwangerschaftsabbruch. Fingolimod soll in diesem Fall sofort abgesetzt werden. tienten, die kategorisch eine Blutdruckanstieg uckanstieg Der B Blutdruck geht insgesamt etwas hoch unter Gilenya. Injektionstherapie ablehnen, der informierte arzt _ 03 _ 2013 25 MEDIZIN FORUM TAB. 2 Stufentherapie der Multiplen Sklerose (gemäss Empfehlungen des ärztlichen Beirates des SMSG) MS-Stadium CIS Eskalationstherapie Basistherapie • Interferon beta 1a i.m. (Avonex) • Interferon beta 1b s.c. (Betaferon) • Glatirameracetat s.c. (Copaxone) • Interferon beta 1a s.c. (Rebif) (alle gleichwertig-alphabetisch geordnet) Schubbehandlung Schubförmige MS Sekundär progrediente diente MS (mit aufgelagerten ten Sc Schüben) Natalizumab (Tysabri) 2. Wahl : Mitoxantron • Interferon beta 1a s.c. eta 1 • Interferon beta eta 1b s.c. • Mitoxantron • Interferon beta 1a i.m. • Interferon beta 1b s.c. • Glatirameracetat s.c. • Interferon beta 1a s.c. • Fingolimod (Gilenya) Natalizumab (Tysabri)* 1. Wahl: Pulstherapie mit Methylprednisolon i.v. 0,5–1g/d während 3 oder 5 Tagen; Oder oral 500 mg mg/d. während 5 Tagen mit jeweils optionalem Ausschleichen der Steroide. 2. Wahl: Plasmapherese * Natalizumab ist auch als initiale Therapie bei Auftreten von mindestens zwei Schüben mit Behinderungscharakter innerhalb eines hinderungs nes Jahres und un zusätzlichen para-klinischen Zeichen der Krankheitsaktivität im MRI zugelassen. aber aus klinischer Sicht eine prophylaktische Therapie benötigen, sind Kandidaten für eine Therapie mit Fingolimod. Umsteigen auf andere Therapie Die Basistherapien sowie die Eskalationsmöglichkeiten sind in der Tabelle 1 vereinfacht dargestellt. Tysabri, ein monoklonaler Antirt körper, der alle vier Wochen als Infusion verabreicht wird, blockiert en die Migration von Lymphozyten in das ZNS. In klinischen Studien konnte Natalizumab die Schubrate um über 60% vermindern (9). Natalizumab ist auch als initiale Therapie bei Auftreten von minrhalb eines destens zwei Schüben mit Behinderungscharakter innerhalb Jahres und zusätzlichen para- klinischen Zeichen der Krankheitsrapie kann Nataliaktivität im MRT zugelassen. Als Eskalationstherapie tz Basistherapie Basisth zumab bei Patienten eingesetzt werden, die trotz mit eiterhin Erkrankungseinem IFN-Präparat oder Glatirameracetat weiterhin schübe aufweisen. oher Wirksamk Bei sonst sehr guter Verträglichkeit und hoher Wirksamkeit ist ränkt w der Einsatz von Natalizumab eingeschränkt wegen des Risikos, eine alopathi (PML) durch rch das JCprogressive multifokale Leukenzephalopathie Virus zu entwickeln (10). ägt über alle mit Natalizumab Natal Das Risiko einer PML beträgt be:1000 und kann bei vorausgegangevorausgegang handelten Patienten etwa 2,13:1000 ner immunsuppressiver Therapie, positivem JCV-Antikörperstatus mab-Therapie ein Risiko von und ab dem dritten Jahr der Natalizumab-Th en negativ für JCV-AnJCV-A bis zu 1:100 erreichen. Wenn jedoc jedoch Patienten n sie ein sehr niedri o für die Ent tikörper sind, haben niedriges Risiko Entwicka. 1:10 000). lung einer PML (ca. genannten «Basistherapien» (Interferone, (Int Wirken die sogenannten Glatiraenügend oder müssen diese wegen NebenwirkunN meracetat) nicht genügend ochen werden, ist auch die Umstellung aauf Fingolimod gen abgebrochen alationsmöglichkeit, zumal sich Fingolimod Fingolim in einer Vereine Eskalationsmöglichkeit, tudie gegenüber IFN-β1a i.m. überlegen gezeigt hat. gleichsstudie Möglichkeiten öglichkeiten der Behandlung de der progredienten MS Formen Bei ei sekundär progredientem Verlauf kann k eine Behandlung mit 1b oder IFN-β1a s.c., bei aggressiverem Verlauf oder VersaIFN-β1b N-Behandlung eine e gen der IFN-Behandlung Mitoxantron-Therapie sinnvoll sein 26 (11). Allerdings gilt es bei der Mitoxantron-Therapie das Nutzeno-Verhältnis sorgfältig abzuwägen, zumal zu Risiko-Verhältnis diese Behandlung das Risiko einer Kardiomyopathie oder eeiner Leukämie birgt. Beint die Wirksamkeit einer Mitoxantron-Therapie, grenzt erscheint nen rein progredienten progredien Verlauf ohne überlagerte wenn es sich um einen Schü Schübe und ohne neue Krankheitsa Krankheitsaktivität im MRI handelt. Bei primär pri erlau progredient verlaufenden MS Formen hingegen verfügen wir aktuell aktue über keine wi wirksame Behandlung. Es laufen aktuer Studien zur primär progredienten MS mit Fingolimod und ell aber ab. Zur Behand Ocrelizumab. Behandlung der sekundär progredienten MS bri getestet. getest wird auch Tysabri Zukunft der Behandlung Zuku Beh der multiplen Sklerose Vielvers Vielversprechend, aber wegen den potentiellen NW auf das Immunystem (erhöhte (e system Rate von Infekten, sekundäre Autoimmunerkranngen w kungen wie z.B. Thrombozytopenien, Schilddrüsenerkrankung). icht ganz ga ungefährlich, ist die Behandlung mit dem monoklonaNicht en Antikörper Anti len Alemtuzumab. In zwei eben erschienenen Studien reduzi reduzierte Alemtuzumab die Schubrate um 49–55% mehr als IFN-β (12) (12). Es wird mit Spannung erwartet, ob die Substanz, welche bere reits bei anderen immunologischen onkologischen Krankheiten angewendet wird, im Verlauf des nächsten dieses Jahres auch in der Schweiz auch für die MS zugelassen wird. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils wird es aber wahrscheinlich eher als Eskalationstherapie zum Einsatz kommen. Ebenfalls möglicherweise 2013 erhältlich sollte BG 12, ein Abkömmling der Fumarsäure, sein. In einer Studie mit 1237 Patienten wiesen nur 17% der BG 12 einnehmenden Patienten Schübe auf, wogegen 36% der Placebo Patienten Schübe erlitten ; auch hier ein Wirksamkeitsgewinn um 50% (13). Ähnlich erfreuliche Unterschiede fanden sich bezüglich der Krankheitsprogression gemäss dem EDSS. In einer weiteren grossen Phase III Studie konnten die Ergebnisse – bis auf den Einfluss auf die Krankheitsprogression – reproduziert werden. Als weiteres orales Präparat ist Teriflunomide, ein Abkömmling von Arava, als Medikament für die schubförmige MS kommendes Jahr zu erwarten. In zwei grossen Phase III Studien konnte die höhere Dosierung von 14 mg eine signifikante Reduktion der Schubrate um 31–36% und der Behinderungsprogression zeigen. 03 _ 2013 _ der informierte arzt MEDIZIN FORUM Teriflunomide wurde inzwischen schon in den USA und in Australien für die schubförmige MS zugelassen (14). Nebst den erwähnten Medikamenten könnte künftig die prophylaktische Abgabe von Vitamin D an therapeutischer Bedeutung gewinnen. Hierzu läuft aktuell die SOLAR Studie, die die Kombination aus hochdosiertem Vitamin D und Rebif testet. Epidemiologische Studien deuten auch daraufhin, dass Lifestyle Faktoren wie Rauchen und Übergewicht einen Einfluss auf MS haben könnten. Die Hypothese einer italienischen Forschergruppe (1), dass ein gestörter venöser Abfluss im Gehirn und Rückenmark die Ursache für MS sein könnte, hat sich allerdings in mehreren Studien als nicht richtig erwiesen (2–4). Vor einer entsprechenden Therapie durch Ballondilatation wird wegen der schwerwiegenden Nebenwirkungen deshalb dringend abgeraten. Dr. med. Claude Vaney Berner Klinik Montana Chefarzt Neurologie Zentrum für medizinische und neurologische Rehabilitation Impasse Bellevue 1, 3963 Crans-Montana [email protected] Prof. Dr. med. Tobias Derfuss Facharzt Neurologie FMH, Oberarzt Neurologische Klinik, Universitätsspital Basel Petersgraben 4, 4031 Basel Literatur: 1. Zamboni P, et al. Chronic cerebrospinal venous insufficiency in patients atients with 2–9 multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2009;80:392–9 cular treatment treatm 2. Zamboni P, et al. A prospective open-label study of endovascular of 009;50:134 chronic cerebrospinal venous insufficiency. 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N Engl J Med 2011;365:1293-1303 sclerosis. B Literatur am Online-Beitrag unter: www.medinfo-verlag.ch Take-Home Message sage beginn, bereits nach dem ersten rsten Schu Schub wirkt sich ◆ Früher Therapiebeginn, günstig auf den Krankheitsverlauf aus Interferone oder Glatirameracetat atirameracetat weiter◆ Bei schubförmigerr MS stellen Interf hin eine sinnvolle Option ption zum Ther Therapiebeginn dar, insbesondere sbesondere wenn Hinweise auf einen benignen ignen Verlauf vo vorliegen verlauf (hohe Schubfre Schubfrequenz, efferente Symp◆ Bei aktivem Krankheitsverlauf tome, multifokale Schubsymptomatik bsymptomatik oder schlech schlechte Remission) ist schon initial eine Therapie mit Fingolimod od gerechtfertig gerechtfertigt erferone, Glatiram Glatiramerace◆ Wirken die sogenannten «Basistherapien» (Interferone, tat) nicht genügend ügend oder mü müssen diese wegen Nebenwirkungen enwirkung abgebrochen werden, rden, ist die Umstellu Umstellung auf Fingolimod oder er N Natalizumab (bei ungenügender ügender Wirksamkeit) Eska Eskalationsmöglichkeiten keite