Eine Kalaschnikow am Flughafen kaufen?
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Eine Kalaschnikow am Flughafen kaufen?
russland.COMMUNITY: Friedensfahrt Begegnungskonsum für Frieden Die – den Von Evelin Pietza – Vom 07. bis 21.August machten sich rund 250 Menschen auf den Weg von Berlin nach Moskau. Die Friedensfahrt 2016 war gestartet und die Irrfahrt meiner Gedanken und Gefühle dazu begann. Die „Friedensfahrt“, an sich eine gute Idee, ist, gerade heute, ein klares Zeichen der russisch-deutschen Völkerverständigung und wichtiger als je zuvor. Aber sind wir trotz Euphorie und Freude dann doch so fair und zollen, wenigstens im Nachhinein, den über 240 Organisationen und Vereinen in Deutschland unseren Respekt, die sich seit Jahrzehnten um einen freundschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern bemühen? Das machen sie oft leise und von der breiten Öffentlichkeit unentdeckt. Dennoch leisten sie alle einen großen Beitrag zur Verständigung beider Länder, hätte man das nicht erwähnen sollen? Auch die vielen Menschen, die beständig mit Russland in Kontakt stehen, über ihre Erfahrungen in Russland berichten und den Deutschen versuchen Russland nahe zu bringen, hätten Erwähnung finden sollen, wenigstens als Gesamtheit, oder etwa nicht? Hat man von all dem etwa nichts gewusst? Doch, das hat man, denn ich persönlich habe die Liste mit den Adressen von allen Organisationen und Vereinen an die Organisatoren der Friedensfahrt gesendet. Jeder möge sich die Frage also selbst beantworten, warum man dennoch den Weg wählte, den Menschen zu suggerieren, es würde „völkerverbindendes“ Neuland betreten. Aber gut, lassen wir das und schauen einfach nur auf die Friedensfahrt, die ja wirklich Gutes zum Ziel hatte. Man wollte den Menschen in Russland die Hand reichen, sie kennen lernen und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Man wollte den Russen zeigen, dass viele Menschen hier in Deutschland keine feindlichen Gefühle gegenüber Russland hegen und nicht hinter der russlandfeindlichen Rhetorik der Politik und der Medien stehen. „Kennen lernen“ wollte man Russland. Diese Idee war super! Nur, warum erzählt man dann im „Werbevideo“ zur Friedensfahrt von Suppenküchen in Sankt Petersburg und obdachlosen Kindern in Moskau? Ich dachte, man war noch gar nicht Russland und wollte diese Land erst kennen lernen, woher dann diese vorgefertigten Bilder und warum vor allem vermittelt man diese noch vor Beginn der Reise hier in Deutschland, wo man den Russen doch vorurteilsfrei begegnen wollte? Ich kenne keine Zahlen über obdachlose Kinder in Moskau, aber ich weiß, wie viele es davon in Berlin gibt. Ob wir hier in Deutschland voller Freude darüber wären, wenn eine Delegation russischer Menschen die obdachlosen Kinder am Bahnhof Zoo besuchen würde oder eine Ausgabestelle der Tafel, die immerhin jährlich eine Million Menschen versorgt, um ihnen unter die Arme zu greifen? Würde das nicht ein gewisses Unbehagen bei uns erzeugen? Ich bin sicher, dass würde es! Warum also glauben wir, dass es in anderen Ländern die Menschen nicht stört, wenn wir sie so darstellen, als wären sie auf unsere Hilfe angewiesen? Ich habe versucht, der Friedensfahrt im Netz zu folgen. Das war aufgrund der Fülle an Informationen gar nicht so einfach, denn oftmals war ich damit beschäftigt, die Ebene zu orten, auf der man sich gerade beim Berichten der Ereignisse befand. Es vermischten sich bemüht objektive Darstellungen der Situationen mit subjektiv, emotionalen Sichtweisen. Da wurde unter anderem beim Besuch des Militärmuseums der Wunsch geäußert, doch alle Militärgeräte einzuschmelzen, um daraus Kochplatten herzustellen. In Anbetracht der derzeitigen geopolitischen Lage ein mehr als naiver Wunsch. In einem anderen Interview erklärte man, dass die Menschen dort vor allem die Freude an der gleichen Sache eint, aber auch, dass sie ihren Urlaub opferten und nun 14 Tage auf Komfort verzichten. Wahrscheinlich meinte man die Strapaze der Reise, aber manchmal ist es wirklich besser zwei bis drei Wörter mehr zu nutzen, damit die Botschaft nicht falsch verstanden wird. Auch dass man auf dem Roten Platz so etwas wie Cafés vermissen würde, wurde der Menschheit mitgeteilt. Ungeachtet dessen, dass es gleich um die Ecke nur so von Cafés wimmelt. Aber was es nicht gab, war ein gemeinsames Statement zum Tag. Es gab keine plausible Erklärung, was man an den einzelnen Tagen unternehmen würde oder wer die Menschen sind, die man vor Ort antrifft. Unter einen Bürgermeister kann man sich ja etwas vorstellen. Wenn es aber um Vereine, Stiftungen und dergleichen geht, wird es schon schwieriger. Auch, dass man nichts von diesen Russen vor Ort hörte – schade. Hatten die nichts zu sagen, was für die Menschen in Deutschland interessant gewesen wäre? War diese Fahrt also eine Art verbale Einbahnstraße? Nach dem Motto: „Wir zeigen und erzählen Euch, wer wir sind, aber wir lassen euch nicht erzählen, wer ihr seid. Die Darstellung übernehmen wir selbst, indem wir erklären wie ihr seid?“ Oder bekommen das die Menschen erst im Nachhinein, aufbereitet in Form einer Dokumentation, zu sehen? Dabei hätte es mich gefreut, wenn man gute Fragen gestellt hätte, um den Daheimgebliebenen die Antworten der Menschen zu übermitteln. Das ist für mich ein Teil der Völkerverständigung, ein wichtiger Teil! Da war es fast Glück, dass das Auto einer der Teilnehmerinnen kaputt ging und sie dadurch gezwungen war, diese Reise in einen ganz anderen Tempo zu vollziehen. Es folgte das, was – zumindest für mich – der eigentliche Sinn der Fahrt war. Die direkte Begegnung mit russischen Menschen, ganz ohne Protokoll und Zeitplan. Das Kennenlernen und gemeinsam Zeit zu verbringen standen von nun an auf dem Programm und Dank der täglichen Berichte, durfte man an diesen Erlebnissen teilhaben. Da gab es ganz persönliche Geschichten, Bilder von Menschen denen man in den Straßen begegnete und von den kleinen Momenten, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Das fühlte sich für mich als Außenstehende auf einmal richtig und stimmig an. Kein Konsumieren der Begegnungen mehr, keine Hetzerei, um dem überladenen Terminkalender Genüge zu leisten. Und ich stellte mir die Frage, waren eigentlich alle im Vorfeld bereit, die notwendige Zeit zu investieren, um sich über die Menschen in Russland, ihre Mentalität, ihre Werte und ihre Gepflogenheiten zu informieren? Es ist für mich eine Frage von Respekt und Wertschätzung, sich mit seinen Gegenüber auseinander zu setzen. Nicht im Nachhinein, sondern im Vorfeld. Es gibt viele Unterschiede zwischen Russen und Deutsche, vor allem was das Höflichkeitsgebaren betrifft. Wenn sich die Menschen ein Lächeln schenken, dann kommt das aus dem Herzen und ist kein Zeichen der höflichen Geste. Es gibt noch mehr Dinge, die man wissen sollte, alleine schon, um einer anderen Mentalität respektvoll begegnen zu können und nicht Gefahr zu laufen, sie aus Unwissenheit zu kränken. Eine Friedensfahrt die solch große Ziele verfolgt, kann es sich nicht leisten auf Wissen zu verzichten. Nicht, wenn sie wirklich ihr Ziel erreichen will und schon gar nicht, wenn sie die Menschen in Russland, auch nachhaltig, von der überzeugen soll. Glaubhaftigkeit ihrer Motivation Die Frage, die mir am Meisten auf der Seele brennt ist, warum man diese Fahrt derart personifizieren musste. Warum war es notwendig, der Fahrt hinter die Gesichter einiger Wenigen zu stellen, die unentwegt im Fokus der Öffentlichkeit standen? Warum konnte man nicht den Menschen, die diese Fahrt erst durch ihr Dabeisein möglich machten, die gleiche Ebene anbieten? Diese Personifizierung führte am Ende dazu, dass eine Differenzierung gar nicht mehr möglich war. Man hörte immer die gleichen Worte. Auf der einen Seite stand der Rebell aus dem Osten, auf der anderen Seite der Gelehrte aus dem Westen. Man nutze die Medien in Russland, um die eigenen Medien zu kritisieren und um die eigene Regierung zu kritisieren. Manchmal versuchte man die Kritik mittels augenzwinkernden Sarkasmus aufzulockern. Sicher ist es legitim dort zu erklären, dass auch hier nicht immer nur die Wahrheit vermittelt wird. Aber sind wir doch ehrlich, darüber ist in Russland doch schon lange niemand mehr im Zweifel. Dort verfolgt man sehr genau die Medien in Deutschland und weiß längst, welche Qualität die Berichterstattung hier hat. Es wäre also nicht notwendig gewesen, unentwegt zu erklären, wie tief gespalten Deutschland eigentlich ist und vor allem gleichzeitig zu vermitteln, dass man überhaupt keine Ahnung habe, wie man diesen Spalt jemals wieder kitten könnte. Hat man nicht gemerkt, dass man das Bild eines Landes vermittelte, welches seine größte Herausforderung erst noch vor sich hat? Denn eines hat man in Russland deutlich gemacht: Dass es in Deutschland keine Einheit mehr zwischen Staat und Menschen gibt. Man hat aber auch nicht vermitteln können, dass man eine Lösung hätte, um das zu ändern. Ganz sicher haben das die Russen im ersten Augenblick als Zuspruch gewertet und positiv im Bezug auf ihr Land gesehen. Aber auf lange Sicht hat man damit etwas ganz anderes erreicht. Man hat Deutschland als wirklich schwaches Land dargestellt, denn in Russland ist vor allem die Loyalität dem eigenen Land gegenüber ein wichtiger Faktor. Gerade in der jetzigen Zeit, in der Russland so offensichtlich immer wieder das Ziel ausländischer, unsachlicher Kritik wird und die westliche Welt sehr stark damit beschäftigt ist, Russland in allen Bereichen als ein schwaches und kritikwürdiges Land darzustellen, ist der Zusammenhalt der Menschen und ihre Loyalität dem eigenen Land gegenüber mehr als wichtig. Sie verstehen das als ihre Stärke. Zusammenhalt, Solidarität seinen Mitmenschen gegenüber, ein gewisser Verzicht in schwierigen Zeiten und vor allem das Festhalten an den eigenen Traditionen und Werten sowie für die Gesamtheit einzustehen, das alles gibt den Russen die notwendige Energie, in solchen Situationen eher zu wachsen, als an ihnen zu zerbrechen. Wir wollten ihnen mitteilen, dass wir ihre Freunde sind, dass wir an ihrer Seite stehen, haben ihnen aber auch gezeigt, dass wir eigentlich gar nicht stabil sind. Der Russe hat dieses Zeichen längst verstanden, auch wenn es ihm noch gar nicht bewusst ist. Nicht falsch verstehen, der Grundgedanke ist mit Sicherheit so verstanden worden, wie er gedacht wurde, aber man war sich offenbar ganz oft nicht bewusst, welche Symbolik hinter so manchen eigenen Worten und Handeln steckte. Es sind die Kleinigkeiten, die zeigen, wie weit entfernt wir wirklich von der Tiefe der Erkenntnis geschichtlicher Ereignisse und der daraus resultierenden Schlussfolgerungen für das eigenen Handeln im Hier und Jetzt entfernt sind. Wenn man einen Kranz niederlegt und den Opfern des 2.Weltkrieges gedenkt, die auch Opfer wurden, weil damals so viele Menschen – aus welchen Gründen auch immer – einfach folgten, ist das eine gute Sache! Wenn man sich dann aber unmittelbar darauf bedingungslos einem Ausflug anschließt, der einen auf das Anwesen eines Sterligovs bringt, von dessen Weltsicht, Wirken und Vergangenheit man offensichtlich überhaupt keine Ahnung hat, zeigt das dann nicht deutlich, wie sehr wir immer noch in den gleichen Fußstapfen stecken? Vor allem, wenn man „der Welt da draußen“ die Bilder des Besuches mit den Worten „wir können noch vieles von den Russen lernen“ präsentiert. Auf der einen Seite tanzt man mit einer Regenbogenfahne in der Hand an der Grenze zu Russland und auf der anderen Seite hofiert man einen Sterligov, der ganz klar äußerte, dass er homosexuelle Menschen töten lassen würde und dass jeder Mann, der keinen Bart trägt ein Ketzer Gottes wäre. Wird dann die eigene Ahnungslosigkeit nicht auch zur Gefahr für das eigene Wirken und ist sie überhaupt ein Argument? Wäre es nicht sogar die Pflicht gewesen, sich genau zu informieren, wen man in Russland besucht, mit wem man sich austauscht und welche Sicht auf die Welt von denjenigen vertreten wird? Die Frage muss erlaubt sein, ob so viele Besuche politischer Natur überhaupt sinnvoll waren, wo man doch selber gar nicht in der Lage war politisch klar zu agieren, da man ja in der Gruppe 250 Menschen vereinte, die ganz unterschiedlicher, politischer Ausrichtung waren. Welcher Grund verbirgt sich hinter dieser Leichtsinnigkeit des Handelns? War man wirklich der Meinung, dass man unter dem Mantel der Friedensfahrt sämtliche Grenzen aufbrechen kann und die Symbolik des eigenen Tuns keine Relevanz mehr hat? Dass dieser Gedanke sehr naiv ist, dürfte klar sein. Daher vermute ich eher, dass man sich da seiner Sache einfach zu sicher war. Der gute Gedanke der Friedensfahrt wurde gleichzeitig zum Mantel der Unverwundbarkeit. Man glaubte wohl, er würde alles relativieren, was man an kritischem Einwand zu befürchten hätte. Hier die Zeilen eines Teilnehmers, die mehr als deutlich machen, dass man offensichtlich die eigene Widersprüchlichkeit nicht erkennt: „Jetzt ist erneut eine Stunde von Bernd. Er stellt sich gut sichtbar in den Vordergrund und hält Allen ein Buch entgegen, Es geht um eine kriminalistisch/forensisch exakte Dokumentation aus dem faschistischen Deutschland der Mordtaten von Katyn. Die Morde wurden von einer mehr oder weniger unabhängigen internationalen Kommission untersucht und eindeutig der russischen Seite zugeschrieben. Diese Anklagen wurden von der Sowjetunion zurückgewiesen und jede Beteiligung geleugnet. Bei späteren Prozessen (Nürnberger Tribunal) wurden die deutschen Dokumente nicht zugelassen.“ Und am Ende liest man das und fragt sich unweigerlich, ob man dort das eigene Tun nicht reflektiert: „Katyn war ein unverzichtbarer Bestandteil der Fahrt und ein Höhepunkt zum Ende hin. Er bekräftigte die politisch-moralische Unabhängigkeit des ganzen Unternehmens von Staats- und Parteiinteressen. Das ist die erklärte Haltung der TeilnehmerInnen.“ Vermutlich wird dieser Besuch viele Russen, vor allem denen man vorher die Hand schüttelte, sehr enttäuschen. Und wer das nicht versteht, der muss wirklich aus der Welt herauskommen, in der man sich einfach trifft, um alle Waffen zu Herdplatten zusammen zu schmelzen, während man ein Liebeslied singt. Selbst wenn dieser Gedanke eine durchaus liebenswerte Komponente hat. Es ist einfach notwendig nicht seinen Wunschgedanken nachzuhängen, sondern der Realität respektvoll zu begegnen, wenn man so eine wichtige Reise unternimmt. Es gäbe noch viel zu schreiben. Ich habe versucht darauf zu warten, dass meine Enttäuschung der notwendigen „subjektiven“ Objektivität weicht, um dann den Fokus mehr auf das Positive des Ganzen zu richten, aber das ist mir nicht ganz gelungen. Aber vielleicht ist das auch gut so. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass man sich unbedingt mit kritischen Meinungen auseinander setzen muss, wenn sich etwas entwickeln soll. Oft liest man, dass man etwas nicht kritisieren darf, weil man sonst nur spalten würde. Aber diese Argumentation ist eigentlich ein Werkzeug der Manipulation. Wenn man sich in den grundlegenden Dingen einig ist, ist es sogar notwendig Kritik zu üben, damit man sich entwickelt. Jede Bewegung ist lediglich so stark, wie sie in der Lage ist, der inneren Zerreißprobe stand zu halten, die sich immer von den unterschiedlichen Sichtweisen aller Beteiligten nähren wird. Es ist also viel wichtiger eine gewisse Resilienz zu fördern, statt sich immer nur im Kreis zu drehen, da man die eigene Entwicklung nicht zulassen möchte. Ich beende diesen Artikel in der Hoffnung, dass eine weitere Friedensfahrt, so sie jemals stattfindet, wirklich nur der Begegnung gewidmet sein wird. Dass es möglich ist, ein Instrumentalisieren durch einige Wenige von Anfang an zu verhindern und das man sich die Zeit nimmt, den Menschen in Russland wirklich zu begegnen. Russen konsumieren keine Begegnungen, sie leben diese. Für Russen ist Gastfreundschaft kein Ausdruck von Höflichkeit, um in den Augen des anderen positiv wahrgenommen zu werden, sondern sie ist dort ein Teil der Mentalität dieser Menschen. Die Seele Russlands findet sich wieder in ihrer Art Menschen zu begegnen, damit sollte man sehr respektvoll umgehen, wenn man wirklich eine freundschaftliche Verbindung möchte! Und es stimmt, wir können noch Vieles lernen von den Russen. Beginnen wir damit Fehler einzusehen, damit wir sie nicht mehr wiederholen und zeigen wir unseren Ego den Platz der Bescheidenheit. Vor allem dann, wenn wir auf Menschen anderer Länder stoßen und ihre Gastfreundschaft genießen dürfen! Nehmen wir uns die Zeit, ihnen wirklich zu begegnen und sie kennen zu lernen und vor allem sollten wir uns mit ihnen ausschließlich auf Augenhöhe treffen! Abschließen möchte ich mit zwei Zitaten, die eigentlich das widerspiegeln, was diese Reise leider allzu oft vermittelte. Das erste Zitat ist von einer Russin und das Zweite schrieb ein Teilnehmer der Friedensfahrt: „Armut und Reichtum sollte man nicht nur in Geldscheinen und Wertgegenständen ausdrücken können, es gibt auch den menschlichen, ideellen Reichtum. Diese Menschen (die Russen) sind in meinen Augen wesentlich reicher, als…“ „Jetzt zu den ,gütigen Gaben‘ seitens der Friedensfahrer. Eine automatische Unterstellung, arm zu sein, ist generell abstoßend und entwürdigend. In diesem Fall gesellt sich dazu auch die nationale Komponente: Menschen seien arm, weil sie Russen sind. Das gehört sich so. Und noch etwas: Den gütigen Helfern ging es nicht um die Hilfe (diese ist meistens still), sondern um das öffentliche Ausleben eigener Güte. Ich erlebe also, dass, wenn Russen sagen: ,Vergessen wir‘ und wenn Deutsche sagen: ,Vergessen wir‘, das genaue Gegenteil gemeint sein kann. Der Russe sagt damit, dass er nichts nachtragen will und gemeinsam für Frieden wirken will. Der Deutsche sagt damit (im schlechtesten Fall), dass man uns den Faschismus gefälligst durchgehen lassen solle.“ Erstveröffentlichung bei russland.COMMUNITY ——————————————————————————————————————In eigener Sache: russland.RU hat eine neue Rubrik. „www.russland.community„. In dieser Rubrik geben wir Lesern und Autoren über unser facebook-Diskussionsforum hinaus, die Möglichkeit Kommentare und Artikel bei uns zu veröffentlichen. Die Kommentare und Artikel müssen nicht zwingend die Meinung der Redaktion von russland.RU wiedergeben. russland.RU setzt qualitative Ansprüche an die Beiträge und behält sich das Recht auf Kürzungen vor. Aktuelle Baukrise wird sich in Russland hinziehen Von Ullrich Umann Moskau (GTAI) – Sinkende Realeinkommen und der weitgehend ausgetrocknete Kapitalmarkt wirken sich auf den russischen Wohnungsmarkt aus. Die Regierung steuert mit zinssubventionierten Hypothekenkrediten dagegen. Private Investoren irritieren die ungewissen Konjunkturaussichten und die fehlenden oder teuren Langzeitfinanzierungen. Developer konzentrieren sich nicht auf Neuvorhaben, sondern bauen aufgestaute Überkapazitäten bei Gewerbeflächen ab, etwa durch Nachlässe bei Miet- und Verkaufspreisen. Die Föderalregierung begann am 1.3.15 mit der Gewährung staatlicher Zuschüsse in einer Gesamthöhe von 20 Mrd. Rubel (EZB-Wechselkurs Durchschnitt Juli 2016: 1 Euro = 71,24 Rubel) zur Subventionierung von Hypothekenzinsen. Ohne diese Maßnahme wäre der Bau von billigem Wohnraum in einigen Regionen komplett zusammengebrochen, denn bis zu 80% der Bauprojekte sind hypothekenfinanziert. Landesweit wurde 2015 der Bau von 48 Mio. qm Wohnfläche über zinssubventionierte Hypothekenkredite gefördert. Aktuell steht eine Verlängerung der Zinssubventionierung um ein weiteres Jahr unter Finanzierungsvorbehalt. Sollte der Staat keine Mittel dafür ausschütten, könnte der Schaden groß ausfallen. Es kämen Anschlusskosten von mehr als 1 Billion Rubel auf die öffentliche Hand auf allen Verwaltungsebenen zu, so Fachleute. Andernfalls würde das Land mit brachliegenden Baustellen regelrecht überzogen. Private Investoren gehen vorsichtig vor Im Unterschied zur Subprimekrise des Jahres 2008, die praktisch über Nacht hereinplatzte und die Akteure auf dem russischen Immobilienmarkt unvorbereitet traf, hat sich die aktuelle Baukrise über einen längeren Zeitraum hinweg angekündigt. Die aktuelle Krise wird auch länger dauern als 2008/09. Wichtige Akteure können dieses Mal lediglich von ihren damals gemachten Erfahrungen profitieren. Developer und Immobilienverwaltungen versuchen gegenwärtig – wenn überhaupt – nur Rubel-Kredite aufzunehmen. Die Rückzahlung in Landeswährung ist einfacher als in Fremdwährung wegen der starken Abwertung des Rubels und der hohen Volatilität des Wechselkurses. Noch 2008/09 waren Kredite in Devisen bevorzugt worden. Auch gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Bau- und Immobilienwirtschaft einerseits und den Banken andererseits besser als 2008/09. In der aktuellen Krise vermeiden es die Finanzinstitute beispielsweise, auf krisenbedingte Risikovergrößerungen sofort mit drastischen Zinserhöhungen zu reagieren. Vielmehr sehen sich Banken und Kreditnehmer im Fall drohender Zahlungsschwierigkeiten einvernehmlicher als 2008/09 nach einer Lösung um. Denn Banken haben damals schnell feststellen müssen, dass sie nach dem Ziehen ihrer Sicherheiten Besitzer unfertiger Bauvorhaben wurden. Letzte ließen sich aber nur mit hohen Abschlägen weiterveräußern, wenn überhaupt. Banken kommen Schuldnern entgegen Aktuell versuchen Banken, sich mit den Bauherren gütlich zu einigen, um Totalausfälle zu vermeiden. Dazu gehören gestreckte Zahlungsziele oder Zwischenfinanzierungen. Developer und Immobilienverwaltungen achten auch stärker als früher auf die Senkung ihrer operativen Kosten. Neben Einschränkungen beim Personal gehört dazu die Kürzung des Fuhr- und Baumaschinenparks. Um Einnahmeausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren, werden zusätzliche Geschäftsfelder erschlossen. Beispielsweise bieten Architekturbüros Planungen für die Gestaltung der Innenarchitektur, einschließlich Kauf der Einrichtungen auf Rechnung des Endkunden, an. Bislang wurden Objekte nur von außen entworfen und nach Fertigstellung als Rohbau an die Nutzer übergeben. Im Fall von Logistikzentren und Lagerflächen, bei denen noch vor wenigen Jahren hohe Knappheitsverhältnisse herrschten, ist der Leerstand inzwischen auf 12% angestiegen. Da 2016 weitere Objekte auf den Markt kommen, zeichnet sich bis Jahresende ein Leerstand von sogar 25% ab. Deutsche Exporte nach Osteuropa steigen stärker als Gesamtausfuhr Erstmals seit dem Rekordjahr 2012 wachsen die deutschen Exporte in die vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft betreuten Länder wieder stärker als die deutschen Ausfuhren insgesamt. Dies ergab die Auswertung der aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts durch den Ost-Ausschuss. Während die deutschen Gesamtausfuhren im ersten Halbjahr 2016 moderat um 1,5 Prozent zulegten, wuchsen die Exporte in die 21 Länder des Ost-Ausschusses demnach im Schnitt um 3,3 Prozent. „Es geht endlich wieder aufwärts“, sagte Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms zu den aktuellen Zahlen: „Nach zwei rabenschwarzen Jahren geht eine lange Durststrecke zu Ende. Osteuropa ist und bleibt ein Chancenraum für die deutsche Wirtschaft und gewinnt als Absatzmarkt wieder an Gewicht.“ Im Gesamtjahr 2015 waren die deutschen Lieferungen in die 21 OstAusschuss-Länder noch um fast zwölf Prozent zurückgegangen, während der deutsche Export insgesamt um gut sechs Prozent gestiegen war. Zu der positiven Trendwende trägt vor allem die anhaltend hohe Nachfrage nach deutschen Waren in Südosteuropa bei: Die Ausfuhren nach Rumänien, Serbien und Kroatien legten im ersten Halbjahr 2016 um jeweils rund 14 Prozent zu. „Die Gesamtregion Südosteuropa ist eine echte Wachstumslokomotive für den deutschen Export“, sagte Harms: „Die weiterhin positive wirtschaftliche Entwicklung dort, der hohe Investitions- und Modernisierungsbedarf und die zunehmende Integration der Region mit dem europäischen Binnenmarkt bieten auch in Zukunft gute Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen“. Unterstützt wurde die positive Entwicklung in der ersten Jahreshälfte durch die sichtbare Erholung der Lage in Russland: Nach einem Rückgang der deutschen Exporte nach Russland von minus 25 Prozent im Jahr 2015 rückt eine Bodenbildung in greifbare Nähe. In den ersten sechs Monaten 2016 lag das Minus bei den Lieferungen nach Russland nur noch bei 3,2 Prozent. Damit waren die deutschen Exporte nach Russland allerdings immer noch um acht Milliarden Euro niedriger als in der ersten Hälfte des Rekordjahres 2012. „Für eine Rückkehr zu den alten Wachstumszahlen sind die Modernisierung und Überwindung der Rohstoffabhängigkeit der russischen Wirtschaft sowie eine politische Wiederannäherung und der Abbau der Sanktionen notwendig“, sagte Harms: „Dazu muss der Minsk-Friedensprozess für die Ost-Ukraine endlich umgesetzt werden, um die politischen Voraussetzungen für eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen zu schaffen. Erst dann können die deutschen Exporteure von der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Erholung in Russland profitieren.“ Ein regelrechtes Feuerwerk gab es im ersten Halbjahr 2016 im Export in die Ukraine, der um 31 Prozent stieg. „In der Ukraine trägt der wirtschaftliche Reformprozess erste Früchte, und die Wirtschaft wächst erstmals wieder“, sagte Harms dazu: „Die Lösung des Konflikts in der Ost-Ukraine, die konsequente Fortsetzung des Reformkurses und die weitere Annäherung an die EU könnten hier weitere Schubkraft geben“. Durchwachsen sieht dagegen weiterhin die deutsche Exportbilanz mit Belarus, Zentralasien und dem Südkaukasus aus, wo es teils kräftige Einbrüche gab. Viele Länder dort leiden weiterhin unter der russischen Wirtschaftsschwäche und dem Verfall der Rohstoffpreise. Trotz des Exportanstiegs ging der deutsche Außenhandel mit den 21 Ost-Ausschuss-Ländern im ersten Halbjahr 2016 um vier Prozent auf 51,8 Milliarden Euro zurück, da die Einfuhren von dort um ein Zehntel niedriger waren als im Vorjahr. USA: Angst vor Manipulation der Wahlcomputer durch Moskau [Von Florian Rötzer] – Mit dem weiterhin nicht aufgeklärten Hack der Computer des Democratic National Committee untersucht das FBI das Eindringen in Wahlsysteme von zwei Bundesstaaten. Die Präsidentschaftswahlen in den USA nähern sich und wieder treibt manche die Sorge vor den Wahlcomputern um, die manipuliert werden könnten. Es handelt sich nicht nur um wilde Verschwörungstheoretiker, sondern auch um Regierungsstellen. Eingeführt wurden sie unter der Präsidentschaft von Bush mit dem „Help America Vote Act of 2002“, nachdem es bei den Wahlen zu vielen Problemen bei der Stimmauszählung aufgrund der oft unzuverlässigen Techniken wie Stanzmaschinen gekommen war (Warum die Amerikaner sich bei den Wahlen verzählen). Aufgrund der 9/11-Terroranschläge stellte sich die Nation hinter die Regierung, obgleich schon früh Zweifel aufgekommen waren, ob Bush überhaupt mehrheitlich gewählt worden war. Das Oberste Gericht hatte im Dezember 2000 angeordnet, die schon begonnene Nachzählung einzustellen, wodurch Bush automatisch zum Präsidenten wurde – und der Welt nicht nur mit seinem Krieg gegen den Terror und dem mit dem Raketenabwehrsystem aufflammenden Konflikt mit Russland lange anhaltende Probleme hinterlassen hat. Ausgerechnet in Florida, wo Jeb Bush, der Bruder von George W. Bush Gouverneur war, gab es die meisten Unstimmigkeiten. weiter bei Telepolis >>> Ein brisantes Problem russischer Außenpolitik [von Dr. Christian Wipperfürth] Der Konflikt um Berg-Karabach bereitet Moskau seit langem großes Kopfzerbrechen. Die russisch-türkische Annäherung dürfte Spannungen im Südkaukasus entschärfen. die gefährlichen Armenier und Aserbaidschaner sind seit Generationen verfeindet. In der zerfallenden Sowjetunion brachen alte Konflikte wieder auf. Im Februar 1988 gab es ein erstes Pogrom gegen die etwa 400.000 in Aserbaidschan lebenden Armenier. Aus dem Gebiet Berg-Karabach, das zu Aserbaidschan gehörte, aber überwiegend von Armeniern bewohnt war, wurden daraufhin Tausende Aseris vertrieben. Der Konflikt spitzte sich zu, und die Moskauer Führung setzte mit gewissem Erfolg Truppen ein, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Gleichwohl kamen vermutlich hunderte Menschen ums Leben. Ende 1991 brach die UdSSR auseinander. Der russische Präsident Boris Jelzin ordnete im April 1992 den Rückzug der russischen Truppen aus dem zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Berg-Karabach an. Russland war nicht mehr bereit, Ordnungsfunktionen im Südkaukasusraum wahrzunehmen. Jelzin bat stattdessen die NATO, Truppen zu entsenden, was diese jedoch ablehnte. Die Feindseligkeiten zwischen Aserbaidschan und Armenien brachen nun in aller Härte aus. Zwischen 1992 und 1994 kamen bis zu 50.000 Menschen ums Leben. Fast alle Armenier flüchteten aus Aserbaidschan und Hunderttausende Aseris wurden aus Bergkarabach und den angrenzenden Gebieten, die von Armeniern besetzt wurden, vertrieben. Russland ging bereits während des armenisch-aserischen Krieges wieder dazu über, als Ordnungsmacht zu agieren. Moskau zwang Georgien 1993 zu einem Beitritt in die GUS, um den Landweg nach Armenien zu sichern, das Russland als unentbehrliche Schutzmacht betrachtete. Ohne die russische Präsenz wären die gewaltsamen Auseinandersetzungen womöglich noch eskaliert. Berg-Karabach wurde faktisch zu einem eigenen, von Armenien massiv unterstützten Staat, der von keinem Land völkerrechtlich anerkannt wird, nicht einmal von Armenien selbst. Aserbeidschan verlangt die Räumung des besetzten Territoriums, einschließlich der Rückkehr Berg-Karabachs in das eigene Staatsgebiet. Dies lehnen die Armenier ab. Frankreich, Russland und die USA einigten sich darauf, den Konflikt gemeinsam zu lösen, aber seit 20 Jahren ohne Erfolg. Auch die Versuche der Präsidenten Wladimir Putin und Dmitri Medwedew, den Konflikt ohne Beteiligung von Paris und Washington zu lösen, schlugen fehl. Dies ist dem russischen Prestige, auf das Moskau großen Wert legt, abträglich. Immerhin kam es mehr als 20 Jahre zu keinen großen Kampfhandlungen mehr, aber wiederholt zu Scharmützeln, bei denen insgesamt Hunderte Menschen ums Leben kamen. Aserbaidschan, das etwa dreimal so viele Einwohner wie Armenien hat, gewann seit der Jahrtausendwende aufgrund der steil ansteigenden Ölexporte und Ölpreise beträchtlich an finanziellen Möglichkeiten. Baku baute eine militärische Drohkulisse auf, um den Widersacher zu einem Nachgeben zu zwingen. 2011 überstiegen die Militärausgaben Aserbaidschans diejenigen Armeniens um das Achtfache. 2011 schien zugleich ein Angriff der USA auf den Iran denkbar. Russland fürchtete, dass Aserbaidschan in diesem Fall Armenien angreifen könnte. Russische Truppen begannen darum, nicht nur wie bislang die armenisch-türkische Grenze zu sichern, sondern auch diejenige zu Aserbaidschan. Baku sollte hierdurch von einem Angriff auf den Bündnispartner Armenien abgeschreckt werden. Andererseits wollte der Kreml die Beziehungen mit Aserbaidschan nicht belasten. Russland drang auch darum auf eine Verhandlungslösung mit dem Iran. Der Kreml war der Ansicht, selbst erfolgreiche Luftschläge würden iranische Kernwaffen lediglich verzögern, aber nicht verhindern, falls Teheran diese tatsächlich anstrebe, was nicht sicher sei. Ein Angriff würde insbesondere den Anreiz erhöhen, Nuklearwaffen zu besitzen, um in Zukunft nicht mehr attackiert zu werden. Nach einigen Jahren relativer Ruhe rückten im Frühjahr 2016 Truppen Aserbaidschans gegen die armenischen Einheiten im Gebiet Berg-Karabach vor, und es gab zahlreiche Tote. Baku hätte diesen Schritt ohne Rückendeckung aus Ankara nicht unternommen. Die Türkei, die die Grenze zu Armenien seit 1993 geschlossen hält, wollte nicht zuletzt Russland durch die militärischen Maßnahmen Aserbaidschans unter Druck setzen. Moskau aber sandte eine unmissverständliche Drohung an Baku, das hieraufhin zurücksteckte. Armenien ist Mitglied der russisch geführten Verteidigungsallianz „Organisation des Vertrags für Kollektive Sicherheit“. Moskau kann und will den Bündnispartner im Ernstfall nicht seinem Schicksal überlassen, sondern – nicht zuletzt mit dem Blick auf Zentralasien – als zuverlässige Ordnungsmacht gelten. Russland strebt aber auch kooperative Beziehungen mit Aserbaidschan an, verkauft ihm sogar Waffen und hofft auf dessen Beitritt zur „Eurasischen Wirtschaftsunion“, der bislang außer Russland noch Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Weißrussland angehören. Auch Baku hat Interesse an guten Beziehungen mit Moskau, u.a. um das Interesse des Westens an Aserbaidschan zu erhöhen. Erdogan und Putin einigten sich in St. Petersburg Im August 2016 auf einen trilateralen Dialog unter Hinzuziehung Aserbaidschans. Am Tag vor dem Russlandaufenthalt des türkischen Präsidenten hatte sich Putin bereits mit seinen Amtskollegen aus dem Iran und Aserbaidschan getroffen. Am Tag nach der Abreise Erdogans traf sich Putin mit dem armenischen Präsidenten. Eine wirkliche Lösung des Konflikts um Berg-Karabach liegt noch in weiter Ferne. Aber die Aussichten auf Fortschritte im Friedensprozess sind besser als seit vielen Jahren: 1. R u s s l a n d h a t s e i t F r ü h j a h r s e i n e P o s i t i o n a l s Ordnungsmacht im Südkaukasus befestigt, was Aserbaidschan zügelt. 2. Moskau und Ankara beginnen, in Bezug auf den armenischaserischen Konflikt zu kooperieren, was es seit langen Jahren nicht mehr gegeben hat. 3. Ein westlicher Angriff auf den Iran steht seit der Einigung im Atomstreit vom Sommer 2015 nicht mehr zur Debatte, was auch die Situation auch in der Nachbarschaft des Iran beruhigt. 4. Aserbaidschan muss seine Militärausgaben zurückfahren, da die Öleinnahmen stark gesunken sind. Die Offensive vom Frühjahr 2016 war der vermutlich letzte noch mögliche Versuch Bakus, eine militärische Überlegenheit auszuspielen. Und Moskau entfaltet bemerkenswerte Aktivitäten von höchster Stelle, um den Konflikt um Berg-Karabach zu entschärfen. Er stand bereits mehrfach davor, auch Russland selbst in kriegerische Auseinandersetzungen zu verwickeln. Quellen der Abbildungen: Folie 1: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:FHen; https://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2c/NKR_locato r.png Folie 2: http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Don-kun; http://en.wikipedia.org/wiki/de:Creative_Commons; http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de Hakenkreuz spaltet die Kaliningrader Gesellschaft Mitte vergangener Woche begann ein neuer Skandal die Kaliningrader Gesellschaft zu beschäftigen. Nach dem heutigen Stand der Dinge steht die Frage, ob es ein lettischer Diplomatenskandal oder ein Kaliningrader Gesellschaftsskandal ist. Lettland hat eine diplomatische Vertretung, eine Außenstelle der Botschaft, in Kaliningrad. Malerisch gelegen in der Engelsstraße, mit direktem Zugang zum Zwillingsteich, ein nett durch die Kaliningrader Stadtverwaltung kultiviertes Gewässer im ehemaligen altdeutschen Amalienau, geriet dieses Gebäude Mitte vergangener Woche in den Focus der Aufmerksamkeit der Kaliningrader Gesellschaft. Eigentlich geriet nicht das Gebäude in den Aufmerksamkeitsfocus, sondern nur ein Schaukasten neben dem Eingang zur diplomatischen Vertretung. Dieser Schaukasten wird für allerlei Informationsmaterial der diplomatischen Vertretung genutzt. Und so gelangte auch ein Plakat dort hinein, welches die Kaliningrader Gemüter zur Wallung brachte. Das Plakat zeigt einen Mann und eine Frau in einem folkloristischen Kostüm und die guten Augen Kaliningrader Kriegsveteranen entdeckten auf dem Kleid der Frau ein Hakenkreuz. weiter bei kaliningrad-domizil.ru >>> Arktis-Erschließung Zeppelin per Ewiges Eis, der Nordpol, extreme Kälte. Aber auch immenser Reichtum an Bodenschätzen, der offenbar nur darauf wartet, seinem eisigen Hort entnommen zu werden. Wenn es nach Russland ginge, bekämen die letzten dort lebenden Eisbären auf ihren Eisschollen schon bald eine Vorstellung der besonderen Art frei Haus geboten. Die Erschließung der Arktis – ein anspruchsvolles Unterfangen, in sprichwörtlich unwirtlicher Umgebung. Nachdem Russland 2007, mittels zweier U-Boote, die Landesflagge am Meeresgrund des Nordpols platziert hat, war nicht nur die russische Territorialgrenze am Nordpol ein für alle mal markiert, sondern man sicherte sich gleichzeitig die Hoheitsrechte über eine Fläche von 1,2 Millionen arktischen Quadratkilometern. Im Besonderen handelt es sich hierbei um immense Öl- und Gasvorräte, die in der Eiswüste im Dornröschenschlaf schlummern. Schätzungen zufolge lagern bis zu 13 Milliarden Tonnen Öl sowie fast 70 Billionen Kubikmeter Gas unter dem Eis. Dass 30 Prozent der weltweiten Gasvorkommen und immerhin ein Zehntel der globalen Ölreserven nicht in die falschen Hände gelangen, dagegen hat Russland bereits letztes Jahr auf der Insel Alexandraland eine Fläche von 140.000 Quadratmeter zur Militärbasis ausgebaut. Deutlich in den Farben der russischen Trikolore, Weiß-Blau-Rot, gehalten, sollen 150 Soldaten eineinhalb Jahre lang in der Lage sein, dort autonom leben zu können. Was den Nordpol und die Arktis gerade jetzt so lukrativ erscheinen lässt, ist eine Folge des Klimawandels. Während früher die Passagen nur mit schweren Eisbrechern befahrbar waren, erschließt das vor sich hin schmelzende Packeis plötzlich ganz neue Passagen für den Schwerfrachttransport, die Sibirien, den Fernen Osten und die Arktis miteinander verbinden können. Nun schlug Russlands Sicherheitsrat eine weitere Bewältigung des Korridors von Europa an den Pazifik vor – Luftschiffe. Effiziente Nutzung des Klimawandels Gerade der Güterstrom zwischen dem Nördlichen Seeweg und der Transsibirischen Eisenbahnmagistrale, der Zeitunabhängig sei, könne laut Kirill Lyats, dem Präsidenten des Unternehmens „Lokomoskai“, damit gewährleistet werden. Russlands Vizepremier Arkadi Dworkowitsch indes beruft sich auf einen Vorschlag des Akademikers Alexander Nekipelow, dadurch ein „Geeintes Eurasien“ zu schaffen. Im Wesentlichen geht es darum, die Europäische Union und den asiatisch-pazifischen Raum miteinander zu verbinden, wobei in diese Arbeiten auch die Amerikaner und Europäer mit einbezogen werden sollen. Über die Kosten, die dadurch auf Russland zukommen, weist man im Sicherheitsrat darauf hin, dass ein Luftschiff zum Preis von 30 Millionen Dollar fünf Mi-8-Hubschrauber ersetzen könne, die gegenwärtig im Hohen Norden eingesetzt würden. Insgesamt, so schätzt man, wäre das Projekt zur Erschließung der Arktis 220 bis 240 Milliarden US-Dollar schwer. Zum nordpolaren Einsatz kämen wohl bevorzugt Luftschiffe des Modells „Atlant“ aus der Zeppelin-Schmiede des Luftschiffzentrums „Augur RosAeroSystems“. Allerdings habe die Zeitung „Kommersant“ bisher keine Angaben zum konkreten Inhaber dse Unternehmens ermitteln können, heißt es. 62,5 Prozent der Aktien sollen dem Chef der Russischen Luftschiff-Gesellschaft, Stanislaw Fjodorow, gehören, anderen Angaben zufolge ist die Eigentumsstruktur eine Ringstruktur, die auch die zypriotische „Everfar Management Limited“ mit einschließe. Der Lufttechnologiekonzern lässt sich offenbar nicht gern in die Karten achauen. Freigiebiger geht man da schon mit den technischen Daten der Luftgiganten um, die bis zum Jahr 2018 ihre Arbeit im Norden Eurasiens aufnehmen sollen. Demnach ist der Hybrid-Zeppelin vom Typ „Atlant“ laut Hersteller eine Fusion von Flugzeug-, Luftkissenfahrzeug- und Luftschifftechnologie mit einer Länge von 130 Metern. Bis zu 200 Passagiere, beziehungsweise 60 Tonnen Nutzlast soll das Monstrum transportieren können und bei einer Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern dabei eine Reichweite von vollbeladenen 2.000 Kilometer erreichen. Bei Leerfahrten laut dem Lufttechnologiekonzern sogar ganze 6.000 Kilometer. Wie Mikhail Talesnikov, der Vize-Präsident von „RosAeroSystems“, der Zeitung “The Siberian Times” gegenüber sagte, stünde der „Atlant“ technologisch betrachtet als einmalig da. „Während der Entladung kann das Gewicht des Luftschiffes über das Kontrollsystem so gesteuert werden, dass es auch ohne zusätzlichen Ballast nicht zu leicht wird und in die Stratosphäre aufsteigt.”, schwärmt Talesnikov. Der „Atlant“ werde auch eine „harte Schale” bekommen – also keinen Rahmen, der mit Gewebe umspannt ist, sondern ein Mantel aus Verbundstoff. Damit könne der Zeppelin auch die für den russischen Winter typischen Außentemperaturen von -40 Grad Celsius leicht überstehen. Der Experte des Portals Aviation Explorer, Wladimir Karnosow, erinnerte jedoch im Gespräch mit der Zeitung „Kommersant“ daran, dass man seit der Erfindung von Luftschiffen und anderen Flugapparaten leichter als die Luft davon träume, sie für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Allerdings sei bislang keine einzige solche Idee mit einem finanziell positiven Ergebnis in die Tat umgesetzt worden, gibt er zu bedenken. Wir wünschen eine gute Fahrt. [mb/russland.RU] Militär: Alarmübungen Russland [Video] in Zahlreiche Alarmübungen, bei denen die kurzfristige Herstellung der Gefechtsbereitschaft geprobt wird, finden aktuell und noch bis zum Monatsende in verschiedenen Regionen Russlands statt. Ärger wegen dieser Manöver gibt es mit Litauen und den USA, wobei der Streit darum geht, ob Russland entsprechende Stellen im Ausland von diesem umfangreichen Übungen entsprechend informiert hat oder nicht. Der Ton ist dabei auf beiden Seiten recht angespannt. russland.TV zeig Originalaufnahmen der Übung. Aktuelle Video-Berichte aus Russland auch weiterhin bei uns. https://www.youtube.com/watch?v=sUGILwdhlfs Mein Moskau [11] Ankunft in Moskau – Zweite [Hanns-Martin Wietek] Dies ist das elfte Kapitel der Geschichte eines zweifachen Aufbruchs – eines persönlichen und eines Volkes –, erlebt und geschrieben in den Jahren 1992 und 1993. Nachdem diese Geschichte jetzt schon Geschichte geworden ist, habe ich mich entschlossen, sie unverändert zu veröffentlichen – auch wenn ich das eine oder andere heute anders schreiben würde. Vielleicht trägt die Geschichte dazu bei, dass die Menschen des Westens die russischen Menschen besser verstehen. Die einzelnen Abschnitte erscheinen in loser Folge. Alle Folgen finden Sie hier. 15 Morgens um 7 Uhr geht mein Flugzeug nach Moskau zurück. Oksana hat ein Taxi bestellt und geht auch nach unten, als das Taxi kommt, um das Ziel zu nennen und den Fahrer zu bezahlen, damit ich nicht wieder über den Löffel balbiert werde. Das Ticket kann ich noch vor dem Abflug kaufen, es besteht keine Gefahr, dass die Maschine ausgebucht ist. Ich bin gespannt, was der Grenzbeamte sagen wird, denn ich habe immer noch kein lettisches Visum. Es ist sogar derselbe, der mich bei der Einreise kontrolliert hat. Er blättert durch meinen Pass, stutzt: „Visum?“ „Die Elisabetstraße war geschlossen.“ Er nickt nur mit dem Kopf, knallt einen Stempel in meinen Pass, und winkt mich weiter; keine Zollkontrolle, nichts. Ich hätte den halben Goldschatz von Lettland mit nach Moskau nehmen können. Im Flugzeug spreche ich wieder mein Gedächtnis auf Band. Ich bin müde von der kurzen Nacht, aber auch innerlich leer, ausgelaugt von den vielen Gefühlen, betroffen von dem Abschied, den ich immer noch als ein Stückchen Sterben empfinde. Da hilft auch nicht der hinreißend schöne Anblick der blutrot aufgehenden Sonne, die die dichte Wolkendecke unter mir von kitschig rosa bis golden färbt. Warum bildet man sich nur hier überall ein, es gehöre zum modern sein oder beweise gar, dass man modern ist, wenn aus dem Lautsprecher, sei es das Radio oder der Bordlautsprecher, wilde Pop- oder wie-sie-sonst-heißen-mag -musik dröhnt. Dieses kritiklose Kopieren westlicher Lebensart, oder dessen, was man für westliche Lebensart hält, kotzt mich an! Ich bin gespannt, wer und was mich am Flughafen Scheremetjevo 1 in Moskau erwartet. Schiefgehen kann jetzt nichts mehr, denn selbst wenn in den letzten Tagen Zoll- und Grenzkontrollen eingerichtet worden sein sollten, kann mir nichts mehr passieren; die ukrainischen Grenzbeamten haben mein russisches Einreisevisum damals nicht gestempelt, also bin ich offiziell noch nicht in Russland gewesen. Landung. Nichts hat sich geändert, keine Pass- und Zollkontrollen. Ich bin wieder in Moskau und offiziell immer noch nicht in Russland eingereist. Gebe Gott, dass sich das Problem Wohnen schon ein bisschen zwischen Nikolai und Natascha geklärt hat; ich habe ehrlich Angst, einen von beiden vor den Kopf zu stoßen. In der Ankunftshalle – ich stelle erneut meine Uhr um eine Stunde vor – wartet Nikolai auf mich, allein; Natascha ist also nicht mitgekommen. Nikolai, vierzig Jahre alt, groß, schlank, mit wuchtigem Schädel, auf dem die typisch russische Fellmütze thront, darunter schaut seine fast nicht zu bändigende leicht angegraute Haarmähne hervor; sein Gesicht, leicht pockennarbig, strahlt Ruhe, innere Ausgeglichenheit und Freude aus. Er trägt noch immer dieselbe Brille mit dem Sprung im linken Glas, wie als ich ihn vor sechs Monaten kennengelernt habe; in seinem grauen Wintermantel ist er eine imposante Erscheinung. Vollständig wird seine Erscheinung jedoch erst, wenn er anfängt zu sprechen: ein tiefster, wohltönender, fast könnte man sagen dröhnender, russischer Bass lässt ihn dann zum Prototypen eines Ur-Russen werden. Nach alter russischer Sitte liegen wir uns in den Armen, klopfen, ja schlagen uns auf den Rücken, küssen uns immer wieder auf die rechte und die linke Wange und dröhnen vor Freude – auch mein Bass ist nicht von schlechten Eltern, so dass sogar hier die Umgebenden auf uns aufmerksam werden. Draußen warten sein Freund und das junge Englisch sprechende Mädchen, Jane, in einem Lada Niva auf uns; das Gepäck ist schnell verstaut; wir fahren in die Stadt. Da die Wohnung von Natascha auf dem Weg liegt, werden wir zuerst dorthin fahren. Dort muss ich mich dann entscheiden, wo ich wohnen werde, bei Nikolai, bei Natascha oder – eine neue Variante – bei den Eltern dieses Mädchens, bei Igor Fedorowitsch. Hier in Moskau hat es in den letzten Tagen weiter geschneit, die großen Straßen sind geräumt, riesige Schneeberge am Straßenrand werden von schneefressenden Ungetümen auf Lastwagen gespien und abgefahren; gesalzen werden die Straßen jedoch nicht. Bei Natascha angekommen haben wir zuerst wieder das gleiche Problem, wie damals bei Igor Nikonov: in dem Hochhauskomplex müssen wir Nataschas Haus finden; wir fragen uns durch. Diese in der Anlage freundliche, ungefähr zwanzigstöckige Hochhaussiedlung – insgesamt sind es mindestens 15 Blöcke – ist sicher nicht älter als zehn Jahre, trotzdem sind die Eingänge und Treppenhäuser vergammelt: die großen Eingangstüren gehen nicht mehr richtig zu, Glasscheiben fehlen und im Treppenhaus liegt einiger Dreck und Abfall herum, und es riecht auch danach; nicht sehr Vertrauen erweckend. Im Haus steigen wir durch mehrere Stockwerke, um die Wohnung zu suchen. Nirgends sind Namensschilder, überall nur Nummern an den Türen. Nataschas Wohnung dagegen – eine große Fünfzimmerwohnung – ist gepflegt, schön, mit dicken Teppichen und auch sonst stilvoll und gemütlich eingerichtet. Ich habe den Eindruck, dass hier kunstliebende und kunstverständige Menschen wohnen. Natascha ist eine schöne, leicht exotisch aussehende Frau, etwa Mitte Dreißig; wie Galinka hat sie sicher Mongolen- oder Kasachenblut in ihren Adern. Auch sie begrüßt mich herzlich wie einen alten Bekannten. Wir müssen uns sofort setzen, es gibt Tee und etwas zu essen. Eine Verständigung ist leider sehr schwierig, denn sie spricht weder Deutsch noch Englisch. Jetzt können Jane und Nikolai helfen, später wird es ohne Dolmetscher dann aber schwierig werden. Soviel ist jedenfalls klar, ich muss unbedingt, erst einmal bei ihr bleiben, denn heute Nachmittag kommt ein Onkel von ihr und der spricht perfekt Deutsch, dann können wir alles Weitere besprechen; sie hat viele Fragen, auch und vor allen Dingen wie es ihrer Freundin Galina geht. Ihre Freundin, die Deutsch sprechende Kunsthistorikerin, werde ebenfalls kommen. Gegen Abend wird Nikolai anrufen, dann wird die Entscheidung gefallen sein, wo ich wohnen werde. Mein erster Eindruck hat mich in der Tat nicht getäuscht: Natascha ist Künstlerin; sie arbeitet aus Muscheln und Halbedelsteinen mit kleinsten „Zahnarztbohrern winzige Reliefs heraus, Gemmen oder Kameen, die dann zu Schmuck weiterverarbeitet werden. Freudig und stolz zeigt sie mir all ihre Schätze. russland.COMMUNITY: Konformismus Debattenkultur (Teil 2) und Von Gert Ewen Ungar – So, jetzt ist mir die Einleitung doch wieder viel zu lang geraten, denn das eigentliche Thema sind natürlich nicht die geistigen Bankrott-Erklärungen eines Romuald Ravenchow oder seine Beschimpfungen von mir und von Menschen, die meine Texte positiv kommentieren. Der klebt an meinem Facebook-Profil wie Scheiße am Schuh. Bisschen unangenehm, behindert aber nicht beim Gehen und läuft sich mit der Zeit ab. Wenn es mir zu blöd wird, wird er einfach gesperrt. Dann ist der Fall erledigt. Was damit allerdings nicht erledigt wäre, und das ist das eigentliche Thema dieses Artikels, ist der systemische Aspekt, der hier in dem Phänomen Romuald offenbar wird. Er hat sich seine Gesprächsstrategien ja nicht selbst ausgedacht, nicht nur, weil ihm dazu schlicht die Kreativität fehlt, sondern vor allem deshalb, weil er sich in einem System aufhält, das diese Strategien propagiert und legitimiert. Der um Verstehen und Aufklärung bemühte Diskurs ist in Deutschland weitgehend tot. Der öffentliche Diskurs befindet sich seit Jahren in einem degenerativen Prozess, in dem das idealer Weise vorhandene Bemühen um Verstehen, dialektisches Denken, indem intellektuelle Redlichkeit ersetzt wurden durch Strategien des Marketings und der Public Relations. Es geht nicht mehr darum, in einem möglichst breit angelegten Diskurs, sich gesellschaftlicher Wahrheit anzunähern oder einen Konsens herzustellen, der möglichst breit getragen wird. Es geht nur noch darum, mit aggressiven Rhetoriken Wahrheiten zu setzen und einer Zuhörerschaft zu verkaufen. Es ist ein typisches Zeichen totalitärer Gesellschaften Diskussionen eingehegt und begrenzt zu haben. In totalitären Systemen ist diese Abkehr von offenen Diskursen der Kern öffentlich vorgetragener Diskussion. So werden aus Diskursen gesellschaftliche Disziplinierungs-Instrumente, in denen festgelegt ist, was gesagt werden darf und was nicht, wobei die Einhaltung der Grenzen streng überwacht wird. Genau diese Verschiebung von aufgeklärtem zu totalitärem Diskurs wiederholt Romuald. Er geriert sich als moderner Blockwart, der überwacht, ob das Gesagte konform geht mit der veröffentlichten Meinung, belehrt, diskriminiert und verlacht seine Gesprächspartner, verschiebt Themen und weicht damit Antworten aus, verkürzt Begriffe oder schreibt sie in unpassender Weise zu. Seine diversen Gegenüber antworten nach einigen Versuchen der Klärung und Aufklärung mit Rückzug. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie ihm recht geben und seine Position übernehmen. Würde man sie nach solch einem Gespräch fragen, wie sie Homosexuellen begegnen, wäre es nicht verwunderlich, würden einige davon mit d.) eher negativ antworten. Da muss man keine zwölf Semester Psychologie studiert haben, um den Zusammenhang einzusehen. Ich schrieb es schon, das was er hier wiederholt ist die Diskussionsunkultur, die uns täglich um die Ohren gehauen wird. Und auch hier reagieren die Menschen mit Rückzug. Die sinkenden Auflagen der Mainstream-Gazetten sind hierfür Beleg. Gerade lese ich, Volker Spahn wäre für lebenslanges arbeiten, ganz ohne Rente. Der auf Disziplinierung der Massen ausgelegte Mainstream nimmt das Thema bereitwillig auf. Hier kann Romuald noch einiges lernen. Gerade der Rentendiskurs ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr und wie weit wir uns von einem um Aufklärung bemühten Diskurs wegbewegt haben. Da zünden eindeutig als Vertreter der Versicherungslobby zu identifizierende “Experten” seit Jahren eine Nebelkerze nach der anderen, schwafeln was von demographischen Wandel und Generationengerechtigkeit, erhalten breite Unterstützung durch die Mainstream-Medien, die jede anders lautende Meinung ausblenden oder diskriminieren haben. Dabei wird der zentrale Aspekt, dass nämlich das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente natürlich mit ganz geringen Anpassungen dazu führt, dass die Rente sicher ist, wenn es gelingt Produktivität zu erhöhen und bei den Lohnsteigerungen den sich daraus ergebenden Verteilungsspielraum auszuschöpfen. Mehr gibt es zur Rentendiskussion eigentlich nicht zu sagen. Die Rente wäre sicher, wenn man es denn wollen würde. Sie wurde allerdings durch Rhetoriken, die in politisches Handeln mündeten, nachhaltig und dauerhaft beschädigt, wobei die Diskussion weit entfernt von jeglicher intellektuellen Lauterkeit geführt worden ist. Einige wenige Mulitplikatoren wurden finanziell gut ausgestattet, um eine Diskussion mit Gegenaufklärung zu befeuern, um Millionen von Menschen um die Sicherheit im Alter zu betrügen und den Versicherungsunternehmen Milliarden zukommen zu lassen. Ein wirklich unglaublicher Vorgang. Dass, wie heute die Nachdenkseiten anmerken, die Gegenaufklärer Raffelhüschen, Rürup und Co. nicht haftbar gemacht werden, ist der eigentliche Skandal. Sexualität ist ein in westlichen Gesellschaftlich hart umkämpftes Feld. Gleichsam im Windschatten einer gesamtdeutschen Empörung über die Ausweitung eines russischen Jugendschutzgesetztes, das fortan die Bewerbung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen gegenüber Jugendlichen untersagt, wurde in Deutschland das Sexualstrafrecht auf nahezu allen Ebenen verschärft. Hört man kaum etwas davon und falls doch, dann ist es Alice Schwarzer, die ihre moralische Empörung gegenüber Freiern, Arbeitsbedingungen in Bordellen, Pornokonsumenten und Menschenhändlern unter Umgehung sämtlicher Fakten öffentlich und oftmals GEZ-Gebühren finanziert vortragen darf, damit also Geld verdient, das sie dann ins Ausland verfrachtet. Sie hat das Recht die Deutschen zu belehren, die Pflicht hier Steuern zu zahlen ist freilich eine Zumutung. Um in Deutschland beispielsweise wegen Menschenhandels dran zu sein, muss man gar nicht mit Menschen gehandelt haben. Man muss nur Frauen mit einer anderen als der deutschen Staatsbürgerschaft im Alter von 18 bis 21 die Gelegenheit gegeben haben, in der Prostitution zu arbeiten. Schwupp ist man Menschenhändler und vermutlich gleich Besitzer eines ganzen Menschenhändler-Ringes. Man muss eigentlich nur ein paar Kontakte haben, dann greift die Presse bei der Beschreibung des Phänomens gleich zu diesem reißerischen Titel. Sexualität ist ein in vielen Gesellschaften hart umkämpftes Feld mit vielen Akteuren ganz unterschiedlicher Interessen. Wer aber naiv denkt, die sexuelle Selbstbestimmung sei zumindest in Deutschland für alle gleich geregelt, der irrt. Es gelten in Deutschland inzwischen eine Vielzahl unterschiedlichster Schutzalter und jede der letzten sogenannten Reformen hat einstmals klare Regelungen aufgeweicht und aus dem Sexualstrafrecht ein Ansammlung von Gummiparagrafen gemacht, die sich gegen jeden richten, der etwas anderes als die biedermeierliche Sexualmoral einer Alice Schwarzer leben möchte. Gerade ihre Argumentationen, ihre Diffamierungen gegen solide arbeitenden Institutionen wie “Dona Carmen”, ihr Verbiegen von Fakten bis hinunter zur Lüge scheinen die Vorlage für Menschen wie Romuald zu sein, die sowohl Stil als auch Aggressivität kopieren und sich damit zu einem willigen Werkzeug der Gegenaufklärung machen. Dass dieser Stil nur gut sein kann, wird für Menschen wir Romuald noch durch die Tatsache unterstrichen, dass Alice Schwarzer den Medien als Expertin gilt. Dabei gibt es wohl niemanden, der weniger Ahnung von den von ihr besprochenen Themenfeldern hat als nun gerade sie. Die Frauen, für die Schwarzer vorgibt zu kämpfen wehren sich gegen die unerwünschte Interessenvertretung mit allen Mitteln. Allein es hilft nichts. Der Populismus siegt über die Vernunft, eine Strafrechtsverschärfung folgt auf die andere. Alice Schwarzer ist überaus stolz darauf, zum Abbau von Freiheitsrechten beigetragen zu haben. Ich habe hier darüber geschrieben. Jedenfalls ist gegenüber den Verschärfungen, die in Deutschland stattgefunden haben, das russische Gesetz gegen die Bewerbung von ziemlich harmlos. gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Es lassen sich noch weitere Beispiele anführen, wo ein um Wahrheit und Wahrhaftigkeit bemühter Diskurs ersetzt wurde durch faktenfreies Erzählen von Unwahrheiten, mit dem Ziel, ein bestimmtes Sentiment aufzubauen und zu nutzen. Ein mir ganz besonders wichtiges: Wir führen keine Kriege mehr! Seit dem Jugoslawien-Krieg machen wir nur noch humanitäre Interventionen. Die Begründungen, die für diesen Militäreinsatz herhalten mussten, waren gelogen. Und wichtiger noch, der damalige Außenminister Josef Fischer und sein Ministerkollege im Verteidigungsministerium Scharping wussten in dem Moment, in dem sie “Hufeisenplan” und “Genozid” sagten, dass es sich um Lügen handelte. Die deutsche Medienlandschaft hat nahezu geschlossen mitgemacht. Medial getragenen Lügen, die zu unendlichem Leid führten, einen Staat herausbildeten, der aus sich nicht lebensfähig ist, in dem die Armut, die Korruption und die Mafia regiert. Ach ja, eine US-Militärbasis gibt es da jetzt auch. Aber das war freilich nicht der Grund, warum wir da unbedingt Krieg führen mussten. Oder doch? Es ist dieser von jeder Wahrhaftigkeit befreite Stil deutscher Eliten, der Menschen wie Romuald legitimiert. Hier ist das Vorbild; hier ist die große Abkehr von allem zu finden, was es auch nur ein bisschen an intellektuelle Lauterkeit erinnern könnte. Man kann dem nur begegnen, indem man grundlegend skeptisch bleibt. Wenn heute von NGO’s und Parteien vorgetragen wird, hier durchgesetzte schwule Rechte seien Menschenrechte und hätten daher auch in Russland zu gelten, wofür freilich zu kämpfen sei, dann gilt es, mehr als nur hellhörig zu werden. Hier soll eine Minderheit instrumentalisiert werden, um Völkerrecht, das völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung gegen das neuerlich eingeführte Prinzip der Schutzverantwortung auszuspielen. Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele anführen, mit denen nachgewiesen werden kann, wie sehr wir uns von den Prinzipien eines um Aufklärung und Verstehen bemühten Diskures zentraler gesellschaftlicher Themen abgewandt haben. Das wird sich auch nicht so ohne weiteres wieder herstellen lassen, denn das, was ihn ersetzt hat, ist hoch aggressiv. Man kann sich nur abwenden, sonst wird man einfach überschrien. Romuald ist hierfür ein Beispiel. Seine Legitimation zieht er aus den öffentlich geführten Debatten und der Art wie sie geführt werden. Es geht nicht um Wahrhaftigkeit, Konsens, Meinungsaustausch. Es geht um mediale Aufmerksamkeit. Politisch setzt sich letzten Endes der Stärke ganz unabhängig von Argumenten und Fakten durch. Romuald und mit ihm viele andere einer immer radikaler werdenden Mitte haben das tief begriffen. Fähnchen im Wind. Um mehr geht es nicht mehr. ——————————————————————————————————————- In eigener Sache: russland.RU hat eine neue Rubrik. „www.russland.community„. In dieser Rubrik geben wir Lesern und Autoren über unser facebook-Diskussionsforum hinaus, die Möglichkeit Kommentare und Artikel bei uns zu veröffentlichen. Die Kommentare und Artikel müssen nicht zwingend die Meinung der Redaktion von russland.RU wiedergeben. russland.RU setzt qualitative Ansprüche an die Beiträge und behält sich das Recht auf Kürzungen vor.