Bei der Postbank geht es um die Existenz

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Bei der Postbank geht es um die Existenz
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gewerkschaft
ver.di k n i g g e
ver.di publik 12 | dezember 2011
Bei der Postbank geht es um die Existenz
finanzdienstleistungen | Der Kampf zwischen ver.di und der Deutschen Bank spitzt sich zu
Alles im Beutel
Alle haben ein Maskottchen: der 1. fc Köln
den Geißbock, der wwf den Panda und die
Ärzteschaft die Äskulapnatter. Warum
eigentlich hat ver.di keins? Ganz einfach:
Weil man sich auf der extra einberufenen
Konferenz der Tiere mal wieder nicht einigen konnte. Abgelehnt wurde der Antrag,
den Elefanten des Fachbereichs Sozialversicherung auf die ganze Organisation zu
übertragen: „Wir wollen doch nicht noch
mehr Porzellan zerschlagen!“ Verworfen
auch der Vorschlag „Krake – überall die
Finger drin“. Der Fuchs, den die Tarifpolitiker ins Spiel brachten, fand wenig Gefallen
– „sieht doch arg nach Bausparkasse aus“.
Die „King Kong“-Idee des Vorsitzenden
konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen. So
wird weiter beraten über eher unbekannte
Arten wie den als Kaffeekatze umherschleichenden Fleckenmusang – „Entscheidend
ist, was hinten rauskommt“ – und den
bärengleichen Wombat aus Down Under –
„Plump, aber alles im Beutel!“
Kreativ agiert: Betriebsrat
beim Modehändler Zalando
online-handel | Im November wurde
beim Berliner Modeversand Zalando
erstmals ein Betriebsrat gegründet. Die
180 Beschäftigten haben beim Tochterunternehmen My Brands Zalando
eProductions eine siebenköpfige Vertretung gewählt. Die Firma produziert
Produktfotos und Artikelbeschreibungen für die Internetseite. „Seit einem
halben Jahr arbeiten wir im ZweiSchicht-Betrieb“, sagt Christian Rose,
der Betriebsratsvorsitzende. Die Beschäftigten hatten eigene Modelle dafür
entwickelt, mit denen sie sich nicht
durchsetzen konnten. Einen kleinen
Schichtaufschlag haben sie jedoch erwirkt. „Danach meinten wir, dass wir
einen Betriebsrat brauchen“, sagt Rose.
connexx.av, das ver.di-Projekt für Neue
Medien, hat sie unterstützt. Der Wahlvorstand wurde von ver.di geschult,
auch der Betriebsrat will die Bildungsangebote der Gewerkschaft nutzen.
Die Wahlunterlagen waren von den
Kreativen mit einem Schuh gekennzeichnet worden, so dass bei jedem
Aushang sofort klar war, dass es um
die Wahl ging. 15 Kandidaten aus allen
Abteilungen hatten sich zur Wahl gestellt. Schon am Tag danach wurde der
Betriebsrat zu Einstellungen angehört.
Aktionswoche in der
Psychotherapie
gesundheit | Psychotherapeut/innen
in Ausbildung (PiA) haben während
einer Aktionswoche vom 5. bis 9. Dezember in Berlin und anderen Städten
ihre Arbeit niedergelegt. Auch ver.di
forderte die Mitglieder in dem Bereich
auf, sich an den Demonstrationen und
Aktionen zu beteiligen. Allein in Berlin
wollten sich mehr als 1 600 PiA nicht
länger mit den schlechten Arbeits- und
Ausbildungsbedingungen abfinden. Sie
müssen Ausbildungskosten bis zu 600
Euro pro Monat bezahlen, erhalten –
wenn überhaupt – Löhne von höchstens
500 Euro und werden in ihrer praktischen Ausbildung im Klinikbetrieb meist
nur mangelhaft angeleitet.
www.pia-im-streik.de
www.bdp-pia.de
Über die Köpfe der Menschenmenge
hinweg, von Hand zu Hand, schaukeln
die Kisten nach vorn, zu den Rednern.
Es sind 50 Sorgenkisten, beschriftet mit
dem umgewandelten Postbank-Slogan:
„Unterm Strich – wo bleib ich?“
Sie stehen stellvertretend für die 50
Hamburger Kolleginnen und Kollegen
aus der Kreditabteilung, die nach dem
Willen des Postbank-Vorstands in die
neue Kreditservicegesellschaft übergeleitet werden sollen. Und zwar zu bedeutend schlechteren Konditionen –
will der Arbeitgeber durch die Auslagerung doch Arbeitszeitverlängerung,
Gehaltskürzungen und weniger Urlaub
durchsetzen, was insgesamt bis zu 30
Prozent weniger Geld bedeutet.
Gerade für Kollegen mit Familie ist
ein Umzug ins niedersächsische Hameln
kaum zumutbar. „Ihnen droht in Hamburg die Arbeitslosigkeit“, sagt Artur
Rudat, Vorsitzender der Betriebsrätegemeinschaft der Hamburger Postbank
und Mitglied der Verhandlungskommission in den Tarifverhandlungen. Bundesweit sind 1 500 Mitarbeiter betroffen. Und die Kreditabteilung wäre erst
der Anfang, das befürchten hier alle.
Die Stimmung auf der Kundgebung
vor dem Hamburger Postbankgebäude
ist aufgeheizt, die 1 000 Beschäftigten
sind fest entschlossen. „Es geht um unsere Existenz“, sagen sie. Über die Hälfte
unter ihnen sind Beamtinnen und Beamte, die sich in ihrer Frühstückspause
mit den streikenden Kollegen solidarisch
erklären. „Ein Standort, eine Belegschaft, ein Kampf – so lautet unsere
Devise“, sagt Artur Rudat.
Vier Tage Warnstreiks an
elf Standorten im Land
Bundesweit sind 3 500 Angestellte an
allen elf Standorten der Postbank und
ihrer Tochterfirmen dem Aufruf zum
Warnstreik am 1. Dezember gefolgt.
Vier Tage dauert der Streik, bis einschließlich Montag. Dann kehren Arbeitgeber, ver.di und Arbeitnehmervertreter/innen zurück an den Verhandlungstisch in Bad Nauheim. Die Beschäftigten wehren sich gegen die Pläne des
Trüber Tag – entschlossene Leute. 1 000 sind am 1. Dezember in Hamburg auf der Straße
Postbank-Vorstands, im Rahmen der
Integration in die Deutsche Bank Bereiche der Postbank als eigenständige
Gesellschaften mit bedeutend schlechteren Arbeitsbedingungen als bisher
auszugliedern.
ver.di kämpft gegen diese Pläne und
für einen Überleitungstarifvertrag, der
die Rechte und Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten bei der Fusion absichert. So sollen die bisher bestehenden
Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung
weiter gelten. Außerdem fordert die
Gewerkschaft Arbeitszeitverkürzungstage, da die Arbeitsbelastung stetig
wächst. Überstunden gehören schon
lange zur Tagesordnung. Der Krankenstand liege in Hamburg bei bis zu
13 Prozent, berichtet Artur Rudat.
„Wir sind bis zur Oberkante Unterlippe
überlastet.“
Auch die fünfte Verhandlungsrunde
am 25. November habe deutlich gezeigt,
dass die Arbeitgeber nicht einlenken
wollen, sagt der Hamburger Betriebsrat.
Er fordert die Postbank auf, „sich endlich
zu bewegen. Wir haben das Gefühl,
dass der Verhandlungsführer der Postbank von der Deutschen Bank geknebelt
wird.“ Warnstreiks am 3. November und
die „aktive Mittagspause“ waren erste
Signale, wurden jedoch vom Arbeitgeber ignoriert. Den Beschäftigten reicht
es jetzt. Sie seien „wild entschlossen“,
sagt ein Kollege.
„Wir haben hier eine ganz hohe Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen,
sich zur Wehr zu setzen und zu streiken“,
stellt Berthold Bose fest, der zuständige
ver.di-Fachbereichsleiter aus Hamburg.
Angriff auf den
Flächentarifvertrag
Allein in der Hansestadt werden täglich
120 000 Zahlungsvorgänge abgearbeitet. Ein Großteil davon bleibt am 1. Dezember unerledigt. ver.di rechnet mit
Verzögerungen bei Überweisungen. So
wird der Streik auch die Deutsche Bank
m e i n a r b e i t s p lat z
schmerzen, die ihren Zahlungsverkehr
über die Postbank abwickelt. Und nicht
nur für die Postbank-Beschäftigten,
auch für ver.di geht es um viel. Die gesamte Bankenbranche blickt gespannt
auf den Machtkampf, denn der Arbeitgeber droht, hier ein Exempel zu statuieren.
„Wenn die Deutsche Bank es schafft,
sich in einem Betrieb durchzusetzen,
in dem 70 Prozent der Beschäftigten
organisiert sind, dann besteht die
Gefahr, dass als nächstes der Flächentarifvertrag insgesamt angegriffen
wird“, erklärt Gerd Tausendfreund, der
bei ver.di der Unternehmensbetreuer
der Postbank ist.
Das muss verhindert werden. „Mit
der ersten Streikwelle setzen wir ein
klares Zeichen“, ruft Berthold Bose auf
der Hamburger Kundgebung. „Nun liegt
es am Arbeitgeber, die Verhandlungen
mit ver.di so mit Inhalt zu füllen, dass
die nächsten Zeichen nicht notwendig
werden.“
Knabbern. Es passiert, dass sich
Hier wird gespielt
ein Gerät leerspielt und nicht soviel rausgibt, wie jemand gewonnen hat. Dann fülle ich es mit neu-
elfriede heil, Spielhallenservicekraft aus Walsrode
em Geld, anschließend tauscht der
Gewinner sein Geld zurück. Dafür
haben wir den Wechselautoma-
Ich arbeite jeden Tag zwei Stunden in einer Spielhalle mit zehn Geräten und
ten. Wenn ich 500 Euro in Zweier-
bessere damit meine Rente auf. Falls hier oder in der Filiale im Nachbarort
münzen in die Maschine stecke,
jemand krank wird, mach ich die Feuerwehr und springe ein. Vorn im Laden
weiß ich, was ich gemacht habe.
gibt es vier Internetplätze und einen Tresen. Unsere Spielhalle ist eine Spiel-
Das ist für die Arme anstrengend.
börse, also keines dieser 24-Stunden-Casinos. Nach einigem Auf und Ab in
Wegen des Wechslers brauchen
meinem Leben habe ich mit 42 Jahren wieder angefangen zu arbeiten, zu-
wir keinen hohen Kassenbestand, dadurch ist unser Leben hier abgesichert.
nächst in der Gastronomie. Damals habe ich die Bekanntschaft mit Spielhallen gemacht. Ein netter Job, weil man viele Mentalitäten kennenlernt. Man
Zu den sechs Euro in der Stunde bekommen wir Spätzulagen, Feiertags- und
braucht in dem Job Fingerspitzengefühl und psychologisches Denken, wenn
Sonntagszuschlag – damit stehen wir uns besser als andere mit sieben Euro
man mit Verlierern umgeht. Auch an die Spielsüchtigen muss man sich ge-
brutto. Uns stört, dass wir ohne gewerkschaftliche Rückendeckung arbeiten
wöhnen. Wenn die Heiligabend kurz vor der Bescherung spielen, frage ich
müssen. Die großen Hallen haben einen Betriebsrat, wir nicht. Deshalb wün-
mich schon: Bekommen die Kinder diesmal wohl Geschenke?
schen wir aus den kleinen Betrieben uns dringend, dass ver.di einen Tarifvertrag durchsetzt für alle Spielhallenaufsichtskräfte. Zu Hause schreibe ich
Um acht kommen die Ersten
dann weiter an meinen Romanen. Der neueste heißt: „Mythos“.
Unsere Spielhalle ist von acht Uhr morgens bis drei Uhr morgens geöffnet.
protokoll: Jenny Mansch, foto: Studio Ehlermann
Wir arbeiten in zwei Schichten. Es gibt drei Festangestellte und mich als Aushilfe. Wir sind ein tolles Team. Jede von uns arbeitet allein in der Halle. In
der Frühschicht bin ich zwanzig vor acht da und sehe erstmal die Nachrichten der Spätschicht über Defekte oder besondere Vorkommnisse durch und
checke die Kasse. Der Kaffee wird um viertel vor sieben von der Bodenkosmetikerin gekocht. Das Internet muss laufen, hier und da ein Automat geputzt werden, dann warte ich auf die ersten Kunden. Manchmal stehen die
schon um acht vor der Tür. Wir haben viele Schichtarbeiter, da weiß man
nie, ob es vor- oder nachmittags voll wird. Die Kunden wechseln bei uns ihre
Scheine in Kleingeld, dann spielen sie, bekommen Getränke oder was zum
Ich will Mitglied bei ver.d i werden!
NAME, VORNAME
STRASSE, HAUSNR.
POSTLEITZAHL, ORT
E - M A I L-A D R E S S E
Name, Adresse und wenn gewünscht E-Mail-Adresse ausfüllen und im frankierten Umschlag
an ver.di-Mitgliederentwicklung, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin schicken.
oder ver.d i direkt Telefon: 0180 / 2 22 22 77 und www.darum-verd i.de
F OTO : M I C H A E L KOTT M E I E R / AG E N DA
von Michaela Ludwig